SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

M. POIARES MADURO

vom 10. November 20051(1)

Rechtssache C‑205/03 P

Federación Española de Empresas de Tecnología Sanitaria (FENIN), früher Federación Nacional de Empresas, Instrumentación Científica, Médica, Técnica y Dental

„Rechtsmittel – Einrichtungen, die das spanische nationale Gesundheitssystem verwalten – Begriff des Unternehmens – Den Lieferanten medizinischer Erzeugnisse auferlegte Zahlungsbedingungen“





1.     Ob eine Einrichtung dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft unterliegt, hängt von ihrer Einstufung als Unternehmen ab. Dieser im EG-Vertrag vielfach anzutreffende Begriff ist dort allerdings nicht definiert; seine Klärung wurde vielmehr von der Rechtsprechung unternommen, die ihm einen funktionalen Inhalt zuweist. Danach ist eine Einrichtung, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung ein Unternehmen im Sinne der Artikel 81 EG bis 86 EG(2). Während anerkannt ist, dass bestimmte Aufgaben von allgemeinem Interesse wie die Aufrechterhaltung und Verbesserung der Flugsicherung(3) oder der Umweltschutz(4) keinen wirtschaftlichen Charakter haben, lässt sich bei Tätigkeiten, die mit dem Funktionieren des nationalen Systems der sozialen Sicherheit zusammenhängen, weniger leicht beurteilen, wann eine Tätigkeit als nichtwirtschaftlich eingestuft werden kann, weil die Rechtsprechung hier im Einzelfall prüft, ob das Solidaritätsprinzip die Anwendung der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln ausschließt. Es ist daher schwierig, die Voraussetzungen zu nennen, unter denen dieses Prinzip einer Tätigkeit ihren wirtschaftlichen Charakter nimmt.

2.     In der vorliegenden Rechtssache geht es um den Einkauf von ärztlichen Instrumenten durch eine öffentliche Einrichtung, die mit der Verwaltung des spanischen Systems der sozialen Sicherheit (Sistema Nacional de Salud, im Folgenden: SNS) betraut ist. Zwei Punkte sind von Interesse: zum einen die Frage, ob der Umstand, dass diese Einrichtung bei ihrer Tätigkeit dem Solidaritätsprinzip unterworfen ist, ihrer Einstufung als Unternehmen entgegensteht, und zum anderen die Frage, ob sich die Einkaufsvorgänge von den medizinischen Leistungen der Einrichtung trennen lassen.

3.     Die Federación Española de Empresas de Tecnología Sanitaria (im Folgenden: Fenin) hat gegen das Urteil vom 4. März 2003 in der Rechtssache T‑319/99 (FENIN/Kommission, Slg. 2003, II‑357, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften die Entscheidung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über die Zurückweisung einer Beschwerde bestätigte, Rechtsmittel eingelegt und beantragt, festzustellen, dass das Wettbewerbsrecht auf die betreffende Einrichtung nicht anwendbar ist, weil ihr die Unternehmenseigenschaft fehlt. Aufgrund des vorliegenden Rechtsmittels hat der Gerichtshof zu klären, ob dieses Begehren dem in seiner Rechtsprechung definierten Begriff des Unternehmens entspricht.

I –    Rahmen des Rechtsmittelverfahrens

4.     Wie sich aus dem angefochtenen Urteil ergibt, ist Ausgangspunkt des Rechtsstreits eine Entscheidung der Kommission vom 26. August 1999 (im Folgenden: angefochtene Handlung), einer von Fenin eingereichten Beschwerde nicht stattzugeben, die auf die Feststellung gerichtet war, dass 26 öffentliche Einrichtungen, darunter drei Ministerien der spanischen Regierung, die das SNS verwalten, gegen Artikel 82 EG verstoßen hatten, indem sie die Rechnungen von Fenin mit erheblicher Verspätung von durchschnittlich 300 Tagen bezahlten.

5.     Fenin ist ein Verband, in dem die meisten der Unternehmen, die in Spanien medizinische Erzeugnisse für Krankenhäuser vertreiben, zusammengeschlossen sind. Am 12. Dezember 1997 legte sie bei der Kommission eine Beschwerde ein, in der sie beanstandete, dass die das SNS verwaltenden Einrichtungen auf dem spanischen Markt für medizinische Erzeugnisse eine beherrschende Stellung innehätten und diese beherrschende Stellung missbraucht hätten, indem sie die Begleichung ihrer Verbindlichkeiten verzögerten. Am 12. Mai 1998 reichte sie einen ergänzenden Schriftsatz ein. Mit Schreiben vom 2. Dezember 1998 teilte die Kommission ihr ihre vorläufige Entscheidung mit, die Beschwerde zurückzuweisen. Fenin antwortete der Kommission mit einer Stellungnahme vom 10. Februar 1999. Mit der angefochtenen Entscheidung wies die Kommission ihre Beschwerde endgültig zurück mit der Begründung, dass zum einen „die betreffenden 26 Ministerien und Einrichtungen keine Unternehmen sind, wenn sie sich an der Verwaltung des öffentlichen Gesundheitsdienstes beteiligen“, und dass zum anderen „die Stellung der betreffenden 26 Ministerien und Einrichtungen als Nachfrager nicht von dem späteren Angebot getrennt werden kann“. Die Kommission folgerte daraus, dass die das SNS verwaltenden Einrichtungen nicht als Unternehmen handelten und daher nicht dem Artikel 82 EG unterlägen.

6.     Mit am 10. November 1999 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift erhob Fenin eine Klage auf Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung und machte als Klagegrund insbesondere einen offensichtlichen Beurteilungsfehler bei der Anwendung der Artikel 82 EG und 86 EG geltend. Die Kommission trug vor, sie habe bei der Würdigung der Situation des SNS das funktionale Kriterium für die Definition des Unternehmensbegriffs angewandt, wie es der Gerichtshof im Urteil Poucet und Pistre aufgestellt habe(5).

7.     In dem angefochtenen Urteil wies das Gericht die Klage von Fenin ab und stellte fest, die Kommission habe den Begriff des Unternehmens im Sinne der Artikel 82 EG und 86 EG fehlerfrei angewandt. Es gelangt zu dieser Feststellung aufgrund einer dreistufigen Beurteilung. In Randnummer 36 des angefochtenen Urteils unterscheidet es zunächst zwischen der Einkaufstätigkeit und der Tätigkeit des Anbietens und führt aus: „Was … den Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit kennzeichnet, ist nicht die Einkaufstätigkeit als solche, sondern das Anbieten von Gütern oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt.“ Sodann stellt es fest, dass „bei der Beurteilung der Art der Tätigkeit der Kauf des Erzeugnisses somit nicht von dessen späterer Verwendung durch den Käufer zu trennen [ist]“. Daher sei zu untersuchen, ob die Verwendung des erworbenen Erzeugnisses wirtschaftlichen oder nichtwirtschaftlichen Charakter habe. Am Ende seiner Prüfung gelangt das Gericht jedoch gestützt auf die Urteile Poucet und Pistre sowie FFSA u. a.(6) in Randnummer 39 des angefochtenen Urteils zu dem Ergebnis, dass „das von den in der Beschwerde der Klägerin genannten Ministerien und sonstigen Einrichtungen verwaltete SNS nach dem Solidaritätsgrundsatz funktioniert, weil es durch Sozialversicherungsbeiträge und andere staatliche Beiträge finanziert wird und unentgeltlich Dienstleistungen an seine Mitglieder auf der Grundlage eines umfassenden Versicherungsschutzes erbringt“. Daher habe die mit einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängende Einkaufstätigkeit ebenfalls nichtwirtschaftlichen Charakter. Folglich seien die von der Beschwerde der Fenin betroffenen Einrichtungen keine Unternehmen im Sinne von Artikel 82 EG und 86 EG.

8.     Das Rechtsmittel der Fenin richtet sich gegen diesen Teil des angefochtenen Urteils. Fenin macht als einzigen Rechtsmittelgrund geltend, dass das Gericht den Begriff des Unternehmens im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft falsch ausgelegt habe. Mit dem ersten Teil des Rechtsmittels wirft Fenin dem Gericht zwei Fehler vor: Zum einen habe es nicht berücksichtigt, dass die Einkaufstätigkeit eine wirtschaftliche Tätigkeit sei; zum anderen habe es den Charakter der Einkaufstätigkeit von dem der später erbrachten Dienstleistung abhängig gemacht. Mit dem zweiten Teil des Rechtsmittels macht Fenin hilfsweise geltend, das Gericht hätte die Einkaufstätigkeit als wirtschaftliche Tätigkeit ansehen müssen, weil die spätere Tätigkeit, nämlich die Erbringung medizinischer Leistungen, wirtschaftlichen Charakter habe. Die Kommission vertritt in ihrer Rechtsmittelbeantwortung die Auffassung, die vom Gericht in dem angefochtenen Urteil vorgenommene Beurteilung entspreche dem Begriff des Unternehmens im wettbewerbsrechtlichen Sinne, wie ihn die Rechtsprechung auslege. Im Übrigen sei der zweite Teil des Rechtsmittels unzulässig, da er erstmals im Rechtsmittelverfahren vorgetragen worden sei. Zudem werde mit diesem Rechtsmittelgrund letztlich eine Tatsachenwürdigung des Gerichts in Frage gestellt, was nicht Gegenstand eines Rechtsmittels sein könne. Das Vereinigte Königreich und das Königreich Spanien sind als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen worden. Für sie stellen weder die Einkaufstätigkeit noch die Erbringung medizinischer Leistungen eine wirtschaftliche Tätigkeit dar.

9.     Bevor ich die beiden Teile dieses einzigen Rechtsmittelgrundes nacheinander prüfe, ist auf den Begriff des Unternehmens im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft einzugehen, wie ihn der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung herausgearbeitet hat. Dabei werde ich auch die Praxis der Gerichte und der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten erwähnen.

II – Vorfrage: Der Begriff des Unternehmens

10.   Wie bereits erwähnt, hängt die Einstufung einer Einrichtung als Unternehmen im Sinne des Gemeinschaftsrechts von dem wirtschaftlichen Charakter der Tätigkeit ab, die sie ausübt. Da der Charakter einer Einrichtung für jede Tätigkeit gesondert beurteilt wird, kann es durchaus sein, dass ein und dieselbe Einrichtung für bestimmte Tätigkeiten als Unternehmen angesehen wird, während sie für andere Tätigkeiten nicht dem Wettbewerbsrecht unterliegt(7). Zur Unterscheidung, ob eine Tätigkeit wirtschaftlichen oder nichtwirtschaftlichen Charakter hat, bedient sich die Rechtsprechung mehrerer Kriterien, die kumulativ oder alternativ angewandt werden; sie sind hier zu erörtern, weil Fenin als Rechtsmittelgrund vorträgt, das Gericht habe diese Rechtsprechung falsch angewandt.

A –    Die Rechtsprechung zum Begriff des Unternehmens

11.   Der Rückgriff auf ein Vergleichbarkeitskriterium, auf dem eine funktionale, weite Auffassung vom Begriff des Unternehmens beruht, geht auf das Urteil Höfner und Elser zurück. Der Gerichtshof bejahte den wirtschaftlichen Charakter der Tätigkeit, denn „[d]ass die Vermittlungstätigkeit normalerweise öffentlich-rechtlichen Anstalten übertragen ist, spricht nicht gegen die wirtschaftliche Natur dieser Tätigkeit“(8). Derselben Linie folgend meinte Generalanwalt Tesauro in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Poucet und Pistre, dass die in Rede stehende Tätigkeit nur durch eine öffentliche Einrichtung ausgeübt werden könne und sich nicht mit der Tätigkeit der privaten Versicherungsunternehmen vergleichen lasse, um daraus zu folgern, dass die fragliche Einrichtung kein Unternehmen sei(9). Ein weiteres Beispiel dafür, wie der Gerichtshof das Vergleichbarkeitskriterium anwendet, bietet das Urteil Ambulanz Glöckner: Sanitätsorganisationen, die Leistungen auf dem Markt für Notfall- und für Krankentransport erbringen, wurden als Unternehmen angesehen, weil „[d]iese Tätigkeiten … nicht immer und … nicht notwendigerweise von diesen Sanitätsorganisationen oder von den Behörden erbracht [werden]“(10).

12.   Gibt es keinen wettbewerbsbestimmten Markt, auf dem mehrere Unternehmen miteinander konkurrieren, so wird es schwieriger, den wirtschaftlichen Charakter einer Tätigkeit zu beurteilen und das Vergleichbarkeitskriterium anzuwenden. Damit nicht ein Markt mangels einer tatsächlichen Wettbewerbssituation von vornherein vom Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts ausgeschlossen wird, soll deshalb anhand des Vergleichbarkeitskriteriums in den Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit jede Tätigkeit einbezogen werden, die von einer Einrichtung mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt werden könnte(11). Der Gerichtshof stellt diesen Vergleich zwar nicht immer an, verweist aber in nahezu allen Urteilen auf den Begriff des Unternehmens im Sinne des Urteils Höfner und Elser, der Grundlage seiner Erwägungen bleibt. Bei wörtlicher Anwendung ließe sich jedoch anhand dieses Vergleichbarkeitskriteriums jede Tätigkeit in den Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts einbeziehen(12). In der Tat könnten fast alle Tätigkeiten von privaten Wirtschaftsteilnehmern ausgeübt werden. So spricht theoretisch nichts dagegen, die Verteidigung eines Staates an einen Auftragnehmer zu vergeben, die Geschichte kennt dafür Beispiele. Aus diesem Grund hat der Gerichtshof diesen Begriff in seiner späteren Rechtsprechung vertieft, indem er ihn mit der Teilnahme an einem Markt verknüpft hat.

13.   Das zweite von der Rechtsprechung aufgestellte Kriterium für die Einstufung einer Tätigkeit als wirtschaftlich ist das der Teilnahme an einem Markt oder der Ausübung einer Tätigkeit im Kontext eines Marktes. Obwohl sich im Urteil Höfner und Elser der wirtschaftliche Charakter nur implizit aus der Teilnahme an einem Markt ergibt, weil der Staat private Unternehmen zu dem Markt zuließ, hat der Gerichtshof in anderen Urteilen einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Teilnahme an einem Markt und der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit hergestellt. Der Gerichtshof beschreibt nämlich die Tätigkeit italienischer Zollspediteure, die er dann als Unternehmen einstuft, wie folgt: „Sie bieten … gegen Entgelt Dienstleistungen an, die darin bestehen, Zollformalitäten, die vor allem die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Waren betreffen, vorzunehmen, sowie andere ergänzende Dienstleistungen, so auf dem Gebiet der Devisen, der Warenkunde und der Steuern.“(13) In der jüngeren Rechtsprechung sieht der Gerichtshof die Teilnahme an einem Markt als gleichbedeutend mit dem wirtschaftlichen Charakter der ausgeübten Tätigkeit an. So ist nach den Urteilen Pavlov u. a. und Ambulanz Glöckner „eine wirtschaftliche Tätigkeit jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten“(14). Entscheidend ist nicht, dass die Tätigkeit theoretisch von privaten Wirtschaftsteilnehmern ausgeübt werden könnte, sondern dass sie unter Marktbedingungen ausgeübt wird. Typisch für diese ist ein an Kapitalmehrung orientiertes Verhalten, im Gegensatz zum Solidaritätsprinzip. Damit kann die Unterscheidung, ob es einen Markt gibt oder nicht, auch dann getroffen werden, wenn das geltende Recht es auf diesem Markt nicht zu einem echten Wettbewerb kommen lässt. Sobald jedoch der Staat die Entwicklung eines teilweisen Wettbewerbs zulässt, bedeutet die fragliche Tätigkeit notwendigerweise die Teilnahme an einem Markt.

14.   In diesem Kontext sind die Bezugnahmen in der Rechtsprechung auf die Möglichkeit von Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht als Argument für die Einstufung einer Einrichtung als Unternehmen zu verstehen(15). Auch ohne Gewinnerzielungsabsicht ist eine Teilnahme am Markt möglich, durch die die Ziele des Wettbewerbsrechts in Frage gestellt werden können. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt sich zwar nicht, dass dieses Kriterium für die Einstufung als Unternehmen ausreicht, aber es untermauert die Schlussfolgerung, dass das Wettbewerbsrecht anzuwenden ist.

15.   Zusätzlich zu den oben dargelegten Kriterien, die den Gerichtshof in bestimmten Rechtssachen dazu veranlassten, in der fraglichen Einrichtung ein Unternehmen zu sehen, ist es ferner nützlich, die Rechtsprechung zu untersuchen, in der bestimmte Aktivitäten als „nichtwirtschaftlich“ eingestuft wurden. Anhand dieser Einstufung kann im Umkehrschluss der Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft abgesteckt werden. Der Gerichtshof prüft die Tätigkeit „ihrer Art, ihrem Gegenstand und den für sie geltenden Regeln“ nach(16). Als Ergebnis dieser Prüfung hat er im Allgemeininteresse stehende Aufgaben wie die Aufrechterhaltung der Flugsicherung(17) und den Umweltschutz(18), die er als Teil der wesentlichen Staatsaufgaben angesehen hat(19), vom Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts ausgenommen. Allgemeiner formuliert sind vom Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts alle Formen der Ausübung hoheitlicher Befugnisse ausgenommen, die auf eine Reglementierung des Marktes und nicht auf eine Teilnahme an diesem abzielen(20).

16.   Der Gesundheitssektor wird zwar mehr und mehr dem Wettbewerb geöffnet, meist auf Initiative des nationalen Gesetzgebers(21), doch sind noch ganze Teilbereiche dieses Sektors ausschließlich der staatlichen Tätigkeit vorbehalten. Wie dem auch sei, das Wettbewerbsrecht kann auf diesen Sektor nur Anwendung finden, soweit dort die Solidarität nicht überwiegt. Zur Beurteilung des Grades der Solidarität hat der Gerichtshof in den einschlägigen Urteilen ein Bündel von Indizien herangezogen, um zu bestimmen, ob die Einzahlungspflicht in Pensionsfonds oder in Versicherungs- oder Rentensysteme mit dem Wettbewerbsrecht im Einklang steht. In zwei Fällen hat er den wirtschaftlichen Charakter der fraglichen Tätigkeit verneint, in drei Fällen dagegen bejaht.

17.   In der Rechtssache Poucet und Pistre stellte sich die Frage, ob die Versicherungspflicht in einem System der sozialen Sicherheit mit dem Wettbewerbsrecht vereinbar ist. Da es um keine besondere Tätigkeit ging, stellte der Gerichtshof auf die Art der fraglichen Einrichtungen ab. Im Tenor des Urteils heißt es nämlich: „Der Begriff des Unternehmens im Sinne der Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag erfasst mit der Verwaltung von Systemen der sozialen Sicherheit betraute Einrichtungen der in den Vorlageurteilen beschriebenen Art nicht.“ Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, führte der Gerichtshof, ohne anzugeben, welches Gewicht er den einzelnen Merkmalen jeweils beimisst, aus: „Diese Systeme dienen einem sozialen Zweck und beruhen auf dem Grundsatz der Solidarität.“(22) Dessen verschiedene Ausdrucksformen stellen die Grundlage für die Einstufung(23) dar, während der „ausschließlich soziale“ Charakter der Aufgabe, die die Einrichtung wahrnimmt, sich daraus ergeben soll, dass sie „auf dem Grundsatz der nationalen Solidarität [beruht] und … ohne Gewinnzweck ausgeübt [wird]“. Der Gerichtshof fügt hinzu: „Die Leistungen werden von Gesetzes wegen und unabhängig von der Höhe der Beiträge erbracht.“(24)

18.   In der Rechtssache Cisal ging es um die Vereinbarkeit einer Versicherungspflicht in einem nationalen System der Versicherung gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten mit den Artikeln 82 EG und 86 EG. Der Gerichtshof stellt in diesem Urteil fest, dass die betreffende Einrichtung, das Istituto nazionale per l’assicurazione contro gli infortuni sul lavoro (INAIL) (italienischer Unfallversicherungsträger), nach dem Grundsatz der Solidarität funktioniere(25), der staatlichen Aufsicht unterliege und der Staat die Höhe der Beiträge festlege und eine Versicherungspflicht auferlege. Daher übt das INAIL nach Auffassung des Gerichtshofes keine wirtschaftliche Tätigkeit aus, so dass das Wettbewerbsrecht keine Anwendung finden kann.

19.   Im Urteil FFSA u. a. war der Gerichtshof mit einer Frage betreffend das Monopol für die Verwaltung eines Rentenversicherungssystems befasst, mit der eine Gegenseitigkeitskasse betraut war. Er gelangte zu dem Ergebnis, dass Einrichtungen, die ein System der freiwilligen Zusatzrentenversicherung verwalten, als Unternehmen einzustufen sind. Entscheidend sei, dass die Mitgliedschaft im Rentenversicherungssystem freiwillig sei, dass das System nach dem Kapitalisierungsprinzip funktioniere und dass die Leistungen sich nach der Höhe der Beiträge richteten. Dies bedeute implizit, dass die Einrichtung im Wettbewerb mit den Lebensversicherungsunternehmen stehe. Die zwar vorhandenen Elemente der Solidarität „stehen [der Einstufung als Unternehmen] nicht entgegen“.

20.   In der Rechtssache Albany(26) sieht der Gerichtshof einen niederländischen Betriebsrentenfonds ebenfalls als Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts an. Er hebt drei Merkmale hervor, nämlich die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft im Fonds, dessen Verwaltung nach dem Kapitalisierungsprinzip und die Abhängigkeit der Leistungen von den eingezahlten Beiträgen, und folgert daraus, dass zwischen dem Fonds und privaten Lebensversicherungsunternehmen ein gewisser Wettbewerb bestehe. Die soziale Zielsetzung, das Fehlen eines Gewinnerzielungszwecks, das Solidaritätserfordernis und die gesetzlichen Beschränkungen reichten nicht aus, um der ausgeübten Tätigkeit ihre wirtschaftliche Natur zu nehmen. Die im Fonds angelegte Solidarität sei nämlich beschränkt, da sie nur den Mitgliedern zugute komme.

21.   Die Argumentation im Urteil Pavlov u. a. ist ähnlich. Der Gerichtshof legt zunächst die Merkmale dar, die dafür sprechen, den niederländischen Zusatzrentenfonds für Ärzte einem privaten Unternehmen, das Lebensversicherungen verwaltet, gleichzustellen, um dann auszuschließen, dass die an die Einrichtung gestellten Solidaritätsanforderungen seine Natur als Unternehmen ändern.

22.   Schließlich ist das Urteil AOK‑Bundesverband u. a. anzuführen, in dem der Gerichtshof nicht die Mitgliedschaft in einer Rentenkasse oder einem Rentenfonds prüft, sondern die Festsetzung der Höchstbeträge für die Kostenübernahme für Arzneimittel durch die deutschen Krankenkassen. Obwohl dies möglich gewesen wäre, schließt der Gerichtshof eine Einstufung der Kassen als Unternehmen, weil sie eine den Markt regulierende Funktion ausübten, nicht aus. Er stellt in seiner Begründung auf den Begriff der vom Staat auferlegten Solidarität ab, denn die im Krankenversicherungssektor vorhandenen Wettbewerbselemente reichten nicht aus, um Marktverhältnisse zu schaffen. Es ist jedoch festzuhalten, dass in Randnummer 58 dieses Urteils ausdrücklich die Möglichkeit offen gelassen wird, dass die in Rede stehenden Einrichtungen wie Unternehmen handeln, wenn sie „Geschäftstätigkeiten ausüben, die keinen sozialen … Zweck haben“.

B –    Das auf nationaler Ebene entwickelte Kriterium

23.   Aus einer rechtsvergleichenden Studie geht hervor, dass im innerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten ähnliche Kriterien wie die vom Gerichtshof entwickelten verwendet werden. Anhand einiger Beispiele soll aufgezeigt werden, wie die nationalen Behörden und Gerichte den Begriff des Unternehmens ausgelegt haben. In der deutschen(27) und der spanischen(28) Entscheidungspraxis findet man die vom Gemeinschaftsrichter verwendeten Kriterien wieder. Offenbar wird nämlich eine staatliche Einrichtung als dem Wettbewerbsrecht unterliegendes Unternehmen angesehen, sobald es auf einem Markt eine Tätigkeit ausübt, die sich wettbewerbswidrig auswirken könnte.

24.   Die Entscheidung des englischen Competition Commission Appeal Tribunal in der Rechtssache BetterCare/The Director of Fair Trading(29) verdient besondere Aufmerksamkeit. Der North & West Belfast Health & Social Services Trust (im Folgenden: N&W) war gesetzlich dazu verpflichtet, Dienstleistungen auf dem Gebiet der Krankenpflege und des Wohnens für Senioren anzubieten. N&W ist Eigentümer von Heimen, von denen einige von privaten Unternehmen geführt werden. Eines dieser Unternehmen, die BetterCare, beschwerte sich darüber, dass der N&W seine beherrschende Stellung als einziger Abnehmer ihrer Dienstleistungen missbraucht habe, indem er ihr zu niedrige Preise aufgezwungen habe. Den Ausschlag gab nach Ansicht des englischen Gerichts, dass der N&W mit privaten Unternehmen, die Heime verwalten, Geschäfte über Dienstleistungen tätigt; daraus ergebe sich die gewerbliche Natur seiner Tätigkeiten. Ferner stellt es fest, dass die Heimverwaltungs- und die Krankenpflegeleistungen vom privaten Sektor erbracht werden und dass der N&W auf diesem Gebiet mit privaten Wirtschaftsteilnehmern im Wettbewerb steht. Schließlich weist das Gericht darauf hin, dass der N&W gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen könnte.

25.   Dass eine Tätigkeit von einer staatlichen Einrichtung in Anwendung einer Rechtsvorschrift ausgeübt wird, kann nach finnischem Recht mit dazu führen, dass sie einen wirtschaftlichen Charakter einbüßt. Das Wettbewerbsamt war jedoch der Auffassung, dass ein öffentliches Krankenhaus, dem vorgeworfen wurde, es habe für Labor- und Radiologiedienstleistungen auf dem privaten Markt überhöhte Preise verlangt, als dem Wettbewerbsrecht unterworfen gelten könne(30). Auch nach der schwedischen Rechtsprechung ist die Ausübung hoheitlicher Befugnisse dem Wettbewerbsrecht entzogen, sofern sie auf gesetzlicher Grundlage erfolgt(31). Die irischen Behörden unterscheiden dagegen lediglich zwischen wirtschaftlichen Tätigkeiten und der Wahrnehmung von Aufgaben der Reglementierung oder der Organisation auf dem Gebiet der gewerblichen Beziehungen. So hat das irische Wettbewerbsamt entschieden, dass ein Gesundheitsamt, dem die Verwaltung der Gesundheitsdienste und die Erbringung von Krankenhausdienstleistungen in einem geografischen Gebiet obliegt und das Gebäude anmietet, eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt(32).

C –    Das anzuwendende Kriterium

26.   Bei dem Versuch, zu bestimmen, ob eine Tätigkeit, die von einem Staat oder einer staatlichen Einrichtung wahrgenommen wird, wirtschaftlichen Charakter hat, begibt sich der Gerichtshof auf gefährliches Terrain, denn er muss ein Gleichgewicht finden zwischen dem Erfordernis, einen unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt zu schützen, und der Beachtung der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten(33). Die auf politischer Ebene ausgeübten Befugnisse eines Staates unterliegen der demokratischen Kontrolle. Einer anderen Art von Kontrolle werden die auf einem Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmer unterworfen: Ihr Verhalten unterliegt dem Wettbewerbsrecht. Soweit der Staat am Wirtschaftsleben teilnimmt, erscheint es jedoch nicht gerechtfertigt, sein Handeln von jeglicher Kontrolle zu befreien. Im Gegenteil, er hat in diesem Fall dieselben Regeln zu beachten. Es ist daher unerlässlich, ein klares Kriterium herauszuarbeiten, anhand dessen festgestellt werden kann, wo die Trennlinie für die Anwendung des Wettbewerbsrechts verläuft. Grundsätzlich gelten die Wettbewerbsregeln nur für Wirtschaftsteilnehmer, die an einem Markt teilnehmen, und nicht für Staaten, es sei denn, sie zahlen Beihilfen an Unternehmen (Artikel 88 EG bis 92 EG). Das Erfordernis der Kohärenz gebietet es jedoch, dass auf den Staat, wenn er Entscheidungen von Unternehmen genehmigt(34) oder sich wie ein Wirtschaftsteilnehmer verhält, die Artikel 81 EG bis 86 EG Anwendung finden. Hinzu kommt, dass Artikel 86 Absatz 2 EG seine praktische Wirksamkeit verlöre, wenn die Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts verneint würde, sobald der Staat auf einem Markt auftritt(35).

27.   Es hätte zwar keinen Sinn, für Sektoren, die keine Marktmerkmale aufweisen, Wettbewerbsanforderungen aufzustellen. Dies liefe darauf hinaus, von den Mitgliedstaaten stets eine Rechtfertigung im Hinblick auf Artikel 86 Absatz 2 EG zu verlangen, und entspräche einer unbegrenzten Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Wettbewerbsrechts. Vor allem handelt der Staat nicht in erster Linie als Marktteilnehmer, denn eine seiner Hauptaufgaben besteht darin, Verteilungsmechanismen einzurichten. Dabei folgt das staatliche Handeln nur dem Ziel der Solidarität, die Logik des Marktes ist ihm fremd. Das Wettbewerbsrecht setzt ihm daher nur Grenzen, soweit die Einrichtungen, denen die Erreichung des Zieles der Solidarität aufgetragen ist, als Unternehmen gelten. Ist dagegen die Tätigkeit nicht auf Kapitalmehrung gerichtet, so dass sich keine Marktlogik bilden kann, so ist für eine Anwendung des Wettbewerbsrechts kein Raum. Der Staat unterliegt jedoch dem Erfordernis der Kohärenz: Er darf dem Markt nur dann bestimmte Tätigkeiten entziehen, wenn dies dazu dient, das Solidaritätsprinzip durchzuführen und Verteilungspolitiken zu organisieren. Damit wird letztlich anerkannt, dass der Staat zwei unterschiedliche Rollen einnimmt, je nachdem, ob er als Marktteilnehmer oder politisch im Interesse der Solidarität handelt. Er kann jedoch nicht unter dem Vorwand der Solidarität Marktteilnehmer der Geltung des Wettbewerbsrechts entziehen.

28.   Zwei Fälle sind zu unterscheiden. Wenn, erstens, private und öffentliche Einrichtungen die gleiche Tätigkeit ausüben, dann kann zwischen ihnen, sei es auch beschränkt und reglementiert, Wettbewerb stattfinden. Dass beide Arten von Einrichtungen die gleiche Tätigkeit ausüben, bedeutet nämlich, dass die erbrachten Dienstleistungen ähnlich sind und die gleiche Nachfrage auf einem Markt bedienen. Der Gerichtshof verwendet das Vergleichbarkeitskriterium nicht, um daraus für jede Tätigkeit, in die der Staat eingreift, ein Liberalisierungsgebot abzuleiten, achtet aber darauf, zu verhindern, dass öffentliche Einrichtungen mit Unternehmen in Wettbewerb treten, während sie gleichzeitig geltend machen, vom Wettbewerbsrecht befreit zu sein. Das Urteil Höfner und Elser lässt sich nach diesem Schema verstehen. Eine Schlüsselrolle in der Überlegung des Gerichtshofes scheint nämlich der Umstand gespielt zu haben, dass der Staat nicht in der Lage war, die Nachfrage des Marktes zu befriedigen, denn er nahm hin, dass private Unternehmen in sein Arbeitsvermittlungsmonopol eingriffen(36). Der Staat kann in diesem Bereich die Marktbedingungen mit Auflagen versehen, wie z. B. der Verpflichtung, einen Universaldienst zu erbringen(37). Die unter staatlicher Aufsicht stehenden Einrichtungen werden dann wie Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, behandelt, wie sie in Artikel 86 Absatz 2 EG definiert sind. Es wird zu prüfen sein, ob die Voraussetzungen dieses Artikels erfüllt sind, d. h., ob die Anwendung der Wettbewerbsregeln nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe verhindert. Auf dieser Stufe werden die sozialen Erfordernisse in Anbetracht des Zieles der Aufrechterhaltung eines unverfälschten Wettbewerbs zu berücksichtigen sein(38).

29.   Hat sich, zweitens, der Staat für die Ausübung einer Tätigkeit ein gesetzliches Monopol vorbehalten, so dass sich kein effektiver Wettbewerb entwickeln kann, so ist gleichwohl nicht ausgeschlossen, dass er wie ein Marktteilnehmer handelt, weil das Bestehen eines solchen Monopols nicht geeignet ist, die Natur der fraglichen Tätigkeit zu ändern(39). In diesem Kontext ist anhand geeigneter Indikatoren zu prüfen, ob die Tätigkeit so organisiert ist, dass sie überwiegend Solidaritätserfordernissen entspricht, oder ob sie nicht vielmehr einer auf Kapitalmehrung gerichteten Marktlogik folgt. Ist es für die fragliche Einrichtung unmöglich, ohne staatlichen Zuschuss eine ausgeglichene Bilanz zu erreichen, so wird dies ein Indiz dafür sein, dass der erste Fall vorliegt.

30.   Unabhängig davon, um welchen Bereich es sich handelt, kann der Staat mehr oder weniger Solidarität umsetzen. Im Versicherungsbereich lässt sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Mitgliedschaft in Rentenfonds bzw. ‑kassen oder Krankenkassen der Grad der Solidarität nach drei Gesichtspunkten bestimmen: Zwangsmitgliedschaft, Abhängigkeit der zu zahlenden Beiträge entweder vom versicherten Risiko oder aber, unter dem Gesichtspunkt der Solidarität, vom Einkommen des Versicherten und schließlich Verhältnis zwischen den gezahlten Leistungen und den entrichteten Beiträgen(40).

31.   Geht es um die Bestimmung des Solidaritätsgrades bei der Erbringung eines Dienstes, sind andere Parameter maßgeblich. Die Gewährung eines allgemeinen Zugangs für die Benutzer, sei es auf dem Gesundheits-, dem Telekommunikations- oder dem Energiesektor, entspricht der Einführung einer gewissen Solidarität, soweit die tatsächlichen Kostenunterschiede zugunsten eines Einheitspreises verwischt werden. Der mit der Allgemeinheit des Zugangs verbundene Zwang reicht jedoch nicht aus, um der betreffenden Tätigkeit ihren wirtschaftlichen Charakter zu nehmen. Ein höherer Solidaritätsgrad wird erreicht, wenn der Dienst unentgeltlich angeboten wird, weil dann zwischen den Kosten der Leistung und dem vom Benutzer gezahlten Preis überhaupt kein Zusammenhang besteht. Eine letzte Bedingung gibt den Ausschlag dafür, ob ein Sektor nicht der Marktlogik unterliegt. Erbringen nämlich die öffentlichen und die privaten Einrichtungen die gleichen Dienste, so ist dies im Rahmen von Artikel 86 Absatz 2 EG zu beurteilen. Kann dagegen eine medizinische Behandlung nur von staatlich kontrollierten Einrichtungen erbracht werden, die verpflichtet sind, jeden Patienten unentgeltlich zu behandeln, so bleibt keine Marktlogik übrig, und die Tätigkeit folgt allein dem Solidaritätsprinzip.

32.   Die vorliegende Rechtssache betrifft zwar den Gesundheitssektor, ist aber anders gelagert als die oben erwähnten Urteile. Aus dem angefochtenen Urteil geht nämlich hervor, dass das SNS neben der Verwaltung des spanischen Gesundheitssystems auch den Auftrag hat, seinen Mitgliedern medizinische Leistungen anzubieten. Ginge es um die Beziehungen zwischen den Empfängern der medizinischen Leistungen und der für das nationale Gesundheitssystem verantwortlichen Einrichtung, so wären die Kriterien zur Bestimmung des Solidaritätsgrades des Systems heranzuziehen, wie sie der Gerichtshof seit dem Urteil Poucet und Pistre entwickelt hat. Die durch das Rechtsmittel aufgeworfene Frage ist jedoch eine andere, denn sie betrifft zum einen die wirtschaftliche Natur der unentgeltlichen Erbringung von medizinischen Leistungen an die Mitglieder des SNS und zum anderen die des Einkaufs des medizinischen Materials bei den Lieferanten (Randnr. 40 des angefochtenen Urteils). Um sie zu beantworten, ist unter Berücksichtigung der oben angestellten Beurteilung festzustellen, ob diese Tätigkeiten in dem angefochtenen Urteil zu Recht als nichtwirtschaftlich eingestuft wurden.

III – Beurteilung des Rechtsmittelgrundes

33.   Nach Zurückweisung der Rügen der Kommission betreffend die Zulässigkeit, werde ich zuerst den zweiten Teil des Rechtsmittelgrundes behandeln, denn wenn das Gericht die vom SNS ausgeübte Tätigkeit der unentgeltlichen Erbringung von medizinischen Leistungen falsch eingestuft hätte, würde dies das Ergebnis in Frage stellen. An zweiter Stelle werde ich auf das Verhältnis zwischen der Einkaufstätigkeit und dem Zweck, zu dem sie erfolgt, eingehen, das Gegenstand des ersten Teils des Rechtsmittelgrundes ist.

A –    Zulässigkeit

34.   Die Kommission macht geltend, dass der zweite Teil des Rechtsmittelgrundes unzulässig sei, weil Fenin ihn nicht in der ersten Instanz vorgetragen habe und weil er die Würdigung von Tatsachen betreffe.

35.   Fenin habe in ihren Schriftsätzen, die sie in dem Verfahren vor dem Gericht eingereicht habe, nicht in Frage gestellt, dass die von den das SNS verwaltenden Einrichtungen als Erbringer von medizinischen Leistungen ausgeübte Tätigkeit keine wirtschaftliche Tätigkeit sei.

36.   Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass sich die Klägerin in ihrer Antwort auf eine am 8. Februar 2002 vom Gericht gestellte Frage betreffend das Urteil Smits und Peerbooms(41) zum wirtschaftlichen Charakter von unentgeltlich erbrachten medizinischen Leistungen geäußert hat. Da die Einstufung dieser vom SNS ausgeübten Tätigkeit Gegenstand der Verhandlung vor dem Gericht war, ist davon auszugehen, dass sie Gegenstand des beim Gericht anhängigen Rechtsstreits gewesen ist.

37.   Zudem behandelt das Gericht diese Frage in Randnummer 40 seines Urteils und stellt den nichtwirtschaftlichen Charakter der Tätigkeit fest. Es ist jedoch unstreitig, dass eine Partei die tragenden Gründe des Urteils angreifen kann(42). Daher sollte der zweite Teil des Rechtsmittelgrundes für zulässig erklärt werden.

38.   Die Einstufung einer Tätigkeit als wirtschaftlich oder nichtwirtschaftlich, wie sie in Randnummer 39 des angefochtenen Urteils im Hinblick auf die unentgeltliche Erbringung von medizinischen Leistungen vorgenommen worden ist, ist ein Vorgang, den der Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren überprüfen kann, und keine Tatsachenfeststellung(43). Folglich steht dem zweiten Teil des Rechtsmittelgrundes keine der Unzulässigkeitsrügen der Kommission entgegen.

B –    Der Charakter der Tätigkeit des Anbietens von unentgeltlichen medizinischen Leistungen an Mitglieder des SNS

39.   Das Gericht hat in Randnummer 39 des angefochtenen Urteils ausgeführt, „dass das von den in der Beschwerde der Klägerin genannten Ministerien und sonstigen Einrichtungen verwaltete SNS nach dem Solidaritätsgrundsatz funktioniert, weil es durch Sozialversicherungsbeiträge und andere staatliche Beiträge finanziert wird und unentgeltlich Dienstleistungen an seine Mitglieder auf der Grundlage eines umfassenden Versicherungsschutzes erbringt“. Es hat daraus gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofes zum Begriff des Unternehmens gefolgert, dass „[d]iese Einrichtungen … bei der Verwaltung des SNS … nicht als Unternehmen handeln“.

40.   Mit dem Rechtsmittel werden dem Gericht zwei Rechtsfehler vorgeworfen: Erstens habe es den Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht funktional ausgelegt, und zweitens habe es das Solidaritätsprinzip zu weit ausgelegt.

41.   Der erste Fehler ergibt sich nach Auffassung der Rechtsmittelführerin daraus, dass das Gericht nicht jede Tätigkeit des SNS gesondert eingestuft habe. Das Gericht habe nämlich die Tätigkeiten des SNS umfassend eingestuft, ohne zu berücksichtigen, dass das SNS seinen Mitgliedern zum einen eine Pflichtkrankenversicherung biete und ihnen zum anderen unentgeltliche medizinische Leistungen erbringen müsse. Auch wenn der Anspruch auf medizinische Leistungen durch die Versicherteneigenschaft begründet werde, könne doch die Erbringung von medizinischen Leistungen unabhängig von der Versicherungspflicht betrachtet werden. Die Pflichtversicherung könne auf das Solidaritätsprinzip zurückgeführt werden, während der Wettbewerb zwischen den Erbringern von medizinischen Leistungen unberührt bleibe, da die Versicherten in der Wahl, wer sie behandeln solle, frei blieben.

42.   Aus dem angefochtenen Urteil geht hervor, dass das SNS in der Tat mit diesen beiden Tätigkeiten betraut ist. Außerdem steht fest, dass das Gericht, statt jede Tätigkeit gesondert einzustufen, eine einzige umfassende Einstufung des SNS vorgenommen hat.

43.   Aus der Rechtsprechung ergibt sich jedoch, dass eine gesonderte Prüfung jeder einzelnen von einer Einrichtung wahrgenommenen Tätigkeit unerlässlich ist, um zu bestimmen, ob diese Tätigkeit als wirtschaftlich einzustufen ist(44). Eine gesonderte Einstufung jeder einzelnen Tätigkeit ist umso mehr erforderlich, als es sich um eine öffentliche Einrichtung handelt, die für eine Tätigkeit als Wirtschaftsteilnehmer auftreten kann, während sie im übrigen nichtwirtschaftliche Aufgaben übernimmt.

44.   Das Gericht hat also dadurch, dass es das SNS umfassend eingestuft hat, ohne dessen Tätigkeit der unentgeltlichen Erbringung von Leistungen gesondert zu prüfen, einen Rechtsfehler begangen. Dieser Fehler hätte allerdings keine Auswirkung auf das Ergebnis des angefochtenen Urteils, wenn die Tätigkeit der unentgeltlichen Erbringung von Leistungen ihrerseits als nichtwirtschaftlich einzustufen wäre(45).

45.   Nach Auffassung der Rechtsmittelführerin hat das Gericht aber die Tätigkeit der unentgeltlichen Erbringung von Leistungen zu Unrecht als nichtwirtschaftlich eingestuft, da es den Begriff der Solidarität zu weit ausgelegt habe. Dieser Teil des Rechtsmittelgrundes betrifft die Hauptfrage, über die der Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache zu entscheiden hat, nämlich die Frage, ob die Tätigkeit der unentgeltlichen Erbringung von medizinischen Leistungen, die das SNS ausübt, zu Recht als nichtwirtschaftlich eingestuft worden ist.

46.   Das Gericht hat, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass das SNS eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit ausübe, die Urteile Poucet und Pistre, FFSA u. a. und Albany ausgelegt und hierzu in Randnummer 38 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass „die Einrichtungen, von denen die … Krankenkassen verwaltet wurden, … eine Aufgabe mit ausschließlich sozialem Charakter erfüllten sowie dass diese Tätigkeit auf dem Grundsatz der nationalen Solidarität beruhe und ohne Gewinnzweck ausgeübt werde, da die Leistungen gesetzlich vorgesehen und von der Höhe der Beiträge unabhängig seien“.

47.   Das Kriterium, das der Gerichtshof in diesen Urteilen herausgearbeitet hat, eignet sich aber nicht als Grundlage dafür, den Charakter einer Tätigkeit, die in der Erbringung von medizinischen Leistungen besteht, zu bestimmen. Während nämlich der Gerichtshof in den vom Gericht angeführten Urteilen, wie oben dargelegt, prüfte, ob das Bestehen einer Pflichtmitgliedschaft in einer Krankenkasse oder ‑versicherung mit dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft vereinbar ist, handelt es sich bei der einzustufenden Tätigkeit unstreitig nicht um eine Pflichtversicherung gegen Krankheit, die das SNS auch anbietet, sondern um die Erbringung von medizinischen Leistungen. Daher ist der auf diesem Sektor gegebene Solidaritätsgrad anhand anderer Parameter als der für die Tätigkeit einer Krankenkasse oder ‑versicherung maßgeblichen(46) zu bestimmen.

48.   Da sich der Gerichtshof bereits häufig zu medizinischen Tätigkeiten im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit geäußert hat, könnte es für die Frage, wie die unentgeltliche Erbringung von medizinischen Leistungen durch das SNS an seine Mitglieder zu beurteilen ist, nützlich sein, eine Parallele zu dieser Rechtsprechung zu ziehen.

49.   Nach Artikel 50 EG sind „Dienstleistungen im Sinne [des EG-Vertrags] … Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen“(47). Allgemeiner hat der Gerichtshof für Recht erkannt, dass „ärztliche Tätigkeiten in den Geltungsbereich des Artikels 60 EWG-Vertrag fallen“(48). Hierzu sei Generalanwalt Tesauro zitiert, der ausführte, dass der Bereich der sozialen Sicherheit nicht etwa „ein gemeinschaftsrechtsfreier Raum“ sei(49), so dass die nationalen Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet nicht außerhalb des Anwendungsbereichs des Gemeinschaftsrechts stünden. Der Gerichtshof hat entschieden, dass die Autonomie der Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit der Anwendung der Grundfreiheiten nicht entgegensteht(50). Doch ist es Sache des nationalen Rechts, festzulegen, „unter welchen Voraussetzungen zum einen ein Recht auf Anschluss an ein System der sozialen Sicherheit oder eine Verpflichtung hierzu und zum anderen ein Anspruch auf Leistung besteht“(51).

50.   Beteiligt sich der Staat an der Finanzierung medizinischer Leistungen, so schließt dies die Einstufung einer medizinischen Tätigkeit als Dienstleistung nicht aus(52). Nach der Rechtsprechung reicht auch die etwaige Unentgeltlichkeit einer medizinischen Leistung für die Patienten nicht aus, um sie dem Anwendungsbereich von Artikel 49 EG zu entziehen. Der Gerichtshof hat nämlich im Urteil Smits und Peerbooms entschieden, dass medizinische Leistungen, die von Krankenhäusern unentgeltlich erbracht werden, Leistungen im Sinne von Artikel 49 EG sind. Es kommt nicht darauf an, dass die Dienstleistung nicht von demjenigen bezahlt wird, dem sie zugute kommt, denn „die Zahlungen der Krankenkassen … [stellen] durchaus die wirtschaftliche Gegenleistung für die Leistungen des Krankenhauses dar und weisen zweifellos … Entgeltcharakter auf“(53).

51.   Auf den ersten Blick erscheint für den Bereich der Dienstleistungsfreiheit und des freien Wettbewerbs eine ähnliche Lösung wünschenswert, da diesen Gemeinschaftsrechtsvorschriften die Zielsetzung der Verwirklichung des Binnenmarktes gemeinsam ist(54). Der Geltungsbereich des freien Wettbewerbs und der der Dienstleistungsfreiheit decken sich jedoch nicht völlig. Denn es spricht nichts dagegen, eine mit einem Austausch verbundene Transaktion als Erbringung einer Dienstleistung einzustufen, auch wenn die daran beteiligten Einrichtungen keine Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts sind(55). Wie bereits ausgeführt(56), können die Mitgliedstaaten bestimmte Tätigkeiten dem Bereich des Wettbewerbs entziehen, wenn sie sie so organisieren, dass das Solidaritätsprinzip überwiegt, was den Ausschluss des Wettbewerbsrechts nach sich zieht. Dagegen hat die Art und Weise, wie eine Tätigkeit auf nationaler Ebene organisiert ist, keinen Einfluss auf die Anwendung des Grundsatzes der Dienstleistungsfreiheit. So ist zwar die unentgeltliche Erbringung von medizinischen Leistungen ohne Zweifel eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Artikel 49 EG(57), doch folgt daraus nicht zwangsläufig, dass die Einrichtungen, die sie ausüben, dem Wettbewerbsrecht unterliegen.

52.   Im vorliegenden Fall scheint die Tätigkeit des SNS, die in der Erbringung von medizinischen Leistungen an seine Mitglieder besteht, nicht anders geartet zu sein als die Tätigkeit, wie sie in der Rechtssache Smits und Peerbooms die öffentlichen Krankenhäuser anboten. Sie umfasst nicht nur Krankenhauspflege, schließt diese aber ein. Desgleichen entrichten zwar die Patienten den Preis für die erbrachten Pflegeleistungen nicht an das medizinische Personal, doch erhält dieses gleichwohl eine Vergütung. Um zu bestimmen, ob diese Tätigkeit dem Wettbewerbsrecht zu unterwerfen ist, ist jedoch zu klären, ob der Staat, als er sie im Sinne einer angestrebten Verteilungspolitik ausschließlich staatlichen Einrichtungen übertrug, die allein Erwägungen der Solidarität verpflichtet wären, sie etwa jeglicher Marktlogik entziehen wollte.

53.   Aus dem angefochtenen Urteil geht hervor, dass das SNS allen seinen Mitgliedern unentgeltlich umfassenden Versicherungsschutz zu gewähren hat. Das Gericht hat aber nicht ausgeführt, ob die Nachfrage des Marktes vollständig durch öffentliche Einrichtungen befriedigt wird oder ob auch private Einrichtungen, die Unternehmenscharakter haben, daran mitwirken. Es fehlen daher Angaben, die erforderlich sind, um auf den nichtwirtschaftlichen Charakter der in der Erbringung von medizinischen Leistungen bestehenden Tätigkeit des SNS zu schließen.

54.   Das SNS ist offenbar nach der Ley 15/1997 sobre habilitación de nuevas formas de gestión del Sistema Nacional de Salud vom 25. April 1997(58) befugt, medizinische Leistungen an private Unternehmen zu vergeben. Außerdem ergibt sich aus der Antwort der spanischen Regierung auf die Frage des Gerichts vom 15. Januar 2002, dass ein Teil der medizinischen Leistungen vom privaten Sektor erbracht wird. Die Rechtssache ist daher an das Gericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Tatsachenfeststellungen zu der Frage trifft, ob in Spanien der öffentliche und der private Sektor nebeneinander bestehen oder ob bei der Tätigkeit der unentgeltlichen Erbringung von medizinischen Leistungen die Solidarität überwiegt.

55.   Jedenfalls würden, falls als Ergebnis festgestellt werden sollte, dass das SNS eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, dadurch die sozialen Ziele, die das SNS verfolgt, nicht in Frage gestellt, da ein solches Ergebnis der Durchführung des Solidaritätsprinzips nicht entgegensteht, sei es hinsichtlich der Art und Weise der Finanzierung durch Sozialversicherungsbeiträge und andere staatliche Beiträge oder hinsichtlich der Unentgeltlichkeit der Leistungen an seine Mitglieder auf der Grundlage eines umfassenden Versicherungsschutzes. Es besteht nämlich kein Gegensatz zwischen der Anwendung des Wettbewerbsrechts und der Anerkennung, dass für bestimmte Sektoren spezifische Regeln zu gelten haben. Im Gegenteil soll Artikel 86 Absatz 2 EG es gerade rechtfertigen, dass Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem Interesse betraut sind, ausschließliche Rechte eingeräumt werden(59). Die Wirkungen, die zu erwarten sind, wenn bestimmte Tätigkeiten von Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem Interesse betraut sind, dem Wettbewerbsrecht unterworfen werden, führen nicht zu einer stärkeren Minderung des sozialen Schutzes als die Wirkungen der Anwendung des Grundsatzes der Freizügigkeit auf den Gesundheitssektor. In beiden Fällen trägt das Gemeinschaftsrecht dazu bei, dass in die ursprünglich auf nationaler Ebene entwickelten Gesundheitssysteme die Grundsätze der Öffnung und Transparenz Eingang finden(60).

56.   Im vorliegenden Fall steht zwar außer Zweifel, dass das SNS damit betraut ist, unentgeltlich medizinische Leistungen an seine Mitglieder auf der Grundlage eines umfassenden Versicherungsschutzes zu erbringen (Randnrn. 39 und 40 des angefochtenen Urteils), doch ist nicht klar, welche Rolle die Ministerien und anderen Einrichtungen bei der Verwaltung des SNS spielen. Eine Einrichtung kann aber nur dann aufgrund der von ihr ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeiten als Unternehmen eingestuft werden, wenn sie der tatsächliche Träger dieser Tätigkeiten ist(61). Selbst wenn feststünde, dass das SNS für die Zwecke der Anwendung des Wettbewerbsrechts als Unternehmen anzusehen ist, wäre daher noch sicherzustellen, dass die Einrichtungen, gegen die die Beschwerde der Fenin gerichtet ist, Träger dieser Tätigkeiten sind. Diese Feststellung wird das Gericht zu treffen haben, sofern es den wirtschaftlichen Charakter der von der SNS ausgeübten Tätigkeit der Erbringung von medizinischen Leistungen bejaht.

57.   Aus den dargelegten Gründen schlage ich dem Gerichtshof vor, dem zweiten Teil des Rechtsmittelgrundes stattzugeben und die Rechtssache an das Gericht zur Nachholung der tatsächlichen Feststellungen zurückzuverweisen, die erforderlich sind, um zu bestimmen, ob die Tätigkeit der das SNS verwaltenden Einrichtungen wirtschaftlichen Charakter hat oder nicht, und damit festzustellen, ob die Kommission die Beschwerde von Fenin zu Recht zurückgewiesen hat.

C –    Der Zusammenhang zwischen der Einkaufstätigkeit und der Natur der Tätigkeiten, für die die Güter oder Dienstleistungen bestimmt sind

58.   Für den Fall, dass der Gerichtshof entgegen meinem Vorschlag das angefochtene Urteil durch Einstufung der unentgeltlichen Erbringung von medizinischen Leistungen als nichtwirtschaftliche Tätigkeit bestätigen sollte, ist noch der erste Teil des Rechtsmittelgrundes zu prüfen, mit dem der zwischen der Natur des Einkaufs und der späteren Verwendung der erworbenen Gegenstände hergestellte Zusammenhang beanstandet wird.

59.   Im ersten Teil des Rechtsmittelgrundes beanstandet Fenin die Randnummer 36 des angefochtenen Urteils, wo es heißt: „Was … den Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit kennzeichnet, ist nicht die Einkaufstätigkeit als solche, sondern das Anbieten von Gütern oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt …“ Das Gericht führt dann weiter aus, dass „bei der Beurteilung der Art der Tätigkeit der Kauf des Erzeugnisses … nicht von dessen späterer Verwendung durch den Käufer zu trennen“ sei, so dass „[d]er wirtschaftliche oder nichtwirtschaftliche Charakter der späteren Verwendung des erworbenen Erzeugnisses … zwangsläufig den Charakter der Einkaufstätigkeit“ bestimme.

60.   Fenin bestreitet den vom Gericht hergestellten Zusammenhang zwischen der Natur eines Einkaufs und der Natur der späteren Verwendung. Er beruhe auf einer falschen Auslegung der Rechtsprechung, führe zu praktischen Schwierigkeiten und verringere die praktische Wirksamkeit des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft.

61.   Erstens wird nach Auffassung von Fenin in der Rechtsprechung, auf die das Gericht seine Begründung stützt, nämlich in den Urteilen Kommission/Italien(62) und Consiglio Nazionale degli Spedizionieri Doganali/Kommission(63), lediglich das Angebot von Gütern oder Dienstleistungen auf einem Markt als wirtschaftliche Tätigkeit eingestuft und nicht über den Charakter einer Einkaufstätigkeit befunden. Aus diesen Urteilen könne daher nicht abgeleitet werden, dass ein Einkauf keine wirtschaftliche Tätigkeit darstelle.

62.   Zwar ist eines der Kriterien, die für die Einstufung einer Einrichtung als Unternehmen nützlich sind, ihre Teilnahme an einem Markt. Kennzeichnend für einen Markt ist aber, dass zwischen Wirtschaftsteilnehmern Handel stattfindet, der sich in Angeboten und Käufen konkretisiert. Insoweit ist nicht ersichtlich, wie das eine unter das Wettbewerbsrecht subsumiert werden soll, das andere aber nicht, ist doch das eine die Kehrseite des anderen. Daher kann mit dieser Rüge die Begründung des Gerichts nicht entkräftet werden, nach der die Einstufung des Einkaufs von der späteren Verwendung abhängt.

63.   Zweitens macht Fenin geltend, das angefochtene Urteil widerspreche dem Urteil Pavlov u. a. In diesem hat der Gerichtshof den wirtschaftlichen Charakter der Mitgliedschaft von Ärzten in einer Rentenkasse darauf gestützt, dass die Mitgliedschaft eng mit ihrer beruflichen Tätigkeit zusammenhänge und daher dieser zuzurechnen sei, die wirtschaftlicher Natur sei(64). Dem Vorschlag des Generalanwalts Jacobs(65) folgend unterschied der Gerichtshof die mit der wirtschaftlichen Sphäre der Ärzte verbundenen Tätigkeiten von denen ihrer Privatsphäre. Denn nur die Zwischennachfrage und nicht die Endnachfrage kann der wirtschaftlichen Sphäre zugerechnet werden(66). Die Nachfrage der Privatverbraucher, die stets eine Endnachfrage ist, unterliegt dagegen nicht dem Wettbewerbsrecht.

64.   Das angefochtene Urteil widerspricht diesen Erwägungen keineswegs. Da es sich nämlich um öffentliche Einrichtungen handelt, die sowohl wirtschaftliche Tätigkeiten als auch Tätigkeiten anderer Natur ausüben, kann nur die Nachfrage nach ihren wirtschaftlichen Tätigkeiten in den Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts fallen. Dagegen sind die nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten dienenden Einkäufe mit der Endnachfrage der Verbraucher vergleichbar und dem Wettbewerbsrecht entzogen. Im vorliegenden Fall hängt der Einkauf von medizinischem Material unbestreitbar mit der in der Erbringung von medizinischen Leistungen bestehenden Tätigkeit des SNS zusammen.

65.   Die Rechtsmittelführerin meint jedoch, das Gericht hätte für die Frage, ob die Einkaufstätigkeit des SNS wirtschaftlichen Charakter gehabt habe, prüfen müssen, ob diese Tätigkeit wettbewerbswidrige Wirkungen haben könnte, damit keine „ungerechtfertigten Freiräume“ entstünden. Ein solches Kriterium ist aber abzulehnen, denn damit würde letztlich jeder Einkauf, sei es des Staates, einer staatlichen Einrichtung oder von Verbrauchern, dem Wettbewerbsrecht unterworfen. Vielmehr fällt ein Einkauf, wie im angefochtenen Urteil zu Recht ausgeführt, nur dann in den Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts, wenn er in Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit erfolgt. Zudem würde, wenn man der Auffassung der Rechtsmittelführerin folgte, die praktische Wirksamkeit der Regeln über die Vergabe öffentlicher Aufträge verringert(67). Der Zusammenhang des von den Beschwerdeführern beanstandeten Verhaltens mit der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit der betreffenden Einrichtung ist auch der Hauptgrund, mit dem im Urteil Eurocontrol die Nichtanwendung des Wettbewerbsrechts gerechtfertigt wurde. Dort wurde entschieden, dass die Einziehung von Gebühren durch Eurocontrol nichtwirtschaftlicher Natur sei, weil sie im Rahmen einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit erfolge.

66.   Das von der Rechtsmittelführerin angeführte Urteil Ambulanz Glöckner bestätigt im Gegenteil die Auffassung des Gerichts, denn der Gerichtshof hat es dort abgelehnt, die Weigerung einer Behörde, einem Transportunternehmen eine Genehmigung zu erteilen, nach Artikel 81 EG zu prüfen, weil mit dieser Entscheidung keine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt, sondern eine solche reglementiert und beschränkt werde. Somit kann ein Einkauf, wenn er mit der Erfüllung nichtwirtschaftlicher Aufgaben zusammenhängt, dem Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts entzogen sein. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der wirtschaftlichen Theorie, nach der das Bestehen eines Nachfragemonopols den Wettbewerb kaum gefährdet, weil es sich nicht zwangsläufig auf den nachgelagerten Markt auswirkt. Zudem hat ein Unternehmen, das ein Nachfragemonopol innehat, kein Interesse daran, seine Lieferanten so unter Druck zu setzen, dass diese aus dem vorgelagerten Markt gedrängt werden(68). Es besteht also kein Anlass, das angefochtene Urteil etwa deshalb für nichtig zu erklären, weil darin die Rechtsprechung zur Einstufung eines Einkaufs als wirtschaftliche Tätigkeit falsch ausgelegt worden sei.

67.   Drittens rügt Fenin, die Auslegung des Gerichts sei falsch, weil sie zu vielerlei praktischen Schwierigkeiten führe. So sei es im Zeitpunkt des Einkaufs nahezu unmöglich, Einkäufe für wirtschaftliche Tätigkeiten und Einkäufe für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten auseinander zu halten.

68.   Es wird zwar gelegentlich schwierig sein, die wirtschaftlichen von den nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten zu trennen, wenn sie von ein und derselben Einrichtung ausgeübt werden. Doch ist diese Schwierigkeit entgegen dem Vortrag der Rechtsmittelführerin nicht geeignet, das Kriterium für die Anwendung des Wettbewerbsrechts, nämlich das der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit, in Frage zu stellen. Dieses Kriterium führt nämlich weiterhin unweigerlich dazu, dass Einheiten, die gemischte Tätigkeiten ausüben, dem Wettbewerbsrecht nur für den Teil ihrer Tätigkeiten unterliegen, die wirtschaftlichen Charakter haben(69). Folgte man der Auffassung der Rechtsmittelführerin, so würde eine Einrichtung, sobald sie eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, für ihre gesamten Tätigkeiten dem Wettbewerbsrecht unterliegen. Ein solches Ergebnis liefe dem funktionalen Kriterium des Unternehmens, wie es die Rechtsprechung entwickelt hat, zuwider.

69.   Da mit keinem der im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes vorgetragenen Argumente nachgewiesen worden ist, dass der Einkauf von medizinischem Material durch das SNS von der Tätigkeit der Erbringung von medizinischen Leistungen hätte getrennt werden müssen, ist das angefochtene Urteil in diesem Punkt zu bestätigen.

IV – Ergebnis

70.   Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor,

1.         dem zweiten Teil des Rechtsmittelgrundes stattzugeben und die Rechtssache an das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften zur Nachholung der tatsächlichen Feststellungen zurückzuverweisen, die erforderlich sind, um zu bestimmen, ob die Tätigkeit der das spanische System der sozialen Sicherheit verwaltenden Einrichtungen wirtschaftlichen Charakter hat oder nicht, und damit festzustellen, ob die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Beschwerde der Federación Española de Empresas de Tecnología Sanitaria (FENIN) zu Recht zurückgewiesen hat;

2.         den ersten Teil des Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.


1 – Originalsprache: Portugiesisch.


2 – Urteil des Gerichtshofes vom 23. April 1991 in der Rechtssache C‑41/90 (Höfner und Elser, Slg. 1991, I‑1979).


3 – Urteil des Gerichtshofes vom 19. Januar 1994 in der Rechtssache C‑364/92 (SAT Fluggesellschaft [„Eurocontrol“], Slg. 1994, I‑43).


4 – Urteil des Gerichtshofes vom 18. März 1997 in der Rechtssache C‑343/95 (Diego Calì & Figli, Slg. 1997, I‑1547).


5 – Urteil vom 17. Februar 1993 in den Rechtssachen C‑159/91 und C‑160/91 (Poucet und Pistre, Slg. 1993, I‑637).


6 – Urteil des Gerichtshofes vom 16. November 1995 in der Rechtssache C‑244/94 (FFSA u. a., Slg. 1995, I‑4013).


7 – Urteil des Gerichtshofes vom 16. Juni 1987 in der Rechtssache 118/85 (Kommission/Italien, Slg. 1987, 2599), in dessen Randnr. 7 es heißt, dass der Staat „sowohl als öffentliche Hand als auch in der Weise handeln kann, dass er wirtschaftliche Tätigkeiten industrieller oder kommerzieller Art ausübt, die darin bestehen, Güter und Dienstleistungen auf dem Markt anzubieten“.


8 – Randnr. 22 des Urteils Höfner und Elser.


9 – Nr. 12 der Schlussanträge in der Rechtssache Poucet und Pistre.


10 – Urteil vom 25. Oktober 2001 in der Rechtssache C‑475/99 (Ambulanz Glöckner, Slg. I‑8089, Randnr. 20).


11 – Vgl. Nrn. 67 bzw. 27 der Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache Ambulanz Glöckner und in der Rechtssache AOK‑Bundesverband u. a. (Urteil vom 16. März 2004 in den Rechtssachen C‑264/01, C‑306/01, C-354/01 und C‑355/01, Slg. 2004, I‑2493).


12 – Chérot, J. Y., „Le droit communautaire de la concurrence fonde-t-il un ordre concurrentiel ?“ in L’ordre concurrentiel: mélanges en l’honneur d’A. Pirovano, 2003, kritisiert diese Vergleichsmethode unter Hinweis darauf, „dass zum einen theoretisch jede Tätigkeit in privater Initiative ausgeübt werden kann und dass zum anderen erfahrungsgemäß jede Tätigkeit zu irgendeinem früheren Zeitpunkt in privater Initiative ausgeübt wurde“ (S. 569). Vgl. auch Idot, L., „La notion d’entreprise en droit de la concurrence, révélateur de l’ordre concurrentiel“, ebenda: „Mit einer solchen Definition wird bald alles ‚wirtschaftliche Tätigkeit‘ werden“ (S. 528).


13 – Urteil vom 18. Juni 1998 in der Rechtssache C‑35/96 (Kommission/Italien, Slg. 1998, I‑3851, Randnr. 37). Aus der älteren Rechtsprechung kann das bereits erwähnte Urteil vom 16. Juni 1987, Kommission/Italien, angeführt werden, wo der Gerichtshof in Randnr. 3 festgestellt hat: „Es ist unstreitig, dass die Amministrazione Autonoma dei Monopoli di Stato … dadurch am Wirtschaftsleben teilnimmt, dass sie im Bereich Tabakwaren auf dem Markt Güter und Dienstleistungen anbietet.“


14 – Urteile vom 12. September 2000 in den Rechtssachen C‑180/98 bis C‑184/98 (Pavlov u. a., Slg. 2000, I‑6451, Randnr. 75), Ambulanz Glöckner (Randnr. 19). Vgl. auch Urteil vom 19. Februar 2002 in der Rechtssache C‑309/99, Wouters u. a., Slg. 2002, I‑1577, Randnr. 47) und Urteil vom 24. Oktober 2002 in der Rechtssache C‑82/01 P (Aéroports de Paris/Kommission, Slg. 2002, I‑9297, Randnr. 79).


15 – Nach dem Urteil FFSA u. a. (Randnr. 21) „entfällt der wirtschaftliche Charakter der Tätigkeit der CCMSA auch nicht allein deshalb, weil sie keine Gewinnerzielungsabsicht hat; … diese Tätigkeit [kann] nämlich zu Verhaltensweisen führen, die die Wettbewerbsregeln unterbinden sollen“. Vgl. auch die Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs (Urteil vom 22. Januar 2002 in der Rechtssache C‑218/00, Cisal, Slg. 2002, I‑691), der in Nr. 71 ausführt: „Dem liegt die Frage zugrunde, ob diese Einrichtung in der Lage ist, Wirkungen hervorzurufen, die die Wettbewerbsregeln zu verhindern suchen.“


16 – In Randnr. 30 seines Urteils Eurocontrol hat der Gerichtshof festgestellt, dass „die Tätigkeiten von Eurocontrol [in ihrer Gesamtheit] ihrer Art, ihrem Gegenstand und den für sie geltenden Regeln nach“ keinen wirtschaftlichen Charakter aufweisen. Vgl. auch Randnr. 23 des Urteils Diego Calì & Figli, wonach eine solche Tätigkeit „ihrer Art, ihrem Gegenstand und den für sie geltenden Regeln nach“ mit der Ausübung von hoheitlichen Befugnissen zusammenhängt.


17 – Urteil Eurocontrol.


18 – Das Urteil Diego Calì & Figli betraf die Verhütung von Umweltverschmutzung im Hafen von Genua.


19 – Der Nachweis, dass eine Tätigkeit auf einem im Allgemeininteresse stehenden Auftrag beruht, kann durch dessen Rang als Verfassungsprinzip des betreffenden Mitgliedstaats bekräftigt werden. Vgl. Randnr. 22 des Urteils Diego Calì & Figli.


20 – Urteil des Gerichts vom 30. September 2004 in der Rechtssache T‑313/02 (Meca-Medina u. a./Kommission, Slg. 2004, II‑0000, Randnr. 41).


21 – Vgl. z. B. den Sachverhalt des Urteils AOK-Bundesverband u. a. sowie Hervey, T., und McHale, J., Health Law and the European Union, Cambridge, 2004, S. 136.


22 – Randnr. 8 des Urteils Poucet und Pistre.


23 – Randnr. 16 des Urteils Poucet und Pistre.


24 – Randnr. 18 des Urteils Poucet und Pistre.


25 – Nach den Randnrn. 38 bis 40 des Urteils Cisal kommt die Solidarität darin zum Ausdruck, dass die Höhe der Beiträge nicht streng proportional zum versicherten Risiko ist und dass die Höhe der gewährten Leistungen nicht notwendig proportional zu den Einkünften des Versicherten ist.


26 – Urteil vom 21. September 1999 in der Rechtssache C-67/96 (Albany, Slg. 1999, I-5751).


27 – Vgl. Van de Gronden, J. W., „Purchasing Care: Economic Activity or Service of General (Economic) Interest?“ ECLR 2004, Nr. 2, S. 87, insbesondere S. 90. Bei den Krankenkassen liegen die Dinge anders, weil sie seit dem Inkrafttreten eines Gesetzes über die Modernisierung der Krankenversicherung am 1. Januar 2004 nicht mehr dem Wettbewerbsrecht unterliegen. Vgl. dazu Jaeger, W., „Die gesetzlichen Krankenkassen als Nachfrager im Wettbewerb“, ZWeR 2005, Nr. 1, S. 31.


28 – In der Entscheidung vom 29. Januar 1997 „Cruz Roja Española“ (Expte R 179/96) befand das für den Schutz des Wettbewerbs zuständige Gericht, dass das spanische Rote Kreuz bei der Durchführung von Krankentransporten als Wirtschaftsteilnehmer auftritt, da es diese Dienstleistungen im freien Wettbewerb anbietet und sich nicht auf die Verwaltung öffentlicher Mittel für karitative Zwecke beschränkt.


29 – Rechtssache Nr. 1006/2/1/01 [2002] Competition Appeal Reports 299.


30 – Kilpailuvirasto, 17. März 2000, dnro 343/61/1997.


31 – Dies hat das nationale Wettbewerbsamt z. B. für Entscheidungen des nationalen Arzneimittelamts angenommen, durch die Arzneimittel zugelassen werden.


32 – Enscheidung des Wettbewerbsamts Nr. 358, FDB/Southern Health Board, vom 12. Oktober 1994.


33 – Nach Artikel 152 Absatz 5 EG wird „[b]ei der Tätigkeit der Gemeinschaft im Bereich der Gesundheit der Bevölkerung … die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung in vollem Umfang gewahrt“. Zur Organisation der sozialen Sicherheit bestimmt Artikel 137 Absatz 4 EG: „Die aufgrund dieses Artikels erlassenen Bestimmungen berühren nicht die anerkannte Befugnis der Mitgliedstaaten, die Grundprinzipien ihres Systems der sozialen Sicherheit festzulegen, und dürfen das finanzielle Gleichgewicht dieser Systeme nicht erheblich beeinträchtigen.“ Vgl. außerdem die Urteile vom 7. Februar 1984 in der Rechtssache 238/82 (Duphar u. a., Slg. 1984, 523, Randnr. 16) und vom 28. April 1998 in der Rechtssache C‑158/96 (Kohll, Slg. 1998, I‑1931, Randnr. 41). Artikel 36 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 364 vom 18. Dezember 2000, S. 1) bestimmt ebenfalls: „Die Union anerkennt und achtet den Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, wie er durch die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten im Einklang mit dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft geregelt ist, um den sozialen und territorialen Zusammenhalt der Union zu fördern.“


34 – Urteile vom 3. Dezember 1987 in der Rechtssache 136/86 (BNIC, Slg. 1987, 4789) und vom 18. Juni 1998 in der Rechtssache C‑35/96 (Kommission/Italien, Slg. 1998, I‑3851).


35 – Artikel 16 EG betont zwar die Notwendigkeit, das Funktionieren der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu gewährleisten, doch liegt darin keine Einschränkung des Anwendungsbereichs von Artikel 86 Absatz 2 EG, sondern vielmehr eine Leitlinie für dessen Auslegung.


36 – Randnr. 25 des Urteils Höfner und Elser.


37 – Vgl. Urteil vom 24. April 1994 in der Rechtssache C‑393/92 (Almelo, Slg. 1994, I‑1477, Randnr. 48): „Ein solches Unternehmen hat die ununterbrochene Stromversorgung im gesamten Konzessionsgebiet für alle Abnehmer, lokale Versorgungsunternehmen oder Endverbraucher, in den zu jeder Zeit geforderten Mengen zu einheitlichen Tarifen und unter Bedingungen sicherzustellen, die nur nach objektiven Kriterien unterschiedlich sein dürfen, die für alle Kunden gelten.“ Vgl. auch Urteil vom 19. Mai 1993 in der Rechtssache C‑320/91 (Corbeau, Slg. 1993, I‑2533).


38 – Vgl. Baquero Cruz, J., „Beyond Competition: Services of General Interest and European Community Law“, in Collected Courses of the Academy of European Law, vol. XIV/2, EU Law and the Welfare State: In Search of Solidarity, Hrsg. von G. de Burca, Oxford, 2005.


39 – Z. B. war die Verbreitung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen früher staatlichen Einrichtungen vorbehalten; heute erfolgt sie auch durch private Wirtschaftsteilnehmer.


40 – Vgl. zu diesem Punkt Winterstein, A., „Nailing the Jellyfish: Social Security and Competition Law“, (1999) ECLR, Nr. 6, S. 324; Mossialos, E., und McKee, M., EU Law and the Social Character of Health Care, Brüssel, P. I. E.-Peter Lang, 2002, S. 34.


41 – Urteil vom 12. Juli 2001 in der Rechtssache C‑157/99 (Smits und Peerbooms, Slg. 2001, I-5473).


42 – Artikel 113 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes. Soweit das Rechtsmittel gegen nichttragende Gründe gerichtet ist, ist es jedoch unzulässig: Urteile vom 18. März 1993 in der Rechtssache C‑35/92 P (Parlament/Frederiksen, Slg. 1993, I‑991), vom 22. Dezember 1993 in der Rechtssache C‑244/91 P (Pincherle/Kommission, Slg. 1993, I‑6965, Randnr. 25) und vom 16. Juni 1994 in der Rechtssache C‑39/93 P (SFEI u. a./Kommission, Slg. 1994, I‑2681, Randnr. 23).


43 – Beschluss vom 11. Juli 1996 in der Rechtssache C‑325/94 P (An Taisce und WWF UK/Kommission, Slg. 1996, I‑3727, Randnr. 28); Urteil vom 15. Mai 1997 in der Rechtssache C‑278/95 P (Siemens/Kommission, Slg. 1997, I‑2507, Randnr. 44).


44 – Urteile AOK-Bundesverband u. a. (Randnr. 58) und Kommission/Italien vom 16. Juni 1987 (Randnr. 7); Nr. 114 der Schlussanträge des Generalanwalts Cosmas in der Rechtssache Ferlini (Urteil vom 3. Oktober 2000, C‑411/98, Slg. 2000, I- 8081).


45 – Urteile vom 9. Juni 1992 in der Rechtssache C‑30/91 P (Lestelle/Kommission, Slg. 1992, I‑3755, Randnr. 28) und vom 2. April 1998 in der Rechtssache C‑367/95 P (Kommission/Sytraval, Slg. 1998, I‑1719, Randnrn. 46 und 47).


46 – Siehe oben, Nrn. 30 und 31.


47 – Urteile vom 31. Januar 1984 in den Rechtssachen 286/82 und 26/83 (Luisi und Carbone/Ministero del Tesoro, Slg. 1984, 377, Randnr. 9), vom 13. Mai 2003 in der Rechtssache C‑385/99 (Müller-Fauré und van Riet, Slg. 2003, I‑4509, Randnr. 38) und vom 23. Oktober 2003 in der Rechtssache C‑56/01 (Inizan, Slg. 2003, I‑12403, Randnr. 16).


48 – Urteil vom 4. Oktober 1991 in der Rechtssache C‑159/90 (Society for the Protection of Unborn Children Ireland [„Grogan“], Slg. 1991, I‑4685, Randnr. 18).


49 – Nr. 17 der Schlussanträge in den Rechtssachen Kohll, a. a. O., und Decker (Urteil vom 28. April 1998 in der Rechtssache C‑120/95, Slg. 1998, I‑1831).


50 – Urteile Kohll (Randnr. 21), Smits und Peerbooms (Randnr. 54), Müller-Fauré und van Riet (Randnr. 39) sowie Inizan (Randnr. 17).


51 – Urteil Kohll (Randnr. 18).


52 – Nr. 41 der Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro in den Rechtssachen Decker und Kohll, Urteil Smits und Peerbooms (Randnr. 58). Abweichende Meinung: siehe Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz‑Jarabo Colomer in der Rechtssache Smits und Peerbooms (Nrn. 42 bis 49).


53 – Urteil Smits und Peerbooms (Randnr. 58).


54 – K. Mortelmans, „Towards convergence in the application of the rules on free movement and competition?“, CMLRev. 2001, S. 613; Nr. 22 der Schlussanträge des Generalanwalts Van Gerven in der Rechtssache B & Q (Urteil vom 23. November 1989 in der Rechtssache C‑145/88, Slg. 1989, I‑3851); Urteil des Gerichts Meca‑Medina u. a./Kommission (Randnr. 42).


55 – Einheiten, die mit der Verwaltung der Krankenkassen betraut sind, wie in der Rechtssache Cisal, sind keine Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts, doch könnten die für sie geltenden Vorschriften nicht die Versicherung von Beschäftigten aus anderen Mitgliedstaaten ausschließen, ohne dass darin ein Verstoß gegen den Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer läge.


56 – Siehe oben, Nrn. 27 bis 29.


57 – Urteil Smits und Peerbooms.


58 – Angeführt in Anmerkung 17 des Anhangs V der Rechtsmittelschrift (BOE Nr. 100 vom 26. April 1997).


59 – Urteil Ambulanz Glöckner.


60 – Davies, G., Nationality Discrimination in the European Internal Market, Kluwer, La Haye, 2003, Chapter 9, Free Movement of Welfare, insbesondere S. 183 und 184.


61 – Vgl. entsprechend meine Schlussanträge in der Rechtssache BBL (Urteil vom 21. Oktober 2004, C‑8/03, Slg. 2004, I-10157, Nr. 16).


62 – Urteil vom 18. Juni 1998 (oben angeführt in Fußnote 13).


63 – Urteil des Gerichts vom 30. März 2000 in der Rechtssache T-513/93 (Consiglio Nazionale degli Spedizionieri Doganali/Kommission, Slg. 2000, II-1807).


64 – Im Urteil Pavlov u. a. heißt es in Randnr. 79: „Die Mitgliedschaft eines Facharztes in einem solchen System wird durch die Berufsausübung begründet.“ Weiter heißt es dort in Randnr. 80: „Die Beitragszahlung eines selbständigen Facharztes an dieses Berufszusatzrentensystem ist umso mehr an die Ausübung seiner Berufstätigkeit geknüpft, als dieses System durch einen gesteigerten Grad an Solidarität unter allen Ärzten gekennzeichnet ist …“


65 – Nr. 115 der Schlussanträge in der Rechtssache Pavlov u. a..


66 – Arcelin, L., L’entreprise en droit de la concurrence français et communautaire, Litec, 2003, S. 223.


67 – Urteil vom 24. September 1998 in der Rechtssache C‑76/97 (Tögel, Slg. 1998, I‑5357).


68 – Vgl. Scherer, F. und Ross, D., Industrial market structure and economic performance, Boston Houghton Mifflin, 1990, S. 517, und Noll, R., „‚Buyer Power‘ and economic policy“, Antitrust Law Journal, vol. 72, 2005, S. 589.


69 – Vgl. die Urteile Kommission/Italien, Eurocontrol und AOK‑Bundesverband u. a. sowie die Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache Ambulanz Glöckner (Nr. 72).