SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
PEDRO CRUZ VILLALÓN
vom 30. September 2010(1)
Rechtssache C‑338/09
Yellow Cab Verkehrsbetriebs-GmbH
(Vorabentscheidungsersuchen des Unabhängigen Verwaltungssenats Wien)
„Dienstleistungsfreiheit auf dem Gebiet des Verkehrs –Niederlassungsrecht – Wettbewerb – Betrieb einer öffentlichen Verkehrslinie, mit der in einer Stadt zu touristischen Zwecken feste Haltestellen angefahren werden – Erfordernis einer Niederlassung, die der Konzession vorausgeht – Schutz der Rentabilität des schon vorhandenen Konzessionsnehmers“
1. Dieses Vorlageverfahren ermöglicht dem Gerichtshof eine weitere Vertiefung(2) im Bereich der besonderen Wirkungen des freien Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet des Verkehrs, seiner Abgrenzung gegenüber der Niederlassungsfreiheit und der Funktion beider Freiheiten, deren effektive Ausübung gewährleistet, dass der „Raum ohne Binnengrenzen“(3), auf dem die Europäische Union beruht, ordnungsgemäß funktioniert.
2. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien ersucht den Gerichtshof, sich dazu zu äußern, ob eine nationale Regelung mit den Art. 49 AEUV, 56 AEUV und 101 AEUV vereinbar ist, die für den Betrieb einer „touristischen Kraftfahrlinie“ voraussetzt, dass das Unternehmen, das ihren Betrieb beantragt, a) zum Zeitpunkt der Konzessionserteilung oder spätestens bei der Aufnahme des Verkehrs über einen Sitz oder eine Niederlassung (von dem bzw. von der aus die fragliche Wirtschaftstätigkeit durchgeführt wird) in dem Mitgliedstaat der bewilligenden Behörde verfügt und b) die wirtschaftliche Betriebsführung eines Konkurrenzunternehmens nicht beeinträchtigt wird, das die entsprechende Dienstleistung bereits auf einer teilweise oder gänzlich identischen Strecke erbringt.
I – Anwendbares Recht
A – Recht der Europäischen Union
3. Art. 49 AEUV (früher Art. 43 EG) regelt „nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen“ das Recht von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats auf Niederlassung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats und untersagt Beschränkungen dieses Rechts einschließlich Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig sind, wobei die Niederlassungsfreiheit „die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften im Sinne des Artikels 54 Absatz 2, nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen“ umfasst.
4. Art. 56 AEUV (früher Art. 49 EG) untersagt, ebenfalls „nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen“, Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind.
5. Nach Art. 58 Abs. 1 AEUV (früher Art. 51 EG) gelten „[f]ür den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs … die Bestimmungen des Titels über den Verkehr“.
6. Im Hinblick auf die effektive Durchführung der gemeinsamen Verkehrspolitik werden das Europäische Parlament und der Rat mit Art. 91 Abs. 1 Buchst. b AEUV damit betraut, „für die Zulassung von Verkehrsunternehmern zum Verkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind, die Bedingungen fest[zu]legen“.
B – Österreichisches Recht
7. Nach dem Kraftfahrliniengesetz (im Folgenden: KflG)(4) bedarf der Kraftfahrlinienverkehr mit festen Haltestellen in einer bestimmten Verkehrsverbindung einer Konzession (§ 1), bei deren Beantragung einige sehr präzise Voraussetzungen erfüllt werden müssen (§ 2) und für deren Erteilung der Landeshauptmann zuständig ist (§ 3). Ist das antragstellende Unternehmen kein österreichisches, wird von ihm ein Sitz oder eine ständige geschäftliche Niederlassung in Österreich verlangt (§ 7 Abs. 1 Z 2), um so österreichischen Konzessionswerbern gleichgestellt zu werden. Die Konzession wird als öffentlichen Interessen zuwiderlaufend angesehen, wenn die Dienstleistung die Erfüllung der Verkehrsaufgaben durch die Verkehrsunternehmen, in deren Verkehrsbereich die beantragte Linie fällt, zu gefährden geeignet ist, was dann vorliegt, wenn diese in der Erbringung ihrer Dienstleistung insoweit einschneidend beeinträchtigt werden, als sie einen Einnahmeausfall erleiden, der ihre wirtschaftliche Betriebsführung sichtlich in Frage stellt (§ 7 Abs. 1 Z 4 lit. b in Verbindung mit § 14 Abs. 1 bis 3).
II – Sachverhalt
8. Die deutsche Yellow Cab Verkehrsbetriebs-GmbH (im Folgenden: Yellow Cab) beantragte am 25. Januar 2008, ihr gemäß dem KflG eine Konzession zur Führung einer Kraftfahrlinie zu touristischen Zwecken ausschließlich innerhalb der Gemeinde Wien auf einer näher beschriebenen Strecke mit festen Haltestellen zu erteilen, wobei nahezu der gesamte Teil der Streckenführung bereits von einer Vereinigung von Unternehmen abgedeckt wurde(5).
9. Der Antrag von Yellow Cab wurde von der zuständigen Behörde am 13. März 2009 mit der Begründung abgewiesen, eine Erteilung der Konzession beeinträchtige die Sicherheit des Straßenverkehrs. Auf Berufung von Yellow Cab beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien stellte dieser einige weitere Abweisungsgründe fest; nach österreichischem Recht sei eine Abweisung nämlich deshalb geboten, weil zum einen Yellow Cab zum Zeitpunkt der Konzessionswerbung keinen Sitz und keine Niederlassung in Österreich gehabt habe und zum anderen die wirtschaftliche Betriebsführung des bereits tätigen Verkehrsunternehmens erheblich beeinträchtigt würde.
III – Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof
10. Da die entsprechenden Voraussetzungen der österreichischen Rechtsvorschriften beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien gewisse Zweifel hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht geweckt haben, hat er beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist es mit der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit im Sinne der Art. 43 ff. EG und 49 ff. EG und dem EU-Wettbewerbsrecht im Sinne der Art. 81 ff. EG vereinbar, dass eine nationale Rechtsvorschrift für die Gewährung der Bewilligung zum Betrieb einer Kraftfahrlinie, daher der Einrichtung eines öffentlichen Massenverkehrsmittels, durch welches festgelegte Haltestellen entsprechend einem Fahrplan regelmäßig angefahren werden, als Bewilligungsvoraussetzung normiert:
a) dass das antragstellende EU-Unternehmen bereits vor der Aufnahme des Linienbetriebs, und insbesondere zum Konzessionszeitpunkt, über einen Sitz oder eine Niederlassung in dem Staat der bewilligenden Behörde verfügen muss;
b) dass das antragstellende EU-Unternehmen spätestens ab dem Zeitpunkt der Aufnahme des Linienbetriebs über einen Sitz oder eine Niederlassung in dem Staat der bewilligenden Behörde verfügen muss?
2. Ist es mit der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit im Sinne der Art. 43 ff. EG und 49 ff. EG und dem EU-Wettbewerbsrecht im Sinne der Art. 81 ff. EG vereinbar, dass eine nationale Rechtsvorschrift für die Gewährung der Bewilligung zum Betrieb einer Kraftfahrlinie, daher der Einrichtung eines öffentlichen Massenverkehrsmittels, durch welches festgelegte Haltestellen entsprechend einem Fahrplan regelmäßig angefahren werden, normiert, dass eine Bewilligung zu versagen ist, wenn im Fall der Aufnahme des beantragten Kraftfahrlinienverkehrs die Erträge eines Konkurrenzunternehmens, welches eine teilweise oder gänzlich identische Kursstrecke befährt, aus der von diesem geführten Kurslinie derart deutlich gemindert werden, dass die Weiterführung dieses vom Konkurrenzunternehmen geführten Linienkurses nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht mehr rentabel ist?
11. Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 24. August 2009 in das Register der Kanzlei des Gerichtshofs eingetragen worden.
12. Yellow Cab macht in ihren schriftlichen Erklärungen geltend, die angeführten Voraussetzungen seien rechtswidrig, während die österreichische Regierung zunächst die Zulässigkeit der zweiten Frage in Frage stellt und sodann für die Vereinbarkeit der genannten Voraussetzungen mit dem Unionsrecht eintritt, wobei sie insbesondere geltend macht, dass die Berufung auf den freien Dienstleistungsverkehr im vorliegenden Fall unzulässig sei. Auf der gleichen Linie verneint die deutsche Regierung, die sich ausschließlich auf die Voraussetzung eines Sitzes oder einer Niederlassung konzentriert, einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit, was auch von der italienischen Regierung vertreten wird, die überdies der Ansicht ist, dass ein wirtschaftlicher Schutz des früheren Konzessionsnehmers gerechtfertigt sein könne. Die Kommission schließlich hält im vorliegenden Fall eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs und des freien Dienstleistungsverkehrs für ausgeschlossen und akzeptiert im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit das Erfordernis eines Sitzes oder einer Niederlassung, allerdings nur für die Zeit unmittelbar vor der Aufnahme der Dienstleistung.
13. Zu beachten ist, dass der Unabhängige Verwaltungssenat Wien die Erfordernisse des österreichischen Rechts in jeder seiner beiden Fragen drei Kategorien des Primärrechts gegenüberstellt, nämlich dem freien Dienstleistungsverkehr, der Niederlassungsfreiheit und dem Wettbewerb. Aus systematischen Gründen werde ich die Analyse dieser Erfordernisse unter dem ausschließlichen Aspekt der beiden Freiheiten angehen und mich anschließend mit dem Einfluss des Wettbewerbs in der vorliegenden Rechtssache befassen.
IV – Analyse der ersten Frage
A – Unter dem Aspekt des freien Dienstleistungsverkehrs
14. Wie ich gerade ausgeführt habe, legt das vorlegende Gericht die Dienstleistungs‑ und die Niederlassungsfreiheit als Maßstäbe zur Beurteilung der vorliegenden Rechtssache übereinander, weshalb ich eingangs diese beiden Freiheiten voneinander abgrenze.
1. Abgrenzung zwischen der Dienstleistungsfreiheit und dem Niederlassungsrecht
15. Als erster Bestandteil der Antwort ist zunächst darzustellen, wie der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung bestimmte ausschlaggebende Kriterien anwendet, um zwischen „Dienstleistung“ und „Niederlassung“ zu unterscheiden.
16. So lassen Stabilität und Kontinuität der Leistung den Schluss zu, dass der Begriff der Niederlassung die Möglichkeit für einen Gemeinschaftsangehörigen impliziert, in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaats als seines Herkunftsstaats teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen, wodurch die wirtschaftliche und soziale Verflechtung innerhalb der Gemeinschaft im Bereich der selbständigen Tätigkeiten gefördert wird(6).
17. Hingegen ermöglicht der „vorübergehende“ Charakter der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit(7) ihre Einstufung als „Dienstleistung“, womit die verschwommene Grenze zwischen beiden Freiheiten deutlicher wird(8).
18. Diese Kriterien gewinnen unter den Umständen der vorliegenden Rechtssache besondere Bedeutung, da die Darstellung des Sachverhalts durch das vorlegende Gericht und die Natur der von Yellow Cab beantragten Dienstleistung darauf hindeuten, dass ihre Tätigkeit auf Dauer oder jedenfalls ohne absehbare zeitliche Beschränkung ausgeübt werden wird – Aspekte, auf die der Gerichtshof ausdrücklich abgestellt hat, um die Anwendung der Vorschriften über die Erbringung von Dienstleistungen zu verneinen(9). Eine Tätigkeit wie die, deren Ausübung Yellow Cab beantragt hat und die wegen ihrer besonderen Merkmale eine bestimmte Dauerhaftigkeit und Stabilität in dem Mitgliedstaat erfordert, in dem sie ausgeübt werden soll, fällt demnach im Ergebnis eher in den Bereich des Niederlassungsrechts (Art. 49 AEUV) als in den des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 56 AEUV).
2. Der freie Dienstleistungsverkehr im Rahmen der Verkehrspolitik der Union
19. Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen darf jedenfalls nicht vergessen werden, dass die von Yellow Cab in Aussicht genommene Tätigkeit offensichtlich klar in den Verkehrsbereich fällt, in dem Art. 58 AEUV für die Ausgestaltung der Dienstleistungsfreiheit auf das Sekundärrecht betreffend die gemeinsame Verkehrspolitik verweist(10).
20. In Ermangelung einer Spezialnorm auf dem Gebiet des Verkehrs kann demnach Art. 56 AEUV nach ständiger Rechtsprechung angesichts des geringen Spielraums des Gerichtshofs auf diesem Gebiet nicht als Maßstab herangezogen werden, um zu bestimmen, inwieweit eine nationale Norm mit dem Unionsrecht unvereinbar ist.(11) Zu prüfen ist somit, ob es eine derartige Norm gibt.
21. Zunächst findet die Verordnung (EWG) Nr. 1191/69(12), geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 1893/91(13), im vorliegenden Fall keine Anwendung(14), da sie nicht ausdrücklich die Dienstleistungsfreiheit im Sinne von Art. 56 AEUV regelt. Gleiches gilt für die Verordnung (EWG) Nr. 684/92(15), die einen grenzüberschreitenden Verkehr voraussetzt, und die Verordnung (EG) Nr. 12/98(16), nach deren Art. 3 die Kabotagebeförderung für „den Linienverkehr [nur zugelassen ist], sofern dieser von einem im Aufnahmemitgliedstaat nicht ansässigen Verkehrsunternehmer im Rahmen eines grenzüberschreitenden Linienverkehrsdienstes entsprechend der Verordnung (EWG) Nr. 684/92 durchgeführt wird. Die Kabotagebeförderung darf nicht unabhängig von diesem grenzüberschreitenden Verkehrsdienst durchgeführt werden. Stadt‑ und Vorortdienste sind vom Geltungsbereich dieser Nummer ausgeschlossen.“
22. In zeitlicher Hinsicht finden im Übrigen auch weder die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007(17), die zudem von ihrem Anwendungsbereich ausdrücklich Verkehrsdienste ausnimmt, die hauptsächlich aus Gründen historischen Interesses oder zu touristischen Zwecken betrieben werden (Art. 1 Abs. 2), noch die Verordnung (EG) Nr. 1073/2009(18) Anwendung, was bei dieser neben zeitlichen Gründen auch daran liegt, dass „Verkehrsdienste, die die Verkehrsbedürfnisse … in einem Stadtgebiet oder einem Ballungsraum … befriedigen“, und solche, die „unabhängig von diesem grenzüberschreitenden Verkehrsdienst“ durchgeführt werden, von ihrem Anwendungsbereich ausgenommen sind (Art. 15 Buchst. c).
23. In Ermangelung einer Spezialnorm, mit der der freie Dienstleistungsverkehr in einem Fall wie dem hier analysierten im Bereich der Verkehrspolitik durchgeführt würde, können die im österreichischen Recht aufgestellten Voraussetzungen demzufolge nicht am Maßstab des Art. 56 AEUV gemessen werden.
B – Unter dem Aspekt des Niederlassungsrechts
24. Die Rechtmäßigkeit der im österreichischen Recht aufgestellten Voraussetzungen ist nunmehr unter dem Aspekt des Niederlassungsrechts und der damit verbundenen rechtlichen Folgen –tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit in stabiler und kontinuierlicher Weise nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen (Art. 49 Abs. 2 AEUV) – zu analysieren.
1. Das Erfordernis einer Bewilligung als Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit
25. Das Erfordernis einer Bewilligung bedeutet grundsätzlich eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, die nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn sie geeignet ist, die Erreichung der damit verfolgten Ziele zu gewährleisten, und zudem auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruht, damit der Ermessensausübung durch die nationalen Behörden hinreichende Grenzen gesetzt werden(19), so dass Ermessenshandlungen ausgeschlossen werden, die geeignet sind, den Bestimmungen des Unionsrechts über diese Grundfreiheit ihre Wirksamkeit zu nehmen.
26. Nach Art. 52 Abs. 1 AEUV können nämlich Beschränkungen des Niederlassungsrechts aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sein, dies allerdings nur, wenn sie geeignet sind, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen, was zu seiner Erreichung erforderlich ist. Dieses Verhältnismäßigkeitskriterium, das der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten seit Langem wiederholt anwendet, besteht gewöhnlich in der Prüfung der Geeignetheit und der Erforderlichkeit, und seine Grenzen werden natürlich überschritten, wenn die verfolgten Ziele durch weniger stark einschränkende Maßnahmen erreicht werden können(20).
27. Ohne dass es erforderlich wäre, auf die rechtliche Kategorie der Gemeinwohldienstleistung abzustellen, meine ich, dass an der Tätigkeit des Betriebs einer Buslinie, mit der eine Stadt zu touristischen Zwecken entlang fester Haltestellen durchfahren wird, ein gewisses allgemeines Interesse im Hinblick auf die vielen betroffenen Belange besteht, etwa die Sicherheit und Unversehrtheit von Personen, die Sicherheit des Straßenverkehrs oder sogar die ordnungsgemäße Regelung des städtischen Verkehrs(21), die es rechtfertigen können, dass ihre Ausübung von der Erteilung einer Konzessionierung abhängig ist, ohne dass das Unionsrecht dem entgegenstünde. „Es könnte sich nämlich herausstellen, dass eine vorherige Kontrolle durch die zuständige Verwaltung eher sicherzustellen geeignet ist, [dass diese Ziele erreicht werden], während ein System der nachträglichen Überprüfung insbesondere dann zu spät zu greifen drohte, wenn bereits erhebliche Ausgaben getätigt wurden und nur schwer zurückgefordert werden könnten.“(22)
28. Bei den Voraussetzungen für die Bewilligung sind das Erfordernis eines Sitzes oder einer Niederlassung und das des wirtschaftlichen Schutzes des früheren Konzessionsnehmers zu unterscheiden und getrennt zu prüfen.
C – Das Erfordernis eines Sitzes oder einer Niederlassung
29. Nach der österreichischen Regelung ist die Erteilung der Konzession davon abhängig, dass das antragstellende Unternehmen einen Sitz oder eine geschäftliche Niederlassung in Österreich hat. Da hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem dieses Erfordernis erfüllt sein muss, zu differenzieren ist, analysiere ich an erster Stelle die Natur dieses Erfordernisses für sich genommen und anschließend seine zeitliche Dimension.
1. Das Erfordernis eines Sitzes oder einer Niederlassung als solches
30. Anders als im Bereich der Dienstleistungsfreiheit, in dem das Erfordernis einer ständigen Niederlassung geeignet ist, Art. 56 AEUV seine Wirksamkeit so weit zu nehmen, dass es „praktisch die Negation dieser Freiheit“ darstellt(23), steht die in Verbindung mit einer Konzession aufgestellte Verpflichtung, über eine Niederlassung zu verfügen, entsprechend den Überlegungen der Kommission in den Randnrn. 32 und 33 ihrer Erklärungen offensichtlich in natürlichem Einklang mit Art. 49 AEUV, mit dem Unternehmen eines Mitgliedstaats das Recht eingeräumt wird, sich in einem anderen Mitgliedstaat „niederzulassen“(24).
31. Die Voraussetzungen, die jeder Mitgliedstaat für Unternehmen aufstellt, die sich in seinem Hoheitsgebiet niederlassen wollen, sind auch dazu angetan, deren endgültige Entscheidung einzuschränken, da es nicht das Gleiche ist, die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit in einem Staat ins Auge zu fassen, in dem sich die Anforderungen hinsichtlich einer Niederlassung unter bürokratischen und wirtschaftlichen Aspekten ohne Weiteres erfüllen lassen, und dies in einem anderen Staat anzustreben, in dem die Beschwerlichkeit der Voraussetzungen ausländische Unternehmen abschreckt. Die feine Grenze zwischen diesen beiden Kategorien scheidet gerade die, die von der Union aus zulässig sind, von denen, bei denen dies unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht der Fall sein kann.
32. Der Gerichtshof neigt dazu, im Allgemeinen einen höchst faktischen Begriff ohne besondere rechtliche Voraussetzungen heranzuziehen, der letztlich von nationalen Rechtsinstituten unabhängig ist, indem er sich schlicht auf eine dauerhafte Präsenz bezieht(25). Nichtsdestoweniger ist das bloße Erfordernis eines Sitzes oder einer Niederlassung als Voraussetzung für die Bewilligung, da es definitionsgemäß von in Österreich Ansässigen bereits erfüllt ist, seinem Wesen nach eine Beschränkung, die ausreichend gerechtfertigt werden muss, damit keine mittelbare Diskriminierung vorliegt.
33. Allerdings lassen sich die Voraussetzungen, die in den österreichischen Rechtsvorschriften dafür aufgestellt werden, „um sich niederzulassen“, anhand der Angaben des Unabhängigen Verwaltungssenats Wien nicht klar erkennen. Unklar ist mit anderen Worten, wie genau die entsprechenden Anforderungen des österreichischen Rechts erfüllt werden, so dass man sich die Frage stellen kann, ob die Kommission und die österreichische Regierung in ihren jeweiligen Erklärungen auf denselben Begriff der Niederlassung abstellen. Außerdem ist die Unterscheidung zwischen „Sitz“ und „geschäftlicher Niederlassung“ nicht unerheblich. Die österreichische Regierung dürfte dies bestätigt haben, indem sie vorgetragen hat, dass nichtösterreichische Gesellschaften gegenüber österreichischen einen gewissen Vorteil genössen, da österreichische Gesellschaften nur mit einem „Sitz“ eine Konzession erlangen könnten, während dies bei nichtösterreichischen zudem bei einer „geschäftlichen Niederlassung“ der Fall sei.
34. Angesichts der insoweit unzureichenden Information über das österreichische Recht ist es Sache des vorlegenden Gerichts, auf der Grundlage der von mir in Nr. 31 dieser Schlussanträge genannten Zulässigkeitsschwellen die Verhältnismäßigkeit der Belastungen zu analysieren, die das österreichische Recht gegebenenfalls für einen „Sitz“ oder eine „geschäftliche Niederlassung“ aufstellt.
2. Zur zeitlichen Dimension des Erfordernisses einer Niederlassung
35. Nuancierter muss die Antwort meiner Meinung nach zu diesem Punkt ausfallen, also zu der Frage, ob die österreichische Regelung, so wie sie vorgetragen worden ist, verlangt, dass ein Sitz oder eine geschäftliche Niederlassung besteht, bevor der Konzessionswerber in Erfahrung bringen kann, ob er tatsächliche Chancen hat, dass ihm die Konzession erteilt wird. Wird also von einem Unternehmen zunächst das Bestehen eines „Sitzes“ oder einer „geschäftlichen Niederlassung“ als Voraussetzung für die Erteilung einer Konzession verlangt, ohne dass es die Erfolgsaussichten seines Konzessionsantrags verlässlich beurteilen kann, so liegt darin eine Beschränkung der genannten Freiheit im Sinne der Entfaltung wirtschaftlicher Tätigkeiten.
36. Die Unbestimmtheit der Ziele, die damit verfolgt werden, dass dieses Erfordernis im Voraus zu erfüllen ist, scheint sich nämlich durch den Standpunkt der österreichischen Regierung hindurchzuziehen, auch wenn diese das Erfordernis eines Sitzes oder einer Niederlassung mit der Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen und der Sicherstellung arbeits‑ und sozialrechtlicher Vorschriften rechtfertigt (Randnr. 30 ihres Schriftsatzes). Allgemein ist nicht klar, dass das Erfordernis eines Sitzes oder einer Niederlassung in Österreich das einzige Mittel wäre, um das angeführte Ziel zu erreichen.
37. Die Aufwendungen, die für ein Unternehmen mit der Eröffnung einer ständigen Niederlassung verbunden sind – und die es nicht amortisieren kann, wenn ihm die Konzession schließlich verweigert wird –, lassen sich unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit nicht rechtfertigen, da sich alle angeführten Ziele in dieser der Bewilligung vorausgehenden Phase durch andere, das Unternehmen weniger belastende Mittel erreichen lassen. Solche Mittel wären Informationen und Garantien, die die Behörden anderer Mitgliedstaaten übermitteln könnten, die zudem verlässlicher und präziser wären als die, die das entsprechende ausländische Unternehmen, das sich gerade niedergelassen hat, bieten könnte.
38. Ich stimme daher mit der Kommission darin überein, dass das Erfordernis eines Sitzes oder einer geschäftlichen Niederlassung nach Maßgabe der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt werden kann, sofern auf den Zeitpunkt unmittelbar vor der Aufnahme der Tätigkeit abgestellt wird, nicht aber dann, wenn es vor der Vergabe der Konzession als Voraussetzung für ihre Erteilung erfüllt sein muss.
V – Analyse der zweiten Frage: wirtschaftlicher Schutz des früheren Konzessionsnehmers
39. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen zur Dienstleistungsfreiheit werde ich mich bei der Analyse der zweiten Frage darauf beschränken, das Erfordernis, mit dem die Erteilung der Konzession vom Schutz der wirtschaftlichen Stellung des früheren Konzessionsnehmers abhängig gemacht wird, am Maßstab der Niederlassungsfreiheit und des freien Wettbewerbs zu messen, wobei die österreichische Regierung insoweit zunächst an der Zulässigkeit zweifelt.
A – Zum Einwand der Unzulässigkeit
40. Das Vorbringen der österreichischen Regierung, die zweite Frage sei unzulässig, weil dieser mögliche Grund für die Verweigerung der Konzession in erster Instanz nicht erörtert worden sei, erscheint wenig überzeugend. Zwar trifft es grundsätzlich zu, dass Yellow Cab die Konzession aus einem ganz anderen Grund als dem verweigert wurde, mit dem sich nun der Unabhängige Verwaltungssenat Wien befasst, doch weist dieser (in gewisser Hinsicht präventiv) in seinem Vorlagebeschluss bereits darauf hin, dass er über den ihm vorliegenden Rechtsstreit unter allen Aspekten entscheiden kann, woraus sich zudem die Notwendigkeit ergibt, eine für ihn sachdienliche Auslegung des Unionsrechts zu erhalten. Unter diesen Umständen hat der Gerichtshof die Frage zu beantworten, da sie im Zusammenhang mit dem Gegenstand des innerstaatlichen Rechtsstreits steht und nicht bloß hypothetisch ist(26).
B – Analyse in der Sache
41. Eine Rechtfertigung der Garantie der wirtschaftlichen Rentabilität der früher bestehenden Konzession würde voraussetzen, dass triftige Gründe des Allgemeininteresses vorliegen, die im Wesentlichen auf das ordnungsgemäße Funktionieren der fraglichen Dienstleistung abstellen müssten.
42. In diesem Sinne kann die Verordnung Nr. 684/92, auch wenn sie hier nicht anwendbar ist, eine Auslegungshilfe bieten. So ist nach ihrem Art. 7 Abs. 4 zwar unter bestimmten Umständen eine Verweigerung der Bewilligung deshalb zulässig, weil der betreffende Verkehrsdienst das Bestehen der bereits genehmigten Liniendienste unmittelbar gefährden würde, doch wird sofort klargestellt, dass der Umstand, dass „ein Verkehrsunternehmen niedrigere Preise als andere Kraftverkehrs- oder Eisenbahnunternehmen an[bietet] oder … die betreffende Verbindung bereits von anderen Kraftverkehrs- oder Eisenbahnunternehmen bedient [wird], … allein noch keine Ablehnung des Antrags [rechtfertigt]“ (entsprechend auch Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1073/2009).
43. Die Erwägung, dass die Dienstleistung, die der Konzessionswerber beantragt, die Erfüllung der Aufgabe des früheren Verkehrsunternehmers gefährden kann – durch den bloßen Umstand, dass diese unrentabel wird –, bedeutet schließlich eine klare Verschiebung des Schutzziels. Es liegt nämlich auf der Hand, dass offensichtlich nicht die Dienstleistung geschützt wird, sondern eher die Rentabilität des ursprünglichen Konzessionsnehmers. Die entsprechende spezielle Klausel betreffend die unternehmerische Rentabilität zielt, kurz gesagt, offensichtlich nicht auf die Förderung des Tourismus, die Rationalisierung und die Sicherheit des Verkehrs oder den Schutz des Reisenden ab.
44. Anders verhielte es sich, wenn die fragliche Verringerung der Rentabilität die Dienstleistung so sehr beeinträchtigen würde, dass sie nicht mehr ausgeübt werden könnte oder ihre Fortführung gefährdet wäre, sofern zudem die ursprünglichen Bedingungen nicht durch den Markteintritt des zweiten Konzessionsnehmers wiederhergestellt (oder gar verbessert) werden könnten. In diesem Fall käme es möglicherweise tatsächlich zu einer qualitativen Verschlechterung der Beförderung, die den Reisenden schaden würde, wie Österreich in seinen Erklärungen vorträgt (Randnr. 40 seines Schriftsatzes), doch würde dies eine Beurteilung auf der Grundlage detaillierter Informationen erfordern.
45. Damit die Beschränkung der Freiheit durch die nationale Behörde nicht willkürlich erfolgt, müssen nämlich die Kriterien, die ihre Beschränkung ermöglichen, transparent, objektiv und im Voraus bekannt sein.(27) Auch wenn, wie Österreich in Randnr. 34 seines Schriftsatzes vorträgt, die wirtschaftliche Situation des ersten Konzessionsnehmers in Form einer Prognose beurteilt wird, die aufgrund ausreichender Sachverhaltsermittlungen vorzunehmen ist, wird in der Praxis nur auf der Grundlage der Angaben des bereits vorhandenen Konzessionsnehmers und der von ihm vorgetragenen Zahlen geprüft, was kaum im Einklang mit diesen Kriterien – und demnach mit der Niederlassungsfreiheit – steht.
46. Im Ergebnis erschwert der wirtschaftliche Schutz des früheren Konzessionsnehmers die Ausübung der Niederlassungsfreiheit, wenn er, wie es hier der Fall ist, durch die Unklarheit des damit verfolgten Ziels und der Kriterien für seine Anwendung gekennzeichnet ist.
VI – Der Aspekt des Wettbewerbs
47. Das vorlegende Gericht ersucht schließlich sowohl in seiner ersten als auch in seiner zweiten Frage darum, eine nationale Regelung wie die hier in Rede stehende am Maßstab des Art. 101 AEUV (Wettbewerb) zu messen. Bei unserer Antwort ist allerdings zu unterscheiden zwischen den möglichen Auswirkungen dieser Vorschrift in Bezug auf das Erfordernis eines Sitzes oder in Bezug auf die Klausel der wirtschaftlichen Rentabilität der früheren Konzession.
48. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das spezielle Vorbringen der Kommission zur Irrelevanz des freien Wettbewerbs in der vorliegenden Rechtssache, das sie darauf stützt, dass es nicht um das Verhalten zwischen Unternehmen gehe und kein staatliches Unternehmen betroffen sei, offensichtlich im Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofs steht. Denn nach dem Urteil Cipolla(28) betreffen die Art. 81 EG und 82 EG (jetzt Art. 101 AEUV und 102 AEUV) zwar an sich nur „Unternehmen und nicht als Gesetz oder Verordnung ergangene Maßnahmen der Mitgliedstaaten; in Verbindung mit Artikel 10 EG [jetzt Art. 4 Abs. 3 EUV], der eine Pflicht zur Zusammenarbeit begründet, verbieten sie es jedoch den Mitgliedstaaten, Maßnahmen, auch in Form von Gesetzen oder Verordnungen, zu treffen oder beizubehalten, die die praktische Wirksamkeit der für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln aufheben könnten“, so dass „eine Verletzung der Artikel 10 EG und 81 EG vor[liegt], wenn ein Mitgliedstaat gegen Artikel 81 EG verstoßende Kartellabsprachen vorschreibt oder begünstigt oder die Auswirkungen solcher Absprachen verstärkt“.
49. In der Sache ist darauf hinzuweisen, dass das Argument eines Wettbewerbsverstoßes bei den beiden Fragen jeweils eine ganz andere Durchschlagskraft entfaltet.
50. Die möglichen mittelbaren Auswirkungen, die sich aus einem Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit für den freien Wettbewerb ergeben können, sind nämlich, was die erste Frage betrifft, immer im Rahmen der Analyse des Niederlassungsrechts zu prüfen. Das bedeutet, dass es im vorliegenden Fall überflüssig ist, das Erfordernis eines Sitzes auch unter dem Aspekt des Wettbewerbs zu prüfen.(29)
51. Eine andere Bedeutung kann Art. 101 AEUV im Hinblick auf die zweite Frage betreffend die Klausel zum Schutz der wirtschaftlichen Rentabilität der früheren Konzession haben. Denn es ist eindeutig, dass sich eine Rentabilitätsklausel, wie sie das österreichische Recht vorsieht, mit der die Bewilligung davon abhängig gemacht wird, dass die Rentabilität des früheren Konzessionsnehmers bewahrt wird, quasi unausweichlich auf den freien Wettbewerb auswirkt. Natürlich können, wie die Kommission darlegt, Gründe des Allgemeininteresses in einigen Fällen eine Klausel zum wirtschaftlichen Schutz des früheren Konzessionsnehmers als Garantie dafür rechtfertigen, dass die Leistung ordnungsgemäß erbracht wird. Im vorliegenden Fall liegt aber offensichtlich kein besonderer Umstand dieser Art vor, so dass das Fehlen jeglicher Voraussetzungen in dieser Hinsicht dazu führen würde, dass ein bestimmtes Unternehmen begünstigt würde, obwohl ein anderes die Dienstleistung zu einem niedrigeren Preis oder zu demselben Preis, aber zu niedrigeren Kosten anbieten könnte, womit letztlich gegen die Neutralität verstoßen wird, die der Wettbewerb erfordert(30).
VII – Ergebnis
52. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen wie folgt zu antworten:
1. Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) steht einer nationalen Regelung entgegen, die als Voraussetzung für die Bewilligung zum Betrieb einer touristischen Kraftfahrlinie in einer Stadt, durch die festgelegte Haltestellen entsprechend einem Fahrplan regelmäßig angefahren werden, normiert, dass das antragstellende Unternehmen bereits vor der Aufnahme des Linienbetriebs, und insbesondere zum Konzessionszeitpunkt, über einen Sitz oder eine geschäftliche Niederlassung in dem Staat der bewilligenden Behörde verfügen muss.
2. Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, nach der die Bewilligung zum Betrieb einer touristischen Kraftfahrlinie in einer Stadt, durch die festgelegte Haltestellen entsprechend einem Fahrplan regelmäßig angefahren werden, nur gewährt wird, wenn das antragstellende Unternehmen spätestens ab dem Zeitpunkt der Aufnahme des Linienbetriebs über einen Sitz oder eine geschäftliche Niederlassung in dem Staat der bewilligenden Behörde verfügt.
3. Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 101 AEUV (Wettbewerb) stehen einer nationalen Regelung entgegen, die normiert, dass die Bewilligung zum Betrieb einer touristischen Kraftfahrlinie in einer Stadt, durch die festgelegte Haltestellen entsprechend einem Fahrplan regelmäßig angefahren werden, zwingend zu versagen ist, wenn im Fall der Aufnahme des beantragten Kraftfahrlinienverkehrs die Erträge eines Konkurrenzunternehmens, das eine teilweise oder gänzlich identische Kursstrecke befährt, aus der von diesem geführten Kurslinie derart deutlich gemindert werden, dass die Weiterführung dieses vom Konkurrenzunternehmen geführten Linienkurses nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht mehr rentabel ist.
4. Art. 56 AEUV (freier Dienstleistungsverkehr) findet keine Anwendung im Hinblick auf die Prüfung, ob eine nationale Regelung mit dem Unionsrecht vereinbar ist, nach der die Bewilligung zum Betrieb einer touristischen Kraftfahrlinie in einer Stadt, durch die festgelegte Haltestellen entsprechend einem Fahrplan regelmäßig angefahren werden, nur gewährt wird, wenn die vorstehend genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
1 – Originalsprache: Spanisch.
2 – Unter einem anderen Aspekt hatte dazu unlängst Generalanwalt Mengozzi in seinen Schlussanträgen vom 7. September 2010 in der beim Gerichtshof anhängigen Rechtssache Neukirchinger (C‑382/08) Gelegenheit.
3 – Art. 26 Abs. 2 AEUV.
4 – In der Fassung des BGBI. Nr. 153/2006.
5 – Nach dem Vorlagebeschluss handelt es sich konkret um die Kraftfahrlinie der Vereinigung Austrobus Österreichische Autobusgesellschaft KG, Blaguss Reisen GmbH, Elite Tours Verkehrsbetrieb GMBH und Vienna Sightseeing Tours – Wiener Rundfahrten GmbH & Co KG auf der Grundlage einer Konzession vom 17. Mai 2005.
6 – Wie sich aus den Urteilen vom 21. Juni 1974, Reyners (2/74, Slg. 1974, 631, Randnr. 21), vom 30. November 1995, Gebhard (C‑55/94, Slg. 1995, I‑4165, Randnr. 25), und vom 14. September 2006, Centro di Musicologia Walter Stauffer (C‑386/04, Slg. 2006, I‑8203, Randnr. 18), ergibt.
7 – Nach dem Urteil Gebhard (Randnrn. 25 bis 28) ist der vorübergehende Charakter nicht nur unter Berücksichtigung der Dauer der Leistung, sondern auch ihrer Häufigkeit, regelmäßigen Wiederkehr oder Kontinuität zu beurteilen, so dass auf den freien Dienstleistungsverkehr und nicht auf die Niederlassungsfreiheit abzustellen ist, wenn der Betreffende nicht in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben des Aufnahmemitgliedstaats teilnimmt.
8 – Verschwommen deshalb, weil letztlich, wie in den Urteilen vom 11. Dezember 2003, Schnitzer (C‑215/01, Slg. 2003, I‑14847, Randnrn. 30 und 31), vom 29. April 2004, Kommission/Portugal (C‑171/02, Slg. 2004, I‑5645, Randnr. 26), und vom 16. Juli 2009, von Chamier-Glisczinski (C‑208/07, Slg. 2009, I‑6095, Randnr. 74), nuanciert wird, „der Vertrag keine Vorschrift enthält, die eine abstrakte Bestimmung der Dauer oder Häufigkeit ermöglicht, ab der die Erbringung einer Dienstleistung oder einer bestimmten Art von Dienstleistung in einem anderen Mitgliedstaat nicht mehr als eine Dienstleistung im Sinne des EG-Vertrags angesehen werden kann. Der Begriff ‚Dienstleistung‘ im Sinne des EG-Vertrags kann somit Dienstleistungen ganz unterschiedlicher Art umfassen, einschließlich solcher, deren Erbringung sich über einen längeren Zeitraum, bis hin zu mehreren Jahren, erstreckt.“
9 – Urteile des Gerichtshofs vom 5. Oktober 1988, Steymann (196/87, Slg. 1988, 6159, Randnr. 16), Schnitzer (Randnrn. 27 bis 29), und vom 7. September 2004, Trojani (C‑456/02, Slg. 2004, I‑7573, Randnr. 28).
10 – Es liegt auf der Hand, dass die gemeinsame Verkehrspolitik, wie der Gerichtshof bereits im Urteil vom 4. April 1974, Kommission/Frankreich (167/73, Slg. 1974, 359, Randnr. 25), klargestellt hat, nicht dazu dient, die Grundfreiheiten außer Kraft zu setzen, sondern gerade dazu, ihnen Wirksamkeit zu verleihen und sie auszufüllen. Andererseits ist diese Politik, da sie auch auf den freien Dienstleistungsverkehr gestützt ist, im Licht von Art. 56 AEUV auszulegen (Urteile des Gerichtshofs vom 22. Mai 1985, Parlament/Rat [13/83, Slg. 1985, 1513, Randnr. 62], vom 13. Dezember 1989, Corsica Ferries France [C‑49/89, Slg. 1989, 4441, Randnrn. 10 bis 12], vom 18. Januar 2001, Italien/Kommission [C‑361/98, Slg. 2001, I‑385, Randnrn. 31 bis 33], und vom 18. Juni 1998, Corsica Ferries France [C‑266/96, Slg. 1998, I‑3949, Randnrn. 55 ff.]), was durch Art. 58 Abs. 1 AEUV nicht ausgeschlossen wird, mit dem die Ziele, die mit dieser konkreten Freiheit im Binnenmarkt verfolgt werden, nicht aufgegeben werden.
11 – Hier genügt der Hinweis auf das Urteil vom 22. Mai 1985, Parlament/Rat (13/83, Slg. 1985, 1513, Randnrn. 62 und 63), das im Urteil vom 13. Juli 1989, Lambregts Transportbedrijf (4/88, Slg. 1989, 2583, Randnr. 14), wieder aufgegriffen wird; danach konnte der Umstand, dass der Rat gegen seine Verpflichtungen aus Art. 75 EWG-Vertrag (die jetzt in den Art. 90 AEUV und 91 AEUV niedergelegt sind) verstoßen hatte, nicht zur unmittelbaren Anwendbarkeit der Art. 59 und 60 EWG-Vertrag (jetzt Art. 56 AEUV und Art. 57 AEUV) im Verkehrssektor führen. In gleicher Weise lässt der Gerichtshof im Urteil vom 13. Dezember 1989, Corsica Ferries France (C‑49/89), nach einem Hinweis darauf, dass für den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs die Bestimmungen des Titels über die gemeinsame Verkehrspolitik gelten (Randnr. 10), eine nationale Regelung bestehen, mit der Art. 56 AEUV zu einer Zeit (1981 und 1982) beschränkt wurde, zu der „der freie Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet der Seeschifffahrt noch nicht verwirklicht war und die Mitgliedstaaten daher berechtigt waren, Rechtsvorschriften von der Art, wie sie Gegenstand des Ausgangsverfahrens sind, anzuwenden“ (Randnr. 14).
12 – Verordnung des Rates vom 26. Juni 1969 über das Vorgehen der Mitgliedstaaten bei mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs (ABl. L 156, S. 1), die in zeitlicher Hinsicht noch anwendbar ist.
13 – Verordnung des Rates vom 20. Juni 1991 zur Änderung der Verordnung (ABl. L 169, S. 1).
14 – Zu beachten ist allerdings, dass der ursprüngliche Art. 19 Abs. 2 dieser Verordnung, wonach von ihrem Anwendungsbereich andere Unternehmen als Eisenbahnunternehmen ausgenommen waren, soweit sie hauptsächlich Beförderungen mit örtlichem oder regionalem Charakter durchführten, durch die Verordnung Nr. 1893/91 aufgehoben wurde.
15 – Verordnung des Rates vom 16. März 1992 zur Einführung gemeinsamer Regeln für den grenzüberschreitenden Personenverkehr mit Kraftomnibussen (ABl. L 74, S. 1).
16 – Verordnung des Rates vom 11. Dezember 1997 über die Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmern zum Personenkraftverkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind (ABl. L 4, S. 10).
17 – Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. L 315, S. 1).
18 – Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum grenzüberschreitenden Personenkraftverkehrsmarkt und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 (ABl. L 300, S. 88).
19 – Statt aller vgl. Urteil vom 10. März 2009, Hartlauer (C‑169/07, Slg. 2009, I‑1721, insbesondere Randnr. 64).
20 – Urteile des Gerichtshofs vom 14. Dezember 1995, Sanz de Lera u. a. (C‑163/94, C‑165/94 und C‑250/94, Slg. 1995, I‑4821, Randnrn. 23 bis 28), vom 20. Februar 2001, Analir u. a. (C‑205/99, Slg. 2001, I‑1271, Randnr. 35), und vom 1. Oktober 2009, Woningstichting Sint Servatius (C‑567/07, Slg. 2009, I‑9021, Randnr. 33).
21 – Dieses Kriterium war im Übrigen offensichtlich die einzige Rechtfertigung für die Abweisung des Antrags auf Erteilung einer Konzession.
22 – Dieses Kriterium wird ausdrücklich im Urteil des Gerichtshofs Woningstichting Sint Servatius aufgestellt (Randnr. 34).
23 – So deutlich ist es im Urteil vom 4. Dezember 1986, Kommission/Deutschland (205/84, Slg. 1986, 3755, Randnr. 52), ausgedrückt worden.
24 – So bedeutet das Erfordernis, für die Erteilung der für den Betrieb eines Labors für biomedizinische Analysen erforderlichen Genehmigung über eine betriebliche Niederlassung zu verfügen, nach Ansicht des Gerichtshofs einen Verstoß gegen den freien Dienstleistungsverkehr und nicht gegen die Niederlassungsfreiheit als solche, da diese Voraussetzung nicht beinhaltet, dass diese Niederlassung Haupt‑ oder Zentralsitz des Unternehmens sein muss (Urteil vom 11. März 2004, Kommission/Frankreich [C‑496/01, Slg. 2004, I‑2351, Randnrn. 61 und 64 bis 77]. Allerdings kann es sich gelegentlich auch so verhalten, dass zwar das Erfordernis eines Sitzes oder einer betrieblichen Niederlassung an sich kein Hindernis für die Niederlassungsfreiheit darstellt, wohl aber der Umstand, dass Führungskräfte und bestimmte Angehörige des Personals von Bewachungsunternehmen und internen Bewachungsdiensten ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats der Niederlassung haben müssen (Urteil vom 9. März 2000, Kommission/Belgien, C‑355/98, Slg. 2000, I‑1221, Randnrn. 31 bis 34 und 41).
25 – Urteil Centro di Musicologia Walter Stauffer (Randnr. 19).
26 – Urteile des Gerichtshofs vom 13. März 2001, PreussenElektra (C‑379/98, Slg. 2001, I‑2099, Randnr. 38), und vom 22. Januar 2002, Canal Satélite Digital (C‑390/99, Slg. 2002, I‑607, Randnr. 19).
27 – Wie der Gerichtshof, ich habe es bereits dargelegt, u. a. in seinen Urteilen Woningstichting Sint Servatius und Hartlauer ausführt.
28 – Urteil vom 5. Dezember 2006 (C‑94/04 und C‑202/04, Slg. 2006, I‑11421, Randnrn. 46 und 47), unter Bezugnahme auf den Beschluss vom 17. Februar 2005, Mauri (C‑250/03, Slg. 2005, I‑1267, Randnrn. 29 und 30).
29 – Außerdem wären ungeachtet dessen, dass schon zweifelhaft ist, ob die Beförderung in einem Bus für Touristen die Merkmale einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Sinne des Urteils Woningstichting Sint Servatius erfüllt, die darauf beruhenden Erwägungen im Hinblick auf die Niederlassung nicht relevant, da es hier nicht um die Gewährung besonderer oder ausschließlicher Rechte an ein Unternehmen geht, weil der Rechtsstreit im Kern die Rechtmäßigkeit einer Reihe von Beschränkungen im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens über eine vorherige Genehmigung betrifft.
30 – Insoweit trägt – bei aller entsprechenden Vorsicht – auch der Umstand, dass es sich bei dem früheren einzigen Konzessionsnehmer, wie sich dem Vorlagebeschluss entnehmen lässt, offensichtlich um eine Vereinigung verschiedener lokaler, im Fremdenverkehrssektor tätiger Unternehmen handelt, nicht gerade dazu bei, die hinsichtlich der Rentabilitätsklausel unter dem Aspekt der Ausübung des freien Wettbewerbs bestehenden Zweifel zu beheben.