Rechtssache C-65/05

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

gegen

Hellenische Republik

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Artikel 28 EG und 30 EG – Freier Warenverkehr – Artikel 43 EG – Niederlassungsfreiheit – Artikel 49 EG – Freier Dienstleistungsverkehr – Verbot der Einrichtung und des Betriebs von elektrischen, elektromechanischen und elektronischen Spielen unter Androhung von strafrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Sanktionen – Richtlinie 98/34/EG – Normen und technische Vorschriften – Für elektrische, elektromechanische und elektronische Spiele geltende nationale Regelung“

Urteil des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 26. Oktober 2006 

Leitsätze des Urteils

1.     Freier Warenverkehr – Mengenmäßige Beschränkungen – Maßnahmen gleicher Wirkung

(Artikel 28 EG)

2.     Niederlassungsfreiheit – Freier Dienstleistungsverkehr – Beschränkungen

(Artikel 43 EG und 49 EG)

3.     Rechtsangleichung – Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft – Richtlinie 98/34

(Richtlinie 98/34 des Europäischen Parlaments und des Rates, Artikel 1 Nr. 11, 8 Absatz 1 und 9 Absatz 7 erster Gedankenstrich)

1.     Das von einem Mitgliedstaat ausgesprochene Verbot der Einrichtung von elektrischen, elektromechanischen und elektronischen Spielen einschließlich aller Spiele für elektronische Rechner an öffentlichen oder privaten Orten mit Ausnahme von Spielkasinos stellt eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung im Sinne von Artikel 28 EG dar, und dies obwohl diese Maßnahme die Einfuhr der betroffenen Erzeugnisse und deren Inverkehrbringen nicht verbietet.

Eine solche nationale Maßnahme kann jedoch durch im Allgemeininteresse liegende zwingende Erfordernisse wie den Schutz der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt sein, wenn sie in Bezug auf die damit verfolgten Ziele verhältnismäßig ist. Eine solche Maßnahme ist daher nicht gerechtfertigt, wenn die nationalen Behörden nicht nur auf andere geeignetere und für den freien Warenverkehr weniger einschränkende Maßnahmen zurückgreifen, sondern sich auch vergewissern können, dass diese Maßnahmen, um das angestrebte Ziel zu erreichen, ordnungsgemäß und wirksam angewandt und/oder durchgeführt werden.

(vgl. Randnrn. 28, 38, 40-41)

2.     Das von einem Mitgliedstaat ausgesprochene Verbot des Betriebs elektrischer, elektromechanischer und elektronischer Spiele an öffentlichen oder privaten Orten mit Ausnahme von Spielkasinos und, was elektronische Rechner angeht, von Internet-Dienstleistungsbetrieben, stellt ein Hindernis für den freien Dienstleistungsverkehr und für die Niederlassungsfreiheit dar.

Diese Beschränkung kann nicht durch im Allgemeininteresse liegende zwingende Erfordernisse wie den Schutz der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt werden, wenn die nationale Maßnahme gemessen an den damit verfolgten Zielen unverhältnismäßig ist.

(vgl. Randnrn. 50, 52-53, 55)

3.     Nationale Rechtsvorschriften, die die Benutzung elektrischer, elektromechanischer und elektronischer Spiele einschließlich aller Spiele für elektronische Rechner an öffentlichen und privaten Orten mit Ausnahme von Spielkasinos sowie die Benutzung von Spielen auf elektronischen Rechnern, die sich in Internet-Dienstleistungsunternehmen befinden, verbieten und den Betrieb dieser Unternehmen von der Erteilung einer besonderen Genehmigung abhängig machen, sind als technische Vorschriften im Sinne von Artikel 1 Nummer 11 der Richtlinie 98/34 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft in der durch die Richtlinie 98/48 geänderten Fassung zu qualifizieren.

Derartige Vorschriften sind daher gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 98/34 der Kommission mitzuteilen.

Diese Mitteilungspflicht kann im Sinne von Artikel 9 Absatz 7 erster Gedankenstrich dieser Richtlinie nicht durch die Notwendigkeit in Frage gestellt werden, die nationalen Rechtsvorschriften in einem Dringlichkeitsverfahren zu erlassen, um dem durch den Betrieb elektrischer, elektromechanischer und elektronischer Spiele geschaffenen sozialen Problem schnell und unverzüglich entgegenzutreten und die öffentliche Ordnung zu gewährleisten, wenn in dem betroffenen Mitgliedstaat ein durch Artikel 9 Absatz 7 erfasster Sachverhalt unstreitig nicht vorliegt.

(vgl. Randnrn. 61-62, 64-65)




URTEIL DES GERICHTSHOFES (Zweite Kammer)

26. Oktober 2006(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Artikel 28 EG und 30 EG – Freier Warenverkehr – Artikel 43 EG – Niederlassungsfreiheit – Artikel 49 EG – Freier Dienstleistungsverkehr – Verbot der Einrichtung und des Betriebs von elektrischen, elektromechanischen und elektronischen Spielen unter Androhung von strafrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Sanktionen – Richtlinie 98/34/EG – Normen und technische Vorschriften – Für elektrische, elektromechanische und elektronische Spiele geltende nationale Regelung“

In der Rechtssache C-65/05

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 10. Februar 2005,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Patakia als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Hellenische Republik, vertreten durch A. Samoni-Rantou und N. Dafniou als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter R. Schintgen, P. Kūris (Berichterstatter), G. Arestis und L. Bay Larsen,

Generalanwalt: F. G. Jacobs,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1       Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Feststellung, dass die Hellenische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 28 EG, 43 EG und 49 EG sowie aus Artikel 8 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 204, S. 37) in der durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 geänderten Fassung (ABl. L 217, S. 18; im Folgenden: Richtlinie 98/34) verstoßen hat, dass sie in den Artikeln 2 Absatz 1, 3 Absatz 2, 4 und 5 des Gesetzes Nr. 3037/2002 (FEK A’ 174/30.7.2002) ein Verbot für die Einrichtung und den Betrieb elektrischer, elektromechanischer und elektronischer Spiele einschließlich technischer Unterhaltungsspiele und von Spielen für elektronische Rechner an öffentlichen und privaten Orten mit Ausnahme von Spielkasinos eingeführt hat.

 Rechtlicher Rahmen

 Gemeinschaftsrecht

2       Artikel 1 Nr. 11 der Richtlinie 98/34 bestimmt:

„Für diese Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

11.      ‚Technische Vorschrift‘: Technische Spezifikationen oder sonstige Vorschriften oder Vorschriften betreffend Dienste, einschließlich der einschlägigen Verwaltungsvorschriften, deren Beachtung rechtlich oder de facto für das Inverkehrbringen, die Erbringung des Dienstes, die Niederlassung eines Erbringers von Diensten oder die Verwendung in einem Mitgliedstaat oder in einem großen Teil dieses Staates verbindlich ist, sowie – vorbehaltlich der in Artikel 10 genannten Bestimmungen – die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, mit denen Herstellung, Einfuhr, Inverkehrbringen oder Verwendung eines Erzeugnisses oder Erbringung oder Nutzung eines Dienstes oder die Niederlassung als Erbringer von Diensten verboten werden.

…“

3       Artikel 8 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 98/34 lautet wie folgt:

„Vorbehaltlich des Artikels 10 übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission unverzüglich jeden Entwurf einer technischen Vorschrift, sofern es sich nicht um eine vollständige Übertragung einer internationalen oder europäischen Norm handelt; in diesem Fall reicht die Mitteilung aus, um welche Norm es sich handelt. Sie unterrichten die Kommission gleichzeitig in einer Mitteilung über die Gründe, die die Festlegung einer derartigen technischen Vorschrift erforderlich machen, es sei denn, die Gründe gehen bereits aus dem Entwurf hervor.“

4       Nach Artikel 9 Absätze 1 bis 5 der Richtlinie 98/34 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, den Entwurf einer technischen Vorschrift nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Eingang der Mitteilung gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie bei der Kommission anzunehmen, wenn die Kommission oder ein anderer Mitgliedstaat eine ausführliche Stellungnahme abgibt, der zufolge die geplante Maßnahme Elemente enthält, die den freien Warenverkehr, den freien Verkehr von Dienstleistungen oder die Niederlassungsfreiheit der Betreiber im Rahmen des Binnenmarktes beeinträchtigen können. Diese Verschiebung kann in bestimmten anderen in diesen Bestimmungen ausdrücklich aufgezählten Fällen von längerer Dauer sein.

5       Artikel 9 Absatz 7 der Richtlinie 98/34 sieht vor:

„Die Absätze 1 bis 5 gelten nicht, wenn ein Mitgliedstaat

–       aus dringenden Gründen, die durch eine ernste und unvorhersehbare Situation entstanden sind und sich auf den Schutz der Gesundheit von Menschen und Tieren, die Erhaltung von Pflanzen oder die Sicherheit und im Falle von Vorschriften betreffend Dienste auch auf die öffentliche Ordnung, insbesondere auf den Jugendschutz beziehen, gezwungen ist, ohne die Möglichkeit einer vorherigen Konsultation in kürzester Frist technische Vorschriften auszuarbeiten, um sie unverzüglich zu erlassen und in Kraft zu setzen …

Der Mitgliedstaat begründet in der in Artikel 8 genannten Mitteilung die Dringlichkeit der betreffenden Maßnahmen. Die Kommission äußert sich binnen kürzester Frist zu dieser Mitteilung. Bei missbräuchlicher Anwendung dieses Verfahrens trifft sie die erforderlichen Maßnahmen. Das Europäische Parlament wird von der Kommission regelmäßig unterrichtet.“

 Nationales Recht

6       Artikel 1 des Gesetzes Nr. 3037/2002 mit der Überschrift „Spielegattungen“ lautet wie folgt:

„Im Sinne dieses Gesetzes ist

a)      ‚mechanisches Spiel‘: ein Spiel, dessen Durchführung auch den Einsatz der Muskelkraft des Spielers erfordert;

b)      ‚elektrisches Spiel‘: ein Spiel, dessen Durchführung das Vorhandensein von elektrischen Unterstützungsmechanismen erfordert;

c)      ‚elektromechanisches Spiel‘: ein Spiel, dessen Durchführung sowohl das Vorhandensein von elektrischen Unterstützungsmechanismen als auch den Einsatz der Muskelkraft des Spielers erfordert;

d)      ‚elektronisches Spiel‘: ein Spiel, dessen Durchführung außer elektrischen, elektronischen oder sonstigen Unterstützungsmechanismen das Vorhandensein und den Einsatz einer Software (eines Programms) erfordert;

e)      ‚technisches Unterhaltungsspiel‘: ein Spiel, dessen Ergebnis ausschließlich von den technischen und geistigen Fähigkeiten des Spielers abhängt und dessen ausschließliches Ziel die Unterhaltung ist.

Zur Gattung der technischen Unterhaltungsspiele gehören auch die nach den Bestimmungen der [kodifizierten] Königlichen Verordnung Nr. 29/1971 als ‚technische Spiele‘ qualifizierten Kartenspiele.“

7       Artikel 2 Absatz 1 dieses Gesetzes, der die Überschrift „Verbot des Betreibens oder der Einrichtung von Spielen“ trägt, sieht vor:

„Das Betreiben der in Artikel 1 Buchstaben b, c und d genannten Spiele einschließlich elektronischer Rechner ist an öffentlichen Orten im Allgemeinen, wie in Hotels, Cafés, Versammlungsräumen als gemeinnützig anerkannter Vereinigungen jeder Art und an allen anderen öffentlichen oder privaten Orten verboten. Die Einrichtung dieser Spiele ist ebenfalls verboten.“

8       Artikel 3 des Gesetzes mit der Überschrift „Internet-Dienstleistungsunternehmen“ bestimmt:

„Die Einrichtung und die Nutzung von elektronischen Rechnern in Betrieben, die als Erbringer von Internet-Dienstleistungen tätig sind, fallen nicht unter das Verbot des Artikels 2. Jedoch ist die Durchführung von Spielen auf diesen elektronischen Rechnern unabhängig von der verwendeten Methode verboten.

Für den Betrieb eines Internet-Dienstleistungsunternehmens ist eine besondere Genehmigung der Gemeinde, in deren Gebiet sich der Betrieb befindet, und, wenn das Unternehmen auf einem Schiff betrieben wird, der Hafenbehörde des Ausgangshafens erforderlich. Bei der ersten Anwendung der Maßnahme muss das Unternehmen binnen einer Frist von drei Monaten ab Inkrafttreten dieses Gesetzes mit dieser Genehmigung versehen sein.“

9       Artikel 4 des Gesetzes Nr. 3037/2002 mit der Überschrift „Strafrechtliche Sanktionen“ lautet:

„1.      Wer Zentren oder andere Orte im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 nutzt oder leitet, in denen nach den vorstehenden Artikeln verbotene Spiele verwendet werden oder eingerichtet sind, wird mit Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten oder einer Geldbuße von mindestens 5 000 Euro bestraft. Bei Rückfall wird eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und eine Geldbuße von 25 000 bis 75 000 Euro verhängt. Außerdem ordnet das Gericht die Beschlagnahme der Spielgeräte an.

2.      Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c sowie Artikel 7 Absätze 3 und 4 der kodifizierten Königlichen Verordnung Nr. 29/1971 sind entsprechend anzuwenden.“

10     Artikel 5 des Gesetzes mit der Überschrift „Verwaltungsrechtliche Sanktionen“ bestimmt:

„1. Außer den vorgesehenen strafrechtlichen Sanktionen wird bei Verwendung oder Einrichtung eines nach den vorstehenden Artikeln verbotenen Spiels eine Geldbuße in Höhe von 10 000 Euro pro Spiel verhängt und wird die Betriebsgenehmigung des Unternehmens gemäß Artikel 7 endgültig entzogen.

2.      Die Geldbuße wird durch Entscheidung des Leiters der nach Artikel 6 Absatz 1 zuständigen Behörde verhängt, die die Zuwiderhandlung feststellt. In dieser Entscheidung wird die Zuwiderhandlung beschrieben sowie die verhängte Geldbuße und die angewandte Vorschrift genannt. Zusammen mit der Entscheidung wird dem Zuwiderhandelnden eine Abschrift des Kontrollberichts übermittelt.“

11     Schließlich bestimmt Artikel 9 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 3037/2002: „Die Bestimmungen dieses Gesetzes lassen die Bestimmungen des Gesetzes Nr. 2206/1994 und die sonstigen Bestimmungen über Spielkasinos unberührt.“

 Das vorprozessuale Verfahren

12     Die Kommission hat aufgrund von bei ihr eingegangenen Beschwerden in Bezug auf das auf nationaler Ebene bestehende Verbot, in Griechenland elektrische, elektromechanische und elektronische Spiele einschließlich technischer Unterhaltungsspiele und aller Spiele für elektronische Rechner an öffentlichen oder privaten Orten mit Ausnahme von Spielkasinos einzurichten und zu betreiben, das am 30. Juli 2002 in Kraft getretene Gesetz Nr. 3037/2002 geprüft. Sie ist zu dem Ergebnis gelangt, dass dieses Gesetz mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts nicht vereinbar sei.

13     Nachdem die Kommission die Hellenische Republik mit Schreiben vom 18. Oktober 2002 und vom 11. Juli 2003 aufgefordert hatte, sich zu äußern, gab sie am 30. März 2004 eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab.

14     Da die Antwort der griechischen Regierung auf diese Stellungnahme von der Kommission nicht als befriedigend angesehen worden ist, hat diese in der Auffassung, dass die Zuwiderhandlung andauere, beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.

 Zur Klage

15     Die Kommission stützt ihre Klage auf drei Rügen. Erstens vertritt sie die Auffassung, das durch das Gesetz Nr. 3037/2002 eingeführte allgemeine Verbot von elektrischen, elektromechanischen und elektronischen Spielen verstoße gegen die Artikel 28 EG und 30 EG. Zweitens macht sie die Unvereinbarkeit dieses Gesetzes mit den Verpflichtungen der Hellenischen Republik aus den Artikeln 43 EG und 49 EG geltend. Drittens wirft die Kommission diesem Mitgliedstaat vor, dass er das in Artikel 8 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 98/34 vorgesehene Informationsverfahren nicht beachtet habe.

 Zur ersten Rüge: Verstoß gegen die Artikel 28 EG und 30 EG

 Vorbringen der Parteien

16     Die Kommission trägt vor, das in Artikel 2 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 3037/2002 vorgesehene Verbot der Einrichtung elektrischer, elektromechanischer und elektronischer Spiele einschließlich technischer Unterhaltungsspiele und aller Spiele für elektronische Rechner an öffentlichen und privaten Orten mit Ausnahme von Spielkasinos verstoße gegen Artikel 28 EG. Dieses Gesetz stelle eine Maßnahme dar, die sowohl in Bezug auf Artikel 30 EG als auch auf die vom Gerichtshof anerkannten zwingenden Erfordernisse des Allgemeininteresses nicht gerechtfertigt und auch, was das Ziel des Schutzes eines Allgemeininteresses angehe, unverhältnismäßig sei.

17     Die griechischen Behörden hätten nicht klar angegeben, welche Beziehung zwischen diesem Verbot und dem Problem bestehe, das sie zu lösen suchten, denn sie konzentrierten ihre Untersuchung allein auf die negativen Auswirkungen der unkontrollierten Nutzung von Glücksspielgeräten. In diesem Zusammenhang sei es möglich, andere Formen der Kontrolle einzusetzen, wie z. B. die Einführung von speziellen Schutzsystemen in den Geräten für technische Spiele oder für Unterhaltungsspiele, um deren Umwandlung in Glücksspielgeräte unmöglich zu machen.

18     Die Hellenische Republik räumt ein, dass das Gesetz Nr. 3037/2002 Hindernisse für die innergemeinschaftliche Vermarktung von elektrischen, elektromechanischen sowie elektronischen Spielen schaffen und infolgedessen gegen den in Artikel 28 EG formulierten Grundsatz des freien Warenverkehrs verstoßen könne.

19     Sie behauptet jedoch, sie habe schon im vorprozessualen Verfahren geltend gemacht, dass ein solches allgemeines Verbot, das ohne Unterschied sowohl für griechische als auch für ausländische Wirtschaftsteilnehmer gelte, zu der Zeit, als das Gesetz Nr. 3037/2002 erlassen und verkündet worden sei, zum einen aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Sittlichkeit und der öffentlichen Ordnung, der in Artikel 30 EG vorgesehen sei, und zum anderen aus Gründen des Verbraucherschutzes und des Schutzes der Sozialordnung, bei denen es sich um zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses handele, die in der Rechtsprechung des Gerichtshofes anerkannt seien, als erforderlich und gerechtfertigt angesehen worden sei.

20     Insbesondere ließen sich die durch das Gesetz Nr. 3037/2002 betroffenen Spiele aufgrund der technologischen Entwicklung leicht in Glücksspiele umwandeln, die in Griechenland außerhalb von Spielkasinos stets verboten seien, und die Lage sei unkontrollierbar geworden, was zum Auftreten von schwerwiegenden sozialen Problemen führe, wie u. a. zum gewohnheitsmäßigen Spiel, zur Verschwendung von erheblichen wirtschaftlichen Mitteln, zur leichten und rechtswidrigen Bereicherung der am Betrieb und der Einrichtung von sowie dem Handel mit elektronischen Spielen Beteiligten, zum Verlust erheblicher Geldbeträge durch die Spieler sowie zu erheblichen Steuerausfällen.

21     In ihrer Gegenerwiderung macht die Hellenische Republik geltend, die weniger einschränkenden konkreten Maßnahmen, die zwischen 1996 und 2000 durchgeführt worden seien, d. h., bevor durch das Gesetz Nr. 3037/2002 ein vollständiges Verbot elektrischer, elektromechanischer und elektronischer Spiele erlassen worden sei, seien als nicht ausreichend angesehen worden, um dem durch diese Spiele geschaffenen Problem, das auf der menschlichen Glücksspielleidenschaft beruhe, wirksam entgegenzutreten.

 Würdigung durch den Gerichtshof

22     Vorab ist festzustellen, dass aus Artikel 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 3037/2002 hervorgeht, dass die in Artikel 1 Buchstabe e genannten technischen Unterhaltungsspiele nicht unter das durch dieses Gesetz eingeführte Verbot fallen. Sie sind daher nicht Gegenstand der vorliegenden Klage.

23     Was die erste Rüge der Kommission angeht, ist darauf hinzuweisen, dass unter „Waren“ Erzeugnisse zu verstehen sind, die einen Geldwert haben und deshalb Gegenstand von Handelsgeschäften sein können (Urteile vom 10. Dezember 1968 in der Rechtssache 7/68, Kommission/Italien, Slg. 1968, 634, 642, und vom 21. Oktober 1999 in der Rechtssache C-97/98, Jägerskiöld, Slg. 1999, I‑7319, Randnr. 30).

24     Insoweit entsprechen elektrische, elektromechanische und elektronische Spiele einschließlich der Spiele für elektronische Rechner, da sie einen Handelswert haben und Gegenstand von Handelsgeschäften sein, eingeführt oder ausgeführt werden und dem Verbraucher gegen Entgelt zur Verfügung gestellt werden können, diesen Kriterien und stellen Waren im Sinne des EG-Vertrags dar.

25     Außerdem stellt der freie Warenverkehr einen der tragenden Grundsätze des Vertrages dar (Urteile vom 9. Dezember 1997 in der Rechtssache C‑265/95, Kommission/Frankreich, Slg. 1997, I‑6959, Randnr. 24, und vom 12. Juni 2003 in der Rechtssache C‑112/00, Schmidberger, Slg. 2003, I‑5659, Randnr. 51), der seinen Ausdruck in dem in Artikel 28 EG ausgesprochenen Verbot mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten sowie aller Maßnahmen gleicher Wirkung findet.

26     Da es keine auf Gemeinschaftsebene harmonisierten Vorschriften im Bereich der Spiele gibt, wird der freie Verkehr mit diesen durch die Artikel 28 EG und 30 EG gewährleistet.

27     Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, als Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen anzusehen (vgl. Urteil vom 2. Dezember 2004 in der Rechtssache C‑41/02, Kommission/Niederlande, Slg. 2004, I‑11375, Randnr. 39 und darin zitierte Rechtsprechung).

28     Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass eine nationale rechtliche Regelung wie das Gesetz Nr. 3037/2002 eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung im Sinne von Artikel 28 EG darstellt, und dies obwohl dieses Gesetz die Einfuhr der betroffenen Erzeugnisse und deren Inverkehrbringen nicht verbietet.

29     Zum einen ist das in Artikel 2 Absatz 1 dieses Gesetzes ausgesprochene Verbot der Einrichtung von elektrischen, elektromechanischen und elektronischen Spielen einschließlich aller Spiele für elektronische Rechner an öffentlichen oder privaten Orten mit Ausnahme von Spielkasinos unter Androhung der in den Artikeln 4 und 5 des Gesetzes vorgesehenen strafrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Sanktionen geeignet, vom 30. Juli 2002 an, dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes, eine Verringerung des Volumens der Einfuhren solcher Spiele aus anderen Mitgliedstaaten herbeizuführen.

30     Zum anderen geht aus den Akten hervor, dass die Einfuhren von Spielgeräten wie den in der vorstehenden Randnummer genannten zur Einrichtung an öffentlichen oder privaten Orten in Griechenland mit Ausnahme von Spielkasinos seit der Einführung dieses Verbots aufgehört haben, obwohl diese Geräte in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellt und den Verbrauchern zur Verfügung gestellt werden.

31     Der Gerichtshof hat jedoch wiederholt entschieden, dass eine nationale Regelung, die den freien Warenverkehr behindert, dann nicht notwendigerweise gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt, wenn sie durch einen der in Artikel 30 EG aufgezählten Gründe des Gemeinwohls oder durch eines der in der Rechtsprechung des Gerichtshofes aufgestellten zwingenden Erfordernisse gerechtfertigt werden kann (Urteil vom 24. November 2005 in der Rechtssache C‑366/04, Schwarz, Slg. 2005, I‑10139, Randnr. 30 und die dort zitierte Rechtsprechung).

32     In diesem Zusammenhang macht die Hellenische Republik geltend, aus den in der Begründung des Gesetzes Nr. 3037/2002 näher dargelegten Gründen sei ein generelles Verbot der Einrichtung von elektrischen, elektromechanischen und elektronischen Spielen einschließlich aller Spiele für elektronische Rechner erforderlich gewesen, um die Sittlichkeit und die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schützen. Insbesondere seien diese Spiele aufgrund der technologischen Entwicklung leicht in Glücksspiele umzuwandeln, und die Lage sei unkontrollierbar geworden, was zum Auftreten schwerer sozialer Probleme wie den in Randnummer 20 des vorliegenden Urteils aufgezählten geführt habe.

33     In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes hervorgeht, dass derartige Gründe, die in ihrer Gesamtheit zu würdigen sind, sich auf den Schutz der Empfänger der Dienstleistung und, allgemeiner, der Verbraucher sowie den Schutz der Sozialordnung beziehen, wobei bereits entschieden worden ist, dass diese Gründe zu denjenigen gehören, die als zwingende Gründe des Allgemeininteresses angesehen werden können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. März 1994 in der Rechtssache C‑275/92, Schindler, Slg. 1994, I‑1039, Randnr. 58 und dort zitierte Rechtsprechung, sowie vom 21. September 1999 in der Rechtssache C‑124/97, Läärä u. a., Slg. 1999, I‑6067, Randnr. 33).

34     Der Gerichtshof hat auch entschieden, dass diese Gründe geeignet sind, im Hinblick auf Artikel 28 EG und unter Berücksichtigung der soziokulturellen Besonderheiten Beschränkungen bis hin zum Verbot von Lotterien und anderen Geldspielen im Gebiet eines Mitgliedstaats zu rechtfertigten (vgl. in diesem Sinne Urteil Schindler, Randnr. 59).

35     Zwar hat der Gerichtshof in den oben genannten Urteilen Schindler und Läärä u. a. unterstrichen, dass sittliche, religiöse oder kulturelle Erwägungen, die in allen Mitgliedstaaten zu Lotterien ebenso wie zu den anderen Glücksspielen angestellt werden, es zulassen können, dass nationale Regelungen die Ausübung von Glücksspielen begrenzen oder sogar verbieten und verhindern, dass diese zu einer Quelle persönlichen Gewinns werden. Der Gerichtshof hat außerdem festgestellt, dass die Lotterien angesichts der Höhe der Beträge, die durch sie eingenommen werden können, und der Höhe der Gewinne, die sie den Spielern bieten können, vor allem wenn sie in größerem Rahmen veranstaltet werden, die Gefahr von Betrug und anderen Straftaten erhöhen. Außerdem verleiten sie zu Ausgaben, die schädliche persönliche und soziale Folgen haben können (Urteile Schindler, Randnr. 60, und Läärä u. a., Randnr. 13).

36     Das vorliegende Verfahren unterscheidet sich jedoch von den beiden Rechtssachen, die zu den Urteilen Schindler und Läärä u. a. geführt haben, insoweit, als es sich im vorliegenden Fall unstreitig um elektrische, elektromechanische und elektronische Spiele handelt, die keine Merkmale aufweisen, die denjenigen der in jenen Rechtssachen streitigen Spiele vergleichbar sind. Die Spiele, die Gegenstand des in Artikel 2 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 3037/2002 ausgesprochenen Verbotes sind, sind ihrer Natur nach keine Glücksspiele, denn sie bieten keine Chance auf einen Geldgewinn (vgl. im Umkehrschluss Urteil Läärä u. a., Randnr. 17).

37     Da die elektrischen, elektromechanischen und elektronischen Spiele nicht als Glücksspiele angesehen werden können, können folglich entgegen dem, was die Hellenische Republik geltend macht, nicht bejaht werden, die Erwägungen, die der Gerichtshof in den oben genannten Urteilen Schindler und Läärä u. a. in Bezug auf Glücksspiele angestellt hat, nicht auf elektrische, elektromechanische und elektronische Spiele übertragen wurden.

38     Auch wenn diese Rechtsprechung nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar ist, können die von der Hellenischen Republik geltend gemachten zwingenden Gründe des Allgemeininteresses das Hindernis für den freien Warenverkehr rechtfertigen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die streitige nationale Maßnahme gemessen an den damit verfolgten Zielen verhältnismäßig ist.

39     In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die Hellenische Republik nicht nachweist, dass sie alle technischen und organisatorischen Maßnahmen durchgeführt hat, mit denen das von diesem Mitgliedstaat verfolgte Ziel durch den Einsatz von Maßnahmen, die den innergemeinschaftlichen Handel weniger beschränken, erreicht werden könnte.

40     Die griechischen Behörden hätten nämlich nicht nur auf andere geeignetere und für den freien Warenverkehr weniger einschränkende Maßnahmen zurückgreifen können, wie die Kommission es im vorprozessualen Verfahren vorgeschlagen hatte, sondern sich auch vergewissern können, dass diese Maßnahmen, um das angestrebte Ziel zu erreichen, ordnungsgemäß und wirksam angewandt und/oder durchgeführt werden.

41     Daraus folgt, dass das in Artikel 2 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 3037/2002 ausgesprochene Verbot, in Griechenland elektrische, elektromechanische und elektronische Spiele einschließlich aller Spiele für elektronische Rechner an öffentlichen oder privaten Orten mit Ausnahme von Spielkasinos einzurichten, eine Maßnahme darstellt, die gemessen an den damit verfolgten Zielen unverhältnismäßig ist.

42     Das Gesetz Nr. 3037/2002 ist folglich unvereinbar mit Artikel 28 EG.

43     Nach alledem ist die erste von der Kommission zur Begründung ihrer Klage erhobene Rüge begründet.

 Zur zweiten Rüge: Verstoß gegen die Artikel 43 EG und 49 EG

Vorbringen der Parteien

44     Die Kommission trägt vor, die Artikel 2 Absatz 1 und 3 des Gesetzes Nr. 3037/2002 verböten in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Wirtschaftsteilnehmern, ihre Dienstleistungen für die Zurverfügungstellung oder die Lieferung von Spielgeräten auf dem griechischen Markt zu erbringen, und zwar unabhängig davon, ob sie sich in Griechenland niederlassen oder lediglich ihre Dienstleistungen dort von dem Mitgliedstaat aus erbringen wollten, in dem sie niedergelassen seien. Derartige nationale Bestimmungen verstießen, da sie unter dem Gesichtspunkt ihrer Erforderlichkeit und ihrer Verhältnismäßigkeit nicht ausreichend begründet seien, gegen die Artikel 43 EG und 49 EG.

45     In diesem Zusammenhang macht die Kommission geltend, dass die griechischen Behörden konkreten, gezielteren Maßnahmen, durch die die Umwandlung von Unterhaltungsspielen in Glücksspiele beschränkt werde oder verhindert werden solle, den Vorrang hätten einräumen müssen. Derartige Maßnahmen hätten z. B. die Form von gezielteren Verboten, strengeren und genaueren Kontrollen und/oder strengeren und wirksameren Sanktionen annehmen können. Außerdem bestünden diese Maßnahmen nicht notwendigerweise in einem generellen Verbot, das Auswirkungen auf andere wirtschaftliche Tätigkeiten habe, die nicht mit Glücksspielen verbunden seien.

46     Die Hellenische Republik vertritt die Auffassung, die vorgeschlagenen Maßnahmen reichten nicht aus, und macht geltend, die radikaleren Maßnahmen, die angewandt worden seien, entsprächen zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, um zu gewährleisten, dass das angestrebte Ziel erreicht werde, und sie seien das einzige wirksame Mittel, um dem schweren sozialen Problem, das sich stelle, entgegenzutreten. Zur Widerlegung dieser zweiten Rüge beruft sie sich im Wesentlichen auf Argumente, die mit denjenigen übereinstimmen, die sie vorbringt, um die die Beschränkung des freien Warenverkehrs betreffende Rüge der Kommission zurückzuweisen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

47     Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten, da es keine auf Gemeinschaftsebene harmonisierten Vorschriften im Bereich der Spiele gibt, grundsätzlich befugt bleiben, die Bedingungen für die Ausübung von Tätigkeiten in diesem Sektor festzulegen. Sie müssen jedoch ihre Befugnisse unter Beachtung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten ausüben (vgl. Urteile vom 3. Oktober 2000 in der Rechtssache C-58/98, Corsten, Slg. 2000, I-7919, Randnr. 31, und vom 26. Januar 2006 in der Rechtssache C‑514/03, Kommission/Spanien, Slg. 2006, I‑963, Randnr. 23).

48     Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes schreiben die Artikel 43 EG und 49 EG die Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs vor; als solche Beschränkungen sind alle Maßnahmen anzusehen, die die Ausübung dieser Freiheiten unterbinden, behindern oder weniger attraktiv machen (vgl. u. a. Urteil vom 15. Januar 2002 in der Rechtssache C‑439/99, Kommission/Italien, Slg. 2002, I‑305, Randnr. 22, und vom 30. März 2006 in der Rechtssache C‑451/03, Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti, Slg. 2006, I‑2941, Randnr. 31).

49     Außerdem hat der Gerichtshof entschieden, dass nationale Maßnahmen, die die vom Vertrag garantierten Grundfreiheiten beschränken, nur unter vier Voraussetzungen zulässig sind: Sie müssen in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprechen, sie müssen zur Erreichung des verfolgten Zieles geeignet sein, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist (Urteil vom 4. Juli 2000 in der Rechtssache C‑424/97, Haim, Slg. 2000, I‑5123, Randnr. 57 und darin zitierte Rechtsprechung).

50     In diesem Zusammenhang geht aus Artikel 2 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 3037/2002 hervor, dass es in Griechenland unter Androhung der in den Artikeln 4 und 5 dieses Gesetzes vorgesehenen strafrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Sanktionen verboten ist, elektrische, elektromechanische und elektronische Spiele an öffentlichen oder privaten Orten mit Ausnahme von Spielkasinos zu betreiben. Was die elektronischen Rechner angeht, die sich in Internet-Dienstleistungsbetrieben befinden, ist Artikel 2 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 3037/2002 nicht anwendbar; der Betrieb von Spielen auf diesen Rechnern ist nach Artikel 3 dieses Gesetzes verboten.

51     Was die Niederlassungsfreiheit betrifft, sind derartige nationale Rechtsvorschriften geeignet, die Ausübung des Wirtschaftsteilnehmern aus anderen Mitgliedstaaten zustehenden Rechts, sich zur Erbringung der fraglichen Dienstleistungen in Griechenland niederzulassen, zu erschweren oder sogar unmöglich zu machen.

52     Ein solches Verbot stellt somit ein Hindernis für die Niederlassungsfreiheit dar.

53     Was den freien Dienstleistungsverkehr angeht, ist nach ständiger Rechtsprechung zum einen die Tätigkeit des Betriebs von Spielautomaten unabhängig davon, ob sie sich von den die Herstellung, die Einfuhr und den Vertrieb derartiger Geräte betreffenden Tätigkeiten trennen lässt, als Dienstleistung im Sinne der Bestimmungen des Vertrages zu qualifizieren und stellen zum anderen nationale Rechtsvorschriften, die die Veranstaltung von und die Teilnahme an Spielen nur in Kasinosälen zulassen, eine Behinderung des freien Dienstleistungsverkehrs dar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2003 in der Rechtssache C‑6/01, Anomar u. a., Slg. 2003, I‑8621, Randnrn. 56 und 75).

54     Außerdem hat der Gerichtshof, was insbesondere die Dienstleistungen der Informationsgesellschaft angeht, entschieden, dass Artikel 49 EG Dienstleistungen erfasst, die ein Leistungserbringer mit Sitz in einem Mitgliedstaat über das Internet – und damit ohne Ortswechsel – in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Leistungsempfängern anbietet, so dass jede Beschränkung dieser Tätigkeiten eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt (Urteil vom 6. November 2003 in der Rechtssache C‑243/01, Gambelli u. a., Slg. 2003, I‑13031, Randnr. 54).

55     Aus den Gründen, von denen auch in den Randnummern 36 bis 41 des vorliegenden Urteils ausgegangen worden ist, kann den Argumenten, die die Hellenische Republik vorbringt, um das Hindernis für die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr zu rechtfertigen, nicht gefolgt werden.

56     Daraus folgt, dass das Gesetz Nr. 3037/2002 auch gegen die Artikel 43 EG und 49 EG verstößt.

57     Die zweite von der Kommission zur Begründung ihrer Klage geltend gemachte Rüge ist somit begründet.

 Zur dritten Rüge: Verstoß gegen die Richtlinie 98/34

 Vorbringen der Parteien

58     Die Kommission wirft der Hellenischen Republik vor, dass diese das Gesetz Nr. 3037/2002, das in den Artikeln 2 Absatz 1 und 3 technische Vorschriften betreffend Erzeugnisse im Sinne von Artikel 1 Nummer 11 der Richtlinie 98/34 enthalte, nicht im Stadium seiner Ausarbeitung übermittelt habe, und zwar entgegen den Anforderungen des Artikels 8 Absatz 1 Unterabsatz 1 dieser Richtlinie, der ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft vorsehe.

59     Der Mitgliedstaat räumt in seiner Klagebeantwortung ein, dass die griechischen Behörden das Informationsverfahren bei der Ausarbeitung des Entwurfs, aus dem das Gesetz Nr. 3037/2002 werden sollte, anscheinend nicht beachtet haben, und gibt an, dass dieser Verstoß irrtümlich und nicht absichtlich begangen worden sei. Diese Zuwiderhandlung sei auf die dringende Notwendigkeit zurückzuführen, dem sozialen Problem schnell und unverzüglich entgegenzutreten und damit die öffentliche Ordnung zu gewährleisten.

 Würdigung durch den Gerichtshof

60     Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass Vorschriften wie Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 98/34 die Mitgliedstaaten verpflichten, der Kommission unverzüglich jeden Entwurf einer technischen Vorschrift zu übermitteln (Urteil vom 8. September 2005 in der Rechtssache C‑500/03, Kommission/Portugal, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 39, sowie, was den Vorschriften dieser Richtlinie entsprechende Vorschriften angeht, Urteile vom 2. August 1993 in der Rechtssache C‑139/92, Kommission/Italien, Slg. 1993, I‑4707, Randnr. 3, und vom 11. Januar 1996 in der Rechtssache C‑273/94, Kommission/Niederlande, Slg. 1996, I‑31, Randnr. 15).

61     Maßnahmen wie die in den Artikeln 2 Absatz 1 und 3 des Gesetzes Nr. 3037/2002 vorgesehenen sind insoweit, als sie die Benutzung von elektrischen, elektromechanischen und elektronischen Spielen einschließlich aller Spiele für elektronische Rechner an öffentlichen und privaten Orten mit Ausnahme von Spielkasinos sowie die Benutzung von Spielen auf elektronischen Rechnern, die sich in Internet-Dienstleistungsunternehmen befinden, verbieten und den Betrieb dieser Unternehmen von der Erteilung einer besonderen Genehmigung abhängig machen, als technische Vorschriften im Sinne von Artikel 1 Nummer 11 der Richtlinie 98/34 zu qualifizieren (vgl. Urteil vom 21. April 2005 in der Rechtssache C‑267/03, Lindberg, Slg. 2005, I‑3247).

62     Die Hellenische Republik war somit nach Artikel 8 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 98/34 verpflichtet, über diese technischen Vorschriften im Entwurfsstadium Mitteilung zu machen (vgl. u. a. Urteil Kommission/Portugal, Randnr. 40).

63     Im vorliegenden Fall ist eine solche Mitteilung aber unstreitig nicht erfolgt.

64     Diese Verpflichtung kann nicht mit dem Hinweis in Frage gestellt werden, das Gesetz Nr. 3037/2002 habe in einem Dringlichkeitsverfahren erlassen werden müssen, um dem durch den Betrieb von elektrischen, elektromechanischen und elektronischen Spielen geschaffenen sozialen Problem schnell und unverzüglich entgegenzutreten und die öffentliche Ordnung zu gewährleisten.

65     Die Hellenische Republik kann sich nämlich nicht auf die in Artikel 9 Absatz 7 erster Gedankenstrich der Richtlinie 98/34 vorgesehene Ausnahme berufen, da unstreitig bei Erlass dieses Gesetzes ein durch diese Vorschrift erfasster Sachverhalt in Griechenland nicht vorlag.

66     Demzufolge ist festzustellen, dass die Hellenische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 8 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 98/34 verstoßen hat, dass sie das Gesetz Nr. 3037/2002 erlassen hat, ohne es der Kommission im Entwurfsstadium mitgeteilt zu haben.

67     Die dritte von der Kommission zur Begründung ihrer Klage erhobene Rüge ist daher ebenfalls begründet.

68     Nach alledem hat die Hellenische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 28 EG, 43 EG und 49 EG sowie aus Artikel 8 der Richtlinie 98/34 verstoßen, dass sie in den Artikeln 2 Absatz 1 und 3 des Gesetzes Nr. 3037/2002 unter Androhung der in den Artikeln 4 und 5 dieses Gesetzes vorgesehenen strafrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Sanktionen das Verbot eingeführt hat, elektrische, elektromechanische und elektronische Spiele einschließlich aller Spiele für elektronische Rechner an öffentlichen oder privaten Orten mit Ausnahme von Spielkasinos einzurichten und zu betreiben.

 Kosten

69     Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Hellenischen Republik beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Hellenische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 28 EG, 43 EG und 49 EG sowie aus Artikel 8 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften über die Dienste der Informationsgesellschaft in der durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 geänderten Fassung verstoßen, dass sie in den Artikeln 2 Absatz 1 und 3 des Gesetzes Nr. 3037/2002 unter Androhung der in den Artikeln 4 und 5 dieses Gesetzes vorgesehenen strafrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Sanktionen das Verbot eingeführt hat, elektrische, elektromechanische und elektronische Spiele einschließlich aller Spiele für elektronische Rechner an öffentlichen oder privaten Orten mit Ausnahme von Spielkasinos einzurichten und zu betreiben.

2.      Die Hellenische Republik trägt die Kosten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Griechisch.