URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)
30. Juni 2016 ( *1 )
„Vorlage zur Vorabentscheidung — Charta der Grundrechte der Europäischen Union — Art. 47 — Recht auf Zugang zu einem Gericht — Grundsatz der Waffengleichheit — Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität — Zwangsvollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung, mit der die Erstattung einer unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Steuer angeordnet wird — Befreiung der Behörden von bestimmten Gerichtsgebühren — Zuständigkeit des Gerichtshofs“
In der Rechtssache C‑205/15
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Judecătoria Sibiu (Amtsgericht Sibiu, Rumänien) mit Entscheidung vom 17. Februar 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 30. April 2015, in dem Verfahren
Direcția Generală Regională a Finanțelor Publice Brașov
gegen
Vasile Toma,
Biroul Executorului Judecătoresc Horațiu-Vasile Cruduleci
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič (Berichterstatter), der Richterin C. Toader, des Richters A. Rosas, der Richterin A. Prechal und des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: A. Calot Escobar,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
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von Herrn Toma, vertreten durch D. Târşia, avocat, |
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der rumänischen Regierung, vertreten durch R. H. Radu, R. Mangu und M. Bejenar als Bevollmächtigte, |
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der spanischen Regierung, vertreten durch M. García-Valdecasas Dorrego als Bevollmächtigte, |
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der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues, F.‑X. Bréchot und D. Colas als Bevollmächtigte, |
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der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten, |
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der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Nicolae und H. Krämer als Bevollmächtigte, |
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
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Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 20, 21 und 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) sowie von Art. 4 Abs. 3 EUV. |
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Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Direcția Generală Regională a Finanțelor Publice Brașov (Regionale Generaldirektion für öffentliche Finanzen Brașov, Rumänien), vertreten durch die Administrația județeană a finanțelor publice Sibiu (Regionalverwaltung für öffentliche Finanzen Sibiu, Rumänien, im Folgenden: Finanzverwaltung) einerseits sowie Herrn Vasile Toma und dem Biroul Executorului Judecătoresc Horațiu-Vasile Cruduleci (Gerichtsvollzieherkanzlei Horațiu-Vasile Cruduleci) andererseits wegen der Zwangsvollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung, mit der die Erstattung einer bei der Erstzulassung eines Kraftfahrzeugs in Rumänien erhobenen Steuer angeordnet wurde. |
Rumänisches Recht
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Art. 16 („Gleichberechtigung“) der Constituția României (rumänische Verfassung) sieht in Abs. 1 vor: „Alle Bürger sind vor dem Gesetz und den Behörden gleich, ohne Sonderrechte und ohne Diskriminierung.“ |
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Mit der am 1. Juli 2008 in Kraft getretenen Ordonanță de urgență a Guvernului nr. 50 pentru instituirea taxei pe poluare pentru autovehicule (Dringlichkeitsverordnung Nr. 50 der Regierung zur Einführung einer Umweltsteuer für Kraftfahrzeuge) vom 21. April 2008 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 327 vom 25. April 2008, im Folgenden: OUG Nr. 50/2008) war eine Umweltsteuer für Kraftfahrzeuge der Kategorien M1 bis M3 und N1 bis N3 eingeführt worden. Die Pflicht zur Zahlung dieser Steuer entstand u. a. bei der Erstzulassung eines Kraftfahrzeugs in Rumänien. |
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Art. 1 der Ordonanţa de Urgenţă a Guvernului nr. 80 privind taxele judiciare de timbru (Dringlichkeitsverordnung Nr. 80 der Regierung über die gerichtlichen Stempelsteuern) vom 26. Juni 2013 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 392 vom 29. Juni 2013, im Folgenden: OUG Nr. 80/2013) bestimmt: „(1) Klagen und Anträge bei den Gerichten und Anträge an das Justizministerium und an die Staatsanwaltschaft beim Obersten Gerichts- und Kassationshof unterliegen der Zahlung der in der vorliegenden Dringlichkeitsverordnung vorgesehenen gerichtlichen Stempelsteuern. (2) Gerichtliche Stempelsteuern werden gemäß den Bedingungen der vorliegenden Dringlichkeitsverordnung von allen natürlichen und juristischen Personen geschuldet und stellen die Zahlung für die Dienste dar, die von den Gerichten, vom Justizministerium und von der Staatsanwaltschaft beim Obersten Gerichts- und Kassationshof erbracht werden. (3) In den gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Fällen sind Klagen und Anträge bei den Gerichten sowie Anträge an das Justizministerium und an die Staatsanwaltschaft beim Obersten Gerichts- und Kassationshof von den Stempelsteuern befreit.“ |
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Art. 2 dieser Verordnung sieht vor: „Die gerichtlichen Stempelsteuern werden in unterschiedlicher Weise festgesetzt, je nachdem, ob sich ihr Gegenstand mit Geld bewerten lässt oder nicht, mit den gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen.“ |
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Art. 30 dieser Verordnung lautet: „(1) Klagen und Anträge – einschließlich der Rechtsbehelfe –, die im Einklang mit dem Gesetz vom Senat, von der Abgeordnetenkammer, von der rumänischen Präsidentschaft, von der rumänischen Regierung, vom Verfassungsgericht, vom Rechnungshof, vom Gesetzgebungsrat, vom Bürgerbeauftragten, von der Staatsanwaltschaft, vom Ministerium für öffentliche Finanzen und von anderen öffentlichen Einrichtungen, ungeachtet ihrer prozessualen Stellung, erhoben bzw. gestellt werden, sind unabhängig von ihrem Gegenstand von der gerichtlichen Stempelsteuer befreit, wenn sie öffentliche Einnahmen betreffen. (2) Im Sinne der vorliegenden Dringlichkeitsverordnung umfasst die Kategorie der öffentlichen Einnahmen die Einnahmen des Staatshaushalts, des Haushalts der staatlichen Sozialversicherung, der lokalen Haushalte, der Haushalte der Spezialfonds einschließlich des Krankenversicherungsfonds, des Haushalts der Staatskasse, die Einnahmen aus der Rückzahlung externer Darlehen und aus Zinsen und Provisionen über die Staatskasse sowie die Haushaltseinnahmen der öffentlichen Einrichtungen, die ganz oder teilweise durch den Staatshaushalt, die lokalen Haushalte, den Haushalt der staatlichen Sozialversicherung und die Haushalte der Spezialfonds finanziert werden, und gegebenenfalls die aus externen, vom Staat aufgenommenen oder durch ihn garantierten Darlehen stammenden Fondshaushaltseinnahmen, deren Rückzahlung, Zinsen und sonstige Kosten durch öffentliche Fonds gewährleistet werden, sowie die Haushaltseinnahmen nicht rückzahlbarer externer Fonds.“ |
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Die Ordonanţa de Urgenţă nr. 92 privind Codul de procedură fiscală (Dringlichkeitsverordnung Nr. 92 über die Steuerverfahrensordnung) vom 24. Dezember 2003 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 941 vom 29. Dezember 2003, neu veröffentlicht im Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 513 vom 31. Juli 2007) in ihrer auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Steuerverfahrensordnung) bestimmt in Art. 21 („Steuerforderungen“): „(1) Steuerforderungen stellen Vermögensrechte dar, die sich gemäß dem Gesetz aus den materiellen Steuerrechtsverhältnissen ergeben. (2) Die in Absatz 1 vorgesehenen Rechtsverhältnisse bestimmen sowohl den Inhalt als auch die Höhe der Steuerforderungen, die bestimmte Rechte darstellen und aus Folgendem bestehen:
… (4) Soweit festgestellt wird, dass die Zahlung der Beträge, die Steuern, Abgaben, Beiträge und sonstige Einnahmen des konsolidierten allgemeinen Haushalts darstellen, rechtsgrundlos erfolgt ist, hat die Person, die die Zahlung vorgenommen hat, Anspruch auf Erstattung des betreffenden Betrags.“ |
9 |
Art. 229 („Befreiung der Steuerbehörden von der Steuerzahlung“) der Steuerverfahrensordnung lautet: „Steuerbehörden sind hinsichtlich der zur Verwaltung der Steuerforderungen eingeleiteten Anträge, Klagen und sonstigen Maßnahmen von Steuern, Gebühren, Provisionen oder Kautionen befreit, mit Ausnahme derjenigen für die Mitteilung des Steuerverwaltungsakts.“ |
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
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Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass Herr Vasile Toma bei der Zulassung eines Kraftfahrzeugs in Rumänien, das zuvor in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen war, einen Betrag von 4121 rumänischen Lei (RON) (ungefähr 900 Euro) als Umweltsteuer für Kraftfahrzeuge gemäß der OUG Nr. 50/2008 zahlte. Das Tribunalul Sibiu (Landgericht Sibiu, Rumänien) verurteilte die Administrația Finanțelor Publice Avrig (Verwaltung für öffentliche Finanzen der Stadt Avrig) und die Administrația Fondului pentru Mediu (Umweltfondsverwaltung, Rumänien) mit Urteil vom 16. Oktober 2012 zur Rückzahlung dieses Betrags an Herrn Toma nebst der gesetzlichen Zinsen sowie zur Erstattung der Kosten. |
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Dieses Urteil wurde am 22. Oktober 2013 infolge der Zurückweisung des Rechtsmittels des Serviciul Fiscal Orăşenesc Avrig (Steuerbehörde der Stadt Avrig, Rumänien), der Nachfolgerin der Verwaltung für öffentliche Finanzen der Stadt Avrig, durch die Curtea de Apel Alba Iulia (Berufungsgericht Alba Iulia, Rumänien) rechtskräftig. |
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Auf den von Herrn Toma gestellten Antrag auf Zwangsvollstreckung gegen die Steuerbehörde der Stadt Avrig und die Umweltfondsverwaltung ordnete die Judecătoria Sibiu (Amtsgericht Sibiu) am 24. März 2014 die Zwangsvollstreckung der Forderung aus dem Urteil des Tribunalul Sibiu (Landgericht Sibiu, Rumänien) vom 16. Oktober 2012 nebst der gesetzlichen Zinsen ab dem 22. März 2012 bis zur tatsächlichen Erstattung der Herrn Toma geschuldeten Beträge an. |
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Mit Beschluss vom 10. April 2014 setzte die Gerichtsvollzieherkanzlei Horațiu-Vasile Cruduleci die Kosten der Zwangsvollstreckung auf 765 Lei (RON) (ungefähr 170 Euro) fest. |
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Die Finanzverwaltung legte gegen die Zwangsvollstreckung Einspruch ein und beantragte ferner, die bereits ergangenen Vollstreckungshandlungen für nichtig zu erklären und das Zwangsvollstreckungsverfahren auszusetzen, ohne dass sie die mit dem Einspruch verbundene gerichtliche Stempelsteuer oder die Kaution für ihren Antrag auf Aussetzung des Zwangsvollstreckungsverfahrens entrichten muss. |
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Die Finanzverwaltung machte vor dem vorlegenden Gericht geltend, dass Herr Toma nach den geltenden nationalen Rechtsvorschriften verpflichtet sei, zuvor bei der zahlungspflichtigen Finanzverwaltung einen Antrag auf Erstattung der zu Unrecht gezahlten Steuer zu stellen, der innerhalb von 45 Tagen zu bearbeiten sei. Sollte die Erstattung wegen unzureichender Mittel nicht erfolgen, verfüge die zuständige Verwaltung über eine zusätzliche Frist von sechs Monaten, um die erforderlichen Schritte zur Erfüllung ihrer Zahlungspflicht zu unternehmen. Nur wenn die Behandlung der Sache nicht innerhalb dieser Fristen erfolge, sei Herr Toma berechtigt, sich an die für die Vollstreckung zuständigen Gerichte zu wenden. |
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Angesichts der Gefahr, dass die Erstattung in einem Verfahren erfolge, das auch aufgrund des Bestehens spezieller Vorschriften rechtswidrig sei, die vorsähen, dass zu Unrecht erhobene Steuern über fünf Jahre gestaffelt zu erstatten seien, wobei jede Zwangsvollstreckung während dieses Zeitraums kraft Gesetzes auszusetzen sei, beantragte die Verwaltung die Aussetzung des eingeleiteten Vollstreckungsverfahrens. |
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Herr Toma ist der Ansicht, dass der Einspruch gegen die angeordnete Zwangsvollstreckung zurückzuweisen sei und dass die Finanzverwaltung jedenfalls die Stempelsteuer für ihren Einspruch gegen die Zwangsvollstreckung zu entrichten und die Kaution für den Antrag auf Aussetzung der Zwangsvollstreckung zu hinterlegen habe. Die mit der betreffenden Regelung geschaffene Ungleichbehandlung von Personen des Privatrechts, die zur Entrichtung dieser Gerichtsgebühren verpflichtet seien, und Personen des öffentlichen Rechts, die wie die genannte Verwaltung davon befreit seien, sei nicht mit dem Unionsrecht vereinbar. |
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Das vorlegende Gericht, nach dessen Auffassung tatsächlich eine Ungleichbehandlung von Personen des Privatrechts und Personen des öffentlichen Rechts bei der Zahlung bestimmter Gerichtsgebühren in Zwangsvollstreckungsverfahren, die öffentliche Einnahmen betreffen, vorliegt, wirft die Frage nach der Vereinbarkeit dieser unterschiedlichen Behandlung mit dem Unionsrecht auf, da durch sie der Zugang der letztgenannten Personen zu den Gerichten im Verhältnis zu den erstgenannten erleichtert werde. |
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Unter diesen Umständen hat die Judecătoria Sibiu (Amtsgericht Sibiu) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen: Können Art. 4 Abs. 3 EUV sowie die Art. 20, 21 und 47 der Charta dahin ausgelegt werden, dass sie einer Regelung wie Art. 16 der rumänischen Verfassung und Art. 30 der OUG Nr. 80/2013 entgegenstehen, die die Gleichheit vor dem Gesetz nur zwischen Bürgern, die natürliche Personen sind, statuiert, nicht aber zwischen natürlichen Personen und juristischen Personen des öffentlichen Rechts, und die juristische Personen des öffentlichen Rechts a priori von der Zahlung der Stempelsteuern und der Kaution für den Zugang zu Gerichten befreit, während sie den Zugang natürlicher Personen zu den Gerichten von der Zahlung von Stempelsteuern und Kautionen abhängig macht? |
Zur Vorlagefrage
Zur Zuständigkeit des Gerichtshofs
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Die rumänische, die spanische, die französische und die polnische Regierung machen geltend, der Gerichtshof sei für die Beantwortung der Vorlagefrage nicht zuständig, weil die dem Ausgangsverfahren zugrunde liegende rechtliche Situation nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts falle. Die spanische Regierung weist zudem darauf hin, dass es Sache des vorlegenden Gerichts sei, den Zusammenhang anzugeben, der zwischen den Vorschriften des Unionsrechts, deren Auslegung beantragt werde, und dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sachverhalt bestehe. |
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Hierzu ist festzustellen, dass die Vorlagefrage Art. 4 Abs. 3 EUV betrifft, der den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit normiert, nach dem die Mitgliedstaaten alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen ergreifen, die sich aus den Verträgen oder den Handlungen der Organe der Europäischen Union ergeben (Urteil vom 12. April 2011, DHL Express France, C‑235/09, EU:C:2011:238, Rn. 58, und Gutachten 2/13 vom 18. Dezember 2014, EU:C:2014:2454, Rn. 173), sowie mehrere Bestimmungen der Charta. |
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Was die Bestimmungen der Charta anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV das Unionsrecht nur in den Grenzen der ihm übertragenen Zuständigkeiten prüfen kann (Urteil vom 27. März 2014, Torralbo Marcos, C‑265/13, EU:C:2014:187, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
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Der Anwendungsbereich der Charta ist, was das Handeln der Mitgliedstaaten betrifft, in ihrem Art. 51 Abs. 1 definiert. Danach gilt sie für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Rechts der Union; diese Bestimmung bestätigt die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs, nach der die in der Unionsrechtsordnung garantierten Grundrechte in allen unionsrechtlich geregelten Fallgestaltungen, aber nicht außerhalb derselben Anwendung finden (Urteile vom 27. März 2014, Torralbo Marcos, C‑265/13, EU:C:2014:187, Rn. 28 und 29, sowie vom 6. Oktober 2015, Delvigne, C‑650/13, EU:C:2015:648, Rn. 25 und 26). |
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Fällt eine rechtliche Situation nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts, ist der Gerichtshof somit für die Entscheidung über sie nicht zuständig, und die möglicherweise angeführten Bestimmungen der Charta können als solche keine entsprechende Zuständigkeit begründen (vgl. Urteile vom 26. Februar 2013, Åkerberg Fransson, C‑617/10, EU:C:2013:105, Rn. 22, vom 27. März 2014, Torralbo Marcos, C‑265/13, EU:C:2014:187, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 6. Oktober 2015, Delvigne, C‑650/13, EU:C:2015:648, Rn. 27). |
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Daher ist zu prüfen, ob die dem Ausgangsverfahren zugrunde liegende rechtliche Situation in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt. |
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Hierzu ergibt sich aus den Angaben des vorlegenden Gerichts, dass Gegenstand des Ausgangsverfahrens die Zwangsvollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung über die Erstattung einer von den Behörden bei der Erstzulassung eines Kraftfahrzeugs in Rumänien, das Herrn Toma gehört und zuvor in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen war, zu Unrecht erhobenen Umweltsteuer für Kraftfahrzeuge ist. |
27 |
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof mit den Urteilen vom 7. April 2011, Tatu (C‑402/09, EU:C:2011:219), und vom 7. Juli 2011, Nisipeanu (C‑263/10, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:466), eine Steuer wie die gemäß der OUG Nr. 50/2008 erhobene Umweltsteuer für Kraftfahrzeuge in allen ihren Formen für mit Art. 110 AEUV unvereinbar erklärt hat. |
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Da Gegenstand des Ausgangsverfahrens die Erstattung einer unter Verstoß gegen Art. 110 AEUV erhobenen Steuer ist und da die Mitgliedstaaten nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verpflichtet sind, eine solche Steuer zuzüglich Zinsen zu erstatten und zugleich den wirksamen Schutz des Rechts des Einzelnen auf Erstattung zu gewährleisten (vgl. entsprechend Urteile vom 27. Juni 2013, Agrokonsulting-04, C‑93/12, EU:C:2013:432, Rn. 35 und 36, sowie vom 12. Dezember 2013, Test Claimants in the Franked Investment Income Group Litigation, C‑362/12, EU:C:2013:834, Rn. 31), ist davon auszugehen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende rechtliche Situation eine Durchführung des Unionsrechts darstellt und in dessen Anwendungsbereich fällt. |
29 |
Unter diesen Umständen ist der Gerichtshof für die Beantwortung der Vorlagefrage zuständig. |
Zur Beantwortung der Frage
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Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof Aufgabe des Gerichtshofs ist, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat er die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren (Urteil vom 17. Dezember 2015, Viamar, C‑402/14, EU:C:2015:830, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
31 |
Insoweit ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht im Rahmen eines Verfahrens zur Zwangsvollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung über die Erstattung einer unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Steuer Zweifel an der Vereinbarkeit von Bestimmungen wie Art. 30 der OUG Nr. 80/2013 und Art. 229 der Steuerverfahrensordnung mit dem Unionsrecht hat; diese Bestimmungen stellen nach seiner Ansicht eine konkrete Ausprägung des in Art. 16 der rumänischen Verfassung verankerten Gleichheitsgrundsatzes dar und sehen Befreiungen von der Zahlung der gerichtlichen Stempelsteuer und der Hinterlegung einer Kaution vor, die für Anträge von Behörden gelten, aber grundsätzlich nicht für Anträge natürlicher Personen. |
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In diesem Zusammenhang ist erstens darauf hinzuweisen, dass der Anspruch auf Erstattung von Abgaben, die ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen Vorschriften des Unionsrechts erhoben hat, eine Folge und eine Ergänzung der Rechte darstellt, die dem Einzelnen aus den diesen Abgaben entgegenstehenden Bestimmungen des Unionsrechts in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof erwachsen. Die Mitgliedstaaten sind also grundsätzlich verpflichtet, unionsrechtswidrig erhobene Abgaben zuzüglich Zinsen zu erstatten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. April 2015, Manea, C‑76/14, EU:C:2015:216, Rn. 45, sowie vom 6. Oktober 2015, Târșia, C‑69/14, EU:C:2015:662, Rn. 24 und 25). |
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In Ermangelung einer Unionsregelung zur Erstattung zu Unrecht erhobener nationaler Steuern ist es nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Sache jedes Mitgliedstaats, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die den Schutz der den Steuerpflichtigen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen (vgl. u. a. Urteil vom 6. Oktober 2015, Târșia, C‑69/14, EU:C:2015:662, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
34 |
Die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die den Schutz der den Steuerpflichtigen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, dürfen jedoch nicht ungünstiger ausgestaltet sein als bei entsprechenden innerstaatlichen Klagen (Grundsatz der Äquivalenz), und sie dürfen die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität) (vgl. u. a. Urteil vom 6. Oktober 2015, Târșia, C‑69/14, EU:C:2015:662, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
35 |
Was zweitens die Art. 20, 21 und 47 der Charta angeht, auf die das vorlegende Gericht in seiner Frage Bezug nimmt, ist darauf hinzuweisen, dass in diesen Bestimmungen die Grundsätze der Gleichheit vor dem Gesetz, der Nichtdiskriminierung und des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes verankert sind. |
36 |
Der Gerichtshof hat bereits klargestellt, dass Art. 47 der Charta als Bestandteil des Grundsatzes des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes den Grundsatz der Waffengleichheit oder der verfahrensrechtlichen Gleichbehandlung enthält (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Juli 2014, Sánchez Morcillo und Abril García, C‑169/14, EU:C:2014:2099, Rn. 48). Da der letztgenannte Grundsatz eine spezielle Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes der Gleichheit vor dem Gesetz in Art. 20 der Charta darstellt, sind die in Rn. 31 des vorliegenden Urteils dargelegten Zweifel des vorlegenden Gerichts insbesondere aus dem Blickwinkel von Art. 47 der Charta zu prüfen. |
37 |
Zu Art. 21 der Charta ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht weder darlegt, welche Gründe es veranlasst haben, die Frage nach der Auslegung dieser Bestimmung gesondert von der Auslegung von Art. 20 der Charta aufzuwerfen, noch erläutert, welchen Zusammenhang es zwischen Art. 21 und der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen Regelung herstellt; somit ist es nicht möglich, die Gründe zu verstehen, aus denen es an der Vereinbarkeit einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden mit Art. 21 zweifelt. |
38 |
Unter Berücksichtigung dieser einleitenden Erwägungen ist die Vorlagefrage dahin zu verstehen, dass das vorlegende Gericht wissen möchte, ob Art. 47 der Charta sowie die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegenstehen, die juristische Personen des öffentlichen Rechts von den gerichtlichen Stempelsteuern befreit, wenn sie Einspruch gegen die Zwangsvollstreckung einer die Erstattung unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobener Steuern betreffenden gerichtlichen Entscheidung einlegen, und sie von der Pflicht, die bei der Stellung des Antrags auf Aussetzung eines solchen Zwangsvollstreckungsverfahrens vorgesehene Kaution zu hinterlegen, ausnimmt, während bei Anträgen natürlicher und juristischer Personen des Privatrechts im Rahmen solcher Verfahren grundsätzlich weiterhin Gerichtsgebühren anfallen. |
39 |
Da sich die Vorlagefrage insbesondere im Kontext des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes stellt, weil sie eine nationale Regelung betrifft, die Befreiungen von bestimmten Gerichtsgebühren für bestimmte Kategorien von Personen vorsieht, ist zunächst die Vereinbarkeit einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden mit Art. 47 der Charta zu prüfen, in dem das Recht auf einen solchen Schutz verankert ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Dezember 2010, DEB, C‑279/09, EU:C:2010:811, Rn. 29). |
40 |
Insoweit geht aus den Erläuterungen zu Art. 47 der Charta, die gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 EUV und Art. 52 Abs. 7 der Charta bei deren Auslegung zu berücksichtigen sind, hervor, dass die Abs. 1 und 2 von Art. 47 den Art. 6 Abs. 1 und 13 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) entsprechen. |
41 |
Nach Art. 52 Abs. 3 der Charta haben darin enthaltene Rechte, die den durch die EMRK garantierten Rechten entsprechen, die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der EMRK verliehen werden. Nach den Erläuterungen zu dieser Bestimmung werden die Bedeutung und Tragweite der garantierten Rechte nicht nur durch den Wortlaut der EMRK, sondern u. a. auch durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bestimmt, in deren Licht Art. 47 der Charta somit auszulegen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Dezember 2010, DEB, C‑279/09, EU:C:2010:811, Rn. 35 und 37 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
42 |
Zum Inhalt von Art. 47 hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass der in dieser Bestimmung verankerte Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes mehrere Elemente umfasst, zu denen u. a. der Grundsatz der Waffengleichheit und das Recht auf Zugang zu den Gerichten gehören (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. November 2012, Otis u. a., C‑199/11, EU:C:2012:684, Rn. 48). |
43 |
Was das Recht auf Zugang zu den Gerichten angeht, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bereits entschieden, dass dieses Recht im Sinne von Art. 6 EMRK illusorisch wäre, wenn die Rechtsordnung eines Vertragsstaats es zuließe, dass eine endgültige und bindende gerichtliche Entscheidung zulasten einer Partei wirkungslos bleibt, und die Durchführung eines Urteils somit als integraler Bestandteil des „Verfahrens“ im Sinne von Art. 6 anzusehen ist (EGMR, 7. Mai 2002, Bourdov/Russland, CE:ECHR:2002:0507JUD005949800, § 34, und EGMR, 6. September 2005, Săcăleanu/Rumänien, CE:ECHR:2005:0906JUD007397001, § 55). |
44 |
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist das Recht auf Zugang zu den Gerichten allerdings kein absolutes Recht und kann daher verhältnismäßigen, einem legitimen Zweck dienenden und dieses Recht nicht in seinem Wesensgehalt antastenden Beschränkungen unterworfen sein, einschließlich solcher, die mit der Zahlung von Gerichtsgebühren zusammenhängen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. Dezember 2010, DEB, C‑279/09, EU:C:2010:811, Rn. 45, 52 und 60, und vom 6. Oktober 2015, Orizzonte Salute, C‑61/14, EU:C:2015:655, Rn. 72 und 79, sowie EGMR, 8. Juni 2006, V. M./Bulgarien, CE:ECHR:2006:0608JUD004572399, §§ 41 und 42 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
45 |
Im vorliegenden Fall liefert das vorlegende Gericht keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Zugang von Herrn Toma zu den Gerichten im Ausgangsverfahren aufgrund der Pflicht zur Entrichtung zu hoher Gerichtsgebühren unverhältnismäßig beeinträchtigt wurde, sei es in dem Verfahren, in dessen Rahmen er die gerichtliche Entscheidung erstritten hat, mit der ihm der Anspruch auf Erstattung einer unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Steuer zuerkannt wurde, sei es in dem Verfahren zur Zwangsvollstreckung dieser Entscheidung oder deshalb, weil ihm zu Unrecht Prozesskostenhilfe verweigert worden wäre. |
46 |
Demnach ist zu prüfen, ob eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die nach Ansicht des vorlegenden Gerichts in einem Verfahren wie dem Ausgangsverfahren ein Ungleichgewicht zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts sowie natürlichen und juristischen Personen des Privatrechts schafft, ohne jedoch den Zugang Letzterer zu den Gerichten in unverhältnismäßiger Weise zu beschränken, den aus Art. 47 der Charta resultierenden Anforderungen genügt. |
47 |
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Waffengleichheit schon aus dem Begriff des fairen Verfahrens folgt, der impliziert, dass jeder Partei in angemessener Weise die Möglichkeit gegeben wird, ihren Standpunkt unter Bedingungen vorzutragen, die sie nicht in eine gegenüber ihrem Gegner deutlich nachteilige Position bringen, da der Nachteil, zu dem das Ungleichgewicht führt, grundsätzlich von demjenigen zu beweisen ist, der ihn erlitten hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. November 2012, Otis u. a., C‑199/11, EU:C:2012:684, Rn. 71 und 72, sowie vom 17. Juli 2014, Sánchez Morcillo und Abril García, C‑169/14, EU:C:2014:2099, Rn. 49). |
48 |
Es trifft zu, dass eine Regelung, die juristische Personen des öffentlichen Rechts von der Zahlung bestimmter Gerichtsgebühren befreit, während natürliche Personen a priori nicht in den Genuss einer solchen Befreiung kommen, eine Unterscheidung zwischen diesen Personen in Bezug auf die prozessuale Behandlung ihrer Anträge im Rahmen eines Verfahrens wie dem Ausgangsverfahren herbeiführt. Nach der in Rn. 47 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ist jedoch noch zu prüfen, ob eine solche Regelung eine Person wie Herrn Toma in Bezug auf den gerichtlichen Schutz der Rechte, auf die sie sich nach dem Unionsrecht berufen kann, im Verhältnis zu ihrem Gegner in eine schwächere Position bringt und ob sie damit die Fairness eines solchen Verfahrens beeinträchtigt. |
49 |
In diesem Zusammenhang ist erstens festzustellen, dass die Gerichtsgebühren grundsätzlich zum ordnungsgemäßen Funktionieren des Gerichtssystems beitragen, da sie eine Finanzierungsquelle für die gerichtliche Tätigkeit der Mitgliedstaaten darstellen (Urteil vom 6. Oktober 2015, Orizzonte Salute, C‑61/14, EU:C:2015:655, Rn. 73). Wie aus Art. 1 Abs. 2 der OUG Nr. 80/2013 hervorgeht und wie die rumänische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen bestätigt hat, wird dieses Ziel mit der gerichtlichen Stempelsteuer, die von der in Art. 30 dieser Verordnung vorgenommenen Befreiung erfasst wird, verfolgt, da sie zur Finanzierung der von den Gerichten erbrachten Dienstleistungen beiträgt. |
50 |
Im Hinblick auf dieses Ziel ist der rumänischen, der spanischen, der französischen und der polnischen Regierung sowie der Europäischen Kommission beizupflichten, dass die Befreiung von der gerichtlichen Stempelsteuer, die juristische Personen des öffentlichen Rechts in Verfahren wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden genießen, als solche diesen juristischen Personen keinen prozessualen Vorteil verschafft, da – wie die rumänische Regierung ausgeführt hat – die Zahlung dieser Steuer durch solche Personen zulasten des konsolidierten nationalen Budgets geht, aus dem auch die von den Gerichten erbrachten Dienstleistungen finanziert werden. |
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Was zweitens die in Art. 229 der Steuerverfahrensordnung vorgesehene Befreiung von der Hinterlegung der bei der Stellung des Antrags auf Aussetzung eines Zwangsvollstreckungsverfahrens über Steuerforderungen erforderlichen Kaution angeht, stellt diese nach Ansicht der rumänischen Regierung eine Garantie für den Gläubiger dar, der das Zwangsvollstreckungsverfahren eingeleitet hat, da die Gefahr besteht, dass dieses Verfahren durch einen Aussetzungsantrag eines Schuldners unterbrochen wird, der anschließend seine Schuld womöglich nicht begleichen kann, weil er zahlungsunfähig wird oder in Konkurs fällt. |
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Wie aus Rn. 32 des vorliegenden Urteils hervorgeht, sind die Mitgliedstaaten jedoch nach dem Unionsrecht verpflichtet, unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobene Abgaben zuzüglich Zinsen zu erstatten. Daher ist es nicht zulässig, dass sich ein Mitgliedstaat in seiner Eigenschaft als Schuldner in einem Rechtsstreit wie dem des Ausgangsverfahrens auf unzureichende Mittel beruft, um zu rechtfertigen, dass eine gerichtliche Entscheidung, mit der einem Einzelnen das Recht auf Erstattung unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobener Steuern zuzüglich Zinsen zuerkannt wurde, nicht vollstreckt werden kann. |
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Da sich das durch die Kaution abgedeckte Risiko in einem Verfahren wie dem Ausgangsverfahren nicht verwirklichen kann, kann die in Art. 229 der Steuerverfahrensordnung genannte Befreiung folglich die Position einer Person wie Herrn Toma im Verhältnis zu der seines Gegners nicht schwächen. |
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Daher ist davon auszugehen, dass eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die sich darauf beschränkt, juristische Personen des öffentlichen Rechts a priori von der Zahlung bestimmter Gerichtsgebühren in Verfahren zur Zwangsvollstreckung gerichtlicher Entscheidungen über die Erstattung von Steuern, die unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben wurden, zu befreien, während bei Anträgen natürlicher und juristischer Personen des Privatrechts in solchen Verfahren diese Gebühren grundsätzlich zu zahlen sind, Letztere nicht in eine im Verhältnis zu ihren Gegnern deutlich nachteilige Position bringt und somit die Fairness dieses Verfahrens nicht in Frage stellt. |
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Eine solche Auslegung von Art. 47 der Charta wird durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 6 Abs. 1 EMRK gestützt. Eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende ist nämlich von der zu unterscheiden, die der EGMR in seinem Urteil vom 6. April 2006, Stankiewicz/Polen (CE:ECHR:2006:0406JUD004691799), als mit den Anforderungen von Art. 6 Abs. 1 EMRK unvereinbar angesehen hat. |
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Nach der Regelung, um die es in diesem Urteil ging, wurde nicht nur die Staatsanwaltschaft von den Gerichtsgebühren befreit – was der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als durch den Schutz der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt ansah –, sondern sie führte auch dazu, dass die obsiegende private Partei alle ihre Verfahrenskosten tragen musste, und brachte diese damit im Verhältnis zu ihrem Gegner in eine unangemessen nachteilige Position (EGMR, 6. April 2006, Stankiewicz/Polen, CE:ECHR:2006:0406JUD004691799, §§ 68 und 69). Eine Regelung wie die hier in Rede stehende hat aber keine derartige Wirkung. |
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Was die Wahrung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität angeht, ist zu beachten, dass es in den dem Gerichtshof vorliegenden Akten keine Anhaltspunkte gibt, die den Schluss zuließen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung auf Rechtsstreitigkeiten, die sich auf einen Verstoß gegen das Unionsrecht stützen, in anderer Weise angewandt wird als auf ähnliche Streitigkeiten, die auf einen Verstoß gegen nationales Recht gestützt sind, und damit gegen den Grundsatz der Äquivalenz verstieße (vgl., hinsichtlich des Inhalts des letztgenannten Grundsatzes, Urteile vom 12. Februar 2015, Surgicare, C‑662/13, EU:C:2015:89, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 6. Oktober 2015, Târșia, C‑69/14, EU:C:2015:662, Rn. 32). |
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Gleiches gilt in Bezug auf den Grundsatz der Effektivität, da eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die die Einzelnen, die ihre Rechte aus der Unionsrechtsordnung ableiten, in Zwangsvollstreckungsverfahren über öffentliche Einnahmen nicht von Gebühren wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden befreit, für sich genommen die Ausübung dieser Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfte. |
59 |
Nach alledem sind Art. 47 der Charta sowie die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität dahin auszulegen, dass sie einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht entgegenstehen, die juristische Personen des öffentlichen Rechts von der Zahlung der gerichtlichen Stempelsteuer befreit, wenn sie Einspruch gegen die Zwangsvollstreckung einer die Erstattung unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobener Steuern betreffenden gerichtlichen Entscheidung einlegen, und sie von der Pflicht, bei der Stellung eines Antrags auf Aussetzung eines solchen Zwangsvollstreckungsverfahrens eine Kaution zu hinterlegen, ausnimmt, während bei Anträgen natürlicher und juristischer Personen des Privatrechts im Rahmen solcher Verfahren grundsätzlich weiterhin Gerichtsgebühren anfallen. |
Kosten
60 |
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. |
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt: |
Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht entgegenstehen, die juristische Personen des öffentlichen Rechts von der Zahlung der gerichtlichen Stempelsteuer befreit, wenn sie Einspruch gegen die Zwangsvollstreckung einer die Erstattung unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobener Steuern betreffenden gerichtlichen Entscheidung einlegen, und sie von der Pflicht, bei der Stellung eines Antrags auf Aussetzung eines solchen Zwangsvollstreckungsverfahrens eine Kaution zu hinterlegen, ausnimmt, während bei Anträgen natürlicher und juristischer Personen des Privatrechts im Rahmen solcher Verfahren grundsätzlich weiterhin Gerichtsgebühren anfallen. |
Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprache: Rumänisch.