URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

13. Dezember 2012 ( *1 )

„Freizügigkeit der Arbeitnehmer — Art. 45 AEUV — Beihilfe zur Einstellung von älteren Arbeitslosen und Langzeitarbeitslosen — Erfordernis der Meldung bei einer Vermittlungsstelle der nationalen Arbeitsverwaltung — Wohnsitzerfordernis — Beschränkung — Rechtfertigung“

In der Rechtssache C-379/11

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour administrative (Luxemburg) mit Entscheidung vom 14. Juli 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Juli 2011, in dem Verfahren

Caves Krier Frères Sàrl

gegen

Directeur de l’Administration de l’emploi

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Richters A. Rosas in Wahrnehmung der Aufgaben der Präsidentin der Zweiten Kammer sowie der Richter U. Lõhmus, A. Ó Caoimh (Berichterstatter), A. Arabadjiev und C. G. Fernlund,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Caves Krier Frères Sàrl, vertreten durch M. Mailliet, avocat,

der luxemburgischen Regierung, vertreten durch C. Schiltz als Bevollmächtigten im Beistand von G. Pierret und S. Coï, avocats,

der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und D. Hadroušek als Bevollmächtigte,

der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,

der polnischen Regierung, vertreten durch M. Szpunar und B. Majczyna als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Rozet als Bevollmächtigten,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 27. September 2012

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Art. 21 AEUV und des Art. 45 AEUV.

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Caves Krier Frères Sàrl (im Folgenden: Caves Krier) und der Administration de l’emploi (Arbeitsverwaltung, im Folgenden: ADEM) wegen der Versagung einer Beihilfe zur Einstellung von älteren Arbeitslosen und Langzeitarbeitslosen.

Rechtlicher Rahmen in Luxemburg

3

In Art. L. 541-1 des Code du travail (Arbeitsgesetzbuch) heißt es:

„Der Fonds pour l’emploi (Beschäftigungsfonds) erstattet privaten Arbeitgebern den Arbeitgeber- und den Arbeitnehmeranteil der Sozialversicherungsbeiträge für von ihnen eingestellte Arbeitslose, unabhängig davon, ob diese Leistungen beziehen, sofern sie mindestens das 45. Lebensjahr vollendet haben und seit mindestens einem Monat bei einer Vermittlungsstelle der [ADEM] arbeitsuchend gemeldet sind.

Die 40- bis 44jährigen Arbeitsuchenden müssen bei einer Vermittlungsstelle der [ADEM] seit mindestens drei Monaten und die 35- bis 39jährigen seit mindestens zwölf Monaten arbeitsuchend gemeldet sein.

Das Erfordernis einer Meldung bei einer Vermittlungsstelle der [ADEM] gilt nicht für Arbeitsuchende, die mindestens das 40. Lebensjahr vollendet haben und von einem Plan zur Aufrechterhaltung von Beschäftigungsverhältnissen im Sinne von Art. L. 513-3 betroffen sind, der vom für den Bereich Arbeit zuständigen Minister genehmigt worden ist.“

4

Gemäß Art. L. 622-6 Abs. 1 des Code du travail sind alle arbeitsuchenden Arbeitslosen verpflichtet, sich bei der ADEM arbeitsuchend zu melden.

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

5

Frau Schmidt-Krier besitzt die luxemburgische Staatsangehörigkeit, ist am 30. Juli 1955 geboren und wohnt mit ihrem Mann in Deutschland nahe der luxemburgischen Grenze. Sie hat ihren gesamten Berufsweg in Luxemburg zurückgelegt.

6

Im Alter von 52 Jahren wurde Frau Schmidt-Krier von Caves Krier, einer Gesellschaft mit Sitz in Remich (Luxemburg), mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag zum 1. Mai 2008 eingestellt.

7

Nach der Einstellung von Frau Schmidt-Krier beantragte Caves Krier am 2. September 2008 bei der ADEM eine Beihilfe zur Einstellung von älteren Arbeitslosen und Langzeitarbeitslosen gemäß Art. L. 541-1 Abs. 1 des Code du travail.

8

Mit Bescheid vom 4. September 2008 lehnte die ADEM diesen Antrag mit der Begründung ab, dass Frau Schmidt-Krier die in dieser Bestimmung vorgesehene Bedingung nicht erfülle, wonach sie seit mindestens einem Monat bei der ADEM als arbeitsuchend gemeldet sein müsse (im Folgenden: streitiger Bescheid).

9

Am 11. Januar 2010 erhob Caves Krier beim Tribunal administratif eine Klage auf Nichtigerklärung dieses Bescheids, in deren Rahmen sie ausführte, dass Frau Schmidt-Krier in Deutschland arbeitsuchend gemeldet sei und stets in Luxemburg gearbeitet habe. Sie habe sich nur deshalb in Deutschland arbeitslos gemeldet, weil sie und ihr Mann zwar weiterhin in Luxemburg gearbeitet, ihren Wohnsitz aber nach Deutschland verlegt hätten.

10

Caves Krier stützte ihre Klage auf einen einzigen Klagegrund, und zwar auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz, wie ihn die Verfassung des Großherzogtums Luxemburg vorsehe, da in der anzuwendenden Regelung und damit im streitigen Bescheid in Luxemburg wohnende luxemburgische Staatsangehörige und im Ausland wohnende luxemburgische Staatsangehörige, auch wenn sie jeweils in Luxemburg gearbeitet hätten, bei der Gewährung der in Rede stehenden Beihilfe ungleich behandelt würden, ohne dass diese Ungleichbehandlung durch objektive Kriterien gerechtfertigt sei.

11

In seinem Urteil vom 14. Juli 2010 wies das Tribunal administratif die Klage mit der Begründung ab, dass Frau Schmidt-Krier bei ihrer Einstellung das Erfordernis einer Meldung bei der ADEM nicht erfüllt habe. Zum Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung führte es aus, dass die Lage eines in Luxemburg wohnenden Arbeitslosen, der sich somit bei der ADEM arbeitslos melden könne, nicht mit der Lage eines Arbeitslosen vergleichbar sei, der nicht in Luxemburg wohne und sich daher nicht bei der ADEM melden könne, sondern dies bei der Arbeitsverwaltung seines Wohnsitzstaats tun müsse.

12

Gegen dieses Urteil legte Caves Krier am 12. August 2010 Rechtsmittel bei der Cour administrative ein, wobei sie die Verfassungswidrigkeit von Art. L. 541-1 Abs. 1 des Code du travail geltend machte.

13

Die daraufhin mit dieser Frage befasste Cour constitutionnelle stellte mit ihrem Urteil Nr. 64/11 vom 4. Mai 2011 (Mémorial A 2011, S. 1572) die Vereinbarkeit dieser Bestimmung mit der luxemburgischen Verfassung fest.

14

In ihrer Vorlageentscheidung ist die Cour administrative jedoch der Auffassung, dass diese Rechtssache eine unionsrechtliche Frage aufwerfe. Es sei nämlich unstreitig, dass sich nur Gebietsansässige bei der ADEM anmelden könnten. Da die in Art. L. 541-1 Abs. 1 des Code du travail vorgesehene Einstellungsbeihilfe von einer solchen Meldung abhängig sei, bleibe diese Beihilfe damit Arbeitgebern vorbehalten, die gebietsansässige Arbeitslose einstellten. Die Bestimmung könne daher eine Beeinträchtigung der Freizügigkeit der Unionsbürger im Sinne der Art. 21 AEUV und 45 AEUV darstellen, weil der potenzielle Arbeitgeber eines Arbeitslosen, der mindestens das 45. Lebensjahr vollendet habe, dazu neigen werde, eine in Luxemburg ansässige Person einzustellen, da er nur bei deren Einstellung die in Rede stehende Beihilfe erhalten könne.

15

Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass der luxemburgische Staat in dem bei ihm anhängigen Verfahren nicht vertreten sei und daher nicht die Möglichkeit gehabt habe, darzutun, dass die an den Wohnsitz anknüpfende Beschränkung auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen des Allgemeininteresses beruhe und in einem angemessenen Verhältnis zu dem Zweck stehe, der mit der streitigen innerstaatlichen Bestimmung zulässigerweise verfolgt werde. Dieses Gericht hält sich nicht für befugt, etwaige Rechtfertigungsgründe für diese Bestimmung von Amts wegen zu berücksichtigen.

16

Unter diesen Umständen hat die Cour administrative beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist Art. L. 541-1 Abs. 1 des Code du travail, soweit er den Anspruch der privaten Arbeitgeber auf Erstattung sowohl des Arbeitgeber- als auch des Arbeitnehmeranteils der Sozialversicherungsbeiträge für von ihnen eingestellte Arbeitslose, die mindestens das 45. Lebensjahr vollendet haben, an die Bedingung knüpft, dass diese unabhängig davon, ob sie Leistungen beziehen, seit mindestens einem Monat bei einer Vermittlungsstelle der ADEM arbeitsuchend gemeldet sein müssen, während Arbeitgeber, die einen Arbeitslosen einstellen, der bei einer entsprechenden Stelle im Ausland arbeitsuchend gemeldet ist, nicht von dieser Maßnahme profitieren, mit dem Unionsrecht, insbesondere mit Art. 21 AEUV und Art. 45 AEUV, vereinbar?

Zur Vorlagefrage

Zur Zulässigkeit

17

Erstens macht die österreichische Regierung geltend, das Vorabentscheidungsersuchen sei unzulässig, da das vorlegende Gericht den maßgeblichen Sachverhalt des vorliegenden Falles und die anwendbaren nationalen Vorschriften nicht präzise dargelegt habe. Während sich aus dem wörtlichen Zitat von Art. L. 541-1 Abs. 1 des Code du travail sowie aus dem Wortlaut der Vorlagefrage nicht ergebe, dass die Gewährung der streitigen Einstellungsbeihilfe an den Arbeitgeber auf in Luxemburg ansässige Personen beschränkt sei, gehe die Vorlageentscheidung nämlich von einer solchen Beschränkung aus. Es sei somit nicht klar, ob im vorliegenden Fall die unionsrechtliche Zulässigkeit eines Wohnsitzerfordernisses oder lediglich jene einer Meldepflicht bei der ADEM zu prüfen sei.

18

Dieser Einwand ist zurückzuweisen. Wie aus Randnr. 14 des vorliegenden Urteils hervorgeht, hat das vorlegende Gericht in seiner Entscheidung, mit der es den Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht, den maßgeblichen Sachverhalt des Ausgangsverfahrens in aller erforderlichen Klarheit dargelegt und die dort Anwendung findende nationale Bestimmung, nämlich Art. L. 541-1 Abs. 1 des Code du travail, präzise bestimmt. Das vorlegende Gericht hat darüber hinaus die von ihm vorgenommene Auslegung der anwendbaren nationalen Regelung dargelegt und festgestellt, dass sich unstreitig nur Gebietsansässige bei der ADEM als arbeitsuchend melden könnten. Der Gerichtshof verfügt daher über alle erforderlichen Angaben, um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, damit es den Ausgangsrechtsstreit entscheiden kann.

19

Zweitens wirft die tschechische Regierung die Frage auf, ob die vom vorlegenden Gericht gestellte Frage nicht hypothetisch sei, da Frau Schmidt-Krier unbeschadet des Art. L. 541-1 Abs. 1 des Code du travail von Caves Krier eingestellt worden sei.

20

Auch wenn die Ablehnung, Caves Krier die Einstellungsbeihilfe gemäß Art. L. 541-1 Abs. 1 des Code du travail zu gewähren, diese Gesellschaft nicht daran gehindert hat, Frau Schmidt-Krier einzustellen, hat diese Ablehnung doch, wie die tschechische Regierung selbst in ihren schriftlichen Erklärungen einräumt, zur Folge gehabt, dass die Einstellung zu ungünstigeren Bedingungen erfolgte als die Einstellung eines Arbeitsuchenden, der mindestens das 45. Lebensjahr vollendet hat und bei der ADEM gemeldet ist, was nach Auffassung von Caves Krier ein Hindernis für die im Unionsrecht vorgesehene Freizügigkeit der Arbeitnehmer darstellt und deshalb zu einem Rechtsstreit zwischen ihr selbst und der ADEM geführt hat. Daher kann nicht angenommen werden, dass die vom vorlegenden Gericht gestellte Frage hypothetisch ist.

21

Schließlich führt die tschechische Regierung drittens aus, die Vorlagefrage könne auch deshalb unzulässig sein, weil sich aus der Vorlageentscheidung zu ergeben scheine, dass Frau Schmidt-Krier in Deutschland als arbeitsuchend gemeldet gewesen sei, während sie zur gleichen Zeit in Luxemburg gearbeitet habe.

22

Da das vorlegende Gericht festgestellt hat, dass Art. L. 541-1 Abs. 1 des Code du travail im Ausgangsverfahren Anwendung finde, was voraussetzt, dass Frau Schmidt-Krier zum Zeitpunkt ihrer Einstellung arbeitslos war, kann der Gerichtshof, der im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens nicht die Aufgabe hat, den Sachverhalt zu beurteilen, diese Prämisse jedoch nicht in Frage stellen.

23

Daher ist festzustellen, dass das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen zulässig ist.

Zur Beantwortung

24

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 21 AEUV und Art. 45 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die die Gewährung einer Beihilfe an Arbeitgeber zur Einstellung von Arbeitslosen, die mindestens das 45. Lebensjahr vollendet haben, an die Bedingung knüpft, dass der eingestellte Arbeitslose im selben Mitgliedstaat als arbeitsuchend gemeldet sein muss, wenn eine solche Meldung an das Erfordernis eines Wohnsitzes in diesem Staat geknüpft ist.

25

Es ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung jeder Angehörige eines Mitgliedstaats, der von dem Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer Gebrauch gemacht und in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnstaat eine Berufstätigkeit ausgeübt hat, unabhängig von seinem Wohnort und seiner Staatsangehörigkeit in den Anwendungsbereich von Art. 45 AEUV fällt (vgl. u. a. Urteile vom 21. Februar 2006, Ritter-Coulais, C-152/03, Slg. 2006, I-1711, Randnr. 31, und vom 18. Juli 2007, Hartmann, C-212/05, Slg. 2007, I-6303, Randnr. 17).

26

Darüber hinaus geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass im Rahmen von Art. 45 AEUV als „Arbeitnehmer“ anzusehen ist, wer während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verliert der Betroffene grundsätzlich die Arbeitnehmereigenschaft, wobei jedoch zum einen diese Eigenschaft nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestimmte Folgewirkungen haben kann und zum anderen derjenige, der tatsächlich eine Arbeit sucht, ebenfalls als Arbeitnehmer zu qualifizieren ist (vgl. Urteil vom 12. Mai 1998, Martínez Sala, C-85/96, Slg. 1998, I-2691, Randnr. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27

Die Situation eines Grenzarbeitnehmers wie Frau Schmidt-Krier, der nach dem Verlust seines Arbeitsplatzes in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem sich sein tatsächlicher Wohnsitz befindet, in dem anderen Mitgliedstaat wieder eine Beschäftigung im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsvertrags findet, fällt folglich in den Anwendungsbereich von Art. 45 AEUV.

28

Es steht zwar fest, dass die Freizügigkeitsrechte dieses Artikels den Arbeitnehmern einschließlich der Arbeitsuchenden zustehen, doch ist dieser Vorschrift kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass sich nicht auch andere Personen auf sie berufen könnten. Das Recht der Arbeitnehmer, bei Einstellung und Beschäftigung nicht diskriminiert zu werden, kann nämlich nur dann seine volle Wirkung entfalten, wenn die Arbeitgeber ein entsprechendes Recht darauf haben, Arbeitnehmer nach Maßgabe der Bestimmungen über die Freizügigkeit einzustellen (vgl. Urteile vom 7. Mai 1998, Clean Car Autoservice, C-350/96, Slg. 1998, I-2521, Randnrn. 19 und 20, sowie vom 11. Januar 2007, ITC, C-208/05, Slg. 2007, I-181, Randnrn. 22 und 23).

29

Daher kann sich ein Arbeitgeber wie Caves Krier auf die den Arbeitnehmern durch Art. 45 AEUV unmittelbar zuerkannten Rechte berufen.

30

Da das Ausgangsverfahren unter diese Vorschrift fällt, braucht zur Auslegung von Art. 21 AEUV nicht Stellung genommen zu werden. Letztere Vorschrift, in der das Recht jedes Unionsbürgers, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, in allgemeiner Form niedergelegt ist, findet nämlich in Art. 45 AEUV eine besondere Ausprägung in Bezug auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (vgl. u. a. Urteile ITC, Randnrn. 64 und 65, vom 11. September 2007, Hendrix, C-287/05, Slg. 2007, I-6909, Randnrn. 61 und 62, sowie vom 25. Oktober 2012, Prete, C-367/11, Randnr. 20).

31

Was die Frage betrifft, ob eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche eine Beschränkung im Sinne von Art. 45 AEUV darstellt, ist darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Freizügigkeit insgesamt den Angehörigen der Mitgliedstaaten die Ausübung von beruflichen Tätigkeiten aller Art im Gebiet der Europäischen Union erleichtern sollen und Maßnahmen entgegenstehen, die diese Staatsangehörigen benachteiligen könnten, wenn sie eine wirtschaftliche Tätigkeit im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ausüben wollen (vgl. u. a. Urteile ITC, Randnr. 31, und vom 16. März 2010, Olympique Lyonnais, C-325/08, Slg. 2010, I-2177, Randnr. 33).

32

Die luxemburgische Regierung führt jedoch aus, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung keine Beeinträchtigung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer beinhalte, da sie kein Wohnsitzerfordernis vorsehe. Die Vorlagefrage beruhe insoweit auf einer fehlerhaften Auslegung der nationalen Regelung durch das vorlegende Gericht. Jeder nicht gebietsansässige Arbeitslose könne sich nämlich bei der ADEM anmelden. Daher stelle Art. L. 622-6 Abs. 1 des Code du travail klar, dass alle arbeitsuchenden Arbeitslosen verpflichtet seien, sich bei der ADEM arbeitsuchend zu melden. Ein Arbeitnehmer, der die luxemburgische Staatsangehörigkeit besitze und in Deutschland wohne, müsse sich zwar bei der deutschen Arbeitsverwaltung anmelden, um Arbeitslosengeld zu erhalten, kein luxemburgisches Gesetz hindere einen solchen Arbeitnehmer jedoch daran, sich bei der ADEM anzumelden, um über freie Arbeitsstellen in Luxemburg informiert zu werden und dem Arbeitgeber, der ihn einstelle, die Möglichkeit zu geben, die Rechte aus Art. L. 541-1 Abs. 1 des Code du travail in Anspruch zu nehmen.

33

Die luxemburgische Regierung ist somit der Auffassung, dass weder diese Bestimmung noch Art. L. 622-6 Abs. 1 des Code du travail diskriminierend im Sinne des Unionsrechts seien, da nicht verlangt werde, dass der Arbeitsuchende ein Staatsangehörigkeits- oder Wohnsitzkriterium erfülle, damit ein Arbeitgeber die in Rede stehende Beihilfe beantragen könne. Art. L. 541-1 Abs. 1 des Code du travail stelle zudem klar, dass dem Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge für von ihm eingestellte Arbeitslose unabhängig davon erstattet würden, ob diese Leistungen bezögen. Im Ausgangsverfahren habe sich die ADEM daher darauf beschränkt, im streitigen Bescheid festzustellen, dass Frau Schmidt-Krier das Erfordernis einer Meldung bei dieser Verwaltung nicht erfülle. Diese habe jedoch keineswegs eine Entscheidung über die Ablehnung der Meldung erlassen, der eine Diskriminierung im Sinne des Unionsrechts zugrunde läge.

34

Daraus ergibt sich nach Auffassung der luxemburgischen Regierung, dass in Luxemburg ansässige Arbeitnehmer wie Angehörige anderer Mitgliedstaaten, die in Luxemburg arbeiten, oder luxemburgische Staatsangehörige, die in Luxemburg arbeiten und in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, denselben Pflichten unterworfen sind. Sie würden somit nicht ungleich behandelt, da sie sich alle bei der ADEM anmelden könnten.

35

Insoweit ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung nicht befugt ist, das innerstaatliche Recht eines Mitgliedstaats auszulegen (vgl. insbesondere Urteil vom 17. März 2011, Naftiliaki Etaireia Thasou und Amaltheia I Naftiki Etaireia, C-128/10 und C-129/10, Slg. 2011, I-1885, Randnr. 40).

36

Der Gerichtshof ist daher nicht befugt, im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV darüber zu entscheiden, wie nationale Vorschriften auszulegen sind oder ob ihre Auslegung durch das vorlegende Gericht richtig ist (Urteil vom 23. April 2009, Angelidaki u. a., C-378/07 bis C-380/07, Slg. 2009, I-3071, Randnr. 48 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

37

Der Gerichtshof hat jedoch im Rahmen der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Unionsgerichten und den nationalen Gerichten in Bezug auf den tatsächlichen und rechtlichen Kontext, in den sich die Vorlagefragen einfügen, von den Feststellungen in der Vorlageentscheidung auszugehen (Urteil vom 29. Oktober 2009, Pontin, C-63/08, Slg. 2009, I-10467, Randnr. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38

Daher muss die Prüfung des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens – unbeschadet der Kritik der luxemburgischen Regierung an der vom vorlegenden Gericht vorgenommenen Auslegung des nationalen Rechts – in Ansehung der von diesem Gericht vorgenommenen Auslegung dieses Rechts erfolgen (vgl. entsprechend Urteil Pontin, Randnr. 38).

39

Wie sich bereits aus Randnr. 18 des vorliegenden Urteils ergibt, hat das vorlegende Gericht jedoch in seiner Entscheidung, mit der es den Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht, festgestellt, dass sich unstreitig nur Gebietsansässige bei der ADEM anmelden könnten, obwohl in dieser Rechtssache feststeht, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung nicht explizit vorsieht, dass die Meldung bei der ADEM an das Erfordernis eines Wohnsitzes in Luxemburg geknüpft ist.

40

Darüber hinaus ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten, dass im Kontext des Ausgangsverfahrens auch das Tribunal administratif in seiner Entscheidung vom 14. Juli 2010 sowie die Cour constitutionnelle in ihrem Urteil Nr. 64/11 vom 4. Mai 2011 diese Auslegung vorgenommen haben.

41

Außerdem geht aus den von Caves Krier in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichtshofs vorgelegten Dokumenten hervor, dass zwar auf der für Arbeitsuchende in Luxemburg bestimmten Website kurz darauf hingewiesen wird, dass Grenzarbeitnehmer, die dies wünschen, sich bei der ADEM anmelden können, aber dieser Hinweis mit anderen Passagen derselben Website sowie mit mehreren anderen Dokumenten in Widerspruch steht, in denen vielmehr betont wird, dass ein Arbeitsuchender für die Meldung bei der ADEM in diesem Mitgliedstaat wohnen muss. Überdies geht zwar aus den vorbereitenden Arbeiten zur Reform der ADEM, die von Caves Krier ebenfalls vorgelegt wurden, hervor, dass ab dem Jahr 2012 Grenzarbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz in Luxemburg verloren haben, zu allen Dienstleistungen der ADEM Zugang haben, doch legt diese Neuregelung, die zur für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeit nicht galt, durchaus den Gedanken nahe, dass ein solcher Zugang vor dem Jahr 2012 ausgeschlossen war.

42

Infolgedessen ist im Rahmen der Prüfung der vorliegenden Vorlagefrage die Annahme zugrunde zu legen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung die Meldung bei der ADEM und damit die in Art. L. 541-1 Abs. 1 des Code du travail vorgesehene Gewährung der Einstellungsbeihilfe an das Erfordernis eines Wohnsitzes in Luxemburg knüpft, wobei es jedoch Sache des vorlegenden Gerichts ist, dies im Rahmen der Ausübung seiner Befugnisse zu prüfen.

43

Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung bewirkt daher eine Ungleichbehandlung derjenigen arbeitsuchenden Staatsangehörigen von Mitgliedstaaten, die in Luxemburg wohnen, gegenüber denjenigen, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen.

44

Somit benachteiligt diese nationale Regelung dadurch, dass sie die Gewährung der Einstellungsbeihilfe an die Bedingung knüpft, dass der Arbeitsuchende seinen Wohnsitz in Luxemburg haben muss, bestimmte Arbeitnehmer nur deshalb, weil sie ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat begründet haben.

45

Daher kann eine solche Regelung einen in Luxemburg ansässigen Arbeitgeber davon abhalten, einen Arbeitsuchenden einzustellen, der, wie Frau Schmidt-Krier im Ausgangsverfahren, seinen Wohnsitz nicht in diesem Mitgliedstaat hat, da der Arbeitgeber bei einer solchen Einstellung, anders als bei der Einstellung eines Arbeitsuchenden, der seinen Wohnsitz im selben Mitgliedstaat hat, die Einstellungsbeihilfe nicht erhalten kann.

46

Die Regelung kann folglich den Zugang eines Grenzarbeitnehmers, der, wie Frau Schmidt-Krier, arbeitslos ist, zur Beschäftigung in Luxemburg erschweren.

47

Eine solche nationale Regelung, durch die nicht gebietsansässige Arbeitnehmer ungünstiger behandelt werden als Arbeitnehmer, die in Luxemburg wohnen, stellt eine Beschränkung der den Arbeitnehmern durch Art. 45 AEUV zuerkannten Freiheit dar (vgl. entsprechend Urteile vom 7. Juli 2005, van Pommeren-Bourgondiën, C-227/03, Slg. 2005, I-6101, Randnr. 44, sowie Ritter-Coulais, Randnrn. 37 und 38).

48

Eine Maßnahme, die die Freizügigkeit der Arbeitnehmer beschränkt, ist nur dann zulässig, wenn mit ihr ein berechtigter, mit dem Vertrag vereinbarer Zweck verfolgt wird und sie aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. In einem derartigen Fall muss aber die Anwendung einer solchen Maßnahme auch geeignet sein, die Verwirklichung des in Rede stehenden Zwecks zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zu seiner Erreichung erforderlich ist (vgl. u. a. Urteile ITC, Randnr. 37, und Olympique Lyonnais, Randnr. 38).

49

Nach ständiger Rechtsprechung ist es Sache der Mitgliedstaaten, wenn sie eine Maßnahme erlassen, die von einem im Unionsrecht verankerten Grundsatz abweicht, in jedem Einzelfall nachzuweisen, dass diese Maßnahme geeignet ist, die Erreichung des mit ihr angestrebten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das zu dessen Erreichung Erforderliche hinausgeht. Neben den Rechtfertigungsgründen, die ein Mitgliedstaat geltend machen kann, muss dieser daher eine Untersuchung zur Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der von ihm erlassenen Maßnahme vorlegen sowie genaue Angaben zur Stützung seines Vorbringens machen (Urteil vom 13. April 2010, Bressol u. a., C-73/08, Slg. 2010, I-2735, Randnr. 71).

50

Im vorliegenden Fall hat die luxemburgische Regierung, trotz der vom Gerichtshof in der mündlichen Verhandlung hierzu gestellten Fragen, nicht versucht, das mit dem Wohnsitzerfordernis, das die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung für die Meldung bei der ADEM und somit für die Gewährung der Einstellungsbeihilfe aufstellt, verfolgte Ziel darzulegen, und sich darauf beschränkt, das Erfordernis einer Meldung bei dieser Verwaltung zu rechtfertigen. Die luxemburgische Regierung hat mithin nicht das Geringste vorgetragen, um dieses Wohnsitzerfordernis im Hinblick auf die durch Art. 45 AEUV geschützten zwingenden Gründe des Allgemeininteresses zu rechtfertigen.

51

Um dem vorlegenden Gericht eine vollständige Antwort zu geben, ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof zwar bereits entschieden hat, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, die zur Verwirklichung ihrer beschäftigungspolitischen Ziele geeigneten Maßnahmen zu wählen. Der Gerichtshof hat anerkannt, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Befugnis über einen weiten Beurteilungsspielraum verfügen. Überdies ist die Förderung von Einstellungen unbestreitbar ein legitimes Ziel der Sozialpolitik (vgl. Urteil ITC, Randnr. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52

Jedoch kann der Beurteilungsspielraum, über den die Mitgliedstaaten im Bereich der Sozialpolitik verfügen, keine Beeinträchtigung der Rechte rechtfertigen, die der Einzelne aus den Bestimmungen des Vertrags herleiten kann, in denen seine Grundfreiheiten verankert sind (vgl. Urteil ITC, Randnr. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

53

In diesem Zusammenhang ist jedoch insbesondere darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ein Wohnsitzerfordernis für Wander- und Grenzarbeitnehmer grundsätzlich unangemessen ist, da diese, indem sie Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats gefunden haben, grundsätzlich ein hinreichendes Band der Integration in die Gesellschaft dieses Staates geschaffen haben, das es ihnen erlaubt, in den Genuss des Grundsatzes der Gleichbehandlung im Verhältnis zu inländischen Arbeitnehmern und dort ansässigen Arbeitnehmern zu kommen. Das Band der Integration ergibt sich insbesondere daraus, dass die Wander- und Grenzarbeitnehmer mit den Abgaben, die sie im Aufnahmemitgliedstaat aufgrund der dort von ihnen ausgeübten unselbständigen Erwerbstätigkeit entrichten, auch zur Finanzierung der sozialpolitischen Maßnahmen dieses Staates beitragen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 14. Juni 2012, Kommission/Niederlande, C-542/09, Randnrn. 63, 65 und 66 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

54

So steht im Ausgangsverfahren fest, dass es sich bei Frau Schmidt-Krier, auch wenn sie nicht in Luxemburg wohnt, um eine Grenzarbeitnehmerin und Staatsangehörige dieses Mitgliedstaats handelt, die dort ihren gesamten Berufsweg zurückgelegt hat. Sie ist somit in den luxemburgischen Arbeitsmarkt integriert.

55

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 45 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die die Gewährung einer Beihilfe an Arbeitgeber zur Einstellung von Arbeitslosen, die mindestens das 45. Lebensjahr vollendet haben, an die Bedingung knüpft, dass der eingestellte Arbeitslose im selben Mitgliedstaat als arbeitsuchend gemeldet sein muss, wenn eine solche Meldung – was zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist – an das Erfordernis eines Wohnsitzes in diesem Staat geknüpft ist.

Kosten

56

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 45 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die die Gewährung einer Beihilfe an Arbeitgeber zur Einstellung von Arbeitslosen, die mindestens das 45. Lebensjahr vollendet haben, an die Bedingung knüpft, dass der eingestellte Arbeitslose im selben Mitgliedstaat als arbeitsuchend gemeldet sein muss, wenn eine solche Meldung – was zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist – an das Erfordernis eines Wohnsitzes in diesem Staat geknüpft ist.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.