URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

18. April 2013 ( *1 )

„Handelspolitik — Verordnung (EG) Nr. 1470/2001 — Verordnung (EG) Nr. 1205/2007 — Gemeinsamer Zolltarif — Tarifierung — Kombinierte Nomenklatur — Endgültige Antidumpingzölle auf die Einfuhren von Kompakt-Leuchtstofflampen — Anwendbarkeit der endgültigen Antidumpingzölle auf in die Tarifunterposition, die in der Antidumpingverordnung genannt ist, eingereihte Waren — Betroffene Ware — Anwendungsbereich“

In der Rechtssache C-595/11

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Finanzgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidung vom 16. November 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 25. November 2011, in dem Verfahren

Steinel Vertrieb GmbH

gegen

Hauptzollamt Bielefeld

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis (Berichterstatter), J.-C. Bonichot, A. Arabadjiev und J. L. da Cruz Vilaça,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Dezember 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Steinel Vertrieb GmbH, vertreten durch Steuerberater H.-M. Wolffgang und durch die Rechtsanwälte S. Kastner und J. Borggräffe,

des Hauptzollamts Bielefeld, vertreten durch K. Greven als Bevollmächtigten,

der Europäischen Kommission, vertreten durch H. van Vliet und T. Maxian Rusche als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 1470/2001 des Rates vom 16. Juli 2001 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren integrierter elektronischer Kompakt-Leuchtstofflampen (CFL-i) mit Ursprung in der Volksrepublik China (ABl. L 195, S. 8) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1322/2006 des Rates vom 1. September 2006 (ABl. L 244, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1470/2001) und der Verordnung (EG) Nr. 1205/2007 des Rates vom 15. Oktober 2007 zur Einführung endgültiger Antidumpingzölle auf die Einfuhren integrierter elektronischer Kompakt-Leuchtstofflampen (CFL-i) mit Ursprung in der Volksrepublik China nach einer Überprüfung wegen des bevorstehenden Außerkrafttretens der Maßnahmen gemäß Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 384/96 und zur Ausweitung der Antidumpingzölle auf die Einfuhren derselben aus der Sozialistischen Republik Vietnam, der Islamischen Republik Pakistan und der Republik der Philippinen versandten Ware (ABl. L 272, S. 1) (für beide Verordnungen im Folgenden: CFL-i-Verordnungen).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Steinel Vertrieb GmbH (im Folgenden: Steinel Vertrieb) und dem Hauptzollamt Bielefeld (im Folgenden: Hauptzollamt) über die Einreihung der von Steinel Vertrieb zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr eingeführten streitigen Waren in die Tarifpositionen der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 254/2000 des Rates vom 31. Januar 2000 (ABl. L 28, S. 16) geänderten Fassung (im Folgenden: KN).

Rechtlicher Rahmen

Die Grundverordnung

3

Die im Ausgangsverfahren geltenden Bestimmungen über die Anwendung von Antidumpingmaßnahmen durch die Europäische Union sind in der Verordnung (EG) Nr. 384/96 des Rates vom 22. Dezember 1995 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. L 56, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2117/2005 des Rates vom 21. Dezember 2005 (ABl. L 340, S. 17) geänderten Fassung (im Folgenden: Grundverordnung) niedergelegt.

4

Art. 1 Abs. 1, 2 und 4 der Grundverordnung bestimmt:

„(1)   Ein Antidumpingzoll kann auf jede Ware erhoben werden, die Gegenstand eines Dumpings ist und deren Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr in der [Union] eine Schädigung verursacht.

(2)   Eine Ware gilt als gedumpt, wenn ihr Preis bei der Ausfuhr in die [Union] niedriger ist als der vergleichbare Preis der zum Verbrauch im Ausfuhrland bestimmten gleichartigen Ware im normalen Handelsverkehr.

(4)   Im Sinne dieses Kapitels bezeichnet der Ausdruck ‚gleichartige Ware‘ eine Ware, die mit der untersuchten Ware identisch ist, d. h., ihr in jeder Hinsicht gleicht, oder, wenn es eine solche Ware nicht gibt, eine andere Ware, die zwar der betreffenden Ware nicht in jeder Hinsicht gleicht, aber Merkmale aufweist, die denen der betreffenden Ware sehr ähnlich sind.“

5

Art. 9 („Abschluss ohne Maßnahmen; Einführung endgültiger Zölle“) der Grundverordnung bestimmt in Abs. 4:

„Ergibt sich aus der endgültigen Feststellung des Sachverhalts, dass Dumping und eine dadurch verursachte Schädigung vorliegen und das Gemeinschaftsinteresse ein Eingreifen gemäß Artikel 21 erfordert, so setzt der Rat auf einen nach Konsultationen im Beratenden Ausschuss von der Kommission unterbreiteten Vorschlag mit einfacher Mehrheit einen endgültigen Antidumpingzoll fest.“

6

Der das Überprüfungsverfahren betreffende Art. 11 sieht in den Abs. 2, 3 und 4 der Grundverordnung vor:

„(2)   Eine endgültige Antidumpingmaßnahme tritt fünf Jahre nach ihrer Einführung oder fünf Jahre nach dem Datum des Abschlusses der letzten Überprüfung außer Kraft, die sowohl das Dumping als auch die Schädigung betraf, außer wenn in einer Überprüfung festgestellt wird, dass das Dumping und die Schädigung bei einem Auslaufen der Maßnahme wahrscheinlich anhalten oder erneut auftreten würden. Eine solche Überprüfung bei Auslaufen der Maßnahme wird von der Kommission von Amts wegen oder auf einen von den Gemeinschaftsherstellern oder in deren Namen gestellten Antrag hin eingeleitet, und die Maßnahme bleibt bis zum Abschluss einer solchen Überprüfung in Kraft.

(3)   Die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Maßnahmen kann bei Bedarf ebenfalls von der Kommission von Amts wegen oder auf Antrag eines Mitgliedstaats oder, sofern seit der Einführung der endgültigen Maßnahme eine angemessene Zeitspanne, mindestens aber ein Jahr vergangen ist, auf Antrag eines Ausführers oder Einführers oder der [Unionshersteller] überprüft werden, wenn dieser Antrag ausreichende Beweise für die Notwendigkeit einer solchen Interimsüberprüfung enthält.

Eine Interimsüberprüfung wird eingeleitet, wenn der Antrag ausreichende Beweise dafür enthält, dass die Aufrechterhaltung der Maßnahme zum Ausgleich des Dumpings nicht mehr notwendig ist und/oder dass die Schädigung im Fall der Aufhebung oder Änderung der Maßnahme wahrscheinlich nicht anhalten oder erneut auftreten würde oder dass die Maßnahme nicht oder nicht mehr ausreicht, um das schädigende Dumping unwirksam zu machen.

Bei Untersuchungen gemäß diesem Absatz kann die Kommission unter anderem prüfen, ob sich die Umstände hinsichtlich des Dumpings und der Schädigung wesentlich verändert haben oder ob die geltenden Maßnahmen zum angestrebten Ergebnis führen und die Beseitigung der gemäß Artikel 3 festgestellten Schädigung ermöglichen. Zu diesen Fragen werden alle einschlägigen und ordnungsgemäß belegten Beweise in der endgültigen Feststellung berücksichtigt.

(4)   Eine Überprüfung wird ferner zwecks Ermittlung individueller Dumpingspannen für neue Ausführer in dem betreffenden Ausfuhrland durchgeführt, die die Ware im Untersuchungszeitraum, auf den sich die Maßnahmen stützten, nicht exportiert haben.

Die Überprüfung wird eingeleitet, wenn ein neuer Ausführer oder Hersteller nachweisen kann, dass er mit keinem der Ausführer oder Hersteller in dem Ausfuhrland, deren Ware Gegenstand der Antidumpingmaßnahmen ist, geschäftlich verbunden ist, und wenn er nach dem vorgenannten Untersuchungszeitraum tatsächlich in die [Union] exportiert hat oder wenn er nachweisen kann, dass er eine unwiderrufliche vertragliche Verpflichtung zur Ausfuhr einer erheblichen Warenmenge in die [Union] eingegangen ist.

…“

7

Art. 13 („Umgehung“) Abs. 1 der Grundverordnung lautet:

„Die gemäß dieser Verordnung eingeführten Antidumpingzölle können auf die Einfuhren der gleichartigen Ware aus Drittländern, geringfügig verändert oder nicht, auf die Einfuhren der geringfügig veränderten gleichartigen Ware aus dem von Maßnahmen betroffenen Land oder auf die Einfuhren von Teilen dieser Ware ausgeweitet werden, wenn eine Umgehung der geltenden Maßnahmen stattfindet. Antidumpingzölle, die den gemäß Artikel 9 Absatz 5 eingeführten residualen Antidumpingzoll nicht übersteigen, können auf die Einfuhren von Unternehmen in den von Maßnahmen betroffenen Ländern, für die ein unternehmensspezifischer Zoll gilt, ausgeweitet werden, wenn eine Umgehung der geltenden Maßnahmen stattfindet. Die Umgehung wird als eine Veränderung des Handelsgefüges zwischen den Drittländern und der [Union] oder zwischen einzelnen Unternehmen in dem von Maßnahmen betroffenen Land und der [Union] definiert, die sich aus einer Praxis, einem Fertigungsprozess oder einer Arbeit ergibt, für die es außer der Einführung des Zolls keine hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung gibt, und wenn Beweise für eine Schädigung oder dafür vorliegen, dass die Abhilfewirkung des Zolls im Hinblick auf die Preise und/oder Mengen der gleichartigen Ware untergraben wird, und wenn erforderlichenfalls im Einklang mit Artikel 2 ermittelte Beweise für Dumping im Verhältnis zu den Normalwerten, die für die gleichartige Ware vorher festgestellt wurden, vorliegen.

…“

8

In Art. 14 Abs. 1 der Grundverordnung heißt es:

„Vorläufige oder endgültige Ausgleichszölle werden durch Verordnung eingeführt und von den Mitgliedstaaten in der Form, zu dem Satz und nach den sonstigen Modalitäten erhoben, die in der Verordnung zur Einführung dieser Zölle festgelegt sind. Diese Zölle werden auch unabhängig von den Zöllen, Steuern und anderen normalerweise bei der Einfuhr geforderten Abgaben erhoben. …“

Die CFL-i-Verordnungen

9

Mit ihrer Verordnung (EG) Nr. 255/2001 vom 7. Februar 2001 zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren integrierter elektronischer Kompakt-Leuchtstofflampen (CFL-i) mit Ursprung in der Volksrepublik China (ABl. L 38, S. 8) führte die Kommission einen vorläufigen Antidumpingzoll auf diese Art von Waren ein, die unter den KN-Code ex 8539 31 90 fielen. Mit der Verordnung Nr. 1470/2001 wurden sie dann mit einem endgültigen Antidumpingzoll belegt. Diese letztgenannte Verordnung blieb bis zum 18. Oktober 2008 in Kraft.

10

Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1470/2001 sah vor:

„Auf die Einfuhren elektronischer, mit Wechselstrom betriebener Kompakt-Leuchtstofflampen (einschließlich elektronischer, sowohl mit Wechselstrom als auch mit Gleichstrom betriebener Kompakt-Leuchtstofflampen) mit einer oder mehreren Glasröhren, bei denen alle Leuchtelemente und elektronischen Bauteile am Lampensockel befestigt bzw. darin integriert sind, des KN-Codes ex 8539 31 90 (TARIC-Code 8539 31 90*91 bis 10. September 2004 und TARIC-Code 8539 31 90*95 seit dem 11. September 2004) mit Ursprung in der Volksrepublik China wird ein endgültiger Antidumpingzoll eingeführt.“

11

Die mit der Verordnung Nr. 1470/2001 eingeführten Maßnahmen wurden nach einer Überprüfung wegen ihres bevorstehenden Außerkrafttretens gemäß Art. 11 Abs. 2 der Grundverordnung mit der Verordnung Nr. 1205/2007 aufrechterhalten und mit der Verordnung (EG) Nr. 866/2005 des Rates vom 6. Juni 2005 zur Ausweitung der mit der Verordnung Nr. 1470/2001 auf die Einfuhren integrierter elektronischer Kompakt-Leuchtstofflampen (CFL-i) mit Ursprung in der Volksrepublik China eingeführten endgültigen Antidumpingmaßnahmen auf die Einfuhren derselben aus der Sozialistischen Republik Vietnam, der Islamischen Republik Pakistan und der Republik der Philippinen versandten Ware (ABl. L 145, S. 1) auf Einfuhren aus anderen Ländern ausgeweitet.

12

Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1205/2007 sah vor:

„Es wird ein endgültiger Antidumpingzoll eingeführt auf die Einfuhren elektronischer, mit Wechselstrom betriebener Kompakt-Leuchtstofflampen (einschließlich elektronischer, sowohl mit Wechselstrom als auch mit Gleichstrom betriebener Kompakt-Leuchtstofflampen) mit einer oder mehreren Glasröhren, bei denen alle Leuchtelemente und elektronischen Bauteile am Lampensockel befestigt bzw. darin integriert sind, mit Ursprung in der Volksrepublik China, die unter KN-Code ex 8539 31 90 (TARIC-Code 8539 31 90 95) eingereiht werden.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

13

Steinel Vertrieb entwickelte einen Lichtsensor mit passender Steuerungssoftware. Daraus entwickelte sie eine von ihr patentierte Vorrichtung (im Folgenden: Dämmerungsschalter) zum Einbau in Lampen, die es ermöglicht, dass sich die Lampen entsprechend des natürlichen Umgebungslichts automatisch ein- und ausschalten, ohne dass dies durch das von den Lampen selbst erzeugte Licht beeinflusst wird.

14

In den Jahren 2007 und 2008 führte Steinel Vertrieb Energiesparlampen der Marke Sensor Light Plus mit einer Leistung von 11, 15 und 18 Watt aus China ein und meldete sie unter der Unterposition 8539 39 00 KN zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Es wurde kein Zoll erhoben. Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass es sich bei den Waren der Marke Sensor Light Plus um mit Wechselstrom betriebene Leuchtstofflampen handelt, die aus einer spiralförmigen Glühkathoden-Leuchtstoffröhre in einem Schutzglas und einem Lampensockel bestehen, in dem sich ein Vorschaltgerät sowie der von Steinel Vertrieb entwickelte und patentierte Dämmerungsschalter befinden.

15

Im Anschluss an eine Außenprüfung stellte sich das Hauptzollamt auf den Standpunkt, dass die von Steinel Vertrieb eingeführten Energiesparlampen in die Unterposition 8539 31 90 KN einzureihen seien und ihre Einfuhr deshalb dem in den CFL-i-Verordnungen vorgesehenen Antidumpingzoll unterliege. Dementsprechend erhob das Hauptzollamt von Steinel Vertrieb mit Bescheiden vom 31. März, 17. Mai, 13. Juli und 30. August 2010 insgesamt 485240,07 Euro Antidumpingzoll.

16

Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts hat Steinel Vertrieb – in diesem Punkt vom Hauptzollamt unwidersprochen – ausgeführt, dass sensorgesteuerte Leuchtstofflampen zum Zeitpunkt der Einführung des vorläufigen Antidumpingzolls mit der Verordnung Nr. 255/2001 nur von ihr und der Osram GmbH (im Folgenden: Osram) in der Union hergestellt worden seien. In China seien damals nur Leuchtstofflampen ohne diese Art von Vorrichtung hergestellt worden.

17

Das Hauptzollamt macht geltend, dass die von Steinel Vertrieb eingeführten Kompakt-Leuchtstofflampen in die Unterposition 8539 31 90 KN einzureihen seien, da es sich um mit Wechselstrom betriebene Kompakt-Leuchtstofflampen handele. Auf diese Waren sei daher der in den CFL-i-Verordnungen vorgesehene Antidumpingzoll zu erheben.

18

Unter diesen Umständen hat das Finanzgericht Düsseldorf das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Sind die CFL-i-Verordnungen dahin auszulegen, dass von ihnen auch die von Steinel Vertrieb eingeführten und im Vorlagebeschluss näher beschriebenen Kompakt-Leuchtstofflampen mit Dämmerungsschalter erfasst werden?

Zur Vorlagefrage

19

Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob der Umstand, dass die von Steinel Vertrieb eingeführten Leuchtstofflampen mit Dämmerungsschalter unter den KN-Code ex 8539 31 90 eingereiht werden, bedeutet, dass die in den CFL-i-Verordnungen vorgesehenen Antidumpingzölle zu erheben sind.

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

20

Steinel Vertrieb macht im Wesentlichen geltend, dass die streitigen Waren zum Zeitpunkt der Einführung des Antidumpingzolls im Jahr 2001 in China nicht hergestellt worden seien. Weltweit hätten nur Steinel Vertrieb und Osram Patente für die Herstellung von Beleuchtungskörpern mit Dämmerungsschalter angemeldet. Nach ihrem Sinn und Zweck bezögen sich die CFL-i-Verordnungen nur auf einfache Energiesparlampen. Die im Ausgangsverfahren fraglichen Waren seien dagegen hochwertige und exklusive Erzeugnisse, die keine Schädigung der europäischen Hersteller verursachen könnten, da nur Osram vergleichbare Waren herstelle. Zudem seien die Sensortechnik und der Dämmerungsschalter, die diese Waren kennzeichneten, patentiert, und es gebe weder in China noch in der Union identische Produkte. Ein Eingreifen im Interesse der Union sei daher nicht erforderlich.

21

Eine Interimsüberprüfung der Maßnahme nach Art. 11 Abs. 3 der Grundverordnung sei nicht beantragt worden, da die im Ausgangsverfahren fraglichen Waren jahrelang in die Unterposition 8539 39 00 KN eingereiht worden seien, ohne dass die nationalen Behörden dies beanstandet hätten.

22

Die Kommission trägt vor, dass der Gerichtshof den tatsächlichen Kontext so zu berücksichtigen habe, wie er vom vorlegenden Gericht festgestellt worden sei. Dieses habe jedoch entschieden, dass die von Steinel Vertrieb eingeführten Leuchtstofflampen in die Unterposition 8539 31 90 KN einzureihen seien und damit in den Anwendungsbereich der CFL-i-Verordnungen fielen.

23

Der Wortlaut der CFL-i-Verordnungen sei eindeutig und klar und lasse folglich nur eine einzige Auslegung zu. Eine teleologische Auslegung der fraglichen Norm scheide aus, da ein solcher Ansatz für die Bestimmung des Anwendungsbereichs einer Antidumpingverordnung ungeeignet sei. Müssten die nationalen Zollbehörden in jedem Einzelfall prüfen, ob es dem Sinn und Zweck einer Antidumpingverordnung entspreche, dass die jeweilige Ware in ihren Anwendungsbereich falle, wären sie nämlich nicht mehr in der Lage, ihre Aufgaben zu erfüllen. Eine solche Verpflichtung wäre mit den praktischen Erfordernissen der Zollverwaltung nicht vereinbar.

24

Außerdem sei die Tatsachenfeststellung des vorlegenden Gerichts, dass die streitigen Leuchtstofflampen zum Zeitpunkt der Einführung des vorläufigen Antidumpingzolls nicht in China, sondern nur in der Union hergestellt worden seien, ohne jegliche Bedeutung für die Frage, ob der mit den CFL-i-Verordnungen eingeführte Antidumpingzoll auf die im Ausgangsverfahren fraglichen Leuchtstofflampen anwendbar sei.

25

Die Kommission trägt in diesem Zusammenhang vor, es sei – insbesondere bei Verbrauchsgütern, die einem raschen Wandel in ihrem Design unterlägen – nicht unüblich, dass die Definition des Anwendungsbereichs einer Antidumpingverordnung so allgemein gehalten sei, dass auch Waren erfasst würden, die zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung entweder noch nicht existierten oder in dem Land, in dem das Dumping stattfinde, noch nicht hergestellt würden. Daher sei der Anwendungsbereich der CFL-i-Verordnungen im Kontext des Ausgangsverfahrens nicht auf Leuchtstofflampen beschränkt, die bereits bei Inkrafttreten dieser Bestimmungen in China hergestellt worden seien.

26

Die Antidumpingverordnung müsse ihren Anwendungsbereich in abstrakt-genereller Weise definieren, indem sie die von ihr erfassten Waren durch die Nennung des KN-Codes oder, falls der KN-Code zu weit sei, durch weitere Beschaffenheitsmerkmale angebe.

Würdigung durch den Gerichtshof

27

Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass die streitigen Waren in die Unterposition 8539 31 90 KN einzureihen sind und auch die weiteren in Art. 1 Abs. 1 der CFL-i-Verordnungen genannten wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale aufweisen.

28

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung das Verfahren gemäß Art. 267 AEUV auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, so dass nur das nationale Gericht, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der Fragen zu beurteilen hat, die es dem Gerichtshof stellt (vgl. Urteil vom 11. Februar 2010, Hoesch Metals and Alloys, C-373/08, Slg. 2010, I-951, Randnr. 59).

29

Somit gibt es keinen Grund, die Prüfung der Vorabentscheidungsfrage auf die Frage zu erstrecken, ob die von Steinel Vertrieb eingeführten streitigen Waren unter Berücksichtigung vom vorlegenden Gericht nicht genannter Gründe in den Anwendungsbereich der CFL-i-Verordnungen fallen, d. h. unter Berücksichtigung der von den nationalen Behörden vorgenommenen Beurteilung der Einreihung der im Ausgangsverfahren fraglichen Waren in die Tarifpositionen der KN (vgl. entsprechend Urteil Hoesch Metals and Alloys, Randnr. 60). Demnach ist aus der Vorlageentscheidung abzuleiten, dass das vorlegende Gericht den Gerichtshof insoweit nicht befragt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Juni 1994, AC-ATEL Electronics, C-30/93, Slg. 1994, I-2305, Randnr. 19).

30

Nach Art. 14 Abs. 1 der Grundverordnung werden Antidumpingzölle durch Verordnung eingeführt und von den Mitgliedstaaten in der Form, zu dem Satz und nach den sonstigen Modalitäten erhoben, die in der Verordnung zur Einführung dieser Zölle festgelegt sind.

31

Um die Waren, auf die der Antidumpingzoll erhoben werden soll, zu bestimmen, werden sie in den verfügenden Teilen der Antidumpingverordnungen insbesondere anhand der Tarifunterposition der KN, in die sie gehören, beschrieben. Eine solche Bezugnahme reicht jedoch nicht immer aus, um die von der Antidumpingregelung erfassten Waren genau bestimmen zu können, da es dem Wortlaut dieser Unterpositionen an Genauigkeit fehlen kann. Daher beschreibt der verfügende Teil einer Antidumpingverordnung die zu besteuernden Waren unter Heranziehung zusätzlicher Unterscheidungskriterien. Eine Ware muss nur dann versteuert werden, wenn sie in die KN-Unterposition eingereiht wird, die in einer Antidumpingverordnung genannt ist, und zugleich alle Merkmale der betreffenden Ware aufweist, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

32

Was das Ausgangsverfahren betrifft, so wird nach den CFL-i-Verordnungen ein endgültiger Antidumpingzoll auf die Einfuhren elektronischer, mit Wechselstrom betriebener Kompakt-Leuchtstofflampen (einschließlich elektronischer, sowohl mit Wechselstrom als auch mit Gleichstrom betriebener Kompakt-Leuchtstofflampen) mit einer oder mehreren Glasröhren, bei denen alle Leuchtelemente und elektronischen Bauteile am Lampensockel befestigt bzw. darin integriert sind, mit Ursprung in der Volksrepublik China, die unter KN-Code ex 8539 31 90 eingereiht werden, sowie auf die Einfuhren derselben Ware aus Vietnam, Pakistan und den Philippinen eingeführt.

33

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sich schon der Wortlaut von Art. 1 Abs. 1 der CFL-i-Verordnungen und insbesondere aus der Wendung „die unter KN-Code ex 8539 31 90 eingereiht werden“ darauf schließen lässt, dass die etwaige Einreihung eines Erzeugnisses in diese Tarifposition nicht ohne Weiteres dazu führt, dass das Erzeugnis dem Antidumpingzoll nach dieser Bestimmung unterliegt (vgl. entsprechend Urteile vom 24. Juni 1993, Dr. Tretter, C-90/92, Slg. 1993, I-3569, Randnr. 13, und vom 28. März 1996, Birkenbeul, C-99/94, Slg. 1996, I-1791, Randnr. 15).

34

Diese Auslegung scheitert nicht an der Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung der Zollvorschriften innerhalb der Union, wie sie sich bei einer wörtlichen Auslegung der fraglichen Bestimmung ergäbe. Eine solche einheitliche Anwendung muss nämlich durch die klare, genaue und vollständige Formulierung der fraglichen Unionsvorschrift sichergestellt werden (vgl. Urteil vom 1. April 1993, Findling Wälzlager, C-136/91, Slg. 1993, I-1793, Randnr. 14).

35

Die genannte Auslegung kann auch nicht deswegen verworfen werden, weil die betroffenen Parteien gemäß Art. 11 der Grundverordnung eine Überprüfung der Verordnungen zur Festsetzung von Antidumpingzöllen erreichen können. Diese Überprüfung kann nämlich nur unter bestimmten Umständen gerechtfertigt sein (vgl. in diesem Sinne Urteil Findling Wälzlager, Randnr. 15).

36

So sieht die Grundverordnung, wenn endgültige Antidumpingmaßnahmen in Kraft sind, in Art. 11 Abs. 3 und 4 die Möglichkeit einer Interimsüberprüfung der Zweckmäßigkeit ihrer Aufrechterhaltung vor, wenn ein Antrag, der von einem Ausführer, einem Einführer oder von Unionsherstellern ordnungsgemäß gestellt wurde, ausreichende Beweise dafür enthält, dass die Aufrechterhaltung der Maßnahme nicht mehr notwendig ist, oder aber wenn ein neuer Ausführer, der in dem von den Antidumpingmaßnahmen betroffenen Ausfuhrland ansässig ist, nachweisen kann, dass er die betreffenden Waren im Untersuchungszeitraum, auf den sich die Maßnahmen stützten, nicht exportiert hat.

37

Ferner ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung einer unionsrechtlichen Vorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Kontext und die Ziele zu berücksichtigen sind, die mit der Regelung verfolgt werden, zu der sie gehört (vgl. Urteil Birkenbeul, Randnr. 12).

38

Insoweit geht insbesondere aus den Art. 1 und 9 Abs. 4 der Grundverordnung hervor, dass nur Waren, die Gegenstand einer Antidumpinguntersuchung waren, Antidumpingmaßnahmen unterworfen werden können, sofern festgestellt wurde, dass die fraglichen Waren zu einem niedrigeren Preis als die von der Antidumpinguntersuchung erfassten gleichartigen Waren in die Union ausgeführt werden.

39

Daher kommt es für die Frage, ob neuartige Waren, die – wie vom vorlegenden Gericht im Ausgangsverfahren festgestellt – im von der Antidumpinguntersuchung betroffenen Land zum Zeitpunkt des Erlasses der Antidumpingverordnung nicht hergestellt wurden, dem Antidumpingzoll unterliegen, nicht nur darauf an, dass sie in die in dieser Verordnung genannte Unterposition der KN eingereiht werden, sondern auch darauf, dass sie, wie in Randnr. 31 des vorliegenden Urteils ausgeführt, sämtliche Merkmale aufweisen, die in der betreffenden Verordnung zum Zweck ihrer Identifizierung angeführt sind.

40

Sollten neuartige Waren, die, obwohl sie in die in einer Antidumpingverordnung genannte Unterposition eingereiht werden können, nicht alle sonstigen in dieser Verordnung festgelegten Merkmale aufweisen, können sie keinem Antidumpingzoll unterworfen werden, ohne dass zuvor untersucht worden wäre, ob auch sie Gegenstand eines Dumpings auf dem Markt der Union sind.

41

Art. 13 Abs. 1 der Grundverordnung sieht im Übrigen vor, dass bei einer Umgehung geltender Antidumpingmaßnahmen durch die Einfuhr von gleichartigen Waren aus Drittländern, geringfügig verändert oder nicht, und von geringfügig veränderten gleichartigen Waren aus dem von den Maßnahmen betroffenen Land oder von Teilen dieser Ware eine Untersuchung eingeleitet werden kann, um die Notwendigkeit einer Ausweitung der geltenden Maßnahmen auf solche gleichartigen Waren zu prüfen.

42

Es ist jedoch festzustellen, dass solche neuartigen Waren den in den CFL-i-Verordnungen vorgesehenen Antidumpingzöllen unterliegen können, wenn nachgewiesen wird, dass sie über ihre Einreihung in die in diesen Verordnungen genannte Unterposition der KN hinaus auch die gleichen Merkmale aufweisen wie die von diesen Verordnungen ursprünglich betroffene Ware.

43

Dagegen ergibt sich aus den vorstehenden Erwägungen, dass es nicht mit dem Zweck und der Systematik der Grundverordnung, insbesondere mit den das Untersuchungsverfahren zur Überprüfung betreffenden Art. 1 und 11 sowie dem die Umgehung betreffenden Art. 13, vereinbar ist, wenn die Anwendung der in den CFL-i-Verordnungen vorgesehenen Antidumpingzölle auf neuartige Waren ausgeweitet wird, die zwar die gleichen wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale wie die in diesen Verordnungen genannten aufweisen und zudem unter KN-Code ex 8539 31 90 einzureihen sind, aber doch andersartige Waren sind, da sie zusätzliche Merkmale aufweisen, die in diesen Verordnungen nicht genannt sind.

44

Um zu ermitteln, ob es sich um unterschiedliche Waren handelt, ist insbesondere zu prüfen, ob sie die gleichen technischen und physischen Merkmale, die gleichen grundlegenden Endverwendungen und das gleiche Verhältnis zwischen Qualität und Preis aufweisen. Dabei sind auch die Austauschbarkeit und der Wettbewerb zwischen diesen Waren zu beurteilen.

45

Unter diesen Umständen ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die CFL-i-Verordnungen sämtliche Waren betreffen, die die gleichen wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale wie die in diesen Verordnungen genannten aufweisen und die zudem in die Unterposition ex 8539 31 90 KN einzureihen sind. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob dies bei den im Ausgangsverfahren fraglichen Waren trotz der Hinzufügung eines Dämmerungsschalters der Fall ist oder ob es sich bei den im Ausgangsverfahren fraglichen Waren deshalb um andersartige Waren handelt, weil sie zusätzliche Merkmale aufweisen, die in diesen Verordnungen nicht genannt sind.

Kosten

46

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

 

Die Verordnung (EG) Nr. 1470/2001 des Rates vom 16. Juli 2001 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren integrierter elektronischer Kompakt-Leuchtstofflampen (CFL-i) mit Ursprung in der Volksrepublik China in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1322/2006 des Rates vom 1. September 2006 geänderten Fassung und die Verordnung (EG) Nr. 1205/2007 des Rates vom 15. Oktober 2007 zur Einführung endgültiger Antidumpingzölle auf die Einfuhren integrierter elektronischer Kompakt-Leuchtstofflampen (CFL-i) mit Ursprung in der Volksrepublik China nach einer Überprüfung wegen des bevorstehenden Außerkrafttretens der Maßnahmen gemäß Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 384/96 und zur Ausweitung der Antidumpingzölle auf die Einfuhren derselben aus der Sozialistischen Republik Vietnam, der Islamischen Republik Pakistan und der Republik der Philippinen versandten Ware betreffen sämtliche Waren, die die gleichen wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale wie die in diesen Verordnungen genannten aufweisen und die zudem in die Unterposition ex 8539 31 90 der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der durch die Verordnung (EG) Nr. 254/2000 des Rates vom 31. Januar 2000 geänderten Fassung einzureihen sind. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob dies bei den im Ausgangsverfahren fraglichen Waren trotz der Hinzufügung eines Dämmerungsschalters der Fall ist oder ob es sich bei den im Ausgangsverfahren fraglichen Waren deshalb um andersartige Waren handelt, weil sie zusätzliche Merkmale aufweisen, die in diesen Verordnungen nicht genannt sind.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.