URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

20. September 2017 ( *1 )

„Rechtsmittel – Landwirtschaft – Geflügelfleisch – Gefrorene Hähnchen – Ausfuhrerstattungen – Durchführungsverordnung (EU) Nr. 689/2013 zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen für Geflügelfleisch – Rechtmäßigkeit – Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 – Art. 162 und 164 – Gegenstand und Natur der Erstattungen – Kriterien für die Festsetzung des Betrags der Erstattungen – Zuständigkeit des Generaldirektors der Generaldirektion (GD) Landwirtschaft und ländliche Entwicklung für die Unterzeichnung der streitigen Verordnung – Ermessensmissbrauch – ‚Komitologie‘ – Verordnung (EU) Nr. 182/2011 – Art. 3 Abs. 3 – Konsultation des Verwaltungsausschusses für die gemeinsame Organisation der Agrarmärkte – Übergabe des Entwurfs einer Durchführungsverordnung im Laufe der Sitzung dieses Ausschusses – Einhaltung der Fristen – Verletzung wesentlicher Formvorschriften – Nichtigerklärung unter Aufrechterhaltung der Wirkungen“

In der Rechtssache C‑183/16 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 23. März 2016,

Tilly-Sabco SAS mit Sitz in Guerlesquin (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: R. Milchior, F. Le Roquais und S. Charbonnel, avocats,

Rechtsmittelführerin,

andere Parteien des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch A. Lewis und K. Skelly als Bevollmächtigte,

Beklagte im ersten Rechtszug,

Doux SA mit Sitz in Châteaulin (Frankreich),

Streithelferin im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter J.-C. Bonichot, A. Arabadjiev (Berichterstatter), C. G. Fernlund und S. Rodin,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. März 2017,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 4. Mai 2017

folgendes

Urteil

1

Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Tilly-Sabco SAS (im Folgenden: Tilly-Sabco) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 14. Januar 2016, Tilly-Sabco/Kommission (T‑397/13, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2016:8), mit dem ihre Klage auf Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 689/2013 der Kommission vom 18. Juli 2013 zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen für Geflügelfleisch (ABl. 2013, L 196, S. 13, im Folgenden: streitige Verordnung) abgewiesen wurde.

Rechtlicher Rahmen

Verordnung Nr. 1234/2007

2

In den Erwägungsgründen 65 und 77 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates vom 22. Oktober 2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (Verordnung über die einheitliche GMO) (ABl. 2007, L 299, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 517/2013 des Rates vom 13. Mai 2013 (ABl. 2013, L 158, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1234/2007) heißt es:

„(65)

Ein einheitlicher [Unions]markt macht eine einheitliche Regelung für den Handel mit Drittländern erforderlich. Diese Handelsregelung sollte Einfuhrzölle und Ausfuhrerstattungen umfassen und den [Binnen]markt grundsätzlich stabilisieren. Die Handelsregelung sollte auf den Übereinkünften beruhen, die im Rahmen der multilateralen Handelsverhandlungen der Uruguay-Runde geschlossen wurden.

(77)

Die Vorschriften, nach denen im Rahmen der WTO-Verpflichtungen der [Union] bei der Ausfuhr nach Drittländern Erstattungen auf der Grundlage des Unterschieds zwischen den Preisen in der [Union] und auf dem Weltmarkt gewährt werden, sind dazu bestimmt, den Anteil der [Union] am Welthandel mit bestimmten unter die vorliegende Verordnung fallenden Erzeugnissen zu wahren. Für subventionierte Ausfuhren sollten wert- und mengenmäßige Obergrenzen gelten.“

3

Art. 162 der Verordnung Nr. 1234/2007 sah in seinem Abs. 1 u. a. vor:

„Um die Ausfuhr folgender Erzeugnisse auf der Grundlage der Notierungen oder Preise, die auf dem Weltmarkt gelten, zu ermöglichen, kann der Unterschied zwischen diesen Notierungen oder Preisen und den Preisen in der [Union] innerhalb der Grenzen der nach Artikel [218 AEUV] geschlossenen Abkommen durch eine Erstattung bei der Ausfuhr ausgeglichen werden:

a)

Erzeugnisse der folgenden Sektoren, die in unverändertem Zustand ausgeführt werden sollen:

viii)

Geflügelfleisch“.

4

Art. 164 („Festsetzung der Ausfuhrerstattung“) der Verordnung Nr. 1234/2007 bestimmte in seinen Abs. 1 bis 3:

„(1)   Die Ausfuhrerstattung ist für die gesamte [Union] gleich. Sie kann je nach Zielbestimmung unterschiedlich festgesetzt werden, wenn dies die Lage auf dem Weltmarkt oder die spezifischen Anforderungen bestimmter Märkte erfordern oder aufgrund der Verpflichtungen aus den in Übereinstimmung mit Artikel [218 AEUV] geschlossenen Übereinkommen notwendig ist.

(2)   Die Ausfuhrerstattungen werden von der Kommission festgesetzt.

Die Festsetzung kann erfolgen:

a)

in regelmäßigen Zeitabständen,

b)

im Wege der Ausschreibung bei den Erzeugnissen, bei denen dieses Verfahren vor dem Tag der Anwendung dieser Verordnung gemäß Artikel 204 Absatz 2 vorgesehen wurde.

Außer bei einer Festsetzung im Wege der Ausschreibung werden die Liste der erstattungsfähigen Erzeugnisse und der Betrag der Erstattung mindestens einmal alle drei Monate festgesetzt. Die Erstattungsbeträge können jedoch länger als drei Monate auf demselben Niveau gehalten werden; die Kommission kann diese Beträge zwischenzeitlich, soweit erforderlich, von sich aus oder auf Antrag eines Mitgliedstaats ohne die Unterstützung des Ausschusses nach Artikel 195 Absatz 1 ändern.

(3)   Die Ausfuhrerstattungen werden je nach Erzeugnis unter Berücksichtigung eines oder mehrerer der folgenden Faktoren festgesetzt:

a)

Lage und voraussichtliche Entwicklung

der Preise und der verfügbaren Mengen der betreffenden Erzeugnisse auf dem [Binnen]markt,

der Preise der betreffenden Erzeugnisse auf dem Weltmarkt;

b)

Ziele der gemeinsamen Marktorganisation, die auf dem Markt für das jeweilige Erzeugnis die Ausgewogenheit und natürliche Entwicklung von Preisen und Handel gewährleisten sollen;

c)

Notwendigkeit, Störungen zu vermeiden, die zu einem länger anhaltenden Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf dem [Binnen]markt führen können;

d)

wirtschaftlicher Aspekt der geplanten Ausfuhren;

e)

Beschränkungen aufgrund der gemäß Artikel [218 AEUV] geschlossenen Abkommen;

f)

Notwendigkeit, zwischen der Verwendung der Grunderzeugnisse aus der [Union] im Hinblick auf die Ausfuhr von Verarbeitungserzeugnissen in Drittländer und der Verwendung der zum Veredelungsverkehr zugelassenen Erzeugnisse dieser Länder ein Gleichgewicht herzustellen;

g)

günstigste Vermarktungskosten und Kosten für den Transport von Märkten der [Union] zu den Ausfuhrhäfen oder sonstigen Ausfuhrorten der [Union] sowie Heranführungskosten zum Bestimmungsland;

h)

Nachfrage auf dem [Binnen]markt;

i)

bei Schweinefleisch, Eiern und Geflügelfleisch: Unterschied zwischen den Preisen in der [Union] und den Preisen auf dem Weltmarkt für die Menge des Futtergetreides, die in der [Union] für die Produktion in diesen Sektoren erforderlich ist.“

5

Art. 195 („Ausschuss“) der Verordnung Nr. 1234/2007 sah in seinen Abs. 1 und 2 vor:

„(1)   Die Kommission wird vom Verwaltungsausschuss für die gemeinsame Organisation der Agrarmärkte (im Folgenden ‚Verwaltungsausschuss‘ genannt) unterstützt.

(2)   Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gelten die Artikel 4 und 7 des Beschlusses 1999/468/EG.

Der Zeitraum nach Artikel 4 Absatz 3 des Beschlusses 1999/468/EG wird auf einen Monat festgesetzt.“

6

Art. 196 („Organisation des Verwaltungsausschusses“) der Verordnung Nr. 1234/2007 hatte folgenden Wortlaut:

„Bei der Organisation der Sitzungen des Verwaltungsausschusses nach Artikel 195 Absatz 1 werden insbesondere der Umfang seiner Zuständigkeit, die Besonderheiten der zu behandelnden Themen und der Bedarf an einschlägigem Fachwissen berücksichtigt.“

7

Die Verordnung Nr. 1234/2007 wurde durch die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 671) aufgehoben.

Verordnung Nr. 182/2011

8

Der erste Bezugsvermerk in der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. 2011, L 55, S. 13), lautet wie folgt:

„gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 291 Absatz 3“.

9

Die Erwägungsgründe 4 bis 9 der Verordnung Nr. 182/2011 lauten:

„(4)

Gemäß dem AEUV sind nunmehr das Europäische Parlament und der Rat gehalten, allgemeine Regeln und Grundsätze festzulegen, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren.

(5)

Es muss sichergestellt werden, dass die Verfahren für eine solche Kontrolle transparent, wirksam und der Art der Durchführungsrechtsakte angemessen sind und dass sie die institutionellen Anforderungen des AEUV sowie die bisherigen Erfahrungen und die gängige Praxis bei der Durchführung des Beschlusses 1999/468/EG widerspiegeln.

(6)

Für jene Basisrechtsakte, bei denen die Kontrolle der Mitgliedstaaten Bedingung für den Erlass von Durchführungsrechtsakten durch die Kommission ist, sollten zum Zwecke dieser Kontrolle Ausschüsse eingerichtet werden, die sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzen und in denen die Kommission den Vorsitz führt.

(7)

Gegebenenfalls sollte der Kontrollmechanismus die Befassung eines Berufungsausschusses einschließen, der auf der geeigneten Ebene zusammentreten sollte.

(8)

Im Interesse einer Vereinfachung sollte die Kommission die Durchführungsbefugnisse nur nach einem von zwei Verfahren wahrnehmen: dem Beratungsverfahren oder dem Prüfverfahren.

(9)

Zur weiteren Vereinfachung sollten für die Ausschüsse einheitliche Verfahrensregeln gelten, einschließlich der wichtigsten Bestimmungen über ihre Funktionsweise und die Möglichkeit, eine Stellungnahme im schriftlichen Verfahren abzugeben.“

10

Art. 2 („Wahl des Verfahrens“) der Verordnung Nr. 182/2011 sieht in seinen Abs. 1 und 2 vor:

„(1)   Ein Basisrechtsakt kann die Anwendung des Beratungsverfahrens oder des Prüfverfahrens vorsehen, wobei die Art oder die Auswirkungen des erforderlichen Durchführungsrechtsakts berücksichtigt werden.

(2)   Das Prüfverfahren wird insbesondere angewendet zum Erlass von:

a)

Durchführungsrechtsakten von allgemeiner Tragweite;

b)

sonstigen Durchführungsrechtsakten in Bezug auf:

i)

Programme mit wesentlichen Auswirkungen;

ii)

die gemeinsame Agrarpolitik und die gemeinsame Fischereipolitik;

iii)

die Umwelt, Sicherheit oder den Schutz der Gesundheit oder der Sicherheit von Menschen, Tieren und Pflanzen;

iv)

die gemeinsame Handelspolitik;

v)

die Besteuerung.“

11

Die Verordnung Nr. 182/2011 bestimmt in ihrem Art. 3 („Gemeinsame Bestimmungen“) Abs. 1 bis 4 und 7:

„(1)   Die in diesem Artikel genannten gemeinsamen Bestimmungen werden auf alle in den Artikeln 4 bis 8 genannten Verfahren angewendet.

(2)   Die Kommission wird von einem Ausschuss unterstützt, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt. Den Vorsitz führt ein Vertreter der Kommission. Der Vorsitz nimmt nicht an den Abstimmungen im Ausschuss teil.

(3)   Der Vorsitz unterbreitet dem Ausschuss den Entwurf des von der Kommission zu erlassenden Durchführungsrechtsakts.

Außer in hinreichend begründeten Fällen setzt der Vorsitz eine Sitzung frühestens 14 Tage, nachdem der Entwurf des Durchführungsrechtsakts und der Entwurf der Tagesordnung dem Ausschuss vorgelegt wurden, an. Der Ausschuss gibt seine Stellungnahme zu dem Entwurf des Durchführungsrechtsakts innerhalb einer Frist ab, die der Vorsitz entsprechend der Dringlichkeit der betreffenden Sache festsetzen kann. Die Frist muss angemessen sein und den Ausschussmitgliedern frühzeitig und effektiv die Möglichkeit geben, den Entwurf des Durchführungsrechtsakts zu prüfen und dazu Stellung zu nehmen.

(4)   Bis der Ausschuss eine Stellungnahme abgibt, kann jedes Ausschussmitglied Änderungen vorschlagen und der Vorsitz kann geänderte Fassungen des Entwurfs des Durchführungsrechtsakts vorlegen.

Der Vorsitz bemüht sich um Lösungen, die im Ausschuss eine möglichst breite Unterstützung finden. Der Vorsitz unterrichtet den Ausschuss darüber, in welcher Form die Beratungen und die vorgeschlagenen Änderungen berücksichtigt wurden, insbesondere was diejenigen Vorschläge angeht, die im Ausschuss breite Unterstützung gefunden haben.

(7)   Gegebenenfalls schließt der Kontrollmechanismus die Befassung eines Berufungsausschusses ein.

Der Berufungsausschuss gibt sich auf Vorschlag der Kommission mit einfacher Mehrheit seiner Mitglieder eine Geschäftsordnung.

Wird der Berufungsausschuss befasst, so tritt er – außer in hinreichend begründeten Fällen – frühestens 14 Tage und spätestens sechs Wochen nach dem Zeitpunkt der Befassung zusammen. Unbeschadet des Absatzes 3 gibt der Berufungsausschuss seine Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten nach dem Zeitpunkt der Befassung ab.

Den Vorsitz im Berufungsausschuss führt ein Vertreter der Kommission.

Der Vorsitz legt in enger Zusammenarbeit mit den Ausschussmitgliedern den Zeitpunkt für die Sitzung des Berufungsausschusses fest, damit die Mitgliedstaaten und die Kommission für eine Vertretung auf angemessener Ebene sorgen können. Die Kommission beruft bis zum 1. April 2011 die erste Sitzung des Berufungsausschusses zur Annahme seiner Geschäftsordnung ein.“

12

In den Abs. 1 bis 4 von Art. 5 („Prüfverfahren“) der Verordnung Nr. 182/2011 heißt es:

„(1)   Findet das Prüfverfahren Anwendung, so gibt der Ausschuss seine Stellungnahme mit der Mehrheit nach Artikel 16 Absätze 4 und 5 [EUV] und gegebenenfalls nach Artikel 238 Absatz 3 AEUV bei Rechtsakten, die auf Vorschlag der Kommission zu erlassen sind, ab. Die Stimmen der Vertreter der Mitgliedstaaten im Ausschuss werden gemäß den vorgenannten Artikeln gewichtet.

(2)   Gibt der Ausschuss eine befürwortende Stellungnahme ab, so erlässt die Kommission den im Entwurf vorgesehenen Durchführungsrechtsakt.

(3)   Unbeschadet des Artikels 7 erlässt die Kommission den im Entwurf vorgesehenen Durchführungsrechtsakt nicht, wenn der Ausschuss eine ablehnende Stellungnahme abgibt. Wird ein Durchführungsrechtsakt für erforderlich erachtet, so kann der Vorsitz entweder demselben Ausschuss innerhalb von zwei Monaten nach Abgabe der ablehnenden Stellungnahme eine geänderte Fassung des Entwurfs des Durchführungsrechtsakts unterbreiten oder den Entwurf des Durchführungsrechtsakts innerhalb eines Monats nach Abgabe der ablehnenden Stellungnahme dem Berufungsausschuss zur weiteren Beratung vorlegen.

(4)   Wird keine Stellungnahme abgegeben, so kann die Kommission außer in den in Unterabsatz 2 vorgesehenen Fällen den im Entwurf vorgesehenen Durchführungsrechtsakt erlassen. Erlässt die Kommission den im Entwurf vorgesehenen Durchführungsrechtsakt nicht, so kann der Vorsitz dem Ausschuss eine geänderte Fassung des Entwurfs des Durchführungsrechtsakts unterbreiten.

…“

13

Art. 8 („Sofort geltende Durchführungsrechtsakte“) dieser Verordnung sieht in seinen Abs. 1 bis 4 vor:

„(1)   Abweichend von den Artikeln 4 und 5 kann ein Basisrechtsrecht vorsehen, dass in hinreichend begründeten Fällen äußerster Dringlichkeit dieser Artikel anzuwenden ist.

(2)   Die Kommission erlässt einen Durchführungsrechtsakt, der sofort gilt, ohne dass er vorher einem Ausschuss unterbreitet wurde, und für einen Zeitraum von höchstens sechs Monaten in Kraft bleibt, sofern im Basisrechtsakt nicht etwas anderes bestimmt ist.

(3)   Der Vorsitz legt den in Absatz 2 genannten Rechtsakt spätestens 14 Tage nach seinem Erlass dem zuständigen Ausschuss zur Stellungnahme vor.

(4)   Findet das Prüfverfahren Anwendung und gibt der Ausschuss eine ablehnende Stellungnahme ab, so hebt die Kommission den gemäß Absatz 2 erlassenen Durchführungsrechtsakt unverzüglich auf.“

14

Art. 9 („Geschäftsordnung“) der Verordnung Nr. 182/2011 stellt in seinem Abs. 1 klar:

„Jeder Ausschuss gibt sich mit der einfachen Mehrheit seiner Mitglieder auf Vorschlag seines Vorsitzes sowie auf der Grundlage der von der Kommission nach Konsultation mit den Mitgliedstaaten festzulegenden Standardgeschäftsordnung eine Geschäftsordnung. Die Standardgeschäftsordnung wird von der Kommission im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

Soweit erforderlich passen bestehende Ausschüsse ihre Geschäftsordnung an die Standardgeschäftsordnung an.“

Die Komitologie-Beschlüsse

15

Abs. 2 und die ersten beiden Sätze von Abs. 6 des Art. 2 des Beschlusses 87/373/EWG des Rates vom 13. Juli 1987 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (ABl. 1987, L 197, S. 33) und Art. 3 Abs. 2 und die ersten beiden Sätze von Art. 4 Abs. 2 des Beschlusses 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (ABl. 1999, L 184, S. 23), mit dem der Beschluss 87/373 aufgehoben wurde (im Folgenden gemeinsam: Komitologie-Beschlüsse), hatten denselben Wortlaut:

„Der Vertreter der Kommission unterbreitet dem Ausschuss einen Entwurf der zu treffenden Maßnahmen. Der Ausschuss gibt seine Stellungnahme zu diesem Entwurf innerhalb einer Frist ab, die der Vorsitzende unter Berücksichtigung der Dringlichkeit der betreffenden Frage festsetzen kann.“

16

Der Beschluss 1999/468 wurde durch die Verordnung Nr. 182/2011 aufgehoben.

Die Geschäftsordnung des Verwaltungsausschusses

17

Art. 3 der Geschäftsordnung des Verwaltungsausschusses hat folgenden Wortlaut:

„(1)   Für die Zwecke des Artikels 3 Absatz 3 zweiter Unterabsatz der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 übermittelt der Vorsitz den Ausschussmitgliedern die Einladung, den Entwurf der Tagesordnung und den Entwurf des Durchführungsrechtsakts, zu dem der Ausschuss um eine Stellungnahme ersucht wird, unter Berücksichtigung der Dringlichkeit und der Komplexität der Tagesordnungspunkte frühzeitig und spätestens 14 Kalendertage vor dem Sitzungstermin. Andere Unterlagen zu der Sitzung, insbesondere Unterlagen zum Entwurf des Durchführungsrechtsakts, sind, soweit dies möglich ist, innerhalb der gleichen Frist zu übermitteln.

Jedoch können in Fällen, in denen regelmäßig ein rasches Tätigwerden erforderlich ist oder wenn der Basisrechtsakt besondere Fristen vorsieht, innerhalb derer die Maßnahmen vollzogen werden müssen, kürzere Fristen angewandt werden. …

(2)   In hinreichend begründeten Fällen kann der Vorsitz aus eigenem Ermessen oder auf Antrag eines Ausschussmitglieds die in Absatz 1 erster Unterabsatz genannte Übermittlungsfrist verkürzen. Außer in Fällen äußerster Dringlichkeit, insbesondere um eine erhebliche Störung der Agrarmärkte abzuwenden oder die finanziellen Interessen der Union im Sinne von Artikel 325 … AEUV zu schützen, darf die Frist 5 Kalendertage nicht unterschreiten.“

Vorgeschichte des Rechtsstreits

18

Tilly-Sabco ist eine französische Gesellschaft, die im Bereich der Ausfuhr ganzer gefrorener Hähnchen in die Länder des Nahen Ostens tätig ist.

19

Gemäß insbesondere den Art. 162 und 164 der Verordnung Nr. 1234/2007 setzte die Kommission die Höhe der Ausfuhrerstattungen für Geflügelfleisch regelmäßig mit Durchführungsverordnungen fest.

20

Seit dem Erlass der Verordnung (EU) Nr. 525/2010 der Kommission vom 17. Juni 2010 zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen für Geflügelfleisch (ABl. 2010, L 152, S. 5) wurde der Erstattungsbetrag für drei Kategorien gefrorener Hähnchen schrittweise gesenkt. Der Erstattungsbetrag fiel zunächst von 40 Euro/100 kg auf 32,50 Euro/100 kg. Nachdem dieser Betrag über acht nachfolgende Durchführungsverordnungen beibehalten worden war, wurde er mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 962/2012 der Kommission vom 18. Oktober 2012 zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen für Geflügelfleisch (ABl. 2012, L 288 S. 6) auf 21,70 Euro/100 kg gesenkt.

21

Eine weitere Herabsetzung erfolgte mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 33/2013 der Kommission vom 17. Januar 2013 zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen für Geflügelfleisch (ABl. 2013, L 14, S. 15), wodurch der Erstattungsbetrag für die drei Kategorien gefrorener Hähnchen auf 10,85 Euro/100 kg gesenkt wurde. Dieser Betrag wurde in der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 360/2013 der Kommission vom 18. April 2013 zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen für Geflügelfleisch (ABl. 2013, L 109, S. 27) beibehalten.

22

Mit der streitigen Verordnung hob die Kommission die Durchführungsverordnung Nr. 360/2013 auf und setzte den Betrag der Ausfuhrerstattungen für drei Kategorien gefrorener Hähnchen mit den Erzeugniscodes 0207 12 10 9900, 0207 12 90 9190 und 0207 12 90 9990 auf null fest. Der Erstattungsbetrag für die sechs anderen im Anhang der angefochtenen Verordnung genannten Erzeugnisse (im Wesentlichen Küken), der in der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1056/2011 der Kommission vom 20. Oktober 2011 zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen für Geflügelfleisch (ABl. 2011, L 276, S. 31) auf null festgesetzt worden war, wurde nicht geändert. Dem Anhang der angefochtenen Verordnung zufolge handelt es sich bei den von den Ausfuhrerstattungen betroffenen Bestimmungsländern insbesondere um Länder des Nahen Ostens.

23

Der Entwurf der streitigen Verordnung wurde vorgelegt und in der Sitzung des Verwaltungsausschusses vom 18. Juli 2013 zur Abstimmung gestellt.

24

Zu dem in diesem Zusammenhang befolgten Verfahren führte die Kommission vor dem Gericht Folgendes aus.

25

Am 16. Juli 2013, also zwei Tage vor der Sitzung des Verwaltungsausschusses, übersandte die Kommission den Mitgliedern des Verwaltungsausschusses per E‑Mail ein Dokument mit dem Titel „EU Market situation for poultry“ (Situation des Geflügelmarkts der Union).

26

Im Laufe des Vormittags der Sitzung des Verwaltungsausschusses vom 18. Juli 2013 stellte die Kommission die Situation des Geflügelmarkts dar. Am Nachmittag, an dem die Sitzung fortgesetzt wurde, legte die Kommission dem Verwaltungsausschuss den Entwurf der streitigen Verordnung vor. Es handelte sich um eine Standardverordnung, in der nur die Zahlen aktualisiert worden waren. Genauer handelte es sich um eine Fotokopie der vorherigen Verordnung zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen, in der die Angaben zu den Erstattungsbeträgen mit Bleistift durchgestrichen worden waren.

27

Der Entwurf der streitigen Verordnung wurde dann zur Abstimmung gestellt. Der Generaldirektor der Generaldirektion (GD) Landwirtschaft und ländliche Entwicklung nahm am selben Tag um 15.46 Uhr die Selbstbescheinigungsformalitäten vor, um im Hinblick auf ein unverzügliches Inkrafttreten und eine sofortige Geltung der streitigen Verordnung deren Veröffentlichung am nächsten Tag im Amtsblatt der Europäischen Union zu ermöglichen.

28

Die Erwägungsgründe 1 bis 3, 6 und 7 der streitigen Verordnung lauten wie folgt:

„(1)

Gemäß Artikel 162 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 kann der Unterschied zwischen den Weltmarktpreisen und den Preisen in der Union für die in Anhang I Teil XX derselben Verordnung genannten Erzeugnisse durch eine Erstattung bei der Ausfuhr ausgeglichen werden.

(2)

Angesichts der derzeitigen Lage auf dem Geflügelfleischmarkt müssen die Ausfuhrerstattungen in Übereinstimmung mit den Regeln und Kriterien der Artikel 162, 163, 164, 167 und 169 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 festgesetzt werden.

(3)

Gemäß Artikel 164 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 kann die Erstattung je nach Zielbestimmung unterschiedlich festgesetzt werden, wenn dies die Lage auf dem Weltmarkt oder die spezifischen Anforderungen bestimmter Märkte erfordern oder aufgrund der Verpflichtungen aus den in Übereinstimmung mit Artikel [218 AEUV] geschlossenen Übereinkommen notwendig ist.

(6)

Um einer Nichtübereinstimmung mit der derzeitigen Marktlage vorzubeugen, Marktspekulationen zu verhindern und eine effiziente Verwaltung zu gewährleisten, sollte diese Verordnung am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten.

(7)

Der Verwaltungsausschuss für die gemeinsame Organisation der Agrarmärkte hat nicht innerhalb der ihm von seinem Vorsitzenden gesetzten Frist Stellung genommen“.

29

Art. 1 Abs. 1 der streitigen Verordnung bestimmt:

„Ausfuhrerstattungen gemäß Artikel 164 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 werden für die Erzeugnisse und in Höhe der Beträge gemäß dem Anhang der vorliegenden Verordnung … gewährt.“

30

In diesem Anhang sind die Ausfuhrerstattungen für alle aufgeführten Erzeugnisse auf null festgesetzt.

31

Die streitige Verordnung wurde vom Generaldirektor für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung unterzeichnet, am 19. Juli 2013 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und trat am selben Tag in Kraft.

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

32

Mit Klageschrift, die am 6. August 2013 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob Tilly-Sabco Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Verordnung.

33

Zur Begründung ihrer Klage machte sie fünf Klagegründe geltend. Den ersten stützte sie auf einen Verstoß gegen wesentliche Formvorschriften und einen Ermessensmissbrauch, den zweiten auf einen Verfahrens- und Zuständigkeitsfehler, den dritten auf einen Begründungsmangel, den vierten auf einen Gesetzesverstoß oder einen offensichtlichen Beurteilungsfehler und den fünften auf eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes.

34

Mit dem angefochtenen Urteil erklärte das Gericht die Klage zwar für zulässig, wobei es zugrunde legte, dass die streitige Verordnung ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehe, im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV sei, es befand die Klage indes für unbegründet und verurteilte Tilly-Sabco zur Tragung ihrer eigenen Kosten.

Anträge der Parteien

35

Tilly-Sabco beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben;

die streitige Verordnung für nichtig zu erklären;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

36

Die Kommission beantragt,

das Rechtsmittel zurückzuweisen;

Tilly-Sabco die Kosten aufzuerlegen.

Zum Rechtsmittel

37

Zur Stützung ihres Rechtsmittels macht Tilly-Sabco vier Rechtsmittelgründe geltend. Der erste, in fünf Teile gegliederte Rechtsmittelgrund wird auf eine unrichtige Auslegung sowohl des Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 182/2011 als auch der Art. 162 und 164 der Verordnung Nr. 1234/2007 gestützt; der zweite wird darauf gestützt, dass der Generaldirektor der GD Landwirtschaft und ländliche Entwicklung für die Unterzeichnung der streitigen Verordnung unzuständig gewesen sei; der dritte, in fünf Teile gegliederte Rechtsmittelgrund wird auf einen Verstoß gegen Art. 296 AEUV, mehrere Widersprüche in der Begründung sowie Verstöße gegen Art. 164 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1234/2007 gestützt; der vierte, in drei Teile gegliederte Rechtsmittelgrund betrifft Widersprüche in der Begründung, Verstöße gegen Art. 164 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 1234/2007 und eine Verfälschung der Beweise.

38

Als Erstes sind der fünfte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes, der zweite Rechtsmittelgrund, der dritte Teil des dritten Rechtsmittelgrundes sowie der erste und der zweite Teil des vierten Rechtsmittelgrundes zusammen zu prüfen, mit denen im Wesentlichen eine fehlerhafte Auslegung der Art. 162 und 164 der Verordnung Nr. 1234/2007 gerügt wird. Als Zweites sind der erste bis vierte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes zusammen zu prüfen, mit denen eine fehlerhafte Auslegung von Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 182/2011 gerügt wird.

Zu dem fünften Teil des ersten Rechtsmittelgrundes, dem zweiten Rechtsmittelgrund, dem dritten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes sowie dem ersten und dem zweiten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes: fehlerhafte Auslegung der Art. 162 und 164 der Verordnung Nr. 1234/2007

Vorbringen der Parteien

39

Mit dem fünften Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht Tilly-Sabco eine widersprüchliche Begründung geltend, die das Gericht im angefochtenen Urteil gegeben habe, indem es den zweiten Teil des ersten Klagegrundes zurückgewiesen habe.

40

Insoweit ist Tilly-Sabco der Auffassung, dass die Darstellung der Argumentation der Kommission durch das Gericht in den Rn. 149 und 255 des angefochtenen Urteils einen Ermessensmissbrauch belege, soweit sich die Kommission auf Art. 164 der Verordnung Nr. 1234/2007 gestützt und den Verwaltungsausschuss instrumentalisiert habe, um die politische Entscheidung zu treffen, die Ausfuhrerstattungen abzuschaffen. Diese Entscheidung hätte allein auf der Grundlage von Art. 162 dieser Verordnung getroffen werden dürfen.

41

Insbesondere habe das Gericht in den Rn. 162 bis 164 des angefochtenen Urteils die Auswirkung des Umstands verkannt, dass die Kommission es versäumt habe, im Oktober 2013 eine neue periodische Verordnung zu erlassen, die den Erstattungsbetrag von null Euro gegebenenfalls aufgrund der Marktlage beibehalte, wie sie es zuvor im Fall der Beibehaltung des Erstattungssatzes getan habe.

42

Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund rügt Tilly-Sabco, dass das Gericht gegen Art. 164 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1234/2007 verstoßen und das angefochtene Urteil widersprüchlich begründet habe, indem es ihren zweiten, auf die Unzuständigkeit des Generaldirektors der GD Landwirtschaft und ländliche Entwicklung für die Unterzeichnung der streitigen Verordnung gestützten Klagegrund damit zurückgewiesen habe, dass es in Rn. 200 des angefochtenen Urteils ihr Vorbringen, die streitige Verordnung könne nicht als periodischer Rechtsakt im Landwirtschaftssektor eingestuft werden, zurückgewiesen habe.

43

Tilly-Sabco weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass feststehe, dass die streitige Verordnung nicht erneuert worden sei, und schließt daraus, dass sie nicht als periodischer Rechtsakt im Landwirtschaftssektor eingestuft werden könne. Die Praxis der Kommission bestehe darin, alle drei Monate Verordnungen über die Erstattungen zu erlassen, und sie habe beschlossen, den Verwaltungsausschuss im Oktober des Jahres 2013 zwecks Neubewertung des Erstattungssatzes nicht einzuberufen. Wenn es sich jedoch um einen periodischen Rechtsakt im Landwirtschaftssektor handelte, wäre die Kommission verpflichtet gewesen, diese Neubewertung durchzuführen.

44

Mit dem dritten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes macht Tilly-Sabco geltend, dass die Rn. 253 bis 259 des angefochtenen Urteils eine widersprüchliche Begründung aufwiesen, soweit dort ausgeführt werde, dass die Festsetzung der Ausfuhrerstattungen auf null Teil einer schrittweisen Absenkung der Höhe dieser Erstattungen sei und dass sich diese letzte Absenkung strukturell nicht von den vorherigen Absenkungen unterscheide. Diese schrittweise Absenkung sei nämlich eine politische Entscheidung und nicht eine Anwendung der in Art. 164 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1234/2007 aufgestellten Kriterien, wie die Kommission dies in ihrer Klagebeantwortung im ersten Rechtszug unter Bezugnahme auf eine diesbezüglich eingegangene völkerrechtliche Verpflichtung eingeräumt habe.

45

Mit dem ersten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes rügt Tilly-Sabco, das Gericht habe das angefochtene Urteil widersprüchlich begründet und gegen Art. 164 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 1234/2007 verstoßen, indem es in den Rn. 301 und 302 des angefochtenen Urteils für die von dieser Bestimmung geforderte Bewertung der „Lage“ des Welt- und Binnenmarkts auf andere Referenzzeiträume, die sich über mehrere Jahre erstreckten, abgestellt habe.

46

Mit dem zweiten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes macht Tilly-Sabco geltend, dass das Gericht gegen Art. 164 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 1234/2007 verstoßen habe, indem es einen von der Kommission begangenen offensichtlichen Beurteilungsfehler bestätigt habe. Tilly-Sabco weist darauf hin, dass das Gericht in Rn. 289 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass die Preisdifferenz zu Hähnchen mit Ursprung aus Brasilien auf 44,73 Euro/100 kg geschätzt worden sei. Diese Differenz sei erheblich und müsse zur Gewährung einer Ausfuhrerstattung führen. Außerdem habe das Gericht allein den Weltmarkt und nicht, wie es diese Bestimmung verlange, auch den Binnenmarkt berücksichtigt.

47

Die Kommission tritt dem Vorbringen von Tilly-Sabco entgegen und macht geltend, diese Argumentation beruhe auf einem Fehlverständnis der Ziele, die im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik mit der Gewährung von Ausfuhrerstattungen verfolgt würden.

Würdigung durch den Gerichtshof

48

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich Tilly-Sabco mit ihrem Vortrag, das Gericht habe im angefochtenen Urteil widersprüchliche Begründungen gegeben, in Wirklichkeit gegen die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der streitigen Verordnung durch das Gericht im Hinblick auf die Art. 162 und 164 der Verordnung Nr. 1234/2007 wendet, da das Gericht sämtliche Argumente und Klagegründe der Gesellschaft, mit denen diese Rechtmäßigkeit angegriffen werden soll, zurückgewiesen hat.

49

Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass sich aus einer Lektüre der Art. 39 und 40 AEUV in Verbindung mit den Erwägungsgründen 65 und 77 der Verordnung Nr. 1234/2007 sowie Art. 164 Abs. 3 Buchst. b dieser Verordnung ergibt, dass das von einer etwaigen Gewährung von Ausfuhrerstattungen verfolgte Hauptziel darin besteht, den Binnenmarkt zu stabilisieren, wie dies die Kommission zu Recht geltend macht.

50

Insoweit räumt Art. 162 der Verordnung Nr. 1234/2007 der Kommission einen Beurteilungsspielraum ein, ob Ausfuhrerstattungen eingeführt werden oder nicht, und somit auch dahin, ob eingeführte Ausfuhrerstattungen aufgehoben werden.

51

Gemäß Art. 164 Abs. 2 dieser Verordnung setzt die Kommission die Erstattungen u. a. regelmäßig mindestens einmal alle drei Monate fest, wobei diese Erstattungen jedoch länger als drei Monate auf demselben Niveau gehalten oder, soweit erforderlich, zwischenzeitlich geändert werden können.

52

Art. 164 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1234/2007 nennt die für die Festsetzung der Höhe der Erstattungen zu berücksichtigenden Faktoren, gestattet der Kommission dabei aber, auf einen oder mehrere dieser Faktoren abzustellen.

53

So können nach Art. 164 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung die Lage und die voraussichtliche Entwicklung der Preise und der verfügbaren Mengen der betreffenden Erzeugnisse auf dem Binnenmarkt sowie der Preise der betreffenden Erzeugnisse auf dem Weltmarkt berücksichtigt werden. Nach Art. 164 Abs. 3 Buchst. b können die Ziele der gemeinsamen Marktorganisation, die auf dem Markt für das jeweilige Erzeugnis die Ausgewogenheit und natürliche Entwicklung von Preisen und Handel gewährleisten sollen, berücksichtigt werden.

54

Da Art. 164 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1234/2007 insbesondere weder einen spezifischen Betrag noch eine besondere Berechnungsmethode vorschreibt, steht folglich zunächst nichts dem entgegen, dass die Prüfung der in dieser Bestimmung genannten Faktoren durch die Kommission zur vorübergehenden Festsetzung eines Nullbetrags führen kann.

55

Da Art. 164 Abs. 2 dieser Verordnung der Kommission erlaubt, die Erstattungen länger als drei Monate auf demselben Niveau zu halten oder sie zwischenzeitlich zu ändern, kann sodann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Bestimmung ihr vorschreibt, regelmäßig alle drei Monate den Verwaltungsausschuss allein zu dem Zweck einzuberufen, die Verlängerung der zuvor festgesetzten Erstattungen zu bestätigen. Denn eine solche Auslegung, die die Kommission und den Verwaltungsausschuss zu unnötigen Sitzungen verpflichten würde, wäre mit dem Grundsatz der guten Verwaltung nicht zu vereinbaren.

56

Da die Kommission nach dem Wortlaut von Art. 164 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1234/2007 die Ausfuhrerstattungen gestützt auf einen oder mehrere der in dieser Bestimmung genannten Faktoren festsetzen kann, ist schließlich davon auszugehen, dass eine auf der Grundlage dieser Bestimmung ergangene Verordnung keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler aufweist, wenn diese Beurteilung wirksam auf zumindest einen dieser Faktoren gestützt werden konnte.

57

Erstens ergibt sich im vorliegenden Fall aus Art. 1 Abs. 1 der streitigen Verordnung sowie aus ihren Erwägungsgründen 2 und 3, dass die Kommission mit dem Erlass dieser Verordnung nicht zuvor gewährte und auf einen Positivbetrag festgesetzte Ausfuhrerstattungen nach Art. 162 der Verordnung Nr. 1234/2007 aufgehoben, sondern die streitigen Ausfuhrerstattungen gemäß Art. 164 der Verordnung Nr. 1234/2007 auf einen Nullbetrag festgesetzt hat.

58

Zweitens ist unstreitig, dass diese Festsetzung u. a. auf das in Art. 164 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 1234/2007 genannte Kriterium gestützt war.

59

Die von Tilly-Sabco erhobene Rüge, das Gericht habe bei seiner Beurteilung den Binnenmarkt nicht berücksichtigt und verkannt, dass die Preisdifferenz zu Hähnchen mit Ursprung aus Brasilien zur Gewährung von Ausfuhrerstattungen habe verpflichten müssen, beruht auf einem Fehlverständnis des angefochtenen Urteils, denn das Gericht hat in den Rn. 282 bis 294 des angefochtenen Urteils die zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verordnung auf dem Binnenmarkt herrschende Lage detailliert geprüft.

60

Dieses Vorbringen beruht außerdem, wie die Kommission zu Recht geltend macht, auf einem falschen Verständnis der Ziele der Ausfuhrerstattungen im Allgemeinen und des Art. 164 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 1234/2007 im Besonderen, denn eine Preisdifferenz verpflichtet für sich allein in keiner Weise zur Gewährung von Ausfuhrerstattungen.

61

Folglich entbehrt das auf einen Verstoß des Gerichts gegen Art. 164 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 1234/2007 gestützte Vorbringen von Tilly-Sabco jeder Grundlage.

62

Daher ist entsprechend den Ausführungen in Rn. 56 des vorliegenden Urteils das Vorbringen, mit dem Tilly-Sabco die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der streitigen Verordnung durch das Gericht im Hinblick auf Art. 164 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 1234/2007 angreift, als ins Leere gehend zurückzuweisen.

63

Drittens kann das Vorbringen von Tilly-Sabco, die Kommission habe es versäumt, im Oktober 2013 eine neue Verordnung zu erlassen, selbst wenn man unterstellt, dieses Vorbringen sei zulässig, angesichts der Ausführungen in Rn. 55 des vorliegenden Urteils jedenfalls nicht durchdringen. Daraus folgt im Übrigen, dass die Zuständigkeit des Generaldirektors der GD Landwirtschaft und ländliche Entwicklung für die Unterzeichnung der streitigen Verordnung mit diesem Vorbringen nicht in Frage gestellt wird.

64

Viertens ist, soweit Tilly-Sabco meint, dass die von ihr vor dem Gericht angeführten Punkte geeignet seien, einen Ermessensmissbrauch darzutun, darauf hinzuweisen, dass eine Handlung nur dann ermessensmissbräuchlich ist, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, dass sie ausschließlich oder zumindest hauptsächlich zu anderen als den angegebenen Zwecken oder mit dem Ziel erlassen worden ist, ein Verfahren zu umgehen, das der Vertrag speziell vorsieht, um die konkrete Sachlage zu bewältigen (Urteil vom 4. Dezember 2013, Kommission/Rat, C‑117/10, EU:C:2013:786, Rn. 96).

65

Es ist indes festzustellen, dass Tilly-Sabco keine derartigen Indizien beigebracht hat.

66

Zum einen lässt nämlich in Bezug auf die von der Kommission mit dem Erlass der streitigen Verordnung verfolgten Ziele nichts in den Akten die Annahme zu, dass dieses Organ ein anderes ausschließliches oder zumindest hauptsächliches Ziel verfolgt habe als das, das in den Erwägungsgründen 2 und 3 dieser Verordnung genannt wird, also die Festsetzung der Ausfuhrerstattungen in Übereinstimmung mit Art. 164 der Verordnung Nr. 1234/2007.

67

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung der Kommission ein weites Ermessen einräumt und dass das Versäumnis der Kommission, im Oktober 2013 eine neue Verordnung zu erlassen, sowie ihr angeblicher Hinweis auf vor dem Erlass der streitigen Verordnung eingegangene völkerrechtliche Bindungen nicht als objektive, schlüssige und übereinstimmende Indizien eingestuft werden können, die den Nachweis zu erbringen vermögen, dass dieses Organ andere als die u. a. in Art. 164 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 1234/2007 angegebenen Ziele verfolgte.

68

Zum anderen behauptet Tilly-Sabco nicht, dass die Kommission ein im Primärrecht vorgesehenes Verfahren habe umgehen wollen.

69

Aus alledem ergibt sich kein Rechtsfehler des Gerichts, der eine Aufhebung des angefochtenen Urteils rechtfertigen könnte.

70

Daher sind der fünfte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes, der zweite Rechtsmittelgrund, der dritte Teil des dritten Rechtsmittelgrundes sowie der erste und der zweite Teil des vierten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

Zum ersten bis vierten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes: fehlerhafte Auslegung von Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 182/2011

Vorbringen der Parteien

71

Mit dem ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht Tilly-Sabco geltend, dass das Gericht in den Rn. 89 und 90 des angefochtenen Urteils den in Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 182/2011 enthaltenen Begriff der „angemessenen Frist“ falsch beurteilt habe.

72

Soweit diese Bestimmung vorsehe, dass „[d]ie Frist … angemessen sein und den [Mitgliedern des Verwaltungsausschusses] frühzeitig und effektiv die Möglichkeit geben [muss], den Entwurf des Durchführungsrechtsakts zu prüfen und dazu Stellung zu nehmen“, solle sie dem Ausschuss eine ausreichende Frist zur Überlegung und Untersuchung gewährleisten.

73

Der Umstand, dass der Entwurf der streitigen Verordnung mit den Zahlen für die Erstattungen an die Mitglieder des Verwaltungsausschusses nach 13 Uhr übermittelt worden sei, die Ausschusssitzung aber bereits um 15.46 Uhr geendet habe, habe ihnen nicht „frühzeitig und effektiv die Möglichkeit [ge]geben, den Entwurf des Durchführungsrechtsakts zu prüfen und dazu Stellung zu nehmen“, und sei somit keine „angemessene Frist“ im Sinne dieser Bestimmung.

74

Mit dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht Tilly-Sabco geltend, das Gericht habe gegen die genannte Bestimmung dadurch verstoßen, dass es davon ausgegangen sei, dass die in Rede stehende Situation als dringlich zu charakterisieren sei, obwohl sich die Kommission nicht auf eine Dringlichkeit berufen habe.

75

Tilly-Sabco weist darauf hin, dass Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 182/2011 es erlaube, die vorgesehene Frist in „hinreichend begründeten Fällen“ nicht einzuhalten, und die Frist dann entsprechend der Dringlichkeit der betreffenden Sache festgesetzt werden könne. Das Gericht habe in den Rn. 111 und 112 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Kommission im vorliegenden Fall das Bestehen einer Dringlichkeit nicht dargetan habe, gleichwohl sei das Gericht in den Rn. 113 bis 119 des angefochtenen Urteils davon ausgegangen, dass die in Rede stehende Situation als dringlich zu charakterisieren sei, was es rechtfertige, dass die Frist nicht eingehalten worden sei.

76

Mit dieser Begründung habe das Gericht nicht nur eine Rechtfertigung zugrunde gelegt, auf die sich die Kommission nicht berufen habe, sondern das angefochtene Urteil auch widersprüchlich begründet. Darüber hinaus sei die Gefahr eines Bekanntwerdens der vorgeschlagenen Werte nicht dargetan worden, werde in Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 182/2011 nicht genannt und könne somit das Fehlen einer Frist für eine Prüfung des betreffenden Entwurfs nicht rechtfertigen. In der Standardgeschäftsordnung heiße es, dass äußerste Dringlichkeit „insbesondere“ vorliege, wenn „die Gesundheit von Menschen oder Tieren bedroht ist“.

77

Mit dem dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht Tilly-Sabco geltend, dass das Gericht den Zweck der in dieser Bestimmung genannten Frist verkannt habe.

78

Tilly-Sabco weist zum einen darauf hin, dass diese Bestimmung verlange, dass der Entwurf des Durchführungsrechtsakts, in dem der Betrag der vorgeschlagenen Erstattungen angegeben sei, innerhalb der vorgesehenen Frist vorgelegt werde, zum anderen darauf, dass das Gericht in Rn. 93 des angefochtenen Urteils ausgeführt habe, Angaben zur Lage des betreffenden Marktes seien rechtzeitig an die Mitglieder des Verwaltungsausschusses übersandt worden. Mit der Übersendung dieser Dokumente werde die Nichteinhaltung der Frist für die Übermittlung des Entwurfs der streitigen Verordnung jedoch nicht beseitigt.

79

Entgegen dem Eindruck, den das Gericht in Rn. 95 des angefochtenen Urteils entstehen lasse, habe die Übersendung dieser Dokumente es den Ausschussmitgliedern nicht erlaubt, die betroffenen Marktteilnehmer, darunter die Klägerin, zum beabsichtigten Erstattungsbetrag zu befragen. Außerdem seien die Dokumente keinesfalls ausreichend gewesen, um es den Mitgliedern des Verwaltungsausschusses zu ermöglichen, in Kenntnis der Sachlage Stellung zu nehmen, da der vorgeschlagene Betrag gefehlt habe.

80

Folglich habe unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 182/2011, der ausdrücklich verlange, dass den Ausschussmitgliedern „effektiv die Möglichkeit“ gegeben werde, den Entwurf des Durchführungsrechtsakts zu prüfen und dazu Stellung zu nehmen, vor der Sitzung des Verwaltungsausschusses unter den Mitgliedstaaten oder im Laufe der Sitzung, die am Vormittag des 18. Juli 2013 stattgefunden habe, unter den Ausschussmitgliedern keine effektive Debatte zustande kommen können.

81

Mit dem vierten Teil rügt Tilly-Sabco, das Gericht habe gegen diese Bestimmung verstoßen, indem es eine rechtswidrige, seit 1962 konstante Praxis der Kommission für gültig befunden habe, da es jegliche Verpflichtung zu einer Begründung, weshalb eine verkürzte Frist beansprucht werde, verneint habe. Wenn diese Praxis tatsächlich konstant und notwendig sei, sei die Kommission durch nichts daran gehindert gewesen, dies, nach 39 Jahren entsprechender Praxis, anlässlich des Erlasses der Verordnung Nr. 182/2011 zu berücksichtigen.

82

Die Kommission ist der Ansicht, dass der erste bis vierte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes allein darauf ausgerichtet seien, das angefochtene Urteil dahin anzugreifen, dass das Gericht zu Unrecht angenommen habe, die Konsultation des Verwaltungsausschusses durch die Kommission sei ordnungsgemäß gewesen. Das angefochtene Urteil sei jedoch weder in Bezug auf die Auslegung von Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 182/2011 noch von Art. 3 der Geschäftsordnung des Verwaltungsausschusses fehlerhaft.

83

Zudem habe das Gericht nach freiem Ermessen festgestellt, dass es den Mitgliedern des Verwaltungsausschusses aufgrund der von der Kommission beigebrachten Informationen über die Marktlage möglich gewesen sei, den Entwurf der streitigen Verordnung im Laufe des Vormittags vor deren Erlass zu beraten, und dass sie gegen das Vorgehen der Kommission keine Einwände erhoben hätten.

84

Jedenfalls habe das Gericht zu Recht in den Rn. 123 und 124 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Vorschriften über die Konsultation eines Ausschusses die Einhaltung der Rechte der Ausschussmitglieder sicherstellen sollten und nicht auf den Schutz der Rechte der Wirtschaftsteilnehmer zielten. Diese könnten sich folglich nicht auf einen etwaigen Verstoß gegen diese Vorschriften berufen.

85

Die Kommission fügt hinzu, dass das Gericht der Vollständigkeit halber in den Rn. 125 bis 129 des angefochtenen Urteils ausgeführt habe, Tilly-Sabco habe nicht, wie es von der Rechtsprechung des Gerichtshofs gefordert werde, nachgewiesen, dass das Ergebnis ohne den behaupteten Verstoß ein anderes gewesen wäre. Das Rechtsmittel enthalte nichts, womit sich diese Feststellung entkräften ließe, obschon im vorliegenden Fall der Möglichkeit der Erbringung eines solches Nachweises kein rechtliches oder materielles Hindernis entgegenstehe. Es sei festzustellen, dass das Ergebnis der Beratung des Verwaltungsausschusses ähnlich gewesen wäre, wenn er über eine zusätzliche Frist von ca. zehn Tagen verfügt hätte, um den Entwurf der streitigen Verordnung zu prüfen, da alle Angaben zu einer Festsetzung der Erstattungen auf null geführt hätten.

Würdigung durch den Gerichtshof

86

In den Rn. 83 bis 120 des angefochtenen Urteils hat das Gericht befunden, dass die in den Rn. 76 bis 78 dieses Urteils beschriebene streitige Praxis der Kommission, die im Wesentlichen darin besteht, Entwürfe von als Standardverordnungen eingestuften Verordnungen, die sich von denen, die sie ersetzen, nur durch die Änderung der in ihnen festgesetzten Zahlen unterscheiden, erst im Lauf der Sitzungen des Verwaltungsausschusses vorzulegen, mit den von Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 182/2011 aufgestellten Anforderungen übereinstimme.

87

Während Tilly-Sabco die Vereinbarkeit dieser Praxis mit diesen Anforderungen bestreitet, behauptet die Kommission, dass die Begründungen des Gerichts fundiert seien. Darüber hinaus macht sie geltend, dass Tilly-Sabco sich auf einen Verstoß gegen diese Bestimmung, würde er denn vorliegen, jedenfalls nicht berufen könnte.

88

Insoweit ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass der Begriff „Verordnung“ in Art. 288 Abs. 2 AEUV zwar einer einheitlichen Definition folgt, der AEU-Vertrag aber dennoch „Legislativ“-Verordnungen, die im ordentlichen oder im besonderen Gesetzgebungsverfahren nach Art. 289 AEUV ergehen, „delegierte“ Verordnungen, die von der Kommission zur Ergänzung oder Änderung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften von Gesetzgebungsakten erlassen werden, und Verordnungen „zur Durchführung“, die in Art. 291 AEUV definiert sind, unterscheidet.

89

Gemäß Art. 291 Abs. 1 AEUV obliegt es grundsätzlich den Mitgliedstaaten, alle zur Durchführung der verbindlichen Rechtsakte der Union erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Nach Abs. 2 dieses Artikels kann nur in besonderen Fällen, wenn es einheitlicher Bedingungen für die Durchführung der verbindlichen Rechtsakte der Union bedarf und diese Akte der Kommission Durchführungsbefugnisse übertragen, dieses Organ Durchführungsrechtsakte erlassen.

90

Hierzu führt Art. 291 Abs. 3 AEUV eine Kontrolle durch die Mitgliedstaaten hinsichtlich der Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission ein und stellt klar, dass das Europäische Parlament und der Rat im Wege einer „Legislativ“-Verordnung im Voraus allgemeine Regeln und Grundsätze für diese Kontrolle festzulegen haben.

91

Aus dem ersten Bezugsvermerk und dem vierten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 182/2011, die auf Art. 291 Abs. 3 AEUV verweisen und den Wortlaut dieser Bestimmung aufnehmen, dem siebten Erwägungsgrund dieser Verordnung und aus ihrem Art. 3 Abs. 7, die klarstellen, dass diese Verordnung den von Art. 291 Abs. 3 AEUV geforderten Kontrollmechanismus einführt, sowie aus dem fünften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 182/2011, wonach diese Verordnung die institutionellen Anforderungen des AEU-Vertrags widerspiegelt, ergibt sich, dass diese Verordnung jene „Legislativ“-Verordnung ist.

92

Damit legt die Verordnung Nr. 182/2011, die den Beschluss 1999/468 ersetzt hat, die allgemeinen Regeln und Grundsätze für diese Kontrolle fest.

93

Nach den Erwägungsgründen 8 und 9 der Verordnung Nr. 182/2011 wurden im Interesse einer Vereinfachung die Zahl der Verfahren auf zwei reduziert und das Beratungsverfahren und das Prüfverfahren aufrechterhalten sowie einheitliche Verfahrensregeln für die Ausschüsse, darunter die wichtigsten Bestimmungen über deren Funktionsweise, eingeführt.

94

Im Rahmen des Prüfverfahrens nach Art. 5 der Verordnung Nr. 182/2011, das im vorliegenden Fall anwendbar ist, gibt der Ausschuss seine Stellungnahme mit der in Art. 16 Abs. 4 und 5 EUV oder gegebenenfalls der in Art. 238 Abs. 3 AEUV festgelegten Mehrheit ab. Gemäß Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 182/2011 hindert eine Stellungnahme, wenn sie ablehnend ausfällt, die Annahme des Entwurfs des Durchführungsrechtsakts.

95

Die grundlegenden Bestimmungen zur Regelung des Beratungs- und des Prüfverfahrens sind in Art. 3 der Verordnung Nr. 182/2011 enthalten.

96

Hinsichtlich des Inhalts sind die durch Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 182/2011 eingeführten Regeln mit den entsprechenden Bestimmungen der Komitologie-Beschlüsse zu vergleichen, die in der Zeit galten, als mit der streitigen Praxis der Kommission begonnen wurde.

97

Insoweit ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Komitologie-Beschlüsse zwar vorsahen, dass dem Ausschuss ein Entwurf der zu ergreifenden Maßnahmen unterbreitet werden sollte, die Verordnung Nr. 182/2011 in ihrem Art. 3 Abs. 3 aber verlangt, dass diesem Ausschuss der Entwurf des zu erlassenden Durchführungsrechtsakts unterbreitet wird.

98

Während zweitens die Komitologie-Beschlüsse keine Frist zwischen der Unterbreitung des Maßnahmenentwurfs, der Übersendung der Tagesordnung und der Abhaltung der entsprechenden Sitzung des Verwaltungsausschusses vorsahen, sieht die Verordnung Nr. 182/2011 außer in hinreichend begründeten Fällen zwischen zum einen der Vorlage des Entwurfs eines Durchführungsrechtsakts und des Entwurfs der Tagesordnung an den Verwaltungsausschuss und zum anderen der Einberufung dieses Ausschusses eine Frist von mindestens 14 Tagen vor.

99

Drittens ist festzustellen, dass die Formulierung der Verordnung Nr. 182/2011 in Bezug auf die Festlegung der Frist, innerhalb deren der Ausschuss seine Stellungnahme abgibt, mit der Formulierung identisch ist, die in den Komitologie-Beschlüssen verwendet wird. Diese zweite Frist kann daher vom Vorsitz des Ausschusses entsprechend der Dringlichkeit der betreffenden Sache festgesetzt werden.

100

Viertens wird die Einführung von zwei unterschiedlichen Fristen in Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 182/2011 durch die Verwendung des Plurals im letzten Satz dieser Bestimmung in fast allen Sprachfassungen dieser Verordnung („Die Frist[en] m[üssen] angemessen sein und … die Möglichkeit geben“) sowie durch den Umstand bestätigt, dass in Abs. 7 Unterabs. 3 dieses Artikels zwei ähnliche Fristen für das neue Berufungsverfahren eingeführt werden.

101

Fünftens ist festzustellen, dass zwar die erste dieser beiden Fristen „in hinreichend begründeten Fällen“ verkürzt und die zweite „entsprechend der Dringlichkeit der betreffenden Sache“ festgesetzt werden kann, beide Fristen jedoch „angemessen sein und den Ausschussmitgliedern frühzeitig und effektiv die Möglichkeit geben [müssen], den Entwurf des Durchführungsrechtsakts zu prüfen und dazu Stellung zu nehmen“.

102

Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die erste Frist es den Mitgliedern des Verwaltungsausschusses ermöglichen soll, vor einer Sitzung den Entwurf des Durchführungsrechtsakts in aller Ruhe zu prüfen, während die zweite Frist ihnen ermöglichen soll, zu diesem Entwurf Stellung zu nehmen. Diese Erwägung wird durch Art. 3 Abs. 4 der Verordnung Nr. 182/2011 gestützt, in dem es heißt: „Bis der Ausschuss eine Stellungnahme abgibt, kann jedes Ausschussmitglied Änderungen vorschlagen“.

103

Da im Übrigen in Art. 291 Abs. 3 AEUV ausdrücklich vorgesehen ist, dass die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der ihr nach Abs. 2 dieses Artikels übertragenen Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren, ist davon auszugehen, dass die erste Frist auch gewährleisten soll, dass die Regierungen der Mitgliedstaaten über ihre Mitglieder im Verwaltungsausschuss über die Vorschläge der Kommission unterrichtet werden, damit diese Regierungen mittels interner und externer Konsultationen einen Standpunkt festlegen können, mit dem innerhalb des Verwaltungsausschusses ihre jeweiligen eigenen Interessen gewahrt werden.

104

Wie sich nämlich aus Art. 3 Abs. 7 der Verordnung Nr. 182/2011 ergibt, sind die Mitglieder des Verwaltungsausschusses Vertreter der Regierungen, die über die angemessene Ebene ihrer Vertretung in den verschiedenen Stadien des Verfahrens zu entscheiden haben.

105

Angesichts dieser Erwägungen ist festzustellen, dass eine Praxis, die darin besteht, den Entwurf eines Durchführungsrechtsakts dem Verwaltungsausschuss erst im Laufe der zur Prüfung dieses Entwurfs einberufenen Sitzung zu unterbreiten, sowohl mit dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 182/2011 als auch mit den von ihm verfolgten Zielen nicht vereinbar ist. Denn mit dieser Vorgehensweise hält die Kommission die erste Frist von 14 Tagen nicht ein.

106

Zudem läuft eine solche Praxis der Systematik der Verordnung Nr. 182/2011 zuwider, deren Art. 8 es der Kommission erlaubt, erforderlichenfalls ohne vorherige Konsultation des Verwaltungsausschusses sofort geltende Verordnungen zu erlassen.

107

Schließlich verstößt diese Praxis, die es den Mitgliedern des Verwaltungsausschusses unmöglich macht, ihre Stellungnahme abzugeben und Änderungen außerhalb der betreffenden laufenden Sitzung vorzuschlagen, gegen Art. 3 Abs. 4 Unterabs. 1 dieser Verordnung, wonach dies den Mitgliedern vor Erlass des Rechtsakts jederzeit möglich sein muss.

108

Zu der von der Kommission vorgetragenen Rechtfertigung der Nichteinhaltung der ersten Frist von 14 Tagen, nämlich der Gefahr eines Bekanntwerdens, ist darauf hinzuweisen, dass ein Geltenlassen dieser Rechtfertigung dazu führen würde, die Kommission regelmäßig von der Einhaltung dieser ersten Frist zu befreien, denn solche Gefahren bestehen grundsätzlich immer, wie die Kommission dies selbst einräumt. Auch eine Erwägung, wie sie das Gericht in den Rn. 113 bis 115 des angefochtenen Urteils angestellt hat, dass eine Dringlichkeit immer dann plötzlich eintrete, wenn eine Durchführungsverordnung erlassen werden müsse, liefe darauf hinaus, die vorgesehene Ausnahme zur Regel zu machen.

109

Aus dem Ziel der Wirksamkeit der Verfahren sowie aus den bisherigen Erfahrungen und der gängigen Praxis bei der Durchführung des Beschlusses 1999/468, die im fünften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 182/2011 erwähnt werden, in Bezug auf insbesondere den Erlass von Standarddurchführungsverordnungen, die sich von denen, die sie ersetzen, allein durch die Änderung der aktualisierten und nach jeder Sitzung des Verwaltungsausschusses festgelegten Zahlenangaben unterscheiden, kann im Übrigen kein anderer Schluss gezogen werden.

110

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 182/2011 nicht eine gängige Praxis festschreibt, sondern sie substanziell abändert, indem u. a. eine erste Frist von 14 Tagen eingeführt und zwischen dem Gegenstand dieser Frist und dem der Frist, die der Abgabe der Stellungnahme des Verwaltungsausschusses vorausgeht, unterschieden wird, und er es verbietet, diese Fristen unangemessen oder derart zu verkürzen, dass sie ihren Sinn verlieren.

111

Es ist auch darauf hinzuweisen, dass das Parlament und der Rat die Zahl der Kontrollverfahren auf zwei reduziert haben und dass diese Verfahren im Interesse einer Vereinfachung durch ein Bündel gemeinsamer Vorschriften geregelt werden. Eine andere Praxis für den Erlass der häufigsten Durchführungsverordnungen zu befolgen, liefe im Wesentlichen darauf hinaus, eine neue Unterkategorie von Verfahren zu schaffen, die anderen Regeln gehorchen.

112

Die Entscheidung für diese Option fände nicht nur keinerlei Grundlage in der Verordnung Nr. 182/2011, sondern liefe den erklärten Zielen des Unionsgesetzgebers zuwider.

113

Somit konnte sich die ständige Praxis der Kommission zwar in den rechtlichen Rahmen vor dem Erlass dieser Verordnung, also den durch die Komitologie-Beschlüsse festgelegten Rahmen, einfügen. Die aus der Annahme des AEU-Vertrags folgenden Änderungen des Primärrechts und die nachfolgenden Änderungen des abgeleiteten Rechts, die sich aus dem Erlass der Verordnung Nr. 182/2011 ergeben, stehen einer weiteren Anwendung dieser Praxis jedoch entgegen.

114

Als Zweites ist unter Berücksichtigung insbesondere der Feststellungen in den Rn. 90, 91, 94, 95 und 102 bis 104 des vorliegenden Urteils zugrunde zu legen, dass die in Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 182/2011 aufgestellten Anforderungen vom AEU-Vertrag gewünschte wesentliche Verfahrensvorschriften darstellen, die zu den Formvorschriften gehören, die für einen ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens wesentlich sind und deren Verletzung die Nichtigkeit des betreffenden Rechtsakts zur Folge hat (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile vom 10. Februar 1998, Deutschland/Kommission, C‑263/95, EU:C:1998:47, Rn. 32, vom 24. Juni 2014, Parlament/Rat, C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 80, und vom 23. Dezember 2015, Parlament/Rat, C‑595/14, EU:C:2015:847, Rn. 35).

115

Insbesondere hat der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung festgestellt, dass die Nichtbeachtung der Verfahrensvorschriften über den Erlass einer beschwerenden Maßnahme eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften darstellt und dass der Unionsrichter, wenn er bei der Untersuchung des betreffenden Rechtsakts zu dem Ergebnis kommt, dass dieser nicht ordnungsgemäß erlassen wurde, die Konsequenzen aus der Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift zu ziehen und folglich den mit einem solchen Fehler behafteten Rechtsakt für nichtig zu erklären hat (Urteile vom 4. September 2014, Spanien/Kommission, C‑197/13 P, EU:C:2014:2157, Rn. 103, und vom 24. Juni 2015, Spanien/Kommission, C‑263/13 P, EU:C:2015:415, Rn. 56).

116

Ohne dass es einer Äußerung zu dem Einwand der Kommission bedarf, dass Tilly-Sabco nicht befugt ist, sich auf einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 182/2011 zu berufen, genügt die Feststellung, dass der Unionsrichter, wenn er einen derartigen Verstoß feststellt, diesen von Amts wegen zu prüfen hat (Urteil vom 24. Juni 2015, Spanien/Kommission, C‑263/13 P, EU:C:2015:415, Rn. 56).

117

Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist der erste Rechtsmittelgrund in seinen Teilen eins bis vier für begründet zu erklären.

118

Daher ist das angefochtene Urteil aufzuheben, ohne dass es einer Prüfung der übrigen Rechtsmittelgründe bedarf.

Zur Klage im ersten Rechtszug

119

Nach Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann dieser im Fall der Aufhebung der Entscheidung des Gerichts den Rechtsstreit entweder selbst endgültig entscheiden, wenn er zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen.

120

Im vorliegenden Fall ist die Rechtssache zur Entscheidung reif.

121

In Anbetracht der Ausführungen in den Rn. 86 bis 118 des vorliegenden Urteils ist die streitige Verordnung wegen eines Verstoßes gegen wesentliche Formvorschriften für nichtig zu erklären.

Zur Aufrechterhaltung der Wirkungen der streitigen Verordnung bis zu ihrer Ersetzung durch eine neue Verordnung

122

Erklärt er eine Handlung für nichtig, kann der Gerichtshof nach Art. 264 Abs. 2 AEUV, falls er dies für notwendig hält, diejenigen ihrer Wirkungen bezeichnen, die als fortgeltend zu betrachten sind.

123

Im vorliegenden Fall hat dieses Rechtsmittelverfahren zwar ergeben, dass die streitige Verordnung unter Verstoß gegen wesentliche Formvorschriften erlassen wurde, es hat jedoch keinen Fehler offenbart, der die materielle Rechtmäßigkeit dieses Rechtsakts, der für die Durchführung der Verordnung Nr. 1234/2007 notwendige Maßnahmen enthält, beeinträchtigt.

124

Die streitige Verordnung für nichtig zu erklären, ohne die Aufrechterhaltung ihrer Wirkungen vorzusehen, bis sie durch einen neuen Rechtsakt ersetzt wird, würde somit nicht nur diese Durchführung gefährden, sondern auch die Rechtssicherheit beeinträchtigen.

125

Daher sind die Wirkungen der streitigen Verordnung bis zum Inkrafttreten eines neuen Rechtsakts, der sie ersetzen soll, aufrechtzuerhalten.

Kosten

126

Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet.

127

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

128

Da die Kommission unterlegen ist und Tilly-Sabco deren Verurteilung beantragt hat, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 14. Januar 2016, Tilly-Sabco/Kommission (T‑397/13, EU:T:2016:8), wird aufgehoben.

 

2.

Die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 689/2013 der Kommission vom 18. Juli 2013 zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen für Geflügelfleisch wird für nichtig erklärt.

 

3.

Die Wirkungen der Durchführungsverordnung Nr. 689/2013 werden bis zum Inkrafttreten eines neuen Rechtsakts, der sie ersetzen soll, aufrechterhalten.

 

4.

Die Europäische Kommission trägt die Kosten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.