URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

26. September 2018 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsame Politik im Bereich Asyl und subsidiärer Schutz – Richtlinie 2013/32/EU – Art. 46 – Richtlinie 2008/115/EG – Art. 13 – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 18, Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 – Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf – Grundsatz der Nichtzurückweisung – Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt wird – Nationale Regelung, die einen zweiten Rechtszug vorsieht – Auf die Klage beschränkte aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes“

In der Rechtssache C‑180/17

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Raad van State (Staatsrat, Niederlande) mit Entscheidung vom 29. März 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 7. April 2017, in dem Verfahren

X,

Y

gegen

Staatssecretaris van Veiligheid en Justitie

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz (Berichterstatter), der Richter C. Vajda und E. Juhász, der Richterin K. Jürimäe und des Richters C. Lycourgos,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

von Y und X, vertreten durch J. Pieters, advocaat,

der niederländischen Regierung, vertreten durch J. Langer, M. K. Bulterman und H. S. Gijzen als Bevollmächtigte,

der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs, C. Pochet und C. Van Lul als Bevollmächtigte,

der estnischen Regierung, vertreten durch N. Grünberg als Bevollmächtigte,

der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Cattabriga, M. Condou-Durande und G. Wils als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. Januar 2018

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 46 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. 2013, L 180, S. 60) und Art. 13 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. 2008, L 348, S. 98) im Licht von Art. 18, Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen X und Y einerseits und dem Staatssecretaris van Veiligheid en Justitie (Staatssekretär für Sicherheit und Justiz, Niederlande) andererseits wegen der Ablehnung ihrer Anträge auf internationalen Schutz und gegen sie ergangener Rückkehrentscheidungen.

Rechtlicher Rahmen

Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge

3

Art. 33 („Verbot der Ausweisung und Zurückweisung“) Abs. 1 des am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichneten Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (United Nations Treaty Series, Bd. 189, S. 137, Nr. 2545 [1954]) in der durch das am 31. Januar 1967 in New York abgeschlossene und am 4. Oktober 1967 in Kraft getretene Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ergänzten Fassung (im Folgenden: Genfer Konvention) sieht vor:

„Keiner der vertragschließenden Staaten wird einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten ausweisen oder zurückweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde.“

EMRK

4

Die am 4. November 1950 in Rom unterzeichnete Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) bestimmt in Art. 3 („Verbot der Folter“):

„Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“

5

Art. 13 EMRK bestimmt:

„Jede Person, die in ihren in dieser Konvention anerkannten Rechten oder Freiheiten verletzt worden ist, hat das Recht, bei einer innerstaatlichen Instanz eine wirksame Beschwerde zu erheben, auch wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben.“

Unionsrecht

Richtlinie 2013/32

6

In den Erwägungsgründen 12 und 60 der Richtlinie 2013/32 heißt es:

„(12)

Hauptziel dieser Richtlinie ist die Weiterentwicklung der Normen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung internationalen Schutzes im Hinblick auf die Einführung eines gemeinsamen Asylverfahrens in der Union.

(60)

Diese Richtlinie steht in Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die mit der Charta anerkannt wurden. …“

7

Art. 3 („Anwendungsbereich“) dieser Richtlinie bestimmt in Abs. 1:

„Diese Richtlinie gilt für alle Anträge auf internationalen Schutz, die im Hoheitsgebiet – einschließlich an der Grenze, in den Hoheitsgewässern oder in den Transitzonen – der Mitgliedstaaten gestellt werden, sowie für die Aberkennung des internationalen Schutzes.“

8

Art. 46 („Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf“) dieser Richtlinie sieht vor:

„(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Antragsteller das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht haben gegen

a)

eine Entscheidung über ihren Antrag auf internationalen Schutz, einschließlich einer Entscheidung,

i)

einen Antrag als unbegründet in Bezug auf die Flüchtlingseigenschaft und/oder den subsidiären Schutzstatus zu betrachten;

(3)   Zur Einhaltung des Absatzes 1 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der wirksame Rechtsbehelf eine umfassende Ex-nunc-Prüfung vorsieht, die sich sowohl auf Tatsachen als auch auf Rechtsfragen erstreckt und bei der gegebenenfalls das Bedürfnis nach internationalem Schutz gemäß der Richtlinie 2011/95/EU [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. 2011, L 337, S. 9, und Berichtigung ABl. 2017, L 167, S. 58)] zumindest in Rechtsbehelfsverfahren vor einem erstinstanzlichen Gericht beurteilt wird.

(5)   Unbeschadet des Absatzes 6 gestatten die Mitgliedstaaten den Antragstellern den Verbleib im Hoheitsgebiet bis zum Ablauf der Frist für die Ausübung des Rechts der Antragsteller auf einen wirksamen Rechtsbehelf und, wenn ein solches Recht fristgemäß ausgeübt wurde, bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf.

(6)   Im Fall einer Entscheidung,

a)

einen Antrag im Einklang mit Artikel 32 Absatz 2 als offensichtlich unbegründet oder nach Prüfung gemäß Artikel 31 Absatz 8 als unbegründet zu betrachten, es sei denn, diese Entscheidungen sind auf die in Artikel 31 Absatz 8 Buchstabe h aufgeführten Umstände gestützt,

b)

einen Antrag gemäß Artikel 33 Absatz 2 Buchstaben a, b oder d als unzulässig zu betrachten,

c)

die Wiedereröffnung des nach Artikel 28 eingestellten Verfahrens des Antragstellers abzulehnen oder

d)

gemäß Artikel 39 den Antrag nicht oder nicht umfassend zu prüfen,

ist das Gericht befugt, entweder auf Antrag des Antragstellers oder von Amts wegen darüber zu entscheiden, ob der Antragsteller im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verbleiben darf, wenn die Entscheidung zur Folge hat, das Recht des Antragstellers auf Verbleib in dem Mitgliedstaat zu beenden und wenn in diesen Fällen das Recht auf Verbleib in dem betreffenden Mitgliedstaat bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf im nationalen Recht nicht vorgesehen ist.

…“

Richtlinie 2008/115

9

Die Erwägungsgründe 2, 4 und 24 der Richtlinie 2008/115 lauten:

„(2)

Auf seiner Tagung am 4. und 5. November 2004 in Brüssel forderte der Europäische Rat zur Festlegung einer wirksamen Rückkehr- und Rückübernahmepolitik auf, die auf gemeinsamen Normen beruht, die gewährleisten, dass die betreffenden Personen unter vollständiger Achtung der Grundrechte auf menschenwürdige Weise zurückgeführt werden.

(4)

Eine wirksame Rückkehrpolitik als notwendiger Bestandteil einer gut geregelten Migrationspolitik muss mit klaren, transparenten und fairen Vorschriften unterlegt werden.

(24)

Die Richtlinie wahrt die Grundrechte und Grundsätze, die vor allem in der [Charta] verankert sind.“

10

Gemäß ihrem Art. 2 Abs. 1 findet diese Richtlinie auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige Anwendung.

11

Art. 3 der Richtlinie bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnen die Ausdrücke

4.

‚Rückkehrentscheidung‘: die behördliche oder richterliche Entscheidung oder Maßnahme mit der der illegale Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen festgestellt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt oder festgestellt wird;

…“

12

Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115 sieht vor:

„Rückkehrentscheidungen sowie – gegebenenfalls – Entscheidungen über ein Einreiseverbot oder eine Abschiebung ergehen schriftlich und enthalten eine sachliche und rechtliche Begründung sowie Informationen über mögliche Rechtsbehelfe.

…“

13

Art. 13 („Rechtsbehelfe“) dieser Richtlinie bestimmt:

„(1)   Die betreffenden Drittstaatsangehörigen haben das Recht, bei einer zuständigen Justiz- oder Verwaltungsbehörde oder einem zuständigen Gremium, dessen Mitglieder unparteiisch sind und deren Unabhängigkeit garantiert wird, einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Entscheidungen in Bezug auf die Rückkehr nach Artikel 12 Absatz 1 einzulegen oder die Überprüfung solcher Entscheidungen zu beantragen.

(2)   Die in Absatz 1 genannte Behörde oder dieses Gremium ist befugt, Entscheidungen in Bezug auf die Rückkehr nach Artikel 12 Absatz 1 zu überprüfen, und hat auch die Möglichkeit, ihre Vollstreckung einstweilig auszusetzen, sofern eine einstweilige Aussetzung nicht bereits im Rahmen der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften anwendbar ist.

…“

Niederländisches Recht

14

Nach niederländischem Recht haben Klagen bei der Rechtbank (Gericht erster Instanz, Niederlande) gegen Entscheidungen des Staatssekretärs für Sicherheit und Justiz im Bereich internationaler Schutz kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Gegen ein Urteil der Rechtbank (Gericht erster Instanz), das eine Entscheidung bestätigt, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt wird, kann zwar ein Rechtsmittel eingelegt werden, doch hat dieses nicht kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Allerdings kann der Betroffene beim Voorzieningenrechter (für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständiger Richter) des Raad van State (Staatsrat, Niederlande) einstweilige Anordnungen beantragen, um insbesondere zu verhindern, dass er vor dem Abschluss des Rechtsmittelverfahrens abgeschoben wird. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes selbst hat keine aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

15

Gegen X und Y, die russische Staatsangehörige sind, ergingen Bescheide, mit denen ihr Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt und ihnen eine Rückkehrverpflichtung auferlegt wurde. Ihre bei der Rechtbank Den Haag (Gericht Den Haag, Niederlande) erhobenen Klagen gegen diese Bescheide wurden abgewiesen. Daraufhin legten X und Y ein Rechtsmittel beim Raad van State (Staatsrat) ein. Da dieses Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes hat, beantragten sie beim vorlegenden Gericht im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes den Erlass einer einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung in der Sache. Das Gericht gab diesem Antrag statt und verfügte, dass X und Y bis zur Entscheidung im Rechtsmittelverfahren nicht abgeschoben werden dürften. In der Vorlageentscheidung führt es allerdings aus, der Erlass dieser Anordnung sei damit begründet worden, dass verhindert werden solle, dass X und Y abgeschoben würden, bevor sich der Gerichtshof zu den Vorlagefragen habe äußern können. Es werde über die Aufrechterhaltung dieser Anordnung nach Maßgabe der Antworten des Gerichtshofs entscheiden.

16

Unter diesen Umständen hat der Raad van State (Staatsrat) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

Ist Art. 13 der Richtlinie 2008/115 in Verbindung mit Art. 4, Art. 18, Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 der Charta dahin auszulegen, dass ein Rechtsmittel, sofern das nationale Recht in Verfahren gegen einen Bescheid, in dem eine Rückkehrentscheidung im Sinne von Art. 3 Abs. 4 dieser Richtlinie enthalten ist, ein solches vorsieht, nach Unionsrecht automatisch aufschiebende Wirkung haben muss, wenn der Drittstaatsangehörige vorträgt, die Vollstreckung der Rückkehrentscheidung berge die ernsthafte Gefahr eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung? Mit anderen Worten: Hat die Ausweisung des betroffenen Drittstaatsangehörigen in einem solchen Fall während der Frist für die Einlegung eines Rechtsmittels oder – wenn ein Rechtsmittel eingelegt worden ist – bis zur Entscheidung über dieses Rechtsmittel zu unterbleiben, ohne dass der betroffene Drittstaatsangehörige dies gesondert zu beantragen braucht?

2.

Ist Art. 46 der Richtlinie 2013/32 in Verbindung mit Art. 4, Art. 18, Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 der Charta dahin auszulegen, dass ein Rechtsmittel, sofern das nationale Recht in Verfahren über die Ablehnung eines Antrags auf Zuerkennung internationalen Schutzes ein solches vorsieht, nach Unionsrecht automatisch aufschiebende Wirkung haben muss? Mit anderen Worten: Hat die Ausweisung eines Antragstellers in einem solchen Fall während der Frist für die Einlegung eines Rechtsmittels oder – wenn ein Rechtsmittel eingelegt worden ist – bis zur Entscheidung über dieses Rechtsmittel zu unterbleiben, ohne dass der Antragsteller dies gesondert zu beantragen braucht?

3.

Ist es für das Bestehen einer automatisch aufschiebenden Wirkung im vorstehenden Sinne noch relevant, ob der Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes, der Anlass für das Klage- und das anschließende Rechtsmittelverfahren war, aus einem der in Art. 46 Abs. 6 der Richtlinie 2013/32 genannten Gründe abgelehnt worden ist? Oder gilt das Erfordernis für alle in dieser Richtlinie genannten Kategorien von Asylbescheiden?

Zur Zuständigkeit des Gerichtshofs

17

Die belgische Regierung macht geltend, der Gerichtshof sei für die Beantwortung der gestellten Fragen nicht zuständig, da es in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten falle, ob gegen erstinstanzliche Entscheidungen über Bescheide wie die im Ausgangsverfahren streitigen ein Rechtsmittel zu schaffen und mit kraft Gesetzes aufschiebender Wirkung auszustatten sei.

18

Hierzu ist festzustellen, dass Art. 46 der Richtlinie 2013/32 und Art. 13 der Richtlinie 2008/115 das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Entscheidungen wie die in den Ausgangsverfahren streitigen regeln, mit denen die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten Anträge auf internationalen Schutz ablehnen und Antragstellern eine Rückkehrverpflichtung auferlegen.

19

Die Frage, ob ausschließlich die Mitgliedstaaten dafür zuständig sind, ein Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Urteile, die zu solchen Entscheidungen ergehen, zu schaffen und mit kraft Gesetzes aufschiebender Wirkung auszustatten, ist untrennbar mit den Antworten auf die gestellten Fragen verbunden, die gerade die Tragweite des Rechts auf einen Rechtsbehelf nach Art. 46 der Richtlinie 2013/32 und Art. 13 der Richtlinie 2008/115 im Licht der Garantien in Art. 18, Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 der Charta betreffen. Unter diesen Umständen ist der Gerichtshof für die Beantwortung dieser Fragen zuständig (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. März 2017, X und X, C‑638/16 PPU, EU:C:2017:173, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten und zur zweiten Frage

20

Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 46 der Richtlinie 2013/32 und Art. 13 der Richtlinie 2008/115 im Licht von Art. 18, Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die zwar ein Rechtsmittel gegen ein erstinstanzliches Urteil, das eine Entscheidung bestätigt, mit dem ein Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt wird, vorsieht, diesen Rechtsbehelf jedoch nicht mit kraft Gesetzes aufschiebender Wirkung ausstattet, obwohl der Betroffene die ernsthafte Gefahr eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung geltend macht.

21

Nach Art. 46 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass Antragsteller das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht u. a. gegen ablehnende Entscheidungen über ihren Antrag auf internationalen Schutz haben. Nach Art. 46 Abs. 3 dieser Richtlinie stellen die Mitgliedstaaten zur Einhaltung dieses Rechts sicher, dass der wirksame Rechtsbehelf eine umfassende Ex‑nunc-Prüfung vorsieht, die sich sowohl auf Tatsachen als auch auf Rechtsfragen erstreckt und bei der gegebenenfalls das Bedürfnis nach internationalem Schutz gemäß der Richtlinie 2011/95 zumindest in Rechtsbehelfsverfahren vor einem erstinstanzlichen Gericht beurteilt wird. Gemäß Art. 46 Abs. 5 der Richtlinie 2013/32 gestatten die Mitgliedstaaten unbeschadet des Abs. 6 dieses Artikels den Antragstellern den Verbleib im Hoheitsgebiet bis zum Ablauf der Frist für die Ausübung des Rechts der Antragsteller auf einen wirksamen Rechtsbehelf und, wenn ein solches Recht fristgemäß ausgeübt wurde, bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf.

22

Nach Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115 haben die betreffenden Drittstaatsangehörigen das Recht, bei einer zuständigen Justiz- oder Verwaltungsbehörde oder einem zuständigen Gremium, dessen Mitglieder unparteiisch sind und deren Unabhängigkeit garantiert wird, einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Rückkehrentscheidungen einzulegen.

23

Somit verpflichten die Bestimmungen der Richtlinien 2013/32 und 2008/115 die Mitgliedstaaten zwar, einen wirksamen Rechtsbehelf gegen abschlägige Entscheidungen über einen Antrag auf internationalen Schutz und gegen Rückkehrentscheidungen vorzusehen; keine dieser Bestimmungen sieht jedoch vor, dass die Mitgliedstaaten internationalen Schutz beantragenden Personen, deren Klage gegen die Ablehnung ihres Antrags und die Rückkehrentscheidung abgewiesen wurde, ein Rechtsmittel gewähren müssen, und erst recht nicht, dass ein solches Rechtsmittel kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung haben muss.

24

Solche Anforderungen lassen sich auch nicht aus der Systematik und dem Zweck dieser Richtlinien ableiten. Deren Hauptziel ist nämlich, wie aus dem zwölften Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/32 hervorgeht, die Weiterentwicklung der Normen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung internationalen Schutzes im Hinblick auf die Einführung eines gemeinsamen Asylverfahrens in der Union und, wie sich aus den Erwägungsgründen 2 und 4 der Richtlinie 2008/115 ergibt, die Einführung einer wirksamen Rückkehr- und Rückübernahmepolitik unter vollständiger Achtung der Grundrechte und der Würde der Betroffenen (vgl. zur Richtlinie 2008/115 Urteil vom 19. Juni 2018, Gnandi, C‑181/16, EU:C:2018:465, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung). Den Erwägungsgründen dieser Richtlinien lässt sich dagegen nicht entnehmen, dass diese die Mitgliedstaaten zur Schaffung eines zweiten Rechtszugs verpflichten sollen.

25

Ferner bezieht sich, was die Richtlinie 2013/32 betrifft, die Vorgabe, dass der Rechtsbehelf wirksam sein muss, nach Art. 46 Abs. 3 dieser Richtlinie ausdrücklich auf „Rechtsbehelfsverfahren vor einem erstinstanzlichen Gericht“. Soweit danach eine umfassende Ex‑nunc-Prüfung erforderlich ist, die sich sowohl auf Tatsachen als auch auf Rechtsfragen erstreckt, betrifft diese Vorgabe ausschließlich den Ablauf des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens. Sie kann daher nicht mit Blick auf das Ziel dieser Richtlinie dahin ausgelegt werden, dass die Mitgliedstaaten zur Schaffung eines zweiten Rechtszugs verpflichtet wären oder dass dieser in bestimmter Weise auszugestalten wäre.

26

Somit hindert das Unionsrecht, wie das Wort „zumindest“ in Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32 in Bezug auf Entscheidungen, mit denen ein Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt wird, bestätigt, die Mitgliedstaaten zwar nicht daran, für Rechtsbehelfe gegen abschlägige Entscheidungen über einen Antrag auf internationalen Schutz und gegen Rückkehrentscheidungen einen zweiten Rechtszug vorzusehen. Die Richtlinien 2013/32 und 2008/115 enthalten jedoch keine Vorschriften über die Schaffung und Ausgestaltung eines solchen Rechtszugs. Insbesondere lassen, wie der Generalanwalt in Nr. 41 seiner Schlussanträge ausführt, weder der Wortlaut noch die Systematik oder der Zweck dieser Richtlinien den Schluss zu, dass, wenn ein Mitgliedstaat einen zweiten Rechtszug gegen derartige Entscheidungen vorsieht, das damit geschaffene Rechtsmittelverfahren dem vom Antragsteller eingelegten Rechtsmittel zwingend kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung verleihen muss.

27

Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2008/115 ebenso wie die Richtlinie 2013/32, wie sich aus dem 24. Erwägungsgrund der Ersteren und dem 60. Erwägungsgrund der Letzteren ergibt, unter Beachtung der insbesondere in der Charta anerkannten Grundrechte und Grundsätze auszulegen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juni 2018, Gnandi, C‑181/16, EU:C:2018:465, Rn. 51).

28

Wenn ein Staat entscheidet, eine Person, die internationalen Schutz beantragt, in ein Land abzuschieben, bei dem ernsthafte Gründe befürchten lassen, dass tatsächlich die Gefahr einer Art. 18 der Charta in Verbindung mit Art. 33 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge in der durch das entsprechende Protokoll geänderten Fassung oder Art. 19 Abs. 2 der Charta widersprechenden Behandlung dieser Person besteht, verlangt das in Art. 47 der Charta vorgesehene Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass der Antragsteller über einen Rechtsbehelf mit kraft Gesetzes aufschiebender Wirkung gegen den Vollzug der Maßnahme verfügt, die seine Abschiebung ermöglicht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juni 2018, Gnandi, C‑181/16, EU:C:2018:465, Rn. 54).

29

Der Gerichtshof hat ferner präzisiert, dass bei einer Rückkehrentscheidung und einer etwaigen Abschiebungsentscheidung der mit dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und dem Grundsatz der Nichtzurückweisung verbundene Schutz dadurch zu gewährleisten ist, dass der Person, die internationalen Schutz beantragt hat, das Recht zuzuerkennen ist, vor mindestens einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen, der kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung hat. Außerdem haben die Mitgliedstaaten zu gewährleisten, dass der Rechtsbehelf gegen die Ablehnung des Antrags auf internationalen Schutz seine volle Wirksamkeit entfaltet, indem sie während der Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs und, falls er eingelegt wird, bis zur Entscheidung über ihn alle Wirkungen der Rückkehrentscheidung aussetzen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juni 2018, Gnandi, C‑181/16, EU:C:2018:465, Rn. 56, 58 und 61 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Beschluss vom 5. Juli 2018, C u. a., C‑269/18 PPU, EU:C:2018:544, Rn. 50).

30

Allerdings schreibt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs Art. 47 der Charta im Licht der in ihrem Art. 18 und Art. 19 Abs. 2 enthaltenen Garantien ebenso wenig wie Art. 46 der Richtlinie 2013/32 und Art. 13 der Richtlinie 2008/115 vor, dass es zwei Rechtszüge geben muss. Denn allein entscheidend ist, dass es einen Rechtsbehelf vor einem Gericht gibt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. Juli 2011, Samba Diouf, C‑69/10, EU:C:2011:524, Rn. 69, und vom 19. Juni 2018, Gnandi, C‑181/16, EU:C:2018:465, Rn. 57).

31

In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, dass mit Art. 52 Abs. 3 der Charta, soweit diese Rechte enthält, die den durch die EMRK garantierten Rechten entsprechen, die notwendige Kohärenz zwischen den in der Charta verankerten Rechten und den entsprechenden, durch die EMRK garantierten Rechten geschaffen werden soll, ohne dass dadurch die Eigenständigkeit des Unionsrechts und des Gerichtshofs der Europäischen Union berührt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Februar 2016, N., C‑601/15 PPU, EU:C:2016:84, Rn. 47, und vom 14. September 2017, K., C‑18/16, EU:C:2017:680, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung). Nach den Erläuterungen zu Art. 47 der Charta stützt sich dessen Abs. 1 auf Art. 13 EMRK. Der Gerichtshof muss daher darauf achten, dass seine Auslegung von Art. 47 Abs. 1 der Charta ein Schutzniveau gewährleistet, das das in Art. 13 EMRK in seiner Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte garantierte Schutzniveau nicht verletzt (vgl. entsprechend Urteile vom 15. Februar 2016, N., C‑601/15 PPU, EU:C:2016:84, Rn. 77, und vom 20. März 2018, Menci, C‑524/15, EU:C:2018:197, Rn. 62).

32

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verlangt Art. 13 EMRK aber selbst dann, wenn geltend gemacht wird, dass die Abschiebung den Betroffenen einer echten Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung aussetzt, von den Hohen Vertragsparteien weder, zwei Rechtszüge zu schaffen, noch gegebenenfalls das Rechtsmittel mit kraft Gesetzes aufschiebender Wirkung auszustatten (vgl. in diesem Sinne EGMR, 5. Juli 2016, A. M./Niederlande, CE:ECHR:2016:0705JUD002909409, Rn. 70).

33

Daraus folgt, dass sich der Schutz, den Art. 46 der Richtlinie 2013/32 und Art. 13 der Richtlinie 2008/115 in Verbindung mit Art. 18, Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 der Charta einer internationalen Schutz beantragenden Person gegen eine Entscheidung gewährt, mit der ihr Antrag abgelehnt und ihr eine Rückkehrverpflichtung auferlegt wird, auf einen einzigen gerichtlichen Rechtsbehelf beschränkt.

34

Die Schaffung eines zweiten Rechtszugs gegen abschlägige Entscheidungen über einen Antrag auf internationalen Schutz und gegen Rückkehrentscheidungen sowie die Entscheidung, ihn gegebenenfalls mit kraft Gesetzes aufschiebender Wirkung auszustatten, sind – entgegen dem in Rn. 17 des vorliegenden Urteils angeführten Vorbringen der belgischen Regierung – Verfahrensmodalitäten zur Umsetzung des in Art. 46 der Richtlinie 2013/32 und Art. 13 der Richtlinie 2008/115 vorgesehenen Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf gegen solche Entscheidungen. Solche Verfahrensmodalitäten unterliegen nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten zwar ihrer jeweiligen innerstaatlichen Rechtsordnung, müssen aber, wie der Gerichtshof hervorgehoben hat, die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität wahren (vgl. entsprechend Urteil vom 17. Juli 2014, Sánchez Morcillo und Abril García, C‑169/14, EU:C:2014:2099, Rn. 31, 36 und 50 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Beschluss vom 16. Juli 2015, Sánchez Morcillo und Abril García, C‑539/14, EU:C:2015:508, Rn. 33).

35

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs dürfen die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die die dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte schützen sollen, nicht weniger günstig sein als die für entsprechende innerstaatliche Klagen (Grundsatz der Äquivalenz) und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität) (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Juni 2014, Kone u. a., C‑557/12, EU:C:2014:1317, Rn. 25, und vom 6. Oktober 2015, Târşia, C‑69/14, EU:C:2015:662, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36

Bei der Prüfung der Frage, ob die Anforderungen in Bezug auf die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität erfüllt sind, sind die Stellung der betroffenen Vorschriften im gesamten Verfahren, dessen Ablauf und die Besonderheiten dieser Vorschriften vor den verschiedenen nationalen Stellen zu berücksichtigen (Urteile vom 1. Dezember 1998, Levez, C‑326/96, EU:C:1998:577, Rn. 44, und vom 27. Juni 2013, Agrokonsulting-04, C‑93/12, EU:C:2013:432, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs verlangt der Äquivalenzgrundsatz die Gleichbehandlung auf einen Verstoß gegen das nationale Recht gestützter Rechtsbehelfe und entsprechender, auf einen Verstoß gegen das Unionsrecht gestützter Rechtsbehelfe, nicht aber die Gleichwertigkeit nationaler Verfahrensvorschriften, die für Streitsachen unterschiedlicher Natur gelten (Urteil vom 6. Oktober 2015, Târşia, C‑69/14, EU:C:2015:662, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38

Somit ist erstens zu ermitteln, welche Verfahren oder Rechtsbehelfe miteinander zu vergleichen sind, und zweitens festzustellen, ob die auf das nationale Recht gestützten Rechtsbehelfe günstiger behandelt werden als die Rechtsbehelfe, mit denen die den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte durchgesetzt werden sollen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Februar 2015, Baczó und Vizsnyiczai, C‑567/13, EU:C:2015:88, Rn. 45, und vom 9. November 2017, Dimos Zagoriou, C‑217/16, EU:C:2017:841, Rn. 19).

39

Was die Vergleichbarkeit der Rechtsbehelfe angeht, ist es Sache des nationalen Gerichts mit seiner unmittelbaren Kenntnis der anwendbaren Verfahrensmodalitäten, die Gleichartigkeit der betreffenden Rechtsbehelfe unter dem Gesichtspunkt ihres Gegenstands, ihres Rechtsgrundes und ihrer wesentlichen Merkmale zu prüfen (Urteile vom 27. Juni 2013, Agrokonsulting-04, C‑93/12, EU:C:2013:432, Rn. 39, und vom 9. November 2017, Dimos Zagoriou, C‑217/16, EU:C:2017:841, Rn. 20).

40

Was die vergleichbare Behandlung der Rechtsbehelfe angeht, hat das nationale Gericht bei der Untersuchung jedes Falles, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift für auf Unionsrecht gestützte Rechtsbehelfe ungünstiger ist als diejenigen, die vergleichbare Rechtsbehelfe des innerstaatlichen Rechts betreffen, die Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, den Verfahrensablauf und die Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. November 2017, Dimos Zagoriou, C‑217/16, EU:C:2017:841, Rn. 21).

41

Im vorliegenden Fall führt das vorlegende Gericht in seiner Vorlageentscheidung aus, dass das niederländische Recht in manchen Bereichen des Verwaltungsrechts, nicht aber dem des internationalen Schutzes, Rechtsmittel mit kraft Gesetzes aufschiebender Wirkung ausstatte. Es ist allerdings festzustellen, dass keiner der Beteiligten, die Erklärungen beim Gerichtshof abgegeben haben, Zweifel daran geäußert hat, dass die im Ausgangsverfahren streitige nationale Regelung den Äquivalenzgrundsatz wahrt. Jedenfalls enthält die dem Gerichtshof vorliegende Akte keine Anhaltspunkte, anhand deren sich beurteilen ließe, ob die in diesen Bereichen eingelegten Rechtsmittel nach ihrem Gegenstand, ihrem Rechtsgrund und ihren wesentlichen Merkmalen mit dem im Ausgangsverfahren fraglichen Rechtsmittel vergleichbar sind oder ob sie unter Berücksichtigung der in Rn. 40 des vorliegenden Urteils angeführten Gesichtspunkte günstiger sind als dieses.

42

Unter diesen Umständen ist es Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung der in den Rn. 36 bis 41 des vorliegenden Urteils angeführten Gesichtspunkte zu prüfen, ob der Äquivalenzgrundsatz gewahrt wurde (vgl. entsprechend Urteil vom 9. November 2017, Dimos Zagoriou, C‑217/16, EU:C:2017:841, Rn. 24).

43

Was den Effektivitätsgrundsatz betrifft, so verlangt dieser hier nicht mehr als die Wahrung der Grundrechte der Charta, insbesondere des Rechts auf einen wirksamen Rechtsschutz. Da sich aus Rn. 30 des vorliegenden Urteils ergibt, dass Art. 47 im Licht der Garantien in Art. 18 und Art. 19 Abs. 2 der Charta nur verlangt, dass eine internationalen Schutz beantragende Person, deren Antrag abgelehnt wurde und gegen die eine Rückkehrentscheidung ergangen ist, ihre Rechte vor einem Gericht wirksam geltend machen kann, lässt der bloße Umstand, dass ein im nationalen Recht vorgesehener zusätzlicher Rechtszug nicht kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung hat, nicht den Schluss zu, dass der Effektivitätsgrundsatz verletzt wurde.

44

Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 46 der Richtlinie 2013/32 und Art. 13 der Richtlinie 2008/115 im Licht von Art. 18, Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die zwar ein Rechtsmittel gegen ein erstinstanzliches Urteil, das eine Entscheidung bestätigt, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt wird, vorsieht, diesen Rechtsbehelf jedoch nicht mit kraft Gesetzes aufschiebender Wirkung ausstattet, obwohl der Betroffene die ernsthafte Gefahr eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung geltend macht.

Zur dritten Frage

45

In Anbetracht der Antwort auf die erste und die zweite Frage ist die dritte Frage nicht zu beantworten.

Kosten

46

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 46 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes und Art. 13 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger sind im Licht von Art. 18, Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die zwar ein Rechtsmittel gegen ein erstinstanzliches Urteil, das eine Entscheidung bestätigt, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt wird, vorsieht, diesen Rechtsbehelf jedoch nicht mit kraft Gesetzes aufschiebender Wirkung ausstattet, obwohl der Betroffene die ernsthafte Gefahr eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung geltend macht.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Niederländisch.