Rechtssache C‑88/03

Portugiesische Republik

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Nichtigkeitsklage – Staatliche Beihilfen – Entscheidung 2003/442/EG – Von einer regionalen oder lokalen Körperschaft erlassene steuerliche Maßnahmen – Senkung der Einkommensteuer für natürliche und juristische Personen mit steuerlichem Sitz auf den Azoren – Qualifizierung als staatliche Beihilfe – Selektiver Charakter – Rechtfertigung durch die Natur und den inneren Aufbau des Steuersystems – Begründungspflicht – Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt“

Schlussanträge des Generalanwalts L. A. Geelhoed vom 20. Oktober 2005 

Urteil des Gerichtshofes (Große Kammer) vom 6. September 2006 

Leitsätze des Urteils

1.     Staatliche Beihilfen – Begriff – Selektivität der Maßnahme

(Artikel 87 Absatz 1 EG)

2.     Staatliche Beihilfen – Begriff – Selektivität der Maßnahme

(Artikel 87 Absatz 1 EG)

3.     Handlungen der Organe – Begründungspflicht – Umfang

(Artikel 87 Absatz 1 EG und 253 EG)

4.     Staatliche Beihilfen – Verbot – Ausnahmen – Ermessen der Kommission

(Artikel 87 Absatz 3 EG)

1.     Artikel 87 Absatz 1 EG verbietet staatliche Beihilfen zur „Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige“ gegenüber anderen Unternehmen oder Produktionszweigen, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, d. h. selektive Beihilfen. Der Begriff der staatlichen Beihilfe erfasst jedoch staatliche Maßnahmen, die eine Differenzierung zwischen Unternehmen vornehmen und damit a priori selektiv sind, dann nicht, wenn diese Differenzierung aus der Natur oder dem inneren Aufbau der Lastenregelung folgt, mit der sie in Zusammenhang stehen.

Eine Maßnahme, die eine Ausnahme von der Anwendung des allgemeinen Steuersystems darstellt, kann durch die Natur und den inneren Aufbau des Steuersystems gerechtfertigt sein, wenn der betreffende Mitgliedstaat nachweisen kann, dass sie unmittelbar auf den Grund- oder Leitprinzipien seines Steuersystems beruht. Insoweit ist zu unterscheiden zwischen den mit einer bestimmten Steuerregelung verfolgten Zielen, die außerhalb dieser Regelung liegen, und den dem Steuersystem selbst inhärenten Mechanismen, die zur Erreichung dieser Ziele erforderlich sind.

(vgl. Randnrn. 52, 54, 81)

2.     Für die Prüfung, ob eine Maßnahme selektiv ist, kommt der Bestimmung des Bezugsrahmens wesentliche Bedeutung zu; der Bezugsrahmen muss nicht zwangsläufig in den Grenzen des Staatsgebiets festgelegt werden.

So ist zur Beurteilung der Selektivität einer Maßnahme, die von einer unterhalb der nationalstaatlichen Ebene angesiedelten Einrichtung erlassen wird, um nur für einen Teil des Gebietes eines Mitgliedstaats einen niedrigeren Steuersatz als im übrigen Gebiet dieses Staates festzusetzen, zu prüfen, ob die Maßnahme von dieser Einrichtung in Ausübung von Befugnissen erlassen worden ist, die gegenüber der Zentralgewalt ausreichend autonom sind, und gegebenenfalls, ob sie tatsächlich für alle im Zuständigkeitsgebiet dieser Einrichtung ansässigen Unternehmen oder dort vorhandenen Produktionszweige gilt.

In einer Situation, in der eine regionale oder lokale Körperschaft in Ausübung von Befugnissen, die gegenüber der Zentralgewalt ausreichend autonom sind, einen unter dem nationalen Satz liegenden Steuersatz festsetzt, der ausschließlich für die Unternehmen in seinem Zuständigkeitsgebiet gilt, kann der maßgebende rechtliche Bezugsrahmen für die Beurteilung der Selektivität einer steuerlichen Maßnahme dann auf das betreffende geografische Gebiet beschränkt sein, wenn der unterhalb der nationalstaatlichen Ebene angesiedelten Einrichtung insbesondere aufgrund ihrer Stellung und ihrer Befugnisse eine grundlegende Rolle bei der Festlegung des politischen und wirtschaftlichen Umfelds zukommt, in dem die Unternehmen ihres Zuständigkeitsgebiets tätig sind.

Damit davon ausgegangen werden kann, dass eine unter solchen Umständen getroffene Entscheidung in Ausübung von ausreichend autonomen Befugnissen erlassen wurde, muss sie von einer regionalen oder lokalen Körperschaft erlassen worden sein, der verfassungsrechtlich ein gegenüber der Zentralregierung eigener politischer und administrativer Status eingeräumt worden ist. Sodann muss sie getroffen worden sein, ohne dass die Zentralregierung die Möglichkeit hatte, ihren Inhalt unmittelbar zu beeinflussen. Schließlich dürfen die finanziellen Auswirkungen einer Senkung des nationalen Steuersatzes für die Unternehmen in der Region nicht durch Zuschüsse oder Subventionen aus den anderen Regionen oder von der Zentralregierung ausgeglichen werden.

(vgl. Randnrn. 56-58, 62, 65-67)

3.     Die nach Artikel 253 EG vorgeschriebene Begründung muss dem Wesen des betreffenden Rechtsakts entsprechen und die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den beanstandeten Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und der Gemeinschaftsrichter seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung den Erfordernissen des Artikels 253 EG genügt, nicht nur anhand des Wortlauts des Rechtsakts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontextes sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet.

Angewandt auf die Qualifizierung einer Beihilfemaßnahme verlangt dieser Grundsatz, dass die Gründe angeführt werden, aus denen die betreffende Maßnahme nach Ansicht der Kommission in den Anwendungsbereich des Artikels 87 Absatz 1 EG fällt. Dabei hat die Kommission auch in den Fällen, in denen sich aus den Umständen, unter denen die Beihilfe gewährt worden ist, ergibt, dass sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt und den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht, zumindest diese Umstände in der Begründung ihrer Entscheidung anzugeben.

(vgl. Randnrn. 88-89)

4.     Die Kommission verfügt bei der Anwendung von Artikel 87 Absatz 3 EG über ein weites Ermessen, dessen Ausübung wirtschaftliche und soziale Wertungen voraussetzt, die in einem Gemeinschaftskontext vorzunehmen sind. Der Gemeinschaftsrichter darf bei der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Ausübung dieser Entscheidungsfreiheit die Beurteilung durch die Stelle, die die Entscheidung erlassen hat, nicht durch seine eigene Beurteilung ersetzen, sondern muss sich auf die Prüfung beschränken, ob diese Beurteilung offensichtlich irrig oder ermessensmissbräuchlich ist.

(vgl. Randnr. 99)




URTEIL DES GERICHTSHOFES (Große Kammer)

6. September 2006(*)

„Nichtigkeitsklage – Staatliche Beihilfen – Entscheidung 2003/442/EG – Von einer regionalen oder lokalen Körperschaft erlassene steuerliche Maßnahmen – Senkung der Einkommensteuer für natürliche und juristische Personen mit steuerlichem Sitz auf den Azoren – Qualifizierung als staatliche Beihilfe – Selektiver Charakter – Rechtfertigung durch die Natur und den inneren Aufbau des Steuersystems – Begründungspflicht – Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt“

In der Rechtssache C‑88/03

betreffend eine Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG, eingereicht am 24. Februar 2003,

Portugiesische Republik, vertreten durch L. Fernandes als Bevollmächtigten im Beistand von J. da Cruz Vilaça und L. Romão, advogados, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

unterstützt durch

Königreich Spanien, vertreten durch N. Díaz Abad als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

und

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch R. Caudwell als Bevollmächtigte im Beistand von D. Anderson, QC, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Streithelfer,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch V. Di Bucci und F. de Sousa Fialho als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas (Berichterstatter) und J. Malenovský, der Richter J.‑P. Puissochet und R. Schintgen, der Richterin N. Colneric sowie der Richter S. von Bahr, J. Klučka und U. Lõhmus,

Generalanwalt: L. A. Geelhoed,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. September 2005,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 20. Oktober 2005

folgendes

Urteil

1       Mit ihrer Klageschrift beantragt die Portugiesische Republik die Nichtigerklärung der Entscheidung 2003/442/EG der Kommission vom 11. Dezember 2002 über den Teil der Regelung zur Anpassung des portugiesischen Steuersystems an die besonderen Bedingungen der autonomen Region der Azoren, der die Einkommensteuersenkungen betrifft (ABl. 2003, L 150, S. 52, im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

 Rechtlicher Rahmen

 Gemeinschaftsrecht

2       Artikel 87 Absatz 1 EG bestimmt:

„Soweit in diesem Vertrag nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.“

3       Die Mitteilung der Kommission vom 10. Dezember 1998 über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmensbesteuerung (ABl. C 384, S. 3, im Folgenden: Mitteilung über staatliche Beihilfen im Bereich der direkten Besteuerung) hat nach ihrer Randnummer 2 Klarstellungen bezüglich der Einstufung als Beihilfe gemäß Artikel 87 Absatz 1 EG im Fall steuerlicher Maßnahmen zum Gegenstand.

4       Nach Artikel 87 Absatz 3 EG können als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden:

„a)      Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung von Gebieten, in denen die Lebenshaltung außergewöhnlich niedrig ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht;

c)      Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft;

…“

5       Artikel 299 Absatz 2 EG bestimmt, dass der Vertrag für die französischen überseeischen Departements, die Azoren, Madeira und die Kanarischen Inseln gilt. Der Gemeinschaftsgesetzgeber kann jedoch mit Rücksicht darauf, dass die strukturbedingte soziale und wirtschaftliche Lage dieser Gebiete durch bestimmte Faktoren erschwert wird, die als ständige Gegebenheiten und durch ihr Zusammenwirken die Entwicklung schwer beeinträchtigen, spezifische Maßnahmen beschließen, die insbesondere darauf abzielen, die Bedingungen für die Anwendung des Vertrages auf die genannten Gebiete festzulegen.

6       Nach Ziffer 4.15 der Leitlinien der Kommission für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung (ABl. 1998, C 74, S. 9) in der am 9. September 2000 geänderten Fassung (ABl. 2000, C 258, S. 5) (im Folgenden: Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung) sind Regionalbeihilfen, mit denen die laufenden Ausgaben eines Unternehmens gesenkt werden sollen, also Betriebsbeihilfen, verboten.

7       Jedoch können nach Ziffer 4.16.2 dieser Leitlinien in Gebieten in äußerster Randlage, die unter die Ausnahmebestimmung des Artikels 87 Absatz 3 Buchstaben a und c EG fallen, Beihilfen auch dann genehmigt werden, wenn die Bedingungen der Degressivität beziehungsweise zeitlichen Begrenzung nicht erfüllt sind, soweit sie die aufgrund der in Artikel 299 Absatz 2 EG genannten Faktoren, die als ständige Gegebenheiten und durch ihr Zusammenwirken die Entwicklung dieser Gebiete schwer beeinträchtigen, entstehenden Mehrkosten bei der Ausübung einer Wirtschaftstätigkeit ausgleichen. In dieser Ziffer ist außerdem ausgeführt, dass es dem Mitgliedstaat obliegt, den Umfang dieser Mehrkosten zu veranschlagen und den Zusammenhang mit den genannten Faktoren nachzuweisen. Ferner müssen die Beihilfevorhaben aufgrund ihres Beitrags zur Regionalentwicklung und ihrer Art nach gerechtfertigt sein, und ihre Höhe muss in einem Verhältnis zu den auszugleichenden Mehrkosten stehen.

 Nationales Recht

8       Die Verfassung der Portugiesischen Republik vom 2. April 1976 bestimmt: „Die Inselgruppen Azoren und Madeira bilden autonome Regionen mit eigenem politisch-administrativem Status und eigenen Regierungseinrichtungen.“ Sie enthält hierzu einen Komplex von Vorschriften, in denen die Befugnisse, Aufgaben und Zuständigkeiten dieser Regionen sowie ihre politischen Organe und Verwaltungseinrichtungen geregelt sind.

9       Aus diesen Vorschriften ergibt sich, dass den autonomen Regionen eigene Steuereinnahmen sowie nach einem Grundsatz der effektiven nationalen Solidarität ein Teil der Steuereinnahmen des Staates zustehen. Außerdem besteht eine ausschließliche Zuständigkeit der gesetzgebenden Versammlungen dieser Regionen, unter den in einem Rahmengesetz, das von der Assembleia da República erlassen wird, vorgesehenen Bedingungen eine eigene Steuerzuständigkeit auszuüben und die Steuern des Staates an die regionalen Besonderheiten anzupassen.

10     Mit dem Gesetz Nr. 13/98 vom 24. Februar 1998 zur Regelung der Finanzen in den autonomen Regionen (lei n° 13/98, de 24 de Fevereiro, Lei de Finanças das Regiões Autónomas, Diário da República I, Serie A, Nr. 46, vom 24. Februar 1998, S. 746, im Folgenden: Gesetz Nr. 13/98) hat der portugiesische Staat die Bedingungen dieser Finanzautonomie genau festgelegt. In diesem Gesetz sind die Grundsätze und die Ziele der regionalen Finanzautonomie niedergelegt, ferner ist darin die Koordinierung der Finanzen der autonomen Regionen mit den Staatsfinanzen vorgesehen und der Grundsatz der nationalen Solidarität sowie die Kooperationspflicht zwischen Staat und autonomen Regionen verankert.

11     Zur Kooperation zwischen Staat und autonomen Regionen sieht Artikel 5 Absätze 1 bis 3 des Gesetzes Nr. 13/98 u. a. vor:

„1.      In Durchführung der kraft Verfassung und Gesetzes bestehenden Solidaritätspflicht beteiligt sich der Staat unter Berücksichtigung seiner Haushaltslage und des Erfordernisses, die Gleichbehandlung aller Teile des Staatsgebiets zu sichern, zusammen mit den Behörden der autonomen Regionen an der Aufgabe der wirtschaftlichen Entwicklung, an der Korrektur der sich aus der geografischen Isolation ergebenden Ungleichheiten und an der Angleichung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse an das übrige Staatsgebiet und an die Europäische Union.

2.      Die nationale Solidarität kommt insbesondere in finanzieller Hinsicht in der Übertragung der in diesem Gesetz vorgesehenen Haushaltsmittel zum Ausdruck und ist jederzeit dem Entwicklungsniveau der autonomen Regionen anzupassen, wobei vor allem anzustreben ist, dass die Voraussetzungen für eine bessere finanzielle Deckung aus deren eigenen Einnahmen geschaffen werden.

3.      Die nationale Solidarität soll einen fundamentalen Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bürger Portugals gewährleisten und für sie alle die Möglichkeit des Zugangs zu den auf nationaler Ebene festgelegten Sozialpolitiken sichern sowie zur Angleichung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse an das übrige Staatsgebiet und die … Union beitragen, und sie kommt insbesondere in der Übertragung der im Einklang mit diesem Gesetz zu bestimmenden Haushaltsmittel zum Ausdruck.“

12     Wie in Begründungserwägung 7 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, sieht das Gesetz Nr. 13/98 außerdem vor, dass die nationale Einkommensteuer der natürlichen und juristischen Personen eine Einnahmequelle der autonomen Regionen nach den von ihnen selbst festzulegenden Bedingungen ist. Nach Artikel 37 dieses Gesetzes sind die Gesetzgebenden Regionalversammlungen insbesondere dazu berechtigt, die in den autonomen Regionen nach der nationalen Gesetzgebung anwendbaren Einkommensteuersätze bis zu 30 % zu senken.

 Sonderregelung der Autonomen Region Azoren

13     Mit der regionalen legislativen Verordnung Nr. 2/99/A vom 20. Januar 1999 in der durch die regionale legislative Verordnung Nr. 33/99/A vom 30. Dezember 1999 geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 2/99/A) hat die gesetzgebende Körperschaft der Region Azoren in Anwendung der ihr insoweit übertragenen Befugnisse die Modalitäten für die Anpassung des nationalen Steuersystems an die besonderen regionalen Bedingungen erlassen. Diese legislative Verordnung ist seit dem 1. Januar 1999 in Kraft und enthält u. a. einen Teil über Einkommensteuersenkungen.

14     Diese Steuersenkungen gelten automatisch für alle Wirtschaftsteilnehmer (natürliche und juristische Personen). Den portugiesischen Behörden zufolge sollen sie vor allem die auf den Azoren ansässigen Unternehmen in die Lage versetzen, die strukturellen Nachteile zu überwinden, die sich aus ihrem Standort auf einer Insel und in einem Gebiet in äußerster Randlage ergeben. Deshalb wird allen natürlichen und juristischen Personen, die in der Region Azoren der Einkommensteuer bzw. der Körperschaftsteuer unterliegen, eine Steuersenkung in Höhe von 20 % (15 % im Jahr 1999) bei der Einkommensteuer und 30 % bei der Körperschaftssteuer gewährt. Die Kosten, die sich für den Haushalt aus dieser Maßnahme ergeben, werden von den portugiesischen Behörden auf der Grundlage der Steuermindereinnahmen auf jährlich ca. 26,25 Mio. EUR veranschlagt.

 Die angefochtene Entscheidung

15     Mit Schreiben vom 5. Januar 2000 meldeten die portugiesischen Behörden bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften eine Regelung zur Anpassung ihres nationalen Steuersystems an die besonderen Bedingungen der Autonomen Region Azoren an. Diese Regelung, die verspätet, und zwar auf ein Auskunftsverlangen hin, das die Kommissionsdienststellen am 7. Dezember 1999 aufgrund von Presseberichten gestellt hatten, angemeldet wurde und ohne Genehmigung der Kommission in Kraft trat, wurde in das Verzeichnis der nicht angemeldeten Beihilfen aufgenommen.

16     Nach Prüfung der von den portugiesischen Behörden übermittelten Informationen beschloss die Kommission, hinsichtlich des Teils der Regelung, der die Senkung der Einkommen- und der Körperschaftsteuer betrifft, das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG einzuleiten. Im Rahmen dieses Verfahrens übermittelte die Regionalregierung der Ålandinseln (Finnland) der Kommission eine Stellungnahme, in der sie die Auffassung der portugiesischen Behörden unterstützte.

17     Am Ende dieses Verfahrens erließ die Kommission die angefochtene Entscheidung.

18     In Begründungserwägung 23 dieser Entscheidung verweist die Kommission unter Bezugnahmen auf ihre Mitteilung über staatliche Beihilfen im Bereich der direkten Besteuerung auf die Kriterien, mit denen eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG definiert wird. Die fragliche Maßnahme müsse ihren Begünstigten einen Vorteil verschaffen, durch den die ihnen normalerweise entstehenden Kosten gesenkt würden. Ein solcher Vorteil müsse unabhängig von seiner Form vom Staat oder aus staatlichen Mitteln gewährt werden. Die betreffende Maßnahme müsse sich auf den Wettbewerb und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten auswirken. Schließlich müsse eine solche Maßnahme spezifisch oder selektiv sein, also bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstigen.

19     In Begründungserwägung 24 der angefochtenen Entscheidung gelangt die Kommission zu dem Ergebnis, dass bei den fraglichen Steuersenkungen jedes dieser Kriterien erfüllt sei. Zu den ersten drei Kriterien führt sie insbesondere aus:

„–      … Soweit die betreffenden Steuersenkungen auf Unternehmen angewandt werden, führt dies zu einem Vorteil, durch den die ihnen normalerweise entstehenden Kosten gesenkt werden.

–      Die Gewährung von Steuersenkungen führt zu Steuermindereinnahmen, die … ‚der Verwendung staatlicher Mittel in Form von Steuerausgaben gleichkommen’. Soweit dieses Prinzip auch auf Beihilfen anwendbar ist, die von regionalen und lokalen Einrichtungen der Mitgliedstaaten gewährt werden …, werden die betreffenden Steuersenkungen aus staatlichen Mitteln oder aus Mitteln gewährt, die im portugiesischen Staatshaushalt der autonomen Region der Azoren zugewiesen sind.

–      Das Kriterium, wonach sich die Maßnahme auf den Wettbewerb und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten auswirken soll, setzt voraus, dass der von ihr Begünstigte unabhängig von seiner Rechtsform oder Finanzierungsweise eine Wirtschaftstätigkeit ausübt. Nach ständiger Rechtsprechung ist diese Voraussetzung der Auswirkung auf den Handel erfüllt, wenn die begünstigten Unternehmen eine Wirtschaftstätigkeit ausüben, die Gegenstand des Handels zwischen den Mitgliedstaaten ist … Unter Berücksichtigung des Umfangs ihrer branchenbezogenen Anwendung und soweit zumindest ein Teil der fraglichen Unternehmen eine Wirtschaftstätigkeit ausübt, die Gegenstand des Handels zwischen den Mitgliedstaaten ist, [ist dies bei den betrachteten Steuersenkungen der Fall].“

20     Zum Kriterium der Selektivität verweist die Kommission auf Randummer 17 ihrer Mitteilung über staatliche Beihilfen im Bereich der direkten Besteuerung. Dort heißt es, die bisherige Entscheidungspraxis der Kommission zeige, „dass sich nur die Maßnahmen, die im gesamten Mitgliedstaat Anwendung finden, dem in Artikel 87 Absatz 1 [EG] festgelegten Kriterium des selektiven Charakters entziehen“ und „der EG-Vertrag selbst Maßnahmen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung einer Region als Beihilfen ein[stuft]“. Nach Auffassung der Kommission stellen die fraglichen Steuersenkungen für die in einer bestimmten Region Portugals ansässigen Unternehmen einen Vorteil dar, der den Unternehmen, die in anderen Regionen Portugals vergleichbare wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben wollten, nicht zugestanden werde. Sie begünstigten daher im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG die in der Region Azoren steuerpflichtigen Unternehmen gegenüber allen anderen portugiesischen Unternehmen (Begründungserwägung 24 der angefochtenen Entscheidung).

21     Die Kommission stützt dieses Ergebnis auf folgende, in den Begründungserwägungen 26, 27, 31 und 33 der angefochtenen Entscheidung dargelegte Überlegungen.

22     Erstens könne das Kriterium der Selektivität beim Begriff der Beihilfe, da es auf einem Vergleich zwischen zwei Gruppen von Unternehmen innerhalb ein und desselben Bezugsrahmens (Unternehmen, denen der Vorteil zugestanden werde, und Unternehmen, denen er nicht zugestanden werde) beruhe, nur aufgrund einer als normal definierten Besteuerung festgestellt werden. Nach Auffassung der Kommission „ergibt sich aus der Ökonomie des Vertrages, der die vom Staat oder aus staatlichen Mitteln zu gewährenden Beihilfen regelt, sowie aus der grundlegenden Rolle, die [den Zentralbehörden der Mitgliedstaaten] bei der Definition des politischen und wirtschaftlichen Umfelds, in dem die Unternehmen tätig sind, durch ihre Maßnahmen, durch die von ihnen erbrachten Leistungen sowie eventuell durch von ihnen getätigte Finanztransaktionen [zukommt], dass der Bezugsrahmen, innerhalb dessen ein solcher Vergleich vorzunehmen ist, der Wirtschaftsraum des Mitgliedstaats ist. … Die ständige Praxis der Kommission … besteht … darin, solche steuerlichen Regelungen als Beihilfen einzustufen, die in bestimmten Regionen oder Territorien gelten und im Vergleich zur allgemeinen Regelung in einem Mitgliedstaat vorteilhaft sind …“

23     Zweitens sei die von den portugiesischen Behörden vertretene Auffassung, dass Vergünstigungen mit begrenztem regionalem Umfang als allgemeine Maßnahmen in der betreffenden Region einzustufen seien, nur weil sie nicht von der Zentralbehörde, sondern von der Regionalbehörde eingeführt worden seien und in der gesamten der regionalen Gerichtsbarkeit unterliegenden Region anwendbar seien, unvereinbar mit dem Begriff der Beihilfe, der sämtliche Eingriffe umfasse, die die einem oder mehreren Unternehmen normalerweise entstehenden Kosten senkten, und dies unabhängig von ihrem Zweck, ihrer Begründung, ihrem Ziel und vom Status der öffentlichen Behörde, die sie angeordnet habe oder aus deren Haushalt sie finanziert würden. „Eine Unterscheidung, die allein anhand der Stelle erfolgt, die über die Maßnahme entscheidet, würde Artikel 87 [EG], [der] die betreffenden Maßnahmen ausschließlich [nach ihren Auswirkungen] auf den Wettbewerb und den Handel in der Gemeinschaft [erfassen soll, jede praktische Wirksamkeit nehmen] …“

24     Die Kommission fügt hinzu, dass „die vorliegende Entscheidung sich nicht auf einen Mechanismus bezieht, der sämtlichen lokalen Gebietskörperschaften einer bestimmten Ebene (Regionen, Bezirke oder andere) die Einführung und Erhebung von lokalen Steuern ohne Bezug zur nationalen Besteuerung gestattet. Im vorliegenden Fall handelt es sich dagegen um eine allein auf den Azoren anwendbare Steuersenkung, die von der nationalen Gesetzgebung festgelegt wurde und auf dem portugiesischen Festland anwendbar ist. [Unter diesen Umständen ist offensichtlich, dass die von den regionalen Behörden erlassene Maßnahme eine Ausnahme vom nationalen Steuersystem darstellt.]“

25     Drittens könnten die genannten Steuersenkungen nicht durch die Natur oder den inneren Aufbau des portugiesischen Steuersystems gerechtfertigt sein. „Soweit diese Senkungen insbesondere nicht durch Anwendung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit oder der steuerlichen Progressivität bedingt sind, sondern im Gegenteil die in einer spezifischen Region ansässigen Unternehmen unabhängig von ihrer finanziellen Situation [begünstigen, können die ihnen zugeschriebenen regionalen Entwicklungsziele] nicht als Bestandteile des portugiesischen Steuersystems eingestuft werden.“

26     Nachdem sie die fraglichen Maßnahmen in Begründungserwägung 34 der angefochtenen Entscheidung als staatliche Beihilfen eingestuft hat, vertritt die Kommission in Begründungserwägung 35 die Auffassung, dass diese Beihilfen Betriebsbeihilfen darstellten, da sie zum Ziel hätten, die dauerhaften strukturellen Nachteile, die sich aus der Insellage der Azoren und ihrer Abgelegenheit im Verhältnis zu den Wirtschaftszentren auf dem Festland ergäben, durch Senkung der laufenden Ausgaben der Unternehmen zu überwinden. Solche Beihilfen könnten nur genehmigt werden, wenn sie darauf gerichtet seien, die Mehrkosten für die Ausübung der Wirtschaftstätigkeit zu senken, die auf die in Artikel 299 Absatz 2 EG dargelegten Nachteile zurückgingen, und dies unter Einhaltung der in Ziffer 4.16.2 der Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung festgelegten Bedingungen, d. h., wenn sie aufgrund ihres Beitrags zur Regionalentwicklung und ihrer Art nach gerechtfertigt seien und ihre Höhe in einem Verhältnis zu den auszugleichenden Mehrkosten stehe.

27     Hierzu macht die Kommission in Begründungserwägung 38 der angefochtenen Entscheidung geltend, sie könne die fraglichen Steuersenkungen, soweit sie für Unternehmen gälten, die „außerhalb des Finanzbereichs tätig“ seien, als Beihilfen ansehen, die nach der Ausnahmeregelung des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe a EG mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar seien.

28     Dagegen seien die Steuersenkungen, soweit sie für im Finanzbereich tätige Unternehmen gälten, nicht aufgrund ihres Beitrags zur Regionalentwicklung gerechtfertigt, und ihre Höhe stehe in keinem angemessenen Verhältnis zu den durch sie auszugleichenden Nachteilen. Die Kommission könne daher nicht davon ausgehen, dass diese Senkungen mit dem Gemeinsamen Markt vereinbare Beihilfen im Sinne von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a EG seien, zumal weiterhin quantifizierte Daten fehlten, die eine objektive Berechnung der Höhe der von den auf den Azoren im Finanzbereich tätigen Unternehmen zu tragenden Mehrkosten ermöglichen würden. Diese Beihilfen könnten auch nicht unter eine andere vom Vertrag vorgesehene Ausnahmeregelung fallen.

29     In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in Begründungserwägung 18 der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf die von den portugiesischen Behörden übermittelte Studie bemerkt, dass sich in der Grundstichprobe kein im Finanzbereich tätiges Unternehmen befinde. Die portugiesischen Behörden hätten sich darauf beschränkt, dieses Fehlen mit dem Mangel an statistischen Daten in Bezug auf diese Tätigkeiten zu rechtfertigen, und hätten somit anerkannt, dass sie im Hinblick auf diese Wirtschaftstätigkeiten nicht eindeutig nachweisen könnten, dass die fraglichen Steuersenkungen ihrer Art und Höhe nach geeignet seien, die spezifischen Probleme der Region Azoren zu lösen.

30     Außerdem führt die Kommission in Begründungserwägung 42 der angefochtenen Entscheidung weiter aus, dass „Tätigkeiten des Typs ‚gruppeninterne Dienstleistungen‘ (Tätigkeiten, deren wirtschaftliche Grundlage darin besteht, Dienstleistungen gegenüber Unternehmen der gleichen Gruppe zu erbringen, wie [Koordinierungszentren, Einnahmepools oder Verteilungszentren])“ aus Gründen der Transparenz und der Rechtssicherheit ebenfalls von einer Entscheidung über die Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt ausgenommen werden müssten. Nach ihrer Auffassung tragen nämlich „solche Wirtschaftstätigkeiten nicht in ausreichendem Maße zur Regionalentwicklung [bei] und [können] daher weder kraft Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a [EG] noch aufgrund sonstiger vom Vertrag vorgesehener Ausnahmeregelungen für vereinbar erklärt werden …, und zwar aus denselben Gründen, die im Zusammenhang mit den Tätigkeiten im Finanzbereich aufgeführt wurden“.

31     Demzufolge erklärt die Kommission in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung den Teil der Regelung zur Anpassung des portugiesischen Steuersystems an die besonderen Bedingungen der Autonomen Region Azoren, der die Einkommensteuersenkungen betrifft, für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar vorbehaltlich der Bestimmungen gemäß Artikel 2 der Entscheidung, wonach der Teil der in Artikel 1 genannten Beihilferegelung mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist, soweit er für Unternehmen gilt, die finanzielle Tätigkeiten oder Tätigkeiten des Typs „gruppeninterne Dienstleistungen“ ausüben. In Artikel 3 der angefochtenen Entscheidung gibt die Kommission Portugal auf, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Beihilfen, die aufgrund des in Artikel 1 genannten Teils der Beihilferegelung gezahlt worden sind, von den Unternehmen zurückzufordern, die die in Artikel 2 genannten Tätigkeiten ausüben.

 Anträge der Parteien

32     Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 16. September 2003 ist das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Portugiesischen Republik zugelassen worden.

33     Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 9. Juni 2005 ist das Königreich Spanien als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Portugiesischen Republik zugelassen worden.

34     Die Portugiesische Republik beantragt,

–      die vorliegende Klage für zulässig zu erklären;

–      der vorliegenden Klage stattzugeben und folglich die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit darin die Senkung der Einkommensteuer für natürliche und juristische Personen mit steuerlichem Sitz auf den Azoren als staatliche Beihilfen eingestuft werden;

–      hilfsweise, der vorliegenden Klage stattzugeben und die angefochtene Entscheidung teilweise für nichtig zu erklären, soweit darin die Senkung der Körperschaftsteuer für im Finanzbereich tätige Unternehmen und für Unternehmen, die Tätigkeiten des Typs „gruppeninterne Dienstleistungen“ ausüben, für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt und der Portugiesischen Republik in Artikel 3 aufgegeben wird, den betreffenden Betrag zurückzufordern;

–      der Kommission sämtliche Verfahrenskosten aufzuerlegen einschließlich der Kosten, die der Portugiesischen Republik entstanden sind.

35     Die Kommission beantragt,

–      die Klage als unbegründet abzuweisen;

–      der Portugiesischen Republik die Kosten aufzuerlegen.

36     Das Vereinigte Königreich, das als Streithelfer die Anträge Portugals unterstützt, beantragt, der Klage stattzugeben und folglich die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit darin die Senkung der Einkommen- und der Körperschaftsteuer für natürliche und juristische Personen mit steuerlichem Wohnsitz oder Sitz auf den Azoren als staatliche Beihilfe eingestuft wird.

 Zur Klage

37     Die portugiesische Regierung stützt ihre Klage auf drei Klagegründe. Erstens werde Artikel 87 Absatz 1 EG in der angefochtenen Entscheidung in zweifacher Hinsicht rechtsfehlerhaft angewandt. Zweitens sei die Entscheidung nicht ausreichend begründet, was einen Verstoß gegen Artikel 253 EG darstelle. Drittens liege eine offensichtlich fehlerhafte Beurteilung der Tatsachen vor, die Voraussetzung für die Anwendung von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a EG seien.

 Zum ersten Klagegrund: Rechtsfehlerhafte Anwendung von Artikel 87 Absatz 1 EG

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

38     Mit ihrem ersten Klagegrund macht die portugiesische Regierung geltend, dass die in der Verordnung Nr. 2/99/A vorgesehenen Steuersenkungen zugunsten der auf den Azoren ansässigen natürlichen und juristischen Personen keine selektiven, sondern allgemeine Maßnahmen seien und dass die Differenzierung, die diese Senkungen im Bereich der Kosten bewirkten, jedenfalls durch die Natur oder den inneren Aufbau des portugiesischen Steuersystems gerechtfertigt sei.

39     Zur Beurteilung des selektiven Charakters dieser Maßnahmen trägt die portugiesische Regierung zunächst vor, dass die Kommission zu Unrecht das gesamte portugiesische Staatsgebiet als Bezugsrahmen herangezogen habe. Um die Selektivität einer Maßnahme zu beurteilen, sei die Maßnahme nicht zwangsläufig in einem nationalen Bezugsrahmen zu betrachten. So müsse, wenn eine unterhalb der nationalstaatlichen Ebene angesiedelte Behörde für den ihrer Zuständigkeit unterliegenden Teil des Hoheitsgebiets steuerliche Vergünstigungen gewähre, die auf einen Teil des Hoheitsgebiets beschränkt seien, die betreffende Region der Bezugsrahmen sein. Da unter solchen Voraussetzungen gewährte steuerliche Vergünstigungen für alle Unternehmen gälten, die in dieser Region steuerpflichtig seien, handele es sich um allgemeine und nicht um selektive Maßnahmen.

40     Sodann gingen die fraglichen Steuersenkungen unmittelbar auf die Grundprinzipien des portugiesischen Steuersystems, insbesondere die Grundsätze der Umverteilung und der nationalen Solidarität, sowie auf den Grad der Autonomie der betreffenden Region zurück. Sie seien das Ergebnis der Ausübung der in der Verfassung verankerten Souveränität und beruhten auf den Faktoren, die in Artikel 299 Absatz 2 EG festgelegt seien, nämlich Insellage, schwierige Klimabedingungen und wirtschaftliche Abhängigkeit der Azoren von einigen wenigen Erzeugnissen.

41     Jedenfalls sei in der angefochtenen Entscheidung nicht der Umstand berücksichtigt, dass die fraglichen Steuersenkungen durch die Natur und den inneren Aufbau des portugiesischen Steuersystems gerechtfertigt seien. Diese Maßnahmen trügen zur Verwirklichung der strukturellen Zielsetzungen des portugiesischen Steuersystems, nämlich einer Verteilung der Steuerlast im Einklang mit der Steuerkraft zum Zweck der Umverteilung, bei. Außerdem bestünden zwischen den Steuerpflichtigen, die auf dem portugiesischen Festland, und denjenigen, die auf den Azoren ansässig seien, objektive Unterschiede. Diese beiden Faktoren gingen im Übrigen unmittelbar auf die Verfassungs- und Gesetzesbestimmungen zurück, die die Grundprinzipien des portugiesischen Steuersystems und die Autonomie der Gebiete in äußerster Randlage festlegten.

42     Die Kommission trägt vor, aus dem System des EG-Vertrags ergebe sich, dass die Selektivität einer Maßnahme anhand des nationalen Bezugsrahmens zu beurteilen sei. Die Region, die die Maßnahme erlassen habe, als Bezugsrahmen heranzuziehen, widerspreche der Funktion und dem Sinn der Vertragsvorschriften über die staatlichen Beihilfen. Selbst bei Fehlen einer materiellen Selektivität hätten die Vorteile, die den Unternehmen vorbehalten seien, die in bestimmten Regionen eines Mitgliedstaats tätig seien, selektiven Charakter und könnten somit staatliche Beihilfen darstellen. Im vorliegenden Fall begünstigten die streitigen Steuersenkungen die Unternehmen, die in der Region Azoren steuerpflichtig seien, gegenüber allen anderen portugiesischen Unternehmen, da in den kontinentalen Regionen Portugals die fraglichen nationalen Steuern von den lokalen Behörden nicht ermäßigt werden könnten und daher in voller Höhe gälten; dies sei ausreichend, um die streitige Maßnahme als selektiv im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG anzusehen. Dass die fraglichen Steuersenkungen von einer anderen Körperschaft als dem Zentralstaat beschlossen worden seien, sei unerheblich: Für die Einstufung einer Maßnahme könnten nur deren Wirkungen und nicht ihre Form berücksichtigt werden.

43     Außerdem sei die der Autonomen Region Azoren eingeräumte Autonomie in Wirklichkeit begrenzt. Der portugiesische Zentralstaat spiele bei der Definition der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, innerhalb deren die Unternehmen ihren Geschäften nachgingen, nach wie vor eine grundlegende Rolle. Zum Beispiel kämen den auf den Azoren tätigen Unternehmen die vom Zentralstaat finanzierte Infrastruktur und das System der sozialen Sicherheit zugute, für dessen finanzielles Gleichgewicht der Zentralstaat sorge. Im Übrigen würden die Steuermindereinnahmen, die sich für die betreffende Region aus den fraglichen Steuersenkungen ergäben, im Haushaltsplan indirekt ausgeglichen, und zwar durch Mittel, die der Zentralstaat nach dem Grundsatz der finanziellen Solidarität übertrage.

44     Zur Frage der Rechtfertigung der streitigen Steuervergünstigungen durch die Natur und den inneren Aufbau des portugiesischen Steuersystems trägt die Kommission vor, dass diese nur dann bejaht werden könne, wenn die Vergünstigungen auf objektiven Unterschieden zwischen den Steuerpflichtigen beruhten. Dies sei bei den fraglichen Steuersenkungen aber nicht der Fall, da sie für alle auf den Azoren ansässigen Unternehmen gälten, unabhängig von deren finanzieller Lage, und sich aus den wirtschaftlichen Merkmalen der Region ergäben, die außerhalb des Steuersystems lägen. Der Begriff „Natur oder innerer Aufbau des Systems“ beziehe sich auf die innere Logik des Systems von Pflichtabgaben und auf erforderliche und angemessene technische Differenzierungen, mit denen den objektiv unterschiedlichen Situationen, auf die das System Anwendung finde, Rechnung getragen werden solle und die dem Erfordernis entsprächen, dass ein solches System in allen von ihm erfassten Fällen bestmöglich funktioniere.

45     Die Regierung des Vereinigten Königreichs, die als Streithelferin die Portugiesische Republik unterstützt, konzentriert ihre Argumentation auf die Beurteilung des Kriteriums der Selektivität. Sie widerspricht dem Vorbringen der Kommission, dass Maßnahmen, die nicht für das gesamte Gebiet eines Mitgliedstaats gälten, das Kriterium der Selektivität im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG erfüllten, und führt aus, dass dieses Kriterium bei steuerlichen Maßnahmen einer dezentralisierten oder autonomen Region, die für ihr gesamtes Zuständigkeitsgebiet gälten und nicht branchenspezifisch seien, durchaus auch nicht erfüllt sein könne.

46     Wenn, wie im vorliegenden Fall, der Gesetzgeber einer autonomen Region Steuersätze festlege, die einheitlich für die gesamte Region unter den Sätzen lägen, die aufgrund einer Entscheidung des nationalen Gesetzgebers für die übrigen Teile des Mitgliedstaats Anwendung fänden, so könne die Selektivität der Maßnahme nicht allein daraus abgeleitet werden, dass für die anderen Gebiete ein anderes Besteuerungsniveau gelte. Je nach den Umständen sei diese Selektivität im Rahmen der Region selbst zu beurteilen und nicht im Rahmen des gesamten Mitgliedstaats. Dies sei der Fall, wenn die in einem Verfassungssystem eingeräumte fiskalische Autonomie ausreiche, um die von einer lokalen Körperschaft gewährte Steuererleichterung als von einer autonomen oder dezentralisierten Region gewährt anzusehen, die dazu nicht nur befugt sei, sondern überdies die finanziellen und politischen Auswirkungen dieser Entscheidung tragen müsse.

47     Daher hätte die Kommission, bevor sie die gegenüber den nationalen Steuersätzen ermäßigten regionalen Steuersätze als staatliche Beihilfe qualifiziert habe, den Grad der Autonomie der unterhalb der nationalstaatlichen Ebene angesiedelten Körperschaft, die diese Steuersätze gesenkt habe, berücksichtigen müssen, und zwar im Hinblick auf mehrere Faktoren wie den Umstand, dass die Zuständigkeit auf dem Gebiet der Steuern in ein Verfassungssystem eingebettet sei, das der Region eine erhebliche politische Autonomie übertrage, sowie den Umstand, dass die Entscheidung über die Steuersenkung von einem Organ getroffen worden sei, das von der Bevölkerung der fraglichen Region gewählt oder ihm zur Rechenschaft verpflichtet sei, und den Umstand, dass die finanziellen Auswirkungen dieser Entscheidung von der Region getragen und nicht durch Zuschüsse oder Subventionen anderer Regionen oder der Zentralregierung ausgeglichen würden.

48     Die Beurteilung der Natur eines regionalen Steuersystems unter dem Gesichtspunkt der staatlichen Beihilfen werfe weiter gehende Probleme in Bezug auf die regionale Autonomie auf, denen auf Verfassungsebene eine sehr große Bedeutung zukomme. Insbesondere könnte das Verfassungssystem der „asymmetrischen“ Dezentralisierung des Vereinigten Königreichs in Bezug auf die Stellung Schottlands und Nordirlands in Frage gestellt werden.

49     Das Königreich Spanien, das als Streithelfer ebenfalls die Portugiesische Republik unterstützt, weist darauf hin, dass die Dezentralisierung, so vorhanden, Teil des verfassungsrechtlichen Rahmens des Mitgliedstaats sei. Würde der Auffassung der Kommission gefolgt, so würde daher dieser verfassungsrechtlichen Struktur nicht Rechnung getragen, insbesondere da für die Politik der Direktbesteuerung weiterhin eine eigene Befugnis der Mitgliedstaaten bestehe.

50     Die Kommission bestreitet in ihrer Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz des Vereinigten Königreichs, dass der in der angefochtenen Entscheidung vertretene Ansatz Schottland oder Nordirland an der Ausübung der ihnen auf fiskalischem Gebiet eingeräumten Befugnisse hindern könne.

51     Sie fügt hinzu, dass die Gleichbehandlung von in einer bestimmten Region geltenden Steuersenkungen, die auf nationaler Ebene beschlossen würden, und von entsprechenden Steuersenkungen, die von einer regionalen Einrichtung beschlossen würden, dem Grundsatz entspreche, dass für den Beihilfebegriff auf die Auswirkungen der Maßnahme auf die Unternehmen oder Erzeuger und nicht auf die Gründe oder Ziele der Beihilfe oder die Stellung der für ihre Verteilung und Verwaltung zuständigen Einrichtungen abzustellen sei (Urteile vom 2. Juli 1974 in der Rechtssache 173/73, Italien/Kommission, Slg. 1974, 709, Randnrn. 27 und 28, sowie vom 22. März 1977 in der Rechtssache 78/76, Steinike und Weinlig, Slg. 1977, 595, Randnr. 21). Dagegen seien die vom Vereinigten Königreich vorgeschlagenen Kriterien, wonach die Selektivität einer Maßnahme „je nach den Umständen“ im Rahmen der Region oder im Kontext des Mitgliedstaats in seiner Gesamtheit zu beurteilen sei, mit diesem Grundsatz unvereinbar und führten zu einer Rechtsunsicherheit, die die Kontrolle der staatlichen Beihilfe beeinträchtigen könnte.

 Würdigung durch den Gerichtshof

52     Artikel 87 Absatz 1 EG verbietet staatliche Beihilfen zur „Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige“, d. h. selektive Beihilfen (vgl. Urteil vom 15. Dezember 2005 in der Rechtssache C‑66/02, Italien/Kommission, Slg. 2005, I‑10901, Randnr. 94). Nach ständiger Rechtsprechung erfasst jedoch der Begriff der staatlichen Beihilfe staatliche Maßnahmen, die eine Differenzierung zwischen Unternehmen vornehmen und damit a priori selektiv sind, dann nicht, wenn diese Differenzierung aus der Natur oder dem inneren Aufbau der Lastenregelung folgt, mit der sie in Zusammenhang stehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 2. Juli 1974, Italien/Kommission, Randnr. 33, und vom 15. Dezember 2005 in der Rechtssache C‑148/04, Unicredito Italiano, Slg. 2005, I‑11137, Randnr. 51).

53     Daher ist zunächst zu prüfen, ob die fraglichen Steuersenkungen selektiven Charakter haben und, wenn ja, ob diese Maßnahmen, wie die portugiesische Regierung vorträgt, durch die Natur und den inneren Aufbau des portugiesischen Steuersystems gerechtfertigt sind.

54     Zur Beurteilung des Merkmals der Selektivität, das zum Begriff der staatlichen Beihilfe gehört, verlangt Artikel 87 Absatz 1 EG nach ständiger Rechtsprechung die Feststellung, ob eine nationale Maßnahme im Rahmen einer bestimmten rechtlichen Regelung geeignet ist, „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“ gegenüber anderen Unternehmen oder Produktionszweigen zu begünstigen, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. November 2001 in der Rechtssache C‑143/99, Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke, Slg. 2001, I‑8365, Randnr. 41, vom 29. April 2004 in der Rechtssache C‑308/01, GIL Insurance u. a., Slg. 2004, I‑4777, Randnr. 68, und vom 3. März 2005 in der Rechtssache C‑172/03, Heiser, Slg. 2005, I‑1627, Randnr. 40).

55     Einer solchen Feststellung bedarf es auch bei einer Maßnahme, die nicht vom nationalen Gesetzgeber, sondern von einer unterhalb der nationalstaatlichen Ebene angesiedelten Behörde erlassen wurde, da eine von einer Gebietskörperschaft und nicht vom Zentralstaat erlassene Maßnahme eine Beihilfe darstellen kann, wenn die Tatbestandsmerkmale des Artikels 87 Absatz 1 EG erfüllt sind (vgl. Urteil vom 14. Oktober 1987 in der Rechtssache 248/84, Deutschland/Kommission, Slg. 1987, 4013, Randnr. 17).

56     Folglich ist zur Beurteilung der Selektivität der fraglichen Maßnahme zu prüfen, ob sie im Rahmen einer bestimmten rechtlichen Regelung bestimmte Unternehmen gegenüber anderen Unternehmen, die sich in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, begünstigt. Der Bestimmung des Bezugsrahmens kommt im Fall von steuerlichen Maßnahmen eine besondere Bedeutung zu, da das tatsächliche Vorliegen einer Vergünstigung nur in Bezug auf eine so genannte „normale“ Besteuerung festgestellt werden kann. Der normale Steuersatz ist der Satz, der in dem geografischen Gebiet gilt, das den Bezugsrahmen bildet.

57     Der Bezugsrahmen muss dabei nicht zwangsläufig in den Grenzen des Staatsgebiets des betreffenden Mitgliedstaats festgelegt werden, so dass eine Maßnahme, die nur für einen Teil des Staatsgebiets eine Vergünstigung gewährt, nicht schon deshalb selektiv im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG ist.

58     Es ist nicht auszuschließen, dass eine unterhalb der nationalstaatlichen Ebene angesiedelte Einrichtung aufgrund ihrer rechtlichen und tatsächlichen Stellung gegenüber der Zentralregierung eines Mitgliedstaats so autonom ist, dass sie – und nicht die Zentralregierung – durch die von ihr erlassenen Maßnahmen eine grundlegende Rolle bei der Festlegung des politischen und wirtschaftlichen Umfelds spielt, in dem die Unternehmen tätig sind. In einem solchen Fall bildet das Zuständigkeitsgebiet der unterhalb der nationalstaatlichen Ebene angesiedelten Einrichtung, die die Maßnahme erlassen hat, und nicht das gesamte Staatsgebiet den maßgebenden Kontext für die Prüfung der Frage, ob eine Maßnahme einer solchen Einrichtung bestimmte Unternehmen gegenüber anderen Unternehmen begünstigt, die sich im Hinblick auf das mit ihr oder der betreffenden rechtlichen Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden.

59     Der Argumentation der Kommission, dass eine solche Analyse mit dem Wortlaut des Vertrages und einer gefestigten Rechtsprechung auf diesem Gebiet unvereinbar sei, ist nicht zu folgen.

60     Der Gerichtshof hat zwar bereits entschieden, dass der Umstand, dass ein Förderungsprogramm von einer Gebietskörperschaft aufgestellt worden ist, der Anwendung von Artikel 87 Absatz 1 EG nicht entgegensteht, wenn die Tatbestandsmerkmale dieses Artikels erfüllt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Deutschland/Kommission, Randnr. 17). Außerdem deutet, wie die Kommission in Begründungserwägung 26 der angefochtenen Entscheidung betont, der Wortlaut des EG-Vertrags, der in Artikel 87 Absatz 3 Buchstaben a und c Maßnahmen „zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung einer Region“ als staatliche Beihilfen einstuft, die für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden können, darauf hin, dass Vergünstigungen, deren Geltung auf einen Teil des der Beihilferegelung unterliegenden Staatsgebiets beschränkt ist, als selektive Vergünstigungen eingestuft werden können. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass eine Maßnahme schon deshalb selektiv im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG ist, weil sie nur in einem begrenzten geografischen Gebiet eines Mitgliedstaats gilt.

61     Ebenso wenig kann aus dem Urteil vom 19. September 2000 in der Rechtssache C‑156/98 (Deutschland/Kommission, Slg. 2000, I‑6857) abgeleitet werden, dass eine Maßnahme, die nur Unternehmen in bestimmten Regionen begünstigt, allein aufgrund dessen selektiv ist. Der Gerichtshof hat in Randnummer 23 dieses Urteils ausgeführt, dass der Umstand, dass eine Steuervergünstigung bestimmte, in den neuen Bundesländern und Westberlin ansässige Unternehmen begünstigte, ihr den Charakter einer allgemeinen steuer- oder wirtschaftspolitischen Maßnahme genommen habe. Die fragliche Steuervergünstigung war jedoch vom nationalen Gesetzgeber erlassen worden und galt als Ausnahme von der im Übrigen einheitlichen nationalen Regelung nur für einen Teil der in bestimmten Regionen Deutschlands ansässigen Unternehmen, nämlich Unternehmen, die nicht mehr als 250 Arbeitnehmer beschäftigten und ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung in den neuen Bundesländern oder in Westberlin unterhielten.

62     Zur Beurteilung der Selektivität einer Maßnahme, die von einer unterhalb der nationalstaatlichen Ebene angesiedelten Einrichtung erlassen wird, um, wie im Fall der in Rede stehenden Maßnahme, nur für einen Teil des Gebietes eines Mitgliedstaats einen niedrigeren Steuersatz als im übrigen Gebiet dieses Staates festzusetzen, ist, wie in Randnummer 58 des vorliegenden Urteils ausgeführt, zu prüfen, ob die Maßnahme von dieser Einrichtung in Ausübung von Befugnissen erlassen worden ist, die gegenüber der Zentralgewalt ausreichend autonom sind, und gegebenenfalls, ob sie tatsächlich für alle im Zuständigkeitsgebiet dieser Einrichtung ansässigen Unternehmen oder dort vorhandenen Produktionszweige gilt.

63     Der Generalanwalt hat in den Nummern 50 ff. seiner Schlussanträge insbesondere drei Situationen beschrieben, in denen sich für eine Maßnahme, mit der für ein geografisch begrenztes Gebiet niedrigere als die auf nationaler Ebene geltenden Steuersätze eingeführt werden sollen, die Frage der Einstufung als staatliche Beihilfe stellen kann.

64     In der ersten Situation beschließt die Zentralregierung einseitig, in einem bestimmten geografischen Gebiet einen niedrigeren Steuersatz als den anzuwenden, der auf nationaler Ebene gilt. Die zweite Situation entspricht einem Modell der aufgeteilten Steuerhoheit, in dem alle lokalen Körperschaften einer bestimmten Ebene (Regionen, Bezirke oder andere) in den Grenzen der ihnen verliehenen Zuständigkeiten befugt sind, den Steuersatz für ihr Zuständigkeitsgebiet frei festzusetzen. Die Kommission hat ebenso wie die portugiesische Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs eingeräumt, dass eine von einer lokalen Körperschaft in dieser zweiten Situation erlassene Maßnahme nicht selektiv ist, weil es nicht möglich ist, ein normales Besteuerungsniveau zu bestimmen, das als Bezugsgröße herangezogen werden könnte.

65     In der dritten Situation setzt eine regionale oder lokale Körperschaft in Ausübung von Befugnissen, die gegenüber der Zentralgewalt ausreichend autonom sind, einen unter dem nationalen Satz liegenden Steuersatz fest, der ausschließlich für die Unternehmen in seinem Zuständigkeitsgebiet gilt.

66     In der letztgenannten Situation könnte der maßgebende rechtliche Bezugsrahmen für die Beurteilung der Selektivität einer steuerlichen Maßnahme dann auf das betreffende geografische Gebiet beschränkt sein, wenn der unterhalb der nationalstaatlichen Ebene angesiedelten Einrichtung insbesondere aufgrund ihrer Stellung und ihrer Befugnisse eine grundlegende Rolle bei der Festlegung des politischen und wirtschaftlichen Umfelds zukommt, in dem die Unternehmen ihres Zuständigkeitsgebiets tätig sind.

67     Damit davon ausgegangen werden kann, dass eine unter solchen Umständen getroffene Entscheidung in Ausübung von ausreichend autonomen Befugnissen erlassen wurde, muss sie, wie der Generalanwalt in Nummer 54 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, von einer regionalen oder lokalen Körperschaft erlassen worden sein, der verfassungsrechtlich ein gegenüber der Zentralregierung eigener politischer und administrativer Status eingeräumt worden ist. Sodann muss sie getroffen worden sein, ohne dass die Zentralregierung die Möglichkeit hatte, ihren Inhalt unmittelbar zu beeinflussen. Schließlich dürfen die finanziellen Auswirkungen einer Senkung des nationalen Steuersatzes für die Unternehmen in der Region nicht durch Zuschüsse oder Subventionen aus den anderen Regionen oder von der Zentralregierung ausgeglichen werden.

68     Daher setzt eine politische und fiskalische Autonomie gegenüber der Zentralregierung, die in Bezug auf die Anwendung der Gemeinschaftsregeln über die staatlichen Beihilfen ausreichend ist, wie von der Regierung des Vereinigten Königreichs vorgetragen, voraus, dass die unterhalb der nationalstaatlichen Ebene angesiedelte Einrichtung nicht nur befugt ist, in ihrem Zuständigkeitsgebiet Steuersenkungen ohne jede Rücksichtnahme auf das Verhalten des Zentralstaats zu erlassen, sondern überdies die politischen und finanziellen Auswirkungen einer solchen Maßnahme trägt.

69     Da die portugiesische Regierung der von der Kommission vorgenommenen Beurteilung der Selektivität der fraglichen Steuersenkungen widerspricht, ist zu prüfen, ob diese Maßnahmen, die die in der Region Azoren steuerpflichtigen Unternehmen begünstigen, die in den Randnummern 67 und 68 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen erfüllen.

70     Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Azoren nach der Verfassung der Portugiesischen Republik eine autonome Region mit eigenem politisch-administrativem Status und eigenen Regierungsorganen bilden, die nach dem Gesetz Nr. 13/98 und der Verordnung Nr. 2/99/A zur Ausübung ihrer eigenen Steuerzuständigkeit und zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an die regionalen Besonderheiten befugt sind.

71     Was die Autonomie in wirtschaftlicher Hinsicht angeht, so hat die portugiesische Regierung der Argumentation der Kommission, dass die Autonome Region Azoren wegen der Übertragung von Ausgleichsmitteln aus dem Zentralstaat insoweit nicht autonom sei, lediglich entgegengehalten, dass die Kommission keinen Nachweis für die Richtigkeit dieses Vorbringens erbracht habe; sie hat jedoch ihrerseits nicht dargetan, dass die Autonome Region Azoren keine staatlichen Mittel zum Ausgleich der Steuermindereinnahmen erhält, die sich gegebenenfalls aus den Steuersenkungen ergeben.

72     Dazu ist festzustellen, dass nach Artikel 5 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 13/98 der verfassungsrechtliche Grundsatz der nationalen Solidarität im Rahmen der Anpassung des nationalen Steuersystems an die besonderen regionalen Bedingungen dahin konkretisiert wurde, dass sich der Zentralstaat zusammen mit den Behörden der autonomen Regionen an der Aufgabe der wirtschaftlichen Entwicklung, an der Korrektur der sich aus der geografischen Isolation ergebenden Ungleichheiten und an der Angleichung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse an das übrige Staatsgebiet beteiligt.

73     Nach Artikel 32 des Gesetzes Nr. 13/98 schlägt sich dieser Grundsatz in einer sowohl den Zentral- als auch den Regionalbehörden obliegenden Verpflichtung nieder, die Korrektur der sich aus der geografischen Isolation ergebenden Ungleichheiten durch Verringerung der steuerlichen Belastungen in den Regionen zu fördern, sowie in der Verpflichtung, ein angemessenes Niveau öffentlicher Dienstleistungen und privater Tätigkeiten zu gewährleisten.

74     Wie die portugiesische Regierung einräumt, ist die mit der Verordnung Nr. 2/99/A vorgenommene Anpassung des nationalen Steuersystems an die besonderen regionalen Bedingungen eine logische Folge dieser verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Konstruktion.

75     Der Rückgang des Steueraufkommens, der sich für die Region Azoren aus den fraglichen Steuersenkungen eventuell ergibt, kann zwar die Verwirklichung des von der portugiesischen Regierung anerkannten Ziels, Ungleichheiten im Bereich der wirtschaftlichen Entwicklung zu korrigieren, beeinträchtigen, doch wird er jedenfalls durch einen auf zentralstaatlicher Ebene geführten Finanzierungsmechanismus ausgeglichen. Im vorliegenden Fall sieht Artikel 5 Absatz 2 des Gesetzes Nr. 13/98 diese Finanzierung ausdrücklich in Form von Übertragungen von Haushaltsmitteln vor.

76     Folglich sind die beiden Aspekte der Steuerpolitik der Regionalregierung, nämlich zum einen die Entscheidung, die regionale Steuerbelastung durch Ausübung ihrer Befugnis zur Senkung der Einkommensteuer zu verringern, und zum anderen die Erfüllung ihrer Aufgabe, die sich aus der geografischen Isolation ergebenden Ungleichheiten zu korrigieren, untrennbar miteinander verbunden und sind in finanzieller Hinsicht von den Mittelübertragungen der Zentralregierung abhängig.

77     Unter diesen Umständen ist zu folgern, dass beim Erlass der Entscheidung der Regierung der Autonomen Region Azoren, ihre Befugnis zur Senkung der Sätze der nationalen Einkommensteuern auszuüben, um die Wirtschaftsteilnehmer der Region in die Lage zu versetzen, die sich aus ihrem Standort auf einer Insel und in einem Gebiet in äußerster Randlage ergebenden strukturellen Nachteile zu überwinden, nicht alle in den Randnummern 67 und 68 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen erfüllt waren.

78     Daher kann der rechtliche Bezugsrahmen für die Beurteilung der Selektivität der fraglichen steuerlichen Maßnahmen nicht ausschließlich in den geografischen Grenzen der Region Azoren festgelegt werden. Diese Maßnahmen sind in Bezug auf das gesamte portugiesische Staatsgebiet zu beurteilen, in dessen Rahmen sie als selektiv erscheinen.

79     Daraus ergibt sich, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu Recht davon ausgegangen ist, dass die streitigen Steuersenkungen selektive Maßnahmen darstellen und nicht allgemeine Maßnahmen.

80     Nach der in Randnummer 52 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ist daher zu prüfen, ob die fraglichen steuerlichen Maßnahmen durch die Natur oder den inneren Aufbau des portugiesischen Steuersystems gerechtfertigt sind, wofür der Nachweis dem betreffenden Mitgliedstaat obliegt.

81     Eine Maßnahme, die eine Ausnahme von der Anwendung des allgemeinen Steuersystems darstellt, kann durch die Natur und den inneren Aufbau des Steuersystems gerechtfertigt sein, wenn der betreffende Mitgliedstaat nachweisen kann, dass sie unmittelbar auf den Grund- oder Leitprinzipien seines Steuersystems beruht. Insoweit ist zu unterscheiden zwischen den mit einer bestimmten Steuerregelung verfolgten Zielen, die außerhalb dieser Regelung liegen, und den dem Steuersystem selbst inhärenten Mechanismen, die zur Erreichung dieser Ziele erforderlich sind.

82     Bei Maßnahmen wie den in Rede stehenden, die für jeden Wirtschaftsteilnehmer ungeachtet seiner finanziellen Situation gelten, kann nicht angenommen werden, dass sie einem Bestreben entsprechen, in einer Logik der Umverteilung der Steuerkraft zu beachten. Zwar könnten die sich aus der geografischen Isolation der Azoren ergebenden Nachteile grundsätzlich jeden Wirtschaftsteilnehmer unabhängig von seiner finanziellen Situation betreffen, doch berechtigt der bloße Umstand, dass das regionale Steuersystem so angelegt ist, dass es solche Ungleichheiten korrigiert, nicht zu der Annahme, dass jede von den Behörden der fraglichen autonomen Region gewährte steuerliche Vergünstigung durch die Natur und den inneren Aufbau des nationalen Steuersystems gerechtfertigt ist. Dass ein Handeln auf eine Politik der regionalen Entwicklung oder des sozialen Zusammenhalts gestützt ist, reicht für sich allein nicht aus, um eine im Rahmen dieser Politik erlassene Maßnahme als gerechtfertigt anzusehen.

83     Folglich hat die portugiesische Regierung nicht nachgewiesen, dass der Erlass der fraglichen Maßnahmen durch die Autonome Region Azoren für das Funktionieren und die Wirksamkeit des allgemeinen Steuersystems erforderlich war. Sie hat es bei der allgemeinen Behauptung bewenden lassen, ohne diese durch genaue Angaben zu untermauern. Daher ist nicht dargetan, dass die fraglichen Maßnahmen durch die Natur oder den inneren Aufbau des portugiesischen Steuersystems gerechtfertigt sind.

84     Demzufolge hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu Recht angenommen, dass die unterschiedliche Belastung, die sich aus den fraglichen Steuersenkungen ergibt, nicht durch die Natur oder den inneren Aufbau des portugiesischen Steuersystems gerechtfertigt ist.

85     Aus alledem ergibt sich, dass der erste Klagegrund nicht durchgreift.

 Zum zweiten Klagegrund: Unzureichende Begründung in Bezug auf das Vorliegen einer Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels und von spürbaren Wettbewerbsbeschränkungen

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

86     Mit ihrem zweiten Klagegrund macht die portugiesische Regierung im Wesentlichen geltend, dass die Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht den Erfordernissen des Artikels 253 EG entspreche, da in der Entscheidung weder im Einzelnen dargelegt noch belegt werde, welche Auswirkungen die fraglichen Steuersenkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten hätten und welche spürbaren Auswirkungen die sich aus diesen Maßnahmen ergebende Wettbewerbsverzerrung habe.

87     Die Kommission tritt dem insbesondere unter Berufung auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes entgegen, wonach bei einer Beihilferegelung mit allgemeiner Geltung nur angegeben werden müsse, dass die Maßnahme zumindest im Fall bestimmter Empfänger den Handel beeinträchtige, und die Kommission nicht verpflichtet sei, in ihren Entscheidungen insoweit auf Einzelheiten einzugehen (Urteil vom 7. März 2002 in der Rechtssache C‑310/99, Italien/Kommission, Slg. 2002, I‑2289). Im vorliegenden Fall gälten die Steuersenkungen für alle in der Region Azoren steuerpflichtigen Wirtschaftsteilnehmer. Da zumindest ein Teil der betroffenen Unternehmen eine Wirtschaftstätigkeit ausübe, die Gegenstand des Handels zwischen Mitgliedstaaten sei und dem gemeinschaftsweiten Wettbewerb unterliege, sei die Entscheidung ausreichend begründet.

 Würdigung durch den Gerichtshof

88     Nach ständiger Rechtsprechung muss die nach Artikel 253 EG vorgeschriebene Begründung dem Wesen des betreffenden Rechtsakts entsprechen und die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den beanstandeten Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und der Gemeinschaftsrichter seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung den Erfordernissen des Artikels 253 EG genügt, nicht nur anhand des Wortlauts des Rechtsakts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontextes sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. u. a. Urteile vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache C‑56/93, Belgien/Kommission, Slg. 1996, I‑723, Randnr. 86, vom 15. Mai 1997 in der Rechtssache C‑278/95 P, Siemens/Kommission, Slg. 1997, I‑2507, Randnr. 17, und vom 15. Juli 2004 in der Rechtssache C‑501/00, Spanien/Kommission, Slg. 2004, I‑6717, Randnr. 73).

89     Angewandt auf die Qualifizierung einer Beihilfemaßnahme verlangt dieser Grundsatz, dass die Gründe angeführt werden, aus denen die betreffende Maßnahme nach Ansicht der Kommission in den Anwendungsbereich des Artikels 87 Absatz 1 EG fällt. Dabei hat die Kommission auch in den Fällen, in denen sich aus den Umständen, unter denen die Beihilfe gewährt worden ist, ergibt, dass sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt und den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht, zumindest diese Umstände in der Begründung ihrer Entscheidung anzugeben (Urteile vom 7. Juni 1988 in der Rechtssache 57/86, Griechenland/Kommission, Slg. 1988, 2855, Randnr. 15, vom 24. Oktober 1996 in den Rechtssachen C‑329/93, C‑62/95 und C‑63/95, Deutschland u. a./Kommission, Slg. 1996, I‑5151, Randnr. 52, und vom 19. September 2000, Deutschland/Kommission, Randnr. 98).

90     In der vorliegenden Rechtssache genügt insoweit der Hinweis, dass die angefochtene Entscheidung die Kriterien, die eine Maßnahme erfüllen muss, um eine staatliche Beihilfe darzustellen, klar angibt und anwendet.

91     Zu der von der Kommission vorgenommenen Beurteilung der Auswirkungen der Beihilfe auf den innergemeinschaftlichen Handel ist festzustellen, dass in Begründungserwägung 24 der angefochtenen Entscheidung, wie in Randnummer 19 des vorliegenden Urteils angeführt, aus den Merkmalen des fraglichen Systems und der allgemeinen Geltung der Steuersenkungen, die dieses System zur Folge hat, da diese Steuersenkungen für alle Wirtschaftszweige auf den Azoren gelten, logisch gefolgert wird, dass zumindest ein Teil der betroffenen Unternehmen eine Wirtschaftstätigkeit ausübt, die Gegenstand des Handels zwischen Mitgliedstaaten ist, und dass dieser Handel somit beeinträchtigt sein kann.

92     Nach alledem ist der zweite Klagegrund, mit dem die portugiesische Regierung eine unzureichende Begründung rügt, zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund: Offensichtlicher Beurteilungsfehler bei der Anwendung von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a EG

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

93     Mit ihrem dritten Klagegrund wirft die portugiesische Regierung der Kommission vor, bei der Anwendung von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a EG einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen zu haben, indem sie die Anwendung dieser Ausnahmeregelung auf die fraglichen Steuersenkungen abgelehnt habe, soweit sie für Unternehmen gälten, die finanzielle Tätigkeiten oder Tätigkeiten des Typs „gruppeninterne Dienstleistungen“ ausübten, und sie insoweit in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt habe.

94     Die portugiesische Regierung macht geltend, dass es Tätigkeiten des Typs „gruppeninterne Dienstleistungen“ in der portugiesischen Rechtsordnung nicht gebe und dass die im Finanzsektor tätigen Unternehmen die gleichen durch die äußerste Randlage und die geografische Isolation der Region Azoren bedingten Mehrkosten zu tragen hätten, wie sie für Unternehmen anderer Branchen in einer Studie des Centre for European Policy Studies aufgeführt seien, die am 3. November 1999 im Rahmen eines Verfahrens über staatliche Beihilfen betreffend die Autonome Region Madeira vorgelegt worden sei. Gegenstand dieser Studie sei es gewesen, die Auswirkungen von Artikel 299 Absatz 2 EG auf die autonomen Regionen Madeira und Azoren zu ermitteln.

95     Die Kommission bestreitet, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen zu haben, und erinnert erstens daran, dass sie bei der Beurteilung der Vereinbarkeit von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt über ein weites Ermessen verfüge, dessen Ausübung wirtschaftliche und soziale Wertungen voraussetze.

96     Zweitens sei die von der portugiesischen Regierung angeführte Studie des Centre for European Policy Studies für die Beurteilung der Vereinbarkeit von Steuersenkungen, die für Unternehmen des Finanzsektors gälten, irrelevant. In dieser Studie würden die mit der äußersten Randlage der betreffenden Region in Zusammenhang stehenden Kosten aufgeführt, ohne dass die Auswirkung der Mehrkosten auf die verschiedenen Branchen quantifiziert werde. Zwar könne vernünftigerweise davon ausgegangen werden, dass alle in der Region Azoren ansässigen Unternehmen den gleichen dauerhaften strukturellen Nachteilen ausgesetzt seien, die sich aus der geografischen Isolation des Archipels der Azoren und seiner Entfernung von den Wirtschaftszentren des Festlands ergäben, doch bedeute dies nicht, dass die Auswirkungen dieser Nachteile auf die bei der Ausübung einer Wirtschaftstätigkeit entstehenden Mehrkosten in allen Branchen gleich seien.

97     Angesichts der sehr großen Mobilität der angebotenen Dienste befinde sich der Finanzsektor in einer anderen Situation als die anderen Wirtschaftszweige der Azoren. Deshalb habe die Kommission die portugiesischen Behörden von Beginn des Verfahrens an wiederholt aufgefordert, Nachweise dafür beizubringen, dass die Vergünstigungen für den Finanzsektor gerechtfertigt seien. In Ermangelung solcher spezifischen Nachweise habe sie auf der Grundlage der von den portugiesischen Behörden vorgelegten Unterlagen die Steuersenkungen für die in diesem Sektor tätigen Unternehmen nicht als Beihilfen ansehen können, die nach der Ausnahmeregelung des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe a EG mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar seien.

98     Schließlich weist die Kommission darauf hin, dass, wenn ein Mitgliedstaat ihr die angeforderten Informationen nicht oder nur unvollständig liefere, die Rechtmäßigkeit ihrer Entscheidung anhand der Informationen beurteilt werden müsse, über die sie im Zeitpunkt des Erlasses verfügt habe (Urteil vom 13. Juni 2002 in der Rechtssache C‑382/99, Niederlande/Kommission, Slg. 2002, I‑5163, Randnr. 49). Dieser Grundsatz müsse in der vorliegenden Rechtssache umso strenger angewandt werden, als die portugiesischen Behörden mehrmals aufgefordert worden seien und der Mitgliedstaat nach Ziffer 4.16.2 der Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung die Beweislast dafür trage, dass die gewährten Vergünstigungen gerechtfertigt seien.

 Würdigung durch den Gerichtshof

99     Die Kommission verfügt bei der Anwendung von Artikel 87 Absatz 3 EG über ein weites Ermessen, dessen Ausübung wirtschaftliche und soziale Wertungen voraussetzt, die in einem Gemeinschaftskontext vorzunehmen sind. Der Gerichtshof darf bei der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Ausübung dieser Entscheidungsfreiheit die Beurteilung durch die Stelle, die die Entscheidung erlassen hat, nicht durch seine eigene Beurteilung ersetzen, sondern muss sich auf die Prüfung beschränken, ob diese Beurteilung offensichtlich irrig oder ermessensmissbräuchlich ist (vgl. u. a. Urteile vom 7. März 2002, Italien/Kommission, Randnrn. 45 und 46; vom 12. Dezember 2002 in der Rechtssache C-456/00, Frankreich/Kommission, Slg. 2002, I-11949, Randnr. 41, und vom 15. Dezember 2005, Italien/Kommission, Randnr. 135).

100   Nach den Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung sind Regionalbeihilfen, mit denen die laufenden Ausgaben eines Unternehmens gesenkt werden sollen, also Betriebsbeihilfen, verboten. Jedoch können nach Ziffer 4.16.2 dieser Leitlinien in Gebieten in äußerster Randlage, die unter die Ausnahmebestimmung des Artikels 87 Absatz 3 Buchstaben a und c EG fallen, Betriebsbeihilfen genehmigt werden, soweit sie die Mehrkosten ausgleichen, die aufgrund der in Artikel 299 Absatz 2 EG genannten Faktoren, die als ständige Gegebenheiten und durch ihr Zusammenwirken die Entwicklung dieser Gebiete schwer beeinträchtigen, bei der Ausübung einer Wirtschaftstätigkeit entstehen.

101   In dieser Ziffer 4.16.2 ist ausgeführt, dass es dem betreffenden Mitgliedstaat obliegt, den Umfang dieser Mehrkosten zu veranschlagen und den Zusammenhang mit den genannten Faktoren nachzuweisen. Ferner müssen die Beihilfevorhaben aufgrund ihres Beitrags zur Regionalentwicklung und ihrer Art nach gerechtfertigt sein, und ihre Höhe muss in einem Verhältnis zu den auszugleichenden Mehrkosten stehen.

102   Die portugiesische Regierung stellt nicht den Wortlaut der Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung in Frage, wenn sie geltend macht, dass die fraglichen Maßnahmen die Kriterien dieser Leitlinien nicht nur – wie die Kommission in der angefochtenen Entscheidung einräumt – im Hinblick auf andere Wirtschaftszweige als den der Finanzdienstleistungen erfüllten, sondern auch im Hinblick auf diesen Sektor. Sie kritisiert lediglich die Art und Weise, in der die Kommission diese Kriterien auf den Finanzsektor der Region Azoren angewandt hat. Sie meint nämlich, nachgewiesen zu haben, dass die Unternehmen, die finanzielle Tätigkeiten ausüben, den gleichen aus der geografischen Besonderheit der betreffenden Region resultierenden Mehrkosten gegenüberstehen wie jedes andere dort ansässige Unternehmen.

103   Wie in Randnummer 101 des vorliegenden Urteils ausgeführt, obliegt es nach den Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung dem Mitgliedstaat, der Beihilfen gewährt hat, den Umfang dieser Mehrkosten zu veranschlagen und nachzuweisen, dass sie aufgrund ihres Beitrags zur Regionalentwicklung gerechtfertigt sind und dass die Höhe der Vergünstigungen in einem Verhältnis zu den auszugleichenden Mehrkosten steht. Aus den Akten und aus Begründungserwägung 18 der angefochtenen Entscheidung geht jedoch hervor, dass die portugiesischen Behörden nicht in der Lage waren, solche Nachweise für den Finanzsektor zu liefern.

104   Die angefochtene Entscheidung erläutert zwar nicht den Grund, aus dem die Kommission es für erforderlich hielt, für den Finanzsektor über bezifferte Nachweise zu verfügen, doch lässt sich daraus nicht ableiten, dass sie die Grenzen ihres Ermessens überschritten hätte.

105   Daher hat die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie den Teil der in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung genannten Beihilferegelung, soweit er für Unternehmen gilt, die finanzielle Tätigkeiten ausüben, für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt hat.

106   Im Übrigen ist in Bezug auf Unternehmen, die Tätigkeiten des Typs „gruppeninterne Dienstleistungen“ ausüben, darauf hinzuweisen, dass die Kommission zum Vorbringen der portugiesischen Behörden, dass es solche Tätigkeiten in der portugiesischen Rechtsordnung derzeit nicht gebe, in Begründungserwägung 42 der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, dass aus Gründen der Transparenz und der Rechtssicherheit für den Fall, dass solche Tätigkeiten praktisch im Rahmen von Dienstleistungen, die in erster Linie Unternehmen einer Gruppe erbracht würden, ausgeübt werden könnten, die Steuersenkungen für solche Tätigkeiten ausübende Unternehmen – wie bei den im Finanzbereich tätigen Unternehmen – von Rechts wegen von der Ausnahmeregelung des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe a EG ausgenommen werden müssten. Die Kommission ist nämlich der Auffassung, dass solche Tätigkeiten, weil ihre Auswirkungen auf die Standortentscheidung der Unternehmen einer Gruppe und ihre externen Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft gering seien, nicht in einem Maße zur regionalen Entwicklung beitrügen, dass die fraglichen Maßnahmen, soweit sie für diese Tätigkeiten gälten, nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a EG oder aufgrund anderer im Vertrag vorgesehener Ausnahmeregelungen für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt werden könnten, und zwar aus den in Bezug auf den Finanzbereich bereits genannten Gründen und unabhängig von der Frage, ob es solche Tätigkeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt in der portugiesischen Rechtsordnung gebe. Da die portugiesische Regierung diesen Darlegungen nicht entgegengetreten ist, ist nicht dargetan, dass in Bezug auf solche Unternehmen ein offensichtlicher Beurteilungsfehler begangen worden wäre.

107   Folglich ist der dritte Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a EG gerügt wird, zurückzuweisen.

108   Da keiner der Klagegründe der Portugiesischen Republik durchgreift, ist die Klage abzuweisen.

 Kosten

109   Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Portugiesischen Republik beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen. Nach Artikel 69 § 4 Absatz 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Portugiesische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

3.      Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland und das Königreich Spanien tragen ihre eigenen Kosten.

Unterschriften.


* Verfahrenssprache: Portugiesisch.