SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

vom 19. Juli 2016 ( 1 )

Rechtssache C‑577/14 P

Brandconcern BV

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum

„Rechtsmittel — Unionsmarke — Wortmarke Lambretta — Antrag der Brandconcern BV auf Erklärung des Verfalls — Erklärung des teilweisen Verfalls — Die Eintragung einer Marke in das Register erfordert u. a., dass in der Anmeldung die Waren und Dienstleistungen angegeben werden, für die der Schutz des Kennze“

ichens beansprucht wird. Hierfür bedienen sich sowohl die Wirtschaftsteilnehmer als auch die Markenämter der Mitgliedstaaten und das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (im Folgenden: Amt oder EUIPO)

1. 

 ( 2 ) der Nizza-Klassifikation ( 3 ).

2. 

Das Abkommen von Nizza enthält eine Liste mit 34 Waren- und 11 Dienstleistungsklassen. Jede Klasse gibt Oberbegriffe für die Bereiche an, denen die jeweiligen Waren und Dienstleistungen zugeordnet sind. Die Klassifikation enthält außerdem eine alphabetische Liste von Waren und Dienstleistungen, in der die jeweilige Klasse angegeben ist, in die diese eingruppiert sind.

3. 

Im Urteil The Chartered Institute of Patent Attorneys ( 4 ) (im Folgenden: Urteil IP Translator) hat sich der Gerichtshof zur Auslegung der Verwendung der Klassenüberschriften des Abkommens von Nizza und deren Auswirkungen auf die Reichweite des von der eingetragenen Marke verliehenen Schutzes geäußert. In diesem Urteil hat er verschiedene Leitlinien formuliert und insbesondere das Erfordernis aufgestellt, dass in Anmeldungen klar und eindeutig anzugeben ist, für welche Waren und Dienstleistungen der Schutz des Registereintrags beansprucht wird ( 5 ). Der Gerichtshof hat indessen keine zeitliche Beschränkung der Wirkungen des Urteils vorgenommen.

4. 

Das Unternehmen Brandconcern BV beantragt in diesem Rechtsmittelverfahren, das Urteil des Gerichts vom 30. September 2014, Scooters India/HABM – Brandconcern (LAMBRETTA) (im Folgenden: angefochtenes Urteil) ( 6 ), aufzuheben, weil das Gericht fehlerhaft die im Urteil IP Translator dargelegten Grundsätze nicht rückwirkend auf eine Anmeldung beim EUIPO für die Klasse 12 angewandt habe. Das Rechtsmittel bietet Anlass, zunächst den generellen Entscheidungsgehalt des Urteils IP Translator genauer herauszuarbeiten und sodann zu untersuchen, ob dieses auch für bereits eingetragene Marken Geltung beanspruchen kann.

5. 

In jedem Fall wird der Entscheidung über das vorliegende Rechtsmittel nur noch eine begrenzte Tragweite zukommen, wenn man die neue Fassung des Art. 28 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 ( 7 ) berücksichtigt, die seit dem Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2015/2424 ( 8 ) am 23. März 2016 gilt. Abs. 8 dieses Artikels zielt auf eine Bereinigung der Auslegungsprobleme im Zusammenhang mit der Klassifizierung der Waren und Dienstleistungen von Marken, die vor der Verkündung des Urteils IP Translator eingetragen worden waren.

I – Rechtlicher Rahmen

A – Verordnung Nr. 207/2009 über die Unionsmarke

6.

Die im vorliegenden Rechtsstreit einschlägige Regelung für Unionsmarken ist die Verordnung Nr. 207/2009. Deren letzte Reformierung durch die Verordnung 2015/2424, die wesentliche Aspekte der bis dahin bestehenden Regelung über Gemeinschaftsmarken (jetzt als „Unionsmarken“ bezeichnet) ( 9 ) geändert hat, sind für das vorliegende Rechtsmittel in zeitlicher Hinsicht nicht einschlägig. Allerdings ist auf den neuen Art. 28 („Bezeichnung und Klassifizierung von Waren und Dienstleistungen“) hinzuweisen, dessen Abs. 8 bestimmt:

„(8)   Inhaber von vor dem 22. Juni 2012 angemeldeten Unionsmarken, die in Bezug auf die gesamte Überschrift einer Nizza-Klasse eingetragen sind, dürfen erklären, dass es am Anmeldetag ihre Absicht war, Schutz in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen zu beantragen, die über diejenigen hinausgehen, die von der wörtlichen Bedeutung der Überschrift der betreffenden Klasse erfasst sind, sofern die so bezeichneten Waren oder Dienstleistungen im alphabetischen Verzeichnis für diese Klasse in der zum Zeitpunkt der Anmeldung geltenden Fassung der Nizza-Klassifikation aufgeführt sind.

In der Erklärung, die beim Amt bis zum 24. September 2016 einzureichen ist, müssen klar, genau und konkret die Waren und Dienstleistungen angegeben werden, die nicht eindeutig von der wörtlichen Bedeutung der Begriffe in der Klassenüberschrift, unter die sie nach der ursprünglichen Absicht des Inhabers fielen, erfasst sind. …

Unionsmarken, für die keine Erklärung binnen der in Unterabsatz 2 genannten Frist eingereicht wird, gelten nach Fristablauf nur für diejenigen Waren oder Dienstleistungen, die eindeutig von der wörtlichen Bedeutung der Begriffe in der Überschrift der einschlägigen Klasse erfasst sind.“

7.

In Titel VI („Verzicht, Verfall und Nichtigkeit“) schreibt Art. 51 („Verfallsgründe“) vor:

„(1)   Die [Unions]marke wird auf Antrag beim Amt oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren für verfallen erklärt,

a)

wenn die Marke innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren in der Union für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, nicht ernsthaft benutzt worden ist und keine berechtigten Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen; …

(2)   Liegt ein Verfallsgrund nur für einen Teil der Waren oder Dienstleistungen vor, für die die [Unions]marke eingetragen ist, so wird sie nur für diese Waren oder Dienstleistungen für verfallen erklärt.“

B – Durchführungsverordnung (EG) Nr. 2868/95 ( 10 )

8.

Unter der Überschrift „Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen“ schreibt Regel 2 vor:

„(1)

Die Klassifizierung der Waren und Dienstleistungen richtet sich nach der gemeinsamen Klassifikation des Artikels 1 des geänderten Nizzaer Abkommens vom 15. Juni 1957 über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken.

(2)

Das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen ist so zu formulieren, dass sich die Art der Waren und Dienstleistungen klar erkennen lässt und es die Klassifizierung der einzelnen Waren und Dienstleistungen in nur jeweils einer Klasse der Nizzaer Klassifikation gestattet.

(3)

Die Waren und Dienstleistungen sollten möglichst nach den Klassen der Nizzaer Klassifikation zusammengefasst werden. Dabei wird jeder Gruppe von Waren und Dienstleistungen die Nummer der einschlägigen Klasse in der Reihenfolge dieser Klassifikation vorangestellt.

(4)

Die Klassifikation der Waren und Dienstleistungen dient ausschließlich Verwaltungszwecken. Daher dürfen Waren und Dienstleistungen nicht deswegen als ähnlich angesehen werden, weil sie in derselben Klasse der Nizzaer Klassifikation genannt werden, und dürfen Waren und Dienstleistungen nicht deswegen als verschieden angesehen werden, weil sie in verschiedenen Klassen der Nizzaer Klassifikation genannt werden.“

C – Mitteilungen des Präsidenten des EUIPO

9.

Der Präsident des EUIPO übt die ihm von Art. 124 der Verordnung Nr. 207/2009 zugewiesenen Befugnisse aus. Darunter ist mit Blick auf den hier vorliegenden Rechtsstreit die Befugnis zum Erlass interner Verwaltungsvorschriften und insbesondere zur Veröffentlichung von Mitteilungen (Abs. 2 Buchst. a) hervorzuheben, die nach Art. 89 Buchst. b der Verordnung im Amtsblatt des EUIPO zu veröffentlichen sind.

10.

Um die Praxis des Amtes bei der Verwendung der Klassenüberschriften sowie deren Auswirkungen in Fällen zu erläutern, in denen Anmeldungen oder Eintragungen von Unionsmarken Gegenstand einer Beschränkung oder eines teilweisen Verzichts sind oder in denen ein Widerspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren anhängig ist, erließ und veröffentlichte der Präsident die Mitteilung Nr. 4/03 ( 11 ). Dort heißt es unter IV in den ersten beiden Absätzen:

„Die 34 Klassen für Waren und die 11 Klassen für Dienstleistungen umfassen die Gesamtheit aller Waren und Dienstleistungen. Demzufolge stellt die Verwendung aller in den Klassenüberschriften einer bestimmten Klasse aufgeführten Oberbegriffe die Beanspruchung aller Waren oder Dienstleistungen dar, die dieser Klasse angehören.

In ähnlicher Weise deckt die Verwendung eines bestimmten Oberbegriffs aus der Klassenüberschrift alle einzelnen Waren oder Dienstleistungen ab, die von diesem Oberbegriff abgedeckt sind und ordnungsgemäß derselben Klasse zugeordnet wurden. …“

11.

Nach der Verkündung des Urteils IP Translator veröffentlichte der Präsident des EUIPO, obwohl der Gerichtshof in diesem Urteil die Richtlinie 2008/95/EG ( 12 ) und nicht die Verordnung Nr. 207/2009 ausgelegt hatte, die Mitteilung Nr. 2/12 ( 13 ), in der es unter V heißt:

„Im Hinblick auf Gemeinschaftsmarken, die vor dem Inkrafttreten der vorliegenden Mitteilung eingetragen wurden und die alle in der Überschrift einer bestimmten Klasse aufgeführten Oberbegriffe verwenden, geht das Amt davon aus, dass der Anmelder im Sinne der früheren Mitteilung Nr. 4/03 alle Waren oder Dienstleistungen abdecken wollte, die in der Fassung der alphabetischen Liste dieser Klasse aufgeführt sind, die zum Zeitpunkt der Anmeldung in Kraft war.

Das vorher Gesagte gilt unbeschadet der Anwendung von Art. 50 GMV (Gemeinschaftsmarkenverordnung).“

II – Sachverhalt des Rechtsstreits

12.

Den Rn. 1 bis 6 des angefochtenen Urteils ist zu entnehmen, dass das Unternehmen Scooters India Ltd Inhaberin der Unionswortmarke Lambretta ( 14 ) ist, die am 7. Februar 2000 angemeldet und vom Amt am 6. August 2002 mit der Nr. 1495100 eingetragen wurde.

13.

Die Anmeldung bezog sich auf Waren der Klassen 3, 12, 14, 18 und 25 des Nizzaer Abkommens. Da Scooters India ihre Anträge beim Gericht teilweise zurückgenommen hat ( 15 ), geht es im vorliegenden Rechtsmittelverfahren nur noch um die Waren der Klasse 12 mit folgender Beschreibung gemäß dem Nizzaer Abkommen:

Klasse 12: „Fahrzeuge; Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft und auf dem Wasser“.

14.

Am 19. November 2007 reichte das Unternehmen Brandconcern einen Antrag auf Erklärung des teilweisen Verfalls der Marke Lambretta nach Art. 50 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 ( 16 ) ein. Dieser Antrag betraf u. a. die Waren der Klasse 12 und wurde damit begründet, dass es an einer ernsthaften Benutzung der Marke innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren fehle.

15.

Die Nichtigkeitsabteilung des EUIPO gab in einer Entscheidung vom 24. September 2010 dem Antrag von Brandconcern statt und erklärte die Marke u. a. hinsichtlich der Waren der Klasse 12 für seit dem 19. November 2007 teilweise verfallen.

16.

Gegen diese Entscheidung vom 24. September 2010 legte Scooters India beim EUIPO eine Beschwerde nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 ein.

17.

Die Erste Beschwerdekammer des EUIPO wies mit Entscheidung vom 1. Dezember 2011 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) die Beschwerde von Scooters India insoweit zurück, als sie nicht „Seifen“ der Klasse 3 betraf (bezüglich deren sie die Entscheidung vom 24. Dezember 2010 aufhob) ( 17 ).

18.

Die Zurückweisung der Beschwerde von Scooters India begründete die Beschwerdekammer damit, dass die ernsthafte Benutzung der Marke Lambretta für (u. a.) Waren der Klasse 12 nicht hinreichend nachgewiesen worden sei, womit insoweit der Verfall eingetreten sei.

III – Angefochtenes Urteil

19.

Mit Schreiben vom 8. Februar 2012 erhob Scooters India beim Gericht Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Beschwerdekammer. Die Klage war auf nur einen Klagegrund gestützt, nämlich die Verletzung von Art. 51 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009, die in zweifacher Hinsicht behauptet wurde.

20.

Erstens wurde gerügt, die Beschwerdekammer habe von der Erklärung des Verfalls nicht die Waren „Ersatzteile“ ausgenommen. Damit bezog sich die Klägerin auf ein bei der Anmeldung im Jahr 2000 vom EUIPO angewandtes Auslegungskriterium im Zusammenhang mit Warenverzeichnissen: Nach diesem umfassen Anmeldungen, wenn sie sich ohne Differenzierung auf die Warenbezeichnungen der Überschriften einer Klasse beziehen, sämtliche Waren der alphabetischen Liste von Waren oder Dienstleistungen in dieser Klasse (im Folgenden: umfassende Auslegung).

21.

Das Gericht behandelte diese Rüge wie folgt: Es überprüfte ( 18 ) zunächst, ob die Ersatzteile in die Waren der Klasse 12 eingruppiert sind, und sodann, ob die Anmeldung von Scooters India anhand der umfassenden Auslegung beurteilt werden könne oder nach der wörtlichen Auslegung ( 19 ) zu beurteilen sei, d. h. unter Berücksichtigung allein derjenigen Oberbegriffe, die wörtlich in der betreffenden Klassenüberschrift genannt sind (in diesem Fall Fahrzeuge, Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft und auf dem Wasser).

22.

Das Gericht wies dabei auf das Urteil IP Translator ( 20 ) hin, dem zu entnehmen sei, dass der Anmelder einer Marke, der sämtliche Oberbegriffe der Überschrift einer bestimmten Klasse der Nizzaer Klassifikation verwende, klarstellen müsse, ob sich seine Anmeldung auf alle oder nur auf einige der in der alphabetischen Liste der betreffenden Klasse aufgeführten Waren oder Dienstleistungen beziehe, und im letzten Fall anzugeben habe, welche Waren oder Dienstleistungen dieser Klasse beansprucht würden ( 21 ).

23.

Da das Urteil IP Translator erst nach den Vorgängen erging, die den Klagegegenstand bildeten, prüfte das Gericht seine Auswirkungen auf den vorliegenden Fall und erachtete im Ergebnis die Mitteilung Nr. 2/12 für anwendbar. Hierfür stützte es sich im Wesentlichen auf folgende Argumente: a) die Mitteilung Nr. 4/03 sei bis zur Veröffentlichung der Mitteilung Nr. 2/12 eine bloße Erläuterung der Praxis des Amtes gewesen, b) die Mitteilung Nr. 2/12 unterscheide nicht zwischen Marken, die vor oder nach der Mitteilung Nr. 4/03 eingetragen worden seien, und c) der Grundsatz der Rechtssicherheit rechtfertige die Anwendung der Mitteilung Nr. 2/12 auf Marken, die wie Lambretta bereits eingetragen worden seien, bevor die Mitteilung Nr. 4/03 ergangen sei ( 22 ).

24.

Folgerichtig erklärte das Gericht, die Nennung aller Warenoberbegriffe der Klasse 12 in der Anmeldung der Marke Lambretta sei dahin auszulegen, dass sie die Gesamtheit aller Waren der alphabetischen Liste umfasse, die in diese Klasse eingruppiert seien, was im Übrigen auch der Absicht von Scooters India entsprochen habe. Weiter führte es aus, dass die alphabetische Liste der Waren der Klasse 12, auch wenn Scooter-Ersatzteile als solche darin nicht aufgeführt seien, jedenfalls Zubehör und Fahrzeugteile wie Autoreifen, Fahrzeugräder und Kurbelgehäuse umfasse, womit im Ergebnis die Beschwerdekammer verpflichtet gewesen wäre, die ernsthafte Benutzung der Marke auch für Ersatzteile zu prüfen. Da diese Prüfung in der angefochtenen Entscheidung nicht erfolgt sei, gab das Gericht der ersten Rüge von Scooters India statt ( 23 ).

25.

Zweitens hatte Scooters India einen Rechtsfehler der Beschwerdekammer gerügt, der in einer Missachtung der Rechtsprechung des Gerichtshofs liege, nach der eine ernsthafte Benutzung der Marke für Ersatzteile dazu führe, dass die Rechte des Markeninhabers hinsichtlich der Waren, zu denen diese Teile gehörten, gewahrt blieben ( 24 ).

26.

Das Gericht wies die zweite Rüge zurück, da die Beschwerdekammer zur Prüfung der beigebrachten Beweise für Scooter-Ersatzteile letztlich gar nicht gekommen sei. Allerdings gab das Gericht der Beschwerdekammer Hinweise, wie sie die Benutzung der Marke Lambretta für Ersatzteile zu prüfen habe, wobei es u. a. auf die Kriterien aus dem Urteil Ansul ( 25 ) Bezug nahm.

IV – Verfahren vor dem Gerichtshof

27.

Die von Brandconcern verfasste Rechtsmittelschrift ging am 11. Dezember 2014 bei der Kanzlei des Gerichtshofs ein, die Rechtsmittelbeantwortungen des EUIPO und von Scooters India am 10. und 18. März 2015.

28.

Nach Art. 175 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs wurden die Erwiderung am 4. Juni 2015 und die Gegenerwiderungen von Scooters India und dem EUIPO am 8. und 13. Juli 2015 eingereicht.

29.

Brandconcern beantragt in erster Linie, a) das angefochtene Urteil aufzuheben, b) die von Scooters India beim Gericht erhobene Klage abzuweisen und c) die gegnerischen Parteien zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Hilfsweise beantragt sie, das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als darin die Entscheidung der Beschwerdekammer vom 1. Dezember 2011 aufgehoben worden ist, sowie die Verurteilung des EUIPO und von Scooters India zur Tragung der Kosten.

30.

Das EUIPO beantragt beim Gerichtshof, a) den zweiten Rechtsmittelgrund für unzulässig zu erklären, b) das Rechtsmittel zurückzuweisen und c) Brandconcern zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

31.

Scooters India beantragt beim Gerichtshof, das Rechtsmittel zurückzuweisen und Brandconcern die Kosten aufzuerlegen.

32.

Wie von Brandconcern und Scooters India nach Art. 76 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs beantragt, ist am 11. Mai 2016 eine mündliche Verhandlung abgehalten worden, in der sämtliche Parteien erschienen sind.

V – Prüfung des Rechtsmittels

33.

Brandconcern behauptet, das Gericht habe zwei Rechtsfehler begangen: a) eine Verletzung von Art. 51 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 51 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 sowie b) einen Verfahrensfehler, der in der mangelnden Kongruenz zwischen den Anträgen der Klägerin und dem Urteilstenor bestehe, mit dem das Gericht über das Beantragte hinaus (ultra petita) entschieden habe.

A – Zum ersten Rechtsmittelgrund (Verletzung von Art. 51 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009)

1. Vortrag der Parteien

34.

Brandconcern trägt vor ( 26 ), das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es festgestellt habe, dass das EUIPO in Anwendung des Grundsatzes der Rechtssicherheit verpflichtet gewesen wäre, zu prüfen, ob Scooters India die Marke ernsthaft für Ersatzteile benutzt habe, nachdem es zum Ergebnis gelangt sei, dass die Eintragung des Zeichens wegen der Verwendung der Überschrift der Klasse 12 auch diese Waren umfasse.

35.

Zur Stützung seiner These beruft sich das Unternehmen auf das Urteil IP Translator, in dem sich der Gerichtshof für die wörtliche Auslegung der Angaben entschieden habe, die von den Markeninhabern in ihren Anmeldungen gemacht worden seien. Dieses Urteil sei ohne Einschränkungen anzuwenden; die im angefochtenen Urteil enthaltenen Überlegungen des Gerichts zur Rechtssicherheit könnten demgegenüber keinen Vorrang beanspruchen.

36.

Brandconcern ist der Auffassung, das Gericht könne die Wirkungen eines Urteils des Gerichtshofs in zeitlicher Hinsicht nicht beschränken, wenn der Gerichtshof in seiner eigenen Entscheidung eine solche Beschränkung nicht getroffen habe. Überdies habe Scooters India beim Gericht keinen einzigen Präzedenzfall angeführt, der eine so nachlässige Anwendung des Grundsatzes der Rechtssicherheit rechtfertige; auch das angefochtene Urteil selbst nenne keinen solchen Präzedenzfall. Das Gericht könne nicht eigene Urteile anführen, um die Wirkungen eines Urteils des Gerichtshofs zu beschränken.

37.

Schließlich wendet sich Brandconcern auch dagegen, dass bei der Auslegung der Anmeldung die Absicht des Anmelders zu berücksichtigen sei, wie es der vom EUIPO vor der Mitteilung Nr. 2/12 geübten Praxis entsprochen habe ( 27 ). Jedenfalls aber müsse sich diese Absicht gerade auf die Liste der Waren und Dienstleistungen für die möglichst exakte Bestimmung des vom Markeninhaber beanspruchten Schutzes beziehen, wie dies später das Urteil IP Translator gefordert habe. Man könne Mängeln bei den Angaben in der Anmeldung nicht dadurch abhelfen, dass man später auf eine Inanspruchnahme des Zeitrangs verweise oder die Anmeldung im Rechtsmittelverfahren erläutere.

38.

Insgesamt, so Brandconcern, hätte der Gerichtshof im Urteil IP Translator zwar einen „zukunftsbezogenen“ Ansatz für die Auslegung von Anmeldungen wählen können, habe dies aber nicht getan. Vielmehr habe er eine allgemeine Regel aufgestellt, die Klarheit und Eindeutigkeit bei den Angaben in Markenanmeldungen fordere und in deren Licht diese Anmeldungen auch auszulegen seien.

39.

Das EUIPO widerspricht den von Brandconcern vorgetragenen Argumenten. Insbesondere vertritt es die Auffassung, das Urteil IP Translator habe sich für keinen der beiden Ansätze – die umfassende Auslegung gemäß der Mitteilung Nr. 4/03 oder die wörtliche Auslegung – entschieden. Dieses Urteil betreffe Markenanmeldungen und nicht bereits eingetragene Marken, so dass die Forderungen nach Klarheit und Eindeutigkeit insbesondere auf Erstere und nicht im selben Maße auch auf Letztere zu beziehen seien.

40.

Nach Auffassung des Amtes lässt Rn. 60 des Urteils IP Translator darauf schließen, dass die Absicht des Antragstellers zum grundlegenden Kriterium für die Bestimmung des mit der Marke verbundenen Schutzes erhoben werde. Während die Anmelder ihre Absicht unter Beachtung der Forderungen nach Klarheit und Eindeutigkeit ausdrücken müssten, sei die zuständige Behörde (d. h. die Markenämter) gehalten, diese Absicht bezüglich bereits eingetragener Marken zu eruieren. Das Urteil IP Translator könne gegen eine solche Ermittlung der Absicht des Anmelders durch die Aufstellung einer Vermutung nicht herangezogen werden. In diesem Sinne habe das Gericht die Leitlinien des Urteils IP Translator für Markenanmeldungen nicht etwa ignoriert, sondern nur in Bezug auf bereits eingetragene Marken modifiziert.

41.

Das Amt fügt hinzu, dass die Absicht von Scooters India bereits bei der Anmeldung der vormals britischen Marke Lambretta zutage getreten sei, deren Zeitrang das Unternehmen für sämtliche Produkte in Anspruch genommen habe, d. h. auch für „Automobile, Kleintransporter und Fahrräder“ sowie „Einzel- und Bestandteile“ dieser Waren.

42.

Nach Ansicht von Scooters India stellt das von Brandconcern verfochtene Verständnis des Urteils IP Translator eine Verletzung der Rechtssicherheit und des Schutzes des legitimen Vertrauens der Marktteilnehmer dar, die sich auf den Standpunkt der Markenämter (d. h. nicht allein des EUIPO) verließen, wonach die Aufzählung der Oberbegriffe der Klassenüberschriften eine abgekürzte Bezugnahme auf die Gesamtheit der nach der alphabetischen Liste in ihnen enthaltenen Waren darstelle. Aus denselben Gründen wie das EUIPO ist Scooters India daher der Ansicht, Brandconcern deute das Urteil IP Translator falsch.

2. Prüfung des Rechtsmittelgrundes

43.

Mit dem ersten Rechtsmittelgrund behauptet Brandconcern eine Verletzung von Art. 51 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 durch das angefochtene Urteil. Diese Vorschrift sieht vor, dass die Marke innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren für die Waren oder Dienstleistungen, die sie schützt, ernsthaft benutzt worden sein muss ( 28 ).

44.

Während die Wendung „ernsthafte Benutzung“ ausführlich und detailliert im Urteil Ansul ( 29 ) ausgelegt worden ist und bei diesem Rechtsmittel nicht Gegenstand der Debatte ist, bedarf die Bezugnahme auf die „Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist“ weiterhin der Auslegung.

45.

Im Hinblick darauf, dass es nach Art. 26 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 zur Eintragung eines Zeichens im Register erforderlich ist, dass in der Anmeldung als Unionsmarke die Waren oder Dienstleistungen angegeben werden, die mit ihr geschützt werden sollen, trägt Brandconcern vor, die Beurteilung dieser Anmeldung sei im Einklang mit den Forderungen des Urteils IP Translator vorzunehmen.

46.

Der Streit über die Anwendbarkeit des Urteils IP Translator auf diesen Fall verläuft hauptsächlich in zwei Richtungen: in Bezug auf dessen zeitliche Relevanz und in Bezug auf die Möglichkeit seiner Anwendbarkeit auf den vorliegenden Fall in materieller Hinsicht. Während Brandconcern betont, dass eine Beschränkung der Urteilswirkungen in der Entscheidung selbst fehlt, woraus folge, dass das Gericht seine Anwendbarkeit nicht unter Hinweis auf die Rechtssicherheit ändern könne, hebt das EUIPO hervor, beide Verfahren hätten unterschiedliche Gegenstände, nämlich die durch das Urteil IP Translator entschiedene Rechtssache eine Markenanmeldung und das vorliegende Verfahren eine bereits eingetragene Marke.

a) Zur zeitlichen Beschränkung der Wirkungen von Urteilen des Gerichtshofs

47.

Nach ständiger Rechtsprechung erläutert und verdeutlicht die Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts, die der Gerichtshof in Ausübung seiner Befugnisse aus Art. 267 AEUV vornimmt, in welchem Sinne und mit welcher Tragweite diese Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre. Daraus folgt, dass die Gerichte die Vorschriften in dieser Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse, die vor Erlass des auf das Ersuchen um Auslegung ergangenen Urteils entstanden sind, anwenden können und müssen, wenn alle sonstigen Voraussetzungen für die Anrufung der zuständigen Gerichte in einem die Anwendung dieser Vorschriften betreffenden Streit vorliegen ( 30 ).

48.

Dieselbe Rechtsprechung besagt, dass aufgrund des allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatzes der Rechtssicherheit der Gerichtshof die Möglichkeit, sich auf die Auslegung, die er einer Bestimmung gegeben hat, zu berufen, nur ausnahmsweise beschränken kann, wenn guter Glaube der Betroffenen vorliegt und die Gefahr schwerwiegender Störungen besteht ( 31 ).

49.

Schließlich kann der Gerichtshof nach dieser Rechtsprechung einen Zeitpunkt bestimmen, ab dem die von ihm getroffene Auslegung des Unionsrechts wirksam sein soll, wobei die zeitliche Beschränkung der Wirkungen dieser Auslegung aber ausschließlich im Urteil selbst vorgenommen werden darf. Auf diese Weise wird die Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten und der Einzelnen in Ansehung des Unionsrechts sichergestellt und werden die Anforderungen erfüllt, die sich aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit ergeben ( 32 ).

50.

Insgesamt kann die Lehre von der Beschränkung der Wirkungen eines Urteils des Gerichtshofs wie folgt zusammengefasst werden: a) grundsätzlich haben Urteile des Gerichtshofs Wirkung ex tunc, b) die Beschränkung der Wirkungen der Auslegung einer Vorschrift stellt eine Ausnahme dar, c) der Gerichtshof ist ausschließlich zuständig, um eine Beschränkung dieser Art zu beschließen, und d) eine solche Beschränkung muss ausdrücklich aus dem Urteil hervorgehen, in dem die betreffende Vorschrift ausgelegt wird.

51.

Gewiss enthält das Urteil IP Translator keine zeitliche Beschränkung seiner Wirkungen, so dass auf den ersten Blick die ausgelegte Vorschrift so auch auf rechtliche Situationen anzuwenden ist, die bereits vor der Entscheidung des Gerichtshofs entstanden sind. Allerdings ist auffällig, dass keine Partei jenes Vorabentscheidungsverfahrens (elf Mitgliedstaaten, die Kommission, das EUIPO und die beiden Klägerinnen des Ausgangsverfahrens) eine solche Beschränkung beantragt hatte, was den Gerichtshof dazu verpflichtet hätte, sich für oder gegen diesen Antrag zu entscheiden; so hüllt sich das Urteil diesbezüglich in Schweigen. Aber auch wenn dieses Schweigen Vermutungen über seine Gründe zulässt, möchte ich mich nicht auf ein rein spekulatives und letzten Endes für dieses Rechtsmittel wenig fruchtbares Gebiet begeben.

52.

Es ist vielmehr angebracht, dem Argument des Amtes nachzugehen, das, um die Entscheidung des Gerichts zu stützen, die Auswirkungen des Urteils IP Translator auf diesen Rechtsstreit nuanciert: Während es dort um Markenanmeldungen gegangen sei, stünden hier bereits eingetragene Marken zur Diskussion. Folglich ist zu ermitteln, was der tatsächliche Sinn jenes Urteils war.

b) Zum Urteil IP Translator

53.

Die Rechtssache betraf ( 33 ) eine Anmeldung der Bezeichnung „IP Translator“ als nationale Marke. In dieser Anmeldung wurden die mit ihr zu schützenden Dienstleistungen durch die Verwendung der Oberbegriffe der Überschrift der Klasse 41 des Nizzaer Abkommens, „Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten“, angegeben.

54.

Das Markenamt des Vereinigten Königreichs wies die Anmeldung unter Hinweis auf die nationalen Vorschriften, die Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und c sowie Art. 3 der Richtlinie 2008/95 entsprachen, zurück. Der Mitteilung Nr. 4/03 ( 34 ) folgend, legte es die Anmeldung dahin aus, dass sie sich nicht nur auf die vom Anmelder angegebenen Dienstleistungen beziehe, sondern auch auf alle anderen Dienstleistungen der Klasse 41 einschließlich Übersetzungsleistungen. Dabei kam es zu dem Ergebnis, dass die Bezeichnung „IP Translator“ für die letztgenannten Dienstleistungen keine Unterscheidungskraft besitze und für sie überdies beschreibend sei.

55.

Der Markenanmelder ( 35 ) wandte sich mit einem Rechtsmittel gegen diese Entscheidung mit der Begründung, seine Anmeldung habe die zur Klasse 41 gehörenden Übersetzungsleistungen nicht erwähnt, und diese seien folglich auch nicht mitumfasst. Aus diesem Grund seien die von dem Markenamt gegen die Eintragung erhobenen Einwände unzutreffend; seine Anmeldung sei zu Unrecht zurückgewiesen worden.

56.

In seiner Antwort auf die drei (umformulierten) Vorlagefragen befand daraufhin der Gerichtshof:

Markenanmelder sind verpflichtet, die Waren oder Dienstleistungen, für die Markenschutz beantragt wird, hinreichend klar und eindeutig anzugeben ( 36 );

die Verwendung der Oberbegriffe in den Klassenüberschriften der Klassifikation ist zulässig, solange die Angabe für sich genommen hinreichend klar und eindeutig ist ( 37 );

im selben Sinne hat der Markenanmelder dann, wenn er alle Oberbegriffe einer speziellen Klassenüberschrift verwendet, die Pflicht, klarzustellen, ob der Schutz für alle Waren oder Dienstleistungen in der alphabetischen Liste dieser Klasse oder nur für einzelne Waren oder Dienstleistungen beansprucht wird ( 38 ).

57.

Aus dem Urteil IP Translator ergibt sich für mich zunächst, dass dessen Tenor im Zusammenhang mit dem dort entschiedenen Rechtsstreit zu verstehen ist: Es ging um die Zurückweisung einer Markenanmeldung, die mit einer Auslegung der Art der Dienstleistungen verbunden war, für die der Schutz beansprucht wurde. Insbesondere beschreibt das Urteil, in welcher Weise der Markenanmelder die Verpflichtung erfüllen muss, klar und eindeutig die Liste der Waren oder Dienstleistungen anzugeben, für die er die Eintragung des gewünschten Zeichens beantragt ( 39 ).

58.

Sodann wich der Gerichtshof, obwohl die dritte Vorlagefrage den Streit zwischen den Vertretern der wörtlichen und der umfassenden Auslegung darstellte ( 40 ) und ihn ersuchte, in diese Debatte einzugreifen, diesem Ansinnen elegant aus, indem er seine Antwort auf die Anmeldung beschränkte und das Problem an die Markenämter zurückverwies ( 41 ).

59.

Tatsächlich ergibt sich aus dem Urteil, dass der Gerichtshof in Wirklichkeit für keine der gegensätzlichen Positionen Partei ergriffen hat. Vielmehr hat er es sogar für zulässig erklärt, sich ganz allgemein auf die Klassen zu beziehen, und lediglich hinreichende Klarheit und Eindeutigkeit gefordert, und zwar unabhängig davon, welche Auslegungsmethode angewandt wird. Sicherlich hat diese Lösung größere Auswirkungen auf Systeme, die die umfassende Auslegung anwenden, zumal nach dieser Lösung der Anmelder angeben muss, ob seine Anmeldung alle Waren oder Dienstleistungen der entsprechenden alphabetischen Liste der von ihm angegebenen Klassen betrifft oder nur einige der Waren oder Dienstleistungen, die in dieser Liste enthalten sind ( 42 ). Aber im Tenor des Urteils wurde, wie bereits gesagt, ohne Einschränkung festgestellt, dass der Verwendung der Oberbegriffe nichts im Wege stehe.

60.

Schließlich hat das Urteil IP Translator, auch wenn dies weniger relevant sein mag, keine konkrete Vorschrift der Richtlinie 2008/95 ausgelegt, sondern die Verpflichtung der Markenanmelder zur Klarheit und Eindeutigkeit aus der Gesamtheit der Vorschriften und Erwägungsgründe des gesetzgebenden Rechtsakts gefolgert ( 43 ).

c) Anwendbarkeit auf den vorliegenden Fall

61.

Kann nun das Urteil IP Translator ohne Weiteres auf die Ausgangssituation des vorliegenden Rechtsstreits erstreckt werden? In Anbetracht der Argumente, die ich gleich ausführen werde, teile ich die Skepsis des EUIPO in dieser Hinsicht.

62.

Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass die Rechtssache IP Translator die Anmeldung eines Zeichens zum Gegenstand hatte, mit dem bestimmte Dienstleistungen geschützt werden sollten. In dieser Phase des Eintragungsverfahrens hat der Gerichtshof vom Anmelder Klarheit und Eindeutigkeit gefordert, um die Anwendung anderer Vorschriften der entsprechenden Regelung zu ermöglichen, etwa diejenigen über die absoluten und relativen Eintragungshindernisse, die später auch als Gründe für die Nichtigkeit der Marke angeführt werden können ( 44 ).

63.

Diese Forderung ( 45 ) betrifft in erster Linie den Anmelder. Im Urteil IP Translator sind die Forderungen an die Markenämter etwas schwächer formuliert. Diese nationalen Institutionen („die zuständigen Behörden“) werden angesprochen, um entweder das Verhältnis zwischen der Forderung nach Klarheit und Eindeutigkeit und nach der Erfüllung der Verpflichtungen der Behörden bei der vorherigen Prüfung dieser Anmeldungen darzustellen ( 46 ), oder aber – im gleichen Sinne –, um sie nochmals auf ihre Verantwortung bei der Einzelfallprüfung hinzuweisen, ob die Oberbegriffe in den Klassenüberschriften der Forderung nach Klarheit und Eindeutigkeit gerecht werden ( 47 ). Im Tenor des Urteils bleiben diese Forderungen indessen unerwähnt.

64.

Vor diesem Hintergrund erhält sogar Rn. 60 des Urteils ( 48 ), in der der in der Mitteilung Nr. 4/03 dargestellten Praxis des EUIPO (die auf der umfassenden Auslegung basiert) scheinbar eine Absage erteilt wird, einen Sinn, der mir kohärenter im Verhältnis zum übrigen Urteilsinhalt erscheint: In der Zusammenschau mit Rn. 61 zeigt die Beanstandung ihre tatsächliche Bedeutung, nämlich die, darauf hinzuweisen, dass diese Vorgehensweise eine Gefahr für die Forderung nach Klarheit und Eindeutigkeit in sich birgt, die für den Markenanmelder besteht. Denn anderenfalls kennen bei der Nennung aller Oberbegriffe einer Klassenüberschrift weder der Anmelder noch die weiteren Wirtschaftsbeteiligten mit Sicherheit den Umfang des Schutzes, der sich aus der Verwendung der Oberbegriffe ergibt.

65.

Das Risiko des umfassenden Ansatzes bzw. der umfassenden Auslegung hat seine Wurzel darin, dass die Anmelder es an der Erfüllung ihrer Verpflichtung, klar und eindeutig die Waren und Dienstleistungen anzugeben, für die der Schutz beantragt wird, fehlen lassen könnten. Es geht somit darum, sicherzustellen, dass man die Verpflichtungen des Anmelders nicht durch eine laxe Verwaltungspraxis leerlaufen lässt. Im Urteilskontext ist dieses Ziel indessen als eine Ermahnung zu verstehen, bei der vorherigen Prüfung keine Anmeldungen zu akzeptieren, die aufgrund ihrer Vagheit der Forderung nach Klarheit und Eindeutigkeit bei der Bestimmung der Waren und Dienstleistungen nicht entsprechen. Dies ist meines Erachtens der Sinn von Rn. 62 des Urteils IP Translator.

66.

Der Unterschied zwischen dem Sachverhalt der Rechtssache IP Translator und dem Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache (dort ging es um eine Markenanmeldung, hier um eine bereits eingetragene Marke) steht meines Erachtens einer Übertragung der Leitlinien dieses Urteils auf das vorliegende Rechtsmittelverfahren entgegen, was letztlich zur Folge hat, dass der erste Rechtsmittelgrund von Brandconcern zurückzuweisen ist.

67.

Dieses Ergebnis kann nicht überraschen, da die Anmeldung in einer Phase des Eintragungsverfahrens erfolgt, in der noch Berichtigungen oder Änderungen möglich sind, wie sich aus Art. 43 der Verordnung Nr. 207/2009 ergibt. Das Urteil IP Translator verstärkt die Verpflichtung der nationalen Markenämter, in der Prüfungsphase darüber zu wachen, dass die Prüfung von Anmeldungen umfassend und streng durchgeführt wird, um eine rechtswidrige Eintragung von Marken zu verhindern ( 49 ). Da ihre Aufgabe darin besteht, ein zweckdienliches und genaues Register zu führen ( 50 ), ist es nur folgerichtig, dass der Tenor von IP Translator sie indirekt dazu zwingt, zu überprüfen, ob die Wirtschaftsteilnehmer Anmeldungen vorlegen, die dem Erfordernis der Klarheit und Eindeutigkeit entsprechen.

68.

Ist die Marke dagegen bereits registriert, so findet die Auslegung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses in einem anderen Regelungsrahmen statt, zu dem insbesondere das Änderungsverbot in Art. 48 der Verordnung Nr. 207/2009 gehört. Damit passen die Leitlinien des Urteils IP Translator kaum zur Rolle der Markenämter in diesem – einem anderen – Stadium. Gerade die Unterscheidung zwischen diesen beiden Zeitpunkten vermag auch das Fehlen einer Beschränkung der Wirkungen des Urteils IP Translator zu erklären: Es ist nicht dasselbe, die in einer Anmeldung enthaltene Liste von Waren und Dienstleistungen auszulegen, die noch geändert werden kann, oder das Warenverzeichnis einer bereits eingetragenen Marke, das definitionsgemäß feststeht und praktisch unveränderlich ist.

d) Weitere Folgerungen

69.

Nimmt man damit an, dass die Argumentation des Amtes zur Frage der Erstreckung des Urteils IT Translator auf die Auslegung des Verzeichnisses der Waren und Dienstleistungen von bereits registrierten Marken zutreffend ist, weil sich jenes Urteil mit den Verpflichtungen eines Wirtschaftsteilnehmers beschäftigt, der eine Markenanmeldung einreicht, so verliert das Hauptargument von Brandconcern im Rahmen ihres ersten Rechtsmittelgrundes an Gewicht.

70.

Der Vorwurf der Rechtsmittelführerin beruht in Wirklichkeit auf einer nicht angemessenen Lesart des angefochtenen Urteils, da dieses die zeitlichen Wirkungen des Urteils IP Translator trotz des Verweises (Rn. 24) auf die ständige Rechtsprechung in diesem Bereich und auf die Tatsache, dass in diesem Urteil die zeitlichen Wirkungen keine Erwähnung finden, nicht beschränkt. Das Gericht untersuchte lediglich, ob das Amt seine Mitteilung Nr. 4/03 auf eine bereits vor dem 21. Juni 2012 eingetragene Marke anwenden durfte, was bei der Prüfung, ob Ersatzteile in Klasse 12 enthalten sind, obwohl sie nicht ausdrücklich genannt werden, der umfassenden Auslegung entsprach. Diese Prüfung war auch eine notwendige Vorbedingung für die Klärung der Frage, ob die Beschwerdekammer die von Scooters India beigebrachten Beweise über die ernsthafte Benutzung der Marke für diese Ersatzteile hätte prüfen müssen.

71.

In diesem Zusammenhang prüft das angefochtene Urteil ( 51 ) auch die Mitteilung Nr. 2/12, die es als „Anwendung des Grundsatzes der Rechtssicherheit“ bezeichnet, da das EUIPO erläutern musste, wie es den Schutzbereich der vor dem 21. Juni 2012 eingetragenen Unionsmarken, in denen Oberbegriffe der Klassenüberschriften nach dem Abkommen von Nizza verwendet werden, auslegen würde.

72.

Danach weist das Urteil in den Rn. 28 bis 34 das Vorbringen zurück, dass Scooters India sich nicht auf den Schutz berechtigten Vertrauens berufen könne, da die Mitteilung Nr. 4/03 erst nach seiner Anmeldung erging. Für das Gericht hatte diese Mitteilung die Funktion, die bis dahin vom EUIPO geübte Praxis zu erläutern und zu bestätigen. Deshalb war sie auch zur Auslegung der Liste von Waren heranzuziehen, für die Scooters India im Jahr 2002 die Marke Lambretta hatte eintragen lassen.

73.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass das angefochtene Urteil von einer Unterscheidung zwischen Markenanmeldungen und bereits geschützten Marken ausgeht, ohne jedoch die zeitlichen Wirkungen des Urteils IP Translator beschränken zu wollen. Aufgrund der oben unter b der Prüfung dieses ersten Rechtsmittelgrundes vorgeschlagenen Auslegung des Urteils IP Translator ist dem Gericht mithin keine Verletzung der in diesem Urteil aufgestellten Forderungen vorzuwerfen.

74.

Das EUIPO durfte folglich aus Gründen der Rechtssicherheit als einem der Rechtsordnung der Union innewohnenden Grundsatz die umfassende Auslegung anwenden und den Willen von Scooters India bei der Vorlage seiner Anmeldung prüfen. Damit hat das Gericht keinen Rechtsfehler begangen, und zwar weder, soweit es entschied, dass das Amt die umfassende Auslegung für vor dem 21. Juni 2012 eingetragene Marken verwenden könne, noch soweit es beanstandete, dass die Beschwerdekammer die ernsthafte Benutzung der Marke Lambretta durch Scooters India für Ersatzteile hätte prüfen müssen.

75.

Schließlich noch eine letzte Überlegung: Mit dem neuen Art. 28 Abs. 8 der Verordnung Nr. 207/2009 ( 52 ) wollte der Unionsgesetzgeber die Mängel des Systems korrigieren, indem er Inhabern von vor dem 22. Juni 2012 eingetragenen Marken die Möglichkeit gab, bis zum 24. September 2016 ihre Absicht am Tag der Anmeldung in Bezug auf die in der Klassenüberschrift genannten Waren und Dienstleistungen klarzustellen. Er gibt ihnen somit die Möglichkeit, sich der umfassenden Auslegung zu bedienen, um Zweifel hinsichtlich der Reichweite des materiellen Schutzes (Waren und Dienstleistungen) ihrer gewerblichen Schutzrechte zu klären. Trotz des unterschiedlichen normativen Rangs beider Instrumente ist dies dasselbe, was das Amt durch die Mitteilung Nr. 2/12 zu erreichen suchte.

76.

Es wäre daher paradox, wenn das Urteil des Gerichts, das demselben Ansatz folgt wie der Gesetzgeber, auf Antrag von Brandconcern aufgehoben würde, zumal Scooters India auch immer noch Gelegenheit hätte, beim EUIPO „ihre Absicht klarzustellen“, um zu bestätigen, dass es sich um die vom Gericht angenommene handelte. Des Weiteren sei darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber auch das Urteil IP Translator dadurch berücksichtigte, dass er sein Eingreifen auf vor dessen Verkündung eingetragene Marken beschränkte.

77.

Insgesamt ist der erste Rechtsmittelgrund von Brandconcern zu verwerfen, da eine Verletzung von Art. 51 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 nicht nachgewiesen worden ist.

B – Zum zweiten Rechtsmittelgrund (Verstoß gegen die Begründungspflicht wegen fehlender Kongruenz)

78.

Die Zurückweisung des ersten Rechtsmittelgrundes verpflichtet zur Prüfung des zweiten, von Brandconcern hilfsweise geltend gemachten Rechtsmittelgrundes.

1. Vortrag der Parteien

79.

Brandconcern behauptet, das angefochtene Urteil leide an einem „Verfahrensfehler“ ( 53 ), der zu einer Entscheidung ultra petita ( 54 ) führe, da das Gericht die angefochtene Entscheidung insgesamt aufgehoben habe, obwohl es festgestellt habe, dass Scooters India die Marke für Waren aus der Liste der Klasse 12 nicht benutzt habe. Nach Auffassung der Rechtsmittelführerin hätte das angefochtene Urteil diese Entscheidung hinsichtlich der Waren „Fahrzeuge; Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft und auf dem Wasser“ bestätigen müssen und sie lediglich insoweit aufheben dürfen, als sie die Benutzung der Marke für Waren der Klasse 12, nämlich Ersatzteile, nicht geprüft habe.

80.

Das EUIPO ist der Auffassung, dieser Rechtsmittelgrund sei unzulässig, da Brandconcern die Randnummern des angefochtenen Urteils, in denen festgestellt werde, dass die Marke Lambretta nicht ernsthaft für Fahrzeuge, Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft und auf dem Wasser genutzt worden sei, nicht angegeben habe. Da die Gesellschaft auch die Rechtsgrundlage nicht angegeben habe, auf die sich dieser Rechtsmittelgrund stütze, seien die Voraussetzungen der Art. 21 und 53 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs für die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht gegeben.

81.

Was die Entscheidung in der Sache betrifft, trägt das Amt vor, das Gericht habe die angefochtene Entscheidung zu Recht aufgehoben und die Sache zur Überprüfung der ernsthaften Benutzung der Marke für eine Unterkategorie von Waren an die Beschwerdekammer zurückverwiesen.

82.

Scooters India vertritt ebenso wie das Amt die Ansicht, dass dieser zweite Rechtsfehler nicht vorliege und dass dieser in Wirklichkeit vom ersten nicht verschieden sei.

2. Prüfung des Rechtsmittelgrundes

a) Zur Unzulässigkeit

83.

Anders als das Amt bin ich der Meinung, dass die wesentlichen Angaben gemäß Art. 21 in Verbindung mit Art. 53 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs, die in Art. 168 seiner Verfahrensordnung spezifiziert werden, nicht fehlen. Auch wenn diese Elemente nicht mit aller Klarheit herausgearbeitet sind und auch nicht konkret angegeben worden ist, welche Art von Verfahrensfehler das Urteil aufweisen soll, glaube ich doch, dass die Rüge von Brandconcern, das Gericht habe in seinem Urteil mehr zugesprochen, als von der Rechtsmittelführerin beantragt worden sei, zumindest zulässig ist.

84.

Mit diesem zweiten Rechtsmittelgrund vertritt Brandconcern die These, dass es im Rechtsstreit vor dem Gericht lediglich um Ersatzteile (und die Benutzung der Marke für diese) gegangen sei und hieraus vernünftigerweise zu folgern sei, dass die Feststellungen des EUIPO zum Nachweis der ernsthaften Benutzung der Marke für Fahrzeuge und Beförderungsapparate von der Aufhebung auszunehmen gewesen seien, was der Aufhebung der gesamten angefochtenen Entscheidung durch das angefochtene Urteil entgegengestanden hätte.

85.

Dieser Vorwurf beinhaltet letztlich die Rüge einer Unstimmigkeit in der Entscheidung des Gerichts, das über den Antrag hinaus entschieden habe ( 55 ). Dies führt zur Zulässigkeit des zweiten Rechtsmittelgrundes.

b) Zur inhaltlichen Prüfung

86.

Aus meiner Sicht kann auch dem zweiten Rechtsmittelgrund nicht stattgegeben werden, da der gerügte Verfahrensfehler des Gerichts nicht vorliegt.

87.

Scooters India hatte beim Gericht beantragt, die „angefochtene Entscheidung insoweit aufzuheben, als die Beschwerdekammer [ihre] Anfechtung hinsichtlich der Waren der Klasse 12 zurückgewiesen“ hatte ( 56 ), ohne zwischen diesen Waren weiter zu differenzieren. Das Gericht geht in seinem Urteil jedoch nicht über den Antrag hinaus, wenn es diesem genauso stattgibt, wie er formuliert ist.

88.

Außerdem gehört Rn. 44 des Urteils, auf das sich dieser Rechtsmittelgrund bezieht, nicht zu den tragenden Entscheidungsgründen, so dass es folglich am relevanten Einfluss auf den Tenor fehlt. Die Gründe, die zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen, finden sich in den vorhergehenden Passagen des Urteils ( 57 ). In Rn. 44 beschränkt sich das Gericht darauf, in fast pädagogischem Duktus der Beschwerdekammer zu erklären, welche Art von Überprüfung sie „sinnvollerweise“ durchführen müsse. Auch Rn. 43, in der es die Beschwerdekammer dazu anhält, sich an die im Urteil Ansul ( 58 ) gegebene Leitlinie zu halten, unterstreicht diesen didaktischen Ton.

89.

Nach Art. 266 AEUV hat das Organ, dem die für nichtig erklärte Handlung zur Last fällt, „die sich aus dem Urteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen“. Hierzu sind nicht nur der Tenor des Urteils zu beachten, sondern auch die Gründe, die zu diesem geführt haben und die ihn in dem Sinne tragen, dass sie zur Bestimmung der genauen Bedeutung des Tenors unerlässlich sind. Diese Gründe benennen zum einen exakt die Handlung, die als rechtswidrig angesehen wird, und lassen zum anderen die spezifischen Gründe der im Tenor festgestellten Rechtswidrigkeit erkennen, die das betroffene Organ bei der Ersetzung des für nichtig erklärten Aktes zu beachten hat ( 59 ).

90.

Damit kann das Gericht dem betroffenen Organ nicht die Maßnahmen aufzeigen, die dieses zu ergreifen hat ( 60 ), was es allerdings nicht daran hindert, bestimmte Hinweise für das weitere Vorgehen zu geben. Allerdings haben solche Hinweise, wie auch diejenigen in Rn. 44 des angefochtenen Urteils, nur rein didaktischen Wert.

91.

Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs das Verfahren zur Ersetzung der aufgehobenen Handlung an genau dem Punkt wiederaufgenommen werden kann, an dem die Rechtswidrigkeit eingesetzt hat, und dass die Aufhebung eines Rechtsakts der Gemeinschaft nicht notwendig die vorbereitenden Handlungen berührt ( 61 ). Folglich kann die Beschwerdekammer ohne Weiteres die hinsichtlich der Waren der Klasse 12 aufgenommenen Beweise übernehmen, wenn sie dies für angebracht hält.

92.

Demnach ist auch der zweite Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

VI – Kosten

93.

Nach Art. 138 Abs. 1 und 184 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die Partei, deren Anträge im Rechtsmittelverfahren zurückgewiesen worden sind, auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da ich dem Gerichtshof vorschlage, das Rechtsmittel zurückzuweisen, und das EUIPO und Scooters India entsprechende Anträge gestellt haben, hat Brandconcern die Kosten zu tragen, die diesen beiden Parteien im Rechtsmittelverfahren entstanden sind.

VII – Ergebnis

94.

Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt zu entscheiden:

1.

Das Rechtsmittel der Brandconcern BV gegen das Urteil des Gerichts vom 30. September 2014 in der Rechtssache T‑51/12, Scooters India/HABM – Brandconcern (LAMBRETTA), wird zurückgewiesen.

2.

Die Brandconcern BV wird zur Tragung der Kosten des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum und der Scooters India Ltd verurteilt.


( 1 ) Originalsprache: Spanisch.

( 2 ) Die Anfangsbuchstaben seiner englischen Bezeichnung (European Union Intellectual Property Office) werden auch in allen anderen Sprachen verwendet.

( 3 ) Abkommen von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957, geändert am 28. September 1979 (Recueil des traités des Nations unies, Bd. 1154, Nr. I‑18200, S. 89; im Folgenden: Nizza-Klassifikation oder Klassifikation).

( 4 ) Urteil vom 19. Juni 2012 (C‑307/10, EU:C:2012:361). Das Urteil wird allgemein nach dem dort in Rede stehenden Zeichen IP Translator benannt.

( 5 ) Zum Urteil IP Translator siehe Nrn. 53 ff.

( 6 ) Rechtssache T‑51/12, nicht veröffentlicht (EU:T:2014:844).

( 7 ) Verordnung Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1).

( 8 ) Verordnung 2015/2424 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates über die Gemeinschaftsmarke und der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2869/95 der Kommission über die an das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) zu entrichtenden Gebühren (ABl. 2015, L 341, S. 21).

( 9 ) [Betrifft nur die spanische Originalfassung.]

( 10 ) Verordnung Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1995, L 303, S. 1) in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 355/2009 der Kommission vom 31. März 2009 (ABl. 2009, L 109, S. 3) geänderten Fassung.

( 11 ) Mitteilung Nr. 4/03 des Präsidenten des Amtes vom 16. Juni 2003 über die Verwendung von Klassenüberschriften in Verzeichnissen der Waren und Dienstleistungen für Gemeinschaftsmarkenanmeldungen und -eintragungen.

( 12 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 2008, L 299, S. 25).

( 13 ) Vgl. die Mitteilung Nr. 2/12 des Präsidenten des EUIPO vom 20. Juni 2012 mit dem gleichen Titel wie die vorhergehende Mitteilung Nr. 4/03, die von ihr aufgehoben und ersetzt wurde. Die Aufhebung der Mitteilung Nr. 2/12 wird sukzessive erfolgen: Ein Teil ist bereits seit dem 23. März 2016 aufgehoben, und der restliche Teil wird am 25. September dieses Jahres aufgehoben werden. Stattdessen wird dann die Mitteilung Nr. 1/2016 des Präsidenten des Amtes vom 8. Februar 2016 zur Umsetzung von Artikel 28 der Unionsmarkenverordnung gelten.

( 14 ) In ihrer Rechtsmittelbeantwortung behauptet Scooters India, für die Anmeldung sei der Zeitrang von fünf eingetragenen Marken im Vereinigten Königreich, insbesondere der Marke Nr. 874581 für Motorfahrzeuge, Kleinlaster, Fahrräder und deren Zubehör in der Klasse 12, sowie einer eingetragenen Marke in Italien in Anspruch genommen worden.

( 15 ) Aus Rn. 7 des angefochtenen Urteils geht hervor, dass Scooters India ihren Nichtigkeitsantrag hinsichtlich der weiteren Warenklassen zurückgenommen hat.

( 16 ) Verordnung Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1), jetzt Art. 51 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009.

( 17 ) Am selben Datum hat die Beschwerdekammer auch eine Beschwerde von Brandconcern gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung zurückgewiesen.

( 18 ) Rn. 18 ff. des angefochtenen Urteils.

( 19 ) Zur Bezeichnung dieser beiden Ansätze werden oft die englischen Wendungen „class-heading-covers-all-approach“ für die umfassende Auslegung und „class-heading-means-what-it-says-approach“ für die wörtliche Auslegung verwendet. Vgl. z. B. Kramer, F., „§ 32“ in Ekey/Bender/Fuchs-Wissemann (Hrsg.), Markenrecht (Bd. I), 3. Aufl., C. F. Müller Verlag, 2015, S. 65, Nr. 649.

( 20 ) Es zitierte konkret dessen Rn. 56, nach der die Richtlinie 2008/95 der Verwendung der Oberbegriffe, die in den Klassenüberschriften der Nizzaer Klassifikation enthalten sind, zur Angabe der Waren und Dienstleistungen, für die Markenschutz beantragt wird, nicht entgegensteht, sofern diese Angabe so klar und eindeutig ist, dass die zuständigen Behörden und die Wirtschaftsteilnehmer den Umfang des beantragten Schutzes bestimmen können.

( 21 ) Rn. 61 des Urteils IP Translator.

( 22 ) Rn. 27 bis 34 des angefochtenen Urteils.

( 23 ) Rn. 35 bis 38 des angefochtenen Urteils.

( 24 ) Urteil vom 11. März 2003, Ansul (C‑40/01, EU:C:2003:145, insbesondere Rn. 40 bis 43).

( 25 ) Vgl. die vorstehende Fußnote sowie Rn. 44 des angefochtenen Urteils.

( 26 ) Obwohl die Rechtsmittelführerin vorab einiges zur Benutzung der Marke Lambretta für Ersatzteile durch Scooters India vorgebracht hat, wird hierauf nicht eingegangen, da die Erheblichkeit dieser Frage für die Entscheidung über den ersten Rechtsmittelgrund nicht ersichtlich ist.

( 27 ) Vgl. Rn. 34 des angefochtenen Urteils.

( 28 ) Urteil vom 11. März 2003, Ansul (C‑40/01, EU:C:2003:145, Rn. 37).

( 29 ) Ebd., Rn. 36 bis 42.

( 30 ) Urteil vom 23. Oktober 2012, Nelson u. a. (C‑581/10 und C‑629/10, EU:C:2012:657, Rn. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 31 ) Urteile vom 14. April 2015, Manea (C‑76/14, EU:C:2015:216, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung) (ablehnend), und vom 28. April 2016, Borealis Polyolefine u. a. (C‑191/14, C‑192/14, C‑295/14, C‑389/14 und C‑391/14 bis C‑393/14, EU:C:2016:311, Rn. 103) (stattgebend).

( 32 ) Urteile vom 23. Oktober 2012, Nelson u. a. (C‑581/10 und C‑629/10, EU:C:2012:657, Rn. 90 und 91), sowie vom 6. März 2007, Meilicke u. a. (C‑292/04, EU:C:2007:132, Rn. 37).

( 33 ) Mehr Einzelheiten siehe unter Rn. 22 bis 29 des Urteils, in denen der Sachverhalt jener Rechtssache zusammengefasst ist.

( 34 ) In Rn. 33 des Urteils wird festgestellt, dass das Amt sich in außergewöhnlicher und einzigartiger Weise von seiner üblichen Praxis entfernt habe, in der es die wörtliche Auslegung anwende.

( 35 ) Das Chartered Institute of Patent Attorneys (Patentanwaltskammer, CIPA).

( 36 ) Rn. 38 bis 49 des Urteils IP Translator.

( 37 ) Rn. 50 bis 56 des Urteils IP Translator.

( 38 ) Rn. 57 bis 63 des Urteils IP Translator.

( 39 ) Im Fall der Unionsmarke findet sich diese Verpflichtung in Art. 26 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 sowie in Regel 2 der Durchführungsverordnung. Das Urteil IP Translator legte die Richtlinie 2008/95 aus, die keine ähnliche Vorschrift enthält.

( 40 ) Deren Wortlaut war folgender: „Ist es … erforderlich oder zulässig, eine solche Verwendung der Oberbegriffe der Klassenüberschriften der Nizzaer Klassifikation entsprechend der Mitteilung Nr. 4/03 auszulegen?“, wobei davon auszugehen ist, dass diese Mitteilung ein Modell der umfassenden Auslegung darstellte.

( 41 ) In dieser Einschätzung stimme ich mit Pohlmann, A., „The Interpretation of the Nice Class headings in the European Union, or the Art of One Hand Clapping“, The Trademark Reporter, Bd. 15, Nr. 4, INTA, Juli-August 2015, S. 815 ff., insbesondere S. 828, überein.

( 42 ) Rn. 61 des Urteils.

( 43 ) Vgl. insbesondere Rn. 38 und 42 des Urteils.

( 44 ) Rn. 45 in Zusammenschau mit Rn. 43 und 44.

( 45 ) Diese Forderung zieht sich durch das gesamte Urteil und findet sich sowohl im Bereich der zweiten Vorlagefrage (bei der sie für Fälle aufgestellt wird, in denen der Antragsteller die Waren und Dienstleistungen angibt, die er mit der Bezugnahme auf die Klassifikation schützen will) wie auch im Bereich der dritten Frage (wo verlangt wird, dass der Anmelder in diesen Fällen klarstellt, ob er sich auf alle oder nur auf einige der Waren und Dienstleistungen der alphabetischen Liste der bezeichneten Klasse beziehen will). Vgl. hierzu Rn. 53 und 61 des Urteils.

( 46 ) Rn. 47 des Urteils.

( 47 ) Rn. 55 des Urteils.

( 48 ) Sie hat folgenden Wortlaut: „[Es] bestünde die Gefahr einer Beeinträchtigung der Rechtssicherheit sowohl für den Anmelder als auch für dritte Wirtschaftsteilnehmer, wenn der Markenschutz davon abhinge, welcher Betrachtungsweise die zuständige Behörde folgt, und nicht vom tatsächlichen Willen des Anmelders.“

( 49 ) Urteil vom 10. März 2011, Agencja Wydawnicza Technopol (C‑51/10 P, EU:C:2011:139, Rn. 77).

( 50 ) Urteil vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie (C‑49/02, EU:2004:384, Rn. 29).

( 51 ) Rn. 27.

( 52 ) Vgl. Nr. 6 dieser Schlussanträge.

( 53 ) Nr. 99 der Rechtsmittelschrift.

( 54 ) Ich gestehe, zu diesem Schluss erst gelangt zu sein, nachdem ich den zweiten Rechtsmittelgrund, dessen Gedankengang recht konstruiert wirkt, zugunsten der Rechtsmittelführerin ausgelegt und ihr in der mündlichen Verhandlung eine entsprechende Frage gestellt habe.

( 55 ) Der Prozessbevollmächtigte von Brandconcern hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, der „Verfahrensfehler“ könne als eine Entscheidung ultra petita bezeichnet werden. Ein solcher Fehler kann im Rechtsmittelverfahren ohne Weiteres vorgetragen werden, vgl. etwa Urteil vom 10. April 2014, Kommission/Siemens Österreich u. a. und Siemens Transmission & Distribution u. a./Kommission (C‑231/11 P bis C‑233/11 P, EU:C:2014:256, Rn. 115 ff.).

( 56 ) So geht der Antrag aus Rn. 7 des angefochtenen Urteils hervor.

( 57 ) In diesem Sinne auch Urteil vom 12. Juli 2001, Kommission und Frankreich/TF1 (C‑302/99 P und C‑308/99 P; EU:C:2001:408, Rn. 26 bis 29).

( 58 ) Urteil vom 11. März 2003, C‑40/01, EU:C:2003:145.

( 59 ) Urteile vom 26. April 1988, Asteris/Kommission (97/86, EU:C:1988:199, Rn. 27), und vom 6. März 2003, Interporc/Kommission (C‑41/00 P, EU:C:2003:125, Rn. 29).

( 60 ) Urteil vom 25. Mai 1993, Foyer culturel du Sart-Tilman/Kommission (C‑199/91, EU:C:1993:205, Rn. 17).

( 61 ) Siehe Urteil vom 12. November 1998, Spanien/Kommission (C‑415/96, EU:C:1998:533, Rn. 31 und 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).