Rechtssache C‑490/04
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
gegen
Bundesrepublik Deutschland
„Vertragsverletzungsklage – Zulässigkeit – Art. 49 EG – Freier Dienstleistungsverkehr – Entsendung von Arbeitnehmern – Beschränkungen – Beiträge an die nationale Urlaubskasse – Übersetzung von Unterlagen – Anmeldung des Einsatzorts der entsandten Arbeitnehmer“
Leitsätze des Urteils
1. Vertragsverletzungsklage – Vorverfahren – Gegenstand
(Art. 226 EG)
2. Vertragsverletzungsklage – Klagerecht der Kommission – Frist für die Ausübung
(Art. 226 EG)
3. Vertragsverletzungsklage – Nachweis der Vertragsverletzung – Obliegenheit der Kommission
(Art. 226 EG)
4. Freier Dienstleistungsverkehr – Beschränkungen – Entsendung von Arbeitnehmern
(Art. 49 EG)
5. Freier Dienstleistungsverkehr – Beschränkungen – Entsendung von Arbeitnehmern
(Art. 49 EG)
1. Das vorprozessuale Verfahren nach Art. 226 EG soll dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit geben, seinen gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen oder seine Verteidigungsmittel gegenüber den Rügen der Kommission wirkungsvoll geltend zu machen.
(vgl. Randnr. 25)
2. Die Bestimmungen des Art. 226 EG sind anzuwenden, ohne dass die Kommission eine bestimmte Frist einhalten muss, sofern nicht ein Fall vorliegt, in dem eine zu lange Dauer des in diesem Artikel vorgesehenen Vorverfahrens es dem betroffenen Staat erschweren könnte, die Argumente der Kommission zu widerlegen, und damit die Verteidigungsrechte verletzen würde. Dass dies der Fall ist, hat der betroffene Mitgliedstaat nachzuweisen.
(vgl. Randnr. 26)
3. Im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 EG ist es Sache der Kommission, das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung nachzuweisen. Sie muss dem Gerichtshof die erforderlichen Anhaltspunkte liefern, anhand deren er das Vorliegen dieser Vertragsverletzung prüfen kann, wobei sie sich nicht auf Vermutungen stützen darf.
Außerdem ist die Bedeutung der nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften unter Berücksichtigung ihrer Auslegung durch die nationalen Gerichte zu beurteilen.
(vgl. Randnrn. 48-49)
4. Ein Mitgliedstaat, der ausländische Arbeitgeber, die Arbeitnehmer im Inland beschäftigen, verpflichtet, bestimmte Unterlagen, die für die gesamte Dauer der tatsächlichen Beschäftigung der entsandten Arbeitnehmer am Beschäftigungsort bereitzuhalten sind, in die Sprache dieses Mitgliedstaats zu übersetzen, verstößt nicht gegen seine Verpflichtungen aus Art. 49 EG.
Diese Pflicht stellt zwar eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar, weil sie Kosten sowie zusätzlichen finanziellen und administrativen Aufwand für die in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen verursacht, so dass diese den im Aufnahmemitgliedstaat ansässigen Arbeitgebern unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbs nicht gleichgestellt sind und somit von der Erbringung von Dienstleistungen in diesem Mitgliedstaat abgehalten werden können.
Sie kann jedoch durch ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel, nämlich den sozialen Schutz der Arbeitnehmer, gerechtfertigt sein, weil sie es den zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats ermöglicht, die Kontrollen durchzuführen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der einschlägigen nationalen Vorschriften zu gewährleisten. Da nur einige wenige Dokumente übersetzt werden müssen und dem Arbeitgeber kein großer administrativer oder finanzieller Aufwand entsteht, geht sie nicht über das hinaus, was zur Erreichung des verfolgten Ziels des sozialen Schutzes erforderlich ist.
(vgl. Randnrn. 66, 68-72, 76)
5. Ein Mitgliedstaat, der ausländische Zeitarbeitsunternehmen verpflichtet, nicht nur die Überlassung eines Arbeitnehmers an einen Entleiher in dem betroffenen Mitgliedstaat, sondern auch den Einsatzort dieses Arbeitnehmers und jede Änderung dieses Ortes anzumelden, während für die in diesem Mitgliedstaat ansässigen Zeitarbeitsunternehmen diese zusätzliche Pflicht nicht besteht, verstößt gegen seine Verpflichtungen aus Art. 49 EG.
(vgl. Randnrn. 85, 89 und Tenor)
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)
18. Juli 2007(*)
„Vertragsverletzungsverfahren – Zulässigkeit – Art. 49 EG – Freier Dienstleistungsverkehr – Entsendung von Arbeitnehmern – Beschränkungen – Beiträge an die nationale Urlaubskasse – Übersetzung von Unterlagen – Anmeldung des Einsatzorts der entsandten Arbeitnehmer“
In der Rechtssache C‑490/04
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 29. November 2004,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa, G. Braun und H. Kreppel als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch W.‑D. Plessing, M. Lumma und C. Schulze-Bahr als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt T. Lübbig,
Beklagte,
unterstützt durch:
Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues und O. Christmann als Bevollmächtigte,
Streithelferin,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter R. Schintgen, A. Tizzano (Berichterstatter), M. Ilešič und E. Levits,
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2006,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Dezember 2006
folgendes
Urteil
1 Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG verstoßen hat, dass sie Rechtsvorschriften erlassen hat, nach denen
– ausländische Unternehmen selbst dann verpflichtet sind, für ihre entsandten Arbeitnehmer Beiträge an die deutsche Urlaubskasse abzuführen, wenn sie nach den Rechtsvorschriften des Niederlassungsstaats ihres Arbeitgebers einen im Wesentlichen vergleichbaren Schutz genießen (§ 1 Abs. 3 des Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen vom 26. Februar 1996 [BGBl. I S. 227, im Folgenden: Arbeitnehmer-Entsendegesetz oder AEntG]);
– ausländische Unternehmen verpflichtet sind, den Arbeitsvertrag oder die nach dem Recht des Wohnsitzlands des Arbeitnehmers im Rahmen der Richtlinie 91/533/EWG des Rates vom 14. Oktober 1991 über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen (ABl. L 288, S. 32) erforderlichen Unterlagen, die Lohnabrechnungen, die Arbeitszeitnachweise, die Nachweise über erfolgte Lohnzahlungen sowie alle sonstigen Unterlagen, die von den deutschen Behörden verlangt werden, ins Deutsche übersetzen zu lassen (§ 2 AEntG);
– ausländische Zeitarbeitsunternehmen verpflichtet sind, eine Anmeldung nicht nur vor jeder Überlassung eines Arbeitnehmers an einen Entleiher in Deutschland vorzunehmen, sondern auch vor jeder Beschäftigung auf einer Baustelle durch den Entleiher (§ 3 Abs. 2 AEntG).
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
EG-Vertrag
2 Art. 49 EG bestimmt:
„Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten.
…“
Richtlinie 96/71/EG
3 Nach ihrem Art. 1 Abs. 1 gilt die Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. 1997, L 18, S. 1) „für Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat, die im Rahmen der länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen Arbeitnehmer … in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsenden“.
4 Art. 3 („Arbeits‑ und Beschäftigungsbedingungen“) dieser Richtlinie bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass unabhängig von dem auf das jeweilige Arbeitsverhältnis anwendbaren Recht die in Artikel 1 Absatz 1 genannten Unternehmen den in ihr Hoheitsgebiet entsandten Arbeitnehmern bezüglich der nachstehenden Aspekte die Arbeits‑ und Beschäftigungsbedingungen garantieren, die in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet die Arbeitsleistung erbracht wird,
– durch Rechts‑ oder Verwaltungsvorschriften und/oder
– durch für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge oder Schiedssprüche im Sinne des Absatzes 8, sofern sie die im Anhang genannten Tätigkeiten betreffen,
festgelegt sind:
…
b) bezahlter Mindestjahresurlaub;
…
d) Bedingungen für die Überlassung von Arbeitskräften, insbesondere durch Leiharbeitsunternehmen;
…“
5 Art. 4 („Zusammenarbeit im Informationsbereich“) der Richtlinie sieht vor:
„(1) Zur Durchführung dieser Richtlinie benennen die Mitgliedstaaten gemäß ihren Rechtsvorschriften und/oder Praktiken ein oder mehrere Verbindungsbüros oder eine oder mehrere zuständige einzelstaatliche Stellen.
(2) Die Mitgliedstaaten sehen die Zusammenarbeit der Behörden vor, die entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften für die Überwachung der in Artikel 3 aufgeführten Arbeits‑ und Beschäftigungsbedingungen zuständig sind. Diese Zusammenarbeit besteht insbesondere darin, begründete Anfragen dieser Behörden zu beantworten, die das länderübergreifende Zurverfügungstellen von Arbeitnehmern, einschließlich offenkundiger Verstöße oder Fälle von Verdacht auf unzulässige länderübergreifende Tätigkeiten, betreffen.
…“
Nationales Recht
6 Bei Ablauf der Frist, die der Bundesrepublik Deutschland in der ihr zugestellten mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt worden war, war die Entsendung von Arbeitnehmern in diesem Mitgliedstaat durch das Arbeitnehmer-Entsendegesetz geregelt.
7 Nach § 1 Abs. 1 AEntG gelten für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge des Baugewerbes, die die Dauer des Erholungsurlaubs, das Urlaubsentgelt oder ein zusätzliches Urlaubsgeld zum Gegenstand haben, auch für Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, die Arbeitnehmer nach Deutschland entsenden.
8 § 1 Abs. 3 AEntG bestimmt:
„Sind im Zusammenhang mit der Gewährung von Urlaubsansprüchen nach Absatz 1 die Einziehung von Beiträgen und die Gewährung von Leistungen durch allgemeinverbindliche Tarifverträge einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien übertragen, so finden die Rechtsnormen solcher Tarifverträge auch auf einen ausländischen Arbeitgeber und seinen im räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages beschäftigten Arbeitnehmer zwingend Anwendung, wenn in den betreffenden Tarifverträgen oder auf sonstige Weise sichergestellt ist, dass
1. der ausländische Arbeitgeber nicht gleichzeitig zu Beiträgen nach dieser Vorschrift und Beiträgen zu einer vergleichbaren Einrichtung im Staat seines Sitzes herangezogen wird und
2. das Verfahren der gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien eine Anrechnung derjenigen Leistungen vorsieht, die der ausländische Arbeitgeber zur Erfüllung des gesetzlichen, tarifvertraglichen oder einzelvertraglichen Urlaubsanspruchs seines Arbeitnehmers bereits erbracht hat.
…“
9 § 2 Abs. 3 AEntG sieht vor:
„Jeder Arbeitgeber mit Sitz im Ausland ist verpflichtet, die für die Kontrolle der Einhaltung der Rechtspflichten nach § 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2a Satz 2 und Abs. 3a Satz 5 erforderlichen Unterlagen im Inland für die gesamte Dauer der tatsächlichen Beschäftigung des Arbeitnehmers im Geltungsbereich dieses Gesetzes, mindestens für die Dauer der gesamten Bauleistung, insgesamt jedoch nicht länger als zwei Jahre in deutscher Sprache, auf Verlangen der Prüfbehörde auch auf der Baustelle bereitzuhalten.“
10 § 3 Abs. 2 AEntG schließlich sieht vor:
„Überlässt ein Verleiher mit Sitz im Ausland einen oder mehrere Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung einem Entleiher im Geltungsbereich dieses Gesetzes, so hat er … vor Beginn jeder Bauleistung der zuständigen Behörde der Zollverwaltung schriftlich eine Anmeldung in deutscher Sprache mit folgenden Angaben zuzuleiten:
1. Namen, Vornamen und Geburtsdaten der von ihm in den Geltungsbereich dieses Gesetzes überlassenen Arbeitnehmer,
2. Beginn und Dauer der Überlassung,
3. Ort der Beschäftigung (Baustelle),
…“
Vorverfahren
11 Aufgrund zahlreicher Beschwerden wies die Kommission die deutschen Behörden mit einem Mahnschreiben vom 12. November 1998 und einem ergänzenden Mahnschreiben vom 17. August 1999 auf die Unvereinbarkeit verschiedener Bestimmungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes mit Art. 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 49 EG) hin.
12 Da die Kommission die Erklärungen der Bundesrepublik Deutschland in deren Schreiben vom 8. März, 4. Mai und 25. Oktober 1999 für unzureichend hielt, forderte sie diese mit einer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 25. Juli 2001 auf, die Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um dieser Stellungnahme binnen zwei Monaten nach deren Eingang nachzukommen.
13 Mit Schreiben vom 1. Oktober 2001, 10. Dezember 2001, 3. Februar 2003 und 4. Dezember 2003 übermittelte die Bundesrepublik Deutschland der Kommission ihre Erklärungen zu der mit Gründen versehenen Stellungnahme. Mit Schreiben vom 23. Januar 2004 notifizierte sie der Kommission eine aufgrund des Erlasses des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2848) geänderte Fassung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes.
14 Nachdem sie festgestellt hatte, dass die ursprünglich gerügten Verstöße durch die Novellierung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes nur zum Teil abgestellt wurden, hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.
Klage
Zulässigkeit
15 Die deutsche Regierung erhebt vier Einreden der Unzulässigkeit, die sich auf die Wahl von Art. 49 EG als Maßstab für die Prüfung der Vereinbarkeit des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes mit dem Gemeinschaftsrecht, die unangemessene Dauer des Vorverfahrens, die Unbestimmtheit der Klageschrift und die Änderung des Gegenstands der ersten Rüge der Kommission beziehen.
Wahl von Art. 49 EG als Maßstab für die Prüfung der Vereinbarkeit des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes mit dem Gemeinschaftsrecht
16 Die deutschen Behörden vertreten die Auffassung, dass die fraglichen Bestimmungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes vorrangig anhand der Richtlinie 96/71 zu prüfen seien, die speziell die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung einer Dienstleistung betreffe. Im Einzelnen hätte die Kommission darlegen müssen, dass die Bundesrepublik Deutschland die Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt habe oder dass die fraglichen Bestimmungen nicht im Einklang mit der Richtlinie angewandt würden.
17 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 96/71 die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten koordinieren soll, indem sie eine Liste der nationalen Vorschriften aufstellt, die ein Mitgliedstaat auf die in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen anwenden muss, die im Rahmen einer länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen Arbeitnehmer in sein Hoheitsgebiet entsenden.
18 So müssen die Mitgliedstaaten nach Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Richtlinie dafür sorgen, dass diese Unternehmen unabhängig von dem auf das jeweilige Arbeitsverhältnis anwendbaren Recht den in ihr Hoheitsgebiet entsandten Arbeitnehmern bezüglich der in diesem Artikel genannten Aspekte die Arbeits‑ und Beschäftigungsbedingungen garantieren, die in dem Mitgliedstaat festgelegt sind, in dessen Hoheitsgebiet die Arbeitsleistung erbracht wird.
19 Die Richtlinie 96/71 harmonisiert jedoch nicht den materiell-rechtlichen Inhalt dieser nationalen Vorschriften (vgl. in diesem Sinne Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 25. Juli 2003 über die Durchführung der Richtlinie 96/71 in den Mitgliedstaaten, KOM[2003] 458 endg., Punkt 2.3.1.3). Dieser Inhalt kann daher von den Mitgliedstaaten unter Beachtung des EG-Vertrags und der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, im vorliegenden Verfahren also auch des Art. 49 EG, frei bestimmt werden.
20 In ihrer Klageschrift macht die Kommission geltend, § 1 Abs. 3, § 2 und § 3 Abs. 2 AEntG seien mit dem EG-Vertrag unvereinbar, weil sie den freien Dienstleistungsverkehr innerhalb der Gemeinschaft unzulässig beschränkten.
21 Beschränkungen dieser Grundfreiheit sind nach Art. 49 EG verboten. Die Kommission hat sich deshalb zu Recht auf diese Vorschrift berufen, um die Unvereinbarkeit der streitigen Bestimmungen mit dem Gemeinschaftsrecht zu rügen.
22 Die erste Unzulässigkeitseinrede der Bundesrepublik Deutschland ist daher zurückzuweisen.
Überlange Dauer des Vorverfahrens
23 Die Bundesrepublik Deutschland hält die Klage wegen der Verzögerungen des vorliegenden Vertragsverletzungsverfahrens, die der Kommission anzulasten seien, für unzulässig. Obwohl das Mahnschreiben, das die Kommission an sie gerichtet habe, vom 12. November 1998 datiere, habe diese ihre Klage erst am 29. November 2004 erhoben, d. h. über sechs Jahre nach Versendung des Mahnschreibens. Mit dieser sich aus diesen Verzögerungen ergebenden Nachlässigkeit habe die Kommission zum einen ihre Pflicht zur Wahrung einer angemessenen Verfahrensdauer verletzt und zum anderen gegen das Gebot der Rechtssicherheit verstoßen, auf das sich die Bundesrepublik Deutschland und die durch das Arbeitnehmer-Entsendegesetz geschützten Arbeitnehmer berufen könnten.
24 Nach Ansicht der deutschen Stellen hätte die Kommission das Verfahren beschleunigen können und müssen. Nach dessen Einleitung habe der Gerichtshof nämlich mehrere Urteile, die sich allgemein mit der Entsendung von Arbeitnehmern befassten, und ein Urteil speziell zum Arbeitnehmer-Entsendegesetz (vgl. Urteil vom 25. Oktober 2001, Finalarte u. a., C‑49/98, C‑50/98, C‑52/98 bis C‑54/98 und C‑68/98 bis C‑71/98, Slg. 2001, I‑7831) erlassen. Diese Urteile hätten es ermöglichen müssen, die Angelegenheit zügiger abzuschließen.
25 Insoweit ist jedoch zum einen darauf hinzuweisen, dass das vorprozessuale Verfahren nach Art. 226 EG dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit geben soll, seinen gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen oder seine Verteidigungsmittel gegenüber den Rügen der Kommission wirkungsvoll geltend zu machen (Urteil vom 5. November 2002, Kommission/Österreich, C‑475/98, Slg. 2002, I‑9797, Randnr. 35).
26 Zum anderen ist festzustellen, dass die Bestimmungen des Art. 226 EG nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs anzuwenden sind, ohne dass die Kommission eine bestimmte Frist einhalten muss, sofern nicht ein Fall vorliegt, in dem eine zu lange Dauer des in diesem Artikel vorgesehenen Vorverfahrens es dem betroffenen Staat erschweren könnte, die Argumente der Kommission zu widerlegen, und damit die Verteidigungsrechte verletzen würde. Dass dies der Fall ist, hat der betroffene Mitgliedstaat nachzuweisen (vgl. Urteile vom 16. Mai 1991, Kommission/Niederlande, C‑96/89, Slg. 1991, I‑2461, Randnrn. 15 und 16, vom 21. Januar 1999, Kommission/Belgien, C‑207/97, Slg. 1999, I‑275, Randnr. 25, und Kommission/Österreich, Randnr. 36).
27 Es kann dahingestellt bleiben, ob die Zeit zwischen dem an die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Mahnschreiben und der Klageerhebung im vorliegenden Fall in Anbetracht der vom Gerichtshof zur Entsendung von Arbeitnehmern erlassenen Urteile als zu lang zu betrachten ist, da die Bundesrepublik Deutschland keine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte aufgrund der Dauer des Vorverfahrens geltend macht und auch sonst nichts für eine solche Verletzung vorträgt.
28 Demnach ist auch die zweite Unzulässigkeitseinrede der deutschen Regierung zurückzuweisen.
Unbestimmtheit der Klageschrift
29 Die deutsche Regierung hält die Klage für unzulässig, weil in der Klageschrift die Rügen, über die der Gerichtshof entscheiden solle, nicht klar angegeben seien. Insbesondere lasse die Kommission die Frage offen, ob sie nur die Bestimmungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes als solche oder auch ihre Anwendung durch die deutschen Behörden und Gerichte in konkreten Fällen beanstande.
30 Nach Art. 38 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung muss die Klageschrift u. a. den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Folglich hat die Kommission in einer gemäß Art. 226 EG eingereichten Klageschrift die Rügen, über die der Gerichtshof entscheiden soll, hinreichend genau und zusammenhängend anzugeben, damit der Mitgliedstaat sich gebührend verteidigen und der Gerichtshof überprüfen kann, ob die behauptete Vertragsverletzung vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Dezember 1990, Kommission/Griechenland, C‑347/88, Slg. 1990, I‑4747, Randnr. 28, und vom 4. Mai 2006, Kommission/Vereinigtes Königreich, C‑98/04, Slg. 2006, I‑4003, Randnr. 18).
31 Im vorliegenden Fall geht aus der Begründung und den Anträgen der Klageschrift der Kommission jedoch hinreichend klar und bestimmt hervor, dass die Klage die Vereinbarkeit der §§ 1 Abs. 3, 2 und 3 Abs. 2 AEntG mit Art. 49 EG betrifft. Die Klage ist daher nicht mehrdeutig.
32 Folglich ist auch die dritte Unzulässigkeitseinrede der deutschen Regierung zurückzuweisen.
Änderung des Gegenstands der ersten Rüge
33 Die deutsche Regierung trägt vor, die erste Rüge sei unzulässig, weil ihr Gegenstand in der mit Gründen versehenen Stellungnahme und in der Klageschrift nicht gleichlautend formuliert sei.
34 In der mit Gründen versehenen Stellungnahme habe die Kommission erklärt, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG verstoßen habe, dass sie ausländische Unternehmen verpflichte, Beiträge an die deutsche Urlaubskasse des Baugewerbes abzuführen, „obwohl sie ihren Beschäftigten im Mitgliedstaat ihrer Niederlassung weiterhin direkt eine Urlaubsvergütung zahlen“. In der Klageschrift habe sie dagegen einen Verstoß gegen den EG-Vertrag festgestellt, der sich daraus ergebe, dass ausländische Unternehmen selbst dann verpflichtet seien, für ihre Arbeitnehmer Beiträge an die Urlaubskasse abzuführen, „wenn sie nach den Rechtsvorschriften des Niederlassungsstaates … einen im Wesentlichen gleichen Schutz“ genössen. Damit habe die Kommission den Streitgegenstand geändert und erweitert.
35 Die Kommission entgegnet, dass die unterschiedliche Formulierung des verfügenden Teils der mit Gründen versehenen Stellungnahme und der Klageanträge keine Änderung des Streitgegenstands bedeute.
36 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs wird der Gegenstand der gemäß Art. 226 EG erhobenen Klage in der Tat durch das in dieser Bestimmung vorgesehene Vorverfahren umschrieben, weshalb die mit Gründen versehene Stellungnahme und die Klage auf dieselben Rügen gestützt werden müssen (vgl. Urteile vom 17. November 1992, Kommission/Griechenland, C‑105/91, Slg. 1992, I‑5871, Randnr. 12, und vom 10. September 1996, Kommission/Belgien, C‑11/95, Slg. 1996, I‑4115, Randnr. 73).
37 Dieses Erfordernis kann jedoch nicht so weit gehen, dass in jedem Fall eine völlige Übereinstimmung zwischen dem verfügenden Teil der mit Gründen versehenen Stellungnahme und den Anträgen in der Klageschrift bestehen muss, sofern nur der Streitgegenstand nicht erweitert oder geändert worden ist (Urteile vom 29. September 1998, Kommission/Deutschland, C‑191/95, Slg. 1998, I‑5449, Randnr. 56, und vom 6. November 2003, Kommission/Spanien, C‑358/01, Slg. 2003, I‑13145, Randnr. 28).
38 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der mit Gründen versehenen Stellungnahme, dass die Kommission im Vorverfahren beanstandete, dass die den ausländischen Unternehmen in § 1 Abs. 3 AEntG auferlegte Verpflichtung, Beiträge an die deutsche Urlaubskasse abzuführen, zu einer doppelten Urlaubsvergütung führe, und zwar sowohl im Sitzmitgliedstaat als auch im Entsendemitgliedstaat, und dass diese Doppelzahlung nur dann vermieden werde, wenn es im Sitzmitgliedstaat eine der deutschen Urlaubskasse vergleichbare Einrichtung gebe. Auch in ihrer Klageschrift rügt die Kommission die Doppelbelastung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer nach Deutschland entsendet, und die zu enge Fassung der in § 1 Abs. 3 AEntG vorgesehenen Befreiung von der Beitragspflicht.
39 Die Kommission hat somit den Streitgegenstand nicht erweitert oder geändert und folglich nicht gegen Art. 226 EG verstoßen.
40 Demnach ist auch die vierte Unzulässigkeitseinrede der deutschen Regierung zurückzuweisen und die Klage der Kommission für zulässig zu erklären.
Begründetheit
Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen an die deutsche Urlaubskasse (§ 1 Abs. 3 AEntG)
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
41 Die Kommission trägt vor, die in § 1 Abs. 3 Satz 1 AEntG vorgesehene Befreiung von der Beitragspflicht sei zu eng gefasst, so dass es zu einer mit Art. 49 EG unvereinbaren Doppelbelastung des Arbeitnehmer nach Deutschland entsendenden Arbeitgebers kommen könne. Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz müsste in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Unternehmen, die Arbeitnehmer entsendeten, nicht nur dann von der Beitragspflicht befreien, wenn sichergestellt sei, dass sie im Niederlassungsstaat Beiträge zu einem vergleichbaren System entrichteten, sondern auch dann, wenn es in diesem Staat Regelungen gebe, die zwar nicht auf vom Arbeitgeber gezahlten Beiträgen beruhten, dem Arbeitnehmer aber dennoch einen dem deutschen Niveau entsprechenden Schutz seiner Urlaubsansprüche böten.
42 Die deutsche Regierung entgegnet, die Kommission habe keine konkreten Beweise dafür erbracht, dass § 1 Abs. 3 AEntG vertragswidrig sei. Diese Vorschrift werde von den nationalen Behörden und Gerichten gemeinschaftsrechtskonform angewandt.
43 Um eine Doppelbelastung der in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen zu vermeiden, habe die Bundesrepublik Deutschland nämlich eine pragmatische grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit den anderen Mitgliedstaaten begründet und sogar mit einzelnen von ihnen bilaterale Abkommen über die gegenseitige Anerkennung der nationalen Urlaubssysteme geschlossen.
44 Auch die deutschen Gerichte, insbesondere das Bundesarbeitsgericht, hätten stets die vom Gerichtshof auf dem Gebiet der Entsendung von Arbeitnehmern aufgestellten Grundsätze beachtet. Sie hätten – neben der Prüfung, ob ein bilaterales Abkommen bestehe – stets dafür gesorgt, dass dem entsandten Arbeitnehmer durch die Anwendung der deutschen Regelung über die Urlaubsansprüche ein Vorteil erwachse, indem sie diese nur dann anwendeten, wenn sie für den Arbeitnehmer günstiger als die in seinem Heimatstaat geltenden Vorschriften seien.
Würdigung durch den Gerichtshof
45 Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 AEntG sind ausländische Arbeitgeber verpflichtet, Beiträge an die deutsche Urlaubskasse abzuführen, sofern sie nicht gleichzeitig zu Beiträgen zu dieser Urlaubskasse und zu einer vergleichbaren Einrichtung im Staat des Sitzes ihres Unternehmens herangezogen werden (Nr. 1) und die Leistungen angerechnet werden, die diese Arbeitgeber zur Erfüllung der gesetzlichen, tarifvertraglichen oder einzelvertraglichen Urlaubsansprüche ihrer Arbeitnehmer bereits erbracht haben (Nr. 2).
46 Der Gerichtshof hat sich im Urteil Finalarte u. a. bereits zur Vereinbarkeit dieser Bestimmung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes mit dem EG-Vertrag geäußert. In den Randnrn. 45, 49 und 53 dieses Urteils hat er insbesondere darauf hingewiesen, dass § 1 Abs. 3 AEntG nur unter zwei Voraussetzungen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, deren Erfüllung das vorlegende Gericht zu prüfen hat. Dieses muss untersuchen, ob die deutschen Rechtsvorschriften über bezahlten Urlaub den Arbeitnehmern, die von außerhalb Deutschlands ansässigen Dienstleistungserbringern entsandt worden sind, einen tatsächlichen zusätzlichen Schutz gewähren und ob die Anwendung dieser Rechtsvorschriften im Hinblick auf die Verwirklichung des Ziels des sozialen Schutzes dieser Arbeitnehmer verhältnismäßig ist.
47 Im vorliegenden Vertragsverletzungsverfahren war es Sache der Kommission, zu prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt waren, und dem Gerichtshof die erforderlichen Anhaltspunkte zu liefern, anhand deren er die Vereinbarkeit der betreffenden Bestimmung mit Art. 49 EG prüfen kann.
48 Nach ständiger Rechtsprechung ist es im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 EG nämlich Sache der Kommission, das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung nachzuweisen. Sie muss dem Gerichtshof die erforderlichen Anhaltspunkte liefern, anhand deren er das Vorliegen dieser Vertragsverletzung prüfen kann, wobei sie sich nicht auf Vermutungen stützen darf (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. März 1990, Kommission/Frankreich, C‑62/89, Slg. 1990, I‑925, Randnr. 37, und vom 14. April 2005, Kommission/Deutschland, C‑341/02, Slg. 2005, I‑2733, Randnr. 35).
49 Außerdem ist daran zu erinnern, dass die Bedeutung der nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs unter Berücksichtigung ihrer Auslegung durch die nationalen Gerichte zu beurteilen ist (vgl. insbesondere Urteil vom 8. Juni 1994, Kommission/Vereinigtes Königreich, C‑382/92, Slg. 1994, I‑2435, Randnr. 36, und vom 29. Mai 1997, Kommission/Vereinigtes Königreich, C‑300/95, Slg. 1997, I‑2649, Randnr. 37).
50 Im vorliegenden Fall hat die Kommission nicht die erforderlichen Anhaltspunkte geliefert, anhand deren die Unvereinbarkeit von § 1 Abs. 3 AEntG mit Art. 49 EG festgestellt werden könnte. Sie hat sich nämlich auf eine wörtliche Auslegung von § 1 Abs. 3 Nr. 1 AEntG beschränkt, ohne sich dazu zu äußern, ob die beiden im Urteil Finalarte u. a. aufgestellten Voraussetzungen (Randnr. 46 des vorliegenden Urteils) erfüllt sind. Die Kommission hat zur Stützung ihrer Klage weder Argumente vorgetragen noch auf nationale Gerichtsentscheidungen oder andere Gesichtspunkte verwiesen, die belegen könnten, dass § 1 Abs. 3 AEntG entgegen dem Vorbringen der deutschen Behörden in der Praxis nicht gemeinschaftsrechtskonform angewandt oder ausgelegt wird.
51 Die Kommission macht geltend, ihre wörtliche Auslegung von § 1 Abs. 3 Nr. 1 AEntG werde durch ein Beispiel bestätigt, das die dänischen Rechtsvorschriften betreffe. In Dänemark würden die Urlaubsvergütungen nicht von einer der deutschen Urlaubskasse vergleichbaren Einrichtung an den Arbeitnehmer gezahlt. Erfolge keine Zahlung durch den Arbeitgeber selbst, könne der Arbeitnehmer die Zahlung durch den Arbeitgeberverband verlangen. Trotz dieser Garantie sei ein in Dänemark ansässiger Arbeitgeber, der Arbeitnehmer nach Deutschland entsende, verpflichtet, Beiträge an die deutsche Urlaubskasse abzuführen. Diese Beitragspflicht habe lediglich dadurch vermieden werden können, dass zwischen dem Königreich Dänemark und der Bundesrepublik Deutschland ein Verwaltungsabkommen über die gegenseitige Anerkennung der nationalen Systeme zur Sicherung des bezahlten Urlaubs geschlossen worden sei. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbiete jedoch, dass die sich aus dem Vertrag ergebenden Rechte vom Abschluss von Verwaltungsabkommen abhingen.
52 Diesem Vorbringen kann indessen nicht gefolgt werden. Aus den Akten ergibt sich nämlich, dass in Dänemark ein Fonds besteht (Arbejdsmarkedets Feriefond), der mit der deutschen Urlaubskasse vergleichbar ist, und dass die dänischen Unternehmen, die in diesen Fonds einzahlen, nach § 1 Abs. 3 Satz 1 AEntG, wie er nach dem genannten Verwaltungsabkommen angewandt wird, von der Beitragspflicht gegenüber der deutschen Urlaubskasse befreit sind.
53 Darüber hinaus widerspricht es zwar dem Gebot der Rechtssicherheit, dass die Rechte Einzelner nach dem Gemeinschaftsrecht in ihrer Ausübung von Voraussetzungen und Grenzen abhängen, die in nationalen Verwaltungsvorschriften geregelt sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. April 1993, Kommission/Italien, C‑306/91, Slg. 1993, I‑2133, Randnr. 14, und vom 8. Juli 1999, Kommission/Frankreich, C‑354/98, Slg. 1999, I‑4927, Randnr. 11), doch lassen sich die Probleme, die sich im Rahmen der länderübergreifenden Entsendung von Arbeitnehmern beim Vergleich der nationalen Urlaubsregelungen stellen können, in Ermangelung einer entsprechenden Harmonisierung nicht ohne wirksame Zusammenarbeit der Behörden der Mitgliedstaaten lösen (vgl. in diesem Sinne Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts‑ und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 25. Juli 2003). Der Abschluss von Verwaltungsabkommen, der die gegenseitige Anerkennung solcher Regelungen gewährleisten soll, gehört zu dieser Zusammenarbeit und, allgemeiner gesagt, zur Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten in den vom Gemeinschaftsrecht erfassten Bereichen.
54 Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Kommission nicht nachgewiesen hat, dass ausländische Unternehmen auch dann Beiträge an die deutsche Urlaubskasse abführen müssen, wenn die von ihnen beschäftigten Arbeitnehmer nach dem Recht des Sitzstaats dieser Unternehmen einen im Wesentlichen vergleichbaren Schutz genießen.
55 Die erste Rüge der Kommission geht daher fehl.
Verpflichtung zur Bereithaltung bestimmter Unterlagen in deutscher Sprache auf der Baustelle (§ 2 Abs. 3 AEntG)
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
56 Die Kommission macht geltend, die Verpflichtung ausländischer Unternehmen, alle nach § 2 Abs. 3 AEntG erforderlichen Unterlagen, d. h. den Arbeitsvertrag (oder ein gleichwertiges Dokument nach der Richtlinie 91/533), Lohnabrechnungen, Arbeitszeit‑ und Lohnzahlungsnachweise sowie alle anderen von den deutschen Behörden geforderten Unterlagen, ins Deutsche übersetzen zu lassen, stelle eine ungerechtfertigte und unverhältnismäßige Beschränkung der nach Art. 49 EG garantierten Dienstleistungsfreiheit dar.
57 Was die fehlende Rechtfertigung dieser Bestimmung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes angehe, habe der Gerichtshof im Urteil vom 23. November 1999, Arblade u. a. (C‑369/96 und C‑376/96, Slg. 1999, I‑8453), entschieden, dass die Verpflichtung ausländischer Unternehmen, Unterlagen im Aufnahmemitgliedstaat aufzubewahren, nicht damit begründet werden könne, dass die Erfüllung der Überwachungsaufgaben der Behörden dieses Staates allgemein erleichtert werden solle. Wenn aber das Erfordernis, Unterlagen aufzubewahren, nicht mit diesem Ziel gerechtfertigt werden könne, dann sei auch die mindestens ebenso aufwendige zwingende Verpflichtung, alle Unterlagen zu übersetzen, nicht zu rechtfertigen.
58 Zur Verhältnismäßigkeit der fraglichen Bestimmung trägt die Kommission – wiederum unter Bezugnahme auf das Urteil Arblade u. a. – vor, die allgemeine Übersetzungspflicht sei durch das in Art. 4 der Richtlinie 96/71 vorgesehene System der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten überflüssig geworden.
59 Die Bundesrepublik Deutschland, unterstützt von der Französischen Republik, macht geltend, dass die in § 2 Abs. 3 AEntG vorgesehene Übersetzungspflicht mit Art. 49 EG vereinbar sei.
60 Diese Verpflichtung solle eine effektive Kontrolle der Einhaltung der Rechtspflichten nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz ermöglichen und somit einen wirksamen Schutz der Arbeitnehmer gewährleisten. Die Kontrollbehörden müssten in der Lage sein, die fraglichen Unterlagen zu lesen und zu verstehen, was verlange, dass sie übersetzt seien. Die Wirksamkeit der Kontrolle dürfe nicht von den Fremdsprachenkenntnissen der Kontrollbehörden auf den jeweiligen Baustellen abhängen.
61 Die deutsche und die französische Regierung tragen vor, das Urteil Arblade u. a. lasse keine unmittelbaren Rückschlüsse in Bezug auf die Rechtfertigung und die Verhältnismäßigkeit von § 2 Abs. 3 AEntG zu.
62 Schließlich sind die deutsche und die französische Regierung der Ansicht, dass die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden nach Art. 4 der Richtlinie 96/71 die den ausländischen Arbeitgebern auferlegte Übersetzungspflicht nicht ersetzen könne.
Würdigung durch den Gerichtshof
63 Nach ständiger Rechtsprechung verlangt Art. 49 EG nicht nur die Beseitigung jeder Diskriminierung des in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleistenden aufgrund seiner Staatsangehörigkeit, sondern auch die Aufhebung aller Beschränkungen – selbst wenn sie unterschiedslos für inländische Dienstleistende wie für solche aus anderen Mitgliedstaaten gelten –, sofern sie geeignet sind, die Tätigkeiten des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und dort rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen (vgl. Urteile vom 25. Juli 1991, Säger, C‑76/90, Slg. 1991, I‑4221, Randnr. 12, vom 28. März 1996, Guiot, C‑272/94, Slg. 1996, I‑1905, Randnr. 10, und vom 19. Januar 2006, Kommission/Deutschland, C‑244/04, Slg. 2006, I‑885, Randnr. 30).
64 Auch wenn eine Harmonisierung in diesem Bereich fehlt, darf der freie Dienstleistungsverkehr als fundamentaler Grundsatz des Vertrags doch nur durch Regelungen beschränkt werden, die durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind und für alle im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats tätigen Personen oder Unternehmen gelten, soweit dieses Interesse nicht durch die Vorschriften geschützt wird, denen der Dienstleistende in dem Mitgliedstaat unterliegt, in dem er ansässig ist (vgl. in diesem Sinne Urteile Arblade u. a., Randnrn. 34 und 35, vom 24. Januar 2002, Portugaia Construções, C‑164/99, Slg. 2002, I‑787, Randnr. 19, und vom 21. Oktober 2004, Kommission/Luxemburg, C‑445/03, Slg. 2004, I‑10191, Randnr. 21).
65 Schließlich muss die Anwendung der nationalen Regelungen eines Mitgliedstaats auf die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Dienstleistenden geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteile Säger, Randnr. 15, vom 31. März 1993, Kraus, C‑19/92, Slg. 1993, I‑1663, Randnr. 32, und vom 30. November 1995, Gebhard, C‑55/94, Slg. 1995, I‑4165, Randnr. 37).
66 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus § 2 Abs. 3 AEntG, dass ein außerhalb Deutschlands ansässiger Arbeitgeber, der Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigt, verpflichtet ist, bestimmte Unterlagen für die gesamte Dauer der tatsächlichen Beschäftigung der entsandten Arbeitnehmer, mindestens für die Dauer der gesamten Bauleistung, insgesamt jedoch nicht länger als zwei Jahre, in deutscher Sprache, auf Verlangen der Prüfbehörde auch auf der Baustelle bereitzuhalten. Wie die deutsche Regierung in der Sitzung ausgeführt hat, ohne dass ihr die Kommission widersprochen hätte, handelt es sich bei diesen Unterlagen um den Arbeitsvertrag, die Lohnabrechnungen sowie die Arbeitszeit- und Lohnzahlungsnachweise.
67 Da es in diesem Bereich keine gemeinschaftlichen Harmonisierungsmaßnahmen gibt, ist daher, um die Begründetheit der zweiten Rüge der Kommission beurteilen zu können, zunächst zu prüfen, ob die in dieser Bestimmung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes gestellten Anforderungen restriktive Auswirkungen auf den freien Dienstleistungsverkehr haben, und dann gegebenenfalls, ob in dem betreffenden Tätigkeitsbereich zwingende Gründe des Allgemeininteresses derartige Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen. Ist dies der Fall, ist schließlich zu prüfen, ob das gleiche Ergebnis nicht durch weniger einschränkende Vorschriften erreicht werden kann.
68 Erstens ist festzustellen, dass die fragliche Bestimmung durch die Verpflichtung zur Übersetzung der genannten Unterlagen eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt.
69 Diese Verpflichtung verursacht nämlich Kosten sowie zusätzlichen finanziellen und administrativen Aufwand für die in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen, so dass diese den im Aufnahmemitgliedstaat ansässigen Arbeitgebern unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbs nicht gleichgestellt sind und somit von der Erbringung von Dienstleistungen in diesem Mitgliedstaat abgehalten werden können.
70 Zweitens jedoch ist zu beachten, dass § 2 Abs. 3 AEntG ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt, nämlich den sozialen Schutz der Arbeitnehmer des Baugewerbes und die Kontrolle der Gewährleistung dieses Schutzes. Der Gerichtshof hat bereits anerkannt, dass dieses Ziel zu den zwingenden Gründen gehört, die solche Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen (vgl. Urteile vom 3. Februar 1982, Seco und Desquenne & Giral, 62/81 und 63/81, Slg. 1982, 223, Randnr. 14, vom 27. März 1990, Rush Portuguesa, C‑113/89, Slg. 1990, I‑1417, Randnr. 18, Guiot, Randnr. 16, und Arblade u. a., Randnr. 51).
71 Dadurch, dass § 2 Abs. 3 AEntG zur Aufbewahrung der fraglichen Unterlagen in der Sprache des Aufnahmemitgliedstaats auf der Baustelle verpflichtet, soll es den zuständigen Behörden dieses Staates nämlich ermöglicht werden, am Beschäftigungsort die Kontrollen durchzuführen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der nationalen Vorschriften zum Schutz der Arbeitnehmer, insbesondere derjenigen über die Entlohnung und die Arbeitszeit, zu gewährleisten. Solche Kontrollen vor Ort würden in der Praxis übermäßig erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht, wenn diese Unterlagen in der Sprache des Sitzstaats des Arbeitgebers vorgelegt werden könnten, die die Beamten des Aufnahmemitgliedstaats womöglich nicht beherrschen.
72 Daraus folgt, dass die in § 2 Abs. 3 AEntG vorgesehene Pflicht gerechtfertigt ist.
73 Dieses Ergebnis wird durch das Urteil Arblade u. a. nicht in Frage gestellt.
74 Zwar hat der Gerichtshof in Randnr. 76 des Urteils Arblade u. a. entschieden, dass es zur Rechtfertigung einer Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs, die in der Verpflichtung des Arbeitgebers besteht, bestimmte Unterlagen am Wohnsitz einer im Aufnahmemitgliedstaat wohnenden natürlichen Person bereitzuhalten, nicht genügt, dass das Vorhandensein dieser Unterlagen in diesem Staat geeignet ist, die Erfüllung der Überwachungsaufgabe der Behörden dieses Staates im Allgemeinen zu erleichtern. Es ging dort jedoch um die dem Arbeitgeber auferlegte Verpflichtung, bestimmte Unterlagen auch dann noch für die zuständigen Behörden bereitzuhalten, wenn er im Aufnahmemitgliedstaat keine Arbeitnehmer mehr beschäftigte.
75 Dies ist hier jedoch nicht der Fall, da § 2 Abs. 3 AEntG dazu verpflichtet, Unterlagen in deutscher Sprache für die Dauer der tatsächlichen Beschäftigung der nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer und für die Dauer der Bauleistung bereitzuhalten. Wie sich aus Randnr. 74 des vorliegenden Urteils ergibt, beschränkt sich diese Vorschrift außerdem nicht darauf, die Erfüllung der Überwachungsaufgabe der zuständigen deutschen Behörden im Allgemeinen zu erleichtern; sie soll vielmehr die Kontrolle der Baustellen durch diese Behörden in der Praxis ermöglichen.
76 Drittens ist festzustellen, dass nach dieser Vorschrift nur vier Dokumente (der Arbeitsvertrag, die Lohnabrechnungen sowie die Arbeitszeit‑ und Lohnzahlungsnachweise) übersetzt werden müssen, die nicht übermäßig lang sind und üblicherweise unter Verwendung von formelhaften Wendungen erstellt werden. Da § 2 Abs. 3 AEntG dem Arbeitnehmer nach Deutschland entsendenden Arbeitgeber somit keinen großen administrativen oder finanziellen Aufwand verursacht, geht er nicht über das hinaus, was zur Erreichung des verfolgten Ziels des sozialen Schutzes erforderlich ist.
77 Schließlich gibt es nach der geltenden Rechtslage keine weniger einschränkenden Maßnahmen, mit denen dieses Ziel erreicht werden kann.
78 Das in Art. 4 der Richtlinie 96/71 vorgesehene System der Zusammenarbeit und des Informationsaustauschs zwischen den nationalen Behörden macht die den außerhalb Deutschlands ansässigen Arbeitgebern auferlegte Übersetzungspflicht nicht überflüssig. Aus den Akten geht nämlich hervor, dass die nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz von den Arbeitgebern verlangten Unterlagen sich nicht im Besitz dieser Behörden befinden, die somit nicht in der Lage sind, sie zusammen mit einer Übersetzung innerhalb angemessener Fristen den zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten zu übermitteln.
79 Wie der Generalanwalt in Nr. 86 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, gibt es außerdem gegenwärtig keine gemeinschaftsrechtliche Norm, die im Fall der Entsendung von Arbeitnehmern die Verwendung mehrsprachiger Unterlagen vorschreibt.
80 Nach alledem ist die zweite Rüge der Kommission zurückzuweisen.
Verpflichtung der ausländischen Zeitarbeitsunternehmen, den jeweiligen Einsatzort der entsandten Arbeitnehmer anzumelden (§ 3 Abs. 2 AEntG)
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
81 Die Kommission macht geltend, dass die den ausländischen Zeitarbeitsunternehmen auferlegte Verpflichtung, den zuständigen Behörden nicht nur die Überlassung eines Arbeitnehmers an einen Entleiher, sondern auch den Wechsel des Arbeitnehmers von einer Baustelle zur anderen zu melden, während für die in Deutschland ansässigen Zeitarbeitsunternehmen keine solche zusätzliche Pflicht bestehe, eine Maßnahme darstelle, die die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung gegenüber einer Leistungserbringung im Inland erschwere. Für diese unterschiedliche Behandlung gebe es keinen stichhaltigen Grund.
82 Die Bundesrepublik Deutschland entgegnet, dass die Meldepflicht nach § 3 Abs. 2 AEntG mit Art. 49 EG vereinbar sei. Diese Verpflichtung sei durch die Notwendigkeit wirksamer Kontrollen und im Interesse eines stärkeren Schutzes der Arbeitnehmer gerechtfertigt. Darüber hinaus sei sie für das betroffene Zeitarbeitsunternehmen nicht mit übermäßigem Aufwand verbunden.
Würdigung durch den Gerichtshof
83 Nach ständiger Rechtsprechung setzt der freie Dienstleistungsverkehr insbesondere die Beseitigung jeder Diskriminierung gegenüber dem Dienstleistenden aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder des Umstands voraus, dass er in einem anderen als dem Mitgliedstaat niedergelassen ist, in dem die Dienstleistung zu erbringen ist (vgl. Urteile vom 25. Juli 1991, Collectieve Antennevoorziening Gouda, C‑288/89, Slg. 1991, I‑4007, Randnr. 10, Kommission/Niederlande, C‑353/89, Slg. 1991, I‑4069, Randnr. 14, und vom 4. Mai 1993, Distribuidores Cinematográficos, C‑17/92, Slg. 1993, I‑2239, Randnr. 13).
84 Insoweit ist festzustellen, dass § 3 Abs. 2 AEntG eine Benachteiligung der außerhalb Deutschlands ansässigen Dienstleistungserbringer zur Folge hat.
85 Nach dieser Bestimmung müssen die in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Zeitarbeitsunternehmen nämlich nicht nur Beginn und Dauer der Überlassung eines Arbeitnehmers an einen Entleiher in Deutschland bei den zuständigen deutschen Behörden schriftlich anmelden, sondern auch den Einsatzort und jede Änderung dieses Ortes, während für die in Deutschland ansässigen Zeitarbeitsunternehmen diese zusätzliche Pflicht – die stets den Entleihern obliegt – nicht besteht.
86 Der Gerichtshof hat aber bereits entschieden, dass innerstaatliche Rechtsvorschriften, die nicht unterschiedslos auf alle Dienstleistungen ohne Rücksicht auf deren Ursprung anwendbar sind, mit dem Gemeinschaftsrecht nur dann vereinbar sind, wenn sie unter eine ausdrückliche Ausnahmebestimmung fallen, wie z. B. Art. 46 EG, auf den Art. 55 EG verweist (vgl. Urteile des Gerichtshofs vom 18. Juni 1991, ERT, C‑260/89, Slg. 1991, I‑2925, Randnr. 24, Collectieve Antennevoorziening Gouda, Randnr. 11, und vom 21. März 2002, Cura Anlagen, C‑451/99, Slg. 2002, I‑3193, Randnr. 31). Nach Art. 46 EG, der eng auszulegen ist, können diskriminierende Vorschriften aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sein.
87 Im vorliegenden Fall hat die deutsche Regierung nichts vorgetragen, was unter einen dieser Gründe fallen könnte.
88 Demnach ist die dritte Rüge der Kommission begründet.
89 Es ist daher festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG verstoßen hat, dass sie eine Bestimmung wie § 3 Abs. 2 AEntG erlassen hat, nach der ausländische Zeitarbeitsunternehmen nicht nur die Überlassung eines Arbeitnehmers an einen Entleiher in Deutschland, sondern auch jede Änderung seines Einsatzorts anmelden müssen.
Kosten
90 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Art. 69 § 3 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof jedoch die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt oder wenn ein außergewöhnlicher Grund vorliegt.
91 Im vorliegenden Fall sind der Kommission, die mit zwei ihrer drei Rügen unterlegen ist, zwei Drittel und der Bundesrepublik Deutschland ein Drittel der Kosten aufzuerlegen.
92 Nach Art. 69 § 4 der Verfahrensordnung trägt die Französische Republik ihre eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG verstoßen, dass sie eine Bestimmung wie § 3 Abs. 2 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes vom 26. Februar 1996 erlassen hat, nach der ausländische Zeitarbeitsunternehmen nicht nur die Überlassung eines Arbeitnehmers an einen Entleiher in Deutschland, sondern auch jede Änderung seines Einsatzorts anmelden müssen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt zwei Drittel der Kosten. Die Bundesrepublik Deutschland trägt ein Drittel der Kosten.
4. Die Französische Republik trägt ihre eigenen Kosten.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Deutsch.