Rechtssache C‑155/09
Europäische Kommission
gegen
Hellenische Republik
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Art. 12 EG, 18 EG, 39 EG und 43 EG – Art. 4, 28 und 31 des Abkommens über die Schaffung des Europäischen Wirtschaftsraums – Steuerrecht – Voraussetzungen für die Befreiung von der Grunderwerbsteuer beim ersten Erwerb einer Immobilie – Befreiung nur für im Inland ansässige Personen und für zum Zeitpunkt des Erwerbs nicht dort ansässige Personen griechischer Abstammung“
Leitsätze des Urteils
1. Unionsbürgerschaft – Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten – Grunderwerbsteuer
(Art 18 EG, 39 EG und 43 EG; EWR‑Abkommen, Art. 28 und 31)
2. Unionsbürgerschaft – Gleichbehandlung – Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit – Verbot – Grunderwerbsteuer
(Art. 12 EG, 18 EG, 39 EG und 43 EG; EWR‑Abkommen, Art. 4, 28 und 31)
1. Ein Mitgliedstaat, der die Befreiung von der Grunderwerbsteuer ausschließlich Personen gewährt, die ihren ständigen Wohnsitz im Inland haben, und nicht auch Personen, die die Absicht haben, sich zukünftig dort niederzulassen, verstößt gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 18 EG, 39 EG und 43 EG sowie aus den Art. 28 und 31 des EWR-Abkommens.
Die Vorschriften über die Gleichbehandlung verbieten nämlich nicht nur offensichtliche Diskriminierungen wegen der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle verdeckten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen. Dies trifft insbesondere auf eine Maßnahme zu, die eine Unterscheidung anhand des Kriteriums des Wohnsitzes oder des Aufenthaltsorts trifft, denn sie kann sich hauptsächlich zum Nachteil der Angehörigen anderer Mitgliedstaaten auswirken, da die Personen ohne inländischen Wohnsitz oder Aufenthaltsort meist Ausländer sind. Eine solche Voraussetzung des ständigen Wohnsitzes ist nicht geeignet, den von dem betroffenen Mitgliedstaat geltend gemachten Zielen gerecht zu werden, den Erwerb einer ersten Wohnung zu erleichtern, der Wohnungsspekulation vorzubeugen und Familien mit geringem oder mittlerem Einkommen zu unterstützen, und nicht erforderlich, um gegen Steuerhinterziehung vorzugehen und Missbrauch zu verhindern, der in der zweckfremden Inanspruchnahme der Befreiung besteht.
(vgl. Randnrn. 45-46, 59, 63, Tenor 1)
2. Ein Mitgliedstaat, der die – von bestimmten Voraussetzungen abhängige – Befreiung von der Grunderwerbsteuer ausschließlich eigenen Staatsangehörigen oder Personen dieser nationalen Abstammung beim Erwerb ihrer ersten Wohnung im Inland gewährt, verstößt gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 12 EG, 39 EG und 43 EG sowie aus den Art. 4, 28 und 31 des EWR-Abkommens.
Diese ausdrücklich und allein auf die Staatsangehörigkeit gestützte unterschiedliche Behandlung von eigenen Staatsangehörigen und Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten, die beabsichtigen, sich in dem betreffenden Mitgliedstaat niederzulassen, ist eine nach den genannten Bestimmungen verbotene unmittelbare Diskriminierung. Ziele, die zum einen darin bestehen, ausgewanderten Staatsangehörigen und Personen derselben nationalen Abstammung den Wohnungserwerb zu erleichtern, und ihnen einen Anreiz zur Rückkehr in den Mitgliedstaat zu bieten, da dessen Bevölkerung aufgrund massiver Auswanderung stark zurückgegangen sei, und zum anderen darin, die Verbindungen zwischen den Ausgewanderten und ihrem Herkunftsstaat zu schützen, sind nicht geeignet, das Vorliegen objektiver, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängiger Umstände darzutun, die eine unterschiedliche Behandlung wie die aufgrund der genannten Steuerbefreiung rechtfertigen könnten, da sie unmittelbar auf die Staatsangehörigkeit der Betroffenen gestützt sind
(vgl. Randnrn. 69-71, 75, Tenor 1)
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)
20. Januar 2011(*)
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Art. 12 EG, 18 EG, 39 EG und 43 EG – Art. 4, 28 und 31 des Abkommens über die Schaffung des Europäischen Wirtschaftsraums – Steuerrecht – Voraussetzungen für die Befreiung von der Grunderwerbsteuer beim ersten Erwerb einer Immobilie – Befreiung nur für im Inland ansässige Personen und für zum Zeitpunkt des Erwerbs nicht dort ansässige Personen griechischer Abstammung“
In der Rechtssache C‑155/09
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 4. Mai 2009,
Europäische Kommission, vertreten durch R. Lyal und D. Triantafyllou als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Hellenische Republik, vertreten durch P. Mylonopoulos und V. Karra als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter J.‑J. Kasel, E. Levits und M. Safjan sowie der Richterin M. Berger (Berichterstatterin),
Generalanwalt: J. Mazák,
Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. Mai 2010,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Hellenische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 18 EG, 39 EG und 43 EG im Licht des Art. 12 EG sowie aus den Art. 4, 28 und 31 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) verstoßen hat, dass sie die Ausübung der sich aus diesen Bestimmungen ergebenden Grundfreiheiten behindert,
– indem sie die Befreiung von der Grunderwerbsteuer (im Folgenden: Steuer) ausschließlich Personen gewährt, die ihren ständigen Wohnsitz in Griechenland haben, und nicht auch Personen, die die Absicht haben, sich zukünftig dort niederzulassen, und
– indem sie die – bestimmten Voraussetzungen unterliegende – Befreiung von dieser Steuer ausschließlich griechischen Staatsangehörigen beim Erwerb ihrer ersten Wohnung in Griechenland gewährt und damit im Ausland Ansässige, die keine griechischen Staatsangehörigen sind, explizit diskriminiert.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
2 Art. 12 Abs. 1 EG bestimmt:
„Unbeschadet besonderer Bestimmungen dieses Vertrags ist in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.“
3 Art. 18 Abs. 1 EG sieht vor:
„Jeder Unionsbürger hat das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in diesem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten.“
4 Art. 39 Abs. 1 bis 3 EG lautet:
„(1) Innerhalb der Gemeinschaft ist die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet.
(2) Sie umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.
(3) Sie gibt – vorbehaltlich der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigten Beschränkungen – den Arbeitnehmern das Recht,
a) sich um tatsächlich angebotene Stellen zu bewerben;
b) sich zu diesem Zweck im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen;
c) sich in einem Mitgliedstaat aufzuhalten, um dort nach den für die Arbeitnehmer dieses Staates geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften eine Beschäftigung auszuüben;
d) nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats unter Bedingungen zu verbleiben, welche die Kommission in Durchführungsverordnungen festlegt.“
5 Art. 43 EG hat folgenden Wortlaut:
„Die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten. Das Gleiche gilt für Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig sind.
Vorbehaltlich des Kapitels über den Kapitalverkehr umfasst die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften im Sinne des Artikels 48 Absatz 2, nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen.“
6 Die in den Randnrn. 2 bis 5 des vorliegenden Urteils genannten Bestimmungen mit Ausnahme des Art. 18 EG entsprechen denen der Art. 4, 28 und 31 des EWR-Abkommens.
Nationales Recht
7 Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 1078/1980 sieht vor:
„Verträge über den Kauf einer gesamten Immobilie zum Volleigentum sind von der Grunderwerbsteuer befreit, wenn dem Käufer, seinem Ehegatten oder seinen minderjährigen Kindern kein Volleigentumsrecht, Nießbrauchsrecht oder Wohnrecht an einem anderen Haus oder einer anderen Wohnung, das bzw. die den Wohnbedürfnissen seiner Familie genügt, zusteht bzw. kein Volleigentumsrecht an einem Baugrundstück oder einem Grundstücksanteil, das flächenmäßig ihren Wohnbedürfnissen genügt und in einer Stadt oder Gemeinde mit mehr als dreitausend (3 000) Einwohnern liegt.“
8 Art. 1 Abs. 3 dieses Gesetzes lautet:
„Die Bestimmungen dieses Artikels gelten nicht für entgeltliche Immobilienkaufverträge, wenn der Käufer nicht seinen ständigen Wohnsitz in Griechenland hat.
Eine Befreiung wird ausnahmsweise im Fall des Kaufs eines Hauses, einer Wohnung oder eines Grundstücks durch Griechen oder Personen griechischer Abstammung gewährt, die während mindestens sechs (6) Jahren im Ausland gearbeitet haben und bei einer Gemeinde im Inland gemeldet sind, auch wenn sie zum Zeitpunkt des Kaufs in Griechenland keinen ständigen Wohnsitz haben.“
9 Nach Art. 1 Abs. 7 des Gesetzes Nr. 1078/1980 wird die Befreiung unter der Bedingung gewährt, dass die Immobilie mindestens fünf Jahre lang im Eigentum des Käufers bleibt.
10 Nach einem aufgrund von Art. 1 Abs. 12 des Gesetzes Nr. 1078/1980 ergangenen Ministerialbeschluss vom 7. April 2005 muss die betreffende Person mindestens ein Jahr lang ohne Unterbrechung in Griechenland gewohnt haben.
Vorverfahren
11 Am 6. Dezember 2007 sandte die Kommission an die Hellenische Republik ein Mahnschreiben, in dem sie die Ansicht vertrat, dass dieser Mitgliedstaat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 12 EG, 18 EG, 39 EG und 43 EG sowie aus den Art. 4, 28 und 31 des EWR-Abkommens verstoße, dass er zum einen die Befreiung von der Grunderwerbsteuer ausschließlich Personen gewähre, die ihren ständigen Wohnsitz in Griechenland hätten, und nicht auch Personen, die die Absicht hätten, sich zukünftig dort niederzulassen, und zum anderen diese Befreiung unter bestimmten Voraussetzungen ausschließlich griechischen Staatsangehörigen beim Erwerb ihrer ersten Wohnung in Griechenland gewähre und damit im Ausland Ansässige, die keine griechischen Staatsangehörigen seien, explizit diskriminiere.
12 Die Hellenische Republik antwortete am 13. Februar 2008 und wies die Rügen der Kommission in vollem Umfang zurück.
13 Da die Kommission diese Antwort nicht für überzeugend hielt, richtete sie am 23. September 2008 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an die Hellenische Republik, in der sie diese aufforderte, ihren Verpflichtungen binnen zwei Monaten nach Eingang dieser Stellungnahme nachzukommen. In seiner Antwort vom 21. November 2008 wiederholte der Mitgliedstaat seine Stellungnahme zum Mahnschreiben.
14 Da die Kommission die Erklärungen der Hellenischen Republik nicht für überzeugend hielt, hat sie beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.
Zur Klage
Zur ersten Rüge: Beschränkung bestimmter Grundfreiheiten
Vorbringen der Parteien
15 Die Kommission macht unter Berufung u. a. auf das Urteil vom 13. Juli 1993, Commerzbank (C‑330/91, Slg. 1993, I‑4017), erstens geltend, dass das in Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 1 des Gesetzes Nr. 1078/1980 vorgesehene Kriterium des ständigen Wohnsitzes für die Unionsangehörigen zwar nicht von vornherein eine diskriminierende Behandlung bedeute, da es unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen gelte, dass aber die Personen, die ihren ständigen Wohnsitz in Griechenland hätten, in ihrer großen Mehrheit griechische Staatsangehörige seien, was für die Feststellung des diskriminierenden Charakters der fraglichen Bestimmung ausreiche.
16 Nach der genannten Bestimmung seien nichtansässige Personen, die sich im Hinblick auf eine zukünftige Niederlassung in Griechenland dort eine erste Wohnung kauften, von der Steuerbefreiung ausgeschlossen. Diese Ungleichbehandlung führe zu einer Diskriminierung künftiger Ansässiger gegenüber den gegenwärtig Ansässigen.
17 Zweitens trägt die Kommission unter Berufung u. a. auf die Urteile vom 15. September 2005, Kommission/Dänemark (C‑464/02, Slg. 2005, I‑7929), und vom 13. November 2003, Schilling und Fleck-Schilling (C‑209/01, Slg. 2003, I‑13389), vor, die allgemeine Formulierung von Art. 18 EG, wonach jeder Unionsbürger das Recht habe, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, werde in den Art. 39 EG und 43 EG konkretisiert. Nach ständiger Rechtsprechung sollten die Bestimmungen des EG-Vertrags über die Freizügigkeit den Unionsangehörigen die Ausübung beruflicher Tätigkeiten aller Art erleichtern und stünden Maßnahmen entgegen, die Personen benachteiligen könnten, wenn sie eine Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausüben wollten. Bestimmungen, die einen Angehörigen eines Mitgliedstaats daran hinderten oder davon abhielten, seinen Herkunftsstaat zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, stellten Beeinträchtigungen dieser Freiheit dar, auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer Anwendung fänden. Angesichts dieser Rechtsprechung sei es offensichtlich, dass die fraglichen griechischen Rechtsvorschriften gegen die Art. 18 EG, 39 EG und 43 EG verstießen, denn sie machten die Lage von Personen, die in diesem Mitgliedstaat noch nicht ständig wohnten und sich dort ständig niederlassen wollten, weniger attraktiv als die von ständig Ansässigen, denen der Steuervorteil gewährt werde.
18 Insoweit liege ein Verstoß gegen Art. 39 EG bzw. 43 EG vor, wenn es sich um erwerbstätige Personen handele. Dagegen gelte Art. 18 EG unmittelbar für Personen, die nicht erwerbstätig seien oder keine Verbindung zu Griechenland hätten, was im vorliegenden Fall u. a. Rentenbezieher betreffe.
19 Aus den gleichen Gründen verstoße Art. 1 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 des Gesetzes Nr. 1078/1980 gegen die Art. 28 und 31 des EWR-Abkommens.
20 Die durch diese Bestimmungen eingeführte Beschränkung lasse sich durch keines der von der Hellenischen Republik angeführten Ziele von allgemeinem Interesse rechtfertigen, so dass diese Beschränkung jedenfalls gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße.
21 Erstens könne das Ziel, ansässigen Personen den Erwerb einer Wohnung zu erleichtern und in diesem Zusammenhang der Immobilienspekulation vorzubeugen, auch für Personen angestrebt werden, die eine erste Wohnung kauften, um sich später in Griechenland niederzulassen. Zweitens verpflichte das Gesetz Nr. 1078/1980 den Käufer nicht, die erworbene Immobilie als ständigen Wohnsitz zu verwenden, und verbiete ihm auch nicht, sie zu vermieten oder wieder zu verkaufen. Ohne eine solche Verpflichtung lasse sich dieses Ziel nicht erreichen und könne daher auch nicht mit Erfolg von der Hellenischen Republik angeführt werden.
22 Im Übrigen gebe es zur Erreichung dieser Ziele weniger belastende Kontrollmechanismen wie z. B. die Meldung von sich in Griechenland niederlassenden Personen bei der zuständigen griechischen Behörde, ihre Eintragung in das Steuerregister, die Überprüfung ihrer Steuererklärungen und die Gewährung einer steuerlichen Vergünstigung. Ein solches Kontrollsystem könne im Übrigen durch „ehrenwörtliche Erklärungen“ ergänzt werden. Folglich gehe die Nichtgewährung dieser Steuervergünstigung an Personen, die ihren ständigen Wohnsitz noch nicht in Griechenland hätten, aber in der Absicht, sich dort ständig niederzulassen, in diesem Mitgliedstaat eine Immobilie kauften, weit über das hinaus, was zur Erreichung des Ziels, der Spekulation mit Immobilien in Griechenland vorzubeugen, erforderlich sei.
23 Dass ohne steuerliche Informationen über den Käufer nicht ermittelt werden könne, ob diesem etwa andere Immobilien in Griechenland gehörten, sei unzutreffend, so dass es nicht als Zweck der streitigen nationalen Bestimmung angesehen werden könne, eine Umgehung des Gesetzes auszuschließen. In Bezug auf Personen, die nach Griechenland kämen, um sich dort niederzulassen, sei es nicht schwieriger, festzustellen, ob sie bereits eine Immobilie in Griechenland besäßen oder nicht, als für bereits dort Ansässige. Da Steuererklärungen nicht sehr verlässlich seien, spreche nichts dagegen, dass die griechischen Behörden die Käufer befragten, ob sie bereits Eigentümer von Immobilien in Griechenland seien. Die Kommission verweist insoweit auf die Möglichkeit der Eintragung in geeignete Register, so das vor Kurzem eingeführte Grundbuch, und der Einführung von Kontrollen, um Missbräuche zu verhindern.
24 Schließlich bestreitet die Kommission auch das Vorbringen der Hellenischen Republik, dass es dem nationalen Gesetzgeber durch das Unionsrecht nicht verwehrt sei, die Gewährung von Steuererleichterungen und ‑vergünstigungen von bestimmten Kriterien abhängig zu machen. Insoweit verbiete der Vertrag nicht nur die unmittelbare diskriminierende Behandlung, sondern auch allgemein die Einschränkung der Grundfreiheiten im Bereich der unmittelbaren Steuern. Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 1 des Gesetzes Nr. 1078/1980 stelle unbestreitbar eine Beschränkung der Freizügigkeit dar, da diese Bestimmung Personen, die in anderen Mitgliedstaaten lebten und überwiegend deren Staatsangehörige und nicht Inländer seien, davon abhalte, sich in Griechenland niederzulassen.
25 Die Hellenische Republik bestreitet die behauptete Vertragsverletzung in vollem Umfang und macht zunächst geltend, dass zwar nach den Art. 12 EG und 39 EG jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung ausdrücklich verboten sei, dass sich jedoch aus der Gesamtheit der vom nationalen Gesetzgeber bei seinen verschiedenen Interventionen erlassenen Bestimmungen sowie daraus, dass für die Gewährung der fraglichen Steuerbefreiung nicht die griechische Staatsangehörigkeit vorausgesetzt werde, ergebe, dass der griechische Gesetzgeber diese Befreiung stets nicht nur griechischen Staatsangehörigen, sondern allgemein allen natürlichen Personen mit ständigem Wohnsitz in Griechenland unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit habe zugutekommen lassen wollen.
26 Insoweit gehe aus einem Rundschreiben, das 1992 im Anschluss an ein Gutachten des Staatsrats ergangen sei, um die Verwaltung bei der ordnungsgemäßen Anwendung des Gesetzes Nr. 1078/1980 zu unterstützen, deutlich hervor, dass die beanstandeten Bestimmungen dieses Gesetzes für die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten mit genau denselben Voraussetzungen wie für Inländer gälten. Zudem sehe ein Ministerialbeschluss vom 21. Juni 2004 vor, dass der ständige Wohnsitz und die Berufstätigkeit im Fall von Unionsangehörigen durch Vorlage von Steuererklärungen, Bescheinigungen von Sozialversicherungseinrichtungen, Arbeitsverträgen, Unterlagen über die Aufnahme einer Tätigkeit, Wohnungsmietverträgen usw. nachgewiesen werden könnten.
27 Sodann sei in Bezug auf den Grundsatz der Gleichbehandlung von Unionsangehörigen, die von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch machten, und sich in vergleichbarer Lage befindenden Inländern, wie er sich aus den Art. 12 EG und 18 EG ergebe, zweifelhaft, ob die auf dem Gebiet der Steuerbefreiung für Unionsangehörige geltenden Beschränkungen mit denen für Inländer vergleichbar sein müssten. Das Unionsrecht verlange nämlich zur Erfüllung der Verpflichtung zu einer vollständigen Integration der Unionsangehörigen in den Aufnahmemitgliedstaat keineswegs, dass die Steuerbefreiung zu Voraussetzungen gewährt werde, die denen für Inländer entsprächen. Um in den Genuss der Steuerbefreiung für den Kauf der ersten Wohnung zu kommen, müssten Inländer das Vorliegen mehrerer Voraussetzungen nachweisen und Steuererklärungen vorlegen. Der Argumentation der Kommission zu folgen, würde darauf hinauslaufen, den Angehörigen anderer Mitgliedstaaten als der Hellenischen Republik aufgrund bloßer Erklärung die gleiche Vergünstigung zuteil werden zu lassen wie Inländern, was nicht richtig sein könne.
28 Schließlich betreffe die Rechtfertigung von Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 1 des Gesetzes Nr. 1078/1980 allein den Erwerb einer ersten Wohnung und damit eine sehr begrenzte Kategorie von Rechtsübertragungen, mit denen ein im Allgemeininteresse liegender Bedarf befriedigt werde.
29 Im Übrigen sei die genannte Bestimmung dadurch gerechtfertigt, dass sie Privaten den Erwerb einer Wohnung erleichtern und damit Familien unterstützen solle. Sie sei Teil des allgemeineren Rahmens der Sozialpolitik des Staates, der damit seiner Fürsorge für die mittleren und unteren Schichten Ausdruck gebe, denen er für den Wohnungserwerb eine Unterstützung gewähre, die einen Steuervorteil mit sozialer Dimension darstelle.
30 Überdies sei durch den Ministerialbeschluss vom 7. April 2005 eine Mindestwohndauer von einem Jahr festgesetzt worden. Diese Voraussetzung sei verhältnismäßig, geeignet und erforderlich, denn die Dauer sei angemessen, da sie es einem Unionsangehörigen ermögliche, das Land kennenzulernen, sich anzupassen und einzuleben und den Markt für den Immobilienkauf zu studieren. Diese Voraussetzung sei eine Garantie dafür, dass der Käufer eine erste Wohnung für die Eigennutzung erwerbe und nicht Immobilien zu Gewinn‑ oder sonstigen Zwecken zu kaufen suche. In Ermangelung zuverlässigerer Kriterien sei die Mindestwohnzeit für zweckmäßig befunden worden, um gegen Steuerhinterziehung vorzugehen und Missbrauch zu verhindern. Im Übrigen sei sie nicht so lang, dass sie Personen, die in Griechenland wohnen wollten, Schwierigkeiten bereiten oder sie von einer geplanten Niederlassung in Griechenland abhalten könnte.
31 Insoweit träfen die Schlussfolgerungen nicht zu, die die Kommission daraus ziehe, dass dem Käufer keine Verpflichtung auferlegt werde, die erworbene Immobilie als ständigen Wohnsitz zu nutzen, und ihm nicht verbiete, sie zu vermieten oder wieder zu verkaufen. Was den Wiederverkauf angehe, treffe diese Behauptung nicht zu, da nach Art. 1 Abs. 7 des Gesetzes Nr. 1078/1980 die Befreiung unter der Bedingung gewährt werde, dass die Immobilie mindestens fünf Jahre lang im Eigentum des Käufers bleibe. Der nationale Gesetzgeber habe einem realistischen Ansatz folgend für die Verwendung der ersten Wohnung keine strikten Kriterien aufgestellt, weil sich der Mittelpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit des Käufers und seine Familienverhältnisse ändern könnten.
32 Die Vorschläge der Kommission für weniger belastende Mechanismen zur Erreichung der Ziele des Gesetzes Nr. 1078/1980, z. B. eine Verpflichtung zur Meldung bei den Gemeinde‑ oder Steuerregistern oder zur Abgabe von Steuererklärungen, seien ineffizient. Unionsangehörige, die sich in Griechenland niederließen, müssten sich weder bei der Gemeinde anmelden noch eine Steuernummer beantragen, noch Steuererklärungen abgeben, solange sie keine Immobilie erworben hätten. Zudem seien Immobilienveräußerungen noch nicht in das EDV-System des Katasters integriert, dessen Einführung sich noch im Anfangsstadium befinde.
33 Eine Abschaffung des Kriteriums des ständigen Wohnsitzes würde somit dazu führen, dass sich die Einhaltung der Voraussetzungen für die Steuerbefreiung viel schwerer kontrollieren ließe, und hätte möglicherweise eine Umgehung der insoweit geltenden Bestimmungen zur Folge, da ohne steuerliche Angaben über den Käufer nicht nachprüfbar sei, ob dieser in Griechenland andere Immobilien besitze oder nicht.
34 Auch der Vorschlag der Kommission, vom Käufer eine schlichte Erklärung zu verlangen, ob er bereits Eigentümer von Immobilien in Griechenland sei, sei ungeeignet, da eine solche Angabe der Steuerverwaltung keine Gewähr biete.
35 Schließlich werde durch die Vorschriften des Unionsrechts, auch wenn danach im Rahmen der Abschaffung von Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit die Ausübung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Steuern eingeschränkt sei, dem nationalen Gesetzgeber nicht die Befugnis genommen, für die Gewährung von Steuervergünstigungen konkrete Kriterien vorzuschreiben, insbesondere wenn den Steuerbefreiungen soziale Kriterien zugrunde lägen. Die Hellenische Republik trägt unter Berufung auf die Urteile Kommission/Dänemark und vom 27. Januar 2000, Graf (C‑190/98, Slg. 2000, I‑493), vor, dass auch unterschiedslos anwendbare Bestimmungen, die einen Angehörigen eines Mitgliedstaats daran hinderten oder davon abhielten, seinen Herkunftsstaat zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, nur dann Beeinträchtigungen dieser Freiheit darstellten, wenn sie den Zugang der Arbeitnehmer zum Arbeitsmarkt beeinflussten.
36 In ihrer Erwiderung hält die Kommission ihr in der Klageschrift vorgetragenes Vorbringen in vollem Umfang aufrecht.
37 Die Hellenische Republik trägt dagegen in ihrer Gegenerwiderung vor, die Kommission habe ihr Vorbringen zur sozialen Tragweite der beanstandeten Bestimmungen des Gesetzes Nr. 1078/1980 nicht berücksichtigt. Würden soziale Vergünstigungen ohne Überlegung und unkontrolliert allen Unionsbürgern gewährt, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machten, würde dies zum einen zu einer Umgehung der im sozialen Bereich bestehenden nationalen Regelungen führen und zum anderen dazu, dass die mit diesen verfolgten Ziele ihren sozialen Charakter verlören, da die Gewährung solcher Vergünstigungen allein auf die Unionsbürgerschaft der von ihrer Freizügigkeit Gebrauch machenden Personen gestützt wäre.
38 Die Hellenische Republik macht somit gestützt auf die Urteile vom 24. Februar 1994, Roks u. a. (C‑343/92, Slg. 1994, I‑571), sowie vom 1. Februar 1996, Posthuma-van Damme und Oztürk (C‑280/94, Slg. 1996, I‑179), geltend, dass die nationalen Praktiken zur Verwirklichung sozialer Ziele im freien Ermessen der Mitgliedstaaten stünden, das diesen zur Festlegung ihrer Sozialpolitik hinsichtlich der Art und des Ausmaßes ihrer sozialen Schutzmaßnahmen weiter zustehe, sofern ihr Handeln im Hinblick auf das verfolgte Ziel verhältnismäßig sei. Daher verstoße Art. 1 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 des Gesetzes Nr. 1078/1980 nicht gegen Unionsrecht, und die mit dieser Bestimmung verfolgten Ziele könnten nicht durch weniger belastende Maßnahmen erreicht werden.
Würdigung durch den Gerichtshof
39 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs fallen die direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, doch müssen diese ihre Befugnisse unter Wahrung des Unionsrechts ausüben (vgl. u. a. Urteile vom 4. März 2004, Kommission/Frankreich, C‑334/02, Slg. 2004, I‑2229, Randnr. 21, vom 18. Januar 2007, Kommission/Schweden, C‑104/06, Slg. 2007, I‑671, Randnr. 12, und vom 17. Januar 2008, Kommission/Deutschland, C‑152/05, Slg. 2008, I‑39, Randnr. 16).
40 Mithin ist zu prüfen, ob, wie die Kommission geltend macht, Art. 1 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 des Gesetzes Nr. 1078/1980 eine Beschränkung der in den Art. 18 EG, 39 EG und 43 EG sowie den Art. 4, 28 und 31 des EWR-Abkommens verankerten Verkehrsfreiheiten darstellt.
41 Art. 18 EG, in dem das Recht eines jeden Bürgers der Europäischen Union, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, in allgemeiner Form niedergelegt ist, hat in Art. 39 EG hinsichtlich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und in Art. 43 EG hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit eine besondere Ausprägung erfahren (vgl. Urteile vom 26. Oktober 2006, Kommission/Portugal, C‑345/05, Slg. 2006, I‑10633, Randnr. 13, Kommission/Schweden, Randnr. 15, und Kommission/Deutschland, Randnr. 18).
42 Somit ist als Erstes zu prüfen, ob die Art. 39 EG und 43 EG einer nationalen Regelung wie Art. 1 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 des Gesetzes Nr. 1078/1980 entgegenstehen.
43 Sämtliche Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit sollen den Unionsangehörigen die Ausübung beruflicher Tätigkeiten aller Art im Gebiet der Union erleichtern und stehen Maßnahmen entgegen, die die Unionsangehörigen benachteiligen könnten, wenn sie eine Erwerbstätigkeit im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ausüben wollen (vgl. Urteile Kommission/Dänemark, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung, Kommission/Portugal, Randnr. 15, Kommission/Schweden, Randnr. 17, und Kommission/Deutschland, Randnr. 21).
44 Im vorliegenden Fall macht die Hellenische Republik geltend, dass nach den streitigen Bestimmungen für die Gewährung der fraglichen Steuerbefreiung nicht die griechische Staatsangehörigkeit, sondern nur der ständige Wohnsitz in Griechenland vorausgesetzt werde.
45 Hierzu genügt der Hinweis darauf, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die Vorschriften über die Gleichbehandlung nicht nur offensichtliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle verdeckten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen, verbieten (vgl. u. a. Urteile vom 12. Februar 1974, Sotgiu, 152/73, Slg. 1974, 153, Randnr. 11, Commerzbank, Randnr. 14, und vom 1. Oktober 2009, Gottwald, C‑103/08, Slg. 2009, I‑9117, Randnr. 27).
46 Dies trifft insbesondere auf eine Maßnahme zu, die eine Unterscheidung anhand des Kriteriums des Wohnsitzes oder des Aufenthaltsorts trifft, denn sie kann sich hauptsächlich zum Nachteil der Angehörigen anderer Mitgliedstaaten auswirken, da die Personen ohne inländischen Wohnsitz oder Aufenthaltsort meist Ausländer sind (vgl. u. a. Urteile vom 29. April 1999, Ciola, C‑224/97, Slg. 1999, I‑2517, Randnr. 14, vom 16. Januar 2003, Kommission/Italien, C‑388/01, Slg. 2003, I‑721, Randnr. 14, und Gottwald, Randnr. 28).
47 Im vorliegenden Fall stellt Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 1 des Gesetzes Nr. 1078/1980 gerade auf ein solches Kriterium ab, da nach dieser Bestimmung die Steuerbefreiung ausschließlich Personen gewährt wird, die ihren ständigen Wohnsitz in Griechenland haben. Hierzu ist festzustellen, dass der inländische Wohnsitz als Kriterium für die Steuerbefreiung, auch wenn dabei die Staatsangehörigkeit des Erwerbers der Immobilie keine Rolle spielt, sich insbesondere zum Nachteil von Personen ohne griechische Staatsangehörigkeit auswirken kann. Denn es werden meist diese sein, die ihren Wohnsitz außerhalb Griechenlands haben.
48 Somit benachteiligt die genannte Bestimmung Personen, die nicht in Griechenland ansässig sind, wenn sie sich im Hinblick auf eine zukünftige Niederlassung in diesem Mitgliedstaat eine erste Wohnung kaufen, da sie diese Personen von dieser Steuerbefreiung beim Kauf einer ersten Wohnung ausschließt, während bereits in Griechenland ansässige Personen, die dort eine erste Wohnung kaufen, auf diese Steuerbefreiung Anspruch haben.
49 Unter diesen Umständen hat die genannte Bestimmung eine abschreckende Wirkung auf nicht in Griechenland ansässige Personen, die gemäß dem Recht auf Freizügigkeit nach den Art. 39 EG und 43 EG in diesem Mitgliedstaat eine erste Wohnung kaufen möchten.
50 Folglich ist Art. 1 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 des Gesetzes Nr. 1078/1980, indem er die Steuerbefreiung beim Kauf einer ersten Wohnung Personen vorbehält, die ihren ständigen Wohnsitz in Griechenland haben, geeignet, die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Niederlassungsfreiheit, wie sie in den Art. 39 EG und 43 EG verbürgt sind, zu beschränken.
51 Nach gefestigter Rechtsprechung können jedoch nationale Maßnahmen, die geeignet sind, die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, zugelassen werden, wenn mit ihnen ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt wird, wenn sie geeignet sind, dessen Erreichung zu gewährleisten, und wenn sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist (vgl. u. a. Urteile Kommission/Portugal, Randnr. 24, Kommission/Schweden, Randnr. 25, und Kommission/Deutschland, Randnr. 26).
52 Die Hellenische Republik macht insoweit geltend, die Voraussetzung des ständigen Wohnsitzes sei u. a. durch die Ziele gerechtfertigt, einerseits Privaten den Erwerb einer ersten Wohnung zu erleichtern und der Wohnungsspekulation vorzubeugen und andererseits gegen Steuerhinterziehung vorzugehen und Missbrauch zu verhindern. Eine solche Voraussetzung füge sich in den allgemeineren Rahmen der Sozialpolitik des betreffenden Mitgliedstaats ein, bei der die nationalen Praktiken zur Verwirklichung sozialer Ziele im freien Ermessen der Mitgliedstaaten stünden, das diesen zur Festlegung ihrer Sozialpolitik hinsichtlich der Art und des Ausmaßes ihrer sozialen Schutzmaßnahmen weiter zustehe, sofern ihr Handeln im Hinblick auf das verfolgte Ziel verhältnismäßig sei.
53 Sofern solche Argumente zur Rechtfertigung einer Beschränkung der Freizügigkeit in Betracht kommen sollten, ist festzustellen, dass mit der Voraussetzung des inländischen Wohnsitzes nach Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 1 des Gesetzes Nr. 1078/1980 jedenfalls die angeblich mit ihr verfolgten Ziele nicht erreicht werden können und dass sie zudem über das hinausgeht, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist.
54 Erstens ist nämlich zur Eignung der fraglichen nationalen Regelung, sofern mit der genannten Bestimmung verhindert werden soll, dass der Käufer einer Immobilie daraus einen Gewinn zieht, und damit der Spekulation vorgebeugt werden soll, festzustellen, dass das verfolgte Ziel mit der in dieser Bestimmung vorgesehenen Voraussetzung nicht erreicht werden kann, da das Gesetz Nr. 1078/1980 den Käufer einer Immobilie nicht dazu verpflichtet, diese als ständigen Wohnsitz zu nutzen, und ihm nicht verbietet, sie zu vermieten. Ohne eine solche Verpflichtung kann das Vorbringen der Hellenischen Republik zur Spekulationsbekämpfung keinen Erfolg haben.
55 Gleiches gilt für das ausdrücklich auf die Sozialpolitik gestützte Argument der Hellenischen Republik, dass es erforderlich sei, Familien mit geringem oder mittlerem Einkommen zu unterstützen. Ohne eine Verpflichtung wie die in der vorstehenden Randnummer genannte ist nicht ersichtlich, dass das Gesetz Nr. 1078/1980 zur Verwirklichung des genannten Ziels geeignet ist, da der beim Kauf einer ersten Wohnung gewährte Steuervorteil allen gewährt wird, die die Wohnsitzvoraussetzung erfüllen, unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu den mittleren oder unteren Schichten. Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, dass die nicht selektive Gewährung dieses Steuervorteils dem behaupteten sozialpolitischen Ziel des Gesetzes Nr. 1078/1980 gerecht wird. Im Übrigen hat die Hellenische Republik nicht nachgewiesen, dass die Steuerbefreiung beim Kauf einer ersten Wohnung einen Steuervorteil mit sozialer Dimension darstellt, der nur Personen betrifft, die sozial benachteiligten Schichten angehören.
56 Zweitens ist zur Erforderlichkeit der fraglichen Regelung festzustellen, dass die Berufung der Hellenischen Republik auf das Ziel, gegen Steuerhinterziehung vorzugehen und Missbrauch zu verhindern, der in der zweckfremden Inanspruchnahme der Befreiung, beispielsweise für den Kauf von mehreren Immobilien, bestehe, nicht geeignet ist, die Erforderlichkeit der streitigen Bestimmungen zur Erreichung dieses Ziels darzutun. Dieses Ziel lässt sich ebenso erreichen, wenn die Käufer nicht im Inland ständig ansässig sind.
57 Wie nämlich die Kommission zu Recht geltend macht, gibt es weniger belastende Mechanismen, mit denen die griechischen Behörden sich vergewissern können, dass der Käufer einer Immobilie alle erforderlichen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung erfüllt, indem sie insbesondere prüfen, ob er Eigentümer einer anderen Immobilie in Griechenland ist, wie etwa die Eintragung im Steuerregister oder im Kataster, die Einholung von Steuererklärungen oder Wohnungsanmeldungen oder die Durchführung von Kontrollen durch die Steuerbehörden, ergänzt durch beeidete Erklärungen der Käufer, die für die inhaltliche Richtigkeit ihrer Angaben strafrechtlich haften.
58 Folglich geht eine nationale Regelung wie die des Art. 1 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 des Gesetzes Nr. 1078/1980 über das hinaus, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist.
59 Angesichts dieser Feststellungen ist die Voraussetzung des ständigen Wohnsitzes nach Art. 1 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 des Gesetzes Nr. 1078/1980 zum einen nicht geeignet, den Zielen gerecht zu werden, Privaten den Erwerb einer ersten Wohnung zu erleichtern, der Wohnungsspekulation vorzubeugen und Familien mit geringem oder mittlerem Einkommen zu unterstützen, und zum anderen nicht erforderlich, um gegen Steuerhinterziehung vorzugehen und Missbrauch zu verhindern, der in der zweckfremden Inanspruchnahme der Befreiung besteht, so dass zu folgern ist, dass eine solche Voraussetzung gegen die Art. 39 EG und 43 EG verstößt.
60 Als Zweites ist hinsichtlich der nicht in Griechenland ansässigen und dort nicht erwerbstätigen Personen festzustellen, dass diese Schlussfolgerung aus denselben Gründen für die auf Art. 18 EG gestützte Rüge gilt (vgl. Urteile vom 5. Juli 2007, Kommission/Belgien, C‑522/04, Slg. 2007, I‑5701, Randnr. 72, und Kommission/Deutschland, Randnr. 30).
61 Die Kommission macht zudem geltend, dass die Hellenische Republik durch das Bestehen der genannten Bestimmungen gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 28 und 31 des EWR-Abkommens betreffend die Freizügigkeit der Arbeitnehmer bzw. die Niederlassungsfreiheit verstoßen habe.
62 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen der Art. 28 und 31 des EWR‑Abkommens, die Beschränkungen der Freizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit untersagen, denjenigen der Art. 39 EG und 43 EG entsprechen.
63 Folglich hat die Hellenische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 18 EG, 39 EG und 43 EG sowie aus den Art. 28 und 31 des EWR-Abkommens verstoßen, dass sie nach Art. 1 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 des Gesetzes Nr. 1078/1980 die Befreiung von der Steuer ausschließlich Personen gewährt, die ihren ständigen Wohnsitz im Inland haben, und nicht auch Personen, die die Absicht haben, sich zukünftig dort niederzulassen.
Zur zweiten Rüge: Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
64 Die Kommission trägt vor, Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 2 des Gesetzes Nr. 1078/1980 begründe eine explizite Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, da ausschließlich griechische Staatsangehörige und Personen griechischer Abstammung in den Genuss der Steuerbefreiung kommen könnten, und zwar selbst dann, wenn sie nicht die allgemeine Voraussetzung des ständigen Wohnsitzes in Griechenland erfüllten. Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten als der Hellenischen Republik werde eine solche Befreiung nicht zuerkannt.
65 Nach dem in Art. 12 Abs. 1 EG niedergelegten allgemeinen Grundsatz sei jede Unterscheidung nach der Staatsangehörigkeit, die eine Bevorzugung griechischer Staatsangehöriger und Benachteiligung von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten darstelle, ausdrücklich verboten. Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten, die in Griechenland eine erste Wohnung kaufen möchten, müssten mithin eine Steuer entrichten, die beim Erwerb durch griechische Staatsangehörige nicht erhoben werde, was den Erwerb einer ersten Wohnung in Griechenland für Ausländer weniger attraktiv mache und folglich deren freie Niederlassung in diesem Mitgliedstaat beschränke.
66 Die Hellenische Republik trägt vor, der Status des griechischen Bürgers oder des Bürgers griechischer Abstammung als Grund für eine Ausnahme von der Voraussetzung des ständigen Wohnsitzes in Griechenland bestätige, dass die wesentliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung der Ort des ständigen Wohnsitzes sei, der unter den möglichen Kriterien das objektivste und geeignetste sei. Die streitige Bestimmung sei nach Abschaffung der für die Einfuhr von Devisen geltenden Steuerbefreiung in das Gesetz Nr. 1078/1980 aufgenommen worden und solle Personen griechischer Abstammung und ausgewanderten Griechen den Wohnungserwerb erleichtern und ihnen einen Anreiz zur Rückkehr nach Griechenland bieten. Da die Hellenische Republik zu den Staaten mit erheblichem Bevölkerungsrückgang aufgrund massiver Auswanderung gehöre, seien Erleichterungen in Gestalt von Steuerbefreiungen für zweckmäßig befunden worden, um im Ausland ansässigen griechischen Staatsangehörigen Anreiz zur Rückkehr nach Griechenland zu geben. Diese spezifische und punktuelle Ausnahme diene offensichtlichen sozialpolitischen Zielen zum Schutz der Verbindungen zwischen den im Ausland niedergelassenen Griechen und ihrem Herkunftsstaat. Insbesondere im Hinblick auf die soziale Dimension der streitigen Bestimmung und das mit dieser verfolgte Ziel gehe die von der Kommission beanstandete Beschränkung nicht über die Grenzen des Verhältnismäßigen und des Hinnehmbaren hinaus.
Würdigung durch den Gerichtshof
67 Zur zweiten Rüge der Kommission, mit der beanstandet wird, dass die Steuerbefreiung nur griechischen Staatsangehörigen oder Personen griechischer Abstammung gewährt werde, ist festzustellen, dass Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 2 des Gesetzes Nr. 1078/1980 eine Unterscheidung aufgrund des Kriteriums der Staatsangehörigkeit trifft.
68 Insoweit genügt der Hinweis, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs das Diskriminierungsverbot, unabhängig davon, ob es auf Art. 12 EG, Art. 39 EG oder Art. 43 EG gestützt wird, verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht ungleich und ungleiche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden. Eine solche Behandlung wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen beruhte und in einem angemessenen Verhältnis zu einem legitimerweise verfolgten Zweck stünde (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Juni 2008, Wood, C‑164/07, Slg. 2008, I‑4143, Randnr. 13, und vom 16. Dezember 2008, Huber, C‑524/06, Slg. 2008, I‑9705, Randnr. 75).
69 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass sich griechische Staatsangehörige und Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten als der Hellenischen Republik, die beabsichtigen, sich in Griechenland niederzulassen, hinsichtlich des Erwerbs einer ersten Wohnung in diesem Mitgliedstaat in einer vergleichbaren Lage befinden. Nach Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 2 des Gesetzes Nr. 1078/1980 kann jedoch die Unterscheidung zwischen der Lage der griechischen Staatsangehörigen oder Personen griechischer Abstammung und der Lage der nichtgriechischen Staatsangehörigen, was ihren Anspruch auf die Steuerbefreiung angeht, allein nach ihrer Staatsangehörigkeit getroffen werden. Denn nur griechische Staatsangehörige oder Personen griechischer Abstammung erhalten die Steuerbefreiung. Somit stellt diese ausdrücklich und allein auf die Staatsangehörigkeit gestützte unterschiedliche Behandlung eine unmittelbare Diskriminierung dar.
70 Die Hellenische Republik macht geltend, diese Unterscheidung sei im vorliegenden Fall u. a. durch die Ziele gerechtfertigt, zum einen griechischen Auswanderern und Personen griechischer Abstammung den Wohnungserwerb zu erleichtern und ihnen einen Anreiz zur Rückkehr nach Griechenland zu bieten, da dessen Bevölkerung aufgrund massiver Auswanderung stark zurückgegangen sei. Zum anderen sei die vorgesehene Steuerbefreiung auch durch sozialpolitische Gründe des Schutzes der Verbindungen zwischen den ausgewanderten Griechen und ihrem Herkunftsstaat gerechtfertigt.
71 Solche Erwägungen sind jedoch nicht geeignet, das Vorliegen objektiver, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängiger Umstände darzutun, die eine unterschiedliche Behandlung wie die aufgrund der Steuerbefreiung nach Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 2 des Gesetzes Nr. 1078/1980 rechtfertigen könnten, da sie unmittelbar auf die Staatsangehörigkeit der Betroffenen gestützt sind.
72 Folglich ist die unterschiedliche Behandlung der griechischen Staatsangehörigen oder Personen griechischer Abstammung und der Unionsbürger, die nicht Staatsangehörige der Hellenischen Republik sind, die darin besteht, dass Letztere nach Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 2 des Gesetzes Nr. 1078/1980 von der vorgesehenen Steuerbefreiung ausgeschlossen sind, eine nach Art. 12 Abs. 1 EG, 39 EG und 43 EG verbotene Diskriminierung.
73 Die Kommission trägt ferner vor, dass die Hellenische Republik durch das Bestehen der genannten Bestimmungen außerdem gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 4, 28 und 31 des EWR-Abkommens betreffend das Verbot von Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer bzw. die Niederlassungsfreiheit verstoßen habe.
74 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass das Verbot von Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit nach Art. 4 des EWR-Abkommens sowie die Bestimmungen der Art. 28 und 31 des EWR-Abkommens, die Beschränkungen der Freizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit untersagen, denjenigen der Art. 12 EG, 39 EG und 43 EG entsprechen.
75 Folglich hat die Hellenische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 12 EG, 39 EG und 43 EG sowie aus den Art. 4, 28 und 31 des EWR-Abkommens verstoßen, dass sie die – von bestimmten Voraussetzungen abhängige – Befreiung von der Steuer ausschließlich griechischen Staatsangehörigen beim Erwerb ihrer ersten Wohnung im Inland gewährt.
Kosten
76 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Hellenische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Hellenische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 12 EG, 18 EG, 39 EG und 43 EG sowie aus den Art. 4, 28 und 31 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 verstoßen,
– dass sie nach Art. 1 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 des Gesetzes Nr. 1078/1980 die Befreiung von der Grunderwerbsteuer ausschließlich Personen gewährt, die ihren ständigen Wohnsitz im Inland haben, und nicht auch Personen, die die Absicht haben, sich zukünftig dort niederzulassen, und
– dass sie die – von bestimmten Voraussetzungen abhängige – Befreiung von der Steuer ausschließlich griechischen Staatsangehörigen beim Erwerb ihrer ersten Wohnung im Inland gewährt.
2. Die Hellenische Republik trägt die Kosten.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Griechisch.