Rechtssache C‑17/03

Vereniging voor Energie, Milieu en Water u. a.

gegen

Directeur van de Dienst uitvoering en toezicht energie

(Vorabentscheidungsersuchen des College van Beroep voor het bedrijfsleven)

„Elektrizitätsbinnenmarkt – Privilegierter Zugang zum Netz für die grenzüberschreitende Übertragung von Elektrizität – Früher mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betrautes Unternehmen – Schon vor der Liberalisierung des Marktes bestehende langfristige Verträge – Richtlinie 96/92/EG – Diskriminierungsverbot – Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit“

Schlussanträge der Generalanwältin C. Stix‑Hackl vom 28. Oktober 2004 

Urteil des Gerichtshofes (Große Kammer) vom 7. Juni 2005 

Leitsätze des Urteils

1.     Vorabentscheidungsverfahren – Zuständigkeit des Gerichtshofes – Grenzen – Offensichtlich unerhebliche Fragen und hypothetische Fragen, die in einem eine zweckdienliche Antwort ausschließenden Zusammenhang gestellt werden

(Arikel. 234 EG)

2.     Rechtsangleichung – Maßnahmen, die der Verwirklichung und dem Funktionieren des Elektrizitätsbinnenmarkts dienen – Richtlinie 96/92 – Grundsatz des diskriminierungsfreien Zugangs zum Elektrizitätsübertragungsnetz – Bedeutung der Artikel 7 Absatz 5 und 16 – Anwendung auf jede Form der Diskriminierung – Möglichkeit der Genehmigung abweichender Maßnahmen im Verfahren nach Artikel 24

(Richtlinie 96/92 des Europäischen Parlaments und des Rates, Artikel 7 Absatz 5, 16 und 24)

3.     Gemeinschaftsrecht – Grundsätze – Vertrauensschutz – Grenzen – Umsichtiger und besonnener Wirtschaftsteilnehmer

4.     Gemeinschaftsrecht – Grundsätze – Rechtssicherheit – Begriff – Für den Einzelnen nachteilige Regelung – Gebot der Klarheit und Deutlichkeit – Gesetzesänderungen – Zulässigkeit – Berücksichtigung besonderer Umstände

1.     Im Rahmen der durch Artikel 234 EG geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten ist es allein Sache des nationalen Gerichts, im Hinblick auf die Besonderheiten der jeweiligen Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Der Gerichtshof kann das Ersuchen eines nationalen Gerichts nur zurückweisen, wenn offensichtlich ist, dass die Auslegung, um die das Gericht ersucht, in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht oder wenn die Frage allgemeiner oder hypothetischer Natur ist.

(vgl. Randnr. 34)

2.     Die Artikel 7 Absatz 5 und 16 der Richtlinie 96/92 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt, wonach sowohl der Betreiber als auch der Staat bei der Organisation des Netzzugangs nichtdiskriminierend vorgehen müssen, beziehen sich nicht nur auf technische Vorschriften, sondern gelten für jede Form der Diskriminierung.

Sie stehen nationalen Maßnahmen, mit denen einem Unternehmen aufgrund von Verpflichtungen, die vor Inkrafttreten der Richtlinie eingegangen wurden, eine Kapazität für die grenzüberschreitende Übertragung von Elektrizität vorrangig zugeteilt wird, unabhängig davon entgegen, ob sie vom Netzbetreiber, von demjenigen, der die Aufsicht über den Netzbetrieb führt, oder vom Gesetzgeber stammen, sofern diese Maßnahmen nicht im Rahmen des Verfahrens nach Artikel 24 der Richtlinie genehmigt worden sind, der die Möglichkeit vorsieht, unter bestimmten Umständen eine Übergangsregelung anzuwenden, um einige Folgen der Liberalisierung abzumildern.

(vgl. Randnrn. 45-47, 57, 71, Tenor 1-2)

3.     Der Grundsatz des Vertrauensschutzes zählt zu den tragenden Grundsätzen der Gemeinschaft. Die Möglichkeit, sich auf ihn zu berufen, steht jedem Wirtschaftsteilnehmer offen, bei dem ein Gemeinschaftsorgan begründete Erwartungen geweckt hat. Ist jedoch ein umsichtiger und besonnener Wirtschaftsteilnehmer in der Lage, den Erlass einer Gemeinschaftsmaßnahme, die seine Interessen berühren kann, vorherzusehen, so kann er sich im Fall ihres Erlasses nicht auf diesen Grundsatz berufen.

(vgl. Randnrn. 73-74)

4.     Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet, dass eine nationale Regelung, die nachteilige Folgen für Einzelne hat, klar und bestimmt und ihre Anwendung für die Einzelnen voraussehbar sein muss.

Der Einzelne kann jedoch nicht auf das völlige Ausbleiben von Gesetzesänderungen vertrauen, sondern nur die Modalitäten der Durchführung einer solchen Änderung beanstanden. Desgleichen verlangt der Grundsatz der Rechtssicherheit nicht das Absehen von Gesetzesänderungen, sondern erfordert vielmehr, dass der Gesetzgeber die besondere Situation der Wirtschaftsteilnehmer berücksichtigt und gegebenenfalls die Anwendung der neuen Rechtsvorschriften entsprechend anpasst.

(vgl. Randnrn. 80-81)




URTEIL DES GERICHTSHOFES (Große Kammer)

7. Juni 2005(*)

„Elektrizitätsbinnenmarkt – Privilegierter Zugang zum Netz für die grenzüberschreitende Übertragung von Elektrizität – Früher mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betrautes Unternehmen – Schon vor der Liberalisierung des Marktes bestehende langfristige Verträge – Richtlinie 96/92/EG – Diskriminierungsverbot – Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit“

In der Rechtssache C‑17/03

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom College van Beroep voor het bedrijfsleven (Niederlande) mit Entscheidung vom 13. November 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 16. Januar 2003, in dem Verfahren

 Vereniging voor Energie, Milieu en Water,


 Amsterdam Power Exchange Spotmarket BV,


 Eneco NV

gegen

 Directeur van de Dienst uitvoering en toezicht energie,

andere Verfahrensbeteiligte:

 Nederlands Elektriciteit Administratiekantoor BV, früher Samenwerkende ElektriciteitsProduktiebedrijven NV,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans und A. Rosas (Berichterstatter), der Richter J.‑P. Puissochet und R. Schintgen, der Richterin N. Colneric sowie der Richter S. von Bahr, M. Ilešič, J. Malenovský und U. Lõhmus,

Generalanwältin: C. Stix-Hackl,

Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2004,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–       der Vereniging voor Energie, Milieu en Water, vertreten durch I. VerLoren van Themaat und M. het Lam, advocaten,

–       der Amsterdam Power Exchange Spotmarket BV, vertreten durch P. W. A. Goes, advocaat,

–       der Eneco NV, vertreten durch J. J. Feenstra, advocaat,

–       der Nederlands Elektriciteit Administratiekantoor BV, vertreten durch J. de Pree und Y. de Vries, advocaten,

–       der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster als Bevollmächtigte,

–       der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und C. Lemaire als Bevollmächtigte,

–       der finnischen Regierung, vertreten durch T. Pynnä und A. Guimaraes-Purokoski als Bevollmächtigte,

–       der norwegischen Regierung, vertreten durch K. B. Moen und I. Djupvik als Bevollmächtigte,

–       der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Støvlbæk, M. van Beek und A. Bouquet als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 28. Oktober 2004

folgendes

Urteil

1       Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 86 Absatz 2 EG und Artikel 7 Absatz 5 der Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt (ABl. 1997, L 27, S. 20, im Folgenden: Richtlinie).

2       Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den Unternehmen Vereniging voor Energie, Milieu en Water, Amsterdam Power Exchange Spotmarket BV und Eneco NV auf der einen und dem Directeur van de Dienst uitvoering en toezicht energie (Direktor der Dienststelle für die Durchführung und die Aufsicht der Energieversorgung, im Folgenden: DTE) auf der anderen Seite wegen der Entscheidung des DTE, einen Teil der Kapazität des grenzüberschreitenden Netzes für die Einfuhr von Elektrizität in die Niederlande vorrangig der Nederlands Elektriciteit Administratiekantoor BV (im Folgenden: NEA), früher, bei Beginn des Rechtsstreits, Samenwerkende ElektriciteitsProductiebedrijven NV (im Folgenden: SEP), zuzuweisen.

 Rechtlicher Rahmen

 Gemeinschaftsrecht

3       Die Richtlinie leitete die zweite Phase der Liberalisierung des Elektrizitätsmarktes in der Europäischen Gemeinschaft ein. Nach ihrer zweiten Begründungserwägung soll mit ihr ein wettbewerbsorientierter Elektrizitätsbinnenmarkt verwirklicht werden.

4       Gemäß ihrer vierten Begründungserwägung kommt der „Verwirklichung des Elektrizitätsbinnenmarktes … besondere Bedeutung zu; es gilt, unter gleichzeitiger Stärkung der Versorgungssicherheit und der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft … die Effizienz bei der Erzeugung, Übertragung und Verteilung dieses Produkts zu verbessern“.

5       Nach ihrer fünften Begründungserwägung muss die „Verwirklichung des Elektrizitätsbinnenmarkts … schrittweise erfolgen, damit die Elektrizitätsindustrie sich flexibel und in geordneter Art und Weise dem neuen Umfeld anpassen kann und weil zu berücksichtigen ist, dass die Elektrizitätssysteme gegenwärtig unterschiedlich aufgebaut sind“.

6       Ihre fünfundzwanzigste Begründungserwägung lautet: „Jedes Übertragungsnetz muss einem zentralen Management und zentraler Überwachung unterliegen, damit Sicherheit, Zuverlässigkeit und Effizienz des Netzes im Interesse der Erzeuger und Verbraucher gewährleistet sind. Daher muss ein Betreiber des Übertragungsnetzes benannt werden, dem der Betrieb, die Wartung und gegebenenfalls der Ausbau des Netzes obliegen. Der Betreiber des Übergangsnetzes muss objektiv, transparent und nichtdiskriminierend vorgehen.“

7       In ihrer letzten Begründungserwägung heißt es: „Alle diese Maßnahmen stellen eine weitere Liberalisierungsstufe dar, auch nach ihrer Durchführung werden jedoch Hemmnisse für den Elektrizitätshandel zwischen den Mitgliedstaaten fortbestehen. Daher können im Interesse eines besseren Funktionierens des Elektrizitätsbinnenmarktes ausgehend von den gewonnenen Erfahrungen Vorschläge unterbreitet werden. …“

8       In Kapitel IV der Richtlinie – Betrieb des Übertragungsnetzes – bestimmt Artikel 7:

„(1)      Die Mitgliedstaaten oder von diesen dazu aufgeforderte Unternehmen, die Eigentümer von Übertragungsnetzen sind, benennen für einen Zeitrahmen, den sie unter Effizienzerwägungen und unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Gleichgewichts festlegen, einen Netzbetreiber, der für den Betrieb, die Wartung sowie gegebenenfalls den Ausbau des Übertragungsnetzes in einem bestimmten Gebiet und der Verbindungsleitungen mit anderen Netzen verantwortlich ist und so die Versorgungssicherheit gewährleistet.

(2)      Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass für den Anschluss an das Netz von Erzeugungsanlagen, Verteilernetzen, Anlagen direkt angeschlossener Kunden, Verbindungsleitungen und Direktleitungen technische Vorschriften mit Mindestanforderungen betreffend Auslegung und Betrieb ausgearbeitet und veröffentlicht werden. Diese Anforderungen müssen die Interoperabilität der Netze sicherstellen und objektiv und nichtdiskriminierend sein. …

(3)      Dem Netzbetreiber obliegt es, die Energieübertragung durch das Netz unter Berücksichtigung des Austauschs mit anderen Verbundnetzen zu regeln. Daher ist es Sache des Betreibers des Übertragungsnetzes, ein sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Elektrizitätsnetz zu unterhalten und in diesem Zusammenhang für die Bereitstellung aller unentbehrlichen Hilfsdienste zu sorgen.

(5)      Der Netzbetreiber enthält sich jeglicher Diskriminierung gegenüber den Netzbenutzern oder den Kategorien von Netz[benutzern], insbesondere zugunsten seiner Tochterunternehmen oder Aktionäre.

…“

9       Nach Artikel 16 Satz 1 der Richtlinie, der in Kapitel VII – Organisation des Netzzugangs – steht, können die Mitgliedstaaten hinsichtlich des Netzzugangs zwischen dem Zugang auf Vertragsbasis und dem Alleinabnehmersystem wählen. Gemäß Artikel 16 Satz 2 werden diese „beiden Systeme … nach objektiven, transparenten und nichtdiskriminierenden Kriterien gehandhabt“.

10     Artikel 24 Absätze 1 und 2 der Richtlinie sieht vor:

„(1)      Mitgliedstaaten, in denen aufgrund der Bestimmungen dieser Richtlinie vor Inkrafttreten dieser Richtlinie auferlegte Verpflichtungen oder erteilte Betriebsgarantien möglicherweise nicht erfüllt werden, können eine Übergangsregelung beantragen, die ihnen von der Kommission unter anderem unter Berücksichtigung der Dimension des betreffenden Systems, des Verbundgrads des Systems und der Struktur seiner Elektrizitätsindustrie gewährt werden kann. Vor einer entsprechenden Entscheidung unterrichtet die Kommission die Mitgliedstaaten unter Wahrung der Vertraulichkeit über diese Anträge. Die Entscheidung wird im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht.

(2)      Diese Übergangsregelung ist zeitlich begrenzt und an das Auslaufen der in Absatz 1 genannten Verpflichtungen oder Garantien gebunden. Die Übergangsregelung kann Ausnahmeregelungen zu den Kapiteln IV, VI und VII enthalten. Die Anträge auf Anwendung einer Übergangsregelung müssen bei der Kommission spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten dieser Richtlinie eingereicht werden.“

 Nationales Recht

11     Aufgrund von Artikel 2 der Wet houdende regelingen met betrekking tot de opwekking, de invoer, het transport en de afzet van elektriciteit (Elektriciteitswet) van 16 november 1989 (Staatsblad 1989, S. 535, im Folgenden: EW 1989) [Gesetz vom 16. November 1989 zur Regelung der Erzeugung, der Einfuhr, des Transports und des Absatzes von Elektrizität, Elektrizitätsgesetz] war ein zu diesem Zweck benanntes Unternehmen beauftragt worden, zusammen mit den Konzessionsinhabern dafür Sorge zu tragen, dass die öffentliche Elektrizitätsversorgung zu so geringen Kosten wie möglich und in gesellschaftlich verantwortbarer Weise verlässlich und wirksam funktioniert.

12     Nach Artikel 34 EW 1989 war allein das benannte Unternehmen befugt, Elektrizität für die öffentliche Versorgung in die Niederlande einzuführen.

13     Gemäß Artikel 35 EW 1989 war das betreffende Unternehmen nicht ermächtigt, ohne Genehmigung des zuständigen Ministers Verträge über die Einfuhr von Elektrizität für die öffentliche Versorgung zu schließen. Der Minister durfte die Genehmigung nur ablehnen, wenn dies im Interesse einer zufrieden stellenden Elektrizitäts‑ und Energieversorgung geboten war.

14     Benanntes Unternehmen im Sinne der Artikel 2, 34 und 35 EW 1989 war die SEP, in deren Rechte die NEA ab 1. Januar 2001 eingetreten ist.

15     Die Elektriciteitswet vom 2. Juli 1998 (Staatsblad 1998, S. 427, im Folgenden: EW 1998) diente der Umsetzung der Richtlinie und hob die EW 1989 mit Wirkung vom 1. Juli 1999 auf.

16     Nach Inkrafttreten der EW 1998 übertrug die SEP den Betrieb des Hochspannungsnetzes ihrer Tochtergesellschaft TenneT BV (im Folgenden: TenneT). Das Eigentum an diesem Netz wurde 2001 an die Saranne BV (im Folgenden: Saranne), ebenfalls eine Tochtergesellschaft von SEP, übertragen. Im Laufe desselben Jahres wurde der Staat zunächst Eigentümer von TenneT, dann von Saranne.

17     Gemäß Artikel 16 EW 1998 hat TenneT u. a. die Aufgabe, das Hochspannungsnetz zu errichten und instand zu halten, dessen Verlässlichkeit und Sicherheit zu gewährleisten, eine ausreichende Reservekapazität vorzuhalten und Dritte mit der in die Niederlande eingeführten und der aus den Niederlanden ausgeführten Elektrizität zu beliefern.

18     Nach Artikel 24 EW 1998 ist der Netzbetreiber verpflichtet, Erzeugern, Zwischenhändlern, Lieferanten und Abnehmern von Elektrizität den Netzzugang zu den gleichen Bedingungen zu gewähren.

19     Mit der Aufsicht über Netzbetrieb und Netzbetreiber ist nach der EW 1998 der DTE betraut. Dieser untersteht dem Minister für wirtschaftliche Angelegenheiten, der ihm sowohl Einzel‑ als auch allgemeine Weisungen erteilen kann.

20     Unter anderem aufgrund von Artikel 36 EW 1998 legt der DTE auf Vorschlag des Netzbetreibers die Bedingungen für den Netzzugang fest.

21     Zu diesem Zweck erließ der DTE mit Entscheidung vom 12. November 1999 die Bedingungen für den Betrieb des Netzes für die grenzüberschreitende Übertragung von Elektrizität (im Folgenden: Netcode).

22     Unter anderem aufgrund der Artikel 5.6.4 und 5.6.7 des Kapitels 5 des Netcode wurde der SEP für das Jahr 2000 eine Einfuhrkapazität für Elektrizität von 1 500 MW der 3 200 MW, die auf den grenzüberschreitenden Verbindungen verfügbar waren, vorrangig zugewiesen, damit sie die Elektrizität weiterleiten konnte, die Gegenstand von Verträgen war, die sie gemäß Artikel 35 EW 1989 geschlossen hatte.

23     Es handelt sich um drei Verträge über die Abnahme von Elektrizität, die SEP zur Erfüllung ihres Auftrags aus Artikel 2 EW 1989 geschlossen hatte.

24     Folgende Verträge waren geschlossen worden:

–       1989 mit Électricité de France über die Abnahme von 600 MW jährlich bis zum 31. März 2002 und 750 MW jährlich vom 1. April 2002 bis zum 31. März 2009;

–       1989 mit der Preussen Elektra AG über die Abnahme von 300 MW jährlich bis zum 31. Dezember 2005;

–       1990 mit der Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen AG über die Abnahme von 600 MW jährlich bis zum 31. März 2003 (alle zusammen im Folgenden: internationale Verträge der SEP).

25     Später wurde die vorrangige Zuweisung einer jährlichen Kapazität für die grenzüberschreitende Übertragung von Elektrizität für den Zeitraum nach dem Jahr 2000 ausdrücklich in der Overgangswet elektriciteitsproductiesector vom 21. Dezember 2000 (Staatsblad 2000, S. 607) (Übergangsgesetz für den Sektor der Elektrizitätserzeugung, im Folgenden: Overgangswet 2000) geregelt.

26     Artikel 13 Absatz 1 Overgangswet 2000 sieht vor:

„Der Betreiber des nationalen Hochspannungsnetzes weist dem benannten Unternehmen auf Antrag bis 31. März 2005 höchstens 900 MW und vom 1. April 2005 bis 31. März 2009 höchstens 750 MW für die Übertragung von Elektrizität zu, wenn diese Übertragung der Durchführung der 1989 und 1990 zwischen der benannten Gesellschaft einerseits und Electricité de France, der PreussenElektra AG und der Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen AG andererseits jeweils geschlossenen Vereinbarungen in deren Fassung vom 1. August 1998 dient und soweit diese Vereinbarungen noch gelten. …“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

27     Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens erhoben gegen den Erlass von Kapitel 5 des Netcode durch den DTE Widerspruch.

28     Mit Bescheid vom 17. Juli 2000 wies der DTE diesen Widerspruch zurück. Er räumte ein, dass die der SEP jeweils zugebilligte Vorrangstellung mit Nachteilen für das ordnungsgemäße Funktionieren des Elektrizitätsmarktes verbunden sei. Außerdem unterliege der tatsächliche Wettbewerb auf dem Markt für Elektrizitätserzeugung in den Niederlanden noch weitgehenden Beschränkungen, so dass der Wettbewerb praktisch allein durch im Ausland erzeugte Elektrizität zustande komme. Er wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die verfügbare Kapazität für die grenzüberschreitende Übertragung 3 200 MW betrage und dass deren Erhöhung kostspielig sei. Daher führe eine Reservierung für die verbleibende Laufzeit der internationalen Verträge der SEP zu einer schwerwiegenden Beschränkung der Einfuhr‑ und damit der Handelsmöglichkeiten anderer Marktteilnehmer.

29     Der DTE rechtfertigte seinen Zurückweisungsbescheid jedoch damit, dass es sich um laufende langfristige Verträge handele, die von der SEP im Einklang mit dem damals geltenden Recht und zur Durchführung einer Aufgabe im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse im Sinne von Artikel 86 EG geschlossen worden seien. Zudem enthalte die EW 1998 keine Bestimmung, die der Gültigkeit dieser Verträge entgegenstehe, so dass sie grundsätzlich zu erfüllen seien. Die Unterbrechung der Erfüllung der bestehenden Verträge hätte eine unvertretbare Verletzung der Rechtssicherheit zum Nachteil der Vertragsparteien zur Folge und würde erheblichen finanziellen Schaden verursachen. Schließlich nehme die Erfüllung dieser Verträge nicht die gesamte verfügbare Übertragungskapazität grenzüberschreitender Netze in Anspruch.

30     Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens erhoben gegen den Bescheid des DTE Klage beim College van Beroep voor het bedrijfsleven. Sie machen geltend, dass dieser Bescheid unter Verstoß gegen die Artikel 28 EG, 81 EG, 82 EG und 86 EG, das in Artikel 7 Absatz 5 der Richtlinie und Artikel 24 EW 1998 verankerte Diskriminierungsverbot sowie die Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Objektivität ergangen sei. Der Bescheid verkenne außerdem das Interesse an der Förderung der Entwicklung des Handels auf dem Elektrizitätsmarkt im Sinne von Artikel 36 EW 1998. Ferner müsse die Zuteilungsmethode des Netcode als „technische Vorschrift“ betrachtet werden, so dass sie der Kommission gemaß der Richtlinie 83/189/EWG des Rates vom 28. März 1983 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. L 109, S. 8) zur Kenntnis hätte gebracht werden müssen.

31     Vor diesem Hintergrund hat das College van Beroep voor het bedrijfsleven das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      a)     Kann Artikel 86 Absatz 2 EG herangezogen werden, um zu rechtfertigen, dass einem Unternehmen, das vorher mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut war und im Rahmen dieser Dienstleistung bestimmte Verpflichtungen eingegangen ist, nach der Beendigung der ihm anvertrauten besonderen Aufgabe noch ein besonderes Recht zu dem Zweck zugebilligt wird, diese Verpflichtungen abwickeln zu können?

         b)     Ist bejahendenfalls eine Regelung, die für einen Zeitraum von zehn Jahren die vorrangige Zubilligung von (abnehmend) der Hälfte bis zu einem Viertel der Kapazität für die grenzüberschreitende Übertragung von Elektrizität an das betreffende Unternehmen vorsieht, dennoch ungültig, da sie

–       nicht im angemessenen Verhältnis zu dem – öffentlichen – Interesse steht, dem damit gedient wird;

–       den Handelsverkehr in einem Ausmaß beeinflusst, das dem Interesse der Gemeinschaft zuwiderläuft?

2.      a)     Ist Artikel 7 Absatz 5 der Elektrizitätsrichtlinie so auszulegen, dass das darin geregelte Diskriminierungsverbot auf den Auftrag an den Netzbetreiber beschränkt ist, sich einer Unterscheidung bei der Gewährung des Zugangs zum Netz mittels technischer Vorschriften zu enthalten?

                  Ist bejahendenfalls eine Zuteilungsmethode in Bezug auf die Kapazität für die grenzüberschreitende Übertragung von Elektrizität als technische Vorschrift im Sinne der erwähnten Bestimmung zu betrachten?

         b)     Ist, falls die Zuteilungsmethode als technische Vorschrift zu betrachten ist oder sich Artikel 7 Absatz 5 der Elektrizitätsrichtlinie nicht auf technische Vorschriften beschränkt, eine Regelung, durch die vorrangig Kapazität für die grenzüberschreitende Übertragung für im Rahmen einer besonderen öffentlichen Aufgabe geschlossene Verträge zur Verfügung gestellt wird, mit dem Diskriminierungsverbot dieses Artikels vereinbar?

 Zur zweiten Frage

32     Mit seiner zweiten Frage, die zuerst zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob das Diskriminierungsverbot aus Artikel 7 Absatz 5 der Richtlinie Maßnahmen wie denen der Artikel 5.6.4 und 5.6.7 des Netcode sowie des Artikels 13 Absatz 1 der Overgangswet 2000 (im Folgenden: streitige Maßnahmen) entgegensteht, mit denen der SEP ein Teil der Einfuhrkapazität für Elektrizität vorrangig zugeteilt wird, damit sie die Verpflichtungen aus internationalen Verträgen erfüllen kann, die sie geschlossen hat, als sie den Auftrag hatte, dafür Sorge zu tragen, dass die öffentliche Elektrizitätsversorgung zu so geringen Kosten wie möglich und in gesellschaftlich verantwortbarer Weise verlässlich und wirksam funktioniert.

33     Zunächst ist festzustellen, dass Artikel 7 Absatz 5 der Richtlinie auf den Betreiber des nationalen Elektrizitätsübertragungsnetzes abstellt (Urteil vom 14. April 2005 in den Rechtssachen C‑128/03 und C‑129/03, AEM und AEM Torino, Slg. 2005, I-0000, Randnr. 56). Zwar kann der vom DTE herausgegebene Netcode anscheinend nicht dem niederländischen Betreiber des Elektrizitätsnetzes, TenneT, zugerechnet werden, doch befragt das vorlegende Gericht den Gerichtshof gleichwohl nach der Bedeutung dieser Bestimmung.

34     Im Rahmen der durch Artikel 234 EG geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten ist es allein Sache des nationalen Gerichts, im Hinblick auf die Besonderheiten der jeweiligen Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Der Gerichtshof kann das Ersuchen eines nationalen Gerichts nur zurückweisen, wenn offensichtlich ist, dass die Auslegung, um die das Gericht ersucht, in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht oder wenn die Frage allgemeiner oder hypothetischer Natur ist (vgl. Urteile vom 15. Dezember 1995 in der Rechtssache C‑415/93, Bosman, Slg. 1995, I‑4921, Randnrn. 59 bis 61, vom 27. November 1997 in der Rechtssache C‑369/95, Somalfruit und Camar, Slg. 1997, I‑6619, Randnrn. 40 und 41, und vom 13. Juli 2000 in der Rechtssache C‑36/99, Idéal tourisme, Slg. 2000, I‑6049, Randnr. 20).

35     Im Ausgangsverfahren erweist sich, dass der Netzbetreiber konkrete Maßnahmen ergriffen hat, mit denen mindestens einer der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens, der Eneco NV, gemäß den Artikeln 5.6.4 oder 5.6.7 des Netcode der Netzzugang verweigert wurde. Daher hält das vorlegende Gericht zu Recht die Auslegung von Artikel 7 Absatz 5 der Richtlinie für erforderlich zur Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits. Diese Bestimmung ist daher im Hinblick auf die Artikel 5.6.4 oder 5.6.7 auszulegen.

36     Soweit der Ausgangsrechtsstreit staatliche Maßnahmen betrifft, die nicht dem Netzbetreiber zugerechnet werden können, ist auch auf Artikel 16 der Richtlinie Bezug zu nehmen. Aus Artikel 16 der Richtlinie ergibt sich nämlich, dass die Mitgliedstaaten bei der Organisation des Netzzugangs zwar zwischen dem System des Netzzugangs auf Vertragsbasis und dem Alleinabnehmersystem wählen können, dass die beiden Systeme aber nach objektiven, transparenten und nicht diskriminierenden Kriterien gehandhabt werden müssen (Urteil AEM und AEM Torino, Randnr. 57). Nach Artikel 16 ist es den Mitgliedstaaten somit verboten, den Netzzugang auf diskriminierende Art und Weise zu organisieren.

37     Artikel 13 Absatz 1 der Overgangswet 2000, wonach der Netzbetreiber der SEP für 2001 und die darauf folgenden Jahre den vorrangigen Zugang zum Netz für die grenzüberschreitende Übertragung von Elektrizität gewährt, wurde nach Einreichung der Klage im Ausgangsverfahren erlassen. Er ist daher am Diskriminierungsverbot des Artikels 16 der Richtlinie zu messen.

38     Was den Anwendungsbereich von Artikel 7 Absatz 5 der Richtlinie angeht, so bezieht sich diese Bestimmung nach Auffassung der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens nicht nur auf technische Vorschriften, sondern untersagt Maßnahmen wie die hier streitigen.

39     Die niederländische, die französische, die finnische und die norwegische Regierung sowie die Kommission tragen ebenfalls vor, dass Artikel 7 Absatz 5 der Richtlinie nicht nur für technische Vorschriften gelte. Ihrer Ansicht nach stellen die streitigen Maßnahmen jedoch keine nach dieser Bestimmung untersagte Diskriminierung dar.

40     Dagegen ist die NEA der Auffassung, da sich die anderen Absätze des Artikels 7 der Richtlinie auf die betreffenden technischen Vorschriften bezögen, betreffe sein Absatz 5 folgerichtig auch nur die technischen Vorschriften. Da die streitigen Maßnahmen nicht als technische Vorschriften angesehen werden könnten, fielen sie nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 7 Absatz 5 der Richtlinie.

41     Bei der Auslegung einer Gemeinschaftsvorschrift sind nicht nur deren Wortlaut zu berücksichtigen, sondern auch der Zusammenhang, in dem sie steht, und die Ziele, die mit der Regelung verfolgt werden, zu der sie gehört (vgl. insbesondere Urteile vom 17. November 1983 in der Rechtssache 292/82, Merck, Slg. 1983, 3781, Randnr. 12, vom 21. Februar 1984 in der Rechtssache 337/82, St. Nikolaus Brennerei, Slg. 1984, 1051, Randnr. 10, und vom 14. Oktober 1999 in der Rechtssache C‑223/98, Adidas, Slg. 1999, I‑7081, Randnr. 23).

42     Erstens ist Artikel 7 Absatz 5 der Richtlinie allgemein formuliert, da er ein Verbot „jeglicher Diskriminierung gegenüber den Netzbenutzern oder den Kategorien von Netzbenutzern“ vorsieht. Der Wortlaut der Bestimmung enthält somit nichts, was für eine restriktive Auslegung dahin spräche, dass sie sich nur auf technische Vorschriften bezieht.

43     Zweitens geht aus dem Zusammenhang von Artikel 7 der Richtlinie hervor, dass sich sein Absatz 5 nicht auf technische Vorschriften beschränkt. Denn Absatz 2 des betreffenden Artikels bestimmt bereits, dass die technischen Vorschriften nichtdiskriminierend sein müssen. Wäre das in Absatz 5 erlassene Diskriminierungsverbot auf technische Vorschriften beschränkt, wäre das in Absatz 2 vorgesehene überflüssig.

44     Drittens heißt es in Bezug auf die Ziele der Richtlinie in ihrer fünfundzwanzigsten Begründungserwägung, ohne dass eine Beschränkung auf die technischen Vorschriften vorgesehen wäre, dass der Betreiber des Netzes „objektiv, transparent und nichtdiskriminierend vorgehen“ muss.

45     Folglich bezieht sich Artikel 7 Absatz 5 der Richtlinie nicht nur auf technische Vorschriften, sondern ist dahin auszulegen, dass er für jede Form der Diskriminierung gilt.

46     Dasselbe muss für Artikel 16 der Richtlinie gelten. Denn das dort vorgesehene Diskriminierungsverbot ist allgemein formuliert und muss im Hinblick auf Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie gelesen werden, wonach die Mitgliedstaaten allen Elektrizitätsunternehmen hinsichtlich der Rechte und Pflichten die gleiche Behandlung zuteil werden lassen.

47     Was die Frage angeht, ob die streitigen Maßnahmen eine gegen die Richtlinie verstoßende Diskriminierung darstellen, so ist daran zu erinnern, dass deren Bestimmungen, wonach sowohl der Betreiber als auch der Staat bei der Organisation des Netzzugangs nichtdiskriminierend vorgehen müssen, besonderer Ausdruck des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes sind (vgl. Urteil AEM und AEM Torino, Randnr. 58, und entsprechend in Bezug auf Artikel 40 Absatz 3 Unterabsatz 2 EG‑Vertrag [nach Änderung jetzt Artikel 34 Absatz 2 Unterabsatz 2 EG] Urteil vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C‑280/93, Deutschland/Rat, Slg. 1994, I‑4973, Randnr. 67, sowie im Bereich von Antidumpingverfahren gegen Einfuhren aus Drittstaaten Urteil vom 27. Januar 2005 in der Rechtssache C‑422/02 P, Deutschland/Rat, Slg. 2005, I-0000, Randnr. 33).

48     Das Diskriminierungsverbot, das zu den wesentlichen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört, verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt werden, es sei denn, dass eine derartige Differenzierung objektiv gerechtfertigt wäre (vgl. u. a. Urteil Deutschland/Rat, zitiert in Randnr. 47, Randnr. 67).

49     Aufgrund der streitigen Maßnahmen wurde der SEP im Jahr 2000 eine Kapazität von 1 500 MW der 3 200 MW, die für die grenzüberschreitende Übertragung von Elektrizität verfügbar waren, vorrangig zugeteilt, was 47 % der verfügbaren Kapazität entspricht. Die maximale Kapazität, die der NEA von 2001 bis zum 31. März 2009 vorrangig vorbehalten wurde, belief sich nach Artikel 13 Absatz 1 der Overgangswet 2000 auf 750 MW, was 23,4 % der verfügbaren Kapazität entspricht. Wie die Eneco NV insoweit unbestritten vorträgt, wurde ihr Antrag auf Zuteilung von Kapazitäten für die Elektrizitätseinfuhr aufgrund der streitigen Maßnahmen von TenneT abgelehnt, so dass sie die Elektrizitätslieferungen, zu denen sie sich im Anschluss an die Liberalisierung des Marktes gegenüber ihren Abnehmern verpflichtet hatte, nicht erbringen konnte. Infolgedessen sollen die Wettbewerber einen erheblichen Wettbewerbsnachteil erlitten haben, zumal aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, dass der Wettbewerb bei der Belieferung mit Elektrizität in den Niederlanden praktisch allein durch im Ausland erzeugte Elektrizität zustande kommt.

50     Es steht fest, dass ein vorrangiger Zugang zum Netz für die grenzüberschreitende Übertragung von Elektrizität, wie er der SEP und anschließend der NEA aufgrund von Maßnahmen wie den hier streitigen gewährt worden ist, eine unterschiedliche Behandlung darstellt.

51     Die NEA erklärt jedoch, von der niederländischen und der französischen Regierung im Wesentlichen unterstützt, dass ihre Lage nicht mit der anderer Wirtschaftsteilnehmer vergleichbar sei. Denn die internationalen Verträge der SEP seien geschlossen worden, als diese Eigentümerin des Hochspannungsnetzes und der Verbundleitungen gewesen sei. Diese Verträge seien im Rahmen der Durchführung einer auf die EW 1989 gestützten, im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse liegenden Aufgabe geschlossen worden, und mit ihnen sei das Ziel verfolgt worden, die Elektrizitätsversorgung in den Niederlanden zum Zweck des Weiterverkaufs zu angemessenen Preisen zu gewährleisten.

52     Vor der Liberalisierung des Elektrizitätsmarktes in den Niederlanden war die SEP tatsächlich das einzige Unternehmen, das zur Elektrizitätseinfuhr zugelassen war und den im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse liegenden Auftrag hatte, dafür Sorge zu tragen, dass die öffentliche Elektrizitätsversorgung zu so geringen Kosten wie möglich und in gesellschaftlich verantwortbarer Weise verlässlich und wirksam funktioniert.

53     Aufgrund der Liberalisierung des Marktes im Anschluss an die Umsetzung der Richtlinie verlor die SEP jedoch ihr Einfuhrmonopol. Dieser Einfuhrmarkt wurde für andere, konkurrierende Wirtschaftsteilnehmer geöffnet. Gleichzeitig war die SEP seit Inkrafttreten der EW 1998 nicht mehr mit der betreffenden Aufgabe betraut.

54     Daher ist zu prüfen, ob die unterschiedliche Behandlung, die im vorrangigen Zugang zum Netz für die grenzüberschreitende Übertragung von Elektrizität besteht, über den erst die SEP, dann die NEA aufgrund der streitigen Maßnahmen verfügte, im Hinblick auf die Richtlinie gerechtfertigt ist.

55     Die NEA und im Wesentlichen auch die niederländische und die norwegische Regierung führen aus, die unterschiedliche Behandlung sei dadurch gerechtfertigt, dass die SEP zur Erfüllung ihrer Aufgabe verpflichtet gewesen sei, solche langfristigen Verträge zu schließen. Diese Verträge seien durch hohe Fixkosten und einen relativ niedrigen Preis je MW gekennzeichnet, so dass sie die NEA stark benachteiligen würden, wenn diese in Anbetracht dessen, dass das Netz für die grenzüberschreitende Übertragung nicht über eine ausreichende Kapazität verfüge, nicht die geplanten Elektrizitätsmengen einführen könnte. Das rechtfertige es, der NEA vorrangig eine bestimmte Kapazität in Bezug auf dieses Netz vorzubehalten.

56     Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.

57     Zur Abmilderung einiger Folgen der Liberalisierung sieht die Richtlinie in ihrem Artikel 24 die Möglichkeit vor, unter bestimmten Umständen eine Übergangsregelung anzuwenden. Danach können die Mitgliedstaaten u. a. zu den Kapiteln IV und VII der Richtlinie, in denen die Artikel 7 und 16 stehen, Ausnahmeregelungen beantragen, wenn aufgrund der Bestimmungen der Richtlinie vor ihrem Inkrafttreten auferlegte Verpflichtungen oder erteilte Betriebsgarantien möglicherweise nicht erfüllt werden können.

58     Angesichts dieser spezifischen Vorschrift für Sonderfälle, die sich aus dem vor Inkrafttreten der Richtlinie geltenden Rechtsrahmen ergeben, ist das Vorliegen einer Diskriminierung im Sinne ihrer Artikel 7 Absatz 5 und 16 ohne Berücksichtigung dieser Sonderfälle zu prüfen.

59     Nach Artikel 24 der Richtlinie müssen die Anträge auf Anwendung einer Ausnahmeregelung spätestens ein Jahr nach dem Inkrafttreten der Richtlinie eingereicht werden. Ebenfalls gemäß Artikel 24 obliegt die Entscheidung der Kommission, die zu diesem Zweck die Dimension des betreffenden Systems, des Verbundgrads des Systems und der Struktur der Elektrizitätsindustrie des jeweiligen Mitgliedstaats zu berücksichtigen hat. Außerdem muss die Kommission vor einer Entscheidung die Mitgliedstaaten über diese Anträge unterrichten, die dadurch die Möglichkeit zur Stellungnahme erhalten. Schließlich sind die gegebenenfalls gewährten Ausnahmeregelungen zeitlich zu begrenzen und an das Auslaufen der fraglichen Verpflichtungen oder Garantien gebunden.

60     Das Königreich der Niederlande hätte auf Artikel 24 der Richtlinie zurückgreifen können, um rechtzeitig eine vorübergehende Ausnahmeregelung zu den Artikeln 7 Absatz 5 und 16 der Richtlinie zugunsten der SEP in der Form der Gestattung der vorrangigen Zuteilung eines Teils der Kapazität für die grenzüberschreitende Übertragung von Elektrizität an dieses Unternehmen beantragen zu können. Das hat es jedoch nicht getan, da es, und zwar erst nach Ablauf der vorgesehenen Frist, einen Antrag auf Ausgleich eines Teils der finanziellen Verluste eingereicht hat, die sich für die SEP aus der Erfüllung der für ihre frühere öffentliche Aufgabe geschlossenen Verträge ergäben (vgl. Entscheidung 1999/796/EG der Kommission vom 8. Juli 1999 über den Antrag der Niederlande auf Anwendung einer Übergangsregelung gemäß Artikel 24 der Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt [ABl. L 319, S. 34, Nr. 44]). Das Königreich der Niederlande hat somit keine Genehmigung für die streitigen Maßnahmen beantragt, und die Kommission konnte die vom Königreich der Niederlande geplante Maßnahme nicht genehmigen, da sie nach Fristablauf eingereicht wurde.

61     Die in Artikel 24 der Richtlinie vorgesehenen Regelungen über Verfahren, Kriterien und Grenzen verlören jedoch ihren Sinn, wenn es einem Mitgliedstaat erlaubt wäre, einseitig und ohne Beachtung dieses Verfahrens aufgrund von Erwägungen, wie sie eben nach Artikel 24 der Richtlinie eine Ausnahmeregelung zu den Artikeln 7 Absatz 5 und 16 der Richtlinie rechtfertigen können, eine unterschiedliche Behandlung der Elektrizitätsimporteure zu praktizieren.

62     Eine andere Auslegung würde nämlich zum einen unter Verkennung des Zieles der Richtlinie den Übergang von einem monopolistischen und geschlossenen Elektrizitätsmarkt zu einem offenen und wettbewerbsorientierten Markt aufs Spiel setzen. Infolge der streitigen Maßnahmen würde der Marktzutritt neuer Wirtschaftsteilnehmer ernsthaft gefährdet oder sogar verhindert, und die Position des früheren niederländischen Monopolisten könnte gegen die Konkurrenz anderer Wirtschaftsteilnehmer über die Möglichkeiten hinaus geschützt werden, die der Gemeinschaftsgesetzgeber in der Richtlinie vorgesehen hat, um die Verwirklichung des Elektrizitätsmarktes mit der Sicherung der nach früherem Recht eingegangenen Verpflichtungen in Einklang zu bringen.

63     Zum anderen soll das in Artikel 24 der Richtlinie vorgesehene System von Ausnahmeregelungen u. a. die Gleichbehandlung der früheren nationalen Monopolisten sicherstellen, die sich in einer ähnlichen Lage wie die NEA befinden. Eine solche Gleichbehandlung könnte gefährdet sein, wenn zugelassen würde, dass jeder Mitgliedstaat außerhalb des in Artikel 24 der Richtlinie vorgesehenen Verfahrens und ohne Einhaltung der dort genannten Voraussetzungen seinem früheren Monopolisten Vorteile verschaffen könnte, um diesem die Erfüllung der vor der Liberalisierung des Elektrizitätsmarktes von ihm geschlossenen langfristigen Verträge zu garantieren. Dies liefe dem Ziel der Richtlinie zuwider, das in deren zwölfter Begründungserwägung wie folgt beschrieben wird: „Der Netzzugang muss jedoch unabhängig von der geltenden Marktorganisation entsprechend dieser Richtlinie offen sein und in den Mitgliedstaaten zu gleichwertigen wirtschaftlichen Ergebnissen und damit zu einer direkt vergleichbaren Marktöffnung sowie einem direkt vergleichbaren Zugang zu den Elektrizitätsmärkten führen.“

64     Die niederländische Regierung macht allerdings geltend, dass die Artikel 3 Absatz 3 und 17 Absatz 5 der Richtlinie, wonach der Netzbetreiber unter bestimmten Umständen berechtigt sei, den Zugang zum Netz zu verweigern, zeigten, dass die Reservierung einer gewissen Kapazität für die grenzüberschreitende Übertragung von Elektrizität nicht zwingend mit dem Diskriminierungsverbot in Konflikt gerate. Ähnliche Erwägungen tragen die finnische Regierung, die auf die Artikel 8 Absatz 2 und 17 Absatz 5 der Richtlinie Bezug nimmt, sowie die norwegische Regierung und die Kommission vor, die ebenfalls auf Artikel 17 Absatz 5 sowie auf Artikel 3 Absatz 3 der Richtlinie verweisen.

65     Nach Artikel 3 Absatz 3 können die Mitgliedstaaten unter bestimmten Bedingungen von den Artikeln 5, 6, 17, 18 und 21 der Richtlinie abweichen. Er bezieht sich weder auf Artikel 7 noch auf Artikel 16 der Richtlinie. Daher kann er nicht angeführt werden, um eine Ausnahme von den Artikeln 7 Absatz 5 und 16 der Richtlinie zu rechtfertigen.

66     Nach Artikel 17 Absatz 5 der Richtlinie kann der Netzbetreiber den Zugang verweigern, wenn er nicht über die nötige Kapazität verfügt; die Verweigerung ist entsprechend zu begründen. Im Hinblick auf die Ausführungen in den Randnummern 56 bis 63 dieses Urteils kann jedoch ein vorrangiger Zugang, der mit dem Bestehen von Verträgen begründet wird, die vor Inkrafttreten der Richtlinie geschlossen wurden, und außerhalb des in Artikel 24 der Richtlinie vorgesehenen Verfahrens gewährt wird, nicht als gerechtfertigt angesehen werden.

67     Artikel 8 Absatz 2 der Richtlinie sieht vor:

„Unbeschadet der Elektrizitätslieferung aufgrund vertraglicher Verpflichtungen einschließlich der Verpflichtungen aus den Ausschreibungsbedingungen erfolgen die Einspeisung aus den Produktionsanlagen und die Nutzung der Verbindungsleitungen auf der Grundlage von Kriterien, die der betreffende Mitgliedstaat genehmigt haben kann, die objektiv sein und veröffentlicht sowie auf nichtdiskriminierende Weise angewandt werden müssen, damit ein einwandfreies Funktionieren des Elektrizitätsbinnenmarkts gewährleistet wird. Bei den Kriterien werden der wirtschaftliche Vorrang von Elektrizität aus verfügbaren Erzeugungsanlagen oder aus dem Transfer aus Verbindungsleitungen sowie die sich für das Netz ergebenden technischen Beschränkungen berücksichtigt.“

68     Diese Bestimmung beschränkt weder unmittelbar noch mittelbar die Reichweite des in den Artikeln 7 Absatz 5 und 16 der Richtlinie vorgesehenen Diskriminierungsverbots. Daher kann sie nicht mit Erfolg angeführt werden.

69     In diesem Zusammenhang bleibt auch die Berufung der Kommission auf die letzte Begründungserwägung, wonach die Richtlinie nur eine neue Stufe der Liberalisierung des Elektrizitätsmarktes darstellt und Hemmnisse für den Elektrizitätshandel zwischen den Mitgliedstaaten fortbestehen, ohne Erfolg. Diese Begründungserwägung ist nämlich sehr allgemein gefasst und kann daher keine Ausnahmen von den Artikeln 7 Absatz 5 und 16 der Richtlinie rechtfertigen.

70     Dasselbe gilt für die fünfte Begründungserwägung der Richtlinie, auf die sich die NEA beruft und wonach die Verwirklichung des Elektrizitätsbinnenmarktes schrittweise erfolgen muss. Dass die Liberalisierung schrittweise geschieht, ergibt sich daraus, dass der Markt im Jahr 2000 nur für Großabnehmer, 2002 dann für mittelgroße Abnehmer und schließlich 2004 für alle Abnehmer geöffnet werden sollte. Die schrittweise Verwirklichung ist ferner in den Übergangs‑ und Ausnahmeregelungen des Artikels 24 der Richtlinie verankert. Gleichwohl kann die fünfte Begründungserwägung keine Ausnahmen von den Artikeln 7 Absatz 5 und 16 der Richtlinie begründen.

71     Aufgrund dieser Erwägungen ist eine vorrangige Zuteilung eines Teils der Kapazität für die grenzüberschreitende Übertragung von Elektrizität an einen Betreiber aufgrund von Verpflichtungen, die vor Inkrafttreten der Richtlinie eingegangen wurden, und ohne Einhaltung des in Artikel 24 der Richtlinie vorgesehenen Verfahrens als diskriminierend im Sinne der Artikel 7 Absatz 5 und 16 der Richtlinie und damit als Verstoß gegen diese Artikel anzusehen.

72     Die NEA und die finnische Regierung führen jedoch aus, dass ein Wirtschaftsteilnehmer wie die NEA nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit das Recht zur Erfüllung der internationalen Verträge der SEP habe.

73     Der Grundsatz des Vertrauensschutzes zählt gewiss zu den tragenden Grundsätzen der Gemeinschaft (vgl. u. a. Urteile vom 14. Oktober 1999 in der Rechtssache C‑104/97 P, Atlanta/Europäische Gemeinschaft, Slg. 1999, I‑6983, Randnr. 52, und vom 15. Juli 2004 in den Rechtssachen C‑37/02 und C‑38/02, Di Lenardo und Dilexport, Slg. 2004, I‑6945, Randnr. 70).

74     Nach ständiger Rechtsprechung steht die Möglichkeit, sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes zu berufen, jedem Wirtschaftsteilnehmer offen, bei dem ein Gemeinschaftsorgan begründete Erwartungen geweckt hat. Ist jedoch ein umsichtiger und besonnener Wirtschaftsteilnehmer in der Lage, den Erlass einer Gemeinschaftsmaßnahme, die seine Interessen berühren kann, vorherzusehen, so kann er sich im Fall ihres Erlasses nicht auf diesen Grundsatz berufen (vgl. u. a. Urteile Atlanta/Europäische Gemeinschaft, Randnr. 52, und Di Lenardo und Dilexport, Randnr. 70).

75     Hier haben die Gemeinschaftsorgane weder eine Maßnahme erlassen noch ein Verhalten gezeigt, wonach mit der Beibehaltung der 1989 und 1990 geltenden Rechtslage, unter der die internationalen Verträge der SEP geschlossen wurden, hätte gerechnet werden können.

76     Insbesondere hat der Gerichtshof zwar in seinem Urteil vom 23. Oktober 1997 in der Rechtssache C‑157/94 (Kommission/Niederlande, Slg. 1997, I‑5699) die Klage der Kommission auf Feststellung, dass die niederländische Regierung mit dem vor Inkrafttreten der Richtlinie geltenden Recht, der EW 1989, durch die der SEP ausschließliche Einfuhrrechte für Elektrizität gewährt wurden, gegen Artikel 37 EG‑Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 31 EG) verstößt, abgewiesen. Er hat aber keine Garantie für einen Status quo auf Gemeinschaftsebene gegeben.

77     Außerdem stellt die Richtlinie nur den zweiten Schritt eines angekündigten Prozesses zur Liberalisierung des Elektrizitätsmarktes dar, nachdem der erste Schritt mit der Richtlinie 90/547/EWG des Rates vom 29. Oktober 1990 über den Transit von Elektrizitätslieferungen über große Netze (ABl. L 313, S. 30) gemacht worden war. Nach der ersten Begründungserwägung der Richtlinie 90/547 hat der Europäische Rat wiederholt die Notwendigkeit der Schaffung eines einzigen Binnenmarktes für den Energiesektor unterstrichen. Ferner sah die Kommission in ihrer Mitteilung über die Ausweitung der innergemeinschaftlichen Elektrizitätslieferungen: ein grundlegender Beitrag zur Vollendung des Binnenmarkts für Energie vom 29. September 1989 (KOM[89] 336 endg.) die Möglichkeit vor, die den nationalen oder regionalen Monopolen vorbehaltenen Netze für die Übertragung von Elektrizität Dritten zur Verfügung zu stellen, und hielt die Beseitigung der Einfuhr‑ oder Ausfuhrmonopole für notwendig (vgl. Nrn. 2 und 52 der Mitteilung).

78     Daher kann nicht behauptet werden, dass die Gemeinschaftsorgane bei der SEP begründete Hoffnungen auf die Beibehaltung eines Einfuhrmonopols für Elektrizität in den Niederlanden oder auf die Einräumung eines vorrangigen Rechts auf Nutzung des Netzes für die grenzüberschreitende Übertragung von Elektrizität bis zum Auslaufen der geschlossenen internationalen Verträge geweckt hätten.

79     Die niederländischen Behörden haben zwar einen nationalen Rechtsrahmen geschaffen, in dem die SEP internationale Verträge geschlossen hat, um ihren Auftrag zu erfüllen, dafür Sorge zu tragen, dass die Elektrizitätsversorgung zu so geringen Kosten wie möglich und in gesellschaftlich verantwortbarer Weise verlässlich und wirksam funktioniert. Ein Mitgliedstaat kann die Gemeinschaft aber nicht in der Weise binden, dass diese nicht die Liberalisierung des Elektrizitätsmarktes in Angriff nehmen oder weiterverfolgen kann.

80     Was den Grundsatz der Rechtssicherheit angeht, so gebietet er insbesondere, dass eine nationale Regelung, die nachteilige Folgen für Einzelne hat, klar und bestimmt und ihre Anwendung für die Einzelnen voraussehbar sein muss (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Dezember 1987 in der Rechtssache 325/85, Irland/Kommission, Slg. 1987, 5041, vom 13. Februar 1996 in der Rechtssache C‑143/93, Van Es Douane Agenten, Slg. 1996, I‑431, Randnr. 27, und vom 15. Februar 1996 in der Rechtssache C‑63/93, Duff u. a., Slg. 1995, I‑569, Randnr. 20).

81     Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, kann der Einzelne nicht auf das völlige Ausbleiben von Gesetzesänderungen vertrauen, sondern nur die Modalitäten der Durchführung einer solchen Änderung beanstanden (vgl. in Bezug auf eine Gesetzesänderung, mit der das Recht auf Abzug der Mehrwertsteuer auf bestimmte Aufwendungen für die Vermietung von Grundstücken aufgehoben wurde, Urteil vom 29. April 2004 in den Rechtssachen C‑487/01 und C‑7/02, Gemeente Leusden und Holin Groep, Slg. 2004, I‑5368, Randnr. 81). Desgleichen verlangt der Grundsatz der Rechtssicherheit nicht das Absehen von Gesetzesänderungen, sondern erfordert vielmehr, dass der Gesetzgeber die besondere Situation der Wirtschaftsteilnehmer berücksichtigt und gegebenenfalls die Anwendung der neuen Rechtsvorschriften entsprechend anpasst.

82     Die Richtlinie enthält Bestimmungen, die es ermöglichen, die besondere Situation der Wirtschaftsteilnehmer, wie z. B. der SEP, im Rahmen der Liberalisierung des Elektrizitätsmarktes zu berücksichtigen. Insbesondere räumt sie den Mitgliedstaaten in ihrem Artikel 24 die Möglichkeit ein, eine Ausnahmeregelung zu den Artikeln 7 Absatz 5 und 16 in Bezug auf vor Inkrafttreten der Richtlinie auferlegte Verpflichtungen oder erteilte Betriebsgarantien zu beantragen. Das Königreich der Niederlande hat von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch gemacht (vgl. Entscheidung 1999/796, Randnr. 44).

83     Die Kommission macht geltend, in der Richtlinie sei keine Verpflichtung vorgesehen, Verträge wie die internationalen Verträge der SEP zu kündigen. Dieser Umstand erlaubt es jedoch nicht, gegen die Regelungen der Richtlinie mit der Begründung zu verstoßen, dass dieser Verstoß notwendig sei, um die betreffenden Verträge zu erfüllen. Überdies wäre deren Kündigung nur eine mittelbare und auch keine zwingende Folge dieser Richtlinie. Außerdem würde sie einen Wirtschaftsteilnehmer wie die SEP (seit 2001 die NEA) nicht daran hindern, Elektrizität, zu deren Abnahme sie sich in ihren internationalen Verträgen verpflichtet hatte, außerhalb der Niederlande zu verkaufen.

84     Die NEA beruft sich ferner auf die Verordnung (EG) Nr. 1228/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Elektrizitätshandel (ABl. L 176, S. 1) und insbesondere Nummer 2 unter der Überschrift „Langfristige Verträge“ im Anhang dieser Verordnung, wo es heißt: „Bei bestehenden langfristigen Verträgen werden keine Vorkaufsrechte eingeräumt, wenn sie zur Verlängerung anstehen.“ Nach Ansicht der NEA ergibt sich aus dieser Bestimmung, dass vor Inkrafttreten dieser Verordnung geschlossene Verträge zu erfüllen seien.

85     Dieses Vorbringen ändert nichts an der bis hierhin vorgenommenen Beurteilung. Denn die betreffende Bestimmung, die in dem im Ausgangsverfahren maßgebenden Zeitpunkt noch nicht in Kraft war, stimmt mit der Auslegung der Artikel 7 Absatz 5 und 16 der Richtlinie in den Randnummern 56 bis 63 dieses Urteils völlig überein und stellt sie also nicht in Frage. Sie bestätigt hier lediglich, dass gegebenenfalls nach Artikel 24 der Richtlinie gewährte Ausnahmeregelungen zu diesen Artikeln nicht über die Dauer der Verpflichtungen hinausgehen dürfen, die in den vor Inkrafttreten dieser Richtlinie geschlossenen Verträgen eingegangen worden sind.

86     Diese Erwägungen nehmen nicht die Antwort auf die Frage vorweg, ob und in welchem Umfang ein Unternehmen wie die NEA auf der Grundlage des nationalen Rechts Anspruch auf Ersatz des Schadens hat, den es gegebenenfalls durch die Entscheidung der niederländischen Behörden erlitten hat, keine Ausnahmeregelung nach Artikel 24 der Richtlinie für die streitigen Maßnahmen zu beantragen.

87     Aus alledem ergibt sich, dass Umstände, wie sie die Parteien und die Beteiligten, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, vorgetragen haben, keine erfolgreiche Berufung auf die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit ermöglichen.

88     Auf die zweite Frage ist daher zu antworten,

–       dass sich die Artikel 7 Absatz 5 und 16 der Richtlinie nicht nur auf technische Vorschriften beziehen, sondern dahin auszulegen sind, dass sie für jede Form der Diskriminierung gelten;

–       dass diese Artikel nationalen Maßnahmen, mit denen einem Unternehmen eine Kapazität für die grenzüberschreitende Übertragung von Elektrizität vorrangig zugeteilt wird, unabhängig davon entgegenstehen, ob sie vom Netzbetreiber, von demjenigen, der die Aufsicht über den Netzbetrieb führt, oder vom Gesetzgeber stammen, sofern diese Maßnahmen nicht im Rahmen des in Artikel 24 der Richtlinie vorgesehenen Verfahrens genehmigt worden sind.

 Zur ersten Vorlagefrage

89     Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Artikel 86 Absatz 2 EG dahin auszulegen ist, dass er Maßnahmen wie die im Ausgangsverfahren streitigen rechtfertigt.

90     Aufgrund der Antwort auf die zweite Frage ist die erste Frage nicht mehr zu beantworten.

 Kosten

91     Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

1.      Die Artikel 7 Absatz 5 und 16 der Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt beziehen sich nicht nur auf technische Vorschriften, sondern sind dahin auszulegen, dass sie für jede Form der Diskriminierung gelten.

2.      Diese Artikel stehen nationalen Maßnahmen, mit denen einem Unternehmen eine Kapazität für die grenzüberschreitende Übertragung von Elektrizität vorrangig zugeteilt wird, unabhängig davon entgegen, ob sie vom Netzbetreiber, von demjenigen, der die Aufsicht über den Netzbetrieb führt, oder vom Gesetzgeber stammen, sofern diese Maßnahmen nicht im Rahmen des in Artikel 24 der Richtlinie 96/92 vorgesehenen Verfahrens genehmigt worden sind.

Unterschriften.


* Verfahrenssprache: Niederländisch.