URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)
15. Oktober 2015 ( * )
„Vorlage zur Vorabentscheidung — Art. 107 AEUV und 108 AEUV — Finanzkrise — Beihilfen für den Finanzsektor — Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Binnenmarkt — Entscheidung der Europäischen Kommission — Einem Umstrukturierungsprozess unterworfenes Finanzunternehmen — Entlassung eines Arbeitnehmers — Nationale Vorschriften über die Höhe der Abfindungen“
In den verbundenen Rechtssachen C‑352/14 und C‑353/14
betreffend Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juzgado de lo Social no 2 de Terrassa (Arbeitsgericht Nr. 2 von Terrassa, Spanien) mit Entscheidungen vom 8. Juli 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Juli 2014, in den Verfahren
Juan Miguel Iglesias Gutiérrez (C‑352/14),
Elisabet Rion Bea (C‑353/14)
gegen
Bankia SA,
Sección Sindical UGT,
Sección Sindical CCOO,
Sección Sindical ACCAM,
Sección Sindical CSICA,
Sección Sindical SATE,
Fondo de Garantía Salarial
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung von E. Levits in Wahrnehmung des Kammerpräsidenten, der Richterin M. Berger (Berichterstatterin) und des Richters S. Rodin,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
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der Bankia SA, vertreten durch H. Monzón Pérez, abogada, |
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der spanischen Regierung, vertreten durch M. Sampol Pucurull als Bevollmächtigten, |
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der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Flynn und É. Gippini Fournier als Bevollmächtigte, |
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
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1 |
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Art. 107 AEUV und 108 AEUV. |
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2 |
Diese Ersuchen ergehen in zwei Rechtsstreitigkeiten, die Herr Iglesias Gutiérrez und Frau Rion Bea wegen ihrer Entlassung durch die Bankia SA (im Folgenden: Bankia) gegen diese, verschiedene Betriebsgruppen von Gewerkschaften und den Fondo de Garantía Salarial (Lohnausgleichkasse) führen. |
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung (EG) Nr. 659/1999
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3 |
Die Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [108 AEUV] (ABl. L 83, S. 1) sieht in ihrem zu Kapitel II („Verfahren bei angemeldeten Beihilfen“) gehörenden Art. 7 Abs. 1 bis 5 vor: „(1) Das förmliche Prüfverfahren wird unbeschadet des Artikels 8 durch eine Entscheidung nach den Absätzen 2 bis 5 dieses Artikels abgeschlossen. (2) Gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass die angemeldete Maßnahme, gegebenenfalls nach entsprechenden Änderungen durch den betreffenden Mitgliedstaat, keine Beihilfe darstellt, so stellt sie dies durch Entscheidung fest. (3) Stellt die Kommission fest, dass, gegebenenfalls nach Änderung durch den betreffenden Mitgliedstaat, die Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der angemeldeten Maßnahme mit dem Gemeinsamen Markt ausgeräumt sind, so entscheidet sie, dass die Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist (nachstehend ‚Positiventscheidung‘ genannt). In der Entscheidung wird angeführt, welche Ausnahmevorschrift des [AEUV] zur Anwendung gelangt ist. (4) Die Kommission kann eine Positiventscheidung mit Bedingungen und Auflagen verbinden, die ihr ermöglichen, die Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären bzw. die Befolgung ihrer Entscheidung zu überwachen (nachstehend ‚mit Bedingungen und Auflagen verbundene Entscheidung‘ genannt). (5) Gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass die angemeldete Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist, so entscheidet sie, dass diese Beihilfe nicht eingeführt werden darf (nachstehend ‚Negativentscheidung‘ genannt).“ |
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4 |
In Art. 25 der Verordnung heißt es: „Entscheidungen nach den Kapiteln II, III, IV, V und VII sind an den betreffenden Mitgliedstaat gerichtet. …“ |
Entscheidung über die Umstrukturierung der BFA‑Gruppe
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5 |
Die spanischen Behörden meldeten im Zusammenhang mit der Finanzkrise, die im Jahr 2008 einsetzte, bei der Kommission am 9. November 2012 einen Umstrukturierungsplan für die Banco Financiero y de Ahorro SA und ihre Tochtergesellschaft Bankia (im Folgenden zusammen: BFA‑Gruppe) an. |
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6 |
Am 28. November 2012 erließ die Kommission die Entscheidung C(2012) 8764 final betreffend die Beihilfe der spanischen Behörden für die Umstrukturierung und Rekapitalisierung der BFA‑Gruppe (im Folgenden: Entscheidung über die Umstrukturierung der BFA‑Gruppe). In den Rn. 217 und 218 dieser Entscheidung stellte die Kommission fest, dass die angemeldeten Maßnahmen eine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellten, aber unter Berücksichtigung der vom Königreich Spanien eingegangenen Verpflichtungen nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV als mit dem Binnenmarkt vereinbar anzusehen seien. |
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7 |
Im Rahmen ihrer Prüfung der Vereinbarkeit der angemeldeten Maßnahmen nahm die Kommission auf einige Verpflichtungen des Königreichs Spanien Bezug. In Rn. 215 der Entscheidung über die Umstrukturierung der BFA‑Gruppe stellt sie insbesondere fest: „Neben diesen umfangreichen Strukturmaßnahmen hat sich Spanien zu verschiedenen weiteren Verhaltenseinschränkungen bis zum Ende des Umstrukturierungszeitraums im Dezember 2017 verpflichtet …, und zwar wird es sicherstellen, dass die BFA‑Gruppe
…“ |
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8 |
Die vom Königreich Spanien vorgeschlagenen Verpflichtungen wurden in ein der genannten Entscheidung beigefügtes Pflichtenheft aufgenommen. Dazu gehören nach den Rn. 84 und 85 dieses Heftes als Verhaltensmaßregeln und Grundsätze der Unternehmensführung die in Rn. 215 dieser Entscheidung genannten Verpflichtungen. |
Spanisches Recht
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Art. 51 Abs. 1 des Gesetzes über das Arbeitnehmerstatut, genehmigt durch das Real Decreto Legislativo 1/1995 zur Billigung der Neufassung des Gesetzes über das Arbeitnehmerstatut (Real Decreto Legislativo 1/1995 por el que se aprueba el texto refundido de la Ley del Estatuto de los Trabajadores) vom 24. März 1995 (BOE Nr. 75 vom 29. März 1995, S. 9654), in der Fassung des Gesetzes 3/2012 über Dringlichkeitsmaßnahmen zur Reform des Arbeitsmarkts (Ley 3/2012 de medidas urgentes para la reforma del mercado laboral) vom 6. Juli 2012 (BOE Nr. 162 vom 7. Juli 2012, S. 49113) (im Folgenden: Arbeitnehmerstatut) definiert den Begriff der Massenentlassung als „die Beendigung von Arbeitsverträgen aus wirtschaftlichen, technischen, organisatorischen oder produktionsbedingten Gründen“, wenn sie sich innerhalb eines Zeitraums von 90 Tagen auf die Verträge einer Mindestzahl von Arbeitnehmern auswirkt, die anhand der Gesamtzahl der Arbeitnehmer des betreffenden Unternehmens festgelegt wird. In dieser Bestimmung heißt es: „Wirtschaftliche Gründe liegen vor, wenn das Unternehmensergebnis eine negative wirtschaftliche Lage widerspiegelt, etwa im Fall bereits eingetretener oder vorhersehbarer Verluste oder bei stetigem Rückgang der ordentlichen Einnahmen oder Umsätze.“ |
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10 |
Nach Art. 52 des Arbeitnehmerstatuts kann der Arbeitsvertrag aus objektiven Gründen beendet werden, „wenn einer der in Art. 51 Abs. 1 [dieses Statuts] genannten Gründe vorliegt und die Beendigung eine geringere als die dort genannte Zahl [von Arbeitnehmern] betrifft“. |
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Zur Form und zu den Wirkungen der Beendigung des Vertrags aus objektiven Gründen bestimmt Art. 53 Abs. 1 des Arbeitnehmerstatuts: „Die Annahme der Beendigungsvereinbarung nach dem vorstehenden Artikel unterliegt folgenden Voraussetzungen:
…“ |
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Art. 56 Abs. 1 des Arbeitnehmerstatuts lautet wie folgt: „Wird die Kündigung für unstatthaft erklärt, so kann der Arbeitgeber binnen fünf Tagen ab Zustellung des Urteils zwischen der Wiedereingliederung des Arbeitnehmers und der Zahlung einer Abfindung in Höhe von 33 Tagesentgelten je Dienstjahr bei einer Obergrenze von 24 Monatsentgelten wählen, wobei Zeiten von weniger als einem Jahr anteilig auf Monatsbasis berechnet werden. Die Abfindungsoption führt zur Beendigung des Arbeitsvertrags mit Wirkung zum Zeitpunkt des tatsächlichen Endes der Arbeitsleistung.“ |
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Die Fünfte Übergangsvorschrift des Gesetzes 3/2012 lautet:
…“ |
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
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Herr Iglesias Gutiérrez und Frau Rion Bea waren seit dem 1. April 1991 bzw. dem 2. Juni 2008 bei Bankia beschäftigt. |
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Bankia traf am 8. Februar 2013 im Rahmen der Verringerung ihrer Tätigkeiten im Zuge des Umstrukturierungsplans eine Vereinbarung mit den Gewerkschaften, denen 97,86 % der Arbeitnehmer angehörten. Diese Vereinbarung sah die Streichung von 4500 Arbeitsplätzen zu den darin festgelegten wirtschaftlichen Bedingungen bis zum 31. Dezember 2015 vor. Sie sah bei Entlassungen insbesondere die Zahlung einer Abfindung in Höhe von durchschnittlich 30 Tagesentgelten je Dienstjahr vor. |
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Frau Rion Bea und Herrn Iglesias Gutiérrez wurde am 25. Oktober 2013 bzw. am 21. November 2013 mitgeteilt, dass ihre Arbeitsverträge zum 12. November 2013 bzw. 10. Dezember 2013 gekündigt würden und dass ihnen eine anhand der Modalitäten in der Vereinbarung vom 8. Februar 2013 berechnete Abfindung gezahlt werde. |
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Herr Iglesias Gutiérrez und Frau Rion Bea klagten vor dem Juzgado de lo Social no 2 de Terrassa auf Feststellung der Unstatthaftigkeit ihrer Entlassung sowie auf Gewährung der höchsten für einen solchen Fall gesetzlich vorgesehenen Abfindung, nämlich einer Abfindung zwischen 33 und 45 Tagesentgelten je Dienstjahr. |
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Unter diesen Umständen hat der Juzgado de lo Social no 2 de Terrassa beschlossen, die Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende, in den Rechtssachen C‑352/14 und C‑353/14 gleichlautende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: Wie ist die Rechtslage bei einer Klage eines Arbeitnehmers von Bankia, der von einer Massenentlassung betroffen ist, die aufgrund der Entscheidung über die Umstrukturierung der BFA‑Gruppe vereinbart wurde?
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Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 9. September 2014 sind die Rechtssachen C‑352/14 und C‑353/14 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden. |
Zu den Vorlagefragen
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Nach der von ihm gewählten Formulierung ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof mit seinen Fragen, sich zur Vereinbarkeit einiger nationaler Vorschriften mit dem Unionsrecht zu äußern. |
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Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das in Art. 267 AEUV errichtete System der Zusammenarbeit auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht. Im Rahmen eines gemäß diesem Artikel eingeleiteten Verfahrens ist die Auslegung der nationalen Vorschriften Sache der Gerichte der Mitgliedstaaten und nicht des Gerichtshofs, und es kommt diesem nicht zu, sich zur Vereinbarkeit von Vorschriften des innerstaatlichen Rechts mit den Bestimmungen des Unionsrechts zu äußern. Dagegen ist der Gerichtshof befugt, dem nationalen Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die es diesem Gericht ermöglichen, die Vereinbarkeit nationaler Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht zu beurteilen (vgl. u. a. Beschluss Debiasi, C‑560/11, EU:C:2012:802, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
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Zwar soll sich der Gerichtshof nach dem Wortlaut der vom vorlegenden Gericht zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen zur Vereinbarkeit einer innerstaatlichen Rechtsvorschrift mit dem Unionsrecht äußern, doch ist er durch nichts daran gehindert, dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, indem er ihm Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts liefert, anhand deren das Gericht selbst über die Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht entscheiden kann (vgl. u. a. Beschluss Debiasi, C‑560/11, EU:C:2012:802, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
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Daher sind die Vorlagefragen dahin zu verstehen, dass sie darauf abzielen, ob die Entscheidung über die Umstrukturierung der BFA‑Gruppe sowie die Art. 107 AEUV und 108 AEUV, auf die sich die Entscheidung stützt, der Anwendung nationaler Vorschriften, nach denen die einem Arbeitnehmer, dessen Entlassung für unstatthaft erklärt wird, geschuldete Abfindung über dem gesetzlichen Minimum liegt, im Rahmen eines Rechtsstreits über eine unter diese Entscheidung fallende Massenentlassung entgegenstehen. |
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Diese Fragen sind gemeinsam zu untersuchen. |
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Die Umsetzung des Systems zur Kontrolle staatlicher Beihilfen im Unionsrecht beruht auf einer vorbeugenden Prüfung von Beihilfevorhaben, die darauf gerichtet ist, dass nur die mit dem Binnenmarkt vereinbaren Beihilfen durchgeführt werden. |
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Die Umsetzung dieses Kontrollsystems obliegt zum einen der Kommission und zum anderen den nationalen Gerichten, wobei ihnen einander ergänzende, aber unterschiedliche Rollen zufallen. Während für die Beurteilung der Vereinbarkeit von Beihilfemaßnahmen mit dem Binnenmarkt ausschließlich die Kommission zuständig ist, die dabei der Kontrolle durch die Gerichte der Europäischen Union unterliegt, wachen die nationalen Gerichte über die Wahrung der Rechte der Einzelnen bei eventuellen Verstößen der Behörden gegen das in Art. 108 Abs. 3 AEUV aufgestellte Verbot, ein Beihilfevorhaben durchzuführen, bevor die Kommission über dessen Zulässigkeit entschieden hat (vgl. in diesem Sinne Urteil Deutsche Lufthansa, C‑284/12, EU:C:2013:755, Rn. 27 und 28 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). |
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Erlässt die Kommission nach Abschluss ihrer Untersuchung eine positive Entscheidung im Sinne des Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999, wurde das in Rn. 25 des vorliegenden Urteils genannte Ziel geschützt, so dass die betreffende Beihilfe durchgeführt werden darf (vgl. in diesem Sinne Urteil CELF und Ministre de la Culture et de la Communication, C‑199/06, EU:C:2008:79, Rn. 49). |
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Diese Genehmigung für die Umsetzung gilt jedoch nur, soweit alle von der Kommission bei ihrer Beurteilung der Zulässigkeit der genannten Maßnahme berücksichtigten Elemente beachtet werden. Insbesondere sind, wenn in die angemeldete Maßnahme auf Vorschlag des betreffenden Mitgliedstaats von ihm übernommene Verpflichtungen aufgenommen wurden, diese Verpflichtungen auch als integraler Bestandteil der genehmigten Maßnahme anzusehen. Dies ist in den Ausgangsverfahren der Fall, in denen die vom Königreich Spanien vorgeschlagenen Verpflichtungen von der Kommission bei ihrer Würdigung berücksichtigt und in ein der Genehmigungsentscheidung beigefügtes Pflichtenheft aufgenommen wurden. |
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Der betreffende Mitgliedstaat, an den sich nach Art. 25 der Verordnung Nr. 659/1999 die Entscheidung richtet, hat zu prüfen, ob er die in die Genehmigung aufgenommenen Verpflichtungen einhalten kann. Dabei obliegt es ihm insbesondere, sich zu vergewissern, dass diese Verpflichtungen mit seinen nationalen Rechtsvorschriften im Einklang stehen, und gegebenenfalls zu beurteilen, ob in Übereinstimmung mit seinen verfassungsrechtlichen Verfahren ein Prozess für ihre Anpassung in Gang zu setzen ist. |
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In den Ausgangsverfahren sehen die in die Nrn. 84 und 85 des Pflichtenhefts, das der Entscheidung über die Umstrukturierung der BFA‑Gruppe beigefügt wurde, aufgenommenen Verpflichtungen vor, dass das Königreich Spanien alle Maßnahmen treffen wird, um zu gewährleisten, dass die BFA‑Gruppe „die geltenden Vorschriften über Gehälter und Abfindungen“ einhält, und dass es darüber wachen wird, dass der Umstrukturierungsprozess dieser Gruppe „mit hoher Stringenz“ durchgeführt wird, was bedeutet, dass „sich die Abfindungen dem gesetzlichen Minimum annähern“, wobei allerdings „eine gewisse Flexibilität“ erlaubt ist. |
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Schon der Wortlaut dieser Verpflichtungen zeigt, dass sie im Rahmen der geltenden nationalen Rechtsvorschriften durchzuführen sind und dass dabei eine gewisse Flexibilität besteht. |
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Die Bezugnahmen auf die anwendbaren Rechtsvorschriften implizieren, dass die den entlassenen Arbeitnehmern zu zahlenden Beträge im Einklang mit den Bestimmungen des spanischen Arbeitsrechts anhand verschiedener Kriterien berechnet werden können, je nachdem, ob eine Entlassung in Anbetracht der rechtlichen und tatsächlichen Umstände jedes Einzelfalls als statthaft qualifiziert werden kann oder als unstatthaft betrachtet werden muss. |
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Die ausdrücklich anerkannte Flexibilität bedeutet überdies, dass sich die von der BFA‑Gruppe ihren Angestellten im Rahmen ihres Umstrukturierungsplans zu zahlenden Beträge zwar den Mindestsätzen, die in den anwendbaren nationalen arbeitsrechtlichen Vorschriften vorgesehen sind, annähern, ihnen jedoch nicht notwendigerweise exakt entsprechen müssen. |
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Nach alledem ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass die Entscheidung über die Umstrukturierung der BFA‑Gruppe sowie die Art. 107 AEUV und 108 AEUV, auf die sich die Entscheidung stützt, der Anwendung nationaler Vorschriften, nach denen die einem Arbeitnehmer, dessen Entlassung für unstatthaft erklärt wird, geschuldete Abfindung über dem gesetzlichen Minimum liegt, im Rahmen eines Rechtsstreits über eine unter diese Entscheidung fallende Massenentlassung nicht entgegenstehen. |
Kosten
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Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidungen sind daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. |
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Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt: |
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Die Entscheidung C(2012) 8764 final der Kommission vom 28. November 2012 betreffend die Beihilfe der spanischen Behörden für die Umstrukturierung und Rekapitalisierung der BFA‑Gruppe sowie die Art. 107 AEUV und 108 AEUV, auf die sich die Entscheidung stützt, stehen der Anwendung nationaler Vorschriften, nach denen die einem Arbeitnehmer, dessen Entlassung für unstatthaft erklärt wird, geschuldete Abfindung über dem gesetzlichen Minimum liegt, im Rahmen eines Rechtsstreits über eine unter diese Entscheidung fallende Massenentlassung nicht entgegen. |
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Unterschriften |
( * ) Verfahrenssprache: Spanisch.