Rechtssache C-171/08
Europäische Kommission
gegen
Portugiesische Republik
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Art. 56 EG und 43 EG – Freier Kapitalverkehr – Vom portugiesischen Staat gehaltene Sonderaktien (‚golden shares‘) der Gesellschaft Portugal Telecom SGPS SA – Beschränkungen des Erwerbs von Beteiligungen an einer privatisierten Gesellschaft und Beschränkungen ihrer Verwaltung – Staatliche Maßnahme“
Leitsätze des Urteils
1. Vertragsverletzungsklage – Nachweis der Vertragsverletzung – Der Kommission obliegende Beweislast
(Art. 226 EG)
2. Vertragsverletzungsklage – Streitgegenstand – Bestimmung während des Vorverfahrens
(Art. 226 EG)
3. Freier Kapitalverkehr – Beschränkungen – Nationale Regelung, die zugunsten des Staates Vorrechte bei der Verwaltung privatisierter Unternehmen einführt
(Art. 56 Abs. 1 EG und Art. 58 EG)
1. Hat die Kommission ihrer Klageschrift nicht den vollständigen Wortlaut nationaler Rechtsvorschriften, auf die sich eine Vertragsverletzungsklage bezieht, als Anlage beigefügt, sondern den Inhalt der Bestimmungen dieser Regelung, auf die sie ihre Vertragsverletzungsklage gestützt hat, sowohl in der Klageschrift als auch in der dieser als Anlage beigefügten mit Gründen versehenen Stellungnahme wiedergegeben und an verschiedenen Stellen erläutert, und hat der Gerichtshof nach ausdrücklicher Aufforderung seinerseits feststellen können, dass die Behauptungen der Kommission über den Inhalt der Bestimmungen dieser Regelung zutreffen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Kommission, um dem Gerichtshof die Beurteilung des an den betreffenden Mitgliedstaat gerichteten Vorwurfs einer Vertragsverletzung zu ermöglichen, auf bloße Vermutungen gestützt hätte, ohne erforderliche Beweismittel beizubringen. Eine solche Klage ist daher zulässig.
(vgl. Randnrn. 20, 22-24)
2. Der Gegenstand einer Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG wird durch die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission festgelegt, so dass die Klage auf die gleichen Gründe und das gleiche Vorbringen gestützt sein muss wie diese Stellungnahme. Dieses Erfordernis kann jedoch nicht so weit gehen, dass in jedem Fall eine völlige Übereinstimmung zwischen der Darlegung der Rügen im Tenor der mit Gründen versehenen Stellungnahme und in den Anträgen in der Klageschrift bestehen muss, sofern nur der Streitgegenstand, wie er in der mit Gründen versehenen Stellungnahme umschrieben ist, nicht erweitert oder geändert worden ist. Der Gegenstand der behaupteten Vertragsverletzung ist dadurch, dass die Kommission die von ihr bereits im Mahnschreiben und in der mit Gründen versehenen Stellungnahme in allgemeiner Form erhobenen Rügen in der Klageschrift unter Hinweis auf weitere Sonderrechte eines Mitgliedstaats an einer privatisierten Gesellschaft im Einzelnen dargestellt hat, nicht verändert worden, so dass sich dies nicht auf den Umfang des Rechtsstreits ausgewirkt hat.
(vgl. Randnrn. 25-26, 29)
3. Ein Mitgliedstaat verstößt gegen seine Verpflichtungen aus Art. 56 EG, wenn er an einer aus dem Zusammenschluss mehrerer Unternehmen mit vollständig öffentlichem Kapital hervorgegangenen Holdinggesellschaft zur Verwaltung von Beteiligungen für sich und andere öffentliche Einrichtungen Sonderrechte aufrechterhält, die in Verbindung mit von ihm gehaltenen Sonderaktien dieser Gesellschaft gewährt wurden und die zusammenhängen mit der Wahl eines Drittels aller Verwaltungsratsmitglieder, der Wahl einer bestimmten Zahl von Mitgliedern des aus der Mitte des Verwaltungsrats gewählten Vorstands, der Ernennung mindestens eines der gewählten Verwaltungsratsmitglieder zur Wahrnehmung bestimmter besonderer Verwaltungsaufgaben, Beschlüssen der Hauptversammlung über
– die Verwendung des Geschäftsergebnisses,
– Satzungsänderungen und Kapitalerhöhungen,
– die Beschränkung oder Aufhebung von Vorzugsrechten,
– die Festlegung der Bedingungen für Kapitalerhöhungen,
– die Ausgabe von Schuldverschreibungen oder anderen Wertpapieren und die Festlegung des Werts der Schuldverschreibungen, die vom Verwaltungsrat genehmigt werden können, sowie die Beschränkung oder Aufhebung von Vorzugsrechten bei der Ausgabe von in Aktien umwandelbaren Schuldverschreibungen und die Festlegung der Bedingungen für die Ausgabe solcher Schuldverschreibungen durch den Verwaltungsrat,
– die Verlegung des Firmensitzes innerhalb des Staatsgebiets,
– die Genehmigung des Erwerbs einer Anzahl von Stammaktien, die mehr als 10 % des Gesellschaftskapitals ausmachen, durch Aktionäre, die eine Tätigkeit ausüben, die mit den Tätigkeiten der von dieser Gesellschaft beherrschten Gesellschaften konkurriert,
– sowie die Festlegung der allgemeinen Ziele und grundlegenden Prinzipien der Firmenpolitik dieser Gesellschaft und die Bestimmung der allgemeinen Grundsätze der Politik hinsichtlich von Beteiligungen an anderen Gesellschaften oder Konzernen, des Erwerbs und der Veräußerung von Anteilen, wenn diese Entscheidungen der vorherigen Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen.
Der Besitz dieser Sonderaktien durch den Staat, soweit er diesem eine Einflussnahme auf die Verwaltung der Gesellschaft verleiht, die nicht durch den Umfang seiner Beteiligung an ihr gerechtfertigt ist, ist nämlich geeignet, Wirtschaftsteilnehmer anderer Mitgliedstaaten davon abzuhalten, Direktinvestitionen in diese Gesellschaft zu tätigen, da sie an deren Verwaltung und Kontrolle nicht entsprechend dem Wert ihrer Beteiligungen mitwirken könnten.
Entsprechend kann die Bestimmung über die Sonderaktien auch für Portfolioinvestitionen in die Gesellschaft eine abschreckende Wirkung haben, da eine Verweigerung der Zustimmung des betreffenden Staates zu einer wichtigen Entscheidung, die von den Organen dieser Gesellschaft als in deren Interesse liegend vorgeschlagen wird, den Wert der Aktien der Gesellschaft belasten und damit die Attraktivität einer Investition in solche Aktien mindern kann.
Was die in Art. 58 EG zugelassenen Ausnahmen betrifft, sind die Erfordernisse der öffentlichen Sicherheit, insbesondere als Ausnahme vom Grundprinzip des freien Kapitalverkehrs, eng auszulegen, so dass ihre Tragweite nicht von jedem Mitgliedstaat einseitig ohne Nachprüfung durch die Organe der Europäischen Union bestimmt werden kann. Damit ist eine Berufung auf die öffentliche Sicherheit nur möglich, wenn eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
Was schließlich die Verhältnismäßigkeit der fraglichen Beschränkung angeht, stellt die Unsicherheit, die dadurch entsteht, dass weder ein nationales Gesetz noch die Satzung der betreffenden Gesellschaft die Kriterien hinsichtlich der Umstände festlegt, unter denen diese besonderen Befugnisse ausgeübt werden können, eine schwerwiegende Beeinträchtigung des freien Kapitalverkehrs dar, da hierdurch den nationalen Behörden bei der Ausübung dieser Befugnisse ein so weiter Ermessensspielraum eingeräumt wird, dass dieser nicht als den verfolgten Zielen angemessen angesehen werden kann.
(vgl. Randnrn. 6-7, 60-61, 72-78 und Tenor)
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)
8. Juli 2010(*)
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Art. 56 EG und 43 EG – Freier Kapitalverkehr – Vom portugiesischen Staat gehaltene Sonderaktien (‚golden shares‘) der Gesellschaft Portugal Telecom SGPS SA – Beschränkungen des Erwerbs von Beteiligungen an einer privatisierten Gesellschaft und Beschränkungen ihrer Verwaltung – Staatliche Maßnahme“
In der Rechtssache C‑171/08
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 21. April 2008,
Europäische Kommission, vertreten durch E. Montaguti, M. Teles Romão und P. Guerra e Andrade als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Portugiesische Republik, vertreten durch L. Inez Fernandes als Bevollmächtigten im Beistand von M. Gorjão Henriques, advogado,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano (Berichterstatter), der Richter E. Levits, M. Ilešič und M. Safjan sowie der Richterin M. Berger,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. Oktober 2009,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. Dezember 2009
folgendes
Urteil
1 Mit der vorliegenden Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 56 EG und 43 EG verstoßen hat, dass sie Sonderrechte des Staates und anderer öffentlicher Einrichtungen an der Portugal Telecom SGPS SA (im Folgenden: PT) aufrechterhält, die in Verbindung mit vom Staat gehaltenen Sonderaktien von PT gewährt wurden.
Rechtlicher Rahmen
Nationales Recht
2 Art. 15 Abs. 3 des Rahmengesetzes über Privatisierungen (Lei Quadro das Privatizaçoes) vom 5. April 1990 (Diário da República, Serie I, Nr. 80 vom 5. April 1990) (im Folgenden: LQP) sieht die Möglichkeit der Ausgabe von Sonderaktien nach folgender Maßgabe vor:
„Außerdem können in der rechtlichen Regelung gemäß Art. 4 Abs. 1 [zur Genehmigung der Satzung des Unternehmens, das privatisiert oder in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden soll], wenn Gründe des nationalen Interesses dies erfordern, ausnahmsweise Sonderaktien vorgesehen werden, die Eigentum des Staates bleiben und diesem, unabhängig von der Anzahl der Aktien, bei Satzungsänderungen und anderen Entscheidungen in bestimmten, in der Satzung ordnungsgemäß vorgesehenen Bereichen ein Vetorecht einräumen.“
3 Art. 20 Abs. 1 der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 44/95 vom 22. Februar 1995 zur ersten Phase der Privatisierung bestimmt:
„Sofern der Gesellschaftsvertrag von [PT] mit Sonderrechten verbundene Aktien vorsieht, die keine Dividendensonderaktien sind, müssen diese Aktien mehrheitlich vom Staat oder anderen öffentlichen Anteilseignern gehalten werden.“
Satzung von PT
4 Den Akten ist zu entnehmen, dass sich das Gesellschaftskapital von PT nach Art. 4 Abs. 2 ihrer Satzung aus 1 025 800 000 Stammaktien und 500 Aktien der Kategorie A zusammensetzt.
5 Art. 5 Abs. 1 der Satzung von PT schreibt vor, dass die Aktien der Kategorie A mehrheitlich vom Staat oder anderen öffentlichen Anteilseignern gehalten werden müssen und dass mit ihnen bestimmte Vorrechte in Form von Sonderrechten nach Maßgabe der Art. 14 Abs. 2 und 19 Abs. 2 der Satzung verbunden sind.
6 In den letztgenannten Bestimmungen werden folgende Sonderrechte aufgezählt:
– Mindestens ein Drittel aller Verwaltungsratsmitglieder einschließlich des Präsidenten des Verwaltungsrats muss mit der Mehrheit der mit den Aktien der Kategorie A verbundenen Stimmen, d. h. mit den Stimmen des Staates und der anderen öffentlichen Anteilseigner, gewählt werden.
– Von den fünf bzw. sieben Mitgliedern des Vorstands, der aus der Mitte des Verwaltungsrats gewählt wird, müssen ein bzw. zwei Mitglieder jeweils mit der Mehrheit der mit den Aktien der Kategorie A verbundenen Stimmen gewählt werden.
– Für die Ernennung von mindestens einem der gewählten Verwaltungsratsmitglieder zur Wahrnehmung bestimmter besonderer Verwaltungsaufgaben ist die Mehrheit der mit den Aktien der Kategorie A verbundenen Stimmen erforderlich.
– Beschlüsse der Hauptversammlung in den nachstehend genannten Bereichen können nicht gegen die Mehrheit der mit den Aktien der Kategorie A verbundenen Stimmen angenommen werden:
– Verwendung des Geschäftsergebnisses;
– Satzungsänderungen und Kapitalerhöhungen;
– Beschränkung oder Aufhebung von Vorzugsrechten;
– Festlegung der Bedingungen für Kapitalerhöhungen;
– Ausgabe von Schuldverschreibungen oder anderen Wertpapieren und Festlegung des Werts der Schuldverschreibungen, die vom Verwaltungsrat genehmigt werden können, sowie Beschränkung oder Aufhebung von Vorzugsrechten bei der Ausgabe von in Aktien umwandelbaren Schuldverschreibungen und Festlegung der Bedingungen für die Ausgabe solcher Schuldverschreibungen durch den Verwaltungsrat;
– Verlegung des Firmensitzes innerhalb des Staatsgebiets;
– Genehmigung des Erwerbs einer Anzahl von Stammaktien, die mehr als 10 % des Gesellschaftskapitals ausmachen, durch Aktionäre, die eine Tätigkeit ausüben, die mit den Tätigkeiten der von PT beherrschten Gesellschaften konkurriert.
– Die Mehrheit der mit den Aktien der Kategorie A verbundenen Stimmen ist auch bei der Festlegung der allgemeinen Ziele und grundlegenden Prinzipien der Firmenpolitik von PT sowie bei der Bestimmung der allgemeinen Grundsätze der Politik hinsichtlich von Beteiligungen an anderen Gesellschaften oder Konzernen, des Erwerbs und der Veräußerung von Anteilen erforderlich, wenn diese Entscheidungen der vorherigen Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen.
Vorgeschichte des Rechtsstreits und Vorverfahren
7 Seit 1992 ist im portugiesischen Telekommunikationssektor ein umfangreicher Umstrukturierungsprozess im Gange, der 1994 zur Gründung von PT führte, einer aus dem Zusammenschluss mehrerer Unternehmen mit vollständig öffentlichem Kapital hervorgegangenen Holdinggesellschaft zur Verwaltung von Beteiligungen.
8 Im Jahr 1995 wurde mit der Privatisierung von PT begonnen. Sie erfolgte in fünf aufeinanderfolgenden Phasen im Rahmen der mit der LQP festgelegten Regelung.
9 Am 4. August 1995 – zu dieser Zeit hielt der portugiesische Staat 54,2 % des Gesellschaftskapitals von PT – wurde die Satzung dieser Gesellschaft angenommen.
10 Mit Abschluss der fünften Privatisierungsphase wurden alle staatlichen Anteile an PT mit Ausnahme der 500 mit Sonderrechten gemäß Art. 5 Abs. 1 der Satzung von PT verbundenen Aktien veräußert, die nach Art. 20 Abs. 1 der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 44/95 mehrheitlich dem Staat oder anderen öffentlichen Anteilseignern zugeteilt sind.
11 Am 19. Dezember 2005 sandte die Kommission der Portugiesischen Republik ein Mahnschreiben, in dem sie ihr vorwarf, dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 56 EG und 43 EG verstoßen zu haben, dass der Staat und andere öffentliche Anteilseigner mit Sonderrechten ausgestattete Sonderaktien am Gesellschaftskapital von PT hielten.
12 Da das Antwortschreiben der Portugiesischen Republik vom 21. Februar 2006 die Kommission nicht zufriedenstellte, übersandte sie diesem Mitgliedstaat am 10. April 2006 eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie ihn aufforderte, dieser Stellungnahme binnen zwei Monaten nach ihrem Eingang nachzukommen. Die Portugiesische Republik antwortete mit Schreiben vom 24. Juli 2006, in dem sie die gerügte Vertragsverletzung in Abrede stellte.
13 Die Kommission, nach deren Ansicht die Portugiesische Republik nicht alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen hatte, um der mit Gründen versehenen Stellungnahme nachzukommen, hat daraufhin die vorliegende Klage erhoben.
Zur Klage
Zur Zulässigkeit der Klage
Vorbringen der Parteien
14 Die Portugiesische Republik macht in ihrer Klagebeantwortung geltend, dass die Klage aus zwei Gründen unzulässig sei. Erstens habe die Kommission, da sie weder die Rechtsvorschriften noch die Satzung von PT, die die Bestimmungen enthielten, aus denen sich die gerügte Vertragsverletzung ergebe, zu den Akten gereicht habe, die Beweislastregeln nicht beachtet und damit ihre Klage auf bloße Vermutungen gestützt.
15 Zweitens sei die Klage insoweit teilweise unzulässig, als die Kommission mit ihrer Klageschrift neues Vorbringen, das nicht in der mit Gründen versehenen Stellungnahme enthalten gewesen sei, eingeführt habe, so dass sie den Streitgegenstand, wie er im Vorverfahren festgelegt worden sei, erweitert habe. Hierbei bezieht sich die Portugiesische Republik insbesondere auf die Satzungsbestimmungen, nach denen dem Staat ein erhöhter Einfluss bei der Wahl der Vorstandsmitglieder eingeräumt sei und er Sonderrechte wie ein Vetorecht bei Entscheidungen über die Veräußerung erheblicher Aktiva, den Zusammenschluss mit anderen Gesellschaften und Änderungen an den Eigentumsverhältnissen am Unternehmen innehabe.
16 Die Kommission tritt dieses Vorbringen insgesamt entgegen.
17 Zum einen macht sie zur Beweislast im Wesentlichen geltend, da die Zuwiderhandlung der Portugiesischen Republik und nicht PT zur Last gelegt werde, gehe es beim Beweis der Zuwiderhandlung um das Verhalten dieses Mitgliedstaats und nicht um die Satzung von PT. Die Kommission brauche daher, um die gerügte Vertragsverletzung nachzuweisen, nicht diese Satzung vorzulegen. Jedenfalls habe die Portugiesische Republik schon in ihrer Antwort auf das Mahnschreiben die Existenz der Bestimmungen dieser Satzung sowie der in dieser vorgesehenen Sonderrechte des Staates selbst eingeräumt und auf der Grundlage eben dieser Bestimmungen der gegen sie erhobenen Rüge einer Vertragsverletzung widersprochen.
18 Zum anderen führt die Kommission zur angeblichen Erweiterung des Streitgegenstands aus, die Ermittlungsphase des Vertragsverletzungsverfahrens diene dazu, ausreichende tatsächliche und rechtliche Umstände zur Stützung der Verdachtsmomente einer Zuwiderhandlung zu ermitteln, und nicht dazu, erschöpfend und detailliert alle Tatbestandsmerkmale der Vertragsverletzung zu behandeln. So habe sie sich im Vorverfahren darauf beschränken können, die Sonderbefugnisse des Staates innerhalb von PT allgemein vorzutragen, um sodann in der Klageschrift den Inhalt ihrer Rügen zu präzisieren.
Würdigung durch den Gerichtshof
19 Zur ersten Einrede der Unzulässigkeit ist von vornherein festzustellen, dass es nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 EG der Kommission, die das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung nachzuweisen hat, obliegt, dem Gerichtshof die erforderlichen Anhaltspunkte zu liefern, die es ihm ermöglichen, das Vorliegen der Vertragsverletzung zu prüfen, wobei sie sich nicht auf irgendeine Vermutung stützen kann (vgl. u. a. Urteile vom 6. November 2003, Kommission/Vereinigtes Königreich, C‑434/01, Slg. 2003, I‑13239, Randnr. 21, und vom 14. Juni 2007, Kommission/Finnland, C‑342/05, Slg. 2007, I‑4713, Randnr. 23).
20 Zwar hat die Kommission ihrer Klageschrift nicht den vollständigen Wortlaut der einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften und der Satzung von PT als Anlage beigefügt, doch hat sie den Inhalt der Bestimmungen dieser Regelung und dieser Satzung, auf die sie ihre Vertragsverletzungsklage gestützt hat, sowohl in der Klageschrift als auch in der dieser als Anlage beigefügten mit Gründen versehenen Stellungnahme wiedergegeben und an verschiedenen Stellen erläutert.
21 Wie außerdem der Generalanwalt in Nr. 27 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, hat die portugiesische Regierung die Existenz dieser Bestimmungen und ihres Inhalts, wie er von der Kommission sowohl im Vorverfahren als auch vor dem Gerichtshof umschrieben worden ist, nie bestritten. Im Gegenteil hat sie bestätigt, dass der portugiesische Staat eben auf der Grundlage dieser Bestimmungen Sonderaktien von PT gehalten habe, die mit den von der Kommission angeführten Sonderrechten ausgestattet gewesen seien.
22 Im Übrigen hat eine Prüfung des von den Parteien auf ausdrückliche Aufforderung des Gerichtshofs eingereichten vollständigen Wortlauts der Satzung von PT die Feststellung ermöglicht, dass die Behauptungen der Kommission über den Inhalt der Bestimmungen dieser Satzung und der Sonderrechte des Staates zutreffen.
23 Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Kommission, um dem Gerichtshof die Beurteilung des an die Portugiesische Republik gerichteten Vorwurfs einer Vertragsverletzung zu ermöglichen, auf bloße Vermutungen gestützt hätte, ohne erforderliche Beweismittel beizubringen.
24 Folglich ist die erste Einrede der Unzulässigkeit als unbegründet zurückzuweisen.
25 Hinsichtlich der zweiten Einrede der Unzulässigkeit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung der Gegenstand einer Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG durch die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission festgelegt wird, so dass die Klage auf die gleichen Gründe und das gleiche Vorbringen gestützt sein muss wie diese Stellungnahme (vgl. Urteil vom 8. Dezember 2005, Kommission/Luxemburg, C‑33/04, Slg. 2005, I‑10629, Randnr. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).
26 Dieses Erfordernis kann jedoch nicht so weit gehen, dass in jedem Fall eine völlige Übereinstimmung zwischen der Darlegung der Rügen im Tenor der mit Gründen versehenen Stellungnahme und in den Anträgen in der Klageschrift bestehen muss, sofern nur der Streitgegenstand, wie er in der mit Gründen versehenen Stellungnahme umschrieben ist, nicht erweitert oder geändert worden ist (vgl. Urteile vom 14. Juli 2005, Kommission/Deutschland, C‑433/03, Slg. 2005, I‑6985, Randnr. 28, und vom 7. September 2006, Kommission/Vereinigtes Königreich, C‑484/04, Slg. 2006, I‑7471, Randnr. 25).
27 Im vorliegenden Fall hat die Kommission den Streitgegenstand, wie er in der mit Gründen versehenen Stellungnahme umschrieben worden ist, aber weder erweitert noch geändert.
28 Insoweit genügt die Feststellung, dass die Kommission sowohl im Tenor der mit Gründen versehenen Stellungnahme als auch in den Anträgen in der Klageschrift klar angegeben hat, dass sie der Portugiesischen Republik zur Last lege, gegen die Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 56 EG verstoßen zu haben, weil der Staat und andere öffentliche Anteilseigner mit Sonderrechten an PT ausgestattete Sonderaktien hielten.
29 Somit ist der Gegenstand der behaupteten Vertragsverletzung dadurch, dass die Kommission die von ihr bereits im Mahnschreiben und in der mit Gründen versehenen Stellungnahme in allgemeiner Form erhobenen Rügen in der Klageschrift unter Hinweis auf weitere Sonderrechte des portugiesischen Staates an PT im Einzelnen dargestellt hat, nicht verändert worden, so dass sich dies nicht auf den Umfang des Rechtsstreits ausgewirkt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. November 2003, Kommission/Finnland, C‑185/00, Slg. 2003, I‑14189, Randnrn. 84 bis 87).
30 Unter Berücksichtigung dessen ist auch die zweite von der Portugiesischen Republik erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen und demgemäß die Klage der Kommission für zulässig zu erklären.
Zum Verstoß gegen die Verpflichtungen aus den Art. 56 EG und 43 EG
Vorbringen der Parteien
31 Die Kommission macht zunächst geltend, die Ausgabe von Sonderaktien von PT ergebe sich nicht aus einer normalen Anwendung des Gesellschaftsrechts und stelle jedenfalls eine staatliche Maßnahme dar, die in den Anwendungsbereich des Art. 56 Abs. 1 EG falle.
32 Dazu trägt sie vor, entgegen der Behauptung der portugiesischen Behörden könne nicht davon ausgegangen werden, dass die fraglichen Sonderaktien rein privatrechtlicher Natur seien. Zwar seien die mit ihnen verbundenen Sonderrechte nur in der Satzung von PT vorgesehen, doch sei diese Satzung nicht nur zu einer Zeit angenommen worden, als der portugiesische Staat die Kontrolle der Gesellschaft innegehabt habe, sondern sie sei zudem im Licht der einschlägigen Bestimmungen der LQP sowie der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 44/95 zu beurteilen. Aus diesen Vorschriften ergebe sich jedoch, dass die Mehrheit dieser Sonderaktien dem Staat zugeteilt werden und in dessen Eigentum verbleiben müsse, da sie, anders als Sonderaktien des Privatrechts, nicht übertragbar seien.
33 Die Kommission macht weiter geltend, die Zuteilung von Sonderaktien an den Staat sei dem Anwendungsbereich der Art. 56 EG und 43 EG nicht wegen Art. 295 EG, wonach der EG-Vertrag die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt lasse, entzogen. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. insbesondere Urteile vom 4. Juni 2002, Kommission/Portugal, C‑367/98, Slg. 2002, I‑4731, Randnr. 48, und vom 1. Juni 1999, Konle, C‑302/97, Slg. 1999, I‑3099, Randnr. 38) könnten sich nämlich die Mitgliedstaaten nicht auf ihre Eigentumsordnung berufen, um Beeinträchtigungen der im Vertrag garantierten Grundfreiheiten zu rechtfertigen, die sich aus einem System behördlicher Genehmigungen in Bezug auf privatisierte Unternehmen ergäben. Da aber die fraglichen Sonderrechte bei zahlreichen von PT zu treffenden Entscheidungen ihren Inhabern Vetorechte verliehen, werde mit ihnen ein solches System behördlicher Genehmigungen eingeführt.
34 Weiter macht die Kommission im Kern geltend, dass der portugiesische Staat durch den Besitz von Sonderrechten an PT sowohl Direkt- als auch Portfolioinvestitionen in diese Gesellschaft behindere und damit den freien Kapitalverkehr sowie die Niederlassungsfreiheit beeinträchtige.
35 Diese Sonderrechte beschränkten insbesondere die Möglichkeit für die Anteilseigner, sich entsprechend dem Wert ihrer Anteile wirksam an der Verwaltung und der Kontrolle von PT zu beteiligen, und nähmen ihnen die Befugnis, strategische Entscheidungen wie die zu treffen, die u. a. die Veräußerung erheblicher Aktiva, bedeutende Satzungsänderungen, den Zusammenschluss mit anderen Gesellschaften und Änderungen der Eigentumsverhältnisse des Unternehmens beträfen. Darüber hinaus seien solche Sonderrechte geeignet, den Erwerb von Kontrollbeteiligungen an PT zu behindern, was ebenfalls mit Art. 43 EG unvereinbar sei.
36 Die Beschränkungen aus den Sonderrechten der Portugiesischen Republik an PT seien auch mit keinem der Ziele zu rechtfertigen, auf die sich die nationalen Stellen beriefen.
37 Was erstens die von den portugiesischen Stellen angeführte Notwendigkeit angehe, die Verfügbarkeit der Telekommunikationsnetze im Krisen-, Kriegs- oder Terrorfall sicherzustellen, hätten die portugiesischen Stellen entgegen den Anforderungen der Rechtsprechung, insbesondere des Urteils vom 13. Mai 2003, Kommission/Spanien (C‑463/00, Slg. 2003, I‑4581, Randnrn. 71 und 72), nicht das Vorliegen einer „tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“, nachgewiesen, das geeignet wäre, die Sonderaktien aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu rechtfertigen.
38 Zweitens tritt die Kommission dem Vorbringen der Portugiesischen Republik entgegen, der Besitz von Sonderrechten des Staates an PT, bei der die Verwaltung der Kabel- und Kupfernetze sowie alle Geschäftstätigkeiten im Groß- und Einzelhandel verblieben seien, sei notwendig, um einen gewissen Grad an Wettbewerb auf dem Telekommunikationsmarkt zu gewährleisten. Eine solche Argumentation würde nämlich zu der widersinnigen Situation führen, dass ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft mit einem weiteren Verstoß gegen dieses Recht zu rechtfertigen wäre, nämlich mit demjenigen, der im vorliegenden Fall in einer Berufung auf die beanstandeten Beschränkungen der im Vertrag garantierten Grundfreiheiten bestünde.
39 Soweit sich, drittens, die Portugiesische Republik auf die Notwendigkeit bezieht, Störungen des Kapitalmarkts zu vermeiden, verweist die Kommission auf die Rechtsprechung und insbesondere das Urteil Kommission/Portugal (Randnr. 52), wonach wirtschaftliche Gründe keine Beeinträchtigungen rechtfertigen könnten, die nach dem Vertrag verboten seien.
40 Viertens verletzten die fraglichen Beschränkungen jedenfalls den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Denn die Ausübung der mit den Anteilen der Kategorie A verbundenen Sonderrechte sei an keine Voraussetzung geknüpft mit Ausnahme derjenigen, dass diese Rechte nur in Anspruch genommen werden dürften, wenn Gründe des nationalen Interesses es erforderten. Selbst wenn man die von der Portugiesischen Republik angeführten Ziele als rechtmäßig ansähe, ginge die Einräumung einer Befugnis, deren Ausübung dermaßen in ihr Ermessen gestellt sei, doch über das hinaus, was erforderlich wäre, um diese Ziele zu erreichen.
41 Die Portugiesische Republik hält die behauptete Vertragsverletzung für nicht gegeben und macht dazu zunächst geltend, bei den fraglichen Aktien handele es lediglich um privatrechtliche Vorzugsaktien, die nicht „golden shares“ gleichgestellt werden könnten. Die gesetzesvertretende Verordnung Nr. 44/95 räume nämlich lediglich die Möglichkeit ein, in der Satzung von PT Sonderaktien vorzusehen, schreibe jedoch nicht deren Ausgabe vor. Daher könne die Existenz dieser Aktien nur dem Willen der Gesellschaft selbst und nicht dem Staat zugerechnet werden.
42 Sodann stelle der Besitz von Sonderrechten ein das Privat- oder das Gesellschaftsrecht kennzeichnendes Grundrecht von Aktionären dar, das im Übrigen in Art. 295 EG eine Grundlage habe. Es sei Sache des Gerichtshofs, diese Rechte zu wahren, auch wenn deren Inhaber öffentliche Stellen seien. Die portugiesischen Stellen führen für dieses Vorbringen die Rechtsprechung des Gerichtshofs an, wonach der Grundrechtsschutz ein berechtigtes Interesse sei, das grundsätzlich geeignet sei, eine Beschränkung der Verpflichtungen zu rechtfertigen, die nach dem Gemeinschaftsrecht bestünden (Urteil vom 18. Dezember 2007, Laval un Partneri, C‑341/05, Slg. 2007, I‑11767, Randnrn. 91 bis 93).
43 Hilfsweise trägt die Portugiesische Republik weiter vor, selbst wenn die Existenz der fraglichen Sonderaktien dem Staat zuzurechnen sei, könne sie doch keine nach den Art. 56 EG und 43 EG verbotene Beschränkung darstellen, da diese Aktien nicht Gegenstand einer staatlichen Maßnahme seien, mit der der Handel reguliert oder der freie Dienstleistungsverkehr oder der freie Kapitalverkehr verhindert werden solle. Die Portugiesische Republik regt daher an, die dem Urteil vom 24. November 1993, Keck und Mithouard (C‑267/91 und C‑268/91, Slg. 1993, I‑6097), zugrunde liegende Ratio auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Da es nämlich im vorliegenden Fall um nichtdiskriminierende Modalitäten der Verwaltung von Beteiligungen an einer Gesellschaft und nicht um Modalitäten des Erwerbs dieser Beteiligungen gehe, sei eine Verletzung des freien Kapitalverkehrs oder der Niederlassungsfreiheit nicht möglich.
44 Selbst wenn man im Übrigen annähme, dass die Existenz der Sonderrechte an PT eine Beschränkung der vom EG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten, auf die sich die Kommission berufe, darstelle, wäre eine solche Beschränkung doch gerechtfertigt.
45 Diese Rechtfertigung beruhe zum einen darauf, dass PT Eigentümerin der wesentlichen Infrastrukturen für die Übertragung und Verbreitung von Telekommunikation sei, so dass diese Sonderrechte aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung – Sicherstellung der Erbringung der Telekommunikationsdienstleistungen im Krisen-, Kriegs- und Terrorfall sowie bei natürlichen Gefahren und Bedrohungen anderer Art – erforderlich seien. Insoweit hänge die auf solchen Gründen beruhende Rechtfertigung entgegen der Auslegung des Urteils Kommission/Spanien durch die Kommission nicht vom Bestehen einer gegenwärtigen Bedrohung eines Grundinteresses der Gesellschaft ab.
46 Gerechtfertigt sei die fragliche Beschränkung zum anderen auch durch die Notwendigkeit, einen gewissen Grad an Wettbewerb auf dem Telekommunikationsmarkt sicherzustellen, und die Notwendigkeit, eine etwaige Störung des Kapitalmarkts aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses zu verhindern.
47 Schließlich seien die dem Staat gewährten Sonderrechte auch den Zielen, die mit ihnen erreicht werden sollten, angemessen. Diese Rechte gälten nämlich nur für bestimmte im Voraus festgelegte Situationen und unterschieden sich nicht von einer nachträglichen Widerspruchsregelung. Hier sei somit eine Regelung eingeführt worden, die mit der vom Gerichtshof für mit dem Vertrag vereinbar erklärten Regelung vergleichbar sei, die Gegenstand des Urteils vom 4. Juni 2002, Kommission/Belgien (C‑503/99, Slg. 2002, I‑4809), gewesen sei.
Würdigung durch den Gerichtshof
– Zum Verstoß gegen die Verpflichtungen aus Art. 56 EG
48 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung Art. 56 Abs. 1 EG ganz allgemein Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten verbietet (vgl. u. a. Urteil vom 28. September 2006, Kommission/Niederlande, C‑282/04 und C‑283/04, Slg. 2006, I‑9141, Randnr. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).
49 In Ermangelung einer Definition des Begriffs „Kapitalverkehr“ im Sinne von Art. 56 Abs. 1 EG im Vertrag hat der Gerichtshof der Nomenklatur für den Kapitalverkehr in Anhang I der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 [EG] (dieser Artikel ist durch den Vertrag von Amsterdam aufgehoben worden) (ABl. L 178, S. 5) Hinweischarakter zuerkannt. So hat der Gerichtshof befunden, dass „Kapitalbewegungen“ im Sinne von Art. 56 Abs. 1 EG insbesondere sogenannte Direktinvestitionen sind, also Investitionen in Form der Beteiligung an einem Unternehmen durch Besitz von Aktien, die die Möglichkeit verschafft, sich tatsächlich an der Verwaltung und der Kontrolle dieses Unternehmens zu beteiligen, sowie sogenannte Portfolioinvestitionen, d. h. Investitionen in Form des Erwerbs von Wertpapieren auf dem Kapitalmarkt allein in der Absicht einer Geldanlage, ohne auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss nehmen zu wollen (vgl. Urteil Kommission/Niederlande, Randnr. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).
50 Zu diesen beiden Investitionsformen hat der Gerichtshof festgestellt, dass nationale Regelungen als „Beschränkungen“ im Sinne von Art. 56 Abs. 1 EG anzusehen sind, wenn sie geeignet sind, den Erwerb von Aktien der betreffenden Unternehmen zu verhindern oder zu beschränken oder aber Investoren anderer Mitgliedstaaten davon abzuschrecken, in das Kapital dieser Unternehmen zu investieren (vgl. Urteile Kommission/Portugal, Randnrn. 45 und 46, vom 4. Juni 2002, Kommission/Frankreich, C‑483/99, Slg. 2002, I‑4781, Randnr. 40, Kommission/Spanien, Randnrn. 61 und 62, vom 13. Mai 2003, Kommission/Vereinigtes Königreich, C‑98/01, Slg. 2003, I‑4641, Randnrn. 47 und 49, vom 2. Juni 2005, Kommission/Italien, C‑174/04, Slg. 2005, I‑4933, Randnrn. 30 und 31, sowie Kommission/Niederlande, Randnr. 20).
51 Im vorliegenden Fall bestreitet die Portugiesische Republik, dass es sich bei der streitigen Maßnahme um eine nationale Maßnahme im Sinne der in der vorigen Randnummer angeführten Rechtsprechung handele, und verweist auf die privatrechtliche Natur der fraglichen Vorzugsaktien, deren Aufnahme in die Satzung von PT nur auf dem Willen dieser Gesellschaft und nicht dem des Staates beruhe.
52 Dazu ist festzustellen, dass zwar die LQP und die gesetzesvertretende Verordnung Nr. 44/95 ersichtlich lediglich die Möglichkeit der Einführung von Sonderaktien im Gesellschaftsvertrag von PT zulassen und dass diese Aktien eben nach den aufgrund dieser Rechtsvorschriften angenommenen Satzungsbestimmungen dieser Gesellschaft ausgegeben und dem Staat zugeteilt wurden.
53 Jedoch ist zu beachten, dass diese Satzungsbestimmungen, wie die portugiesischen Stellen in der mündlichen Verhandlung selbst bestätigt haben, am 4. April 1995 erlassen wurden, d. h. nicht nur unmittelbar nach Erlass der genannten gesetzesvertretenden Verordnung, sondern vor allem zu einer Zeit, als die Portugiesische Republik eine Mehrheitsbeteiligung am Gesellschaftskapital von PT hielt und somit eine Kontrolle über diese Gesellschaft ausübte.
54 Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die Portugiesische Republik selbst zum einen in ihrer Eigenschaft als Gesetzgeber die Ausgabe von Sonderaktien bei PT genehmigt und zum anderen in ihrer Eigenschaft als Behörde nach Art. 15 Abs. 3 der LQP und Art. 20 Abs. 1 der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 44/95 beschlossen hat, Sonderaktien bei PT einzuführen und dem Staat zuzuteilen sowie die mit diesen Aktien verliehenen Sonderrechte festzulegen.
55 Außerdem ist die Ausgabe dieser Vorzugsaktien, wie der Generalanwalt in Nr. 62 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nicht auf eine normale Anwendung des Gesellschaftsrechts zurückzuführen, da die Vorzugsaktien, die abweichend vom portugiesischen Gesellschaftsrecht bei PT eingeführt worden sind, auf Dauer dem Staat gehören sollen und daher nicht übertragbar sind.
56 Die Ausgabe dieser Sonderaktien ist daher als dem Staat zurechenbar anzusehen und fällt demgemäß in den Anwendungsbereich von Art. 56 Abs. 1 EG.
57 Sodann ist zur restriktiven Natur der in den nationalen Rechtsvorschriften in Verbindung mit der Satzung von PT vorgesehenen Regelung über den Besitz von PT‑Sonderaktien durch den Staat festzustellen, dass eine solche Regelung Wirtschaftsteilnehmer anderer Mitgliedstaaten davon abschrecken kann, in das Kapital dieser Gesellschaft zu investieren.
58 Nach dieser Regelung hängt nämlich die Genehmigung vieler wichtiger PT betreffender Entscheidungen, die in Randnr. 6 des vorliegenden Urteils aufgezählt sind und sowohl den Erwerb von Beteiligungen im Umfang von mehr als 10 % des Grundkapitals der Gesellschaft als auch deren Verwaltung betreffen, von der Zustimmung des portugiesischen Staates ab, da diese Entscheidungen, wie die Satzung von PT vorschreibt, nur mit der Mehrheit der mit den Aktien der Kategorie A verbundenen Stimmen genehmigt werden können.
59 In diesem Zusammenhang ist weiter darauf hinzuweisen, dass eine solche Mehrheit insbesondere für jede Entscheidung über Änderungen der Satzung von PT erforderlich ist, so dass der Einfluss des portugiesischen Staates auf PT nur gemindert werden kann, wenn dieser Mitgliedstaat dem selbst zustimmt.
60 So ist der Besitz dieser Sonderaktien durch den portugiesischen Staat, soweit er diesem eine Einflussnahme auf die Verwaltung von PT verleiht, die nicht durch den Umfang seiner Beteiligung an PT gerechtfertigt ist, geeignet, Wirtschaftsteilnehmer anderer Mitgliedstaaten davon abzuhalten, Direktinvestitionen in PT zu tätigen, da sie an der Verwaltung und der Kontrolle dieser Gesellschaft nicht entsprechend dem Wert ihrer Beteiligungen mitwirken könnten (vgl. u. a. Urteil vom 23. Oktober 2007, Kommission/Deutschland, C‑112/05, Slg. 2007, I‑8995, Randnrn. 50 bis 52).
61 Entsprechend kann die Bestimmung über die fraglichen Sonderaktien auch für Portfolioinvestitionen in PT eine abschreckende Wirkung haben, da eine Verweigerung der Zustimmung des portugiesischen Staates zu einer wichtigen Entscheidung, die von den Organen dieser Gesellschaft als in deren Interesse liegend vorgeschlagen wird, den Wert der Aktien von PT belasten und damit die Attraktivität einer Investition in solche Aktien mindern kann (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Niederlande, Randnr. 27).
62 Somit ist festzustellen, dass der Besitz der fraglichen Sonderaktien durch den portugiesischen Staat eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs im Sinne des Art. 56 Abs. 1 EG darstellt.
63 Diese Feststellung wird auch nicht durch das Vorbringen der portugiesischen Stellen in Frage gestellt, das diese auf die Anwendbarkeit des Art. 295 EG auf den vorliegenden Fall sowie die dem Urteil Keck und Mithouard angeblich zugrunde liegende Ratio stützen.
64 Was als Erstes Art. 295 EG betrifft, wonach „[der] Vertrag … die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt [lässt]“, genügt es, darauf hinzuweisen, dass dieser Artikel nach ständiger Rechtsprechung nicht bewirkt, dass die in den Mitgliedstaaten bestehende Eigentumsordnung den Grundprinzipien des Vertrags entzogen ist, so dass eine Berufung auf ihn nicht möglich ist, um Beeinträchtigungen der im Vertrag vorgesehenen Freiheiten zu rechtfertigen, die sich aus Vorrechten ergeben, mit denen die Aktionärsstellung des betreffenden Mitgliedstaats in einem privatisierten Unternehmen ausgestattet ist (vgl. Urteil Kommission/Spanien, Randnr. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).
65 Als Zweites ist zum Urteil Keck und Mithouard zu sagen, dass die fraglichen Maßnahmen nicht den Regelungen über Verkaufsmodalitäten entsprechen, die in diesem Urteil als dem Anwendungsbereich von Art. 28 EG entzogen angesehen worden sind.
66 Nach diesem Urteil ist nämlich die Anwendung nationaler Bestimmungen, die im Gebiet des Einfuhrmitgliedstaats bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu behindern, sofern diese Bestimmungen erstens für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und zweitens den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren. Der Grund hierfür liegt darin, dass die Anwendung derartiger Regelungen nicht geeignet ist, den Marktzugang für diese Erzeugnisse im Einfuhrmitgliedstaat zu versperren oder stärker zu behindern, als sie dies für inländische Erzeugnisse tut (Urteil vom 10. Mai 1995, Alpine Investments, C‑384/93, Slg. 1995, I‑1141, Randnr. 37).
67 Im vorliegenden Fall sind die fraglichen Beschränkungen zwar unterschiedslos sowohl auf Gebietsansässige als auch auf Gebietsfremde anwendbar, doch berühren sie die Situation des Erwerbers einer Beteiligung als solche und sind daher geeignet, Anleger aus anderen Mitgliedstaaten von solchen Investitionen abzuhalten und damit den Marktzugang zu beeinflussen (vgl. Urteil Kommission/Spanien, Randnr. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).
68 Somit ist zu prüfen, ob und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen die streitige Beschränkung auf der Grundlage der von der Portugiesischen Republik angeführten Rechtfertigungsgründe zulässig ist.
69 Nach gefestigter Rechtsprechung können nationale Regelungen, die den freien Kapitalverkehr beschränken, aus den in Art. 58 EG genannten Gründen oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sofern sie geeignet sind, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. Urteil vom 23. Oktober 2007, Kommission/Deutschland, Randnrn. 72 und 73 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
70 Was zunächst die von den portugiesischen Stellen angeführten, auf zwingende Gründe des Allgemeininteresses abstellenden Rechtfertigungsgründe angeht, hat der Gerichtshof bereits befunden, dass das Interesse an einem Schutz der Wettbewerbsbedingungen auf einem bestimmten Markt keine überzeugende Rechtfertigung für Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs darstellen kann (Urteile Kommission/Italien, Randnrn. 36 und 37, sowie vom 14. Februar 2008, Kommission/Spanien, C‑274/06, Randnr. 44).
71 Entsprechend genügt es, hinsichtlich der Notwendigkeit, eine etwaige Störung des Kapitalmarkts zu verhindern, mit der Kommission festzustellen, dass dieses Ziel zu einem der wirtschaftlichen Gründe gehört, die nach ständiger Rechtsprechung keine Beeinträchtigung des freien Kapitalverkehrs rechtfertigen können (vgl. u. a. Urteil Kommission/Portugal, Randnr. 52).
72 Was sodann die in Art. 58 EG zugelassenen Ausnahmen betrifft, lässt sich nicht leugnen, dass das von den portugiesischen Stellen angeführte Ziel, die Sicherheit der Verfügbarkeit des Telekommunikationsnetzes im Krisen-, Kriegs- oder Terrorfall sicherzustellen, einen Grund der öffentlichen Sicherheit darstellen (vgl. entsprechend zur Energieversorgung Urteil vom 14. Februar 2008, Kommission/Spanien, Randnr. 38) und gegebenenfalls eine Beeinträchtigung des freien Kapitalverkehrs rechtfertigen kann.
73 Unstreitig sind jedoch die Erfordernisse der öffentlichen Sicherheit, insbesondere als Ausnahme vom Grundprinzip des freien Kapitalverkehrs, eng auszulegen, so dass ihre Tragweite nicht von jedem Mitgliedstaat einseitig ohne Nachprüfung durch die Organe der Europäischen Union bestimmt werden kann. So ist eine Berufung auf die öffentliche Sicherheit nur möglich, wenn eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. u. a. Urteil vom 14. März 2000, Église de scientologie, C‑54/99, Slg. 2000, I‑1335, Randnr. 17).
74 Da jedoch die Portugiesische Republik diesen Rechtfertigungsgrund nur angeführt hat, ohne näher die Gründe darzulegen, aus denen sie die Ansicht vertritt, dass eine solche Beeinträchtigung eines Grundinteresses der Gesellschaft durch den staatlichen Besitz von Sonderaktien verhindert werden könnte, kann im vorliegenden Fall das Vorliegen eines auf die öffentliche Sicherheit gestützten Rechtfertigungsgrundes nicht angenommen werden.
75 Der Vollständigkeit halber ist zur Verhältnismäßigkeit der fraglichen Beschränkung zu sagen, dass die Ausübung der Sonderrechte, die dem portugiesischen Staat durch den Besitz von Sonderaktien von PT verliehen worden sind, entgegen der Auffassung der nationalen Stellen keiner Bedingung und nicht dem Vorliegen eines konkreten objektiven Umstands unterworfen ist.
76 Auch wenn nämlich Art. 15 Abs. 3 der LQP bestimmt, dass die Ausgabe von Sonderaktien von PT, die dem Staat besondere Befugnisse verleihen, der – im Übrigen ziemlich allgemein und ungenau formulierten – Bedingung unterliegt, dass Gründe des nationalen Interesses dies erfordern, legt doch weder dieses Gesetz noch die Satzung von PT die Kriterien hinsichtlich der Umstände fest, unter denen diese besonderen Befugnisse ausgeübt werden können.
77 Eine solche Unsicherheit stellt daher eine schwerwiegende Beeinträchtigung des freien Kapitalverkehrs dar, da hierdurch den nationalen Behörden bei der Ausübung dieser Befugnisse ein so weiter Ermessensspielraum eingeräumt wird, dass dieser nicht als den verfolgten Zielen angemessen angesehen werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. März 2009, Kommission/Italien, C‑326/07, Slg. 2009, I‑2291, Randnrn. 51 und 52).
78 Demgemäß ist festzustellen, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 56 EG verstoßen hat, dass sie Sonderrechte an PT wie die in deren Satzung zugunsten des Staates und anderer öffentlicher Einrichtungen vorgesehenen, die in Verbindung mit vom Staat gehaltenen Sonderaktien („golden shares“) von PT gewährt wurden, aufrechterhält.
– Zum Verstoß gegen die Verpflichtungen aus Art. 43 EG
79 Die Kommission beantragt weiter, festzustellen, dass die Portugiesische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 43 EG verstoßen hat, da der Besitz von Sonderaktien von PT durch den Staat geeignet sei, den Erwerb von Kontrollbeteiligungen an dieser Gesellschaft zu behindern.
80 Insoweit genügt die Feststellung, dass nach ständiger Rechtsprechung, soweit die fraglichen nationalen Maßnahmen zu Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit führen, solche Beschränkungen die unmittelbare Folge der vorstehend geprüften Hindernisse für den freien Kapitalverkehr sind, mit denen sie untrennbar verbunden sind. Da ein Verstoß gegen Art. 56 Abs. 1 EG festgestellt worden ist, brauchen die fraglichen Maßnahmen somit nicht gesondert im Licht der Bestimmungen des Vertrags über die Niederlassungsfreiheit geprüft zu werden (vgl. u. a. Urteil Kommission/Niederlande, Randnr. 43).
Kosten
81 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Portugiesischen Republik beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Portugiesische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 56 EG verstoßen, dass sie Sonderrechte an der Portugal Telecom SGPS SA wie die in deren Satzung zugunsten des Staates und anderer öffentlicher Einrichtungen vorgesehenen, die in Verbindung mit vom Staat gehaltenen Sonderaktien („golden shares“) dieser Gesellschaft gewährt wurden, aufrechterhält.
2. Die Portugiesische Republik trägt die Kosten.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Portugiesisch.