Rechtssache C-242/10
Enel Produzione SpA
gegen
Autorità per l’energia elettrica e il gas
(Vorabentscheidungsersuchen des
Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia)
„Richtlinie 2003/54/EG – Elektrizitätsbinnenmarkt – Für das Funktionieren des Elektrizitätsnetzes wesentliche Anlagen zur Elektrizitätserzeugung – Verpflichtung zur Angebotsabgabe an der nationalen Strombörse im Einklang mit den vom Übertragungs- und Verteilernetzbetreiber festgelegten Vorgaben und Kriterien – Dienst der Inanspruchnahme und des Ausgleichs von Kapazitäten – Gemeinwohlverpflichtungen“
Leitsätze des Urteils
Rechtsangleichung – Angleichungsmaßnahmen – Gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt – Richtlinie 2003/54
(Richtlinie 2003/54 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 3 Abs. 2 und Art. 11 Abs. 2 und 6)
Die Richtlinie 2003/54 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92, insbesondere Art. 3 Abs. 2 und Art. 11 Abs. 2 und 6, ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, die den Anbietern, die Inhaber von Anlagen oder Gruppen von Anlagen sind, die nach den von der nationalen Regulierungsbehörde vorgegebenen Kriterien als wesentlich zur Deckung des nachfragebedingten Elektrizitätsbedarfs für die Dispatching-Dienste gelten, mit dem Ziel der Senkung des Strompreises im Interesse des Endverbrauchers und der Sicherheit des Elektrizitätsnetzes die Verpflichtung auferlegt, Angebote auf den nationalen Elektrizitätsmärkten zu den von dieser Behörde im Voraus festgelegten Bedingungen abzugeben, nicht entgegensteht, sofern diese Regelung nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels erforderlich ist. Ob diese Voraussetzung im Ausgangsverfahren erfüllt ist, hat das vorlegende Gericht zu prüfen.
(vgl. Randnr. 89 und Tenor)
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)
21. Dezember 2011(*)
„Richtlinie 2003/54/EG – Elektrizitätsbinnenmarkt – Für das Funktionieren des Elektrizitätsnetzes wesentliche Anlagen zur Elektrizitätserzeugung – Verpflichtung zur Angebotsabgabe an der nationalen Strombörse im Einklang mit den vom Übertragungs- und Verteilernetzbetreiber festgelegten Vorgaben und Kriterien – Dienst der Inanspruchnahme und des Ausgleichs von Kapazitäten – Gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen“
In der Rechtssache C‑242/10
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia (Italien) mit Entscheidung vom 21. Januar 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Mai 2010, in dem Verfahren
Enel Produzione SpA
gegen
Autorità per l’energia elettrica e il gas,
Beteiligte:
Terna rete elettrica nazionale SpA,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues sowie der Richter U. Lõhmus, A. Rosas, A. Ó Caoimh und A. Arabadjiev (Berichterstatter),
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2011,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der Enel Produzione SpA, vertreten durch G. Greco und M. Muscardini, avvocati,
– der Terna rete elettrica nazionale SpA, vertreten durch A. Clarizia, P. Ziotti, P. Clarizia und G. Guida, avvocati,
– der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,
– der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl als Bevollmächtigten,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Zadra und O. Beynet als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. Juli 2011
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 23 EG, 43 EG, 49 EG und 56 EG sowie von Art. 11 Abs. 2 und 6 und Art. 24 der Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG (ABl. L 176, S. 37).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Enel Produzione SpA (im Folgenden: Enel) und der Autorità per l’energia elettrica e il gas (im Folgenden: AEEG) wegen einer nationalen Regelung, nach der Erzeuger elektrischer Energie, die über Anlagen verfügen, die für das Funktionieren des Elektrizitätsnetzes wesentlich sind, bei der Abgabe von Angeboten für Elektrizitätslieferungen von der Übertragungs- oder Verteilernetzbetreibergesellschaft (im Folgenden: Netzbetreiber) vorgegebene Regeln beachten müssen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3 Die Richtlinie 2003/54 ist Teil des „Zweiten Energiepakets“, das der Unionsgesetzgeber zur schrittweisen Liberalisierung eines Binnenmarkts für Elektrizität und Gas erlassen hat. Mit dieser Richtlinie werden nach ihrem Art. 1 „gemeinsame Vorschriften für die Elektrizitätserzeugung, ‑übertragung, ‑verteilung und ‑versorgung erlassen. Sie regelt die Organisation und Funktionsweise des Elektrizitätssektors, den Marktzugang, die Kriterien und Verfahren für die Ausschreibungen und die Vergabe von Genehmigungen sowie den Betrieb der Netze.“
4 In Kapitel II („Allgemeine Vorschriften für die Organisation des Sektors“) bestimmt Art. 3 („Gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen und Schutz der Kunden“) Abs. 2 der Richtlinie 2003/54:
„Die Mitgliedstaaten können unter uneingeschränkter Beachtung der einschlägigen Bestimmungen des Vertrags, insbesondere des Artikels 86, den Elektrizitätsunternehmen im Allgemeinen wirtschaftlichen Interesse Verpflichtungen auferlegen, die sich auf Sicherheit, einschließlich Versorgungssicherheit, Regelmäßigkeit, Qualität und Preis der Versorgung sowie Umweltschutz, einschließlich Energieeffizienz und Klimaschutz, beziehen können. Solche Verpflichtungen müssen klar festgelegt, transparent, nichtdiskriminierend und überprüfbar sein und den gleichberechtigten Zugang von Elektrizitätsunternehmen in der Europäischen Union zu den nationalen Verbrauchern sicherstellen. …“
5 Art. 9 der Richtlinie, der die Aufgaben der Übertragungsnetzbetreiber festlegt, sieht vor:
„Jeder Übertragungsnetzbetreiber ist verantwortlich,
a) auf lange Sicht die Fähigkeit des Netzes, eine angemessene Nachfrage nach Übertragung von Elektrizität zu befriedigen, sicherzustellen;
b) durch entsprechende Übertragungskapazität und Zuverlässigkeit des Netzes zur Versorgungssicherheit beizutragen;
…“
6 Art. 11 („Inanspruchnahme und Ausgleich von Kapazitäten“) Abs. 2 und 6 der Richtlinie lautet:
„(2) Die Einspeisung aus den Erzeugungsanlagen und die Nutzung der Verbindungsleitungen erfolgen auf der Grundlage von Kriterien, die der betreffende Mitgliedstaat genehmigen kann, die objektiv und veröffentlicht sein sowie auf nichtdiskriminierende Weise angewandt werden müssen, damit ein einwandfreies Funktionieren des Elektrizitätsbinnenmarkts gewährleistet wird. Bei den Kriterien werden der wirtschaftliche Vorrang von Strom aus verfügbaren Erzeugungsanlagen oder aus dem Transfer aus Verbindungsleitungen sowie die sich für das Netz ergebenden technischen Beschränkungen berücksichtigt.
…
(6) Soweit sie diese Funktion haben, beschaffen sich die Übertragungsnetzbetreiber die Energie, die sie zur Deckung von Energieverlusten und Kapazitätsreserven in ihrem Netz verwenden, nach transparenten, nichtdiskriminierenden und marktorientierten Verfahren.“
7 In Kapitel V („Betrieb des Verteilernetzes“) der Richtlinie heißt es in Art. 14, der die Aufgaben der Verteilernetzbetreiber regelt:
„(1) Der Verteilernetzbetreiber unterhält in seinem Gebiet ein sicheres, zuverlässiges und effizientes Elektrizitätsverteilernetz unter Beachtung des Umweltschutzes.
(2) Der Verteilernetzbetreiber hat sich jeglicher Diskriminierung von Netzbenutzern oder Kategorien von Netzbenutzern, insbesondere zugunsten der mit ihm verbundenen Unternehmen, zu enthalten.
…
(6) Sofern den Verteilernetzbetreibern der Ausgleich des Verteilernetzes obliegt, müssen die von ihnen zu diesem Zweck festgelegten Regelungen objektiv, transparent und nichtdiskriminierend sein, einschließlich der Regelungen über die von den Netzbenutzern für Energieungleichgewichte zu zahlenden Entgelte. Die Bedingungen für die Erbringung dieser Leistungen durch die Verteilernetzbetreiber einschließlich Regelungen und Tarife werden gemäß einem mit Artikel 23 Absatz 2 zu vereinbarenden Verfahren in nichtdiskriminierender Weise und kostenorientiert festgelegt und veröffentlicht.
…“
8 In Kapitel VII („Organisation des Netzzugangs“) der Richtlinie befasst sich Art. 23 mit den Regulierungsbehörden. Abs. 1 bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten betrauen eine oder mehrere zuständige Stellen mit der Aufgabe als Regulierungsbehörde. Diese Behörden müssen von den Interessen der Elektrizitätswirtschaft vollkommen unabhängig sein. Sie haben durch Anwendung dieses Artikels zumindest die Aufgabe, Nichtdiskriminierung, echten Wettbewerb und ein effizientes Funktionieren des Markts sicherzustellen und ein Monitoring insbesondere in Bezug auf folgende Aspekte durchzuführen:
…
b) etwaige Mechanismen zur Behebung von Kapazitätsengpässen im nationalen Elektrizitätsnetz;
…
g) Umfang, in dem die Übertragungs- und Verteilernetzbetreiber ihren Aufgaben gemäß den Artikeln 9 und 14 nachkommen;
…“
9 Nach Art. 24 („Schutzmaßnahmen“) der Richtlinie 2003/54 kann ein Mitgliedstaat vorübergehend die notwendigen Schutzmaßnahmen treffen, wenn plötzliche Marktkrisen im Energiesektor auftreten oder die Sicherheit von Personen, Geräten oder Anlagen oder die Unversehrtheit des Netzes gefährdet ist. Er muss diese Maßnahmen unverzüglich der Europäischen Kommission mitteilen.
Nationales Recht
10 Mit dem Decreto legislativo Nr. 79 vom 16. März 1999 (GURI Nr. 75 vom 31. März 1999, im Folgenden: Bersani-Dekret) wurde die Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt (ABl. 1997, L 27, S. 20) umgesetzt.
11 Art. 2 Abs. 10 des Dekrets definiert die Inanspruchnahme (im Folgenden auch: Dispatching) als „Tätigkeit, die darauf gerichtet ist, Regeln für die koordinierte Nutzung und den koordinierten Betrieb von Erzeugungsanlagen, Übertragungsnetzen und Hilfsdiensten aufzustellen“. Ausweislich der dem Gerichtshof vorgelegten Akten ist die Inanspruchnahme der Vorgang, bei dem der Netzbetreiber die in seinem Gebiet gelegenen Erzeugungsanlagen, die über entsprechende Kapazitätsreserven verfügen, nach Maßgabe der Erfordernisse der Nachfrage „in Anspruch nimmt“, um jederzeit das Gleichgewicht zwischen dem Elektrizitätsangebot und der Elektrizitätsnachfrage im Netz zu sichern und damit die Kontinuität der Versorgung mit Elektrizität zu gewährleisten.
12 Die AEEG erließ gemäß Art. 3 Abs. 3 und Art. 5 des Bersani-Dekrets am 30. Dezember 2003 den Beschluss Nr. 168/03 (Beilage zur GURI Nr. 24 vom 30. Januar 2004), um der lokalen Marktmacht einiger Erzeugungsanlagen entgegenzuwirken, die für die Deckung des Elektrizitätsbedarfs unter ausreichenden Sicherheitsbedingungen unentbehrlich sind. In dem Beschluss werden die Bedingungen festgelegt, zu denen der Dispatching- und der entsprechende Energieversorgungsdienst erbracht werden.
13 Nach dem Dekret des Ministers für die produktiven Tätigkeiten vom 19. Dezember 2003 (Beilage zur GURI Nr. 301 vom 30. Dezember 2003) ist der italienische Elektrizitätsmarkt in drei verschiedene Märkte aufgeteilt, nämlich erstens den Day-Ahead-Markt, auf dem die Verhandlungen über den Ankauf und Verkauf von Elektrizität für jeden relevanten Zeitraum des nachfolgenden Tages stattfinden, zweitens den Intra-Day-Markt, auf dem die Verhandlungen über den Ankauf und Verkauf von Elektrizität zum Ausgleich der auf dem Day-Ahead-Markt festgelegten Einspeisungs- und Abnahmeprogramme stattfinden, und drittens den Markt für Dispatching-Dienste, der sich seinerseits in den Ex-ante-Markt für Dispatching-Dienste und den Ausgleichsmarkt unterteilt.
14 Mit dem Beschluss Nr. 111/06 der AEEG vom 9. Juni 2006 (Beilage zur GURI Nr. 153 vom 4. Juli 2006) (im Folgenden: Beschluss Nr. 111/06) wurde der in Randnr. 12 des vorliegenden Urteils angeführte Beschluss Nr. 168/03 dahin geändert, dass die Terna rete elettrica nazionale SpA (im Folgenden: Terna), die Hauptbetreiberin des Netzes, mit einem Instrument ausgestattet wurde, das es ihr ermöglicht, sich die für den Dispatching-Dienst erforderlichen Ressourcen zu beschaffen. Bei dem Instrument handelt es sich um die Regelung über die für den Betrieb und die Sicherheit des Elektrizitätsnetzes wesentlichen Anlagen (im Folgenden: Regelung über die wesentlichen Anlagen). Die Bestimmungen dieser Regelung waren in Anhang A Abschnitt 3 Titel 2 des Beschlusses Nr. 111/06, insbesondere in den Art. 63, 64 und 65 dieses Anhangs, enthalten.
15 Das Decreto‑legge Nr. 185 vom 29. November 2008 über Sofortmaßnahmen zur Unterstützung der Familien, der Arbeit, der Beschäftigung und der Unternehmen sowie zur Neudefinition des nationalen Strategierahmens zur Bekämpfung der Krise (Beilage zur GURI Nr. 280 vom 29. November 2008) in der durch das Gesetz Nr. 2 vom 28. Januar 2009 (Beilage zur GURI Nr. 22 vom 28. Januar 2009) in ein Gesetz überführten und geänderten Fassung (im Folgenden: Decreto‑legge Nr. 185) hat die Regelung über die wesentlichen Anlagen weitgehend übernommen. In Art. 3 Abs. 10 dieses Gesetzes werden die Grundsätze aufgestellt, denen die Regelung über den Elektrizitätsmarkt „in Anbetracht der außergewöhnlichen Wirtschaftskrise auf internationaler Ebene und ihrer Auswirkungen auch auf die Rohstoffpreise“ entsprechen muss, „um die Belastungen für Familien und Unternehmen zu verringern und den Strompreis zu senken“.
16 Insbesondere sieht Art. 3 Abs. 10 Buchst. d des Decreto‑legge Nr. 185 vor, dass die Verwaltung des Marktes für Dispatching-Dienste „dem Konzessionär des Übertragungs- und Dispatching-Dienstes übertragen wird, um die Auswahl der zur Gewährleistung der Sicherheit des Elektrizitätsnetzes erforderlichen Ressourcen durch eine transparente und effiziente Beurteilung aus wirtschaftlicher Sicht zu ermöglichen. Die Dispatching-Dienste werden durch den Ankauf der erforderlichen Ressourcen durch die zugelassenen Anbieter sichergestellt. Die Festlegung des Strompreises erfolgt auf dem Markt für Dispatching‑Dienste auf der Grundlage der von den zugelassenen Nutzern verbindlich angebotenen und von dem Konzessionär der Dispatching-Dienste angenommenen Preise; dabei haben die Angebote mit dem niedrigsten Preis bis zur vollständigen Bedarfsdeckung Vorrang …“
17 Art. 3 Abs. 11 des Decreto‑legge Nr. 185 bestimmt im Wesentlichen, um die Belastungen für Familien und Unternehmen zu verringern und den Strompreis zu senken:
„Die [AEEG] passt ihre Beschlüsse auch in Bezug auf das Strom-Dispatching den folgenden Grundsätzen und Kriterien an:
a) Die Inhaber von einzelnen Anlagen oder Gruppen von Anlagen, die für die Deckung des Bedarfs der Dispatching-Dienste wesentlich sind, wie sie auf der Grundlage der von der [AEEG] in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des vorliegenden Buchstabens aufgestellten Kriterien bestimmt wurden, sind zur Angebotsabgabe auf den Märkten nach den von der [AEEG] festgelegten Bedingungen verpflichtet, wobei diese die punktuellen Mechanismen zur Gewährleistung der Verringerung der Netzkosten und einer angemessen Vergütung für die Erzeuger umsetzt. Insbesondere sind diejenigen Anlagen in den Zeiträumen, in denen die im Folgenden beschriebenen Bedingungen eintreten, wesentlich für die Deckung des Bedarfs der Dispatching-Dienste, die in technischer und struktureller Hinsicht unentbehrlich sind, um Netzengpässe zu beheben oder ein angemessenes Sicherheitsniveau des nationalen Elektrizitätsnetzes über längere Zeiträume aufrechtzuerhalten.
b) Es werden Maßnahmen ergriffen, um die Effizienz des Marktes für Dispatching-Dienste zu steigern, auf eine Senkung der Kosten für die Bereitstellung dieser Dienste hinzuwirken, Verträge über Ressourcen mit fester Laufzeit zu schließen und die von den Endkunden geschuldete Gegenleistung zu stabilisieren.“
18 Auf der Grundlage des Decreto‑legge Nr. 185 und des Gesetzes Nr. 2/09 erließ die AEEG am 29. April 2009 den Beschluss Nr. ARG/elt 52/09 (Beilage zur GURI Nr. 133 vom 11. Juni 2009, im Folgenden: Beschluss Nr. 52/09), mit dessen Art. 1 die Art. 63, 64 und 65 des Anhangs A zum Beschluss Nr. 111/06 geändert wurden. Mit dem Beschluss Nr. 52/09 führte die AEEG eine Neuregelung für das Dispatching der für den Betrieb und die Sicherheit des Elektrizitätsnetzes wesentlichen Anlagen ein.
19 Nach Art. 63 Abs. 9 des Anhangs A des Beschlusses Nr. 111/06 in der durch den Beschluss Nr. 52/09 geänderten Fassung hat der Verwalter des Netzes alljährlich ein Verzeichnis aufzustellen und zu veröffentlichen, das die Anlagen und Gruppen von Anlagen auflistet, die als wesentlich für den Betrieb und die Sicherheit des Elektrizitätsnetzes gelten. Diese Anlagen unterliegen den Angebotsverpflichtungen und der Vergütungsregelung, wie sie in den Art. 63 bis 65 des Anhangs A des Beschlusses Nr. 111/06 in der durch den Beschluss Nr. 52/09 geänderten Fassung beschrieben sind.
20 Die Regelung in Art. 64 des Anhangs A des Beschlusses Nr. 111/06 in der durch den Beschluss Nr. 52/09 geänderten Fassung (im Folgenden: allgemeine Regelung) sieht vor, dass der Inhaber einer wesentlichen Anlage verpflichtet ist, für die Mengen und während des Zeitraums, für den seine Anlage als wesentlich gilt, Angebote abzugeben, die folgende Bedingungen erfüllen:
– auf dem Day-Ahead-Markt und auf dem Intra-Day-Markt müssen die Verkaufsangebote zum Nullpreis und die Kaufangebote ohne Preisangabe erfolgen,
– auf dem Markt für Dispatching-Dienste müssen die Angebote den Verkaufspreisen für Strom auf dem Day-Ahead-Markt entsprechen.
21 Wie den beim Gerichtshof eingereichten Akten zu entnehmen ist, hat der Erzeuger die Möglichkeit, für die nicht als wesentlich geltenden Mengen und Zeiten die Preise frei zu bestimmen.
22 Mit dem Beschluss Nr. 52/09 wurde zudem in den Anhang A des Beschlusses Nr. 111/06 ein Art. 65bis eingefügt, der den Inhabern wesentlicher Anlagen die Möglichkeit eröffnet, für ihre Anlagen auf vertraglicher Grundlage eine von den Art. 63 bis 65 des Anhangs A des Beschlusses Nr. 111/06 in der durch den Beschluss Nr. 52/09 geänderten Fassung abweichende Angebotsmodalität zu wählen, was dazu führt, dass keine ihrer Erzeugungsanlagen in dem Kalenderjahr, auf das sich der Vertrag erstreckt, in das Verzeichnis der wesentlichen Anlagen aufgenommen wird.
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
23 Enel klagt in ihrer Eigenschaft als Stromerzeugerin und Inhaberin von als wesentlich geltenden Anlagen vor dem vorlegenden Gericht auf Nichtigerklärung des Beschlusses Nr. 52/09 und macht im Wesentlichen geltend, dass dieser gegen die Richtlinie 2003/54, insbesondere Art. 11 Abs. 2 und 6, verstoße.
24 Enel trägt vor, dass in dem durch die angefochtene Regelung eingeführten System die Sicherstellung der Verfügbarkeit der für die Durchführung der Dispatching-Dienste erforderlichen Energie durch den Netzbetreiber dem Grundsatz des freien Zusammenspiels von Angebot und Nachfrage entzogen sei und auf der Grundlage von Anweisungen an die Inhaber von als wesentlich eingestuften Anlagen oder Gruppen von Anlagen erfolge, bestimmte Energiemengen auf allen Märkten, die die Strombörse bildeten, nämlich dem Day-Ahead-Markt, dem Intra-Day-Markt und dem Markt für Dispatching-Dienste zu einem Preis zur Verfügung zu stellen, der nicht vom Erzeuger im Rahmen seiner Unternehmensstrategie festgelegt, sondern von der AEEG vorgegeben werde, und zwar unter Bezugnahme auf den durchschnittlichen Börsenpreis, wie er auf dem Day-Ahead-Markt und auf dem Intra-Day-Markt festgelegt werde, und auf der Grundlage von Preisen, die von den Ergebnissen des speziellen Referenzbörsenmarkts, des Marktes für Dispatching-Dienste, losgelöst seien.
25 Dies laufe der Zielsetzung und den Bestimmungen der Richtlinie 2003/54 zuwider, die in der Absicht, die Gesetzgebung der verschiedenen Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen, vorsehe, dass die Stromerzeugung und der Stromvertrieb in einem vom marktwirtschaftlichen Wettbewerb geprägten Umfeld und nicht nach einem dirigistischen Modell erfolgen sollten. Die Regelung des Beschlusses Nr. 52/09 verstoße auch gegen Art. 11 Abs. 2 und 6 dieser Richtlinie, der vorsehe, dass bei den Dispatching-Diensten der wirtschaftliche Vorrang von Strom aus Erzeugungsanlagen berücksichtigt werde, indem die verfügbaren Angebote nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgewählt würden, und dass sich die Netzbetreiber die Energie, die sie zur Deckung von Energieverlusten und Kapazitätsreserven in ihrem Netz verwendeten, nach transparenten, nichtdiskriminierenden und marktorientierten Verfahren beschafften.
26 Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob die fragliche nationale Regelung mit den Bestimmungen des Vertrags über die Niederlassungsfreiheit, den freien Dienstleistungsverkehr, den freien Warenverkehr und den freien Kapitalverkehr vereinbar ist. Die Auferlegung eines Kontrahierungszwangs stelle nämlich eine erhebliche Einmischung in die den Wirtschaftsteilnehmern grundsätzlich zustehende Vertragsfreiheit dar und könne zu zusätzlichen Belastungen für sie und zu einer Abänderung ihrer Geschäftspolitik führen. Auch die im Voraus erfolgende Festlegung des Stromverkaufspreises stehe im Widerspruch zur Niederlassungsfreiheit.
27 Das vorlegende Gericht bezweifelt, dass sich die in der fraglichen nationalen Regelung vorgesehenen Maßnahmen anhand der Ausnahmen in Art. 86 Abs. 2 EG und Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2003/54 rechtfertigen ließen, denn es sei nicht sicher, dass sie gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen darstellen könnten.
28 Das vorlegende Gericht hat auch Zweifel an der Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahmen. Sie zielten nämlich nicht darauf ab, auf dem Markt für Dispatching-Dienste Wettbewerbsbedingungen durchzusetzen, um die Marktmacht derjenigen Anbieter einzuschränken, die Schlüsselstellungen innehätten, sondern schränkten die Rolle des Marktes für Dispatching-Dienste zu Gunsten eines durch den Netzbetreiber gelenkten administrativen Energieversorgungssystems ein. Ferner sei nicht nachgewiesen, dass die Marktmacht dieser Anbieter nicht auch durch Maßnahmen eingeschränkt werden könnte, die mit der Entscheidung, den Markt zu liberalisieren, vereinbar seien.
29 Schließlich führt das vorlegende Gericht aus, dass die fraglichen Maßnahmen geeignet seien, eine dauerhafte Ausnahme von den Vorgaben des Energiebinnenmarktes zu bilden. Sie könnten auch keine „Schutzmaßnahmen“ im Sinne des Art. 24 der Richtlinie 2003/54 darstellen.
30 Unter diesen Umständen hat das Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Stehen die Art. 23 EG, 43 EG, 49 EG und 56 EG sowie Art. 11 Abs. 2 und 6 und Art. 24 der Richtlinie 2003/54 einer nationalen Regelung entgegen, die, ohne dass eine Mitteilung an die Kommission erfolgt ist, bestimmten Stromerzeugern, die unter bestimmten Umständen zur Deckung des nachfragebedingten Bedarfs für die Dispatching-Dienste wesentlich sind, auf Dauer vorschreibt, Angebote auf den Märkten der Strombörse nach fremdbestimmten Vorgaben des Netzbetreibers abzugeben, und die Vergütung für diese Angebote der freien Festsetzung des Erzeugers entzieht, indem sie sie an Kriterien koppelt, die nicht im Voraus nach „transparenten, nichtdiskriminierenden und marktorientierten Verfahren“ festgelegt worden sind?
Zur Vorlagefrage
Vorbemerkungen
31 Mit seiner Frage ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um Auslegung der Bestimmungen des Art. 56 EG über den freien Kapitalverkehr.
32 Insoweit ist zu beachten, dass der Gerichtshof nicht über eine von einem nationalen Gericht zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage befinden kann, wenn er nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Dezember 2006, Cipolla u. a., C‑94/04 und C‑202/04, Slg. 2006, I‑11421, Randnr. 25, sowie vom 31. Januar 2008, Centro Europa 7, C‑380/05, Slg. 2008, I‑349, Randnr. 53). Die Vorlageentscheidung muss die genauen Gründe angeben, aus denen dem nationalen Gericht die Auslegung des Unionsrechts fraglich und die Vorlage von Vorabentscheidungsfragen an den Gerichtshof erforderlich erscheint. In diesem Zusammenhang ist es unerlässlich, dass das nationale Gericht ein Mindestmaß an Erläuterungen zu den Gründen für die Wahl der Unionsbestimmungen, um deren Auslegung es ersucht, und zu dem Zusammenhang gibt, den es zwischen diesen Bestimmungen und den auf den Ausgangsrechtsstreit anzuwendenden nationalen Rechtsvorschriften herstellt (Urteil Centro Europa 7, Randnr. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).
33 Das vorlegende Gericht erläutert aber in keiner Weise, welchen Zusammenhang es zwischen den Bestimmungen des Vertrags über den freien Kapitalverkehr und dem Ausgangsrechtsstreit bzw. dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits herstellt. Daher ist die Vorlagefrage unzulässig, soweit sie sich auf die Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr bezieht.
34 Hinsichtlich der vom vorlegenden Gericht angeführten Vertragsbestimmungen über den freien Warenverkehr, den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassungsfreiheit ist zum einen festzustellen, dass die Richtlinie 2003/54 u. a. auf der Grundlage von Art. 47 Abs. 2 EG und Art. 55 EG, die diese Grundfreiheiten betreffen, erlassen worden ist. Zum anderen liegt dem Ausgangsrechtsstreit eine Klage gegen die nationale Regelung über den Dispatching-Dienst zugrunde. Dieser ist gerade Gegenstand des Art. 11 der Richtlinie 2003/54. Für die Zwecke des Ausgangsverfahrens sichert diese Richtlinie die Verwirklichung der im Vertrag verankerten Grundfreiheiten – darunter der freie Warenverkehr, der freie Dienstleistungsverkehr und die Niederlassungsfreiheit – im Elektrizitätssektor und trägt damit zu deren Gewährleistung bei. Daher sind mögliche Beschränkungen der Grundfreiheiten anhand dieser Richtlinie zu prüfen.
35 Zu dem vom vorlegenden Gericht erwähnten Art. 24 der Richtlinie 2003/54 ist festzustellen, dass er die Schutzmaßnahmen regelt, die ein Mitgliedstaat treffen darf, um außergewöhnlichen Gefahren für das Netz zu begegnen. Auch wenn das Decreto‑legge Nr. 185 „in Anbetracht der Wirtschaftskrise auf internationaler Ebene und ihrer Auswirkungen auf die Rohstoffpreise“ erlassen wurde, ist den beim Gerichtshof eingereichten Akten jedoch nicht zu entnehmen, dass der Erlass dieser Regelung auf eine plötzliche Marktkrise im Energiesektor oder die Gefährdung der Sicherheit von Personen, Geräten oder Anlagen oder der Unversehrtheit des Netzes zurückgeht, wie dies in Art. 24 vorausgesetzt wird. Unter diesen Umständen ist Art. 24 der Richtlinie für die Beantwortung des Vorabentscheidungsersuchens nicht relevant.
36 Soweit im Übrigen das vorlegende Gericht Zweifel daran hat, dass die fraglichen Maßnahmen gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen darstellen können, ist auch Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2003/54 zu berücksichtigen, wonach die Mitgliedstaaten den Elektrizitätsunternehmen solche Verpflichtungen auferlegen können.
37 Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte und um dem vorlegenden Gericht eine für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits zweckdienliche Antwort zu geben, ist die Vorlagefrage so zu verstehen, dass zu prüfen ist, ob die Richtlinie 2003/54, insbesondere Art. 3 Abs. 2 und Art. 11 Abs. 2 und 6, dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die den Anbietern, die Inhaber von Anlagen oder Gruppen von Anlagen sind, die nach den von der nationalen Regulierungsbehörde vorgegebenen Kriterien als wesentlich zur Deckung des nachfragebedingten Elektrizitätsbedarfs für die Dispatching-Dienste gelten, die Verpflichtung auferlegt, Angebote auf den nationalen Elektrizitätsmärkten zu den von dieser Behörde im Voraus festgelegten Bedingungen abzugeben.
Zu den Voraussetzungen für die Intervention der Mitgliedstaaten
Gemeinwohlverpflichtungen
38 Nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2003/54 können die Mitgliedstaaten unter uneingeschränkter Beachtung des Art. 86 EG den Elektrizitätsunternehmen im Allgemeinen wirtschaftlichen Interesse Verpflichtungen auferlegen, die sich auf Sicherheit, einschließlich Versorgungssicherheit, Regelmäßigkeit, Qualität und Preis der Versorgung beziehen können.
39 Die Mitgliedstaaten haben die Kommission nach Art. 3 Abs. 9 der Richtlinie 2003/54 über alle Maßnahmen zu unterrichten, die zur Erfüllung von Gemeinwohlverpflichtungen, einschließlich des Verbraucherschutzes, getroffen wurden, und über deren mögliche Auswirkungen auf den nationalen und internationalen Wettbewerb, und zwar unabhängig davon, ob für diese Maßnahmen eine Ausnahme von der Richtlinie erforderlich ist oder nicht; sie haben der Kommission alle zwei Jahre eventuelle Änderungen der Maßnahmen mitzuteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. April 2010, Federutility u. a., C‑265/08, Slg. 2010, I‑3377, Randnr. 23). Die Unterrichtung über diese Maßnahmen ermöglicht die Nachprüfung, ob ein Mitgliedstaat eine Gemeinwohlverpflichtung auferlegen wollte. Das Unterbleiben der Unterrichtung allein reicht allerdings nicht für den Nachweis aus, dass die fragliche Regelung keine Gemeinwohlverpflichtung darstellt.
40 Nach Art. 86 Abs. 2 EG gelten für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert, und außerdem darf die Entwicklung des Handelsverkehrs nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem Interesse der Union zuwiderläuft.
41 Wie der Gerichtshof festgestellt hat, soll diese Vorschrift das Interesse der Mitgliedstaaten am Einsatz bestimmter Unternehmen als Instrument der Wirtschafts- oder Sozialpolitik mit dem Interesse der Union an der Einhaltung der Wettbewerbsregeln und der Wahrung der Einheit des Gemeinsamen Marktes in Einklang bringen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. September 1999, Albany, C‑67/96, Slg. 1999, I‑5751, Randnr. 103 und die dort angeführte Rechtsprechung).
42 Damit geht unmittelbar aus dem Wortlaut des Art. 86 EG hervor, dass die Gemeinwohlverpflichtungen, die Unternehmen nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2003/54 auferlegt werden können, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten müssen und dass diese Verpflichtungen daher die freie Festlegung des Lieferpreises für Strom nur insoweit, als es zur Erreichung des mit ihnen verfolgten, im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse liegenden Ziels erforderlich ist, beeinträchtigen dürfen (Urteil Federutility u. a., Randnr. 33).
Die Unionsregelung auf dem Elektrizitätsmarkt und die Dispatching‑Dienste
43 Im Rahmen der schrittweisen Liberalisierung des Elektrizitätsmarkts sind die von den Mitgliedstaaten eingesetzten Regulierungsbehörden mit besonderen Aufgaben betraut worden. Die Regulierungsbehörden wie die AEEG haben nämlich nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. b und g der Richtlinie 2003/54 die Aufgabe, Nichtdiskriminierung, echten Wettbewerb und ein effizientes Funktionieren des Marktes sicherzustellen und ein Monitoring durchzuführen insbesondere in Bezug auf die Mechanismen zur Behebung von Kapazitätsengpässen im nationalen Elektrizitätsnetz und auf den Umfang, in dem die Übertragungs- und Verteilernetzbetreiber ihren Aufgaben gemäß den Art. 9 und 14 dieser Richtlinie nachkommen.
44 Art. 9 Buchst. a und b der Richtlinie 2003/54 sieht vor, dass der Netzbetreiber verantwortlich ist, auf lange Sicht die Fähigkeit des Netzes, eine angemessene Nachfrage nach Übertragung von Elektrizität zu befriedigen, sicherzustellen und durch entsprechende Übertragungskapazität und Zuverlässigkeit des Netzes zur Versorgungssicherheit beizutragen. Nach Art. 14 Abs. 1, 2 und 6 dieser Richtlinie unterhält der Netzbetreiber in seinem Gebiet ein sicheres, zuverlässiges und effizientes Netz und enthält sich dabei jeglicher Diskriminierung von Netzbenutzern.
45 Was insbesondere die Dispatching-Dienste anbelangt, ist der Netzbetreiber nach den Art. 9 und 11 der Richtlinie 2003/54 verantwortlich, die Energieübertragung durch das Netz zu regeln, um dessen Sicherheit, Zuverlässigkeit und Effizienz zu gewährleisten. Die Richtlinie weist also dem Netzbetreiber die Verantwortung für die Inanspruchnahme (das Dispatching) der Erzeugungsanlagen in seinem Gebiet zu.
46 Nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2003/54 muss die Einspeisung aus den Erzeugungsanlagen auf der Grundlage von Kriterien erfolgen, die der betreffende Mitgliedstaat genehmigen kann, die objektiv und veröffentlicht sein sowie auf nichtdiskriminierende Weise angewandt werden müssen. Bei diesen Kriterien sind der wirtschaftliche Vorrang von Elektrizität aus verfügbaren Erzeugungsanlagen sowie die sich für das Netz ergebenden technischen Beschränkungen zu berücksichtigen. Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie sieht im Wesentlichen vor, dass der Netzbetreiber sich die Energie, die er verwendet, nach transparenten, nichtdiskriminierenden und marktorientierten Verfahren beschafft.
47 Die betreffenden Mitgliedstaaten sind nach Art. 3 Abs. 2 und Art. 11 Abs. 2 und 6 der Richtlinie 2003/54 befugt, den Unternehmen, die über Erzeugungsanlagen verfügen, die für die Deckung des Bedarfs des Dispatching-Dienstes wesentlich sind, über die Regulierungsbehörden und Netzbetreiber Gemeinwohlverpflichtungen aufzuerlegen, sofern die Voraussetzungen dieser Bestimmungen vorliegen.
48 Eine Regelung, die eine solche Intervention vorsieht, muss ein im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse liegendes Ziel verfolgen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. Die Gemeinwohlverpflichtungen müssen außerdem klar festgelegt, transparent, nichtdiskriminierend und überprüfbar sein und den gleichberechtigten Zugang dieser Unternehmen zu den nationalen Verbrauchern sicherstellen. Die Einspeisung aus diesen Anlagen hat jedenfalls auf der Grundlage von Kriterien zu erfolgen, die objektiv und veröffentlicht sind, auf nichtdiskriminierende Weise angewandt werden und den wirtschaftlichen Vorrang von Strom aus diesen Anlagen sowie die technischen Beschränkungen des Netzes berücksichtigen.
49 Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, im Rahmen des Ausgangsverfahrens zu beurteilen, ob diese Anforderungen erfüllt sind. Allerdings ist es Sache des Gerichtshofs, ihm alle dafür erforderlichen Hinweise zum Unionsrecht zu geben.
Zum allgemeinen wirtschaftlichen Interesse
50 Die Mitgliedstaaten sind berechtigt, unter Beachtung des Unionsrechts den Umfang und die Organisation ihrer Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu bestimmen. Sie können insbesondere Ziele berücksichtigen, die ihrer nationalen Politik eigen sind (vgl. in diesem Sinne Urteile Albany, Randnr. 104, und Federutility u. a., Randnr. 29).
51 Wie sich aus Art. 3 des Bersani-Dekrets ergibt, ist der Dispatching‑Dienst für Elektrizität eine Gemeinwohldienstleistung, mit der das Gleichgewicht zwischen dem Angebot von und der Nachfrage nach Elektrizität im nationalen Übertragungsnetz gesichert und damit die Sicherheit und Kontinuität der Versorgung mit Energie gewährleistet werden sollen.
52 Die Frage, ob ein Unternehmen wie Terna mit Dienstleistungen von allgemeinem Interesse betraut ist, lässt sich mit dem Hinweis beantworten, dass ihr, wie der Vorlageentscheidung zu entnehmen ist, durch eine öffentlich-rechtliche Konzession die Verantwortung für den Dispatching-Dienst übertragen worden ist.
53 Was insbesondere die Regelung über die wesentlichen Anlagen betrifft, so ist diese – worauf Art. 3 Abs. 10 des Decreto‑legge Nr. 185 hinweist – erlassen worden, um die Belastungen für Familien und Unternehmen zu verringern und den Strompreis zu senken.
54 Die genannten Verpflichtungen tragen Belangen der Netzsicherheit und des Verbraucherschutzes Rechnung, die nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2003/54 anerkannt sind. Grundsätzlich ist also davon auszugehen, dass die Regelung über die wesentlichen Anlagen ein im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse liegendes Ziel verfolgt.
Zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
55 Wie sich bereits aus Randnr. 42 des vorliegenden Urteils ergibt, ist es zwar nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2003/54 in Verbindung mit Art. 86 EG erlaubt, Unternehmen, die mit der Erbringung einer Gemeinwohldienstleistung betraut sind, Verpflichtungen aufzuerlegen, die u. a. die Festlegung der Preise für die Elektrizitätsversorgung betreffen, doch entspricht eine nationale Regelung, die solche Verpflichtungen auferlegt, nur dann dem Kriterium der Verhältnismäßigkeit, wenn sie geeignet ist, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.
56 Daher ist zu prüfen, ob eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche geeignet ist, die Verwirklichung der angeführten Ziele der Netzsicherheit und des Verbraucherschutzes zu gewährleisten.
57 Ausweislich der dem Gerichtshof vorgelegten Akten ist diese nationale Regelung nur auf Anbieter anwendbar, die über wesentliche Anlagen verfügen, d. h. in den Fällen, in denen es nur eine einzige Erzeugungseinheit gibt, die aufgrund ihrer technischen Merkmale und der Schnelligkeit, mit der ihre Leistung angepasst werden kann, in der Lage ist, die für die Anforderungen des Dispatchings erforderlichen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Auf einem Markt wie dem der Elektrizität, auf dem die Nachfrage dadurch gekennzeichnet ist, dass sie nicht elastisch ist, und das gehandelte Gut nicht gelagert bzw. gespeichert werden kann, soll eine solche Anlage unentbehrlich sein, um Netzengpässe zu beheben und/oder ein angemessenes Niveau der Sicherheit des Systems zu gewährleisten. Diese Unentbehrlichkeit oder wesentliche Bedeutung soll dem Anbieter, der über eine solche Anlage verfügt, den Status eines Anbieters in strategischer Position, an dem kein Weg vorbeiführt, verleihen.
58 Die italienische Republik hat dazu unwidersprochen ausgeführt, dass diese Situation zu einer ungerechtfertigten Erhöhung der Kosten und der Endpreise für Elektrizität geführt habe, einer Erhöhung, der keine reale Kostensteigerung gegenüberstehe und die die Versorgungssicherheit zu beeinträchtigen drohe.
59 Dazu ist festzustellen, dass nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass sich eine übermäßige Erhöhung der Angebotspreise, die auf das Vorhandensein solcher strategischer und nicht zu umgehender Positionen zurückzuführen ist, auf den Strompreis für Endverbraucher und Unternehmen niederschlägt.
60 Unter diesen Umständen ist die Anwendung der Regelung über die wesentlichen Anlagen auf Erzeuger, bei denen angenommen wird, dass sie auf dem Markt eine strategische und nicht zu umgehende Position innehaben, geeignet, die Netzsicherheit und den Verbraucherschutz zu gewährleisten.
61 Hinsichtlich der Regelung über die wesentlichen Anlagen in der durch den Beschluss Nr. 52/09 geänderten Fassung ist den beim Gerichtshof eingereichten Akten zu entnehmen, dass das Decreto‑legge Nr. 185 und der Beschluss Nr. 52/09 im Anschluss an die Feststellung erlassen wurden, dass das damalige System aufgrund der geringen Zahl der als wesentlich geltenden Kraftwerke und angesichts dessen, dass die „Wesentlichkeit“ nur auf einzelne Anlagen und nicht auf die sie innehabenden Unternehmen bezogen wurde, nicht effizient war, so dass es „vorkommen [konnte], dass die Unterstellung einer einzelnen Anlage unter die Regulierungsmaßnahmen nicht ausreichend war, um die Marktmacht bestimmter Anbieter zu beseitigen, da diese als Eigentümer anderer Anlagen, die in ihrer Gesamtheit zur Deckung des Dispatching-Bedarfs unentbehrlich waren, dennoch den Verkaufspreis für die unter bestimmten Netzbetriebsbedingungen bei Bedarfsspitzen erforderliche Energiemenge einseitig hätten festlegen können“.
62 Da Terna nach Art. 63 Abs. 2 Buchst. a des Anhangs A zum Beschluss Nr. 111/06 in der durch den Beschluss Nr. 52/09 geänderten Fassung die Anlagen als wesentlich einstuft, ohne die es nicht möglich wäre, die Netzsicherheit zu gewährleisten, und da es sich nach Art. 63 Abs. 3 Buchst. a und b dieses Anhangs um Erzeugungsanlagen handelt, die für die Deckung des Bedarfs des Dispatching-Dienstes unbedingt erforderlich und unentbehrlich sind, ist eine Regelung wie diejenige über die wesentlichen Anlagen geeignet, die Netzsicherheit und den Verbraucherschutz zu gewährleisten.
63 Allerdings ist zu prüfen, ob diese Art der Intervention nicht über das hinausgeht, was erforderlich ist, um die im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse verfolgten Ziele zu erreichen.
64 Enel hat hierzu unwidersprochen vorgetragen, der Beschluss Nr. 52/09 habe dazu geführt, dass ein erheblicher Teil ihrer Erzeugungskapazität unter die Regelung über die wesentlichen Anlagen gefallen sei, und diese Kapazität sei von 500 MW auf über 10 000 MW gestiegen. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, diesem Vorbringen nachzugehen.
65 In diesem Zusammenhang sind die Hauptmerkmale der Regelung über die wesentlichen Anlagen in der durch den Beschluss Nr. 52/09 geänderten Fassung zu prüfen.
66 Nach Art. 63 Abs. 9 Buchst. b des Anhangs A des Beschlusses Nr. 111/06 in der durch den Beschluss Nr. 52/09 geänderten Fassung ist Terna dafür zuständig, die Stundenzahl und die Leistung der als wesentlich eingestuften Anlagen und/oder Gruppen von Anlagen zu bestimmen. Sie nimmt daher die Einheiten und Anlagen nur für die Zeiten und Mengen in das Verzeichnis auf, für die sie als für die Netzsicherheit wesentlich gelten. Für die Mengen, die nicht als wesentlich gelten, sieht die allgemeine Regelung vor, dass der Erzeuger eine von ihm gewünschte Menge zu einem von ihm festgesetzten Preis auf dem Markt anbieten kann.
67 Zudem bestimmt Art. 64 Abs. 3 und 4 des Anhangs A des Beschlusses Nr. 111/06 in der durch den Beschluss Nr. 52/09 geänderten Fassung, dass Terna bei der Festlegung der Vorgaben und Kriterien für den Markt für Dispatching-Dienste die auf dem Day-Ahead-Markt und auf dem Intra‑Day-Markt erzielten Ergebnisse berücksichtigen muss. Insbesondere sieht Art. 64 Abs. 7 des Anhangs A des Beschlusses Nr. 111/06 in der durch den Beschluss Nr. 52/09 geänderten Fassung vor, dass die Angebots- und Einkaufspreise, die auf dem Markt für Dispatching-Dienste akzeptiert werden, dem Stromverkaufspreis auf dem Day-Ahead-Markt in dem Gebiet entsprechen müssen, in dem sich die Erzeugungsanlage befindet. Daher wird zwar für diese Energie nicht der Preis bezahlt, den der Nutzer des Dispatchings auf diesen Märkten hätte anbieten und erzielen können, da das Angebot auf dem Day‑Ahead‑Markt und auf dem Intra-Day-Markt gleich Null sein dürfte, doch erhält er für sie den durchschnittlichen Marktpreis für dasselbe Gebiet.
68 Unter diesen Umständen erfolgt die Vergütung der auf dem Markt für Dispatching-Dienste zur Verfügung gestellten Energie entgegen dem Vorbringen von Enel offensichtlich nicht auf der Grundlage von Preisen, die von den Ergebnissen des spezifischen Referenzbörsenmarkts völlig losgelöst sind. Da Art. 64 Abs. 7 des Beschlusses Nr. 111/06 in der durch den Beschluss Nr. 52/09 geänderten Fassung bestimmt, dass diese Energie mit dem durchschnittlichen Marktpreis für das Gebiet vergütet wird, in dem sich die Erzeugungsanlage befindet, erscheint diese Regelung geeignet, eine angemessene Vergütung für die Anbieter, die über solche Anlagen verfügen, zu gewährleisten, wie dies im Übrigen in Art. 3 Abs. 11 des Decreto‑legge Nr. 185 vorgesehen ist.
69 Liegt dieser Preis unter den variablen Kosten der Anlage, gewährt Terna dem Anbieter, der über die wesentliche Anlage verfügt, zudem nach Art. 64 Abs. 8 des Anhangs A des Beschlusses Nr. 111/06 in der durch den Beschluss Nr. 52/09 geänderten Fassung einen Ausgleich in Höhe der Differenz – falls diese positiv ist – zwischen den variablen Kosten der Erzeugungseinheiten dieser Anlage und dem Stromeinkaufspreis auf dem Day-Ahead-Markt. Ausweislich der dem Gerichtshof vorgelegten Akten soll eine solche Regelung dem Dispatching-Nutzer gegenüber gewährleisten, dass die Vergütung der auf den Märkten verfügbaren wesentlichen Anlagen nicht geringer ausfällt als die variablen Kosten der Anlage selbst.
70 Die Regelung über die wesentlichen Anlagen weist überdies eine gewisse Flexibilität auf und scheint den Anbietern, die über wesentliche Anlagen verfügen, Alternativen anzubieten, die die Auswirkungen ihrer Anwendung auf sie mildern sollen.
71 Art. 63 Abs. 5 des Anhangs A des Beschlusses Nr. 111/06 in der durch den Beschluss Nr. 52/09 geänderten Fassung lässt nämlich dem Dispatching-Nutzer die Wahl, welche Mindestgruppe von Erzeugungsanlagen unter den von Terna vorausgewählten der Regelung über die wesentlichen Anlagen unterworfen wird.
72 Nach Art. 63 Abs. 11 des Anhangs A des Beschlusses Nr. 111/06 in der durch den Beschluss Nr. 52/09 geänderten Fassung kann der Dispatching-Nutzer bei der AEEG die Anwendung der „Kostenerstattungsregelung“ beantragen, die es ermöglicht, einen spezifischen, von der AEEG festgesetzten Betrag in Höhe der Differenz zwischen den Erzeugungskosten, die der wesentlichen Anlage zuerkannt wurden, und den Erträgen zu erhalten, die von dieser Anlage in der Zeit, in der sie im Verzeichnis der wesentlichen Anlagen eingetragen war, erwirtschaftet wurden. Im Gegenzug ist vorgesehen, dass die fragliche Anlage für die als wesentlich erklärten Zeiträume und Erzeugungskapazitäten der allgemeinen Regelung unterworfen bleibt, aber auch noch für die Mengen und Zeiträume, die nicht wesentlich oder „frei“ sind, den in Art. 65 des Anhangs A des Beschlusses Nr. 111/06 in der durch den Beschluss Nr. 52/09 geänderten Fassung vorgesehenen zusätzlichen Beschränkungen unterliegt.
73 Für die Anlagen, die sich in dem Verzeichnis nach Art. 63 Abs. 1 des Anhangs A des Beschlusses Nr. 111/06 in der durch den Beschluss Nr. 52/09 geänderten Fassung befinden und nicht zur Kostenerstattung zugelassen werden, sieht Art. 64 Abs. 9 dieses Beschlusses in geänderter Fassung vor, dass der Dispatching-Nutzer Terna innerhalb der Fristen und unter den Modalitäten, die von ihnen im Voraus gemeinsam festgelegt wurden, vorschlagen kann, eine oder mehrere der Erzeugungseinheiten durch andere in seinem Besitz befindliche Erzeugungseinheiten zu ersetzen.
74 Die Inhaber wesentlicher Anlagen haben auch die Möglichkeit, die Regelung über die wesentlichen Anlagen abzubedingen, indem sie sich für die vertragliche Lösung des Art. 65bis des Anhangs A des Beschlusses Nr. 111/06 in der durch den Beschluss Nr. 52/09 geänderten Fassung entscheiden, wonach sie mit Terna einen von zwei dort vorgesehenen Vertragstypen abschließen können. Die Verträge werden von der AEEG vor dem Abschluss genehmigt. Gemäß den Bestimmungen dieser Verträge verpflichtet sich der Dispatching‑Nutzer, der Inhaber wesentlicher Anlagen ist, Terna auf dem Markt für Dispatching-Dienste bestimmte Mengen an Erzeugungskapazitäten zur Verfügung zu stellen, indem er sie zu von der AEEG im Voraus festgesetzten Preisen gegen Zahlung einer Prämie durch Terna zum Kauf und Verkauf anbietet. Enel hat sich im Übrigen für eine solche alternative Regelung entschieden.
75 Die Dauer der Intervention, die nach der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung vorgesehen ist, ist auf das zu beschränken, was unbedingt erforderlich ist, um die mit der Regelung verfolgten Ziele zu erreichen. Insoweit ist festzustellen, dass die Anlagen offenbar nur auf bestimmte Zeit im Verzeichnis der wesentlichen Anlagen eingetragen sind, da dieses jährlich überprüft und neu beurteilt wird. Jedenfalls dürfte die Eintragung nur so lange aufrechterhalten werden, wie die Anlage als wesentlich eingestuft ist, d. h. solange es keine andere Anlage gibt, die in der Lage ist, die für die Anforderungen an das Dispatching erforderlichen Ressourcen in einem bestimmten Gebiet konkurrierend anzubieten.
76 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Decreto‑legge Nr. 185 u. a. die Verbesserung des Übertragungsnetzes bezweckt und Art. 3 Abs. 11 Buchst. b dieses Gesetzes vorsieht, dass die AEEG auch andere Arten von Maßnahmen ergreift, um die Effizienz des Marktes für Dispatching-Dienste zu steigern, auf eine Senkung der Kosten für die Bereitstellung dieser Dienste hinzuwirken, Verträge über Ressourcen mit fester Laufzeit zu schließen und die von den Endkunden geschuldete Gegenleistung zu stabilisieren.
77 Zudem hat die italienische Republik vorgetragen, dass die Regelung über die wesentlichen Anlagen nicht auf Dauer angelegt sei und aufgegeben werden könne, wenn die mittel- und langfristigen strukturellen Interventionen im Netz, die in den kritischsten Gebieten wie Sizilien und Sardinien bereits erfolgt oder vom nationalen Gesetzgeber vorgesehen seien, durch Verringerung der Konzentration der lokalen Marktmacht dieser Anlagen die Effizienz der Verwaltung der Dispatching-Dienste verbessert hätten.
78 Schließlich ist festzustellen, dass es, wie sich aus Art. 63 Abs. 2 Buchst. b des Anhangs A des Beschlusses Nr. 111/06 in der durch den Beschluss Nr. 52/09 geänderten Fassung ergibt, nach der Regelung über die wesentlichen Anlagen möglich ist, über die Anlagen hinaus, die speziell für die Deckung des Bedarfs eines der Dispatching-Dienste unentbehrlich sind, auch bestimmte Anlagen einzubeziehen, die insgesamt für die Deckung des Bedarfs der Dispatching-Dienste unentbehrlich sind.
79 Wie der Generalanwalt in Nr. 70 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, können solche Anlagen überdies aus wirtschaftlicher Sicht notwendig sein, soweit sie ihre Inhaber in eine marktbeherrschende Stellung versetzen, die es ihnen ermöglicht, die Strompreise einschließlich der Preise für die Dispatching-Dienste zu kontrollieren.
80 Unter diesen Umständen scheint die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung nicht über das hinauszugehen, was zur Erreichung der mit ihr verfolgten Ziele erforderlich ist. Ob dies tatsächlich so ist, hat allerdings das vorlegende Gericht zu prüfen.
Zur Erfüllung der weiteren Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 und des Art. 11 Abs. 2 und 6 der Richtlinie 2003/54
81 Wie aus Randnr. 48 des vorliegenden Urteils hervorgeht, ist noch zu prüfen, ob die Gemeinwohlverpflichtungen betreffend das Dispatching, die Terna und den Anbietern, die über wesentliche Anlagen verfügen, obliegen, objektiv, klar festgelegt, transparent, veröffentlicht und überprüfbar sind.
82 Der Beschluss Nr. 111/06 in der durch den Beschluss Nr. 52/09 geänderten Fassung sowie Art. 3 Abs. 11 des Decreto‑legge Nr. 185 und der Kodex zur Regelung der Übertragung, des Dispatchings, der Entwicklung und der Sicherheit im Netz (Codice di trasmissione, dispacciamento, sviluppo e sicurezza della rete) legen die Voraussetzungen und Kriterien fest, nach denen Terna eine Anlage oder eine Gruppe von Anlagen als wesentlich einstuft. Zudem sieht Art. 63 des Anhangs A des Beschlusses Nr. 111/06 in der durch den Beschluss Nr. 52/09 geänderten Fassung vor, dass Terna alljährlich ein Verzeichnis dieser Anlagen aufstellt und veröffentlicht. Wie den Akten zu entnehmen ist, werden diese Kriterien im technischen Bericht zur Erläuterung des Inhalts des Beschlusses Nr. 52/09 kommentiert und im vierten Kapitel des genannten Kodex einzeln aufgeführt.
83 Insbesondere bestimmt Art. 63 Abs. 9 dieses Anhangs, dass Terna verpflichtet ist, der AEEG und den Dispatching-Nutzern in Bezug auf ihre wesentlichen Anlagen Folgendes zu übermitteln: erstens einen Bericht, in dem die Gründe für die Aufnahme der Erzeugungsanlagen dieser Gruppe in das Verzeichnis aufgeführt sind, zweitens die Zeiträume des Jahres und die Umstände, bei denen Terna davon ausgeht, dass sich jede einzelne Anlage für die Netzsicherheit als wesentlich erweisen wird, wobei sie angibt, um welche Anlagen es sich handelt, drittens die wichtigsten im folgenden Kalenderjahr zu erwartenden Funktionsparameter und die Zeiträume des folgenden Kalenderjahres, in denen diese Parameter nach den Vorhersagen von Terna erwartet werden, und viertens eine Schätzung der wahrscheinlich zu erwartenden Nutzung der Erzeugungsanlagen und aller anderen Anlagen, die während der Zeiträume, in denen sich die Anlagen als für die Gewährleistung des sicheren Betriebs des Elektrizitätsnetzes wesentlich erweisen könnten, zu einer Gruppe gehören, wobei die Schätzung nach Möglichkeit für jeden der betrachteten Parameter gesondert erfolgt.
84 Auf der Grundlage dieser Daten teilt der Dispatching-Nutzer Terna spätestens zwölf Stunden vor Ablauf der Frist für die Abgabe von Angeboten auf dem Day-Ahead-Markt mit, welche Einheiten, die zu den für die Behebung von Netzengpässen wesentlichen Anlagen gehören, zur Erfüllung der Angebotsverpflichtungen eingesetzt werden.
85 Ferner sind die Verpflichtungen der Dispatching-Nutzer in Art. 63 Abs. 7 und Art. 64 Abs. 1 bis 10 des Anhangs A des Beschlusses Nr. 111/06 in der durch den Beschluss Nr. 52/09 geänderten Fassung festgelegt, die die Bedingungen vorgeben, unter denen die Angebote abgegeben werden können.
86 Die Regelung über die wesentlichen Anlagen hat nicht den diskriminierenden Charakter, den Enel ihr vorwirft. Sie gilt nämlich unterschiedslos für alle Anbieter, die in einem bestimmten Zeitraum Inhaber einer oder mehrerer Anlagen sind, die sich nach objektiven technischen Kriterien als für die Deckung des Strombedarfs der Dispatching-Dienste wesentlich erweisen können.
87 In Bezug auf das Erfordernis, dass die Einspeisung unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Vorrangs des Stroms erfolgen muss, ist den Akten nicht zu entnehmen, dass Terna die Verkaufsangebote auf dem Day-Ahead-Markt und auf dem Intra‑Day‑Markt nicht auf der Grundlage der sogenannten „Merit-Order“, d. h. beginnend mit dem günstigsten Angebot und dann in aufsteigender Reihenfolge, auswählt.
88 Schließlich ist zu dem Erfordernis, dass die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung überprüfbar sein muss, darauf hinzuweisen, dass der Beschluss Nr. 52/09 eine Verwaltungsentscheidung ist, die als solche wohl gerichtlich anfechtbar ist, wie Terna auf eine in der mündlichen Verhandlung gestellte Frage erklärt hat. Dem Ausgangsverfahren liegt auch eine Klage gegen diesen Beschluss zugrunde.
89 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die Richtlinie 2003/54. insbesondere Art. 3 Abs. 2 und Art. 11 Abs. 2 und 6, dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, die den Anbietern, die Inhaber von Anlagen oder Gruppen von Anlagen sind, die nach den von der nationalen Regulierungsbehörde vorgegebenen Kriterien als wesentlich zur Deckung des nachfragebedingten Elektrizitätsbedarfs für die Dispatching-Dienste gelten, mit dem Ziel der Senkung des Strompreises im Interesse des Endverbrauchers und der Sicherheit des Elektrizitätsnetzes die Verpflichtung auferlegt, Angebote auf den nationalen Elektrizitätsmärkten zu den von dieser Behörde im Voraus festgelegten Bedingungen abzugeben, nicht entgegensteht, sofern diese Regelung nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels erforderlich ist. Ob diese Voraussetzung im Ausgangsverfahren erfüllt ist, hat das vorlegende Gericht zu prüfen.
Kosten
90 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:
Die Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG, insbesondere Art. 3 Abs. 2 und Art. 11 Abs. 2 und 6, ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, die den Anbietern, die Inhaber von Anlagen oder Gruppen von Anlagen sind, die nach den von der nationalen Regulierungsbehörde vorgegebenen Kriterien als wesentlich zur Deckung des nachfragebedingten Elektrizitätsbedarfs für die Dispatching-Dienste gelten, mit dem Ziel der Senkung des Strompreises im Interesse des Endverbrauchers und der Sicherheit des Elektrizitätsnetzes die Verpflichtung auferlegt, Angebote auf den nationalen Elektrizitätsmärkten zu den von dieser Behörde im Voraus festgelegten Bedingungen abzugeben, nicht entgegensteht, sofern diese Regelung nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels erforderlich ist. Ob diese Voraussetzung im Ausgangsverfahren erfüllt ist, hat das vorlegende Gericht zu prüfen.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Italienisch.