Rechtssache C-77/09

Gowan Comércio Internacional e Serviços Lda

gegen

Ministero della Salute

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale amministrativo regionale del Lazio)

„Pflanzenschutzmittel – Richtlinie 2006/134/EG – Gültigkeit – Beschränkungen der Verwendung von Fenarimol als Wirkstoff“

Leitsätze des Urteils

1.        Vorabentscheidungsverfahren – Gültigkeitsprüfung – Zulässigkeit – Erfordernis, dem Gerichtshof hinreichende Angaben zum tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang zu machen

(Art. 234 EG)

2.        Landwirtschaft – Rechtsangleichung – Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln – Richtlinie 91/414

(Richtlinie 91/414 des Rates, Art. 19 und Anhang I; Richtlinie 2006/134 der Kommission)

3.        Landwirtschaft – Rechtsangleichung – Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln – Richtlinie 91/414

(Richtlinie 91/414 des Rates, Art. 19 und Anhang I; Richtlinie 2006/134 der Kommission)

4.        Landwirtschaft – Rechtsangleichung – Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln – Richtlinie 91/414

(Art. 168 AEUV und 191 Abs. 1 und 2 AEUV; Richtlinie 91/414 des Rates, Anhang I; Richtlinie 2006/134 der Kommission)

5.        Landwirtschaft – Rechtsangleichung – Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln – Richtlinie 91/414

Richtlinie 91/414 des Rates, Art. 5 Abs. 5 und Anhang I; Richtlinie 2006/134 der Kommission)

1.        Der Gerichtshof kann es nur dann ablehnen, über eine von einem nationalen Gericht zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage zu befinden, wenn insbesondere die Auslegung oder die Beurteilung der Gültigkeit einer Unionsvorschrift, um die das nationale Gericht ersucht, offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind.

Dies ist nicht der Fall, wenn zum einen vor dem Gerichtshof unbestritten ist, dass die Frage der Gültigkeit einer Richtlinie für die Entscheidung des Ausgangsrechtstreits erheblich ist, und zum anderen das nationale Gericht erläutert hat, dass es die Gültigkeit der Richtlinie insbesondere wegen der Inkohärenz zwischen den mit dieser Richtlinie festgelegten Beschränkungen der Verwendung eines Stoffes und den im Großen und Ganzen positiven technischen und wissenschaftlichen Bewertungen dieses Stoffes in Zweifel ziehe, so dass der Gerichtshof über hinreichende Angaben verfügt, um die Gültigkeit der Richtlinie im Hinblick auf den Sachverhalt, der dem Ausgangsrechtsstreit zugrunde liegt, prüfen zu können.

(vgl. Randnrn. 25-27)

2.        Die Richtlinie 91/414 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln soll, wie aus ihren Erwägungsgründen 5, 6 und 9 hervorgeht, der Beseitigung der Hindernisse für den innergemeinschaftlichen Handel mit Pflanzenschutzmitteln unter Aufrechterhaltung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt sowie für die Gesundheit von Mensch und Tier dienen. Damit die Kommission das ihr gesetzte Ziel wirksam verfolgen kann und im Hinblick darauf, dass sie komplexe technische Beurteilungen vorzunehmen hat, wenn sie im Rahmen der Prüfung von Anträgen auf Aufnahme von Wirkstoffen in Anhang I der Richtlinie 91/414 die mit der Anwendung dieser Stoffe verbundenen Risiken bewertet, ist ihr ein weites Ermessen zuzuerkennen.

Die Ausübung dieses Ermessens ist jedoch nicht der gerichtlichen Kontrolle entzogen. Der Unionsrichter muss nämlich im Rahmen dieser Kontrolle feststellen, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt von der Kommission zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung dieses Sachverhalts und kein Ermessensmissbrauch vorliegen. Insbesondere hat der Unionsrichter bei der Prüfung, ob das zuständige Organ einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, zu kontrollieren, ob dieses Organ sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls untersucht hat, auf die die daraus gezogenen Schlussfolgerungen gestützt sind.

(vgl. Randnrn. 54-57)

3.        Im Rahmen der Richtlinie 91/414 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln ist die Kommission zwar verpflichtet, die vom Bericht erstattenden Mitgliedstaat vorbereitete wissenschaftliche Bewertung zu berücksichtigen, doch bindet diese Bewertung weder die Kommission noch gegebenenfalls den Rat, die nach dem Verfahren des Art. 19 dieser Richtlinie weiter Risikomanagementmaßnahmen erlassen können, die von den vom Bericht erstattenden Mitgliedstaat vorgeschlagenen abweichen.

Was die Richtlinie 2006/134 zur Änderung der Richtlinie 91/414 zwecks Aufnahme des Wirkstoffs Fenarimol betrifft, so besteht, da zum einen die vom Antragsteller übermittelten Daten die ursprüngliche Bewertung des Bericht erstattenden Mitgliedstaats in Bezug auf das Fehlen eines unannehmbaren Risikos bestätigten und von der Arbeitsgruppe „Bewertung“ akzeptiert wurden, und zum anderen die Richtlinie 2006/134 die Ergebnisse der wissenschaftlichen Bewertung der mit diesem Wirkstoff verbundenen Risiken nicht entkräftet, weil sie dazu führt, dass seine Verwendung in Pflanzenschutzmitteln zugelassen wird, kein Anhaltspunkt dafür, dass ihr ein offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission anhaftet.

Unter diesen Umständen kann der Kommission nämlich nicht zur Last gelegt werden, sie habe die vom Bericht erstattenden Mitgliedstaat vorgelegten wissenschaftlichen Gesichtspunkte im Rahmen der Bewertung der mit der Verwendung von Fenarimol verbundenen Risiken nicht sorgfältig und unparteiisch untersucht.

(vgl. Randnrn. 60, 62-63, 65, 67)

4.        Erweist es sich als unmöglich, das Bestehen oder den Umfang des behaupteten Risikos mit Sicherheit festzustellen, weil die Ergebnisse der durchgeführten Studien unzureichend, nicht schlüssig oder ungenau sind, die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Schadens für die öffentliche Gesundheit jedoch fortbesteht, falls das Risiko eintritt, rechtfertigt das Vorsorgeprinzip den Erlass beschränkender Maßnahmen, wenn sie objektiv und nicht diskriminierend sind.

Was das Verfahren zur Aufnahme von Fenarimol in Anhang I der Richtlinie 91/414 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln angeht, so hat sich bei der Erarbeitung des Entwurfs der Entscheidung zur Aufnahme von Fenarimol in Anhang I der Richtlinie 91/414 gezeigt, dass weiter Bedenken hinsichtlich der toxischen Wirkungen von Fenarimol, insbesondere seiner potenziell endokrin wirkenden Eigenschaften, bestehen, so dass der Stoff nicht ohne Einschränkungen verwendet werden sollte.

Unter diesen Umständen, die belegen, dass hinsichtlich der Beurteilung der endokrinen Wirkungen von Stoffen wie Fenarimol noch wissenschaftliche Ungewissheit bestand, kann nicht angenommen werden, dass die Kommission eine offensichtlich unzutreffende Anwendung des Vorsorgeprinzips vorgenommen hat, als sie die Zulassung dieses Stoffes mit Anwendungsbeschränkungen verknüpft hat.

(vgl. Randnrn. 76-79)

5.        Die Kommission verfügt über ein weites Ermessen, wenn sie im Rahmen eines Verfahrens zur Aufnahme eines Stoffes in Anhang I der Richtlinie 91/414 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln Risikomanagementmaßnahmen erlässt.

Hinsichtlich der Frage, ob die Maßnahmen zur Beschränkung der Anwendung von Fenarimol zur Erreichung der mit der Richtlinie 91/414 verfolgten Ziele geeignet sind, ergibt sich aus dem Verfahren, das zum Erlass der Richtlinie 2006/134 zur Änderung der Richtlinie 91/414 zwecks Aufnahme des Wirkstoffs Fenarimol geführt hat, und den Erwägungsgründen dieser Richtlinie, dass sich die Kommission um einen Ausgleich bemüht hat zwischen den Zielen der Richtlinie 91/414 – nämlich der Produktionsverbesserung bei der Pflanzenerzeugung und dem Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier, des Grundwassers und der Umwelt – und dem Interesse des Antragstellers an der Aufnahme von Fenarimol in Anhang I der Richtlinie 91/414 nach wissenschaftlicher Bewertung der mit diesem Stoff verbundenen Risiken. In Anbetracht der Bedenken hinsichtlich der potenziellen endokrinen Wirkungen von Fenarimol und der insoweit bestehenden wissenschaftlichen Ungewissheit, die den Rückgriff der Kommission auf das Vorsorgeprinzip gerechtfertigt haben, erscheinen die Beschränkungen, denen die Anwendung dieses Stoffes nach der Richtlinie 2006/134 unterliegt, nicht ungeeignet, diese Ziele zu erreichen.

Zur Notwendigkeit der fraglichen Maßnahme ist festzustellen, dass die Aufnahme von Fenarimol in Anhang I der Richtlinie 91/414 zwar auf einen Zeitraum von 18 Monaten verkürzt wurde, dass diese zeitliche Befristung nach dem elften Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/134 jedoch einer etwaigen Verlängerung der Aufnahme nach Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 91/414 nicht entgegensteht. Weiter geht aus dem sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/134 ausdrücklich hervor, dass der Umstand, dass die Zulassung auf diejenigen Anwendungen beschränkt wird, die tatsächlich geprüft wurden und für die festgestellt wurde, dass die Bedingungen der Richtlinie 91/414 eingehalten werden, es nicht ausschließt, dass weitere Anwendungen in Anhang I dieser Richtlinie aufgenommen werden, nachdem sie umfassend geprüft worden sind.

Unter diesen Umständen gehen die Maßnahmen zur Beschränkung der Anwendung von Fenarimol nicht über das hinaus, was zur Erreichung der verfolgten Ziele als erforderlich erachtet werden kann. Daraus folgt, dass die Richtlinie 2006/134 nicht wegen Verstoßes den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ungültig ist.

(vgl. Randnrn. 82-87)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

22. Dezember 2010(*)

„Pflanzenschutzmittel – Richtlinie 2006/134/EG – Gültigkeit – Beschränkungen der Verwendung von Fenarimol als Wirkstoff“

In der Rechtssache C‑77/09

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale del Lazio (Italien) mit Entscheidung vom 17. Dezember 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Februar 2009, in dem Verfahren

Gowan Comércio Internacional e Serviços Lda

gegen

Ministero della Salute

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues, der Richter A. Rosas, U. Lõhmus und A. Ó Caoimh sowie der Richterin P. Lindh (Berichterstatterin),

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 2010,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Gowan Comércio Internacional e Serviços Lda, vertreten durch C. Mereu, S. Ambrosetti und M. Velardo, avvocati,

–        der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und J. Möller als Bevollmächtigte,

–        der griechischen Regierung, vertreten durch V. Kontolaimos, K. Marinou, I. Chalkias und M. Tassopoulou als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Nardi und L. Parpala als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Juli 2010

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Gültigkeit der Richtlinie 2006/134/EG der Kommission vom 11. Dezember 2006 zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates zwecks Aufnahme des Wirkstoffs Fenarimol (ABl. L 349, S. 32).

2        Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der Gowan Comércio Internacional e Serviços Lda (im Folgenden: Gowan), einer Gesellschaft portugiesischen Rechts, und dem Ministero della Salute (Gesundheitsministerium), in dem es um die Nichtigerklärung von Entscheidungen über Genehmigungen des Inverkehrbringens geht, die in Italien für Fenarimol enthaltende Pflanzenschutzmittel erteilt wurden.

 Rechtlicher Rahmen

 Richtlinie 91/414/EWG

3        In der Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. L 230, S. 1) werden die Voraussetzungen und die Verfahren für die Genehmigung des Inverkehrbringens von Pflanzenschutzmitteln sowie die Überprüfung und Entziehung einer solchen Zulassung einheitlich geregelt. Mit ihr sollen nicht nur die Vorschriften über die Voraussetzungen und die Verfahren für die Zulassung dieser Erzeugnisse vereinheitlicht, sondern auch ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Menschen und Tieren sowie für die Umwelt gegen die Bedrohungen und Gefahren gewährleistet werden, die sich aus der unzureichend kontrollierten Verwendung dieser Erzeugnisse ergeben. Diese Richtlinie soll außerdem Hindernisse für den freien Verkehr der Pflanzenschutzmittel beseitigen.

4        Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 91/414 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass in ihrem Gebiet nur die Pflanzenschutzmittel in Verkehr gebracht und angewendet werden dürfen, die sie nach den Bestimmungen dieser Richtlinie zugelassen haben …“

5        In Art. 4 der Richtlinie sind die Voraussetzungen aufgeführt, die ein Pflanzenschutzmittel erfüllen muss, um zugelassen werden zu können. Insbesondere müssen die enthaltenen Wirkstoffe in Anhang I der Richtlinie aufgeführt und die dort aufgestellten Voraussetzungen erfüllt sein. Die Zulassungen legen die Anforderungen an das Inverkehrbringen und die Anwendung der Mittel fest. Sie werden nur für einen von den Mitgliedstaaten festgelegten Zeitraum von höchstens zehn Jahren erteilt. Sie können jederzeit überprüft werden und müssen unter bestimmten Voraussetzungen zurückgenommen werden. Nimmt ein Mitgliedstaat eine Zulassung zurück, unterrichtet er unverzüglich den Inhaber.

6        In Art. 5 der Richtlinie 91/414 sind die Voraussetzungen für die Aufnahme der Wirkstoffe in Anhang I der Richtlinie aufgeführt:

„(1)      Ein Wirkstoff wird nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse für einen anfänglichen Zeitraum von höchstens zehn Jahren in Anhang I aufgenommen, wenn angenommen werden kann, dass die diesen Wirkstoff enthaltenden Pflanzenschutzmittel folgende Voraussetzungen erfüllen:

a)      Ihre bei Anwendung gemäß guter Pflanzenschutzpraxis entstandenen Rückstände haben keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder auf das Grundwasser bzw. keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt und können, soweit toxikologisch oder ökologisch signifikant, mit allgemein gebräuchlichen Methoden gemessen werden,

b)      ihre Anwendung gemäß guter Pflanzenschutzpraxis hat keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier oder keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt gemäß Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b) Ziffern iv) und v).

(2)      Für die Aufnahme eines Wirkstoffs in Anhang I ist in ganz besonderem Maße Folgendes zu berücksichtigen:

a)      wo dies relevant ist, eine für den Menschen annehmbare Tagesdosis (ADI‑Wert);

b)      falls erforderlich, eine annehmbare Anwenderexposition;

c)      wo dies relevant ist, Einschätzung des Verbleibs und der Verbreitung in der Umwelt sowie der Auswirkung auf Arten, die nicht bekämpft werden sollen.

(3)      Bei der ersten Aufnahme eines Wirkstoffes, der zwei Jahre nach der Bekanntgabe dieser Richtlinie noch nicht im Handel war, gelten die Anforderungen als erfüllt, wenn dies für mindestens eine Zubereitung, die diesen Wirkstoff enthält, festgestellt worden ist.

(4)      Die Aufnahme eines Wirkstoffes in Anhang I kann an Bedingungen geknüpft sein, wie etwa

–        den Mindestreinheitsgrad des Wirkstoffs,

–        die Art und den Höchstgehalt bestimmter Verunreinigungen,

–        Beschränkungen aufgrund der Beurteilung der Informationen nach Artikel 6 unter Berücksichtigung der jeweiligen Bedingungen in Bezug auf die Landwirtschaft, den Pflanzenschutz und die Umwelt, einschließlich Witterungsverhältnisse,

–        die Art der Zubereitung,

–        die Art und Weise der Anwendung.

(5)      Die Aufnahme eines Wirkstoffes in Anhang I kann auf Antrag einmal oder mehrmals jeweils für einen Zeitraum von höchstens zehn Jahren erneuert werden; sie kann jederzeit überprüft werden, wenn etwas darauf hindeutet, dass die Kriterien der Absätze 1 und 2 nicht mehr erfüllt sind. Die Aufnahme des Wirkstoffs in Anhang I wird für den Zeitraum, der für die Überprüfung erforderlich ist, erneuert, sofern rechtzeitig, mindestens aber zwei Jahre vor Ablauf des Aufnahmezeitraums, ein entsprechender Antrag gestellt wurde; sie wird in jedem Fall für den Zeitraum erneuert, der erforderlich ist, um die gemäß Artikel 6 Absatz 4 verlangten Informationen vorzulegen.“

7        Nach Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 91/414 kann ein Mitgliedstaat „[a]bweichend von Artikel 4 … während eines Zeitraums von zwölf Jahren vom Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Richtlinie an zulassen, dass in seinem Gebiet Pflanzenschutzmittel in den Verkehr gebracht werden, die nicht in Anhang I aufgeführte Wirkstoffe enthalten und zwei Jahre nach dem Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Richtlinie bereits im Handel sind“.

8        Aus Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie ergibt sich, dass die Europäische Kommission mit einem Arbeitsprogramm für die schrittweise Prüfung dieser Wirkstoffe innerhalb dieses Zeitraums von zwölf Jahren beginnt.

9        Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 4 der Richtlinie bestimmt, dass „[n]ach der Prüfung eines Wirkstoffs durch den in Artikel 19 genannten Ausschuss … innerhalb [dieses Zeitraums] nach dem Verfahren desselben Artikels entschieden werden [kann], dass und unter welchen Voraussetzungen der Wirkstoff in Anhang I aufgenommen werden kann bzw. dass er, wenn die Anforderungen des Artikels 5 nicht erfüllt oder die angeforderten Informationen und Angaben nicht fristgerecht vorgelegt worden sind, nicht in Anhang I aufgenommen wird. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die betreffenden Zulassungen in einem vorgeschriebenen Zeitraum erteilt, widerrufen bzw. geändert werden.“

10      Nach Art. 6 Abs. 1 und Art. 19 der Richtlinie 91/414 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 806/2003 des Rates vom 14. April 2003 (ABl. L  122, S. 1) geänderten Fassung wird die Aufnahme eines Wirkstoffs in Anhang I der Richtlinie im Regelungsverfahren gemäß Art. 5 des Beschlusses 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (ABl. L 184, S. 23) beschlossen, wobei die Kommission von dem durch die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31, S. 1) eingesetzten Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit unterstützt wird.

 Verordnung (EWG) Nr. 3600/92

11      Die Verordnung (EWG) Nr. 3600/92 der Kommission vom 11. Dezember 1992 mit Durchführungsbestimmungen für die erste Stufe des Arbeitsprogramms gemäß Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/414 (ABl. L 366, S. 10) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2266/2000 der Kommission vom 12. Oktober 2000 geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 3600/92) regelt das Bewertungsverfahren für mehrere Wirkstoffe, darunter Fenarimol, im Hinblick auf deren etwaige Aufnahme in Anhang I dieser Richtlinie.

12      Art. 8 Abs. 3 Unterabs. 4 der Verordnung Nr. 3600/92 sieht vor:

„… [D]ie Kommission [legt] dem Ständigen Ausschuss nach der Prüfung … einen der folgenden Entwürfe vor:

(a)      den Entwurf einer Richtlinie über die Aufnahme des Wirkstoffs in Anhang I, gegebenenfalls mit den Bedingungen, einschließlich der Frist für diese Aufnahme …

…“

 Richtlinie 2006/134/EG

13      Die Richtlinie 2006/134/EG der Kommission vom 11. Dezember 2006 zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates zwecks Aufnahme des Wirkstoffs Fenarimol (ABl. L 349, S. 32) legt Beschränkungen für die Anwendung dieses Wirkstoffs für die Zeit seiner Aufnahme in Anhang I der Richtlinie 91/414 vom 1. Januar 2007 bis 30. Juni 2008 fest.

14      Nach Art. 3 der Richtlinie 2006/134 „ändern oder widerrufen [die Mitgliedstaaten] gemäß der Richtlinie [91/414] erforderlichenfalls bis 30. Juni 2007 geltende Zulassungen für Pflanzenschutzmittel, die Fenarimol als Wirkstoff enthalten. Bis zu diesem Datum prüfen sie insbesondere, ob die Bedingungen des Anhangs I der genannten Richtlinie in Bezug auf Fenarimol erfüllt sind, mit Ausnahme der Bedingungen im Teil B des Eintrags zu diesem Wirkstoff.“

15      Der Anhang der Richtlinie 2006/134 enthält folgende besondere Vorschriften:

„TEIL A

Nur Anwendungen als Fungizid an folgenden Kulturen dürfen zugelassen werden:

–        Tomaten,

–        Paprika in Gewächshäusern,

–        Auberginen,

–        Gurken in Gewächshäusern,

–        Melonen,

–        Zierpflanzen, Bäume in Baumschulen und mehrjährige Pflanzen,

Folgende Anwendungen dürfen nicht zugelassen werden:

–        Ausbringung aus der Luft;

–        Ausbringung mit tragbaren Rücken- und Handgeräten durch Hobbygärtner;

–        Anwendungen in Haus- und Kleingärten.

Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass alle geeigneten Maßnahmen zur Risikobegrenzung angewandt werden. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei dem Schutz von:

–        Wasserorganismen …

–        Regenwürmern …

–        Vögeln und Säugetieren …

–        Anwendern …

–        Arbeitskräften. …

TEIL B

Bei der Anwendung der einheitlichen Grundsätze gemäß Anhang VI sind die Schlussfolgerungen des Beurteilungsberichts über Fenarimol und insbesondere dessen Anlagen I und II zu berücksichtigen.

Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass die Zulassungsinhaber spätestens zum 31. Dezember eines jeden Jahres einen Bericht über Auswirkungen auf die Gesundheit von Anwendern vorlegen. Sie können verlangen, dass Angaben wie Absatzzahlen und eine Erhebung über Verwendungsmuster vorgelegt werden, damit ein realistisches Bild der Verwendungsbedingungen und der möglichen toxikologischen Auswirkungen von Fenarimol gezeichnet werden kann.

Die Mitgliedstaaten verlangen, dass innerhalb von zwei Jahren nach Annahme der Testleitlinien für Stoffe mit endokriner Wirkung durch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) weitere Untersuchungen zu den potenziell endokrin wirkenden Eigenschaften von Fenarimol vorgelegt werden. Sie tragen dafür Sorge, dass der Antragsteller, auf dessen Antrag Fenarimol in diesen Anhang aufgenommen wurde, der Kommission diese Untersuchungen binnen zwei Jahren nach Annahme der genannten Testleitlinien vorlegt.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

16      Am 28. Juli 1993 stellte das Unternehmen DowElanco Europe bei der Kommission einen Antrag auf Aufnahme von Fenarimol in Anhang I der Richtlinie 91/414. Nach der Übernahme der Tätigkeiten von DowElanco Europe betrieb Gowan das Verfahren zur Aufnahme von Fenarimol in eigenem Namen weiter.

17      Um der Richtlinie 2006/134 nachzukommen, widerrief die Italienische Republik mit Ministerialverordnung vom 8. Juni 2007 die Genehmigungen zum Inverkehrbringen von Fenarimol enthaltenden Pflanzenschutzmitteln.

18      Mit Ministerialverordnung vom 17. Oktober 2007 wurde Fenarimol in das in Anhang I des Gesetzesdekrets Nr. 194 vom 17. März 1995 enthaltene Verzeichnis der in Italien zugelassenen Wirkstoffe aufgenommen.

19      Zu einem späteren, vom Tribunale amministrativo regionale del Lazio nicht genannten Zeitpunkt wurde die Ministerialverordnung vom 8. Juni 2007 teilweise zurückgenommen, um bestimmte Fenarimol enthaltende Erzeugnisse nach Maßgabe des Gesetzesdekrets Nr. 194 in der durch die Ministerialverordnung vom 17. Oktober 2007 geänderten Fassung vorübergehend wieder in das Verzeichnis der in Italien zugelassenen Produkte aufzunehmen.

20      Gowan focht diese Ministerialverordnungen mit einer Nichtigkeitsklage vor dem Tribunale amministrativo regionale del Lazio an. Im Rahmen dieser Klage machte Gowan die Rechtswidrigkeit der Richtlinie 2006/134 geltend. Sie trug im Wesentlichen vor, die im Bewertungsverfahren durchgeführten wissenschaftlichen Studien rechtfertigten es nicht, die Anwendung von Fenarimol so stark zu beschränken. Diese Anwendung sei laut der Eintragung dieses Wirkstoffs in Anhang I der Richtlinie 91/414 auf einen Zeitraum von 18 Monaten und auf bestimmte Kulturen beschränkt, die im Verhältnis zu den Kulturen, die bisher ihren Hauptmarkt darstellten (Wein, Äpfel, Birnen, Pfirsiche, Wassermelonen, Zucchini, Paprika außerhalb von Gewächshäusern und Erdbeerpflanzen), nur von untergeordneter Bedeutung seien.

21      Das vorlegende Gericht stellt fest, dass das wissenschaftliche Bewertungsverfahren zu einem positiven Ergebnis geführt und die Kommission ursprünglich vorgeschlagen habe, Fenarimol ohne Einschränkungen in Anhang I der Richtlinie 91/414 aufzunehmen.

22      Unter diesen Umständen hat das Tribunale amministrativo regionale del Lazio das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist die Richtlinie 2006/134/EG, die die Anwendung von Fenarimol erheblichen Beschränkungen unterworfen hat, rechtswirksam im Hinblick darauf, dass das vom Bericht erstattenden Staat durchgeführte technisch-wissenschaftliche Testverfahren zu dem Ergebnis gelangt zu sein scheint, dass von dieser Anwendung ein vertretbares Risiko ausgeht?

 Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

23      Die Bundesrepublik Deutschland, die Hellenische Republik und die Kommission zweifeln an der Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens. Es sei nicht so klar und eindeutig gefasst, dass der Gerichtshof die rechtlichen und tatsächlichen Umstände ermitteln könne, auf denen die Zweifel des nationalen Gerichts an der Gültigkeit der Richtlinie 2006/134 beruhten.

24      Wird vor einem nationalen Gericht eine Frage nach der Gültigkeit einer Handlung der Organe der Europäischen Union aufgeworfen, ist es seine Sache, zu beurteilen, ob für seine Entscheidung eine Klärung dieses Punktes erforderlich ist, und den Gerichtshof gegebenenfalls zu ersuchen, über diese Frage zu befinden. Daher ist der Gerichtshof, wenn die vom nationalen Gericht vorgelegten Fragen die Gültigkeit einer Bestimmung des Unionsrechts betreffen, grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden (Urteile vom 10. Dezember 2002, British American Tobacco [Investments] und Imperial Tobacco, C‑491/01, Slg. 2002, I‑11453, Randnr. 34, und vom 3. Juni 2008, Intertanko u. a., C‑308/06, Slg. 2008, I‑4057, Randnr. 31).

25      Der Gerichtshof kann es nämlich nur dann ablehnen, über eine von einem nationalen Gericht zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage zu befinden, wenn insbesondere die Auslegung oder die Beurteilung der Gültigkeit einer Unionsvorschrift, um die das nationale Gericht ersucht, offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. zu Auslegungsfragen Urteile vom 15. Dezember 1995, Bosman, C‑415/93, Slg. 1995, I‑4921, Randnr. 61, und vom 12. Oktober 2010, Rosenbladt, C-45/09, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 33).

26      Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass Gowan beim Tribunale amministrativo regionale del Lazio eine Klage auf Nichtigerklärung der Ministerialverordnungen erhoben hat, die zur Umsetzung der Richtlinie 2006/134 im Hinblick auf Fenarimol enthaltende Pflanzenschutzmittel erlassen wurden. Vor dem Gerichtshof ist unbestritten, dass die Frage der Gültigkeit der Richtlinie 2006/134 für die Entscheidung des Ausgangsrechtstreits erheblich ist. Infolgedessen ist nicht offensichtlich, dass die Beurteilung der Gültigkeit der Richtlinie 2006/134, um die das vorlegende Gericht ersucht, in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht oder ein hypothetisches Problem betrifft.

27      In der Vorlageentscheidung hat das nationale Gericht erläutert, dass es die Gültigkeit der Richtlinie 2006/134 insbesondere wegen der Inkohärenz zwischen den mit dieser Richtlinie festgelegten Beschränkungen der Verwendung von Fenarimol und den im Großen und Ganzen positiven technischen und wissenschaftlichen Bewertungen dieses Stoffes in Zweifel ziehe. Obwohl die Vorlageentscheidung keine erschöpfende Darstellung der im Ausgangsverfahren geltend gemachten Rügen enthält, verfügt der Gerichtshof aufgrund dieser Entscheidung sowie der schriftlichen und mündlichen Erklärungen über hinreichende Angaben, um die Gültigkeit der Richtlinie 2006/134 im Hinblick auf den Sachverhalt, der dem Ausgangsrechtsstreit zugrunde liegt, prüfen zu können (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a., C‑295/04 bis C‑298/04, Slg. 2006, I‑6619, Randnr. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Das Vorabentscheidungsersuchen ist demnach zulässig.

 Vorlagefrage

29      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinie 2006/134 angesichts dessen, dass die sich daraus ergebenden Beschränkungen der Verwendung von Fenarimol über das hinausgehen, was nach der Risikobewertung als erforderlich erachtet worden war, gültig ist.

 Vorbemerkungen

30      Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort geben zu können, ist die Gültigkeit der Richtlinie 2006/134 im Hinblick auf den Grundsatz der Rechtssicherheit, das Vorliegen eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers, das Vorsorgeprinzip und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu prüfen.

31      Vorab sind die Umstände des Erlasses der Richtlinie 2006/134 zu erläutern.

32      Aus den Erwägungsgründen der Richtlinie 2006/134 geht hervor, dass die Auswirkungen von Fenarimol auf die menschliche Gesundheit und auf die Umwelt gemäß den Bestimmungen der Verordnung Nr. 3600/92 für eine Reihe von Anwendungen geprüft wurden, die vom Antragsteller vorgeschlagen worden waren.

33      Am 30. April 1996 legte das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland als Bericht erstattender Mitgliedstaat der Kommission den Entwurf eines Bewertungsberichts mit Empfehlungen vor. Den Akten, insbesondere den von der Kommission auf Ersuchen des Gerichtshofs übermittelten Unterlagen, lässt sich entnehmen, dass dieser Bericht die Aufnahme von Fenarimol in den Anhang I der Richtlinie 91/414 vorbehaltlich der Übermittlung bestimmter zusätzlicher Daten befürwortete.

34      Im November 2000 verlangte die Kommission vom Antragsteller die Durchführung einer zusätzlichen Studie zu Fischen („full fish life cycle study“), um das Risiko endokriner Wirkungen von Fenarimol beurteilen zu können. Aufgrund dieser von Gowan innerhalb der gesetzten Frist vorgelegten Studie vertrat das Vereinigte Königreich die Auffassung, dass die Höhe des mit der Anwendung von Fenarimol verbundenen chronischen Risikos für Fische annehmbar sei und keine weitere Untersuchung oder Risikomanagement-Maßnahme erforderlich sei. Am 16. Januar 2004 bestätigte die Arbeitsgruppe „Bewertung“ des Ständigen Ausschusses für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit das Ergebnis dieser Studie und allgemein den Bewertungsbericht des Vereinigten Königreichs, bevor sie am 11. März 2004 ihre Arbeit abschloss.

35      Aus den Akten geht ferner hervor, dass die Kommission dem Wissenschaftlichen Ausschuss „Pflanzen“ mehrere Fragen insbesondere zu dem mit der Aromatase hemmenden Wirkung von Fenarimol verbundenen Risiko endokriner Störungen übermittelte.

36      Aus dem vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/134 ergibt sich, dass diesem Ausschuss zufolge die festgestellten Auswirkungen von Fenarimol auf die Fruchtbarkeit männlicher Ratten als für die Bewertung des Risikos für Menschen relevant einzustufen sind. Die Auswirkungen von Fenarimol auf die Geburt von Ratten erachtete der Ausschuss dagegen als nicht relevant für die Bewertung des Risikos für Menschen. Schließlich sah er, „abgesehen von verringerter Fruchtbarkeit bei männlichen Tieren und Geburtsverzögerungen, keine überzeugenden Hinweise auf andere nachteilige Auswirkungen von Fenarimol in Zusammenhang mit Aromatasehemmung“.

37      Zwischen Juni 2004 und März 2006 wurden die Risikomanagementmaßnahmen in der Arbeitsgruppe „Gesetzgebung“ des Ständigen Ausschusses für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit erörtert. Hierzu ergibt sich aus den dem Gerichtshof von der Kommission übermittelten Unterlagen, dass sich die Kommission, nachdem sie der Arbeitsgruppe „Gesetzgebung“ am 7. Oktober 2004 ein informelles Papier vorgelegt hatte, dem zufolge Fenarimol für einen Zeitraum von zehn Jahren in Anhang I der Richtlinie 91/414 aufgenommen werden sollte (Dokument SANCO/10321/2004 rev 0), durch Bedenken mehrerer Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der Frage endokriner Störungen veranlasst sah, Beschränkungen der Anwendung von Fenarimol und eine kürzere Zulassungsdauer ins Auge zu fassen.

38      Daraufhin teilte die Kommission Gowan mit Schreiben vom 2. August 2005 mit, dass sie „nach eingehender Konsultation“ von Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ins Auge fasse, Fenarimol nicht in Anhang I der Richtlinie 91/414 aufzunehmen, und verwies dabei insbesondere auf das Risiko endokriner Störungen. In Beantwortung dieses Schreibens schlug Gowan der Kommission mit Schreiben vom 11. November 2005 vor, die Verwendungszwecke von Fenarimol, die sie in Anhang I der Richtlinie 91/414 aufzunehmen beantrage, zu begrenzen.

39      Im Februar 2006 übermittelte die Kommission dem Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit den Entwurf eines Bewertungsberichts (Dokument 6847/VI/97-rev. 4 vom 5. Januar 2006) und den Vorschlag einer Richtlinie zur Aufnahme von Fenarimol in Anhang I der Richtlinie 91/414, wobei die Verwendung des Stoffes auf einen Zeitraum von sieben Jahren und für beschränktere Zwecke als die von Gowan in ihrem Schreiben vom 11. November 2005 vorgesehenen begrenzt wurde (Dokument SANCO/10321/2005-rev. 5 vom 19. Januar 2006).

40      Im sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/134 wird zu diesem ursprünglichen Entwurf ausgeführt: „Um das angestrebte einheitlich hohe Schutzniveau zu gewährleisten, sollte die Aufnahme von Fenarimol in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG auf diejenigen Anwendungen beschränkt werden, die im Rahmen der Bewertung durch die Gemeinschaft tatsächlich geprüft wurden und für die festgestellt wurde, dass die Bedingungen der Richtlinie 91/414/EWG eingehalten werden. … Wegen der Gefährlichkeit von Fenarimol ist für bestimmte Maßnahmen zur Risikobegrenzung, die die Mitgliedstaaten bei der Erteilung von Zulassungen anzuwenden haben, ein Mindestmaß an Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene vorzusehen.“

41      Die Kommission hat außerdem darauf hingewiesen, dass es, wie im zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/134 ausgeführt, unbeschadet „der Schlussfolgerung, dass davon ausgegangen werden kann, dass Fenarimol enthaltende Pflanzenschutzmittel die Anforderungen gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a und b der Richtlinie 91/414/EWG erfüllen, … angezeigt [ist], weitere Informationen zu bestimmten Aspekten einzuholen. Die potenziell endokrin wirkenden Eigenschaften von Fenarimol wurden in einem Test nach den besten verfügbaren Praktiken bewertet. Der Kommission ist bekannt, dass die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Testleitlinien ausarbeitet, um potenziell endokrin wirkende Eigenschaften noch besser bewerten zu können. Es empfiehlt sich daher vorzuschreiben, dass Fenarimol weiteren Tests unterzogen wird, sobald die OECD-Testleitlinien vorliegen, und dass der Antragsteller diese Untersuchungen vorzulegen hat. Darüber hinaus sollten die Mitgliedstaaten vorschreiben, dass die Zulassungsinhaber Informationen über die Anwendung von Fenarimol und gegebenenfalls Informationen über dessen Auswirkungen auf die Gesundheit von Anwendern vorlegen.“

42      Dem Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit gelang es nicht, in seiner Sitzung vom 3. März 2006 eine Stellungnahme zu diesem Entwurf zu verabschieden.

43      Wie im siebten und im achten Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/134 ausgeführt, überprüfte die Kommission ihren Standpunkt wegen der Bedenken mehrerer Mitgliedstaaten, die weitere Beschränkungen als erforderlich erachteten, um das Risiko auf ein Maß zu verringern, das angemessen und mit dem angestrebten hohen Schutzniveau vereinbar erscheint. Sie hielt es für angebracht, die im sechsten Erwägungsgrund genannten Grundsätze durch eine Verkürzung des Aufnahmezeitraums von sieben Jahren auf 18 Monate zu ergänzen, die das Risiko weiter verringert, indem sie eine vorrangige Neubewertung des Wirkstoffs sicherstellt.

44      Die Kommission übermittelte dem Rat der Europäischen Union, wie aus dem sechzehnten Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/134 hervorgeht, einen entsprechenden Richtlinienentwurf. Da der Rat bei Ablauf der Dreimonatsfrist des Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 91/414 den vorgeschlagenen Durchführungsrechtsakt weder erlassen noch sich gegen den Vorschlag für Durchführungsmaßnahmen ausgesprochen hatte, erließ die Kommission mit der Richtlinie 2006/134 den vorgeschlagenen Durchführungsrechtsakt.

 Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit

45      Gowan macht geltend, dass die in der Richtlinie 2006/134 vorgesehenen Beschränkungen der Anwendung von Fenarimol auf Bewertungskriterien beruhten, die nicht in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 91/414 aufgeführt seien, was gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoße. Die Kommission habe sich auf schädliche Auswirkungen auf das Hormonsystem berufen. Es gebe aber auf Gemeinschaftsebene keine etablierte wissenschaftliche Methode, mit der solche Wirkungen nachgewiesen werden könnten (Commission Staff Working Document on implementation of the Community Strategy for Endocrine disrupters – a range of substances suspected of interfering with the hormone systems of humans and wildlife [SEC(2004) 1372 vom 28. Oktober 2004, S. 22]).

46      Außerdem beruhe die Richtlinie 2006/134 auf Erwägungen im Zusammenhang mit der von Fenarimol ausgehenden Gefahr. Derartige Bedenken ließen jedoch nicht den Schluss auf ein unannehmbares Risiko für die Umwelt und die menschliche Gesundheit im Sinne der Richtlinie 91/414 zu.

47      Es ist darauf hinzuweisen, dass der allgemeine Grundsatz der Rechtssicherheit, der ein grundlegendes Prinzip des Gemeinschaftsrechts darstellt, nach ständiger Rechtsprechung insbesondere verlangt, dass eine Regelung klar und bestimmt ist, damit der Rechtsunterworfene seine Rechte und Pflichten unzweideutig erkennen und somit seine Vorkehrungen treffen kann (vgl. Urteile vom 9. Juli 1981, Gondrand und Garancini, 169/80, Slg. 1981, 1931, Randnr. 17; vom 14. April 2005, Belgien/Kommission, C‑110/03, Slg. 2005, I‑2801, Randnr. 30; vom 10. Januar 2006, IATA und ELFAA, C‑344/04, Slg. 2006, I‑403, Randnr. 68, sowie Intertanko u. a., Randnr. 69).

48      Die Kriterien, anhand deren die Wirkstoffe in Anhang I der Richtlinie 91/414 aufgenommen werden können, sind in Art. 5 dieser Richtlinie allgemein formuliert. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift hängt die Aufnahme eines Stoffes in Anhang I der Richtlinie von zwei Voraussetzungen ab. Nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse muss angenommen werden können, dass die diesen Wirkstoff enthaltenden Pflanzenschutzmittel folgende Voraussetzungen erfüllen:

„a)      ihre bei Anwendung gemäß guter Pflanzenschutzpraxis entstandenen Rückstände haben keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder auf das Grundwasser bzw. keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt …;

b)      ihre Anwendung gemäß guter Pflanzenschutzpraxis hat keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier oder keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt gemäß Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b) Ziffern iv) und v).“

49      Nach Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 91/414 ist für die Aufnahme eines Wirkstoffs in Anhang I der Richtlinie in ganz besonderem Maße Folgendes zu berücksichtigen:

„a)      wo dies relevant ist, eine für den Menschen annehmbare Tagesdosis (ADI‑Wert);

b)      falls erforderlich, eine annehmbare Anwenderexposition;

c)      wo dies relevant ist, Einschätzung des Verbleibs und der Verbreitung in der Umwelt sowie der Auswirkung auf Arten, die nicht bekämpft werden sollen“.

50      Schließlich sind die Anforderungen an die Unterlagen zum Antrag auf Aufnahme eines Wirkstoffs in Anhang I der Richtlinie 91/414 in Anhang II dieser Richtlinie näher bestimmt.

51      Zwar enthält keine dieser Bestimmungen spezifische Kriterien für die Bewertung der Auswirkungen eines Wirkstoffs auf das Hormonsystem. Solche Auswirkungen fallen jedoch eindeutig unter die Prüfung der schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 91/414. Daher lässt sich ein Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit nicht feststellen, und die Richtlinie 2006/134 ist nicht wegen eines solchen Verstoßes ungültig.

 Vorliegen eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers

52      Gowan ist der Ansicht, die Richtlinie 2006/134 sei durch keine der nach der Richtlinie 91/414 durchgeführten wissenschaftlichen Studien gerechtfertigt, die insgesamt belegten, dass die Anwendungen von Fenarimol, für die die Aufnahme dieses Wirkstoffs beantragt worden sei, den Kriterien dieser Richtlinie entsprächen. Durch das Außerachtlassen der ihr vorgelegten wissenschaftlichen Gutachten habe die Kommission den Grundsatz der wissenschaftlichen Spitzenleistung verkannt.

53      Da das Vereinigte Königreich nach seiner wissenschaftlichen Bewertung die Aufnahme von Fenarimol vorgeschlagen habe, habe die Kommission nicht ohne wissenschaftliche Begründung oder Rechtfertigung von ihrer ursprünglichen Einschätzung abrücken und ungerechtfertigte Beschränkungen der Anwendung dieses Stoffes erlassen dürfen.

54      Die Richtlinie 91/414 soll, wie aus ihren Erwägungsgründen 5, 6 und 9 hervorgeht, der Beseitigung der Hindernisse für den innergemeinschaftlichen Handel mit Pflanzenschutzmitteln unter Aufrechterhaltung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt sowie für die Gesundheit von Mensch und Tier dienen (Urteil vom 18. Juli 2007, Industrias Químicas del Vallés/Kommission, C‑326/05 P, Slg. 2007, I‑6557, Randnr. 74).

55      Damit die Kommission das ihr gesetzte Ziel wirksam verfolgen kann und im Hinblick darauf, dass sie komplexe technische Beurteilungen vorzunehmen hat, wenn sie im Rahmen der Prüfung von Anträgen auf Aufnahme von Wirkstoffen in Anhang I der Richtlinie 91/414 die mit der Anwendung dieser Stoffe verbundenen Risiken bewertet, ist ihr ein weites Ermessen zuzuerkennen.

56      Die Ausübung dieses Ermessens ist jedoch nicht der gerichtlichen Kontrolle entzogen. Nach ständiger Rechtsprechung muss der Unionsrichter nämlich im Rahmen dieser Kontrolle feststellen, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt von der Kommission zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung dieses Sachverhalts und kein Ermessensmissbrauch vorliegen (Urteile des Gerichtshofs vom 25. Januar 1979, Racke, 98/78, Slg. 1979, 69, Randnr. 5, und vom 22. Oktober 1991, Nölle, C‑16/90, Slg. 1991, I‑5163, Randnr. 12).

57      Insbesondere hat der Unionsrichter bei der Prüfung, ob das zuständige Organ einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, zu kontrollieren, ob dieses Organ sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls untersucht hat, auf die die daraus gezogenen Schlussfolgerungen gestützt sind (vgl. insbesondere Urteil vom 21. November 1991, Technische Universität München, C‑269/90, Slg. 1991, I‑5469, Randnr. 14).

58      Ferner ergibt sich aus Art. 6 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 3600/92, dass es der Antragsteller ist, der nachweisen muss, dass auf der Grundlage der für eine oder mehrere Zubereitungen und für einen begrenzten Bereich repräsentativer Anwendungen vorgelegten Angaben die Anforderungen der Richtlinie 91/414 hinsichtlich der Kriterien gemäß Art. 5 dieser Richtlinie erfüllt sind.

59      Im Licht der vorstehenden Erwägungen ist zu prüfen, ob der Richtlinie 2006/134 die wissenschaftliche Grundlage fehlt.

60      Im Rahmen der Richtlinie 91/414 ist die Kommission zwar verpflichtet, die vom Bericht erstattenden Mitgliedstaat vorbereitete wissenschaftliche Bewertung zu berücksichtigen, doch bindet diese Bewertung weder die Kommission noch gegebenenfalls den Rat, die nach dem Verfahren des Art. 19 dieser Richtlinie weiter Risikomanagementmaßnahmen erlassen können, die von den vom Bericht erstattenden Mitgliedstaat vorgeschlagenen abweichen.

61      Zur Richtlinie 2006/134 ist festzustellen, dass die Schlussfolgerungen des Bericht erstattenden Mitgliedstaats nach seiner wissenschaftlichen Bewertung der Eigenschaften von Fenarimol und der mit der Anwendung dieses Stoffes verbundenen Risiken für die vom Antragsteller vorgeschlagenen Verwendungen von der Arbeitsgruppe „Bewertung“ des Ständigen Ausschusses für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit bestätigt wurden.

62      Was im Einzelnen die Frage der Risiken von Hormonstörungen durch die Anwendung von Fenarimol angeht, geht aus den Akten hervor, dass die vom Antragsteller übermittelten Daten, insbesondere eine 2003 vorgelegte ergänzende Studie auf der Grundlage einer Lebenszyklusanalyse bei Fischen, die ursprüngliche Bewertung des Bericht erstattenden Mitgliedstaats in Bezug auf das Fehlen eines unannehmbaren Risikos bestätigten und von der Arbeitsgruppe „Bewertung“ akzeptiert wurden.

63      Zur Entscheidung, Fenarimol in Anhang I der Richtlinie 91/414 aufzunehmen, ist festzustellen, dass die Richtlinie 2006/134 die Ergebnisse der wissenschaftlichen Bewertung der mit diesem Wirkstoff verbundenen Risiken nicht entkräftet, weil die letztgenannte Richtlinie dazu führt, dass seine Verwendung in Pflanzenschutzmitteln zugelassen wird.

64      In diesem Zusammenhang wird im fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/134 darauf hingewiesen, dass die „verschiedenen Bewertungen … ergeben [haben], dass davon ausgegangen werden kann, dass Fenarimol enthaltende Pflanzenschutzmittel die Anforderungen gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a und b der Richtlinie 91/414/EWG erfüllen, insbesondere hinsichtlich der geprüften und in dem Beurteilungsbericht der Kommission genannten Anwendungszwecke, sofern geeignete Maßnahmen zur Risikobegrenzung getroffen werden“.

65      Unter diesen Umständen kann der Kommission nicht zur Last gelegt werden, sie habe die vom Bericht erstattenden Mitgliedstaat vorgelegten wissenschaftlichen Gesichtspunkte im Rahmen der Bewertung der mit der Verwendung von Fenarimol verbundenen Risiken nicht sorgfältig und unparteiisch untersucht.

66      Die Vorlagefrage des vorlegenden Gerichts zielt im Wesentlichen auf die Klärung der Frage ab, ob die sich aus der Richtlinie 91/414 ergebenden Beschränkungen der Anwendung von Fenarimol in Anbetracht der wissenschaftlichen Bewertung, die auf der Grundlage der von Gowan übermittelten Daten durchgeführt wurde, über das zur Erreichung der mit dieser Richtlinie verfolgten Ziele Erforderliche hinausgehen. Diese Frage ist im Rahmen der Prüfung der Richtlinie 2006/134 im Hinblick auf das Vorsorgeprinzip und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu untersuchen.

67      Daher ist festzustellen, dass die Prüfung der Akten hinsichtlich der sich aus der Bewertung der mit den vom Antragsteller vorgesehenen Anwendungen von Fenarimol ergebenden wissenschaftlichen Erkenntnisse keinen Anhaltspunkt dafür ergeben hat, dass der Richtlinie 2006/134 ein offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission anhaftet.

 Verstoß gegen das Vorsorgeprinzip und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

68      Gowan bestreitet, dass die Beschränkungen der Verwendung von Fenarimol mit dem Vorsorgeprinzip gerechtfertigt werden können. Dieses Prinzip könne nur bei wissenschaftlicher Ungewissheit zur Anwendung gelangen (Urteil des Gerichts vom 11. September 2002, Pfizer Animal Health/Rat, T‑13/99, Slg. 2002, II‑3305, Randnr. 142), die sich insbesondere ergebe, wenn die wissenschaftlichen Beweise nicht ausreichten, keine eindeutigen Schlüsse zuließen oder unklar seien (Mitteilung der Kommission über die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips vom 2. Februar 2000 [KOM(2000) 1 endg.]). Es dürfe aber nicht mit der Begründung angewandt werden, es sei nicht wissenschaftlich nachgewiesen, dass kein Risiko bestehe (Schlussanträge des Generalanwalts Mischo in der Rechtssache Greenpeace France u. a., C‑6/99, Urteil vom 21. März 2000, Slg. 2000, I‑1651).

69      Gowan macht geltend, sie habe sämtliche Studien vorgelegt, die die Auswirkungen von Fenarimol auf das Hormonsystem beleuchten könnten. Sich unter solchen Umständen auf das Vorsorgeprinzip zu berufen, wie die Kommission es tue, laufe darauf hinaus, denjenigen, die die Aufnahme eines Wirkstoffs in Anhang I der Richtlinie 91/414 beantragten, aufzuerlegen, das völlige Fehlen eines Risikos nachzuweisen, das nicht einmal unter den Risiken aufgeführt sei, die nach dieser Richtlinie für eine solche Aufnahme relevant seien.

70      Selbst wenn hinsichtlich der Auswirkungen von Fenarimol auf das Hormonsystem wissenschaftliche Ungewissheit bestünde, müssten die nach dem Vorsorgeprinzip erlassenen Maßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zu den Zielen der Richtlinie 91/414 stehen, da sich das Risiko mit solchen Maßnahmen nur selten auf null reduzieren lasse (Mitteilung der Kommission über die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips vom 2. Februar 2000, S. 3, Nr. 6). Die sich aus dieser Richtlinie ergebenden Beschränkungen der Verwendung von Fenarimol seien jedoch gleichbedeutend mit einem Verbot dieses Stoffes.

71      Es ist darauf hinzuweisen, dass der Schutz der menschlichen Gesundheit nach Art. 191 Abs. 1 und 2 AEUV zu den umweltschutzpolitischen Zielen der Union gehört. Diese Politik, die auf ein hohes Schutzniveau abzielt, beruht u. a. auf dem Vorsorgeprinzip. Die Erfordernisse dieser Politik müssen bei der Festlegung und Durchführung anderer Unionspolitiken einbezogen werden. Außerdem sind nach Art. 168 AEUV die Erfordernisse im Bereich des Gesundheitsschutzes Bestandteil der übrigen Unionspolitiken und ‑maßnahmen und müssen daher bei der Durchführung der gemeinsamen Agrarpolitik durch die Unionsorgane berücksichtigt werden.

72      Das Vorsorgeprinzip findet Anwendung, wenn Unionsorgane im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik Maßnahmen zum Schutz der menschlichen Gesundheit ergreifen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Mai 1998, National Farmers’ Union u. a., C-157/96, Slg. 1998, I‑2211, Randnr. 64, und Vereinigtes Königreich/Kommission, C‑180/96, Slg. 1998, I‑2265, Randnr. 100).

73      Aus dem Vorsorgeprinzip ergibt sich, dass bei Unsicherheiten hinsichtlich des Vorliegens oder des Umfangs von Risiken für die menschliche Gesundheit Schutzmaßnahmen getroffen werden können, ohne dass abgewartet werden müsste, dass das Bestehen und die Schwere dieser Risiken vollständig dargelegt werden (Urteile National Farmers’ Union u. a., Randnr. 63, und Vereinigtes Königreich/Kommission, Randnr. 99, sowie vom 9. September 2003, Monsanto Agricoltura Italia u. a., C‑236/01, Slg. 2003, I‑8105, Randnr. 111).

74      Obwohl die Richtlinie 91/414 als eine der möglichen Ausprägungen des Vorsorgeprinzips ein Verfahren zur Zulassung von Pflanzenschutzmitteln vorsieht, ist es, wenn die Kommission oder gegebenenfalls der Rat über einen Antrag auf Aufnahme eines Wirkstoffs in Anhang I der Richtlinie 91/414 befindet, diesen Unionsorganen, da das Vorsorgeprinzip beim Erlass jeglicher Maßnahme zum Schutz der menschlichen Gesundheit Bestandteil des Entscheidungsprozesses ist, zuzugestehen, dass sie Schutzmaßnahmen nach dem Vorsorgeprinzip ergreifen, ohne dass abgewartet werden müsste, dass das Bestehen und die Schwere dieser Risiken vollständig dargelegt werden.

75      Eine korrekte Anwendung des Vorsorgeprinzips erfordert erstens die Bestimmung der möglicherweise negativen Auswirkungen der vorgeschlagenen Anwendung des fraglichen Stoffes auf die Gesundheit und zweitens eine umfassende Bewertung des Gesundheitsrisikos auf der Grundlage der zuverlässigsten verfügbaren wissenschaftlichen Daten und der neuesten Ergebnisse der internationalen Forschung (vgl. entsprechend Urteil vom 28. Januar 2010, Kommission/Frankreich, C‑333/08, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung).

76      Erweist es sich als unmöglich, das Bestehen oder den Umfang des behaupteten Risikos mit Sicherheit festzustellen, weil die Ergebnisse der durchgeführten Studien unzureichend, nicht schlüssig oder ungenau sind, die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Schadens für die öffentliche Gesundheit jedoch fortbesteht, falls das Risiko eintritt, rechtfertigt das Vorsorgeprinzip den Erlass beschränkender Maßnahmen, wenn sie objektiv und nicht diskriminierend sind (vgl. Urteil Kommission/Frankreich, Randnr. 93 und die dort angeführte Rechtsprechung).

77      Zum Verfahren zur Aufnahme von Fenarimol in Anhang I der Richtlinie 91/414 ist festzustellen, dass die wissenschaftliche Bewertung der Eigenschaften dieses Wirkstoffs und der mit seiner Anwendung verbundenen Risiken zwar die Schlussfolgerung zugelassen hat, die im fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/134 angeführt ist, nämlich dass „davon ausgegangen werden kann, dass Fenarimol enthaltende Pflanzenschutzmittel die Anforderungen gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a und b der Richtlinie 91/414/EWG erfüllen, insbesondere hinsichtlich der geprüften und in dem Beurteilungsbericht der Kommission genannten Anwendungszwecke“, dass sich aber bei der Erarbeitung des Entwurfs der Entscheidung zur Aufnahme von Fenarimol in Anhang I der Richtlinie 91/414 gezeigt hat, dass weiter Bedenken hinsichtlich der toxischen Wirkungen von Fenarimol, insbesondere „seiner potenziell endokrin wirkenden Eigenschaften“, bestehen, so dass „er nicht ohne Einschränkungen verwendet werden“ sollte.

78      Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass diese Bedenken auf rein hypothetischen Erwägungen beruhen. Abgesehen von den wissenschaftlichen Erkenntnissen, auf die sich bestimmte Mitgliedstaaten im Zuge der Arbeiten des Ständigen Ausschusses für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit berufen haben, ist festzustellen, dass die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen auf mehrere Studien und Berichte zur Frage der das Hormonsystem störenden Wirkungen bestimmter Stoffe Bezug genommen hat, insbesondere auf die Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über eine Gemeinschaftsstrategie für Umwelthormone – Stoffe, die im Verdacht stehen, sich störend auf das Hormonsystem des Menschen und der wildlebenden Tiere auszuwirken (KOM[1999] 706 endg.). Ferner waren, wie sich aus dem zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/134 ergibt, die Arbeiten der OECD zur Ausarbeitung von Testleitlinien, um potenziell endokrin wirkende Eigenschaften noch besser bewerten zu können, bei Erlass der Richtlinie 2006/134 noch nicht abgeschlossen.

79      In Anbetracht dieser Gesichtspunkte, die belegen, dass hinsichtlich der Beurteilung der endokrinen Wirkungen von Stoffen wie Fenarimol noch wissenschaftliche Ungewissheit bestand, kann nicht angenommen werden, dass die Kommission eine offensichtlich unzutreffende Anwendung des Vorsorgeprinzips vorgenommen hat, als sie die Zulassung dieses Stoffes mit Anwendungsbeschränkungen verknüpft hat.

80      Sodann ist zu prüfen, ob diese Beschränkungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.

81      Nach ständiger Rechtsprechung gehört der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts und verlangt, dass die von einer unionsrechtlichen Bestimmung eingesetzten Mittel zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung verfolgten Ziele geeignet sind und nicht über das dazu Erforderliche hinausgehen (Urteil vom 8. Juni 2010, Vodafone u. a., C‑58/08, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

82      Was die gerichtliche Nachprüfbarkeit der in der vorstehenden Randnummer genannten Voraussetzungen betrifft, verfügt die Kommission über ein weites Ermessen, wenn sie im Rahmen eines Verfahrens zur Aufnahme eines Stoffes in Anhang I der Richtlinie 91/414 Risikomanagementmaßnahmen erlässt. Dieser Bereich impliziert nämlich insbesondere politische Entscheidungen und komplexe Beurteilungen. Eine in diesem Bereich erlassene Maßnahme ist nur dann rechtswidrig, wenn sie offensichtlich ungeeignet ist (vgl. entsprechend Urteile vom 12. Juli 2005, Alliance for Natural Health u. a., C‑154/04 und C‑155/04, Slg. 2004, I‑6451, Randnr. 52, und vom 7. Juli 2009, S.P.C.M. u. a., C‑558/07, Slg. 2009, I‑5783, Randnr. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

83      Hinsichtlich der Frage, ob die Maßnahmen zur Beschränkung der Anwendung von Fenarimol zur Erreichung der mit der Richtlinie 91/414 verfolgten Ziele geeignet sind, ergibt sich aus dem Verfahren, das zum Erlass der Richtlinie 2006/134 geführt hat, und deren Erwägungsgründen, dass sich die Kommission um einen Ausgleich bemüht hat zwischen den Zielen der Richtlinie 91/414 – nämlich der Produktionsverbesserung bei der Pflanzenerzeugung und dem Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier, des Grundwassers und der Umwelt – und dem Interesse des Antragstellers an der Aufnahme von Fenarimol in Anhang I der Richtlinie 91/414 nach wissenschaftlicher Bewertung der mit diesem Stoff verbundenen Risiken. In Anbetracht der Bedenken hinsichtlich der potenziellen endokrinen Wirkungen von Fenarimol und der insoweit bestehenden wissenschaftlichen Ungewissheit, die den Rückgriff der Kommission auf das Vorsorgeprinzip gerechtfertigt haben, erscheinen die Beschränkungen, denen die Anwendung dieses Stoffes nach der Richtlinie 2006/134 unterliegt, nicht ungeeignet, diese Ziele zu erreichen.

84      Die Notwendigkeit der fraglichen Maßnahme wird von Gowan mit der Begründung bestritten, dass Fenarimol unter Bedingungen aufgenommen worden sei, die einem völligen Verbot dieses Wirkstoffs gleichkämen und damit über das zur Erreichung der genannten Ziele Erforderliche hinausgingen. Hierzu ist festzustellen, dass die Aufnahme von Fenarimol in Anhang I der Richtlinie 91/414 zwar auf einen Zeitraum von 18 Monaten verkürzt wurde, dass diese zeitliche Befristung nach dem elften Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/134 jedoch einer etwaigen Verlängerung der Aufnahme nach Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 91/414 nicht entgegensteht.

85      Weiter geht aus dem sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/134 ausdrücklich hervor, dass der Umstand, dass die Zulassung auf diejenigen Anwendungen beschränkt wird, die tatsächlich geprüft wurden und für die festgestellt wurde, dass die Bedingungen der Richtlinie 91/414 eingehalten werden, es nicht ausschließt, dass weitere Anwendungen in Anhang I dieser Richtlinie aufgenommen werden, nachdem sie umfassend geprüft worden sind.

86      Unter diesen Umständen und insbesondere im Hinblick auf das weite Ermessen, über das die Kommission in dem betreffenden Bereich verfügt, gehen die Maßnahmen zur Beschränkung der Anwendung von Fenarimol nicht über das hinaus, was zur Erreichung der verfolgten Ziele als erforderlich erachtet werden kann.

87      In Anbetracht dieser Erwägungen ist die Richtlinie 2006/134 nicht wegen Verstoßes gegen das Vorsorgeprinzip und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ungültig.

88      Nach alledem hat die Prüfung der Vorlagefrage nichts ergeben, was die Gültigkeit der Richtlinie 2006/134 berühren könnte.

 Kosten

89      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Die Prüfung der Vorlagefrage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Richtlinie 2006/134/EG der Kommission vom 11. Dezember 2006 zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates zwecks Aufnahme des Wirkstoffs Fenarimol berühren könnte.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Italienisch.