Parteien
Entscheidungsgründe
Tenor

Parteien

In der Rechtssache C‑345/08

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Verwaltungsgericht Schwerin (Deutschland) mit Entscheidung vom 8. Juli 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Juli 2008, in dem Verfahren

Krzysztof Peśla

gegen

Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer J. N. Cunha Rodrigues in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer, der Richterin P. Lindh sowie der Richter A. Rosas, U. Lõhmus und A. Ó Caoimh (Berichterstatter),

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juli 2009,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– von Herrn Peśla, vertreten durch Rechtsanwalt B. Kemper,

– der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und J. Kemper als Bevollmächtigte,

– der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,

– der griechischen Regierung, vertreten durch E. Skandalou und S. Vodina als Bevollmächtigte,

– von Irland, vertreten durch D. O’Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von M. Collins, SC, D. Dodd, BL, und K. Keane, BL,

– der ungarischen Regierung, vertreten durch J. Fazekas, K. Veres und M. Fehér als Bevollmächtigte,

– der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl als Bevollmächtigten,

– der finnischen Regierung, vertreten durch A. Guimaraes‑Purokoski als Bevollmächtigte,

– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Støvlbæk, M. Adam und M. Vollkommer als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 39 EG.

2. Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Peśla, einem polnischen Staatsangehörigen, und dem Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern wegen dessen Weigerung, Herrn Peśla ohne Eignungsprüfung in den Pflichtfächern der ersten juristischen Staatsprüfung als Rechtsreferendar zum juristischen Vorbereitungsdienst zuzulassen.

Nationaler rechtlicher Rahmen

3. Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass für die Ausübung aller reglementierten juristischen Berufe in Deutschland grundsätzlich die „Befähigung zum Richteramt“ erforderlich ist. Diese Befähigung erwirbt nach § 5 Abs. 1 des Deutschen Richtergesetzes (DRiG), wer ein rechtswissenschaftliches Studium an einer Universität mit der ersten juristischen Staatsprüfung und einen anschließenden Vorbereitungsdienst mit der zweiten juristischen Staatsprüfung abschließt.

4. Nach § 5a Abs. 2 DRiG sind Gegenstand des Universitätsstudiums – von dem mindestens zwei Jahre in Deutschland verbracht worden sein müssen – Pflichtfächer und Schwerpunktbereiche mit Wahlmöglichkeiten. Pflichtfächer sind die Kernbereiche des Bürgerlichen Rechts, des Strafrechts, des Öffentlichen Rechts und des Verfahrensrechts einschließlich der europarechtlichen Bezüge, der rechtswissenschaftlichen Methoden und der philosophischen, geschichtlichen und gesellschaftlichen Grundlagen. Die Schwerpunktbereiche dienen der Ergänzung des Studiums, der Vertiefung der mit ihnen zusammenhängenden Pflichtfächer sowie der Vermittlung interdisziplinärer und internationaler Bezüge des Rechts.

5. Nach § 5d Abs. 2 Satz 1 DRiG ist der Stoff der ersten Prüfung so zu bemessen, dass das Studium in viereinhalb Jahren abgeschlossen werden kann. Nach § 5 Abs. 1 DRiG besteht die erste Prüfung aus einer universitären Schwerpunktbereichsprüfung und einer staatlichen Pflichtfachprüfung. In der Pflichtfachprüfung sind gemäß § 5d Abs. 2 Satz 3 DRiG schriftliche und mündliche Leistungen zu erbringen.

6. Nach § 5 Abs. 2 DRiG sind Studium und Vorbereitungsdienst inhaltlich aufeinander abzustimmen. Nach § 5b DRiG dauert der Vorbereitungsdienst zwei Jahre und beinhaltet Pflichtstationen sowie eine oder mehrere Wahlstationen. Die Pflichtstationen der Ausbildung finden nach dieser Vorschrift an einem ordentlichen Gericht in Zivilsachen, bei der Staatsanwaltschaft oder an einem Gericht in Strafsachen, bei einer Verwaltungsbehörde und bei einem Rechtsanwalt statt. Nach § 5d Abs. 3 Satz 1 DRiG sind die schriftlichen Leistungen in der zweiten Staatsprüfung frühestens im 18. und spätestens im 21. Ausbildungsmonat zu erbringen.

7. § 5b Abs. 4 DRiG sieht vor, dass die Pflichtstationen jeweils drei Monate dauern, die Pflichtstation bei einem Rechtsanwalt neun Monate.

8. Im Rahmen dieser Ausbildung können die Rechtsreferendare nach § 10 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) unter der Aufsicht eines Richters Rechtshilfeersuchen erledigen und – außer in Strafsachen – Verfahrensbeteiligte anhören, Beweise erheben und die mündliche Verhandlung leiten. Nach § 142 Abs. 3 GVG kann ihnen die Wahrnehmung der Aufgaben eines Staatsanwalts unter dessen Aufsicht übertragen werden.

9. Das Nähere regeln die Länder. Nach § 21 Abs. 3 des Gesetzes über die Juristenausbildung im Land Mecklenburg-Vorpommern (im Folgenden: JAG M‑V) wird der Vorbereitungsdienst in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis abgeleistet. Die Referendare erhalten gemäß § 21a Abs. 2 JAG M-V eine monatliche Unterhaltsbeihilfe. Nach § 36 Abs. 1 und 2 der Verordnung zur Ausführung des Juristenausbildungsgesetzes (im Folgenden: JAPO M-V) unterstehen sie während des Vorbereitungsdienstes einer Dienstaufsicht und haben den Weisungen ihres Ausbilders zu folgen. Nach § 24 JAG M-V endet der Vorbereitungsdienst mit Ablauf des Tages, an dem die Prüfung für bestanden oder die erste Wiederholungsprüfung für nicht bestanden erklärt worden ist.

10. Die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst setzt nach § 6 Abs. 1 DRiG voraus, dass die erste Staatsprüfung bestanden wurde. Hat ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats der Europäischen Union sein rechtswissenschaftliches Universitätsdiplom in einem anderen Mitgliedstaat erworben und eröffnet es dort den Zugang zu einer postuniversitären Anwaltsausbildung, so kann er dieses Universitätsdiplom in Deutschland nach § 112a DRiG für mit der ersten Staatsprüfung gleichwertig erklären lassen. Im Falle der Feststellung der Gleichwertigkeit wird er zum Vorbereitungsdienst zugelassen.

11. Aus den Akten ergibt sich, dass § 112a DRiG („Gleichwertigkeitsprüfung für die Zulassung zum juristischen Vorbereitungsdienst“) auf das Urteil des Gerichtshofs vom 13. November 2003, Morgenbesser (C‑313/01, Slg. 2003, I‑13467), hin erlassen wurde. Diese Vorschrift bestimmt:

„(1) Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die ein rechtswissenschaftliches Universitätsdiplom besitzen, das in einem dieser Staaten erworben wurde und dort den Zugang zur postuniversitären Ausbildung für den Beruf des europäischen Rechtsanwalts gemäß § 1 des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland eröffnet, werden auf Antrag zum Vorbereitungsdienst zugelassen, wenn ihre Kenntnisse und Fähigkeiten den durch die bestandene staatliche Pflichtfachprüfung nach § 5 Absatz 1 bescheinigten Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen.

(2) Die Prüfung der nach Absatz 1 erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten erstreckt sich auf das Universitätsdiplom und die vorgelegten Nachweise, insbesondere Diplome, Prüfungszeugnisse, sonstige Befähigungsnachweise und Nachweise über einschlägige Berufserfahrung. Ergibt die Prüfung keine oder nur eine teilweise Gleichwertigkeit, wird auf Antrag eine Eignungsprüfung durchgeführt.

(3) Die Eignungsprüfung ist eine in deutscher Sprache abzulegende staatliche Prüfung, die die notwendigen Kenntnisse im deutschen Recht betrifft und mit der die Fähigkeit beurteilt werden soll, den juristischen Vorbereitungsdienst erfolgreich abzuschließen. Prüfungsfächer sind das Zivilrecht, das Strafrecht und das Öffentliche Recht einschließlich des jeweils dazugehörigen Verfahrensrechts. Es sind die schriftlichen Prüfungsarbeiten der staatlichen Pflichtfachprüfung in denjenigen der in Satz 2 genannten Rechtsgebieten anzufertigen, deren hinreichende Beherrschung nicht bereits im Rahmen der Prüfung nach Absatz 2 Satz 1 nachgewiesen wurde.

(4) Die Eignungsprüfung ist bestanden, wenn

1. die nach dem Recht des Landes, in dem die Prüfung abgelegt wird, für das Bestehen der staatlichen Pflichtfachprüfung erforderliche Anzahl von Prüfungsarbeiten, mindestens jedoch die Hälfte der in der staatlichen Pflichtfachprüfung vorgesehenen Prüfungsarbeiten, bestanden sind und

2. Prüfungsarbeiten in mindestens zwei der in Absatz 3 Satz 2 genannten Rechtsgebieten bestanden sind, davon mindestens eine Prüfungsarbeit auf dem Gebiet des Zivilrechts.

Sofern die hinreichende Beherrschung eines der in Absatz 3 Satz 2 genannten Rechtsgebiete bereits im Rahmen der Prüfung nach Absatz 2 Satz 1 festgestellt wurde, gelten die Prüfungsarbeiten auf diesem Gebiet als bestanden.

(5) Eine nicht bestandene Eignungsprüfung kann einmal wiederholt werden.

(6) Die Feststellung der Gleichwertigkeit nach Absatz 1 hat die Wirkung einer bestandenen ersten Prüfung im Sinne des § 5 Absatz 1.

…“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

12. Im Dezember 2003 schloss Herr Peśla sein Hochschulstudium an der Fakultät für Rechtswissenschaften der Universität Poznán (Polen) mit dem Erwerb des Magistertitels ab. Im Januar 2005 verlieh ihm die Juristische Fakultät der Universität Frankfurt/Oder (Deutschland), an der er seit 1998 neben dem Studium in Polen studiert hatte, nach Absolvierung einer deutsch-polnischen Juristenausbildung den akademischen Grad eines „Master of German and Polish Law“ und im Februar 2005 auch den akademischen Titel eines „Bachelor of German and Polish Law“.

13. Im November 2005 stellte Herr Peśla einen Antrag auf Zulassung zum juristischen Vorbereitungsdienst des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Zur Begründung verwies er unter Vorlage zusätzlicher Bescheinigungen wie Leistungsnachweisen über einzelne Studienveranstaltungen, Berufserfahrungen, Kurse und Schulungen auf das Urteil Morgenbesser.

14. Mit Bescheid vom 27. März 2007 lehnte das Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern den Antrag auf eine Gleichwertigkeitsfeststellung im Sinne von § 112a DRiG ab. Prüfungsmaßstab für die Gleichwertigkeitsprüfung sei das Vorhandensein derjenigen Kenntnisse, die durch das Bestehen der ersten staatlichen Prüfung in den Pflichtfächern gemäß § 5 Abs. 1 DRiG belegt würden. Kenntnisse in ausländischem Recht könnten wegen der bestehenden Unterschiede zum deutschen Recht nicht als gleichwertig anerkannt werden. Zudem liege das Anforderungsniveau der von Herrn Peśla im Rahmen des Studiums zum Erwerb des Master of German and Polish Law erworbenen Leistungsnachweise deutlich unter demjenigen der Aufsichtsarbeiten in der staatlichen Pflichtfachprüfung.

15. In diesem ablehnenden Bescheid hieß es jedoch, Herr Peśla könne auf Antrag an einem Eignungstest gemäß § 112a Abs. 3 DRiG teilnehmen.

16. Am 27. April 2007 erhob Herr Peśla gegen den Bescheid vom 27. März 2007 Klage vor dem vorlegenden Gericht. Zur Begründung machte er vor allem geltend, dass die vom Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern angestellte Gleichwertigkeitsprüfung den in der Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelten Maßstäben widerspreche. Stellten die Kenntnisse und Fähigkeiten im deutschen Recht in dem in der ersten juristischen Staatsprüfung geforderten Umfang den Maßstab der Prüfung dar, könne ein ausländisches Diplom diesen Maßstab nie erfüllen, da in den anderen Mitgliedstaaten üblicherweise kein deutsches Recht gelehrt werde.

17. Hilfsweise rügte Herr Peśla, dass die ablehnende Entscheidung seine in Deutschland im Rahmen des Studiums, der Praktika, der Tätigkeit an zwei Lehrstühlen sowie eines Repetitoriums erworbenen Kenntnisse unzureichend berücksichtige.

18. Das Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern macht geltend, die angefochtene ablehnende Entscheidung sei gerechtfertigt. Die Gleichwertigkeit der erworbenen Kenntnisse lasse sich nicht feststellen.

19. Da das Verwaltungsgericht Schwerin der Auffassung ist, dass die Entscheidung über den bei ihm anhängigen Rechtsstreit davon abhängt, welche Anforderungen Art. 39 EG an eine Gleichwertigkeitsfeststellung im Sinne des § 112a Abs. 1, 2 und 6 DRiG stellt, hat es beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist es mit Art. 39 EG vereinbar, dass eine Gleichwertigkeitsfeststellung im Sinne von § 112a Abs. 1 und 2 DRiG nur erfolgt, wenn aus den vorgelegten Unterlagen abzugreifen ist, dass der EU-Bürger über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, wie sie in der (deutschen juristischen) Pflichtfachprüfung nach § 5 Abs. 1 DRiG abgeprüft werden?

2. Wenn die Frage 1 zu verneinen ist:

Gibt Art. 39 EG vor, dass Maßstab für eine europarechtskonforme Gleichwertigkeitsprüfung allein ist, ob das in der EU erworbene Universitätsdiplom des EU-Bürgers samt der weiteren von ihm vorgelegten Ausbildungs‑ und Erfahrungsnachweise vom (intellektuellen) Ausbildungsniveau und Ausbildungsaufwand her vergleichbar ist der deutschen ersten juristischen Staatsprüfung?

3. Wenn auch die Frage 2 zu verneinen ist:

Ist es mit Art. 39 EG vereinbar, wenn die Gleichwertigkeitsfeststellung im Sinne des § 112a Abs. 1 und 2 DRiG zwar immerhin inhaltlich an den Pflichtfachprüfstoff der (deutschen juristischen) ersten Staatsprüfung anknüpft, aber vor dem Hintergrund der bereits anderweitig erfolgreich durchlaufenen juristischen Ausbildung im Gemeinschaftsgebiet nur etwas „abgesenkte“ Anforderungen gestellt werden?

Zu den Vorlagefragen

20. Die ersten beiden Vorlagefragen, die gemeinsam zu untersuchen sind, betreffen die Frage, welche Kenntnisse als Maßstab heranzuziehen sind, um zu beurteilen, ob derjenige, der beantragt, unmittelbar zum juristischen Vorbereitungsdienst zugelassen zu werden, ohne die hierfür vorgesehenen Prüfungen abzulegen, über einen Kenntnisstand verfügt, der demjenigen entspricht, der in dem betreffenden Mitgliedstaat normalerweise für die Zulassung zu diesem Vorbereitungsdienst verlangt wird. Dabei geht es in der ersten Frage darum, ob sich diese Kenntnisse auf das Recht des Aufnahmemitgliedstaats beziehen müssen, während mit der zweiten Frage geklärt werden soll, ob Kenntnisse im Recht eines anderen Mitgliedstaats vom Niveau und dem (zeitlichen) Aufwand der Ausbildung her mit den Kenntnissen als gleichwertig angesehen werden können, die im Aufnahmemitgliedstaat für die Zulassung zum juristischen Vorbereitungsdienst verlangt werden.

21. Mit der dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Gemeinschaftsrecht möglicherweise verlangt, dass die Anforderungen an die Kenntnisse im Recht des Aufnahmemitgliedstaats, die für die Zulassung zum juristischen Vorbereitungsdienst, der der zweiten juristischen Staatsprüfung und der Zulassung zu den juristischen Berufen zwingend vorausgeht, verlangt werden, in einem gewissen Maß abgesenkt werden, um die Freizügigkeit zu fördern.

Zu den ersten beiden Fragen

22. Zur Beantwortung der ersten beiden Fragen ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich eine Person in der Situation von Herrn Peśla bezüglich der Anerkennung ihrer akademischen Qualifikationen und ihrer Berufserfahrung im Ausgangsrechtsstreit nicht auf das sekundäre Gemeinschaftsrecht berufen kann, um zu dem praktischen Teil der Ausbildung zugelassen zu werden, die für den Zugang zu den juristischen Berufen in Deutschland erforderlich ist.

23. Die Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde (ABl. L 77, S. 36), betrifft nämlich nur den als solchen in seinem Herkunftsmitgliedstaat voll qualifizierten Rechtsanwalt (vgl. Urteil Morgenbesser, Randnr. 45). Zudem geht aus den Akten hervor, dass die Tätigkeit des Rechtsreferendars als praktischer Teil der für den Zugang zu den juristischen Berufen in Deutschland erforderlichen Ausbildung vorgesehen ist. Daraus folgt, dass diese Tätigkeit nicht als „reglementierter Beruf“ im Sinne der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen (ABl. 1989, L 19, S. 16), in der durch die Richtlinie 2001/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Mai 2001 (ABl. L 206, S. 1) geänderten Fassung eingestuft werden kann, der sich von den eigentlichen deutschen juristischen Berufen wie etwa dem Beruf des Rechtsanwalts trennen ließe (vgl. entsprechend Urteil Morgenbesser, Randnrn. 46 bis 55).

24. Wie in der Sitzung bestätigt worden ist, hatte Herr Peśla jedoch zu dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt die für den Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts in Polen erforderliche berufliche Qualifikation nicht erworben.

25. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann sowohl Art. 39 EG, der in den Vorlagefragen ausdrücklich genannt ist, als auch Art. 43 EG auf eine Situation wie die des Ausgangsverfahrens Anwendung finden.

26. Erstens ergibt sich aus den Akten, insbesondere aus den Erklärungen der deutschen Regierung, dass die Rechtsreferendare dazu angehalten werden, im Rahmen ihres Vorbereitungsdienstes die während des Studiums erworbenen Rechtskenntnisse praktisch anzuwenden und somit nach Weisung ihrer Ausbilder einen Beitrag zu deren Tätigkeit zu leisten, und dass die Rechtsreferendare während ihrer Ausbildung eine Vergütung in Form eines monatlichen Unterhaltsbeitrags erhalten. Hierzu hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass Rechtsreferendare, da sie eine tatsächliche und echte Tätigkeit im Lohn- und Gehaltsverhältnis ausüben, als Arbeitnehmer im Sinne von Art. 39 EG anzusehen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. März 2005, Kranemann, C‑109/04, Slg. 2005, I‑2421, Randnrn. 12 bis 18).

27. Zweitens ist der in der deutschen Regelung vorgesehene juristische Vorbereitungsdienst ein notwendiger Ausbildungsabschnitt und eine notwendige Voraussetzung für den Zugang u. a. zum Beruf des Rechtsanwalts in Deutschland, einem reglementierten Beruf, für den Art. 43 EG gilt (vgl. entsprechend Urteil Morgenbesser, Randnr. 60).

28. Darüber hinaus kann die Anwendung dieser beiden Vorschriften im Ausgangsverfahren nicht auf der Grundlage der Ausnahmen ausgeschlossen werden, die in Art. 39 Abs. 4 EG für die „Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung“ und in Art. 45 Abs. 1 EG für „Tätigkeiten, die in einem Mitgliedstaat dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind“, vorgesehen sind.

29. Zum einen genügt nämlich, soweit der Referendar einen Teil seines Vorbereitungsdienstes außerhalb des staatlichen Bereichs absolviert, die Feststellung, dass der Begriff „Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung“ nicht die Beschäftigung im Dienst einer natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts umfasst, unabhängig von den Aufgaben, die der Beschäftigte zu erfüllen hat (vgl. Urteile vom 29. Oktober 1998, Kommission/Spanien, C‑114/97, Slg. 1998, I‑6717, Randnr. 33, und Kranemann, Randnr. 19).

30. Wenn es auch in dem Rechtsstreit, in dem das Urteil Kranemann ergangen ist, um einen Teil des Vorbereitungsdienstes ging, der außerhalb des staatlichen Bereichs zu absolvieren war, ist doch festzuhalten, dass, wie die deutsche Regierung in der Sitzung hervorgehoben hat, Referendare, soweit sie einen Teil ihrer Ausbildung bei einem ordentlichen Zivilgericht, bei einer Verwaltungsbehörde und bei der Staatsanwaltschaft oder einem Strafgericht ableisten, nach den Weisungen und unter der Aufsicht eines Ausbilders tätig sind, wie sich im Übrigen aus den in den Randnrn. 8 und 9 des vorliegenden Urteils angeführten Bestimmungen des GVG und der JAPO M-V ergibt.

31. Daher fällt die Tätigkeit eines Rechtsreferendars nicht unter die Ausnahme des Art. 39 Abs. 4 EG, da diese nicht für Stellen gilt, die zwar dem Staat oder anderen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen zuzuordnen sind, jedoch keine Mitwirkung bei der Erfüllung von Aufgaben mit sich bringen, die zur öffentlichen Verwaltung im eigentlichen Sinne gehören (vgl. u. a. Urteile vom 17. Dezember 1980, Kommission/Belgien, 149/79, Slg. 1980, 3881, Randnr. 11, und vom 30. September 2003, Anker u. a., C‑47/02, Slg. 2003, I‑10447, Randnr. 59).

32. Zum anderen muss sich die in Art. 45 Abs. 1 EG vorgesehene Ausnahmeregelung auf Tätigkeiten beschränken, die als solche eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt darstellen (vgl. u. a. Urteile vom 21. Juni 1974, Reyners, 2/74, Slg. 1974, 631, Randnr. 45, vom 13. Juli 1993, Thijssen, C‑42/92, Slg. 1974, I‑4047, Randnr. 8, und vom 31. Mai 2001, Kommission/Italien, C‑283/99, Slg. 2001, I‑4363, Randnr. 20).

33. Daher fällt die Tätigkeit eines Rechtsreferendars, selbst wenn sie im staatlichen Bereich ausgeübt wird, entsprechend den in Randnr. 30 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen nicht unter die in Art. 45 Abs. 1 EG vorgesehene Ausnahme (vgl. auch entsprechend Urteil Thijssen, Randnrn. 22 und 23).

34. Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten, solange es an einer Harmonisierung der Bedingungen für den Zugang zu einem Beruf fehlt, festlegen können, welche Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung dieses Berufs notwendig sind, und dass sie die Vorlage eines Diploms verlangen können, in dem diese Kenntnisse und Fähigkeiten bescheinigt werden (vgl. Urteile vom 15. Oktober 1987, Heylens u. a., 222/86, Slg. 1987, 4097, Randnr. 10, vom 7. Mai 1991, Vlassopoulou, C‑340/89, Slg. 1991, I‑2357, Randnr. 9, und vom 7. Mai 1992, Aguirre Borrell u. a., C‑104/91, Slg. 1992, I‑3003, Randnr. 7).

35. Jedoch setzt das Gemeinschaftsrecht der Ausübung dieser Befugnis durch die Mitgliedstaaten insoweit Grenzen, als die hierzu ergangenen nationalen Rechtsvorschriften keine ungerechtfertigte Behinderung der tatsächlichen Ausübung der durch die Art. 39 EG und 43 EG garantierten Grundfreiheiten darstellen dürfen (vgl. Urteile Heylens u. a., Randnr. 11, und vom 31. März 1993, Kraus, C‑19/92, Slg. 1993, I‑1663, Randnrn. 28 und 32).

36. Hierzu ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass nationale Qualifikationsvoraussetzungen, selbst wenn sie ohne Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit angewandt werden, sich dahin auswirken können, dass sie die Ausübung dieser Grundfreiheiten beeinträchtigen, wenn die fraglichen nationalen Vorschriften die von dem Betroffenen in einem anderen Mitgliedstaat bereits erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten unberücksichtigt lassen (vgl. in diesem Sinne Urteile Vlassopoulou, Randnr. 15, Kraus, Randnr. 32, vom 22. März 1994, Kommission/Spanien, C‑375/92, Slg. 1994, I‑923, Randnr. 18, und Morgenbesser, Randnrn. 61 und 62).

37. Daher müssen die Behörden eines Mitgliedstaats, wenn sie den Antrag eines Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats auf Zulassung zu einem auf die spätere Ausübung eines reglementierten Berufs gerichteten praktischen Ausbildungsabschnitt prüfen, die berufliche Qualifikation des Betroffenen in der Weise berücksichtigen, dass sie die in seinen Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen bescheinigte Qualifikation und seine einschlägige Berufserfahrung mit der nach nationalem Recht verlangten beruflichen Qualifikation vergleichen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile Vlassopoulou, Randnr. 16, und Morgenbesser, Randnrn. 57 und 58).

38. Diese Rechtsprechung bringt einen den Grundfreiheiten des EG-Vertrags innewohnenden Grundsatz zum Ausdruck (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. September 2000, Hocsman, C‑238/98, Slg. 2000, I‑6623, Randnr. 24, und vom 22. Januar 2002, Dreessen, C‑31/00, Slg. 2002, I‑663, Randnr. 25). Wie sich u. a. aus Randnr. 61 des Urteils Morgenbesser ergibt, ist es für die Prüfung daher unerheblich, ob gegenüber einer Weigerung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, einen Bewerber aus einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland zum Vorbereitungsdienst zuzulassen, ohne dass dieser die Eignungsprüfung in den Pflichtfächern der ersten juristischen Staatsprüfung ablegt, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer oder die Niederlassungsfreiheit geltend gemacht wird.

39. Wie der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, muss das in Randnr. 37 des vorliegenden Urteils genannte Verfahren der vergleichenden Prüfung es den Behörden des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen, objektiv festzustellen, ob ein ausländisches Diplom seinem Inhaber die gleichen oder zumindest gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie das innerstaatliche Diplom bescheinigt. Diese Beurteilung der Gleichwertigkeit eines ausländischen Diploms muss ausschließlich danach erfolgen, welches Maß an Kenntnissen und Fähigkeiten dieses Diplom unter Berücksichtigung von Art und Dauer des Studiums und der praktischen Ausbildung, auf die es sich bezieht, bei seinem Besitzer vermuten lässt (vgl. Urteile Heylens u. a., Randnr. 13, Vlassopoulou, Randnr. 17, Aguirre Borrell u. a., Randnr. 12, vom 22. März 1994, Kommission/Spanien, Randnr. 13, und Morgenbesser, Randnr. 68).

40. Führt diese vergleichende Prüfung zu der Feststellung, dass die durch das ausländische Diplom bescheinigten Kenntnisse und Fähigkeiten den nach den nationalen Rechtsvorschriften verlangten entsprechen, so hat der Mitgliedstaat anzuerkennen, dass dieses Diplom die in diesen Vorschriften aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Ergibt der Vergleich hingegen, dass diese Kenntnisse und Fähigkeiten einander nur teilweise entsprechen, so kann der Aufnahmemitgliedstaat von dem Betroffenen den Nachweis verlangen, dass er die fehlenden Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat (vgl. Urteile Vlassopoulou, Randnr. 19, Aguirre Borrell u. a., Randnr. 14, vom 8. Juli 1999, Fernández de Bobadilla, C‑234/97, Slg. 1999, I‑4773, Randnr. 32, Morgenbesser, Randnr. 70, und vom 7. Oktober 2004, Markopoulos u. a., C‑255/01, Slg. 2004, I‑9077, Randnrn. 64 und 65).

41. Insoweit müssen die zuständigen nationalen Behörden beurteilen, ob die im Aufnahmemitgliedstaat im Rahmen eines Studiengangs oder praktischer Erfahrung erworbenen Kenntnisse für den Nachweis des Erwerbs der fehlenden Kenntnisse ausreichen (Urteile Vlassopoulou, Randnr. 20, Fernández de Bobadilla, Randnr. 33, und Morgenbesser, Randnr. 71).

42. Herr Peśla stützt sich auf die in den drei vorstehenden Randnummern des vorliegenden Urteils dargestellte Rechtsprechung, insbesondere auf Randnr. 68 und den ersten Satz der Randnr. 70 des Urteils Morgenbesser, und macht geltend, dass, wenn man eine nationale Bestimmung wie § 112a Abs. 1 und 2 DRiG in Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht anwenden wolle, hauptsächlich die im Herkunftsmitgliedstaat – hier in der Republik Polen – erworbenen Kenntnisse und Qualifikationen berücksichtigt werden müssten und gegebenenfalls erst subsidiär diejenigen, die im Recht des Aufnahmemitgliedstaats – hier der Bundesrepublik Deutschland – erworben worden seien. Wären die Kenntnisse und Fähigkeiten im deutschen Recht der Maßstab für den vorzunehmenden Vergleich, könnte ein ausländisches Diplom die Anforderungen nie erfüllen, da in den anderen Mitgliedstaaten im Allgemeinen kein deutsches Recht unterrichtet werde. Daher würden junge Juristen, die in einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland Qualifikationen erworben hätten, in der Praxis von der Freizügigkeit ausgeschlossen.

43. Diese Argumentation beruht auf einem falschen Verständnis der Rechtsprechung, auf die sie sich stützt.

44. Denn nach dieser Rechtsprechung kann ein Mitgliedstaat im Rahmen der in den Randnrn. 37 und 39 bis 41 des vorliegenden Urteils dargestellten vergleichenden Prüfung objektiven Unterschieden Rechnung tragen, die sowohl hinsichtlich des im Herkunftsmitgliedstaat für den fraglichen Beruf bestehenden rechtlichen Rahmens als auch hinsichtlich des Tätigkeitsbereichs dieses Berufs vorhanden sind. Im Falle des Anwaltsberufs darf ein Mitgliedstaat somit eine vergleichende Prüfung der Diplome unter Berücksichtigung der festgestellten Unterschiede zwischen den betroffenen nationalen Rechtsordnungen vornehmen (vgl. Urteile Vlassopoulou, Randnr. 18, und Morgenbesser, Randnr. 69).

45. Wie sich aus der in Randnr. 37 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt und anders als Herr Peśla geltend macht, sind die Kenntnisse, die durch das in einem anderen Mitgliedstaat verliehene Diplom bescheinigt werden, und die in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Fähigkeiten oder die dort gewonnene Berufserfahrung sowie die Erfahrung, die in dem Mitgliedstaat gewonnen wurde, in dem der Bewerber seine Eintragung beantragt, am Maßstab der beruflichen Qualifikation zu prüfen, die in den Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats verlangt wird (vgl. in diesem Sinne auch Urteile Aguirre Borrell u. a., Randnr. 11, vom 1. Februar 1996, Aranitis, C‑164/94, Slg. 1996, I‑135, Randnr. 31, Dreessen, Randnr. 24, und Morgenbesser, Randnr. 67).

46. Daher kann die Tatsache, dass das Studium des Rechts eines Mitgliedstaats nach dem Ausbildungsniveau und dem (zeitlichen) Ausbildungsaufwand als mit dem Studium vergleichbar angesehen werden kann, das die Kenntnisse zu vermitteln vermag, die mit der in einem anderen Mitgliedstaat verlangten Qualifikation bescheinigt werden, für sich genommen nicht zu einer Verpflichtung führen, im Rahmen der in den Randnrn. 37 und 39 bis 41 des vorliegenden Urteils dargestellten vergleichenden Prüfung den Kenntnissen, die durch in dem erstgenannten Mitgliedstaat erworbene Qualifikationen bescheinigt werden, die sich im Wesentlichen auf das Recht dieses Mitgliedstaats beziehen, Vorrang gegenüber den Kenntnissen einzuräumen, die in den nationalen Bestimmungen des Mitgliedstaats verlangt werden, in dem der Bewerber die Zulassung zu der beruflichen Ausbildung beantragt, die Voraussetzung für den Zugang zu den juristischen Berufen ist. Wie das vorlegende Gericht festgestellt hat, würde nämlich eine Argumentation, wie sie Herr Peśla in erster Linie vertritt, in ihrer äußersten Konsequenz bedeuten, dass ein Bewerber ohne jede Kenntnis des deutschen Rechts und der deutschen Sprache in den Vorbereitungsdienst eintreten könnte.

47. Soweit Herr Peśla hilfsweise geltend macht, die von ihm während seines Studiengangs in Deutschland erworbenen Kenntnisse im deutschen Recht seien vom Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern unzureichend berücksichtigt worden, genügt der Hinweis, dass der Gerichtshof im vorliegenden Fall nicht darüber zu entscheiden hat, ob die deutschen Behörden Nachweise wie diejenigen, die Herr Peśla ihnen vorgelegt hat, zu Recht als unzureichend ansehen dürfen.

48. Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist auf die ersten beiden Fragen zu antworten, dass Art. 39 EG dahin auszulegen ist, dass bei der Bewertung der Gleichwertigkeit von Ausbildungen, die auf einen Antrag hin erfolgt, unmittelbar in den Vorbereitungsdienst für die juristischen Berufe aufgenommen zu werden, ohne die hierfür vorgesehenen Prüfungen abzulegen, die Kenntnisse als Maßstab heranzuziehen sind, die durch die Qualifikation bescheinigt werden, die in dem Mitgliedstaat verlangt wird, in dem der Bewerber die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst beantragt.

Zur dritten Frage

49. Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Anforderungen an die Kenntnisse, die hinsichtlich des Rechts des Aufnahmemitgliedstaats verlangt werden, im Rahmen der nach den Randnrn. 37 und 39 bis 41 des vorliegenden Urteils vorzunehmenden Gleichwertigkeitsprüfung zumindest leicht zu senken sind, um Art. 39 EG praktische Wirksamkeit zu verleihen.

50. Die praktische Wirksamkeit des Art. 39 EG verlangt nicht, dass für den Zugang zu einer beruflichen Tätigkeit in einem Mitgliedstaat niedrigere Anforderungen gestellt werden, als sie normalerweise für Staatsangehörige dieses Mitgliedstaats gelten.

51. Mit der in den Randnrn. 34 bis 41, 44 und 45 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung hat der Gerichtshof anerkannt, dass das Erfordernis der für die Ausübung eines bestimmten Berufs verlangten Befähigung mit den Geboten der wirksamen Ausübung der in den Art. 39 EG und 43 EG garantierten Grundfreiheiten in Einklang gebracht werden muss (vgl. hierzu insbesondere Urteil Heylens u. a., Randnr. 13).

52. Aus dieser Rechtsprechung geht hervor, dass die in Randnr. 39 des vorliegenden Urteils genannte Gleichwertigkeitsprüfung anhand der gesamten akademischen und beruflichen Ausbildung, die der Betroffene geltend machen kann, erfolgen muss, damit beurteilt werden kann, ob diese als – und sei es auch teilweise – Erfüllung der für die Aufnahme der betreffenden Tätigkeit verlangten Voraussetzungen anzusehen ist (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Morgenbesser, Randnrn. 66 und 67). Ergibt diese vergleichende Prüfung, dass diese gesamte Ausbildung die Voraussetzungen nur teilweise erfüllt, ist der Aufnahmemitgliedstaat, wie sich aus Randnr. 40 des vorliegenden Urteils ergibt, berechtigt, vom Betroffenen den Nachweis zu verlangen, dass er die fehlenden Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat.

53. Die Tatsache, dass ein Aufnahmemitgliedstaat damit Kenntnisse berücksichtigen muss, die nur teilweise denjenigen entsprechen, die durch die fachliche Qualifikation bescheinigt werden, die nach seinen nationalen Rechtsvorschriften vorausgesetzt wird, und zwar auf andere Weise als durch Prüfungen, die der Verleihung dieser Qualifikation vorausgehen, trägt bereits zur Erleichterung der insbesondere in Art. 39 EG vorgesehenen Freizügigkeit bei. Ohne eine solche Verpflichtung könnte das Fehlen des normalerweise von Angehörigen des Aufnahmemitgliedstaats verlangten Diploms als solches nämlich ein entscheidendes Hindernis für den Zugang zu den juristischen Berufen dieses Mitgliedstaats bilden (vgl. hierzu Urteil Morgenbesser, Randnrn. 64 bis 67).

54. Daher überzeugt die Argumentation von Herrn Peśla nicht, wonach Art. 39 EG seines Sinns entleert würde, wenn der Aufnahmemitgliedstaat von dem Bewerber den gleichen Stand an Kenntnissen seines nationalen Rechts verlangen könnte, der durch die berufliche Qualifikation bescheinigt werde, die in diesem Staat für den Zugang zu den betreffenden Berufen vorausgesetzt werde.

55. Im Übrigen ergibt sich aus den Akten, dass von einem Rechtsreferendar von Beginn des Vorbereitungsdienstes an erwartet wird, dass er seinen Ausbilder unterstützt und unter dessen Anleitung praktische Tätigkeiten ausübt. Hierfür könnte es als unerlässlich angesehen werden, dass der Referendar, bevor er seine juristischen Fähigkeiten im Rahmen solcher Tätigkeiten in die Praxis umsetzt, über den gleichen Stand an Kenntnissen des deutschen Rechts verfügt, der durch die Pflichtfachprüfung des ersten juristischen Staatsexamens bescheinigt wird. Jedenfalls erscheint es insbesondere angesichts des fortschreitenden Charakters des Ausbildungsprozesses sehr schwierig, sich in der vorgesehenen Zeit die Kenntnisse anzueignen, die notwendig sind, um mit einer begründeten Aussicht auf Erfolg die zweite juristische Staatsprüfung ablegen zu können.

56. Es ist jedoch daran zu erinnern, dass Art. 39 EG, auch wenn er als solcher keine Senkung des Niveaus gebietet, das in Situationen wie derjenigen des Ausgangsverfahrens hinsichtlich der Kenntnisse des Rechts des Aufnahmemitgliedstaats verlangt wird, nicht dahin ausgelegt werden kann, dass den Mitgliedstaaten die Möglichkeit genommen wird, die Anforderungen an die verlangte Qualifikation zu lockern.

57. Daraus folgt, dass Art. 39 EG als solcher nicht gebietet, dass die Behörden eines Mitgliedstaats bei der Prüfung des Antrags eines Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats auf Zulassung zu einem praktischen Ausbildungsabschnitt, der – wie der Vorbereitungsdienst – Voraussetzung für die spätere Ausübung eines reglementierten juristischen Berufs ist, im Rahmen der nach dem Gemeinschaftsrecht verlangten Gleichwertigkeitsprüfung niedrigere Anforderungen an die juristischen Kenntnisse des Bewerbers stellen als diejenigen, die mit der Qualifikation bescheinigt werden, die in diesem Mitgliedstaat für den Zugang zu diesem praktischen Ausbildungsabschnitt verlangt wird. Art. 39 EG steht einer Lockerung der Anforderungen jedoch auch nicht entgegen.

58. Allerdings darf die Möglichkeit einer teilweisen Anerkennung, auf die u. a. in Randnr. 52 des vorliegenden Urteils hingewiesen worden ist, in der Praxis nicht lediglich fiktiv bleiben.

59. Ergibt der Vergleich zwischen den Qualifikationen der betroffenen Bewerber und den verlangten Kenntnissen nur eine teilweise Entsprechung, ist der Aufnahmemitgliedstaat nicht unbedingt berechtigt, in allen diesen Fällen unabhängig vom mehr oder weniger weiten Umfang der festgestellten Teilkenntnisse zu verlangen, dass Eignungsprüfungen gleichen Umfangs abgelegt werden. Das Fehlen einer angemessenen Aufschlüsselung der Fächer, die Gegenstand der in Randnr. 37 des vorliegenden Urteils genannten vergleichenden Prüfung sind, könnte nämlich dazu führen, dass eine teilweise Anerkennung der erworbenen Qualifikationen in Wirklichkeit praktisch ausgeschlossen ist, so dass die Betroffenen nachweisen müssten, dass sie nicht nur die fehlenden Kenntnisse erworben haben, sondern auch diejenigen, die im Rahmen der genannten vergleichenden Prüfung als den verlangten Anforderungen entsprechend anerkannt werden könnten.

60. Da das Bestehen nationaler juristischer Prüfungen wie des ersten Staatsexamens ein Nachweis für den Erwerb umfangreicher und zugleich vertiefter Kenntnisse in den jeweiligen Rechtsgebieten ist, kann das Erfordernis der Aufschlüsselung, das sich aus der vorstehenden Randnummer ergibt, nicht dazu führen, dass einfache punktuelle Kenntnisse einiger Aspekte dieser Rechtsgebiete für die teilweise Anerkennung der Qualifikationen des Betroffenen ausreichen.

61. Im Ausgangsverfahren muss das vorlegende Gericht überprüfen, ob die durch § 112a DRiG eingeführte Regelung, wie sie von den zuständigen nationalen Behörden angewandt wird, Personen, die über ausreichend umfangreiche und vertiefte Kenntnisse in einer bedeutenden Untergruppe von Fächern verfügen, die insgesamt Gegenstand der vergleichenden Prüfung nach § 112a Abs. 1 und 2 DRiG sind, die Möglichkeit einräumt, von der Verpflichtung befreit zu werden, sämtliche in § 112a Abs. 3 DRiG genannten Prüfungen abzulegen.

62. Hierzu vom Gerichtshof in der Sitzung befragt, hat die deutsche Regierung ausgeführt, dass es in dem Fall, dass ein Bewerber etwa über Kenntnisse des deutschen Zivilrechts verfüge, die den in der vergleichenden Prüfung nach § 112a Abs. 1 und 2 DRiG gestellten Anforderungen entsprächen, jedoch keine diesen Anforderungen entsprechenden Kenntnisse der deutschen Zivilprozessordnung nachweisen könne, möglich sei, in der nach § 112a Abs. 3 DRiG vorgesehenen Eignungsprüfung nur das deutsche Zivilprozessrecht zu prüfen.

63. Im Übrigen werden im Rahmen der Prüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten nach § 112a Abs. 1 DRiG in der Praxis offenbar tatsächlich geringere Anforderungen gestellt als im ersten Staatsexamen. Aus den Akten ergibt sich nämlich, dass ein Bewerber aus einem anderen Mitgliedstaat im Gegensatz zu dem Inhaber eines rechtswissenschaftlichen Diploms, der sein Studium in Deutschland absolviert hat, weder die Prüfungen in den Schwerpunktbereichen noch die mündlichen Prüfungen abzulegen braucht.

64. Unter diesen Umständen ergibt sich auf den ersten Blick nicht, dass die Möglichkeit einer teilweisen Anerkennung der erworbenen Kenntnisse, auf die insbesondere in Randnr. 52 des vorliegenden Urteils hingewiesen worden ist, im Rahmen der Regelung des § 112a DRiG lediglich fiktiv wäre, was zu überprüfen jedoch Sache des vorlegenden Gerichts ist, das allein befugt ist, über die Auslegung innerstaatlichen Rechts zu entscheiden.

65. Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 39 EG dahin auszulegen ist, dass er als solcher nicht gebietet, dass die Behörden eines Mitgliedstaats bei der Prüfung des Antrags eines Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats auf Zulassung zu einem praktischen Ausbildungsabschnitt, der – wie der Vorbereitungsdienst – Voraussetzung für die spätere Ausübung eines reglementierten juristischen Berufs ist, im Rahmen der nach dem Gemeinschaftsrecht verlangten Gleichwertigkeitsprüfung niedrigere Anforderungen an die juristischen Kenntnisse des Bewerbers stellen als diejenigen, die mit der Qualifikation bescheinigt werden, die in diesem Mitgliedstaat für den Zugang zu diesem praktischen Ausbildungsabschnitt verlangt wird. Jedoch steht zum einen Art. 39 EG einer Lockerung der Anforderungen nicht entgegen, und zum anderen darf die Möglichkeit einer teilweisen Anerkennung von Kenntnissen, die durch vom Betroffenen nachgewiesene Qualifikationen bescheinigt werden, in der Praxis nicht lediglich fiktiv bleiben, was zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

Kosten

66. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

1. Art. 39 EG ist dahin auszulegen, dass bei der Bewertung der Gleichwertigkeit von Ausbildungen, die auf einen Antrag hin erfolgt, unmittelbar in den Vorbereitungsdienst für die juristischen Berufe aufgenommen zu werden, ohne die hierfür vorgesehenen Prüfungen abzulegen, die Kenntnisse als Maßstab heranzuziehen sind, die durch die Qualifikation bescheinigt werden, die in dem Mitgliedstaat verlangt wird, in dem der Bewerber die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst beantragt.

2. Art. 39 EG ist dahin auszulegen, dass er als solcher nicht gebietet, dass die Behörden eines Mitgliedstaats bei der Prüfung des Antrags eines Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats auf Zulassung zu einem praktischen Ausbildungsabschnitt, der – wie der Vorbereitungsdienst – Voraussetzung für die spätere Ausübung eines reglementierten juristischen Berufs ist, im Rahmen der nach dem Gemeinschaftsrecht verlangten Gleichwertigkeitsprüfung niedrigere Anforderungen an die juristischen Kenntnisse des Bewerbers stellen als diejenigen, die mit der Qualifikation bescheinigt werden, die in diesem Mitgliedstaat für den Zugang zu diesem praktischen Ausbildungsabschnitt verlangt wird. Jedoch steht zum einen Art. 39 EG einer Lockerung der Anforderungen nicht entgegen, und zum anderen darf die Möglichkeit einer teilweisen Anerkennung von Kenntnissen, die durch vom Betroffenen nachgewiesene Qualifikationen bescheinigt werden, in der Praxis nicht lediglich fiktiv bleiben, was zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.