Rechtssache C-102/02
Ingeborg Beuttenmüller
gegen
Land Baden-Württemberg
(Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Stuttgart)
«Freizügigkeit der Arbeitnehmer – Anerkennung der Diplome – Richtlinien 89/48/EWG und 92/51/EWG – Beruf des Lehrers an Grund- und Hauptschulen – Inhaber eines Diploms über ein zweijähriges Hochschulstudium – Voraussetzungen der Berufsausübung»
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Schlussanträge des Generalanwalts D. Ruiz-Jarabo Colomer vom 16. September 2003 |
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Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 29. April 2004 |
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Leitsätze des Urteils
- 1.
- Freizügigkeit – Niederlassungsfreiheit – Arbeitnehmer – Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen – Geltungsbereich der Richtlinie 89/48 – Nach einer zweijährigen Ausbildung erlangtes Diplom – Einbeziehung – Voraussetzungen
(Richtlinie 89/48 des Rates, Artikel 1 Buchstabe a)
- 2.
- Freizügigkeit – Niederlassungsfreiheit – Arbeitnehmer – Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen – Richtlinie 89/48 – Zugang zu einem reglementierten Beruf oder Ausübung dieses Berufes unter den gleichen Voraussetzungen wie Inländer (Artikel
3) – Unmittelbare Wirkung – Schulwesen – Regelung des Aufnahmestaats, die ohne Ausnahme eine Ausbildung verlangt, die eine Mindestdauer von drei Jahren hat und sich
auf mindestens zwei der für diese Tätigkeit vorgeschriebenen Unterrichtsfächer erstreckt – Unzulässigkeit
(Richtlinie 89/48 des Rates, Artikel 3 Unterabsatz 1 Buchstabe a)
- 3.
- Handlungen der Organe – Richtlinien – Möglichkeit für einen Mitgliedstaat, den Einzelnen die in einer nicht umgesetzten Richtlinie vorgesehenen Beschränkungen
und Verpflichtungen entgegenzuhalten – Ausschluss
- 4.
- Freizügigkeit – Niederlassungsfreiheit – Arbeitnehmer – Anerkennung der Diplome – Richtlinie 92/51 – Zugang zu einem reglementierten Beruf oder Ausübung dieses Berufes unter den gleichen Voraussetzungen wie Inländer (Artikel
3) – Unmittelbare Wirkung zugunsten des Inhabers eines nach einer zweijährigen Ausbildung erlangten Volksschullehrerdiploms
(Richtlinie 92/51 des Rates, Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a)
- 1.
- Artikel 1 Buchstabe a Unterabsatz 2 der Richtlinie 89/48 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome,
die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, ist dahin auszulegen, dass eine Befähigung für den Beruf des
Volksschullehrers, die früher in einem Mitgliedstaat aufgrund einer zweijährigen Ausbildung erlangt worden ist, einem Diplom
im Sinne des Unterabsatzes 1 dieser Vorschrift gleichgestellt ist, wenn die zuständigen Stellen dieses Staates bescheinigen,
dass das nach dieser zweijährigen Ausbildung erlangte Diplom als dem gegenwärtig nach einem dreijährigen Studium verliehenen
Diplom gleichwertig angesehen wird und in diesem Mitgliedstaat in Bezug auf den Zugang zum Beruf des Volksschullehrers oder
dessen Ausübung dieselben Rechte verleiht. Es ist Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung der von der Betroffenen
gemäß Artikel 8 Absatz 1 dieser Richtlinie vorgelegten Nachweise sowie der für die Beurteilung dieser Nachweise geltenden
innerstaatlichen Vorschriften zu bestimmen, ob die letzte in Artikel 1 Buchstabe a Unterabsatz 2 genannte Voraussetzung, dass
nämlich das betreffende Diplom im Herkunftsmitgliedstaat dieselben Rechte in Bezug auf den Zugang zum Beruf und oder dessen
Ausübung verleiht, als erfüllt anzusehen ist. Diese Voraussetzung betrifft das Recht, einen reglementierten Beruf auszuüben,
und nicht das Entgelt und die sonstigen Arbeitsbedingungen, die in dem Mitgliedstaat gelten, der die Gleichwertigkeit einer
alten Ausbildung und einer neuen Ausbildung anerkennt.
(vgl. Randnr. 45, Tenor 1)
- 2.
- Ein Angehöriger eines Mitgliedstaats kann sich auf Artikel 3 Unterabsatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 89/48 über eine allgemeine
Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, wonach die zuständige
Stelle des Aufnahmemitgliedstaates einem Angehörigen eines Mitgliedstaats den Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen
Ausübung unter denselben Voraussetzungen wie bei Inländern nicht wegen mangelnder Qualifikation verweigern kann, wenn der
Antragsteller das Diplom besitzt, das in einem anderen Mitgliedstaat erforderlich ist, um Zugang zu diesem Beruf in seinem
Hoheitsgebiet zu erhalten oder ihn dort auszuüben, und wenn dieses Diplom in einem Mitgliedstaat erworben wurde, gegenüber
nationalen Vorschriften berufen, die dieser Richtlinie nicht entsprechen. Die Richtlinie steht derartigen Vorschriften entgegen,
wenn sie für die Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat als im Aufnahmemitgliedstaat erworbenen oder anerkannten
Befähigung für den Lehrerberuf ohne Ausnahme verlangen, dass die Hochschulausbildung eine Mindestdauer von drei Jahren hat
und dass sie sich auf mindestens zwei der für die Lehrertätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat vorgeschriebenen Unterrichtsfächer
erstreckt.
(vgl. Randnr. 57, Tenor 2)
- 3.
- Ein Mitgliedstaat, der seine Verpflichtung verletzt hat, die Bestimmungen einer Richtlinie in seiner innerstaatlichen Rechtsordnung
umzusetzen, kann den Gemeinschaftsbürgern die Beschränkungen, die sich aus diesen Bestimmungen ergeben, ebenso wenig entgegenhalten,
wie er von ihnen die Erfüllung von in dieser Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen verlangen kann.
(vgl. Randnr. 63)
- 4.
- Ein Angehöriger eines Mitgliedstaats kann sich, wenn innerhalb der in Artikel 17 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 92/51
über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung zur Richtlinie 89/48 vorgeschriebenen
Frist keine Umsetzungsmaßnahmen erlassen worden sind, auf Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 92/51 stützen, um
im Aufnahmemitgliedstaat die Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat aufgrund einer zweijährigen Ausbildung erworbenen
Befähigung für den Lehrerberuf zu erlangen.
(vgl. Randnr. 67, Tenor 3)