Parteien
Entscheidungsgründe
Tenor
In der Rechtssache C‑214/07
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 88 Abs. 2 EG, eingereicht am 23. April 2007,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften , vertreten durch C. Giolito als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Französische Republik , vertreten durch G. de Bergues, S. Ramet und J.‑C. Gracia als Bevollmächtigte,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter J.‑C. Bonichot, K. Schiemann, P. Kūris und L. Bay Larsen (Berichterstatter),
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 12. Juni 2008
folgendes
Urteil
1. Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Französische Republik ihre Verpflichtungen aus den Art. 5 und 6 der Entscheidung 2004/343/EG der Kommission vom 16. Dezember 2003 über die von Frankreich durchgeführte Beihilferegelung für die Übernahme von Unternehmen in Schwierigkeiten (ABl. L 108, S. 38, im Folgenden: Entscheidung) sowie aus Art. 249 Abs. 4 EG und Art. 10 EG dadurch verletzt hat, dass sie die genannte Entscheidung nicht in der festgesetzten Frist durchgeführt hat.
2. Die Französische Republik hält die Klage für nicht begründet und beantragt, sie abzuweisen.
Vorgeschichte des Rechtsstreits
3. Die Entscheidung stuft einen Regelungsmechanismus über Steuerbefreiungen, der in den Art. 44 septies, 1383 A, 1464 B und 1464 C des Code général des impôts (Allgemeines Steuergesetzbuch, im Folgenden: CGI) niedergelegt ist, als Regelung für staatliche Beihilfen ein. Dieser Mechanismus wurde durch die Loi de finances (Haushaltsgesetz) 1989, Nr. 88‑1149, vom 23. Dezember 1988 (JORF vom 28. Dezember 1988, S. 16320) ohne vorherige Anmeldung bei der Kommission eingeführt.
4. Gemäß Art. 44 septies CGI werden Gesellschaften, die gegründet werden, um die Geschäfte von Industrieunternehmen in Schwierigkeiten zu übernehmen, für einen Zeitraum von zwei Jahren von der Körperschaftsteuer befreit. Nach den Art. 1464 B und 1464 C CGI können diese neu gegründeten Gesellschaften auf Beschluss der zuständigen lokalen Gebietskörperschaften für einen Zeitraum von zwei Jahren auch in den Genuss einer Befreiung von der Gewerbesteuer und von der Grundsteuer kommen.
5. Art. 1 der Entscheidung erklärt diese Beihilferegelung für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und stellt fest, dass sie im Hinblick auf Art. 88 Abs. 3 EG rechtswidrig durchgeführt worden sei.
6. Art. 2 der genannten Entscheidung nimmt jedoch von der Einstufung als staatliche Beihilfen diejenigen gewährten Befreiungen aus, die die Bedingungen der Verordnung (EG) Nr. 69/2001 der Kommission vom 12. Januar 2001 über die Anwendung der Art. 87 und 88 EG‑Vertrag auf „De‑minimis“‑Beihilfen (ABl. L 10, S. 30) oder der zum Zeitpunkt der Gewährung gültigen „De‑minimis“‑Regeln erfüllen.
7. In Art. 3 wird außerdem die Vereinbarkeit derjenigen in Art. 1 bezeichneten Beihilfen anerkannt, die die Bedingungen der Mitteilung der Kommission von 1979 über regionale Beihilferegelungen (ABl. C 31, S. 9), der Leitlinien der Kommission von 1998 für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung (ABl. C 74, S. 9) oder der Verordnung (EG) Nr. 70/2001 der Kommission vom 12. Januar 2001 über die Anwendung der Art. 87 und 88 EG‑Vertrag auf staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen (ABl. L 10, S. 33) erfüllen.
8. Art. 5 ordnet folgendermaßen die Rückforderung der rechtswidrigen und unvereinbaren Beihilfen an:
„Frankreich ergreift alle notwendigen Maßnahmen, um von den Begünstigten die ihnen im Rahmen der in Artikel 1 bezeichneten Regelung gewährten und rechtswidrig zur Verfügung gestellten Beihilfen zurückzufordern, mit Ausnahme der in Artikel 2 und 3 bezeichneten Beihilfen.
Die Rückforderung erfolgt unverzüglich, gemäß den Verfahren des nationalen Rechts, sofern diese eine unmittelbare und wirksame Durchführung der vorliegenden Entscheidung ermöglichen. …“
9. Art. 6 lautet:
„Frankreich informiert die Kommission innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab dem Tag der Notifizierung der vorliegenden Entscheidung über die Maßnahmen, die getroffen und geplant wurden, um der Entscheidung nachzukommen.“
10. Art. 7 fügt hinzu:
„Frankreich wird diese Informationen auf der Grundlage des beigefügten Formulars liefern und wird eine erschöpfende Liste der Unternehmen aufstellen, die in den Genuss von Befreiungen gekommen sind, welche im Rahmen der in Artikel 1 bezeichneten Regelung gewährt wurden, sowie eine Liste der in den einzelnen Fällen gezahlten Beträge.
Frankreich wird eine Liste der Unternehmen aufstellen, die in den Genuss der Beihilfen gekommen sind, welche im Rahmen der in Artikel 1 bezeichneten Regelung gewährt wurden und nicht die Bedingungen der Verordnung … Nr. 69/2001, der zum Zeitpunkt der Gewährung der Beihilfe anzuwendenden ‚De minimis’‑Regeln, der Verordnung … Nr. 70/2001, der Mitteilung von 1979 über regionale Beihilferegelungen oder der Leitlinien von 1998 für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung erfüllen. Auf dieser Liste werden auch die Beihilfebeträge genannt, von denen jedes dieser Unternehmen profitiert hat.“
11. Nach diversem Schriftwechsel und weiteren Erinnerungen nach dem Ablauf der in der Entscheidung vorgesehenen zweimonatigen Frist für die Mitteilung der zu ihrer Durchführung getroffenen und geplanten Maßnahmen hat die Kommission, da sie der Ansicht war, dass seitens der Französischen Republik immer noch keine Mitteilung erfolgt sei, beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.
Zur Klage
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
Vorbringen der Kommission
12. Die Kommission wirft der Französischen Republik vor, keine Rückforderung zur Durchführung der Entscheidung vorgenommen zu haben.
13. Sie stellt klar, dass sie selbst das Vorliegen einer absoluten Unmöglichkeit der Durchführung in Bezug auf den Zeitraum zwischen 1991 und 1993 anerkannt habe, da die von den Beihilfen innerhalb dieses Zeitraums Begünstigten in Ermangelung verfügbarer Steuerdaten für diesen Zeitraum nicht namhaft gemacht werden könnten.
14. Dagegen schließt sie für den Zeitraum nach 1993 eine absolute Unmöglichkeit der Durchführung aus.
15. Was die begünstigten Unternehmen anbelangt, die ihre Tätigkeit eingestellt hätten, auf die in dem zur Durchführung der Entscheidung geführten Schriftwechsel Bezug genommen worden sei, macht die Kommission geltend, dass im Fall der Übertragung von Vermögenswerten eine Überprüfung der finanziellen Bedingungen des jeweiligen Geschäfts erforderlich sei, um sich zu vergewissern, dass die Übertragung zu Marktbedingungen erfolgt sei.
16. Nach der Rechtsprechung könne das Beihilfeelement unter dieser Bedingung als in den Kaufpreis einbezogen erachtet werden, so dass der Käufer grundsätzlich nicht als Nutznießer eines Vorteils angesehen werden könne (Urteile vom 20. September 2001, Banks, C‑390/98, Slg. 2001, I‑6117, Randnr. 77, und vom 29. April 2004, Deutschland/Kommission, C‑277/00, Slg. 2004, I‑3925, Randnr. 80), da der Nutzen der Beihilfe dem Veräußerer verbleibe.
17. Für den Fall, dass es für bestimmte übertragene Güter nach Einstellung der Tätigkeit keinen wirklichen Markt gebe, könnten andere Bezugspunkte oder Kriterien herangezogen werden, um nachzuprüfen, ob die Beihilfe eventuell auf den Erwerber übergegangen sei.
18. Jedenfalls könne die Rückforderung der Beihilfe nicht davon abhängen, dass der Beihilfebetrag in der Urkunde zur Übertragung der Vermögenswerte angegeben sei. Sonst sei es ausgesprochen einfach, die praktische Wirksamkeit der Regeln über staatliche Beihilfen in Frage zu stellen. Die Parteien eines Geschäfts unter Marktpreis müssten es nur unterlassen, den Übergang der Beihilfe im Vertrag zu erwähnen. Die Nachprüfung, ob die Beihilfe auf den Erwerber übergegangen sei, könne nicht allein vom Willen der Parteien des Geschäfts abhängen.
19. Die Kommission stellt klar, dass ihre aus Art. 10 EG hergeleitete Rüge nicht als eine Rüge zu verstehen sei, die sich von der Beanstandung der fehlenden Durchführung der Art. 5 und 6 der Entscheidung unterscheide. Diese Rüge diene lediglich dazu, die übermäßige Langsamkeit der französischen Behörden hinsichtlich der Befolgung der genannten Entscheidung zu unterstreichen.
Vorbringen der Französischen Republik
20. Die Französische Republik ist der Ansicht, dass zur Durchführung der Entscheidung sämtliche im Bereich des Möglichen liegende Maßnahmen eingeleitet worden seien. Dennoch sei die Rückforderung in Bezug auf die begünstigten Unternehmen, die ihre Tätigkeit eingestellt hätten, unmöglich.
– Zur Rückforderung der Beihilfen von Begünstigten, die ihre Tätigkeit nicht eingestellt haben
21. Die Französische Republik zählt verschiedene Schwierigkeiten auf, die sich ihr bei der Namhaftmachung der Begünstigten, bei der Berechnung des zurückzufordernden Betrags der Beihilfen und bei der Wahl und Durchführung der Verfahren zu ihrer Rückforderung gestellt hätten. Sie ist der Ansicht, diese Schwierigkeiten seien äußere Zwänge, die mit dem Umfang und der Komplexität des Rückforderungsvorgangs zusammenhingen.
22. Die Schwierigkeiten bei der Namhaftmachung der Begünstigten hätten in Bezug auf die Geschäftsjahre 1991, 1992 und 1993 zunächst in der Regel des nationalen Rechts bestanden, die die Aufbewahrung von Buchhaltungsunterlagen lediglich für zehn Jahre vorschreibe.
23. Für die Folgejahre hätten die Schwierigkeiten an dem Umstand gelegen, dass die Beihilferegelung nicht zwangsläufig eine spezifische Namhaftmachung der Begünstigten im Rahmen eines auf einer Erklärung beruhenden Systems impliziere. Daher sei eine Nachforschung bei den zuständigen örtlichen Diensten notwendig gewesen.
24. Die Französische Republik macht geltend, dass sie der Kommission am 16. Mai 2005 eine Liste mit 55 Unternehmen übermittelt habe, die zwischen 1994 und 2002 in den Genuss einer Beihilfe in Höhe eines jenseits des Gemeinschaftshöchstbetrags liegenden Bruttobetrags von mehr als einer Million Euro gekommen seien.
25. Weiter habe sie am 7. Juli 2006 in Beantwortung eines Schreibens der Kommission vom 26. April 2006, mit dem sie aufgefordert worden sei, der Kommission eine Liste sämtlicher Unternehmen zu übersenden, die in den Genuss einer Steuerbefreiung von mehr als 100 000 Euro gekommen seien, Folgendes übermittelt:
– eine Liste mit 464 begünstigten Unternehmen, die in Anwendung der Gemeinschaftsbestimmungen über „De‑minimis“‑Beihilfen, Beihilfen mit regionaler Zielsetzung und Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen (im Folgenden: KMU) keiner Erstattungsverpflichtung unterlägen;
– eine Liste mit 105 begünstigten Unternehmen, die nach der Entscheidung verpflichtet seien, eine Nettobeihilfe von weniger als 200 000 Euro zu erstatten.
26. Ihrer am 22. Oktober 2007 eingereichten Gegenerwiderung hat die Französische Republik eine Liste von 88 Unternehmen beigefügt, die eine Beihilfe von mehr als 200 000 Euro zurückzuzahlen hätten.
27. Die Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Betrags der zurückzufordernden Beihilfen macht die Französische Republik in erster Linie an den Art. 2 und 3 der Entscheidung fest.
28. Der Betrag der zurückzufordernden Beihilfen sei derjenige der Befreiungen, die nicht von den genannten Art. 2 und 3 erfasst würden. Die Bestimmung des Beihilfebetrags erfordere ebenso wie die Namhaftmachung der begünstigten Unternehmen eine Informationssammlung bei sämtlichen Departementsdirektionen der Finanzverwaltung im Wege einer Einsichtnahme in die gesamten Steuerakten der fraglichen Unternehmen. Denn die auf nationaler Ebene abgegebenen Steuererklärungen enthielten bestimmte Informationen nicht, die für die Anwendung der Gemeinschaftsrahmen für Beihilfen mit regionaler Zielsetzung und Beihilfen an KMU notwendig seien.
29. Die Kommission habe bei der Anwendung der genannten Rahmen bestimmte Erleichterungen zugelassen, und die zuständigen Behörden hätten daher verschiedene Berechnungen vornehmen können, die es erlaubten, den Betrag der zurückzufordernden Beihilfen zu bestimmen, der dem der Befreiung abzüglich des Betrags entspreche, den die Beihilfen ausmachten, die von den Gemeinschaftsvorschriften über „De‑minimis“‑Beihilfen, Beihilfen mit regionaler Zielsetzung und Beihilfen an KMU erfasst würden.
30. Zweitens sei die Bestimmung des Betrags der zurückzufordernden Beihilfen auch dadurch erschwert worden, dass es notwendig gewesen sei, sich der Mitwirkung der betroffenen Unternehmen zu versichern. Denn den zuständigen Behörden, die die Beitreibungsforderungen als nichtsteuerliche Forderungen hätten ansehen müssen, habe im Rahmen des nationalen Rechts für derartige Forderungen kein standardisiertes Dialogverfahren wie das für steuerliche Forderungen vorgesehene zur Verfügung gestanden. Die Mitwirkung der betroffenen Unternehmen habe sich außerdem in zahlreichen Fällen als erforderlich erwiesen, in denen die benötigten Informationen nicht in ihren Steuerakten enthalten gewesen seien.
31. Was schließlich die Schwierigkeiten in Bezug auf die der Rückforderung dienenden Verfahren betrifft, unterstreicht die Französische Republik, dass das für nichtsteuerliche Forderungen anwendbare Verfahren nacheinander die Beteiligung dreier Stellen erforderlich mache: die der Direction générale des impôts (Generaldirektion für Steuern), die dafür zuständig sei, die beizutreibenden Forderungen ihrem Betrag nach festzusetzen, die des Präfekten in seiner Eigenschaft als Anweisungsbefugter für die genannten Forderungen, der als solcher die Einziehungsanordnungen unterzeichne, und die der Buchhalter der Direction générale de la comptabilité publique (Generaldirektion für öffentliches Rechnungswesen), die für die Beitreibung der Forderungen zuständig seien. Zur Steigerung der Effizienz sei beschlossen worden, die Forderungen pro Departement zusammenzufassen, damit jeder Präfekt die Einziehungsanordnungen für sämtliche in seinem Departement niedergelassenen Unternehmen unterzeichnen könne.
32. In ihrer Gegenerwiderung räumt die Französische Republik ein, dass die Einziehungsanordnungen am Tag des Datums dieser Gegenerwiderung immer noch nicht ausgestellt worden seien.
– Zur Rückforderung der Beihilfen von Begünstigten, die ihre Tätigkeit eingestellt haben
33. Die Französische Republik macht geltend, dass sie sich während ihres Schriftwechsels mit der Kommission auf eine absolute Unmöglichkeit der Rückforderung in Bezug auf 204 Begünstigte berufen habe, die ihre Tätigkeit eingestellt hätten.
34. Die Kommission habe ihr jedoch geantwortet, dass
– man sich im Fall der Übertragung der Vermögenswerte eines Begünstigten zu vergewissern habe, dass der Vorgang zu Marktbedingungen stattgefunden habe, um zu vermeiden, dass die Beihilfe auf den Übernehmer übergehe;
– sie in Anbetracht der praktischen Schwierigkeiten einer derartigen Prüfung für sämtliche betroffenen Unternehmen akzeptiere, dass die Kontrolle auf die bedeutendsten Übertragungen von Vermögenswerten beschränkt werde.
35. Die Französische Republik betont, dass die Steuerbehörden weder hinsichtlich der freihändigen Übertragungen von Vermögenswerten noch hinsichtlich derjenigen, die im Rahmen von gerichtlichen Sanierungs- und Liquidationsverfahren durchgeführt worden seien, beurteilen könnten, ob die fraglichen Übertragungen unter normalen Marktbedingungen vonstatten gegangen seien.
36. Denn es gebe zwar einen Immobilienmarkt, aber keinen Markt für gebrauchte Industriegüter. Für die Letztgenannten sei somit kein Bezugspunkt verfügbar, um einen Marktpreis zum Zeitpunkt der Übertragung zu bestimmen.
37. Es sei folglich unmöglich, zu beurteilen, ob die Übertragung von Vermögenswerten in dem Fall, dass das Unternehmen seine Tätigkeit eingestellt habe, zu einem Übergang der Beihilfe auf den neuen Erwerber geführt habe.
38. Die Französische Republik betont außerdem, dass
– eine Rückforderung nicht möglich sei, wenn für das Unternehmen kein Übernehmer gefunden worden sei und es keinen gesetzlichen Vertreter mehr habe, da es schlicht und einfach verschwunden sei;
– in bestimmten Fällen die Vermögenswerte von mehreren verschiedenen Übernehmern übernommen worden sein könnten.
39. Jedenfalls stünden der Rückforderung auch rechtliche Hindernisse entgegen.
40. So sei es gegenüber den Unternehmen, die sich in einem Gesamtvollstreckungsverfahren befänden, nicht möglich, mit der Beitreibung einer Forderung fortzufahren, die nicht binnen der gesetzten Frist beim Konkursverwalter angemeldet worden sei.
41. Hinsichtlich der freihändigen Übertragungen von Vermögenswerten durch Unternehmen, die ihre Tätigkeit eingestellt hätten, entbehre die Rückforderung der Beihilfen in den Fällen, in denen der Übergang der Beihilfe auf den Erwerber nicht in der Übertragungsurkunde erwähnt worden sei, jeglicher Rechtsgrundlage.
42. Daher ist die Französische Republik der Ansicht, es sei ihr absolut unmöglich, die Beihilfen zurückzufordern, die Unternehmen zugutegekommen seien, die ihre Tätigkeit eingestellt hätten.
Würdigung durch den Gerichtshof
Zur Rückforderung der Beihilfen
43. Im Fall von Negativentscheidungen hinsichtlich rechtswidriger Beihilfen erfolgt die von der Kommission angeordnete Rückforderung der Beihilfe nach den Bedingungen des Art. 14 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. [88] des EG‑Vertrags (ABl. L 83, S. 1), der bestimmt:
„… [D]ie Rückforderung [erfolgt] unverzüglich und nach den Verfahren des betreffenden Mitgliedstaats, sofern hierdurch die sofortige und tatsächliche Vollstreckung der Kommissionsentscheidung ermöglicht wird. Zu diesem Zweck unternehmen die betreffenden Mitgliedstaaten im Fall eines Verfahrens vor nationalen Gerichten unbeschadet des Gemeinschaftsrechts alle in ihren jeweiligen Rechtsordnungen verfügbaren erforderlichen Schritte einschließlich vorläufiger Maßnahmen.“
44. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Mitgliedstaat zur Verteidigung gegen eine von der Kommission gemäß Art. 88 Abs. 2 EG erhobene Vertragsverletzungsklage nur geltend machen, dass es absolut unmöglich gewesen sei, die Entscheidung ordnungsgemäß durchzuführen (vgl. u. a. Urteil vom 20. September 2007, Kommission/Spanien, C‑177/06, Slg. 2007, I‑7689, Randnr. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).
45. Im Fall von Schwierigkeiten müssen die Kommission und der Mitgliedstaat nach dem – namentlich Art. 10 EG zugrunde liegenden – Grundsatz, dass den Mitgliedstaaten und den Gemeinschaftsorganen gegenseitige Pflichten zur loyalen Zusammenarbeit obliegen, redlich zusammenwirken, um die Schwierigkeiten unter vollständiger Beachtung der Bestimmungen des Vertrags, insbesondere derjenigen über die Beihilfen, zu überwinden (vgl. Urteil vom 12. Mai 2005, Kommission/Griechenland, C‑415/03, Slg. 2005, I‑3875, Randnr. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).
46. Die Voraussetzung einer absoluten Unmöglichkeit der Durchführung ist nicht erfüllt, wenn sich der beklagte Mitgliedstaat darauf beschränkt, die Kommission über die mit der Durchführung der Entscheidung verbundenen rechtlichen, politischen oder praktischen Schwierigkeiten zu unterrichten, ohne gegenüber den betroffenen Unternehmen wirkliche Schritte zur Rückforderung der Beihilfe zu unternehmen und ohne der Kommission andere Modalitäten zur Durchführung der Entscheidung vorzuschlagen, die es ermöglicht hätten, die Schwierigkeiten zu überwinden (vgl. u. a. Urteil vom 14. Dezember 2006, Kommission/Spanien, C‑485/03 bis C‑490/03, Slg. 2006, I‑11887, Randnr. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).
47. In der vorliegenden Rechtssache ist zunächst festzustellen, dass der beklagte Mitgliedstaat lange nach Ablauf der in Art. 6 der Entscheidung gesetzten Frist und der von der Kommission anlässlich ihres Schriftwechsels mit ihm eingeräumten Nachfristen am Tag der Klageerhebung und sogar am Tag der Einreichung der Gegenerwiderung – beinahe vier Jahre nach Erlass der genannten Entscheidung – keinen einzigen Betrag beigetrieben hatte.
– Zur Rückforderung der Beihilfen von Begünstigten, die ihre Tätigkeit nicht eingestellt haben
48. Eingangs ist festzustellen, dass die Beihilfen für die Geschäftsjahre 1991 bis 1993 nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind. In Bezug hierauf hat die Kommission vor Einleitung dieses Verfahrens bereits anerkannt, dass es absolut unmöglich sei, diese Beihilfen zurückzufordern, ein Standpunkt, den sie in ihrer Klageschrift ausdrücklich bestätigt hat.
49. Im Übrigen kann die Französische Republik nicht mit Erfolg geltend machen, dass die angeführten Schwierigkeiten äußere Zwänge darstellten.
50. Diese Schwierigkeiten hinsichtlich der Namhaftmachung der Begünstigten, der Berechnung des zurückzufordernden Betrags der Beihilfen sowie der Wahl und Durchführung der Verfahren zu ihrer Rückforderung gehören zu internen Schwierigkeiten, die dem eigenen Vorgehen oder den Unterlassungen der nationalen Behörden zuzuschreiben sind.
51. Es ist festzustellen, dass sich die nationalen Behörden, als sie sich mit diesen internen Schwierigkeiten konfrontiert sahen, mit der Kommission ausgetauscht haben. Hierbei haben sie auf Informationsersuchen geantwortet, die aufgetretenen Schwierigkeiten beschrieben, Kompromisse vorgeschlagen, die geeignet wären, einige von ihnen zu lösen, und um Anweisungen nachgesucht.
52. Jedoch waren zunächst hinsichtlich ihrer Beteiligung an dem Austausch bedeutende aufeinander folgende Verspätungen zu verzeichnen.
53. Während die Kommission zunächst sowohl in Art. 7 Abs. 2 der Entscheidung als auch in ihren späteren schriftlichen Anfragen die Notwendigkeit betont hat, eine Liste der der Rückforderung der Beihilfen unterliegenden Unternehmen aufzustellen sowie unverzüglich tatsächlich die Rückforderung zu betreiben, und später Erleichterungen bei der Anwendung der anwendbaren Gemeinschaftsrahmen zugestanden hat, haben die französischen Behörden insbesondere
– sich damit befasst, der Kommission eine Liste von 464 Unternehmen zu übersenden, die keiner Erstattungspflicht unterliegen;
– es unterlassen, schon ab dem ersten Quartal des Jahres 2005 wirkliche Schritte im Hinblick auf eine tatsächliche Rückforderung gegenüber den 55 Unternehmen auf der am 16. März 2005 übersandten Liste einzuleiten, die zwischen 1994 und 2002 in den Genuss von jenseits des Gemeinschaftshöchstbetrags liegenden Bruttobeihilfen von mehr als einer Million Euro gekommen sind;
– in gleicher Weise ab Juli 2006 davon abgesehen, derartige Schritte gegenüber den 105 Unternehmen auf der am 7. Juli 2006 übersandten Liste einzuleiten, die eine Pflicht zur Erstattung von Nettobeihilfen von weniger als 200 000 Euro trifft;
– erst am 22. Oktober 2007 in Anlage zur im vorliegenden Verfahren eingereichten Gegenerwiderung – beinahe vier Jahre nach der Entscheidung – eine Liste von 88 Unternehmen übersandt, die eine Beihilfe von mehr als 200 000 Euro zurückzuzahlen haben;
– in der genannten Gegenerwiderung eingeräumt, dass die Einziehungsanordnungen immer noch nicht ausgestellt seien, obwohl eine erste Versendung am 12. April 2006 bis spätestens zum 31. Mai 2006 angekündigt worden war;
– Effizienzbelange geltend gemacht, um eine Zusammenfassung der Forderungen auf Departementsebene zu rechtfertigen, ohne dass dies allerdings zur Ausstellung auch nur einer einzigen Einziehungsanordnung geführt hätte.
54. In Bezug auf die Begünstigten, die ihre Tätigkeit nicht eingestellt haben, ergibt sich somit aus dem Vorstehenden, dass die Voraussetzung einer absoluten Unmöglichkeit der Durchführung nicht erfüllt und die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 5 der Entscheidung begründet ist.
– Zur Rückforderung der Beihilfen von Begünstigten, die ihre Tätigkeit eingestellt haben
55. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission weder in ihrem Schriftwechsel im Vorfeld des vorliegenden Verfahrens noch in ihrer Klageschrift dem beklagten Mitgliedstaat zum Vorwurf macht, die Entscheidung gegenüber Unternehmen nicht durchgeführt zu haben, die schlicht und einfach, ohne einen Übernehmer zu finden, verschwunden sind.
56. Befindet sich ein Unternehmen in einem Gesamtvollstreckungsverfahren, kann die Wiederherstellung der früheren Lage und die Beseitigung der aus den rechtswidrig gezahlten Beihilfen resultierenden Wettbewerbsverzerrung grundsätzlich durch Anmeldung der Forderung auf Rückerstattung der betreffenden Beihilfen zur Konkurstabelle erfolgen (Urteil Deutschland/Kommission, Randnr. 85). Wenn die Frist zur Anmeldung der Forderungen abgelaufen ist, müssen die nationalen Behörden jedes Wiedereinsetzungsverfahren, sofern es ein solches gibt und es noch offensteht, einleiten, das in besonderen Fällen die Anmeldung einer Forderung außerhalb der Frist ermöglicht.
57. In Bezug auf die Begünstigten, die ihre Tätigkeit eingestellt und ihre Vermögenswerte veräußert haben, ist es Sache der nationalen Behörden, nachzuprüfen, ob die finanziellen Bedingungen der Veräußerung denen des Marktes entsprochen haben.
58. In diesem Fall wurde das Beihilfeelement zum Marktpreis bewertet und in den Kaufpreis einbezogen, so dass der Käufer nicht als Nutznießer eines Vorteils gegenüber den übrigen Marktteilnehmern angesehen werden kann (Urteil Deutschland/Kommission, Randnr. 80). Andernfalls lässt sich nicht ausschließen, dass der Erwerber gegebenenfalls zur Rückerstattung der fraglichen Beihilfen verpflichtet sein kann, falls erwiesen wäre, dass ihm der tatsächliche Nutzen des mit dem Erhalt dieser Beihilfen verbundenen Wettbewerbsvorteils verblieben ist (Urteil Deutschland/Kommission, Randnr. 86).
59. Zur Prüfung der finanziellen Bedingungen der Übertragung können die nationalen Behörden u. a. auf die für die Übertragung verwendete Form abstellen, beispielsweise die der öffentlichen Versteigerung, bei der davon auszugehen ist, dass sie einen Verkauf zu Marktbedingungen gewährleistet.
60. Sie können außerdem insbesondere ein eventuell anlässlich der Übertragung angefertigtes Gutachten berücksichtigen.
61. Sind die Vermögenswerte von mehreren verschiedenen Übernehmern übernommen worden, spricht grundsätzlich nichts dagegen, dass nachgeprüft wird, ob die finanziellen Bedingungen jedes der Geschäfte den Bedingungen des Marktes entsprachen.
62. Im Fall einer freihändigen Übertragung von Vermögenswerten kann die Rückforderung der Beihilfen von dem Erwerber nicht davon abhängig gemacht werden, dass in der entsprechenden Urkunde ausdrücklich eine Übertragung der Beihilfen Erwähnung findet. Die Rückforderung kann vorgenommen werden, wenn der Erwerber vom Vorhandensein der Beihilfen und einem von der Kommission betriebenen Kontrollverfahren Kenntnis haben musste.
63. Nach alledem kann sich der beklagte Mitgliedstaat, um der Feststellung einer Vertragsverletzung zu entgehen, nicht damit begnügen, allgemeine und abstrakte Behauptungen aufzustellen, ohne sich auf namhaft gemachte Einzelfälle zu beziehen, die im Licht sämtlicher Schritte analysiert werden, die tatsächlich zur Durchführung der Entscheidung eingeleitet worden sind.
64. Nähme man das Gegenteil an, so liefe dies a priori darauf hinaus, für die Gesamtheit der Kategorie der Unternehmen, die ihre Tätigkeit eingestellt haben, jegliche Durchführung auszuschließen, während eine absolute Unmöglichkeit der Durchführung in Bezug auf diese Unternehmen gegebenenfalls nur in Abhängigkeit von Umständen bejaht werden kann, die jedem einzelnen Unternehmen eigen sind.
65. Im vorliegenden Fall macht die Französische Republik in ihrem Schriftwechsel mit der Kommission eine absolute Unmöglichkeit der Durchführung in Bezug auf 204 Unternehmen geltend, die ihre Tätigkeit eingestellt haben. Jedoch führt sie keine Belege für Schritte an, die konkret unternommen worden wären, um die Lage jedes dieser Unternehmen zu untersuchen und zu beurteilen, ob sie in Anwendung der oben aufgeführten Kriterien eine Rückforderung verlangt oder nicht. Sie tut noch nicht einmal dar, dass sie den Umstand genutzt habe, dass die Kommission im Rahmen der in Art. 10 EG vorgesehenen Zusammenarbeit eine auf die bedeutendsten Übertragungen von Vermögenswerten beschränkte Kontrolle akzeptiert habe.
66. Unter diesen Umständen ist auch in Bezug auf die Begünstigten, die ihre Tätigkeit eingestellt haben, zu folgern, dass die Voraussetzung einer absoluten Unmöglichkeit der Durchführung nicht erfüllt und die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 5 der Entscheidung begründet ist.
Zur Information der Kommission über die Maßnahmen, die zur Durchführung der Entscheidung getroffen und geplant wurden
67. Den auf Art. 6 der Entscheidung gestützten Antrag auf Verurteilung der Französischen Republik, weil sie die Kommission nicht über die zur Durchführung der Entscheidung getroffenen und geplanten Maßnahmen informiert habe, hat der Gerichtshof nicht zu prüfen, da dieser Mitgliedstaat seine Verpflichtungen gerade nicht innerhalb der vorgeschriebenen Fristen erfüllt hat (vgl. u. a. Urteil vom 20. September 2007, Kommission/Spanien, Randnr. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).
68. Somit ist festzustellen, dass die Französische Republik ihre Verpflichtungen aus Art. 5 der Entscheidung dadurch verletzt hat, dass sie die Entscheidung nicht in der festgesetzten Frist durchgeführt hat.
Kosten
69. Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Französische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem dahin gehenden Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Französische Republik hat ihre Verpflichtungen aus Art. 5 der Entscheidung 2004/343/EG der Kommission vom 16. Dezember 2003 über die von Frankreich durchgeführte Beihilferegelung für die Übernahme von Unternehmen in Schwierigkeiten dadurch verletzt, dass sie die genannte Entscheidung nicht in der festgesetzten Frist durchgeführt hat.
2. Die Französische Republik trägt die Kosten.