Rechtssache C‑393/05

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

gegen

Republik Österreich

„Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 – Landwirtschaftliche Erzeugnisse des ökologischen Landbaus – Private Kontrollstellen – Erfordernis einer Niederlassung oder dauerhaften Infrastruktur im Mitgliedstaat der Erbringung der Leistung – Rechtfertigungsgründe – Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt – Art. 55 EG – Verbraucherschutz“

Schlussanträge der Generalanwältin E. Sharpston vom 12. Juli 2007 

Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 29. November 2007 

Leitsätze des Urteils

Freier Dienstleistungsverkehr – Beschränkungen

(Art. 45 EG, 49 EG und 55 EG; Verordnung Nr. 2092/91 des Rates)

Ein Mitgliedstaat verstößt mit der Forderung, dass in einem anderen Mitgliedstaat zugelassene private Kontrollstellen für Erzeugnisse des ökologischen Landbaus in seinem Hoheitsgebiet eine Niederlassung unterhalten müssen, damit sie dort Kontrollleistungen erbringen können, gegen seine Verpflichtungen aus Art. 49 EG.

Zum einen kann nämlich die helfende und vorbereitende Rolle, die den privaten Kontrollstellen durch die Verordnung Nr. 2092/91 über den ökologischen Landbau und die entsprechende Kennzeichnung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Lebensmittel gegenüber der Überwachungsbehörde übertragen wurde, nicht als unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 55 EG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 EG angesehen werden, die eine Ausnahme nach diesen Bestimmungen rechtfertigt, sondern als zusätzliche, von der Ausübung öffentlicher Gewalt abtrennbare Tätigkeit. Zum anderen geht eine solche Forderung über das hinaus, was zur Erreichung des Ziels des Verbraucherschutzes, der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen kann, objektiv erforderlich ist.

(vgl. Randnrn. 31-32, 42, 46, 52-54 und Tenor)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

29. November 2007(*)

„Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 ‑ Landwirtschaftliche Erzeugnisse des ökologischen Landbaus – Private Kontrollstellen – Erfordernis einer Niederlassung oder dauerhaften Infrastruktur im Mitgliedstaat der Erbringung der Leistung – Rechtfertigungsgründe – Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt – Art. 55 EG – Verbraucherschutz“

In der Rechtssache C‑393/05

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 4. November 2005,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa und G. Braun als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Republik Österreich, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter A. Tizzano, A. Borg Barthet, M. Ilešič und E. Levits (Berichterstatter),

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 12. Juli 2007

folgendes

Urteil

1       Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Republik Österreich mit der Forderung, dass private Kontrollstellen für Erzeugnisse des ökologischen Landbaus (im Folgenden: private Kontrollstellen), die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig und zugelassen sind, in Österreich einen Geschäftssitz oder eine andere dauerhafte Infrastruktur unterhalten müssen, damit sie dort ihre Tätigkeit ausüben können, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG verstößt.

 Rechtlicher Rahmen

 Gemeinschaftsrecht

2       Die Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 des Rates vom 24. Juni 1991 über den ökologischen Landbau und die entsprechende Kennzeichnung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Lebensmittel (ABl. L 198, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1804/1999 des Rates vom 19. Juli 1999 (ABl. L 222, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 2092/91) setzt Mindestvorschriften für den ökologischen Landbau, die Verfahren zu seiner Kontrolle und die Bescheinigung der aus ihm hervorgegangenen Erzeugnisse fest. Nach der Verordnung können die Erzeugnisse, die den darin festgelegten Anforderungen entsprechen, insbesondere durch Etikettierung den Vermerk „Ökologische Agrarwirtschaft – EG-Kontrollsystem“ oder „Biologische Landwirtschaft – EG-Kontrollsystem“ erhalten.

3       Die Art. 1, 2 und 4 der Verordnung Nr. 2092/91 listen die erfassten Erzeugnisse des ökologischen Landbaus und ihre Kennzeichnungen auf und definieren verschiedene Begriffe. Nach Art. 3 gilt die Verordnung unbeschadet der sonstigen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft oder der damit im Einklang stehenden nationalen Vorschriften. Art. 5 legt die Voraussetzungen fest, unter denen bei der Kennzeichnung oder Werbung auf den ökologischen Landbau Bezug genommen werden darf, während Art. 6 die Erzeugungsvorschriften erläutert, die der Begriff „ökologischer Landbau“ einschließt.

4       Art. 8 der Verordnung Nr. 2092/91 lautet:

„(1)      Jedes Unternehmen, das mit dem Ziel der Vermarktung Erzeugnisse gemäß Artikel 1 erzeugt, aufbereitet oder aus einem Drittland einführt, ist verpflichtet,

a)      diese Tätigkeit bei der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem diese Tätigkeit ausgeübt wird, zu melden; die Meldung muss die in Anhang IV genannten Angaben enthalten;

b)      seine Tätigkeit dem Kontrollverfahren gemäß Artikel 9 zu unterstellen.

(2)      Die Mitgliedstaaten bestimmen eine für die Entgegennahme solcher Meldungen zuständige Behörde oder Stelle.

Die Mitgliedstaaten können die Mitteilung ergänzender Angaben vorsehen, die ihnen für eine wirksame Kontrolle der betreffenden Unternehmen geboten erscheinen.

(3)      Die zuständige Behörde stellt sicher, dass den betreffenden Personen eine auf den neuesten Stand gebrachte Liste mit Namen und Adressen der den Kontrollmaßnahmen unterworfenen Unternehmen zur Verfügung gestellt wird.“

5       Art. 9 der Verordnung Nr. 2092/91 bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten schaffen ein Kontrollverfahren, das von einer oder mehreren hierfür bestimmten Kontrollbehörden und/oder von zugelassenen privaten Kontrollstellen durchzuführen ist und dem die Unternehmen, die Erzeugnisse gemäß Artikel 1 erzeugen, aufbereiten oder aus Drittländern einführen, unterstellt werden.

(2)      Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, damit einem Unternehmen, das die Bestimmungen dieser Verordnung einhält und seinen Beitrag zu den Kosten der Kontrollmaßnahmen entrichtet, sichergehen kann, in das Kontrollsystem einbezogen zu werden.

(3)      Das Kontrollverfahren umfasst mindestens die in Anhang III aufgeführten Kontrollanforderungen und Vorkehrungen.

(4)      Im Falle der Durchführung der Kontrollregelung durch private Kontrollstellen bestimmen die Mitgliedstaaten eine Behörde zur Zulassung und Überwachung dieser Stellen.

(5)      Die Zulassung einer privaten Kontrollstelle durch die Mitgliedstaaten geschieht nach Maßgabe folgender Kriterien:

a)      Standardkontrollprogramm der Stelle mit ausführlicher Beschreibung der Kontrollmaßnahmen und Vorkehrungen, die die Stelle den von ihr kontrollierten Unternehmen zur Auflage macht;

b)      von der Stelle für den Fall von Unregelmäßigkeiten und/oder Verstößen erwogene Sanktionen;

c)      geeignete personelle, administrative und technische Ausstattung sowie Erfahrung bei der Kontrolle und Zuverlässigkeit;

d)      Objektivität der Kontrollstelle gegenüber den ihrer Kontrolle unterstehenden Unternehmen.

(6)      Nach Zulassung einer Kontrollstelle hat die zuständige Behörde folgende Aufgaben:

a)      Gewährleistung der Objektivität der von dieser Stelle durchgeführten Kontrollen;

b)      Überprüfung der Wirksamkeit der Kontrolle;

c)      Erfassung der festgestellten Unregelmäßigkeiten und/oder Verstöße und verhängten Sanktionen;

d)      Entzug der Zulassung einer Kontrollstelle, falls sie die Anforderungen der Buchstaben a) und b) oder die Kriterien des Absatzes 5 nicht mehr oder die Anforderungen der Absätze 7, 8, 9 und 11 nicht erfüllt.

(6a)      Vor dem 1. Januar 1996 erteilen die Mitgliedstaaten jeder gemäß den Bestimmungen dieses Artikels anerkannten oder benannten Kontrollstelle oder -behörde eine Codenummer. Sie informieren darüber die anderen Mitgliedstaaten und die Kommission, die diese Codenummern in der in Artikel 15 Unterabsatz 3 genannten Liste veröffentlichen wird.

(7)      Die Kontrollbehörde und die zugelassenen Kontrollstellen nach Absatz 1

a)      gewährleisten, dass in den von ihnen kontrollierten Unternehmen mindestens die in Anhang III aufgeführten Kontrollmaßnahmen durchgeführt und die entsprechenden Vorkehrungen getroffen werden;

b)      geben keinen anderen Personen als der für das Unternehmen verantwortlichen Person und den zuständigen staatlichen Stellen Einblick in die Informationen und Daten, von denen sie bei ihrer Kontrolltätigkeit Kenntnis erhalten.

(8)      Die zugelassenen Kontrollstellen

a)      gewähren der zuständigen Behörde zu Inspektionszwecken Zugang zu ihren Diensträumen und Einrichtungen und sind in dem Maße auskunfts- und unterstützungspflichtig, wie dies der zuständigen Behörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach dieser Verordnung geboten erscheint;

b)      übermitteln der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats alljährlich spätestens am 31. Januar ein Verzeichnis der Unternehmen, die am 31. Dezember des Vorjahres ihrer Kontrolle unterstanden haben und legen ihr alljährlich einen zusammenfassenden Bericht vor.

(9)      Die Kontrollbehörde und die Kontrollstellen nach Absatz 1 müssen

a)       bei Feststellung einer Unregelmäßigkeit hinsichtlich der Durchführung der Artikel 5, 6 und 7 bzw. der Maßnahmen des Anhangs III die Hinweise auf den ökologischen Landbau nach Artikel 2 von der gesamten von der Unregelmäßigkeit betroffenen Partie oder Erzeugung entfernen lassen;

b)       bei Feststellung eines offenkundigen Verstoßes oder eines Verstoßes mit Langzeitwirkung dem betreffenden Unternehmen die mit Hinweisen auf den ökologischen Landbau verbundene Vermarktung von Erzeugnissen für die Dauer einer mit der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats zu vereinbarenden Frist untersagen.

(11)      Ab dem 1. Januar 1998 müssen die zugelassenen Kontrollstellen unbeschadet der Absätze 5 und 6 die Bedingungen der Norm EN 45011 erfüllen.

…“

6       Art. 10 der Verordnung Nr. 2092/91 sieht vor, dass ein Vermerk und/oder ein Emblem gemäß Anhang V der Verordnung auf dem Etikett der Erzeugnisse, die einem Kontrollverfahren nach Art. 9 der Verordnung unterzogen wurden, angebracht werden; dazu werden den Kontrollstellen in Art. 10 Abs. 3 Sanktionspflichten auferlegt, die denjenigen nach Art. 9 Abs. 9 entsprechen.

7       Art. 10a („Allgemeine Maßnahmen zur Anwendung“) der Verordnung Nr. 2092/91 lautet:

„(1)      Stellt ein Mitgliedstaat bei einem aus einem anderen Mitgliedstaat stammenden Erzeugnis, das einen Vermerk nach Artikel 2 und/oder Anhang V trägt, Unregelmäßigkeiten oder Verstöße bei der Durchführung dieser Verordnung fest, so unterrichtet er hierüber den Mitgliedstaat, der die Kontrollbehörde benannt oder die Kontrollstelle zugelassen hat, und die Kommission.

(2)       Die Mitgliedstaaten treffen die gebotenen Maßnahmen, um der missbräuchlichen Verwendung des Vermerks nach Artikel 2 und/oder Anhang V vorzubeugen.“

8       In Anhang III der Verordnung Nr. 2092/91 werden Mindestkontrollanforderungen und im Rahmen des Kontrollverfahrens nach den Art. 8 und 9 der Verordnung vorgesehene Vorkehrungen festgelegt.

9       Im Einzelnen sehen die allgemeinen Vorschriften dieses Anhangs in Nr. 9 Abs. 2 und Nr. 10 vor, dass die privaten Kontrollstellen einem kontrollierten Unternehmen zur Auflage machen können, ein Erzeugnis, das unter dem Verdacht steht, die Standards der Verordnung nicht zu erfüllen, vorläufig nicht mit dem Hinweis auf ökologischen Landbau zu vermarkten, und dass diese Stellen Zugang zu den Anlagen und der Buchführung des Unternehmens haben.

 Nationales Recht

10     Gemäß Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2092/91 hat die Republik Österreich ein Kontrollverfahren für Erzeugnisse des ökologischen Landbaus geschaffen, das von privaten Kontrollstellen durchgeführt wird. Nach der Verwaltungspraxis bei der Anwendung der Verordnung erfordert die Ausübung einer Kontrolltätigkeit durch eine private Kontrollstelle in Österreich, dass sie im österreichischen Hoheitsgebiet eine Niederlassung unterhält, die die in der Verordnung festgelegten Anforderungen hinsichtlich der personellen, administrativen und technischen Ausstattung erfüllt, auch wenn diese Stelle bereits über eine Zulassung und somit eine Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat verfügt.

11     Das Lebensmittelgesetz 1975 (LMG 1975, BGBl 1975/86) sieht in § 35 vor, dass die Zulassung und Überwachung der privaten Kontrollstellen in den Zuständigkeitsbereich der Landeshauptmänner fällt. Außerdem ergreifen diese nach § 10 Abs. 4 LMG auf Vorschlag der privaten Kontrollstellen u. a. die Untersagungsmaßnahmen des Art. 9 Abs. 9 Buchst. b der Verordnung Nr. 2092/91.

 Das Vorverfahren

12     Nachdem eine in Deutschland zugelassene und niedergelassene private Kontrollstelle eine Beschwerde eingelegt hatte, richtete die Kommission an die österreichischen Behörden zwei Ersuchen um Information über die Voraussetzungen, die in einem anderen Mitgliedstaat zugelassene private Kontrollstellen erfüllen müssen, damit sie ihre Tätigkeit in Österreich ausüben können. Diese Ersuchen betrafen insbesondere das Erfordernis einer Niederlassung oder einer dauerhaften Infrastruktur in Österreich. Angesichts der eingegangenen Antworten warf die Kommission in einem Mahnschreiben vom 8. November 2000 an die Republik Österreich die Frage der Vereinbarkeit dieser Anforderung mit Art. 49 EG auf.

13     Auf die Antwort der österreichischen Behörden auf das Mahnschreiben hin forderte die Kommission die Republik Österreich mit einer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 16. Oktober 2002 auf, ihren Verpflichtungen binnen zwei Monaten nach Zustellung dieser Stellungnahme nachzukommen. Sie vertrat darin die Ansicht, die Bedingung, in Österreich eine Niederlassung oder eine dauerhafte Infrastruktur zu unterhalten, die den in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen und niedergelassenen privaten Kontrollstellen auferlegt werde, verstoße gegen Art. 49 EG. Zwar sei jeder Mitgliedstaat berechtigt, sich zu vergewissern, dass die Kontrollstellen im Mitgliedstaat ihrer Niederlassung tatsächlich über eine Zulassung verfügten, zu diesem Zweck sei aber ein verkürztes Genehmigungsverfahren ausreichend.

14     In ihrer Antwort vom 23. Dezember 2002 entgegnete die Republik Österreich, dass die Tätigkeit der privaten Kontrollstellen unter die in Art. 55 EG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 EG vorgesehene Ausnahme zu Art. 49 EG falle. Hilfsweise hielt sie an ihrer bereits dargelegten Position fest, dass es im Interesse der Erzeuger und Verbraucher von Erzeugnissen des ökologischen Landbaus sei, dass private Kontrollstellen im österreichischen Hoheitsgebiet eine Niederlassung oder dauerhafte Infrastruktur unterhielten, damit die nationalen Behörden die Bedingungen überprüfen könnten, unter denen sie die Kontrollen durchführten.

15     Da die Kommission die Situation nach wie vor für unbefriedigend hielt, hat sie die vorliegende Klage erhoben.

 Zur Klage

 Vorbringen der Parteien

16     Die Kommission vertritt die Auffassung, dass die streitige Verwaltungspraxis zu einem durch die Verordnung Nr. 2092/91 harmonisierten Regelungsbereich gehöre. Bei der Verabschiedung der Verordnung habe der Rat der Europäischen Union nicht auf Art. 66 EWG-Vertrag (später Art. 66 EG-Vertrag, jetzt Art. 55 EG) in Verbindung mit Art. 55 EWG-Vertrag (später Art. 55 EG-Vertrag, jetzt Art. 45 EG) zurückgegriffen, so dass die Kontrolle und die Kennzeichnung von Erzeugnissen des ökologischen Landbaus keine Tätigkeit darstellten, die aus dem Anwendungsbereich des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs des Art. 49 EG herausgenommen sei.

17     Diese Folgerung werde im Übrigen durch verschiedene Umstände bestätigt, die zeigten, dass die Tätigkeit der privaten Kontrollstellen nicht unter die unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs falle. Die Kommission bezieht sich insoweit auf das Urteil vom 21. Juni 1974, Reyners (2/74, Slg. 1974, 631).

18     Zum einen sei das Rechtsverhältnis zwischen der Kontrollstelle und dem kontrollierten Unternehmen, das zu der Ausstellung eines einfachen Konformitätsvermerks oder dessen Versagung führt, rein privatrechtlicher Natur.

19     Zum anderen könnten das einem Unternehmen erteilte Verbot, auf den ökologischen Landbau hinzuweisen, und die anderen in Art. 9 Abs. 9 und Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2092/91 vorgesehenen Maßnahmen im Fall der Feststellung einer Unregelmäßigkeit in letzter Instanz nur von den zuständigen Behörden oder Gerichten und nicht von den privaten Kontrollstellen selbst erlassen werden. Außerdem hindere das Verbot, auf den ökologischen Landbau hinzuweisen, nicht an der herkömmlichen Vermarktung der betreffenden Erzeugnisse.

20     In der Frage der Vereinbarkeit der streitigen Verwaltungspraxis mit dem Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs räumt die Kommission ein, dass es den österreichischen Behörden freistehe, sich z. B. durch ein verkürztes Genehmigungsverfahren zu vergewissern, dass die privaten Kontrollstellen in ihrem Herkunftsmitgliedstaat tatsächlich über eine Zulassung verfügten. Die Forderung nach einer dauerhaften Niederlassung in Österreich stelle jedoch insoweit eine Einschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs nach Art. 49 EG dar, als sie eine solche Dienstleistung für private Kontrollstellen, die bereits über eine Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat verfügten, wegen der damit verbundenen Kosten weniger attraktiv mache und nicht berücksichtige, dass eine solche Stelle die in der Verordnung Nr. 2092/91 aufgestellten Voraussetzungen bereits im Mitgliedstaat der Zulassung erfülle. Die in diesem Staat erfolgte Zulassung gewährleiste, dass die private Kontrollstelle über die Kompetenz, die Erfahrung und die Mittel verfüge, die erforderlich seien, um die Kontrollleistungen in Österreich zu erbringen.

21     Im Hinblick auf die von der österreichischen Regierung geltend gemachte Notwendigkeit, die Objektivität und Wirksamkeit der von den privaten Kontrollstellen durchgeführten Kontrollen zum Schutz der Verbraucher überprüfen zu können, betont die Kommission, dass die Verordnung Nr. 2092/91 für den Fall der Nichtbeachtung der Kontrollkriterien besondere Sanktionen vorsehe und dass es allein Sache der zuständigen Behörden des Mitgliedstaats der Zulassung sei, die Maßnahmen insbesondere des Art. 9 Abs. 5, 7 bis 9 und 11 der Verordnung zu treffen.

22     Die österreichische Republik bestreitet nicht, dass das Erfordernis einer Niederlassung in Österreich, das privaten Kontrollstellen auferlegt werde, die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen und zugelassen seien, damit sie ihre Tätigkeit in Österreich ausüben könnten, geeignet sei, die in Art. 49 EG gewährleistete Dienstleistungsfreiheit zu beeinträchtigen.

23     Sie trägt jedoch vor, die in der Verordnung Nr. 2092/91 vorgesehene Tätigkeit der privaten Kontrollstellen stelle eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 55 EG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 EG dar.

24     Diese Auffassung beruhe auf verschiedenen Bestimmungen der Verordnung Nr. 2092/91.

25     So bestimme Art. 10 der Verordnung, dass die privaten Kontrollstellen Konformitätsvermerke ausstellten. Nach österreichischem Verwaltungsrecht werde die Befugnis zur Ausstellung öffentlicher Urkunden als hoheitlicher Akt angesehen und nicht lediglich als administrative Dienstleistung. Die Reichweite der Untersagung des Hinweises auf ökologischen Landbau sei ebenfalls entscheidend, da sie unter bestimmten Umständen einem Vermarktungsverbot gleichkommen könne.

26     Im Übrigen zeugten die weiten Kontrollbefugnisse der privaten Kontrollstellen nach Art. 9 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang III der Verordnung Nr. 2092/91 von einer unmittelbaren und spezifischen Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt. In dieser Hinsicht habe nach der Rechtsprechung, insbesondere dem Urteil des Gerichtshofs vom 5. Oktober 1994, van Schaik (C‑55/93, Slg. 1994, I‑4837, Randnr. 16), der Umstand, dass private Kontrollstellen die administrativen und technischen Aspekte der Kontrollen übernähmen und dass zwischen ihnen und den Unternehmen, die sie kontrollierten, ein privatrechtlicher Vertrag bestehe, keinerlei Einfluss auf die Qualifizierung ihrer Tätigkeit.

27     Die österreichische Republik trägt außerdem vor, dass die Verordnung Nr. 2092/91 nicht sämtliche Aspekte des Kontrollverfahrens oder der Zulassung von privaten Kontrollstellen harmonisiere, so dass es jedem Mitgliedstaat freistehe, den privaten Kontrollstellen, die ihre Dienste in seinem Hoheitsgebiet anbieten wollten, Bedingungen aufzuerlegen, die es den zuständigen Behörden erlaubten, die in der Verordnung vorgesehenen Maßnahmen zur Überprüfung und Überwachung dieser Stellen auszuführen. Eine solche Überwachung sei nur erschwert oder gar nicht durchführbar, wenn die privaten Kontrollstellen im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in dem die Dienstleistung erbracht werde, keine dauerhafte Niederlassung unterhielten. Eine solche Forderung sei insbesondere zum Schutz der Verbraucher von Erzeugnissen des ökologischen Landbaus gerechtfertigt.

 Würdigung durch den Gerichtshof

28     In den Mitgliedstaaten, die sich für ein System entschieden haben, in dem die Kontrolle von Erzeugnissen des ökologischen Landbaus durch zugelassene private Kontrollstellen vorgenommen wird, regelt die Verordnung Nr. 2092/91 das Verfahren und die Voraussetzungen der Zulassung dieser Stellen, die Art und Weise, in der sie die Kontrollen durchzuführen haben, und das Überwachungsverfahren, dem sie im Mitgliedstaat ihrer Zulassung unterliegen. Diese Verordnung enthält allerdings keine Bestimmungen über die Erbringung von Kontrollleistungen durch private Kontrollstellen in anderen Mitgliedstaaten als dem ihrer Zulassung.

29     Auf einem Gebiet, das auf Gemeinschaftsebene nicht vollständig harmonisiert ist, bleiben die Mitgliedstaaten zwar grundsätzlich befugt, die Bedingungen für die Ausübung der Tätigkeiten auf diesem Gebiet festzulegen, sie müssen jedoch ihre Befugnisse unter Beachtung der durch den EG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten ausüben (vgl. Urteil vom 26. Januar 2006, Kommission/Spanien, C‑514/03, Slg. 2006, I‑963, Randnr. 23, und vom 14. Dezember 2006, Kommission/Österreich, C‑257/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 18).

30     Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob die von der streitigen Verwaltungspraxis auferlegte Bedingung, dass private Kontrollstellen, die bereits in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen sind und somit dort eine Niederlassung unterhalten, über eine Niederlassung im österreichischen Hoheitsgebiet verfügen müssen, mit Art. 49 EG vereinbar ist.

31     Nach ständiger Rechtsprechung sind als Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs alle Maßnahmen anzusehen, die die Ausübung dieser Freiheit unterbinden, behindern oder weniger attraktiv machen (vgl. Urteil vom 3. Oktober 2006, Fidium Finanz, C‑452/04, Slg. 2006, I‑9521, Randnr. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32     Danach läuft das von der streitigen Verwaltungspraxis verlangte Erfordernis einer Niederlassung dem freien Dienstleistungsverkehr direkt zuwider, da es die Erbringung der betreffenden Dienstleistungen in der Republik Österreich durch private Kontrollstellen, die nur in anderen Mitgliedstaaten niedergelassen sind, unmöglich macht (vgl. entsprechend Urteil vom 9. März 2000, Kommission/Belgien, C‑355/98, Slg. 2000, I‑1221, Randnr. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33     Folglich ist zu prüfen, ob die streitige Verwaltungspraxis aufgrund der im EG-Vertrag vorgesehenen Ausnahmen oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein kann.

34     Die Republik Österreich, die nicht bestreitet, dass das Erfordernis den freien Dienstleistungsverkehr beschränkt, macht dazu geltend, dass die Tätigkeit der privaten Kontrollstellen eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 55 EG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 EG darstelle, und hilfsweise, dass die streitige Verwaltungspraxis durch das Ziel des Verbraucherschutzes gerechtfertigt sei.

35     Im Zusammenhang mit der ersten Argumentationslinie ist darauf zu verweisen, dass Art. 55 EG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 EG als Ausnahme vom Grundprinzip der Dienstleistungsfreiheit so auszulegen ist, dass sich seine Tragweite auf das beschränkt, was zur Wahrung der Interessen, deren Schutz diese Bestimmung den Mitgliedstaaten erlaubt, unbedingt erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. März 2006, Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti, C‑451/03, Slg. 2006, I‑2941, Randnr. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36     Somit muss sich die in diesen Artikeln vorgesehene Ausnahmeregelung nach ständiger Rechtsprechung auf Tätigkeiten beschränken, die als solche eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt darstellen (vgl. Urteil Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti, Randnr. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung); dies schließt aus, dass rein helfende und vorbereitende Aufgaben für eine Einrichtung, die durch den Erlass der abschließenden Entscheidung tatsächlich öffentliche Gewalt ausübt, als Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne dieser Ausnahmeregelung angesehen werden (Urteil vom 13. Juli 1993, Thijssen, C‑42/92, Slg. 1993, I‑4047, Randnr. 22).

37     Aus der Verordnung Nr. 2092/91 ergibt sich, dass die Tätigkeit privater Kontrollstellen und die Einzelheiten ihrer Ausübung wie folgt beschrieben werden können.

38     Erstens setzen die privaten Kontrollstellen nach Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2092/91 die in deren Anhang III aufgeführten Kontrollanforderungen und Vorkehrungen um.

39     Zweitens ziehen diese Stellen nach Art. 9 Abs. 9 Buchst. a und b der Verordnung die Konsequenzen aus den von ihnen durchgeführten Kontrollen, indem sie gegebenenfalls die Verwendung von Hinweisen auf den ökologischen Landbau für die von den kontrollierten Unternehmen vermarkteten Erzeugnisse erlauben bzw. im Fall eines offenkundigen Verstoßes oder eines Verstoßes mit Langzeitwirkung die Vermarktung der Erzeugnisse des betreffenden Unternehmens mit Hinweisen auf den ökologischen Landbau für die Dauer einer im Voraus mit der zuständigen Behörde festgelegten Frist untersagen.

40     Drittens müssen die privaten Kontrollstellen nach Art. 9 Abs. 6 Buchst. c und Abs. 8 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 2092/91 der mit ihrer Zulassung und Überwachung beauftragten Behörde über ihre Tätigkeit berichten, indem sie sie über festgestellte Unregelmäßigkeiten und Verstöße sowie über verhängte Sanktionen informieren, ihr jede erforderliche Auskunft erteilen und ihr alljährlich ein Verzeichnis der Unternehmen, die ihrer Kontrolle unterstanden haben, und einen Tätigkeitsbericht übermitteln. Außerdem sieht Art. 9 Abs. 8 Buchst. a vor, dass die privaten Kontrollstellen der zuständigen Behörde zu Inspektionszwecken Zugang zu ihren Diensträumen und Einrichtungen gewähren und in dem Maß auskunfts- und unterstützungspflichtig sind, wie dies der zuständigen Behörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben geboten erscheint.

41     Daraus ergibt sich zwar, dass die Tätigkeit der privaten Kontrollstellen nicht darauf beschränkt ist, einfache Kontrollen der Konformität von Erzeugnissen des ökologischen Landbaus zu organisieren, sondern auch die Ausübung von Befugnissen in Bezug auf die aus diesen Kontrollen zu ziehenden Konsequenzen umfasst, doch ist hervorzuheben, dass die Verordnung Nr. 2092/91 die Kontrolle dieser Stellen durch die zuständige Behörde vorsieht. So unterstellt Art. 9 Abs. 4 der Verordnung die privaten Kontrollstellen der Überwachung durch die zuständige Behörde. Art. 9 Abs. 6 regelt u. a. die Einzelheiten dieser Überwachung und sieht insbesondere vor, dass die Behörde neben ihrer Zuständigkeit für die Erteilung und den Entzug der Zulassung die Objektivität gewährleistet und die Wirksamkeit der von den privaten Kontrollstellen durchgeführten Kontrollen überprüft. Darüber hinaus verpflichtet Art. 9 Abs. 8 Buchst. a der Verordnung die Stellen, der zuständigen Behörde zu Inspektionszwecken Zugang zu ihren Diensträumen und Einrichtungen zu gewähren.

42     Es zeigt sich also, dass die privaten Kontrollstellen ihre Tätigkeit unter aktiver Überwachung durch die zuständige Behörde ausüben, die letztlich die Verantwortung für die Kontrollen und Entscheidungen dieser Stellen trägt, wie die in der vorstehenden Randnummer genannten Pflichten dieser Behörde belegen. Diese Schlussfolgerung wird im Übrigen durch das Überwachungssystem des LMG bekräftigt, wonach die Landeshauptmänner als Überwachungsbehörden die in Art. 9 Abs. 9 Buchst. b der Verordnung Nr. 2092/91 vorgesehenen Maßnahmen ergreifen und die privaten Kontrollstellen auf diesem Gebiet nur über ein Vorschlagsrecht verfügen. Daraus ergibt sich, dass die helfende und vorbereitende Rolle, die den privaten Kontrollstellen durch die Verordnung gegenüber der Überwachungsbehörde übertragen wurde, nicht als unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 55 EG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 EG angesehen werden kann.

43     Die Republik Österreich ist jedoch der Ansicht, dass die Ausstellung von Konformitätsvermerken durch private Kontrollstellen nach österreichischem Verwaltungsrecht ein hoheitlicher Akt sei. Im Übrigen verfügten diese Stellen über vom allgemeinen Recht abweichende Befugnisse, um ihre Aufgabe zu erfüllen, insbesondere was die ihnen eingeräumten Kontroll- und Sanktionsrechte betreffe.

44     Wie bereits in Randnr. 35 des vorliegenden Urteils festgestellt, ist in dieser Hinsicht zum einen zu betonen, dass die in Art. 55 EG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 EG vorgesehene Ausnahme so auszulegen ist, dass sich ihre Tragweite auf das beschränkt, was zur Wahrung der Interessen, deren Schutz diese Bestimmung den Mitgliedstaaten erlaubt, unbedingt erforderlich ist.

45     Zum anderen steht zwar die Verordnung Nr. 2092/91 dem nicht entgegen, dass die Mitgliedstaaten die privaten Kontrollstellen zur Erfüllung ihrer Kontrolltätigkeit mit hoheitlichen Befugnissen ausstatten oder sie mit anderen Tätigkeiten betrauen, die als solche eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt darstellen, doch ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Ausweitung der in den Art. 45 EG und 55 EG gestatteten Ausnahme auf einen Beruf als Ganzen nicht zu billigen, wenn die Tätigkeiten, die gegebenenfalls mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind, einen abtrennbaren Teil der betreffenden Berufstätigkeit insgesamt darstellen (vgl. zu Art. 45 EG Urteil Reyners, Randnr. 47).

46     Wie in Randnr. 42 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, stellt die Tätigkeit der privaten Kontrollstellen, wie sie in der Verordnung Nr. 2092/91 festgelegt ist, als solche keine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt dar, so dass jede andere, zusätzliche Tätigkeit, die eine solche Teilnahme bildet, davon zwangsläufig abtrennbar ist.

47     Schließlich ist das durch die Verordnung Nr. 2092/91 eingeführte Kontrollverfahren von dem Kontrollverfahren zu unterscheiden, das durch die Richtlinie 77/143/EWG des Rates vom 29. Dezember 1976 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die technische Überwachung der Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger (ABl. L 47, S. 47) geschaffen wurde und Gegenstand der Rechtssache war, in der das Urteil Schaik ergangen ist, auf das sich die Republik Österreich zur Stützung ihrer Ansicht beruft.

48     Während der Gerichtshof in Randnr. 22 dieses Urteils festgestellt hat, dass die Richtlinie 77/143 im Hinblick auf den teilweisen Charakter der Harmonisierung der Untersuchungskriterien angesichts der Vielzahl der Untersuchungsvorgänge und -verfahren nicht jeden Mitgliedstaat verpflichtet, für in seinem Hoheitsgebiet zugelassene Fahrzeuge in anderen Mitgliedstaaten erteilte Prüfnachweise anzuerkennen, zielt nämlich die Verordnung Nr. 2092/91 nach ihrem 13. Erwägungsgrund darauf ab, ein Kontrollverfahren für landwirtschaftliche Erzeugnisse des ökologischen Landbaus einzuführen, das den gemeinschaftlichen Mindestanforderungen entspricht, deren Einhaltung einen Anspruch auf Verwendung eines gemeinschaftlichen Konformitätsvermerks eröffnet.

49     Demnach kann sich die Republik Österreich nicht mit Erfolg auf das Urteil Schaik berufen, weil die Verordnung Nr. 2092/91 eine Harmonisierung des Konformitätsvermerks für die betreffenden landwirtschaftlichen Erzeugnisse herbeiführt.

50     Da die Republik Österreich im vorliegenden Fall Art. 55 EG nicht mit Erfolg anführen kann, ist ihre zweite Argumentationslinie, die Rechtfertigung der streitigen Verwaltungspraxis durch Gründe des Verbraucherschutzes, zu prüfen.

51     Die Republik Österreich trägt insbesondere vor, dass das Erfordernis einer Niederlassung oder dauerhaften Infrastruktur im österreichischen Hoheitsgebiet unerlässlich sei, damit die österreichischen Behörden gewährleisten könnten, dass die privaten Kontrollstellen, die dort Kontrollleistungen erbrächten, tatsächlich über die notwendige Infrastruktur und das notwendige Personal verfügten, und damit sie die in der Verordnung Nr. 2092/91 vorgesehenen Inspektionen vor Ort vornehmen könnten.

52     Der Verbraucherschutz kann nach ständiger Rechtsprechung Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 9. Juli 1997, De Agostini und TV-Shop, C‑34/95 bis C‑36/95, Slg. 1997, I‑3843, Randnr. 53, vom 6. November 2003, Gambelli u. a., C‑243/01, Slg. 2003, I‑13031, Randnr. 67, und vom 6. März 2007, Placanica u. a., C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04, Slg. 2007, I‑0000, Randnr. 46).

53     Es muss jedoch sichergestellt werden, dass die hierfür getroffenen Maßnahmen nicht über das hinausgehen, was objektiv erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. März 2004, Kommission/Frankreich, C‑496/01, Slg. 2004, I‑2351, Randnr. 68).

54     Die Bedingung, dass in einem anderen Mitgliedstaat zugelassene private Kontrollstellen im österreichischen Hoheitsgebiet eine Niederlassung unterhalten müssen, damit sie ihre Tätigkeit in Österreich ausüben können, geht über das hinaus, was zur Erreichung des Ziels des Verbraucherschutzes objektiv erforderlich ist.

55     Die Verordnung Nr. 2092/91 setzt nämlich Mindestanforderungen für die Überwachung dieser Stellen fest. Diese Anforderungen gelten in allen Mitgliedstaaten, so dass garantiert ist, dass eine in einem Mitgliedstaat zugelassene private Kontrollstelle, die in Österreich Kontrollleistungen erbringt, insbesondere den verschiedenen Anforderungen der Verordnung genügt, und dass somit der Verbraucherschutz gewährleistet ist.

56     Folglich schließt die streitige Verwaltungspraxis, wonach in einem anderen Mitgliedstaat zugelassene private Kontrollstellen in Österreich eine Niederlassung unterhalten müssen, um den österreichischen Behörden ihre Überwachung zu ermöglichen, eine Berücksichtigung der bereits im Mitgliedstaat der Zulassung bestehenden Verpflichtungen und Überwachungsmaßnahmen aus.

57     Es wäre den österreichischen Behörden aber möglich, die Garantien, die nach der Verordnung Nr. 2092/91 und im Interesse des Verbraucherschutzes erforderlich sind, durch weniger einschränkende Maßnahmen zu erhalten.

58     So könnten die Behörden von einer in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen privaten Kontrollstelle vor der Aufnahme ihrer Tätigkeit den Nachweis verlangen, dass sie in ihrem Niederlassungsstaat tatsächlich zugelassen ist und über die notwendige Infrastruktur sowie das notwendige Personal für die Leistungen verfügt, die sie auf österreichischem Hoheitsgebiet erbringen möchte. Diese Umstände könnten von den zuständigen mit der Überwachung der Tätigkeit der betreffenden Stelle betrauten Behörden des Niederlassungsstaats bestätigt werden.

59     Sollte bei den in Österreich von dieser Stelle durchgeführten Kontrollen eine Unregelmäßigkeit festgestellt werden, so sieht die Verordnung Nr. 2092/91 in Art. 10a ein Verfahren des Informationsaustauschs zwischen den Mitgliedstaaten vor, durch das die österreichischen Behörden die Behörden, die diese Stelle überwachen, auf die Unregelmäßigkeit aufmerksam machen könnten, damit diese die gebotenen Maßnahmen, z. B. eine Inspektion der Anlagen der Stelle, ergreifen und, falls erforderlich, die Zulassung entziehen.

60     Demnach ist festzustellen, dass das Erfordernis, das sich aus der streitigen Verwaltungspraxis ergibt, in Bezug auf das Ziel des Verbraucherschutzes, auf das sich die Republik Österreich beruft, nicht verhältnismäßig ist.

61     Nach alledem hat die Republik Österreich mit der Forderung, dass in einem anderen Mitgliedstaat zugelassene private Kontrollstellen im österreichischen Hoheitsgebiet eine Niederlassung unterhalten müssen, damit sie dort Kontrollleistungen erbringen können, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG verstoßen.

 Kosten

62     Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Republik Österreich beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Republik Österreich hat mit der Forderung, dass in einem anderen Mitgliedstaat zugelassene private Kontrollstellen für Erzeugnisse des ökologischen Landbaus im österreichischen Hoheitsgebiet eine Niederlassung unterhalten müssen, damit sie dort Kontrollleistungen erbringen können, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG verstoßen.

2.      Die Republik Österreich trägt die Kosten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.