62000C0099

Schlussanträge des Generalanwalts Tizzano vom 21. Februar 2002. - Strafverfahren gegen Kenny Roland Lyckeskog. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Hovrätten för Västra Sverige - Schweden. - Vorabentscheidungsfragen - Vorlagepflicht - Begriff des Gerichts, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können - Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 - Gemeinschaftliches System der Zollbefreiungen. - Rechtssache C-99/00.

Sammlung der Rechtsprechung 2002 Seite I-04839


Schlußanträge des Generalanwalts


Vorbemerkung

1. Das Hovrätt för Västra Sverige (Berufungsgericht für Westschweden, im Folgenden: Hovrätt) hat dem Gerichtshof mit Beschluss vom 9. März 2000 vier Fragen zur Vorabentscheidung im Sinne von Artikel 234 EG vorgelegt. Die ersten beiden Fragen betreffen diese Bestimmung, und zwar insbesondere ihren Absatz 3, und beziehen sich auf den Begriff des nationalen Gerichts, das verpflichtet ist, den Gerichtshof um Vorabentscheidung zu ersuchen, sowie auf die Tragweite dieser Verpflichtung. Bei den übrigen beiden Fragen, die hilfsweise vorgelegt wurden, handelt es sich um die Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 des Rates vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen (im Folgenden: Verordnung Nr. 918/83).

Rechtlicher Rahmen

Gesichtspunkte des Vorabentscheidungsverfahrens

Das Gemeinschaftsrecht

2. Bezüglich des Gemeinschaftsrechts beschränke ich mich auf den Hinweis, dass die Verpflichtung, dem Gerichtshof die in Artikel 234 Absatz 1 EG genannten Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen, in Absatz 3 dieses Artikels wie folgt festgelegt ist:

Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, so ist dieses Gericht zur Anrufung des Gerichtshofes verpflichtet."

Das schwedische Recht

3. Die ordentlichen schwedischen Gerichte in Zivil- und Strafsachen bestehen aus den Tingsrätter (erstinstanzliche Gerichte), den Hovrätter (Berufungsgerichte, von denen es sechs in Schweden gibt) und dem Högsta Domstol (Oberstes Gericht). In der Regel hängt die Einlegung eines Rechtsmittels beim obersten Gericht gegen Urteile oder endgültige Beschlüsse eines Berufungsgerichts, die ihrerseits aufgrund der Anfechtung des Urteils eines Tingsrätt ergangen sind, von einer Zulassungserklärung des obersten Gerichts ab; ausgenommen hiervon sind Rechtsmittel, die der Generalstaatsanwalt beim obersten Gericht als öffentlich-rechtliche Handlung einlegt.

4. Nach Kapitel 54 § 10 des Rättegångsbalk (Verfahrensordnung) kann das oberste Gericht die Zulassungserklärung nur abgeben, wenn

1. es für die einheitliche Rechtsanwendung wichtig ist, dass das Rechtsmittel von einem obersten Gericht geprüft wird, oder

2. besondere Gründe für die Prüfung des Rechtsmittels vorliegen, wie etwa Revisionsgründe, ein Formfehler oder wenn die Entscheidung des Berufungsgerichts offensichtlich auf einer schwerwiegenden Unterlassung oder einem groben Irrtum beruht".

5. Die Revision des Verfahrens, die in Kapitel 58 §§ 1 bis 3 des Rättegångsbalk geregelt ist, ist eines der außerordentlichen Rechtsmittel zur Anfechtung gerichtlicher Entscheidungen. § 10 Nummer 2 lässt sie zu, wenn neue Tatsachen oder neue Beweismittel vorliegen, die, wären sie vor dem Urteil bekannt gewesen, vermutlich zu einer anderen Entscheidung geführt hätten.

6. Kapitel 54 § 11 erlaubt auch die Beschränkung der Zulassungserklärung auf einen spezifischen Aspekt der Rechtssache, wenn dessen Prüfung eine besondere Bedeutung für die einheitliche Rechtsanwendung hat. Bei seiner Entscheidung über die Zulassung des Rechtsmittels beurteilt das oberste Gericht sowohl die Rechts- als auch die Beweisfragen, wobei es in keiner Weise an die Beurteilung der Beweismittel durch das untere Gericht gebunden ist.

7. Aus den Angaben in den Schriftsätzen der schwedischen Regierung geht hervor, dass gegen ca. 5 000 der jährlichen ca. 24 000 Urteile der Hovrätter Rechtsmittel beim höchsten Gericht eingelegt werden; hiervon werden zwischen 150 bis 200 (also 3 % bis 4 %) zugelassen.

Gesichtspunkte des Zollbefreiungssystems

Das Gemeinschaftsrecht

8. Für die materiell-rechtliche Entscheidung im Rahmen des Ausgangsverfahrens ist die Verordnung Nr. 918/83 zu berücksichtigen, soweit sie die besonderen Fälle erfasst, in denen eine Befreiung von den Abgaben des Gemeinsamen Zolltarifs gewährt wird. Da eine derartige Abgabenerhebung unter bestimmten Umständen nicht gerechtfertigt erschien, z. B., wenn die besonderen Bedingungen der Einfuhr keine Anwendung der üblichen Maßnahmen zum Schutz der Wirtschaft erfordern (zweite Begründungserwägung), hat der Rat die Fälle festgelegt, in denen aufgrund besonderer Umstände bei der Überführung von Waren in den zollrechtlich freien Verkehr Befreiung von Eingangsabgaben oder bei der Ausfuhr von Waren aus der Gemeinschaft Befreiung von Ausfuhrabgaben gewährt wird" (Artikel 1 Absatz 1).

9. Demgemäß enthält Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung zunächst verschiedene Definitionen; im Sinne dieser Verordnung gelten demnach als

a) ,Eingangsabgaben: Zölle, Abgaben gleicher Wirkung, Abschöpfungen und sonstige bei der Einfuhr zu erhebende Abgaben, die im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik oder im Rahmen der auf bestimmte landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse anwendbaren spezifischen Regelungen vorgesehen sind;

b) ,Ausfuhrabgaben: Abschöpfungen und sonstige bei der Ausfuhr zu erhebende Abgaben, die im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik oder im Rahmen der auf bestimmte landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse anwendbaren spezifischen Regelungen vorgesehen sind;

c) ,Übersiedlungsgut: Waren, die zum persönlichen Gebrauch der Beteiligten oder für ihren Haushalt bestimmt sind.

Als Übersiedlungsgut gelten insbesondere:

...

... die Haushaltsvorräte in den von einer Familie üblicherweise als Vorrat gehaltenen Mengen ... Das Übersiedlungsgut darf seiner Art und Menge nach keinen kommerziellen Zweck erkennen lassen;

d) ,Hausrat: persönliche Gegenstände, Haus-, Bett- und Tischwäsche sowie Möbel und Geräte, die zum persönlichen Gebrauch der Beteiligten oder für ihren Haushalt bestimmt sind;

e) ,alkoholische Erzeugnisse: Die unter die Tarifnummern 22.03 bis 22.09 des Gemeinsamen Zolltarifs fallenden Erzeugnisse (Bier, Wein, Aperitifs auf der Grundlage von Wein oder Alkohol, Branntwein, Likör, Spirituosen usw.)."

10. Die Verordnung regelt in Titel XI die Zollbefreiungen der Mitgliedstaaten für im persönlichen Gepäck von Reisenden mitgeführte Waren, die aus einem Drittland eingeführt werden. Nach Artikel 45 sind solche Waren vorbehaltlich der Artikel 46 bis 49 von den Eingangsabgaben befreit, sofern es sich um Einfuhren ohne kommerziellen Charakter handelt". Nach Absatz 2 dieses Artikels gelten als

a) ,persönliches Gepäck: sämtliche Gepäckstücke, die der Reisende bei seiner Ankunft in der Gemeinschaft der Zollstelle gestellt, sowie die Gepäckstücke, die er später bei derselben Zollstelle gestellt, wobei er nachweisen muss, dass sie bei seiner Abreise bei der Gesellschaft, die ihn aus dem Herkunfts-Drittland in die Gemeinschaft befördert hat, als Reisegepäck aufgegeben wurden.

...

b) ,Einfuhren ohne kommerziellen Charakter: Einfuhren, die

gelegentlich erfolgen und

sich ausschließlich aus Waren zusammensetzen, die zum persönlichen Ge- oder Verbrauch von Reisenden oder den Angehörigen ihres Haushalts oder als Geschenk bestimmt sind; dabei dürfen diese Waren weder ihrer Art noch ihrer Menge nach zu der Besorgnis Anlass geben, dass die Einfuhr aus geschäftlichen Gründen erfolgt".

11. Artikel 47 bestimmt, dass die Befreiung nach Artikel 45 je Reisenden bis zu einem Gesamtwert von 175 ECU gewährt wird. Die Mitgliedstaaten können Wert und/oder Menge der von den Eingangsabgaben zu befreienden Waren niedriger festsetzen, wenn diese Waren von bestimmten Personengruppen eingeführt werden, nämlich von Bewohnern des Grenzgebiets, Grenzarbeitnehmern oder vom Personal im grenzüberschreitenden Verkehr eingesetzter Verkehrsmittel.

Das schwedische Recht

12. Der in Artikel 47 der Verordnung 918/83 genannte Gesamtwert von 175 ECU entspricht nach den Berechnungen der Generaltullstyrelse (Generalzolldirektion) und ist sodann durch das Tullverket in Höhe von 1 700 SEK bestätigt worden. Nach einer Regelung der örtlichen Zollbehörde beträgt die Preismenge, die zum persönlichen Verbrauch zollfrei eingeführt werden darf, 20 kg je Person.

13. Nach § 1 des Varusmugglingslag (1960:418) (Warenschmuggelgesetz) wird mit einer Geldstrafe oder Freiheitsentzug bis zu zwei Jahren bestraft, wer Waren, für die Zölle oder andere Steuern oder Abgaben zu entrichten sind oder die nach Gesetzes- oder Verfassungsvorschriften nicht ein- oder ausgeführt werden dürfen, vorsätzlich ohne Anmeldung bei den zuständigen Behörden in das Königreich einführt oder daraus ausführt. Nach § 8 dieses Gesetzes gilt für versuchten Warenschmuggel Kapitel 23 des brottsbalk (Strafgesetzbuch), wonach hierfür bestraft wird, wer in entsprechend vorgesehenen Fällen mit der Ausführung einer Straftat begonnen hat, ohne diese zu vollenden, wenn die Gefahr, dass die Handlung zur Vollendung der Straftat führt, entweder bestand oder nur aufgrund zufälliger Umstände ausgeschlossen war.

Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

14. Herr Kenny Lyckeskog (im Folgenden: Lyckeskog oder Angeklagter) wurde am 7. April 1998 bei der Einreise aus Norwegen mit 500 kg Reis an der schwedischen Grenze angehalten, als er den grünen Durchgang des Grenzpostens Svinesund überschritt, und beim Gericht Strömstad wegen versuchten Schmuggels von 460 kg Reis im Wert von 3 564 SEK angeklagt. Die Anklage beruhte auf den §§ 1 und 8 des Schmuggelgesetzes (1960:418) sowie auf Kapitel 23 § 1 des Strafgesetzbuchs.

15. Im Verfahren vor dem Tingsrätt räumte der Angeklagte den Sachverhalt ein, bestritt jedoch, sich des Warenschmuggels schuldig gemacht zu haben, weil der Reis für seinen Eigenverbrauch und den seiner Familie bestimmt gewesen sei. Lyckeskog erklärte insbesondere, er habe sich in einer anderen Angelegenheit in Begleitung seiner Frau nach Norwegen begeben müssen und sich bei dieser Gelegenheit vor der Reise nach der Möglichkeit erkundigt, rechtmäßig Waren im Hoechstwert von 1 700 SEK je Person nach Schweden einzuführen. Während der Reise habe er daher 25 Säcke Reis à 20 kg im Gesamtwert von 3 400 NKR erworben, wobei er etwa 145 NKR im Vergleich zu 240 Kronen gezahlt habe, die er in Schweden zum üblichen Preis hätte ausgeben müssen. Um den Vorwurf des Schmuggels zu widerlegen, machte der Angeklagte geltend, seine Frau sei asiatischer Herkunft, bei ihm lebten auch die drei minderjährigen Kinder, die Familie verbrauche mindestens 25 kg Reis im Monat und es komme häufig eine erwachsene Tochter mit ihrer Familie zu Besuch, die ebenfalls eine große Menge Reis verzehre. Er habe daher davon ausgehen können, dass der betreffende Reisvorrat mit dem Verfalldatum November 2000 für etwa anderthalb Jahre ausreiche.

16. Das Tingsrätt stellte fest, dass die Erklärung des Angeklagten, der Reis sei für seinen Eigenverbrauch und den seiner Familie bestimmt gewesen, nicht bezweifelt werden könne, und erkannte an, dass der Reis zum persönlichen Gepäck des Angeklagten im Sinne von Artikel 45 der Verordnung Nr. 918/83 gehört habe, da er mit dessen Privatkraftwagen befördert worden sei. Bezüglich der in dieser Bestimmung enthaltenen Voraussetzung, wonach die Waren weder ihrer Art noch ihrer Menge nach zu der Besorgnis Anlass geben [dürfen], dass die Einfuhr aus geschäftlichen Gründen erfolgt", führte das Tingsrätt indessen aus, diese sei dahin zu verstehen, dass die Art und die Menge der Waren objektiv gesehen zu keinem Zweifel hinsichtlich der Einfuhreigenschaft Anlass geben dürften. Eben dies sei im Übrigen die Ratio der für die Außenzollstellen geltenden Regelung, die die normalerweise zollfreie Menge bei der privaten Einfuhr von Reis auf 20 kg je Person festgesetzt habe. Das Gericht hielt es nämlich angesichts des erheblichen Umfangs der Reiseinfuhr aus Norwegen und der notwendigen Ausschaltung von Unsicherheiten für unvermeidlich und auch zweckmäßig, dass die Zollbehörden eine zollfreie Menge vorgegeben hätten, die wertmäßig unter der anderweit geltenden Grenze liege. Somit gelangte das Tingsrätt zu dem Schluss, dass der Umstand, dass der Reis nicht zum Weiterverkauf und daher zu einem nicht kommerziellen Gebrauch bestimmt gewesen sei, nicht an sich eine Befreiung zugunsten des Angeklagten darstelle. Das Gericht verurteilte den Angeklagten daher zu einer Geldstrafe wegen versuchten Schmuggels und ordnete die Einziehung des Reises an.

17. Der Angeklagte legte ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Tingsrätt ein und beantragte die Aufhebung der Geldstrafe und der Einziehungsanordnung. Er erklärte, das Tingsrätt habe fälschlich einen Mittelbegriff zwischen der Verwendung zum persönlichen Ge- oder Verbrauch und der kommerziellen Verwendung der Ware eingeführt, nämlich die Verwendung zu nicht kommerziellen Zwecken; hierfür habe das Gericht eine unterschiedliche Zollbefreiung festgelegt. Die Verordnung Nr. 918/83 sehe jedoch ausschließlich eine Zollbefreiung für einen Hoechstbetrag von 175 ECU vor, und zwar unter der einzigen Voraussetzung, dass die Ware für den persönlichen oder familiären Verbrauch bestimmt sei. Die schwedischen Behörden hätten daher weder von sich aus niedrigere Grenzen festlegen dürfen, als in der Verordnung vorgeschrieben, noch einen Begriff der nicht kommerziellen Verwendung einführen dürfen.

18. In Verbindung mit einer ihm vorliegenden Frage, die die Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen betrifft, fragt sich das Hovrätt im Rahmen seines Vorlagebeschlusses vorab, ob es sich im vorliegenden Fall als letztinstanzliches Gericht zu betrachten hat, da es in dieser Eigenschaft verpflichtet ist, den Gerichtshof gemäß Artikel 234 Absatz 3 EG zur Vorabentscheidung anzurufen. Das Gericht hat dies selbst bejaht, da die Einlegung eines Rechtsmittels beim obersten Gericht nach schwedischem Recht nur unter den Voraussetzungen des Kapitels 24 § 10 des Rättegångsbalk (siehe oben, Nrn. 3 ff.) möglich sei, also nur, wenn die betreffende Rechtsfrage so komplex sei, dass an ihr ein Interesse als Präzedenzfall der Rechtsprechung im Hinblick auf eine einheitliche Rechtsauslegung bestehen könne oder wenn das Hovrätt die Rechtsfrage als völlig unwichtig beurteilt habe. Ein nicht schwerwiegender Fehler bei der Auslegung oder Anwendung des Gemeinschaftsrechts stelle als solcher hingegen, wie im Vorlagebeschluss ausgeführt wird, keinen Grund für die Zulassung des Rechtsmittels dar.

19. Nachdem das schwedische Gericht somit davon ausgegangen war, ein letztinstanzliches Gericht" im Sinne von Artikel 234 Absatz 3 darzustellen, warf es eine weitere Frage auf, nämlich ob die Fragen, die sich in der bei ihm anhängigen Rechtssache ergeben hätten, tatsächlich dem Gerichtshof vorgelegt werden müssten. Das Hofrätt weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Gerichtshof mit dem bekannten Urteil CILFIT selbst die Verpflichtung zur Vorlage einer gemeinschaftsrechtlichen Frage begrenzt habe, sofern das nationale Gericht feststelle, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende gemeinschaftsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt". Im vorliegenden Fall gehören die im Ausgangsverfahren aufgeworfenen gemeinschaftsrechtlichen Fragen nach Ansicht des Hovrätt indessen nicht zu der im vorgenannten Urteil angegebenen Art, obwohl ihm deren Lösung gleichermaßen klar erscheine. Das Gericht wirft daher die Frage auf, ob es, falls seine Eigenschaft als letztinstanzliches Gericht bestätigt werde, ebenfalls gehalten wäre, um Vorabentscheidung zu ersuchen, obgleich es der Ansicht sei, das Verfahren ohne Hilfe des Gerichtshofes entscheiden zu können.

20. Aufgrund dieser Erwägungen hat das Hovrätt daher beschlossen, dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist ein einzelstaatliches Gericht, das in der Praxis einen Rechtsstreit letztinstanzlich entscheidet, da die Einlegung eines Rechtsmittels beim obersten Gericht des Landes einer Zulassung bedarf, ein Gericht im Sinne des Artikels 234 Absatz 3 EG?

2. Kann ein Gericht im Sinne von Artikel 234 Absatz 3 EG davon absehen, den Gerichtshof um Vorabentscheidung zu ersuchen, wenn ihm klar ist, wie die in dem Verfahren aufgeworfenen gemeinschaftsrechtlichen Fragen zu entscheiden sind, auch wenn sie nicht unter die Lehre vom acte clair" oder acte éclairé" fallen?

Für den Fall, dass der Gerichtshof die erste Frage verneint oder die erste Frage bejaht und die zweite verneint (andernfalls erscheint ein Ersuchen indessen nicht erforderlich), ersucht das Hovrätt um Beantwortung folgender Fragen:

3. Nach Artikel 45 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 des Rates vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen sind vorbehaltlich der Artikel 46 bis 49 die aus einem Drittland eingeführten Waren im persönlichen Gepäck von Reisenden von den Eingangsabgaben befreit, sofern es sich um Einfuhren ohne kommerziellen Charakter handelt. Bedeutet dies, dass Art und Menge der Waren objektiv keine Veranlassung zu Zweifeln an der Natur der Einfuhr geben dürfen? Oder sind die Gewohnheiten und der Lebensstil des Einzelnen zu berücksichtigen?

4. Welche rechtliche Bedeutung haben einzelstaatliche Verwaltungsvorschriften, in denen angegeben wird, wie groß die zollfreie Menge einer bestimmten Ware, auf die die Verordnung (EWG) Nr. 918/83 vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen anwendbar ist, sein darf?

21. Im Verfahren vor dem Gerichtshof haben die dänische, die finnische und die schwedische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie die Kommission Erklärungen abgegeben. Ich werde deren Standpunkte im Zuge der Untersuchung der einzelnen Fragen wiedergeben, die ich in der im Vorlagebeschluss wiedergegebenen Reihenfolge behandeln werde.

22. Zunächst möchte ich jedoch darauf hinweisen, dass der Gerichtshof zum besseren Verständnis der ersten Vorlagefrage das vorlegende Gericht ersucht hat, klarzustellen, ob es nach dem Rättegångsbalk oder nach der gerichtlichen Praxis des Landes möglich ist, dass das Högsta Domstolen eine Vorabentscheidungsfrage in einem Verfahren über die Zulassung eines Rechtsmittels gegen eine Entscheidung des Hovrätt aufwirft. Das Gericht hat geantwortet, dies sei nicht ausgeschlossen, obgleich sich eine derartige Frage noch nicht in der Rechtsprechung erhoben habe.

Rechtliche Untersuchung

Zur ersten Frage

23. Mit der ersten Frage möchte das Hovrätt also wissen, ob es unter den vorstehend dargelegten Umständen als letztinstanzliches Gericht zu betrachten ist und somit nach Artikel 234 Absatz 3 EG verpflichtet ist, den Gerichtshof um Vorabentscheidung zu ersuchen.

Die Erklärungen der Verfahrensbeteiligten

24. Zu dieser Frage haben alle am Verfahren Beteiligten Stellung genommen.

25. Die dänische Regierung hat sich für eine Bejahung der Frage ausgesprochen, da andernfalls die Gefahr bestuende, dass die Zielsetzung des Artikels 234 Absatz 2 EG verfälscht werde. Ihres Erachtens sind demnach nationale Gerichte, gegen deren Entscheidungen ein Rechtsmittel nur nach einer Zulassungserklärung eingelegt werden kann, als letztinstanzliche Gerichte im Sinne der genannten Bestimmung anzusehen.

26. Die entgegengesetzte Auffassung wird von der finnischen und der schwedischen Regierung vertreten, wobei sie sich insbesondere auf die ausdrückliche Bezugnahme des Artikels 234 Absatz 3 auf die letztinstanzlichen Gerichte stützen. Es genüge schon, bemerken sie, der Umstand, dass die Entscheidungen des Hovrätt mit einem Rechtsmittel angefochten werden könnten, und dieses Gericht vom Anwendungsbereich des genannten Artikels ausgenommen werde, da das Erfordernis einer Zulassungserklärung die Möglichkeit einer Prüfung des Rechtsmittels durch die letzte Instanz zwar einschränke, jedoch nicht ausschließe. Wenn durch Artikel 234 vermieden werden solle, dass sich im nationalen Recht eine mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbare Rechtsprechung herausbilde, so sei zu bedenken, dass im schwedischen Rechtssystem die Aufgabe der Gewährleistung einer einheitlichen Rechtsprechung dem obersten Gericht obliege und nicht den Berufungsgerichten. Somit bringe die von ihnen vorgeschlagene Lösung keine Gefahr für die Einheitlichkeit des Gemeinschaftsrechts mit sich. Die Gefahr einer Uneinheitlichkeit werde vor allem schon dadurch verringert, dass die Berufungsgerichte jedenfalls die Möglichkeit hätten, dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen. Insbesondere sei aber zu bedenken, dass die Fälle, in denen es um die Auslegung des Gemeinschaftsrechts gehe und in denen es noch keine Rechtsprechung des Gerichtshofes gebe, im Allgemeinen als Fälle angesehen werden könnten, die eine Zulassungserklärung erforderlich machten, so dass das oberste Gericht im anschließenden Verfahren gegebenenfalls seinerseits um Vorabentscheidung ersuchen müsse. Die finnische Regierung betont, dass gerade dies auf Finnland zutreffe und dass daher das oberste Gericht nach der Rechtslehre das Vorabentscheidungsersuchen bereits zu Beginn der Prüfung des Antrags auf Zulassung des Rechtsmittels beschließen könnte. Würde das Berufungsgericht, so führt die finnische Regierung weiter aus, ebenfalls als letztinstanzlich angesehen, so bestuende die Gefahr, dass in ein und demselben Fall nicht ein, sondern zwei Gerichte zum Vorabentscheidungsersuchen verpflichtet wären.

27. Die britische Regierung erklärt ebenfalls, dass das Erfordernis einer Zulassungserklärung für die Einlegung eines Rechtsmittels beim obersten Gericht als solches allein nicht genüge, um dem Berufungsgericht die Eigenschaft eines letztinstanzlichen Gerichts im Sinne des Artikels 234 EG zuzusprechen. Liege der spezielle Zweck dieser Bestimmung darin, in einem Mitgliedstaat eine nationale Rechtsprechung zu vermeiden, die mit dem Gemeinschaftsrecht nicht im Einklang stehe, so könne dies voll und ganz dadurch erreicht werden, dass dem Gericht, das über die Zulassungserklärung befinde, die Verpflichtung zum Vorabentscheidungsersuchen auferlegt werde. Dies gelte bei gleichzeitiger Betrachtung auch anderer Rechtssysteme einschließlich des britischen sowohl, wenn für die Entscheidung über die Zulassung des Rechtsmittels das Gericht zuständig sei, das seinerseits die anzufechtende Entscheidung erlassen habe (leave to appeal"), als auch, wenn dies hingegen dem obersten Gericht obliege (permission to appeal"), und ferner, wenn dies zuerst Sache des einen und sodann des anderen Gerichts sei. In all diesen Fällen müsse das letztinstanzlich über die Zulassung befindende Gericht bei einer notwendigen Entscheidung über eine gemeinschaftsrechtliche Frage entweder die Genehmigung erteilen oder die gemeinschaftsrechtliche Frage dem Gerichtshof vorlegen. Nach Ansicht der britischen Regierung ist die erste Vorlagefrage somit zu verneinen, sofern das letztinstanzliche Gericht nach der betreffenden Rechtsordnung der Verpflichtung aus Artikel 234 Absatz 3 EG Rechnung tragen könne und dieses Gericht ihr bei der Zulassungsprüfung tatsächlich nachkomme.

28. Die einschlägige Analyse der Kommission ist subtiler, da diese die beiden Beantwortungsmöglichkeiten miteinander in Verbindung bringen möchte, um deren Implikationen besser in Erscheinung treten zu lassen. Sie führt demgemäß zuerst unter dem Blickwinkel einer bejahenden Antwort aus, das Erfordernis einer Zulassungserklärung bedeute zwar, dass jedenfalls die Möglichkeit bestehe, den Fall einer erneuten Prüfung zuzuführen. Wenn aber der Anteil der zugelassenen Fälle praktisch zu gering sei, da sich eine Überprüfung der Rechtssache schwerlich erreichen lasse und die Zulassung kein Recht darstelle, da sie von bestimmten Voraussetzungen abhänge, müsse man daraus schließen, dass tatsächlich kein Anspruch auf ein effektives Rechtsmittel bestehe. Gehe man von dieser Grundlage aus, unterliege das Hovrätt, ebenso wie alle Gerichte, deren Entscheidungen nur nach einer Zulassungserklärung anfechtbar seien, der Verpflichtung aus Artikel 234 Absatz 3 EG. Der Umstand, dass eine höhere Instanz, nämlich das Högsta Domstolen oder dessen Äquivalent in anderen Mitgliedstaaten, eine Erklärung im Hinblick auf die Zulassung oder Genehmigung des Rechtsmittels abgeben könne, bedeute indessen, dass die genannte Verpflichtung auch für diese Instanz gelten könne. Dies sollte jedoch zu keinen besonderen Problemen Anlass geben, da der Gerichtshof eine derartige Möglichkeit bereits im Urteil Parfums Christian Dior berücksichtigt habe, worin er, wie noch gezeigt wird, klargestellt habe, dass, auch falls ein Gericht ebenso wie ein anderes zur Einhaltung der Bestimmung des Artikels 234 Absatz 3 verpflichtet sei, dieses Gericht nicht dadurch von der Verpflichtung zur Vorlage der gleichen oder gleichartigen Frage an den Gerichtshof entbunden sei. Bei dieser Prüfung, so bemerkt die Kommission, hätten das Gericht und die Parteien indessen die absolute Gewissheit, dass zumindest eine nationale Gerichtsinstanz zur Vorlage an den Gerichtshof verpflichtet sei; andererseits erhöhe sich dadurch die Anzahl der von einer derartigen Verpflichtung erfassten Gerichte erheblich.

29. Unter dem Blickwinkel einer verneinenden Antwort führt die Kommission hingegen aus, es sei immerhin wenn auch ungewiss und nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, die Zulassung des Rechtsmittels zu erreichen, so dass man zu dem Schluss gelangen könne, es sei ein Rechtsmittel im Sinne von Artikel 234 Absatz 3 EG vorgesehen. In dieser Weise sei die Individualisierung des vorlagepflichtigen Gerichts ungewiss, die Lösung der Zweifel liege jedoch in den nationalen Rechtsordnungen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Spielraum, den sie im Hinblick auf die Erfuellung der Vorlageverpflichtung dem Gericht verliehen, das letztinstanzlich über die Rechtsmittelzulassung zu entscheiden habe. Dieses Gericht müsse nämlich unter Beachtung des grundsätzlichen Vorrangs des Gemeinschaftsrechts und der Verpflichtung zum Schutz von Rechtssituationen, die auf diesem Recht beruhten, gewährleisten, dass eine Frage nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts richtig behandelt worden sei oder richtig behandelt werde. Sei dies nach Ansicht des Gerichts, das über die Zulassung des Rechtsmittels zu entscheiden habe, nicht der Fall, so müsse es daher entweder die Sache an das untere Gericht zurückverweisen, sofern dies nach dem nationalen Recht möglich sei, oder selbst entscheiden oder eine andere nach seiner Rechtsordnung zulässige Maßnahme ergreifen. In diesem Zusammenhang könne es also unmittelbar das Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof beschließen, und zwar entweder bereits bei der Prüfung der Rechtsmittelzulassung oder gegebenenfalls bei der materiell-rechtlichen Prüfung des Rechtsmittels. Unter dem Blickwinkel des Gemeinschaftsrechts liege der wichtigste Gesichtspunkt somit weniger darin, welches Gericht vorlagepflichtig sei, sondern vielmehr darin, dass es im Laufe des Verfahrens, wie es der Gerichtshof wolle, ein Gericht gebe, das eine einheitliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts gewährleisten könne.

30. Obgleich ihres Erachtens beide einer Prüfung unterzogene Lösungsmöglichkeiten Vor- und Nachteile aufwiesen, kommt die Kommission letztlich zu dem Schluss, dass zur Vermeidung einer zu großen Anzahl nach Artikel 234 Absatz 3 EG vorlagepflichtiger Gerichte die zweite Lösung vorzuziehen sei, wonach das über die Rechtsmittelzulassung entscheidende Gericht im Rahmen seiner nationalrechtlichen Möglichkeiten die Beachtung des Gemeinschaftsrechts sicherstellen müsse und somit als letztinstanzliches Gericht im Sinne von Artikel 234 Absatz 3 EG anzusehen sei.

Die Gemeinschaftsrechtsprechung

31. Vor einer Stellungnahme zu der zur Prüfung anstehenden Frage und zu den Lösungsvorschlägen der Verfahrensbeteiligten bedarf es eines kurzen Überblicks über die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofes.

32. Dabei zeigt sich, dass, soweit hier von Bedeutung, hinsichtlich der Auslegung des Artikels 234 Absatz 3 EG ursprünglich zwei entgegengesetzte Richtungen in Erscheinung getreten sind. Nach Ansicht eines nicht unerheblichen Teils der Rechtsprechung der Mitgliedstaaten und der Rechtslehre obliegt die Vorlageverpflichtung nämlich nur der Spitze der jeweiligen Gerichtspyramide, also den obersten Gerichten, in deren besonderer Eigenschaft als Garanten einer einheitlichen Rechtsauslegung und der Einheit des nationalen Rechts. Im entgegengesetzten Sinne wurde andererseits geltend gemacht, dass durch die Vorlageverpflichtung endgültige Urteile vermieden werden sollten, die zu einer unterschiedlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts führen. Um dem Zweck des Artikels 234 Absatz 3 gerecht zu werden, war also nach dieser These die dort vorgesehene Verpflichtung jedem Gericht zu übertragen, das eine endgültige Entscheidung erlässt, und zwar unabhängig von der Stellung, die es in der Rangordnung des nationalen Rechtssystems einnimmt.

33. Die Rechtsprechung des Gerichtshofes neigte von Anfang an zu dieser zweiten These. Bereits in der bekannten Rechtssache Costa/ENEL, die vom Friedensrichter Mailand zur Vorabentscheidung vorgelegt worden war, der aufgrund des Streitwerts in erster und einziger Instanz zu entscheiden hatte, hat der Gerichtshof inzident entschieden, dass nach Artikel 177 des Vertrages (jetzt Artikel 234 EG) staatliche Gerichte, deren Entscheidungen wie vorliegend nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, den Gerichtshof um Vorabentscheidung über ,die Auslegung des Vertrages ersuchen [müssen], wenn sich ihnen eine diese Auslegung betreffende Frage stellt".

34. Noch bedeutungsvoller ist indessen das spätere Urteil Hoffmann-La Roche, wobei der Gerichtshof gehalten war, eine Frage nach der Auslegung des Artikels 177 Absatz 3 des Vertrages zu beantworten, die ein deutsches Gericht im Rahmen eines summarischen Verfahrens zum Erlass einer einstweiligen Verfügung aufgeworfen hatte. Da gegen die im Verfügungsverfahren ergehende Entscheidung ein Rechtsmittel nicht mehr gegeben war, obgleich die Parteien anschließend dieselbe Frage zum Gegenstand eines regulären Prozessverfahrens machen konnten, sah sich das deutsche Gericht veranlasst, dem Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob er um Vorabentscheidung zu ersuchen ist. Der Gerichtshof hat hierzu ausgeführt:

Artikel 177 hat zum Ziel, die einheitliche Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts in sämtlichen Mitgliedstaaten sicherzustellen; in diesem Rahmen soll Absatz 3 insbesondere verhindern, dass sich in einem Mitgliedstaat eine nationale Rechtsprechung herausbildet, die mit den Normen des Gemeinschaftsrechts nicht im Einklang steht. In summarischen und eilbedürftigen Verfahren der hier in Rede stehenden Art, welche die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zum Gegenstand haben, ist den aus dieser Zielsetzung fließenden Anforderungen Genüge getan, wenn in einem ordentlichen Verfahren zur Hauptsache eine erneute Prüfung jeder im summarischen Verfahren nur vorläufig entschiedenen Rechtsfrage möglich ist, gleichgültig, ob dieses Verfahren unter allen Umständen oder nur auf Betreiben der unterliegenden Partei eingeleitet werden muss. Unter diesen Voraussetzungen ist die spezifische Zielsetzung des Artikel 177 Absatz 3 gewahrt, da die Verpflichtung, den Gerichtshof um Vorabentscheidung zu ersuchen, im Hauptverfahren zum Zuge kommt."

35. Das Urteil Morson und Jhanjan geht in dieselbe Richtung; wie der Gerichtshof darin gleichfalls im Rahmen eines Eilverfahrens bekräftigt hat, ist die spezifische Zielsetzung des Artikels 177 Absatz 3 gewahrt, wenn die Verpflichtung, dem Gerichtshof Vorabentscheidungsfragen vorzulegen, im Rahmen des Hauptverfahrens zum Zuge kommt, auch wenn dieses vor den Gerichten eines anderen Gerichtszweigs als dem des Verfahrens der einstweiligen Anordnung stattfindet, sofern dann die Möglichkeit besteht, dem Gerichtshof nach Artikel 177 die aufgeworfenen Fragen des Gemeinschaftsrechts vorzulegen".

36. Der Gerichtshof ist also zweifellos in erster Linie bestrebt, die Zielsetzung der zur Prüfung anstehenden Bestimmung zu sichern, die in dem Erfordernis zum Ausdruck kommt, zu verhindern, dass sich in einem Mitgliedstaat eine nationale Rechtsprechung herausbildet, die mit den Normen des Gemeinschaftsrechts nicht im Einklang steht" und als solche die einheitliche Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigen könnte. Gerade deshalb darf diese Zielsetzung nicht abstrakt und formal wahrgenommen werden, sondern es ist darauf zu achten, ob die jeweilige Entscheidung endgültiger Art ist, da eben vermieden werden soll, dass die nationalen Gerichte zu gemeinschaftsrechtlichen Fragen Stellung nehmen, ohne den Gerichtshof einzuschalten, wenn es keine nächste Instanz gibt, die dafür zuständig ist.

37. Ist diesem Erfordernis Genüge getan, verliert auch das Problem an Bedeutung, in welchem nationalen Verfahren die Frage gestellt wird, wenn grundsätzlich mehrere Gerichte dafür zuständig sind. Dieser Fall ist bekanntlich im vorgenannten Urteil Parfums Christian Dior eingetreten, wobei allerdings in anderer Weise und aus hier nicht näher zu erläuternden Gründen sowohl der Rechtsprechung des obersten nationalen Gerichts (des Hoge Raad) als auch derjenigen des Benelux-Gerichtshofes Rechnung zu tragen war. In diesem Urteil hat der Gerichtshof festgestellt, dass beide Gerichte als letztinstanzlich anzusehen sind und somit von der Vorlageverpflichtung des Artikels 177 Absatz 3 erfasst werden. Der Gerichtshof hat indessen für den Fall seiner bereits erfolgten Befassung durch eines der beiden Gerichte klargestellt, dass diese Verpflichtung jedoch ihren Grund und damit ihren Sinn [verliert], wenn die gestellte Frage im Rahmen desselben nationalen Rechtsstreits tatsächlich bereits Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens gewesen ist" (Randnr. 31). Generalanwalt Jacobs hat in seinen Schlussanträgen in der vorgenannten Rechtssache betont, dass die Erfordernisse des Artikels 177 Absatz 3 eingehalten seien, sofern der Gerichtshof in irgendeinem Stadium des Verfahrens, bevor das nationale Gericht abschließend entscheide, eingeschaltet worden sei, denn die Ratio der Vertragsbestimmungen ist die, dass ein Gericht eines Mitgliedstaats, dessen Entscheidungen abschließend sind, nicht ohne ein Urteil des Gerichtshofes über eine gemeinschaftsrechtliche Frage entscheiden darf. Aus diesem Blickwinkel macht es keinen großen Unterschied, in welchem Verfahren die Entscheidung beantragt wird."

38. Zur Bestimmung des abschließenden Charakters einer gerichtlichen Entscheidung und der Rechtsmittel, die die Endgültigkeit eines Urteils ausschließen können, hat der Gerichtshof noch keine allgemeinen Aufschlüsse gegeben. In dieser Hinsicht erscheinen mir jedoch die Ausführungen von Generalanwalt Capotorti in der vorgenannten Rechtssache Hoffmann-La Roche sehr bemerkenswert. Er betont nämlich, dass der Begriff des Rechtsmittels in den verschiedenen nationalen Rechtsordnungen nicht eindeutig sei, und nimmt von diesem Begriff solche Rechtsbehelfe anderer Rechtsobjekte als der Parteien, wie etwa den Drittwiderspruch oder einen im öffentlichen Interesse eingeleiteten Widerspruch der Staatsanwaltschaft, als auch so genannte außergewöhnliche Rechtsbehelfe, wie die Wiederaufnahme des Verfahrens, aus, wonach er letztlich zu dem Schluss gelangt, dass Artikel 177 Absatz 3 alle Entscheidungen meint, die in dem Sinne endgültig sind, dass sie keiner erneuten Überprüfung der Rechtssache in tatsächlicher oder auch nur rechtlicher Hinsicht auf Antrag der einen oder anderen Partei zugänglich sind, sofern nicht neue Umstände eingetreten oder außergewöhnliche Voraussetzungen erfuellt sind".

Stellungnahme

39. Ich glaube, dass die vorstehende umfassende Untersuchung alle Anhaltspunkte enthält, um eine Beantwortung der Vorlagefrage zu ermöglichen, und zwar, wie ich hinzufügen möchte, nicht nur im Hinblick auf die spezifische schwedische Regelung, wonach nur das höchste Gericht das Rechtsmittel zulassen kann, sondern auch im Zusammenhang mit den vorerwähnten Rechtssystemen, bei denen (nur oder auch) das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, über die Zulassung des Rechtsmittels befindet.

40. Wie fast alle am vorliegenden Verfahren Beteiligten meine auch ich in erster Linie, dass durch das Erfordernis einer Zulassungserklärung zwar die Möglichkeit einer Anfechtung von Entscheidungen des Hovrätt eingeschränkt wird, andererseits aber kein Zweifel daran bestehen kann, dass es diese Möglichkeit gibt. Dies trifft hier, so möchte ich hinzufügen, umso mehr zu, als worauf die schwedische und auch die finnische Regierung hinweisen diese Anfechtung nicht als ein außerordentlicher oder außergewöhnlicher Rechtsbehelf zu betrachten ist, sondern als ein Rechtsmittel im engeren Sinne", d. h. als ein echter ordentlicher Rechtsweg" im Rahmen der in der Rechtsordnung vorgesehenen Verfahrensmittel; dies wird, wie die finnische Regierung betont, im Übrigen auch dadurch deutlich, dass die Urteile des Hovrätt erst dann als endgültig anzusehen sind, wenn der Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels abgelehnt ist. Andererseits hat die schwedische Regierung darauf hingewiesen, dass in einigen Fällen (besonders bei Strafsachen) selbst die Anfechtung von Urteilen der Gerichte (Tingsrätter) einer Genehmigung durch die Berufungsgerichte bedürfe, ohne dass dadurch natürlich der ordentliche Charakter dieses Rechtswegs in Frage gestellt werde. Es gibt also keinen Grund, den Unsicherheitsfaktor bei der Entscheidung über die Zulassung der Anfechtung im negativen Sinne ins Spiel zu bringen und dabei die objektive Gegebenheit außer Acht zu lassen, dass jedenfalls eine Anfechtungsmöglichkeit besteht, andererseits aber die positive Seite des Verfahrens zu ignorieren, die es erlaubt, den letztinstanzlichen Charakter der Hovrätter zumindest zu bezweifeln oder eben auszuschließen. Angesichts der genannten Möglichkeit kann ein Hovrätt hingegen meines Erachtens weder im technischen Sinne noch im Licht der Grundsätze, die sich aus der oben aufgezeigten Rechtsprechung des Gerichtshofes ergeben, als letztinstanzliches Gericht bezeichnet werden.

41. Das eigentliche Problem, das hier, ebenso wie in den vorstehend erwähnten gleichartigen Rechtssachen, aufgeworfen wird, liegt indessen, wie bereits gezeigt wurde, weniger darin, welches der in Erwägung zu ziehenden Gerichte förmlich als letztinstanzlich im Sinne von Artikel 234 Absatz 3 EG zu qualifizieren ist. Es geht im Grunde vielmehr darum, zu vermeiden, dass bei einer Lösung, die das oberste Gericht als letztinstanzlich betrachtet, die mehrfach aufgezeigte Zielsetzung des Artikels 234 EG gefährdet wird, nämlich zu verhindern, dass sich in einem Mitgliedstaat eine nationale Rechtsprechung herausbildet, die mit den Normen des Gemeinschaftsrechts nicht im Einklang steht", und somit die einheitliche Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigen könnte. Wichtig ist, zu gewährleisten, dass diese Zielsetzung im Zusammenhang mit Fällen wie dem vorliegenden eingehalten wird, in denen das für die Zulassungsgenehmigung zuständige Gericht diese Zulassung verweigern und somit das gesamte Verfahren abschließen könnte, ohne dass der Gerichtshof die Möglichkeit gehabt hätte, zu den gegebenenfalls im Verfahren aufgeworfenen gemeinschaftsrechtlichen Fragen Stellung zu nehmen. Daraus resultieren auch die Vorbehalte gegenüber Lösungen, die eine derartige Gefahr mit sich bringen, und die Suche nach einer geeigneten Abhilfe, sofern sich solche Lösungen nicht vermeiden lassen. Eben dies ergibt sich im Übrigen klarer aus den Erklärungen fast aller Verfahrensbeteiligten trotz ihrer Übereinstimmung dahin gehend, dass die Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsmittels beim obersten Gericht eine letztinstanzliche Eigenschaft des Hovrätt ausschließt. Ich meine auch, dass es der dänischen Regierung im Grunde nicht um eine Ablehnung dieser Beurteilung ging, sondern darum, Bedenken gegenüber den Gefahren zum Ausdruck zu bringen, die sich daraus für eine einheitliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten ergeben könnten.

42. Um dieser berechtigten und begründeten Besorgnis gerecht zu werden, sollte man nun nicht den Charakter der Entscheidungen der Hovrätter verfälschen und sie in letztinstanzliche Entscheidungen verwandeln, sich auf die Statistik der Rechtsmittelzulassungen berufen oder schließlich Argumente heranziehen, die mit dem eigentlichen Kern der erörterten Fragen nichts zu tun haben. Die Antwort liegt vielmehr in Artikel 234 EG selbst und in der Natur der Zusammenarbeit, die dieser zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten begründet. Man muss sich also verdeutlichen, dass diese Zusammenarbeit zwar gewöhnlich in der Beziehung zwischen dem Gerichtshof und dem einzelnen vorlegenden Gericht zum Ausdruck kommt, dass sie im Grunde aber das ganze nationale Gerichtssystem organisch und in seiner Gesamtheit erfasst. Es ist daher im Gesamtrahmen des betreffenden Gerichtssystems und nicht auf der Ebene des einzelnen Gerichts im Fall von Ungewissheiten oder Schwierigkeiten der erörterten Art dafür zu sorgen, dass geprüft wird, ob dieses System die geeigneten Mittel an die Hand gibt, um der Zielsetzung des Artikels 234 EG gerecht zu werden. Auf diesem Weg hat der Gerichtshof z. B. den vorgenannten Fall Parfums Christian Dior gelöst, und dieser Weg sollte auch beschritten werden, um den hier in Rede stehenden Fall zu lösen. Ich möchte sagen, dass es hier schließlich nicht um eine abstrakte Übung zur Definition der Art des betreffenden Gerichts geht, sondern um die Feststellung, ob und wie das in Rede stehende Gerichtssystem, im Ganzen betrachtet, gewährleisten kann, dass die Zielsetzung des Artikels 234 EG eingehalten wird.

43. Wenn ich mich nun dem vorstehend dargelegten Erfordernis zuwende, so erscheint mir ein Punkt völlig klar, nämlich, dass Gerichte wie das schwedische oberste Gericht in ihrer Eigenschaft als letzte Instanz grundsätzlich in vollem Maße der Verpflichtung aus Artikel 234 Absatz 3 EG nachkommen müssen, es sei denn, sie hätten nach den Vorschriften ihres Landes die Möglichkeit, sich von dieser Verpflichtung zu befreien, ohne gegen die genannte Bestimmung zu verstoßen. Letzteres wäre z. B. der Fall, wenn es solchen Gerichten bei Vorliegen einer gemeinschaftsrechtlichen Frage gestattet wäre, nicht unmittelbar um Vorabentscheidung zu ersuchen, sondern die Sache an das untere Gericht zur Erledigung zurückzuverweisen. Dann ergäben sich selbstverständlich keine Probleme der Einhaltung des Artikels 234 EG, da es, wie ich wiederholen möchte, für das Gemeinschaftsrecht ausschlaggebend ist, dass jedenfalls die Zielsetzung dieser Bestimmung sichergestellt wird, und nicht, dass dieses oder jenes Gericht dafür sorgt. Abgesehen von derartigen Fällen sind jedoch solche Gerichte vorbehaltlos vorlagepflichtig, auch wenn die betreffende Rechtsordnung für sie nicht die Möglichkeit vorsieht, diese Aufgabe im Rahmen bestimmter Verfahren zu erfuellen. Dann ergibt sich die Vorlageverpflichtung unabhängig vom Status des nationalen Rechts unmittelbar aus Artikel 234 EG und aus dem Primat des Gemeinschaftsrechts, da diese Gerichte, wie der Gerichtshof mit Nachdruck ausgeführt hat, in jedem Fall die Einhaltung der genannten Verpflichtung zu gewährleisten haben.

44. Die vorstehenden Erwägungen und die Anhaltspunkte, die sich im Verfahren ergeben haben, dürften die Beantwortung der vorliegenden spezifischen Frage erleichtern. In erster Linie möchte ich erwähnen, dass das oberste schwedische Gericht im Sinne seines nationalen Rechts ein Rechtsmittel zulassen muss, wenn dieses Fragen aufwirft, die die einheitliche Anwendung des Rechts in dieser Rechtsordnung berühren. Eine Frage der Auslegung des Gemeinschaftsrechts fällt zweifellos in diesen Rahmen, was im Übrigen sowohl die schwedische als auch die finnische Regierung ausdrücklich bestätigt haben. Letztere hat eigens auf eine entsprechende Praxis und Lehrmeinung hingewiesen.

45. Wie ich noch hinzufügen möchte, hat das vorlegende Gericht in Beantwortung einer entsprechenden Frage des Gerichtshofes klargestellt, dass zwar noch keine Präzedenzfälle in diesem Sinne eingetreten seien, dass es aber im schwedischen Recht keine Ausschlussgründe gebe, die es verhinderten, dass das Högsta Domstolen bei Vorliegen einer Vorabentscheidungsfrage des Gemeinschaftsrechts bei der Zulassungsprüfung eines Rechtsmittels gegen eine Entscheidung des Hovrätt unmittelbar den Gerichtshof anrufe. Es ist hingegen nicht klar, ob es unter diesen Umständen die Zulassungsgenehmigung verweigern, gleichzeitig aber die Rechtssache an das Hovrätt zurückverweisen könnte, damit dieses seinerseits um eine Vorabentscheidung ersucht. Wäre dies der Fall, wäre gleichfalls die Einhaltung des Artikels 234 EG gewährleistet.

46. Abgesehen vom letztgenannten Fall ist das Högsta Domstol, wie bereits dargelegt, keineswegs von seiner Vorlageverpflichtung entbunden, wenn sich vor ihm eine gemeinschaftsrechtliche Frage stellt und die übrigen Voraussetzungen vorliegen, die Artikel 234 Absatz 3 EG festlegt und die Rechtsprechung des Gerichtshofes aufzeigt. Es kann dieser Verpflichtung natürlich bei der Prüfung der Begründetheit des Rechtsmittels nachkommen, sofern es dem Antrag auf dessen Zulassung stattgegeben hat. Sonst ist dies auch bereits bei der Prüfung des Zulassungsantrags möglich, insbesondere wenn eine Ablehnung des Antrags wahrscheinlich ist. Entspricht in diesem Fall die folgende Antwort des Gerichtshofes nicht der Entscheidung des Hovrätt und ist eine Zurückverweisung der Sache an dieses nicht möglich, so müsste das Högsta Domstol das Rechtsmittel zulassen, um der Auslegung des Gerichtshofes nachzukommen. Dies ergibt sich sowohl aus den einschlägigen Verpflichtungen in Artikel 234 EG als auch daraus, dass das oberste Gericht nach schwedischem Recht das Rechtsmittel zulassen muss, wenn es für die einheitliche Rechtsanwendung von Bedeutung ist.

47. In beiden Fällen wäre also die Einhaltung des Artikels 234 EG gewährleistet, und es würde somit von der soeben dargelegten Lösung keine Gefahr in Bezug auf die Zielsetzung dieser Bestimmung ausgehen; es sind dabei unter gleichartigen und weniger problematischen Umständen zumindest keine erhöhten Gefahren ersichtlich.

48. Aufgrund dieser Erwägungen schlage ich daher vor, die erste Frage dahin zu beantworten, dass ein nationales Gericht, dessen Entscheidungen nur nach Maßgabe einer Zulassungsprüfung abhängig von einer Zulassungsprüfung des Rechtsmittels angefochten werden können, grundsätzlich kein letztinstanzliches Gericht im Sinne von Artikel 234 Absatz 3 EG darstellt.

Zur zweiten Frage

Vorbemerkung

49. Mit dieser Frage möchte das Hovrätt, sofern es im vorliegenden Fall im Sinne von Artikel 234 Absatz 3 EG vorlagepflichtig ist, wissen, ob es von einem Vorabentscheidungsersuchen indessen absehen kann, wenn es, wie hier, der Auffassung ist, dass die in dem bei ihm anhängigen Verfahren aufgeworfenen gemeinschaftsrechtlichen Fragen klar" sind, wenngleich hier dabei bezieht sich das Hovrätt offensichtlich auf die vorgenannte Rechtsprechung CILFIT nicht die in diesem Urteil aufgezeigten Voraussetzungen vorliegen, insbesondere wenn die Fragen nicht unter die Lehre vom acte clair" oder acte éclairé" fallen.

Die Argumente der Verfahrensbeteiligten

50. Zu dieser Frage haben nur die dänische Regierung und die Kommission Stellung genommen, wobei beide den generellen und summarischen Charakter der Vorlagefrage zum Anlass genommen haben, um ein mehr oder weniger umfassendes Überdenken der Rechtsprechung CILFIT anzuregen.

51. Die dänische Regierung wünscht nämlich aus grundsätzlichen Erwägungen und auch aus praktischen Gründen eine Überprüfung dieser Rechtsprechung durch den Gerichtshof, zumal diese nunmehr etwa zwanzig Jahre zurückliege. Hierbei macht sich die dänische Regierung voll und ganz den Standpunkt des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache Wiener zu Eigen, der betont hat, in welch hohem Maße die Erweiterung des Gemeinschaftsrechts auf neue Gebiete und die erhebliche Zunahme der entsprechenden Rechtsvorschriften zwangsläufig auch zu einem Anstieg der Vorabentscheidungsverfahren des Gerichtshofes geführt hätten. Eine übermäßige Inanspruchnahme dieser Verfahren könnte aber auch, so hat der Generalanwalt ausgeführt, die Qualität, die Kohärenz und sogar die Zugänglichkeit der Gemeinschaftsrechtsprechung beeinträchtigen und sich selbst als kontraproduktiv im Hinblick auf das mit Artikel 234 EG verfolgte Ziel der Gewährleistung einer einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts in der gesamten Union erweisen. Eine Begrenzung der Vorlageverpflichtung würde hingegen nicht notwendigerweise die Rechtssicherheit gefährden, sondern könnte ihr sogar nützen; sie hätte überdies den Vorteil einer Arbeitsentlastung des Gerichtshofes und einer Verkürzung der Verfahrensdauer. Generalanwalt Jacobs hat daher in der Erwägung, dass die Aufgabe des Gerichtshofes nach Artikel 234 EG nicht darin liege, jeweils die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten, wenn dadurch eine gemeinschaftsrechtliche Frage bei einem nationalen Gericht erhoben werde, sondern darin, eine einheitliche Anwendung dieses Rechts in der gesamten Gemeinschaft sicherzustellen vorgeschlagen, Vorabentscheidungsersuchen auf die Fälle zu beschränken, bei denen eine echte Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung der Regelung innerhalb der Gemeinschaft besteht, da die Frage von allgemeinem Interesse ist" (Nr. 50). Da sich die nationalen Gerichte mit dem Gemeinschaftsrecht immer besser vertraut gemacht hätten und für dieses nunmehr eine umfassende und gefestigte Rechtsprechung vorliege, auf die die nationalen Gerichte selbständig zurückgreifen könnten, sei es, wie Generalanwalt Jacobs bemerkt, denkbar, dass sich die nationalen Gerichte, gegebenenfalls anhand von Leitlinien des Gerichtshofes, oder auch der Gerichtshof mit Vorabentscheidungsverfahren zurückhielten, wobei dieser berechtigt sein müsse, Zurückhaltung zu üben und sich auf allgemeinere Auslegungsfragen zu beschränken" (Nr. 45). Ohne also, zumindest im Wesentlichen, die Rechtsprechung CILFIT zur Diskussion zu stellen, gelangt der Generalanwalt zu dem Schluss, dass die im Urteil CILFIT genannten Voraussetzungen nur auf Fälle angewendet werden [sollten], in denen eine Vorlage im Hinblick auf die Ziele des Artikels 177 tatsächlich angebracht ist, wenn also eine allgemeine Frage gegeben und eine einheitliche Auslegung wirklich erforderlich ist" (Nr. 64).

52. Die dänische Regierung, die sich diesen Erwägungen anschließt, weist zudem darauf hin, dass sich die Sachverständigengruppe, die die Kommission im Herbst 1999 für Überlegungen über die Zukunft des Gerichtssystems der Europäischen Gemeinschaften eingesetzt habe, in einem ähnlichen Sinne geäußert habe. Die Gruppe habe nämlich in ihrem Abschlussbericht ebenfalls zum einen empfohlen, die nationalen Gerichte zu veranlassen, häufiger selbst das Gemeinschaftsrecht anzuwenden, und zum anderen angeregt, die Verpflichtung der letztinstanzlichen Gerichte auf Fälle zu beschränken, in denen die Frage eine hinreichende Bedeutung für das Gemeinschaftsrecht aufweist" und bezüglich ihrer Lösung nach Prüfung durch die unteren Gerichte noch vernünftige Zweifel" bestuenden. Nach Ansicht der dänischen Regierung sollte sich der Gerichtshof von solchen Gesichtspunkten inspirieren lassen und die übermäßig restriktiven Kriterien des Urteils CILFIT sowohl allgemein als auch im Zusammenhang mit der Spezifizierung dieser Kriterien im genannten Urteil lockern. Dies gelte insbesondere für die Feststellung, das nationale Gericht dürfe davon absehen, die Frage dem Gerichtshof vorzulegen, wenn es zu der Überzeugung gelange, dass die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts offenkundig sei und dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewissheit bestuende" (Urteil CILFIT, Randnr. 16). Ein derartiges Kriterium würde nämlich, wie die dänische Regierung ausführt, nicht das Fehlen eines vernünftigen Zweifels", sondern das Fehlen von Zweifeln tout court" voraussetzen. Die dänische Regierung bezieht sich schließlich erneut auf die Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs zum Urteil Wiener (Nr. 65) und regt an, dass der Gerichtshof zudem das im Urteil CILFIT genannte Kriterium aufhebt, wonach das nationale Gericht auch der Schwierigkeit eines Vergleichs zwischen den verschiedenen sprachlichen Fassungen einer Gemeinschaftsbestimmung Rechnung tragen müsse, wenn es zu der Überzeugung gelange, die Lösung der Auslegungsfrage sei offenkundig.

53. Nach Ansicht der Kommission sind die vom Gerichtshof in der Rechtssache CILFIT aufgezeigten Voraussetzungen nicht zur Diskussion zu stellen, allerdings abgesehen von dem Kriterium, wonach die Auslegung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig" sein müsse, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibe. Sie weist in diesem Zusammenhang auf die jüngsten Änderungen des Artikels 104 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes hin, wonach der Gerichtshof nicht wie früher ein Vorabentscheidungsersuchen nur dann mit einem mit Gründen versehenen Beschluss beantworten könne, wenn eine zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage offensichtlich mit einer Frage überein[stimmt], über die der Gerichtshof bereits entschieden hat", sondern auch dann, wenn die Antwort auf eine solche Frage klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden [kann] oder die Antwort auf die Frage keinen Raum für vernünftige Zweifel [lässt]". Der Umstand, dass bei der letztgenannten Voraussetzung des Artikels 104 § 3 nicht angegeben werde, dass sich das Fehlen vernünftiger Zweifel offenkundig" ergeben müsse, wie es im Urteil CILFIT heiße, könne als Anfang in dem Sinne betrachtet werden, dass dieser letztere Gesichtspunkt entfalle und man sich demnach nur auf das Fehlen (vernünftiger Zweifel) zu beziehen brauche. Dies sei umso wichtiger, als die nationalen Gerichte erfahrungsgemäß zögerten, die Offenkundigkeit" eines Umstands anzuerkennen, und das Kriterium der Offenkundigkeit des Fehlens jedes vernünftigen Zweifels wohl unmöglich zu erfuellen sei.

54. Die Kommission betont zudem im Hinblick auf den vorliegenden Fall, dass Ausnahmen von den im Vertrag aufgestellten Grundsätzen eng auszulegen seien, und bemerkt ferner, das vorlegende Gericht habe nicht angegeben, in welcher Hinsicht und in welcher Weise sich die Frage der Auslegung des Gemeinschaftsrechts hier mit Klarheit" stelle. Es müsse sich jedenfalls an den Grundsatz halten, dass seine Antwort keinem vernünftigen Zweifel unterliegen dürfe, wobei den verschiedenen sprachlichen Fassungen, der Terminologie und den Rechtsbegriffen ebenso wie den Zielen und dem Entwicklungsstand des Gemeinschaftsrechts Rechnung zu tragen sei. Nur unter diesen Voraussetzungen könne das Gericht im Sinne des Urteils CILFIT von der Vorlage absehen und die Frage unter eigener Verantwortung entscheiden; das Vorliegen der genannten Voraussetzungen sei jedoch in einer Weise zu begründen, die eine objektive Nachprüfung erkennen lasse, um zu gewährleisten, dass die Zielsetzung des Artikels 234 nicht umgangen werde. Die Kommission schlägt daher vor, die zweite Frage dahin gehend zu verneinen, dass sich ein letztinstanzliches Gericht nicht von der Vorlageverpflichtung befreien könne, wenn ein vernünftiger Zweifel bezüglich der Beantwortung einer Frage nach der Anwendung des Gemeinschaftsrechts bestehe, wobei den verschiedenen gleichermaßen verbindlichen sprachlichen Fassungen, der Terminologie, den Zielen und dem Entwicklungsstand des Gemeinschaftsrechts Rechnung zu tragen sei.

Die Rechtsprechung CILFIT

55. Vor einer Beurteilung der verschiedenen vorgetragenen Thesen bedarf es eines kurzen, jedoch punktuellen Überblicks über die einschlägigen Ausführungen im Urteil CILFIT und seinen Kontext.

56. Diese Rechtsprechung beruht bekanntlich auf widersprüchlichen Erfordernissen, für die es ein vernünftiges Gleichgewicht zu finden galt, wobei es allerdings, wie der vorliegende Fall wiederum zeigt, nicht gelang, die widerstreitenden Bedürfnisse endgültig miteinander in Einklang zu bringen. Zum einen sollte nämlich im Hinblick auf die vorstehend dargelegten praktischen Erfordernisse eine zu große Zahl von Vorabentscheidungsersuchen verhindert werden, und zwar gegebenenfalls unter Hinweis darauf, dass das in Artikel 234 EG verwendete Wort Frage" jedenfalls einen Auslegungszweifel voraussetze, oder unter Anwendung des bekannten Grundsatzes In claris non fit interpretatio oder aber nach der französischen Rechtsprechung unter Heranziehung der Lehre vom sogenannten acte clair" oder acte éclairé". Zum anderen wurde Gewicht auf die fundamentale Funktion des Artikels 234 gelegt, die eine einheitliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts gewährleisten solle, wobei befürchtet wurde, dass etwaige Lücken im Vorlagemechanismus durch ihre unvermeidliche Erweiterungstendenz und durch das Risiko einer unterschiedlichen praktischen Verwendung zu einer allmählichen Schwächung des gesamten Systems führen könnten.

57. Diese Divergenz, die in den ersten Jahren der Anwendung des EG-Vertrags bereits ausgeprägter in Erscheinung trat, schwächte sich im Laufe der Zeit ab und machte sich praktisch erst wieder mit dem Urteil CILFIT bemerkbar. Dies bedeutet indessen nicht, dass in der Zwischenzeit alles zum Besten stand; die praktische Handhabung durch die nationalen Gerichte verlief im Gegenteil alles andere als geradlinig, und in einigen Fällen war sogar eine krasse Umgehung der in Artikel 234 Absatz 3 EG vorgesehenen Verpflichtung zu verzeichnen. Auch der Gerichtshof schien mit der Zeit seine anfängliche, absolut strenge Einstellung aus einer Reihe von Gründen zu lockern, auf die hier nicht näher einzugehen ist; es sei jedoch bemerkt, dass zu diesen Gründen, allerdings nicht allein, die ständige und rasche Zunahme der Zahl und der Komplexität der Vorabentscheidungsersuchen gehörte. Andererseits förderte der Gedanke, dass Artikel 234 EG nicht eine Überordnung, sondern eine Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten impliziert er war zu Beginn weniger ausgeprägt und setzte sich später in der Gemeinschaftsrechtsprechung im rein bilateralen Sinne und als Merkmal des gesamten Systems durch , seinerseits eine Auslegung der Vorlageverpflichtung in einer weniger mechanischen und automatischen Weise, was zwangsläufig dazu führte, dass den nationalen Gerichten, allerdings letztinstanzlich, eine aktivere und einflussreichere Rolle zufiel.

58. In diesem Kontext und auf dieser Grundlage entstand die Rechtsprechung CILFIT. Mit ihr sollte also vor allem dem bereits genannten Erfordernis der Vermeidung überfluessiger Vorabentscheidungsersuchen begegnet werden, die den Gerichtshof unnötig belasten und eine wirksame Erfuellung der Aufgabe erschweren, die ihm Artikel 234 EG überträgt. Zu diesem Zweck sollte den letztinstanzlichen nationalen Gerichten trotz der starren Formulierung des Artikels 234 Absatz 3 ein gewisser Spielraum bei der Beurteilung der tatsächlichen Notwendigkeit einer Vorabentscheidung belassen werden. Demgemäß hat der Gerichtshof, wie bereits erwähnt, eingeräumt, dass die Verpflichtung dieser Gerichte zur Vorlage einer gemeinschaftsrechtlichen Frage begrenzt werden kann, wenn festgestellt wird, dass die Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende gemeinschaftsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt".

59. Gerade in Bezug auf die letztgenannte Voraussetzung hat der Gerichtshof indessen eine Reihe von Sicherheitsvorkehrungen getroffen, um den Ermessensspielraum der nationalen Gerichte in Grenzen zu halten und somit trotz der Öffnung, die die Rechtsprechung CILFIT mit sich bringt, das fundamentale Ziel des Artikels 234 EG zu wahren, nämlich sicherzustellen, dass das Gemeinschaftsrecht in allen Mitgliedstaaten einheitlich ausgelegt und angewandt wird, und im Hinblick auf Absatz 3 dieses Artikels zu verhindern, dass es innerhalb der Gemeinschaft zu voneinander abweichenden Gerichtsentscheidungen über Fragen des Gemeinschaftsrechts kommt". Wenn der Gerichtshof also einräumt, dass die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig [sein] kann, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage bleibt", führt er andererseits aus: Das innerstaatliche Gericht darf jedoch nur dann davon ausgehen, dass ein solcher Fall vorliegt, wenn es überzeugt ist, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewissheit bestuende" (Randnr. 16). Er stellt zudem fest: Ob ein solcher Fall gegeben ist, ist unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Gemeinschaftsrechts, der besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und der Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der Gemeinschaft zu beurteilen" (Randnr. 21). Insbesondere ist ferner dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts in mehreren Sprachen abgefasst sind und dass die verschiedenen sprachlichen Fassungen gleichermaßen verbindlich sind; die Auslegung einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift erfordert somit einen Vergleich ihrer sprachlichen Fassungen". Weiter heißt es im Urteil CILFIT: Sodann ist auch bei genauer Übereinstimmung der sprachlichen Fassungen zu beachten, dass das Gemeinschaftsrecht eine eigene, besondere Terminologie verwendet. Im Übrigen ist hervorzuheben, dass Rechtsbegriffe im Gemeinschaftsrecht und in den verschiedenen nationalen Rechten nicht unbedingt den gleichen Gehalt haben müssen. Schließlich ist jede Vorschrift des Gemeinschaftsrechts in ihrem Zusammenhang zu sehen und im Lichte des gesamten Gemeinschaftsrechts, seiner Ziele und seines Entwicklungsstands zur Zeit der Anwendung der betreffenden Vorschrift auszulegen" (Randnrn. 18 bis 20).

Beurteilung

60. Bezüglich des vorliegenden Falles ist zunächst zu betonen, dass der summarische Charakter des Vorlagebeschlusses in diesem Punkt nicht dem genaueren Verständnis der Frage des Hovrätt förderlich ist. Aus dem Kontext der betreffenden Entscheidung geht jedoch allerdings nicht ganz eindeutig hervor, dass das Hovrätt an die letzte der drei im Urteil CILFIT genannten Voraussetzungen denkt. Die Erheblichkeit der Frage nach der Auslegung des Artikels 45 Absatz 1 der Verordnung Nr. 918/83 für die Entscheidung des bei dem schwedischen Gericht anhängigen Verfahrens steht nämlich außer Zweifel, und darüber hinaus gibt es keine Rechtsprechung des Gerichtshofes zu der fraglichen Rechtsnorm.

61. Dies besagt indessen noch nichts, da das Hovrätt die Frage des Vorliegens einer Verpflichtung zur Vorlage an den Gerichtshof nach Artikel 234 Absatz 3 EG eigentlich unter Bezugnahme auf eine klare" gemeinschaftsrechtliche Frage aufwirft, wobei es allerdings bemerkt, dass dies nicht wie z. B. der acte clair" zu den Fällen gehöre, in denen ein letztinstanzliches Gericht im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes von einer Vorlage absehen könne. Die Bezugnahme auf das Urteil CILFIT ist somit offensichtlich; gleichwohl unterscheidet sich der vom Hovrätt zur Sprache gebrachte Fall nach seiner eigenen Aussage jedoch von dem im Urteil CILFIT in Rede stehenden Fall einer Frage, deren Lösung derart offenkundig [ist], dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage bleibt". Es würde sich demnach hier einfach um eine Frage handeln, deren Beantwortung klar" ist.

62. Ich lasse zunächst die berechtigte Bemerkung der Kommission zum äußerst allgemeinen Charakter der Vorlagefrage und das Fehlen jeder Begründung der Frage beiseite. Ich sehe außerdem davon ab, dass, wie noch gezeigt wird, die in der Vorlageentscheidung aufgeworfenen materiell-rechtlichen Fragen nicht so klar" erscheinen, wie das vorlegende Gericht behauptet. Betonen möchte ich hier indessen, dass das Hovrätt anscheinend eine Art weiterer Gliederung oder Spezifizierung der dritten Voraussetzung des Urteils CILFIT ins Spiel bringt, und zwar mit einer begrenzten und sozusagen subjektiveren" Version, die also einfach auf der Überzeugung des nationalen Gerichts beruht, dass es in der Lage ist, eine Frage selbständig zu entscheiden, da sie seines Erachtens keine Auslegungsschwierigkeiten aufweist und somit klar" zu lösen ist.

63. Dies genügt bereits, um die starken Bedenken zu begründen, die mit einer Bejahung der betreffenden Frage verbunden wären. Allgemein gesehen würde nämlich eine derartige Antwort dazu führen, dass der Ermessensspielraum des nationalen Gerichts erheblich erweitert würde, was letztlich die Tragweite der in Artikel 234 Absatz 3 EG enthaltenen Vorlageverpflichtung der letztinstanzlichen Gerichte schmälern würde. Genauer betrachtet ergäben sich daraus in völlig willkürlicher Weise starke Unsicherheitsfaktoren, subjektive Elemente und somit Konfusionen bei der Anwendung dieser Bestimmung.

64. Zur weiteren Begründung und Verdeutlichung dieser Betrachtung bedarf es des Hinweises, dass sich der Grundsatz des zwingenden Charakters der Vorlage durch die letztinstanzlichen Gerichte nicht etwa aus einer Improvisation des Gerichtshofes ergibt, sondern genau und ausdrücklich unmittelbar im Vertrag verankert ist und überdies angesichts seiner Zielsetzung und Implikationen einen der fundamentalen und bezeichnendsten Grundsätze, ja gewissermaßen eine strukturelle Säule der Gerichtsverfassung der Gemeinschaft darstellt. Daher muss jede etwaige Abweichung von diesem Grundsatz verständlicherweise äußerst streng ausgelegt werden. Demgemäß wurde auch unlängst in der Rechtslehre betont, dass der Gerichtshof, nachdem die Rechtsprechung CILFIT ergangen sei, schwerlich eine weitere Lockerung des genannten Grundsatzes vornehmen könnte, wenn er zugleich dem Buchstaben und dem Geist des Vertrages treu bleiben wolle.

65. Abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall Sinn und Tragweite der angestrebten weiteren Ausnahme vom vorerwähnten Grundsatz unklar sind, muss ich feststellen, dass nicht nur keinerlei Zweckmäßigkeit oder Notwendigkeit einer solchen Ausnahme ersichtlich ist, sondern im Gegenteil alle mit ihr verbundene Gefahren erkennbar werden. Mit der Rechtsprechung CILFIT sollte nämlich eine kohärente und verantwortliche Struktur geschaffen werden, die den nationalen Gerichten die nötigen Leitlinien in vernünftig ausgewogener Weise an die Hand gibt; gleichwohl glaube ich, dass selbst der Gerichtshof nicht unbedingt davon überzeugt sein kann damit sichere und endgültige, wenn nicht gar unantastbare Kriterien für die Bestimmung der Vorlageverpflichtung aus Artikel 234 Absatz 3 EG aufgestellt zu haben. Trotz dieser Rechtsprechung liegt es nämlich in der Natur des Problems, derartige Lösungen auszugrenzen, da bei der praktischen Anwendung der Bestimmung objektiv gesehen zwangsläufig Beweglichkeits"-Spielräume zutage treten, so dass selbst von den Gerichten unbeabsichtigt Lücken entstehen, die an der Vorlageverpflichtung vorbeiführen können. Wenn dies nicht immer in Erscheinung tritt und nicht immer zu wesentlichen Entwicklungen führt, lässt sich daraus nicht schließen, dass in der Praxis alles zum Besten steht; vielmehr bleibt bisweilen die fehlende Einhaltung der Vorlageverpflichtung unbemerkt oder der Mangel tritt weniger sichtbar zutage, was aber vor allem darauf beruht, dass ein wirksamer Kontroll- und Reaktionsmechanismus fehlt oder, besser gesagt, dass der bestehende Mechanismus hier rein theoretischer Art ist. Bekanntlich hält die Kommission (und nicht nur sie) in solchen Fällen den Weg der Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG zu Recht für wenig praktikabel und noch weniger für zweckmäßig. Das Problem besteht jedoch, was ich erneut betonen möchte, und es tritt sogar von Zeit zu Zeit recht deutlich in Erscheinung gerade aufgrund der objektiven Schwierigkeiten, die die Anwendung der Rechtsprechung CILFIT bereits als solche mit sich bringt, sollte von der Schaffung weiterer Unsicherheitsfaktoren und Vieldeutigkeiten auf diesem Gebiet abgesehen werden, und man sollte daher vor allem nicht von einer auf möglichst objektiven Beurteilungskriterien beruhenden Auslegungsgrundlage zu einer anderen Betrachtungsweise übergehen, die indessen Raum für subjektive, wenn nicht gar willkürliche Beurteilungen durch die nationalen Gerichte lässt. Ohne dramatisieren zu wollen, möchte ich sagen, dass andernfalls der Weg zu einem fortschreitenden Zerfall der Einheit und der Einheitlichkeit des Gemeinschaftsrechts und letztlich des Primats dieses Rechts beschritten würde.

66. Damit könnte ich meine Untersuchung als abgeschlossen betrachten, wenn nicht noch auf die Argumente der dänischen Regierung, aber in gewisser Weise auch der Kommission, bezüglich der Notwendigkeit einer Überarbeitung der Rechtsprechung CILFIT einzugehen wäre. Die dänische Regierung gibt nämlich die Bedenken des Generalanwalts Jacobs wieder, die auch im oben genannten Bericht der Studiengruppe für das künftige Gerichtssystem der Europäischen Gemeinschaften enthalten sind, und regt, wie bereits ausführlich dargelegt, in ihren schriftlichen Erklärungen ausdrücklich an, die Kriterien der Rechtsprechung CILFIT zu lockern, da sie zu starr und daher nicht geeignet seien, der Gefahr einer zu großen Zahl von Vorabentscheidungsersuchen zu begegnen. Sie greift insbesondere den Gedanken auf, die Vorlageverpflichtung der letztinstanzlichen Gerichte aus Artikel 234 EG auf Fälle zu beschränken, in denen die Frage eine hinreichende Bedeutung für das Gemeinschaftsrecht aufweist und bezüglich ihrer Lösung noch vernünftige Zweifel bestehen".

67. Ich möchte grundsätzlich nicht die Berechtigung der Besorgnisse bestreiten, auf denen die zur Prüfung anstehenden Vorschläge beruhen, und auch nicht die Nützlichkeit einiger dieser Vorschläge bezweifeln, besonders wenn es um die Gerichte geht, die nicht in letzter Instanz entscheiden (ich denke z. B. an die Notwendigkeit, eine Selbstbeschränkung der Vorlagen durch solche Gerichte zu fördern). Andererseits möchte ich vor allem in Erinnerung bringen, dass nach diesen Vorschlägen die wichtigen Änderungen der Verfahrensordnung des Gerichtshofes eingetreten sind (siehe oben, Nr. 53), die zumindest teilweise den erwähnten Besorgnissen begegnen, da mit ihrer Hilfe, wie die Praxis bereits zeigt, eine Reihe sozusagen weniger problematischer Fragen durch einfachere und schnellere Verfahren entschieden werden kann.

68. Indessen glaube ich, dass diese Besorgnisse nicht zu allzu großen Befürchtungen Anlass geben sollten, besonders wenn man den allgemeinen Zusammenhang und die Probleme betrachtet, denen fast alle heutigen Gerichte gegenüberstehen. Die Gesamtzahl der Vorabentscheidungsersuchen ist nämlich noch maßvoll, gemessen an der großen und zunehmenden Zahl von Fällen, in denen bei Entscheidungen der nationalen Gerichte eine gemeinschaftsrechtliche Frage aufgeworfen wird, und sie ist umso bescheidener, wenn man die große Zahl der vorlageberechtigten Gerichte und der bei ihnen anhängigen Verfahren berücksichtigt. Die genannten Befürchtungen erscheinen mir jedoch nachgerade unverhältnismäßig, wenn man sich, wie hier, auf die letztinstanzlichen Gerichte bezieht, da die Zahl der von diesen Gerichten beschlossenen Vorabentscheidungsvorlagen sowohl in absoluten Werten als auch prozentual im Verhältnis zur Gesamtzahl der Vorlagen stets sehr begrenzt gewesen ist, was auch heute noch zutrifft.

69. Somit erscheint es nicht sehr hilfreich, diese Richtung einzuschlagen, um den erwähnten Befürchtungen zu begegnen, und ich glaube, dass die daraus gewonnenen Vorteile in der Tat zu gering wären, um sollte dies überhaupt möglich oder gewollt sein die negativen Folgen und die Risiken zu rechtfertigen, die solche Vorschläge nach sich ziehen würden. Es sei nur auf die Gefahr hingewiesen, dass ein Vorlagebeschluss der Gerichte von den Betroffenen noch schwieriger zu erwirken wäre, da die Gerichte erfahrungsgemäß keine ausgeprägte Neigung an den Tag legen, solchen Anträgen zu entsprechen, und praktisch bereits genügend Selbstentscheidungsspielraum besitzen (oder beanspruchen). Dies könnte nicht nur zu einer Beschränkung des gerichtlichen Rechtsschutzes des Einzelnen führen, sondern es würde auch zwangsläufig auf die einheitliche Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts übergreifen. Der Gerichtshof hat indessen wiederholt darauf hingewiesen, dass das Vorabentscheidungssystem den eigentlichen Eckstein für die Sicherstellung des Gemeinschaftscharakters des von den Verträgen geschaffenen Rechts darstellt, da es dessen Einheit wahrt und dieses Recht dadurch bei gleichzeitiger Gewährleistung eines wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes des Einzelnen dieselben Wirkungen in der gesamten Union entfalten kann. Es ist also möglich, dass der Gerichtshof mit Problemen wegen einer Vielzahl von Vorabentscheidungsersuchen zu tun hat oder dass er solchen Problemen gegenüberstehen wird; ich bin jedoch fest davon überzeugt, dass Erfordernissen praktischer oder zufälliger Natur, mögen sie auch berechtigt und verständlich sein, nicht zu Lasten der Grundsätze und der Kohärenz des Systems und noch weniger dadurch begegnet werden kann, dass der Gerichtshof veranlasst würde, die Verantwortung abzugeben, die ihm nach dem Vertrag zufällt.

70. Die vorstehend zum Ausdruck gebrachten allgemeinen Bedenken erhärten sich noch, wenn man sich näher mit dem Inhalt der zur Prüfung anstehenden Vorschläge befasst. Das Kriterium, das Gewicht auf die hinreichende Bedeutung" der Vorlagefrage für das Gemeinschaftsrecht legt, erscheint mir nämlich, was im Übrigen auch seine Fürsprecher zumindest zum Teil einräumen, so vage und ungewiss, dass man sich ohne weiteres vorstellen kann, in welch hohem Maße damit die Gefahr wiederholter Streitigkeiten und vor allem auch eines unverhältnismäßigen Ermessensspielraums des nationalen Gerichts verbunden wäre (wobei ich darauf aufmerksam mache, dass hier von den letztinstanzlichen Gerichten die Rede ist). Zudem verstehe ich kaum die anscheinend ernsthafteste Begründung für diesen Vorschlag, die darin besteht, dass der Gerichtshof nicht die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts in den einzelnen Urteilen zu gewährleisten habe, sondern nur für dessen einheitliche Anwendung sorgen müsse. Ich frage mich nämlich, ob sich die beiden Aspekte, nämlich richtige Anwendung und einheitliche Auslegung, überhaupt voneinander trennen lassen, ob man sich also im Einzelfall eine richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts vorstellen kann, ohne dass vorher erforderlichenfalls eine einheitliche Auslegung dieses Rechts stattgefunden hat.

71. Aber auch der andere Vorschlag auf diesem Gebiet überzeugt mich nicht, nämlich die Vorlageverpflichtung schon auszuschließen, wenn die Entscheidung der gemeinschaftsrechtlichen Frage keinen Raum für einen vernünftigen Zweifel" lässt, ohne dass darüber hinaus das Fehlen solcher Zweifel offenkundig" sein muss, wie es im Urteil CILFIT heißt. Ich möchte hierzu vor allem klarstellen, dass das Erfordernis einer derartigen Offenkundigkeit keine weitere Voraussetzung darstellt, also nicht als eine Art Zusatzbedingung zu betrachten ist, die der Gerichtshof stellt, um das Gericht von der Vorlageverpflichtung auszunehmen; es handelt sich vielmehr um eine Qualifizierung des vernünftigen Zweifels", mit der nicht nur betont werden soll, dass ein derartiger Zweifel tatsächlich gegeben sein muss, sondern dass er nicht nur rein subjektiv sein darf. Es handelt sich also um eine Spezifizierung, die ebenso wie die Aussage über den Vergleich der sprachlichen Fassungen der Texte, mit der ich mich noch befassen werde, darauf aufmerksam machen soll, dass das nationale Gericht besondere Vorsicht walten lassen muss, bevor es das Vorhandensein jedes vernünftigen Zweifels ausschließt. Wollte man in dem genannten Urteil die Worte derart offenkundig" streichen, so würde also der Zweifel nicht vernünftiger", sondern er unterläge nur einem höheren Grad an Subjektivität und Ermessen. Gerade dies dürfte aber auch ungeachtet der Absicht seiner Befürworter letztlich das Ergebnis des zur Prüfung anstehenden Vorschlags sein; sonst erschiene mir ein lexikalischer Streit in einer Situation unnütz, in der das Urteil CILFIT den letztinstanzlichen Gerichten bereits einen nicht unbeachtlichen Ermessensspielraum zugestanden hat.

72. Ich habe mich indessen bereits mehrfach dazu geäußert, dass dieser Spielraum weit genug ist und seine Erweiterung gefährlich wäre. Betonen möchte ich hier, dass auch die Auftraggeberin des bereits erwähnten Berichts der Studiengruppe, nämlich die Europäische Kommission, trotz ihres liberaleren Standpunkts im vorliegenden Fall ihrerseits nicht zu einer anderen Beurteilung gelangt war. Die Vorteile der zur Prüfung anstehenden Vorschläge, so bemerkt die Kommission nämlich, seien sehr begrenzt in Bezug auf die Arbeitsbelastung des Gerichtshofes, während insbesondere im Hinblick auf die Erweiterung der Union die Gefahren für die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts nicht zu leugnen seien, und sie kommt daher zu dem Schluss, dass der jetzige Text des Artikels 234 Absatz 3 EG beizubehalten sei, der bekanntlich punktuell auf den am 26. Februar des vergangenen Jahres in Nizza unterzeichneten Vertrag zurückgeht.

73. In der vorliegenden Rechtssache teilt die Kommission indessen, wie erinnerlich, die Auffassung, dass eine Lockerung der strikten Regel der Rechtsprechung CILFIT bezüglich der Offenkundigkeit des Fehlens eines vernünftigen Zweifels zweckmäßig wäre, wobei sie u. a. Gewicht auf die jüngsten Änderungen des Artikels 104 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes legt, der regelt, in welchen Fällen der Gerichtshof eine Vorabentscheidungsfrage durch bloßen, mit Gründen versehenen Beschluss beantworten kann (siehe oben, Nr. 53). Sie betont insbesondere, dass dem Gerichtshof diese Möglichkeit nun auch zur Verfügung stehe, wenn die Antwort auf [die] Frage klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden [kann] oder die Antwort auf die Frage keinen Raum für vernünftige Zweifel [lässt]". Der Umstand, dass der letztere Satzteil die CILFIT-Formulierung nicht vollständig wiedergebe, insbesondere also nicht den Teil, mit dem unterstrichen werde, dass die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig" sein müsse, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibe, spreche somit für den Vorschlag, den nationalen Gerichten einen größeren Ermessensspielraum einzuräumen.

74. Ich kann jedoch, auch abgesehen von einer Untersuchung des Wortlauts der genannten Änderungen, keinen Zusammenhang zwischen diesem Vorschlag und der neuen Formulierung des Artikels 104 § 3 der Verfahrensordnung sehen. Der erste Fall bezieht sich nämlich sozusagen auf die Beschaffenheit und Konsistenz der Zweifel, die das nationale Gericht gegenüber einer gemeinschaftsrechtlichen Frage hegen muss, um zu entscheiden, ob sie dem Gerichtshof vorzulegen ist; im zweiten Fall geht es hingegen um die Zweifel, die die Entscheidung der Frage gegebenenfalls beim Gerichtshof im Hinblick auf das Verfahren wecken kann, das für die Antwort zu wählen ist. Es liegt somit auf der Hand, dass die Voraussetzungen und die Zielsetzung des Artikels 234 Absatz 3 EG und des Artikels 104 § 3 der Verfahrensordnung dies könnte auch nicht anders sein völlig unterschiedlich sind, so dass man die eine Bestimmung nicht zum Zweck der anderen heranziehen kann.

75. Schließlich ist meines Erachtens auch die weitere Kritik der dänischen Regierung an der Rechtsprechung CILFIT zurückzuweisen, wobei es insbesondere darum geht, dass das nationale Gericht nach dieser Rechtsprechung bei seiner Überzeugung von der Offenkundigkeit einer Auslegungsfrage auch der Schwierigkeit eines Vergleichs der verschiedenen sprachlichen Fassungen einer Gemeinschaftsbestimmung Rechnung tragen müsse. Wie ich bereits bemerkt habe, handelt es sich hierbei nämlich nicht um die Auferlegung einer weiteren Voraussetzung durch den Gerichtshof, sondern um die Hervorhebung der besonderen Vorsicht, die das nationale Gericht walten lassen muss, bevor es jeden vernünftigen Zweifel ausschließt. Was der Gerichtshof fordert, ist nicht etwa, dass das nationale Gericht jeweils die verschiedenen sprachlichen Fassungen einer Bestimmung einander gegenüberstellt, sondern es soll nicht übersehen, dass es einer Bestimmung gegenübersteht, die dieselben Rechtswirkungen in all diesen Fassungen entfaltet, so dass dieses Gericht, bevor es eine Auslegung als gegeben betrachtet, immerhin sicher sein muss, dass diese Auslegungsgewissheit nicht auf Gründen beruht, die lediglich an den Wortlaut der Bestimmung gebunden sind. In diesem Sinne sind wohl auch obgleich sie von der dänischen Regierung zur Stützung ihrer eigenen These herangezogen wurden die bereits erwähnten Schlussanträge des Generalanwalt Jacobs zu verstehen, in denen ausgeführt wird, dass die Tatsache, dass das Urteil CILFIT auf das Bestehen vieler sprachlicher Fassungen abstellt, vielmehr als notwendige Warnung vor einer zu wörtlichen Auslegung von Gemeinschaftsvorschriften aufgefasst werden [sollte], die im Lichte ihres Zusammenhangs und ihrer in den Begründungserwägungen angeführten Ziele, nicht allein anhand ihres Wortlauts, auszulegen sind". Ich möchte meinerseits hinzufügen, dass der Vergleich der verschiedenen sprachlichen Fassungen eine Auslegungsweise darstellt, die bei der Betrachtung aller in mehreren Sprachen verfassten Rechtsnormen als natürlich anzusehen ist, mag es sich dabei um einzelstaatliche (in Staaten mit einem mehrsprachigen System), gemeinschaftsrechtliche oder schließlich völkerrechtliche Vorschriften handeln.

76. Somit schlage ich vor, auf die zweite Frage zu antworten, dass Artikel 234 Absatz 3 EG dahin auszulegen ist, dass ein nationales Gericht, dessen Entscheidung nicht mehr mit einem Rechtsmittel des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann, auch dann den Gerichtshof um Vorabentscheidung ersuchen muss, wenn eine gemeinschaftsrechtliche Frage seiner Auffassung nach klar ist, es sei denn, es hätte festgestellt, dass die Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende gemeinschaftsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt, wobei indessen die Eigenheiten des Gemeinschaftsrechts, die besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und die Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der Gemeinschaft zu berücksichtigen sind.

Zur dritten Frage

77. Mit der dritten Frage möchte das Hovrätt wissen, welche Beurteilungsfaktoren zu berücksichtigen sind, um festzustellen, ob die Einfuhr von im persönlichen Gepäck von Reisenden mitgeführten Waren, die aus einem Drittland eingeführt werden, als Einfuhr ohne kommerziellen Charakter im Sinne von Artikel 45 Absatz 1 der Verordnung Nr. 918/83 angesehen werden kann. Insbesondere soll geklärt werden, ob diese Bestimmung bedeutet, dass Art und Menge der Waren objektiv keine Veranlassung zu Zweifeln an der Natur der Einfuhr geben dürfen oder ob auch die Gewohnheiten und der Lebensstil des Einzelnen zu berücksichtigen sind.

78. Die finnische Regierung weist darauf hin, dass die Zollbefreiung für andere als die in Artikel 46 der Verordnung Nr. 918/83 genannten Waren nach Artikel 45 dieser Verordnung wertmäßig begrenzt sei. Im Rahmen dieser in Artikel 47 der Verordnung festgelegten Wertbegrenzung (175 ECU je Reisenden) könne indessen im persönlichen Gepäck auch eine erhebliche Menge von Waren geringen wirtschaftlichen Wertes eingeführt werden. Um auch in einem solchen Fall die Anwendbarkeit des Zollbefreiungssystems sicherzustellen, müsse festgestellt werden, ob die Einfuhr kommerziellen Zwecken diene oder zum persönlichen Ge- oder Verbrauch des Reisenden oder der Angehörigen seines Haushalts bestimmt sei. Hierbei müsse im Einzelfall jeweils nicht der Art und der Menge der eingeführten Waren, sondern der Lebensweise und den Gewohnheiten des Reisenden Rechnung getragen werden, da sich die Frage des kommerziellen Charakters der Einfuhr nach den letztgenannten Gesichtspunkten richte.

79. Um zu beurteilen, ob es sich um eine Einfuhr ohne kommerziellen Charakter im Sinne von Artikel 45 Absatz 2 Satz 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 918/83 handelt, müssen nach Ansicht der schwedischen Regierung die gesamten Umstände des jeweiligen Falles berücksichtigt werden, also sowohl die Art und die Menge der eingeführten Waren als auch die wirtschaftlichen und persönlichen Umstände des Reisenden; zudem dürfe die Einfuhr nur gelegentlich erfolgen.

80. Auch nach Ansicht der Kommission enthält Artikel 45 der Verordnung Nr. 918/83 keinen Anhaltspunkt, der zu dem Schluss führen könnte, dass Menge und Art der Waren ausschlaggebend seien, um zu beurteilen, ob die Einfuhr kommerziellen Charakter aufweist. Ihres Erachtens steht es daher im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht, wenn für eine besondere Warenart eine bestimmte Menge festgesetzt wird, bei deren Überschreitung die Zollbefreiung nicht gewährt werden kann; die nationalen Behörden müssten vielmehr im Einzelfall die Voraussetzungen der Verordnung für die Gewährung der Zollbefreiung prüfen.

81. Wie bereits dargelegt, sind nach Artikel 45 der Verordnung Nr. 918/83 vorbehaltlich der Artikel 46 bis 49 die aus einem Drittland eingeführten Waren im persönlichen Gepäck von Reisenden von den Eingangsabgaben befreit, sofern es sich um Einfuhren ohne kommerziellen Charakter handelt. Um in den Genuss der Zollbefreiung zu gelangen, müssen also zwei Voraussetzungen gleichzeitig erfuellt sein: Die Waren müssen im persönlichen Gepäck des Reisenden mitgeführt werden, und die Einfuhr darf keinen kommerziellen Charakter aufweisen. Sodann sind die Grenzen für die zollfreie Wareneinfuhr in den Artikeln 46 und 47 festgelegt. Während Artikel 46 für bestimmte Warengruppen Tabakwaren, alkoholische Getränke, Parfums und Arzneimittel für die Zollbefreiung eine Hoechstmenge je Reisenden vorschreibt, bezieht sich Artikel 47 für die anderen Waren auf deren Gesamtwert, wobei der Hoechstwert bei 175 ECU je Reisender liegt. Daher lässt sich innerhalb dieser Grenze, sofern die beiden Voraussetzungen des Artikels 45 Absatz 1 erfuellt sind, nicht a priori ausschließen, dass auch eine erhebliche Menge von Waren geringen wirtschaftlichen Wertes eingeführt werden kann.

82. Das vorlegende Gericht fragt im vorliegenden Fall, inwieweit bei der Zollbefreiung die Warenart und -menge eine Rolle spielen, um die Art der Einfuhr bestimmen zu können. Hierfür ist von Artikel 45 Absatz 2 Buchstabe b auszugehen, wonach Einfuhren keinen kommerziellen Charakter aufweisen, wenn sie gelegentlich erfolgen und sich ausschließlich aus Waren zusammensetzen, die zum persönlichen Ge- oder Verbrauch des Reisenden oder der Angehörigen seines Haushalts oder als Geschenk bestimmt sind; dabei dürfen diese Waren weder ihrer Art noch ihrer Menge nach zu der Besorgnis Anlass geben, dass die Einfuhr aus geschäftlichen Gründen erfolgt. Diese Vorschrift bezieht sich also auf eine Gesamtheit von Elementen objektiver und subjektiver Art. Zu den erstgenannten Elementen gehören der gelegentliche Charakter der Einfuhr, die Art und die Menge der Güter, zu den letztgenannten die Bestimmung der Ware zum persönlichen Ge- oder Verbrauch des Reisenden oder der Angehörigen seines Haushalts und das Fehlen von Absichten geschäftlicher Art.

83. Demnach enthält Artikel 45 der Verordnung Nr. 918/83 keine Elemente, die zu der Annahme führen, dass die Art oder die Menge der Ware als solche ausschlaggebend ist, um festzustellen, ob eine Einfuhr kommerziellen Charakter aufweist. Andernfalls hätte der Gemeinschaftsgesetzgeber eine Hoechstmenge oder auch einen Hoechstwert für die Einfuhr festgelegt. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Warenart oder -menge in bestimmten Fällen Anlass zu Zweifeln geben kann, ob die Einfuhr nicht zu geschäftlichen Zwecken erfolgt; dies allein kann aber nicht zu einer unwiderlegbaren Vermutung des kommerziellen Charakters der Einfuhr führen, zumal die Art und die Menge der Ware in Artikel 45 Absatz 2 Buchstabe b nur als mögliche Anzeichen für die kommerzielle Absicht des Vorgangs in Betracht gezogen werden.

84. Ich glaube jedoch, ebenso wie fast alle Verfahrensbeteiligten, die hierzu Stellung genommen haben, dass alle Kriterien zu berücksichtigen sind, die in dieser Bestimmung genannt werden, also auch die subjektiven Gesichtspunkte, nämlich die Bestimmung der Waren zum persönlichen Ge- oder Verbrauch des Reisenden oder der Angehörigen seines Haushalts und das Fehlen einer kommerziellen Absicht bei der Einfuhr. Somit ist eine Beurteilung der spezifischen Umstände des Einzelfalls geboten, wobei im Hinblick auf die Bestimmung zum persönlichen oder familiären Ge- oder Verbrauch insbesondere der Lebensart und den Gewohnheiten des Reisenden Rechnung zu tragen ist.

85. Daher schlage ich vor, dem vorlegenden Gericht zu antworten, dass Artikel 45 Absatz 1 der Verordnung Nr. 918/83 dahin auszulegen ist, dass bei aus der Art und der Menge der Ware resultierenden Zweifeln hinsichtlich des Zweckes der Einfuhr deren nicht kommerzieller Charakter im Einzelfall zu beurteilen ist, wobei eine Gesamtbewertung der Umstände des betreffenden Falles vorgenommen werden muss, die dem gelegentlichen Charakter der Einfuhr, der Bestimmung der Waren zum persönlichen Ge- oder Verbrauch des Reisenden oder der Angehörigen seines Haushalts und somit seinen Lebensgewohnheiten sowie der fehlenden kommerziellen Absicht des Betroffenen Rechnung trägt.

Zur vierten Frage

86. Mit der vierten Frage möchte das schwedische Gericht wissen, welche rechtliche Bedeutung einzelstaatlichen Verwaltungsvorschriften zukommt, in denen angegeben wird, wie groß die zollfreie Menge einer bestimmten Ware sein darf, auf die die Verordnung Nr. 918/83 anwendbar ist.

87. Die finnische Regierung bemerkt hierzu, dass durch die Verordnung Nr. 918/83 im gesamten Gemeinschaftsgebiet eine einheitliche Regelung für die Zollbefreiung geschaffen werden solle. Diese Verordnung verleihe hingegen den Mitgliedstaaten nicht das Recht, für bestimmte Erzeugnisse mengenmäßige Beschränkungen oder unwiderlegbare Vermutungen einzuführen. Solche einzelstaatlichen Vorschriften stuenden im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht, was indessen nicht der Fall wäre, wenn es sich um nicht verbindliche Rechtsakte mit Anweisungen für die Zollbehörden handeln würde, in denen als Hinweis Mengen angegeben würden, bis zu denen der nicht kommerzielle Charakter der Einfuhr zu vermuten wäre.

88. Die schwedische Regierung erklärt, dass die Vorkehrungen der Zollverwaltung, die die zollfreie Reismenge auf 20 kg je Person festsetzten, keinen verbindlichen Charakter hätten, sondern lediglich Empfehlungen darstellten, die einzig dazu dienen sollten, dass das Zollpersonal nicht in jedem Einzelfall beurteilen müsse, ob die Voraussetzungen für die zollfreie Einfuhr gegeben seien. Um die Richtigkeit ihres Standpunkts darzutun, weist die schwedische Regierung auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes hin, in der ebenfalls im Zusammenhang mit Zollfragen und Zollbefreiungen ausgeführt werde, dass die Mitgliedstaaten" auf dem in Rede stehenden Gebiet nur die ihnen" in den betreffenden Gemeinschaftsvorschriften (es handelt sich hier um die Richtlinie 69/169, die ebenso wie die hier auszulegende Verordnung Nr. 918/83 nicht die Befugnis vorsieht, Hoechstmengen für nicht ausdrücklich darin aufgeführte Waren festzulegen) eingeräumte begrenzte Zuständigkeit behalten [haben]". Auf dieser Grundlage habe der Gerichtshof eine nationale Regelung für rechtswidrig erklärt, die für bestimmte Waren eine mengenmäßige Freigrenze in der Weise festlegte, dass jede Einfuhr, die diese Grenze übersteigt, aufgrund einer unwiderlegbaren Vermutung als eine Einfuhr kommerziellen Charakters angesehen wird. Aus dieser Rechtsprechung leitet die schwedische Regierung im Umkehrschluss die Befugnis der Mitgliedstaaten ab, unverbindliche Vorkehrungen mit mengenmäßigen Freigrenzen zu treffen, und zwar unbeschadet des Rechts der Reisenden, den nicht kommerziellen Charakter der Einfuhr für eine Warenmenge nachzuweisen, die über diese Freigrenze hinausgehe, jedoch die in Artikel 47 der Verordnung vorgesehene Grenze von 175 ECU nicht überschreite.

89. Die Kommission äußert sich im selben Sinne; sie betont jedoch, dass hier der verbindliche oder nicht verbindliche Charakter der schwedischen Regelung nicht klar sei. Dies müsse jedoch das nationale Gericht mit der Vorgabe entscheiden, dass die in Rede stehende Regelung nur rechtmäßig sei, wenn sie als nicht verbindlich angesehen werden könne.

90. Wie wir gesehen haben, gehen alle Verfahrensbeteiligten, die sich zu dieser Frage geäußert haben, davon aus, dass die Mitgliedstaaten keine verbindlichen Vorkehrungen mit mengenmäßigen Freigrenzen oder einer unwiderlegbaren Vermutung des kommerziellen Charakters je nach eingeführter Warenmenge treffen könnten. Zulässig seien höchstens Dienstanweisungen der Zollbehörde mit Angabe der mengenmäßigen Freigrenze für eine bestimmte Ware, unbeschadet der Möglichkeit für den Reisenden, nachzuweisen, dass eine darüber liegende Menge nicht zu kommerziellen Zwecken eingeführt werde.

91. Dieser Schluss erscheint mir richtig, und somit kann ich ihn gutheißen. Zum vollen Verständnis seiner Tragweite ist jedoch noch einiges hinzuzufügen. So ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 918/83 ausdrücklich von dem Erfordernis einer gemeinsamen Regelung der Materie im Einklang mit den völkerrechtlichen Übereinkünften ausgeht, denen die Mitgliedstaaten beigetreten sind; dies setzt ein gemeinschaftliches System der Zollbefreiungen voraus, damit entsprechend den Erfordernissen der Zollunion die Unterschiede hinsichtlich des Gegenstands, der Tragweite und der Durchführungsbedingungen für die in diesen Abkommen vorgesehenen Befreiungen beseitigt werden und alle betroffenen Personen innerhalb der gesamten Gemeinschaft die gleichen Vorteile genießen können" (vierte Begründungserwägung). Steht es also jedem Mitgliedstaat frei, seinen Zollbehörden allerdings unverbindliche Anweisungen" oder Empfehlungen" zu geben, mit denen in der Verordnung nicht vorgesehene Hoechstmengen festgelegt werden, so darf dies nicht dazu führen, dass die einheitliche Anwendung des gemeinschaftlichen Zollbefreiungssystems faktisch gefährdet wird.

92. Daher müsste eine Einfuhrhöchstmenge, die gegebenenfalls in einer einzelstaatlichen Verwaltungsregelung vorgesehen wird, vor allem einem vernünftigen und verhältnismäßigen Niveau entsprechen. Ich möchte damit sagen, dass diese Hoechstmenge also in ihrer wertmäßigen Entsprechung nicht allzuweit unter der in Artikel 47 der Verordnung genannten Gesamtwertgrenze von 175 ECU liegen sollte. Unter diesem Gesichtspunkt dürfte indessen der Abstand zwischen der hier vorgesehenen Freigrenze von 20 kg Reis je Person, die einem Preis von 240 SEK entspricht, und der in Artikel 47 der Verordnung genannten Grenze von 175 ECU ziemlich groß sein, wenn man bedenkt, dass diese nach Berechnung der schwedischen Behörden 1 700 SEK entspricht.

93. Unter demselben Blickwinkel müsste der Reisende auch in die Lage versetzt werden, seine Interessen ohne übermäßige Schwierigkeiten wahrzunehmen; hierbei denke ich sowohl an die genaue inhaltliche Kenntnis des Rechts auf Zollbefreiung nach der Verordnung Nr. 918/83 als auch an die Beweisanforderungen an den Reisenden, die nicht allzu anspruchsvoll oder so beschaffen sein sollten, dass es ihm materiell nicht möglich ist, den nicht kommerziellen Charakter der Einfuhr darzutun.

94. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen bin ich somit der Auffassung, dass Artikel 45 der Verordnung Nr. 918/83 nationalen Verwaltungsvorschriften oder -praktiken entgegensteht, durch die eine verbindliche Hoechstmenge für die Zollbefreiung oder eine unwiderlegbare Vermutung des kommerziellen Charakters der Einfuhr, gemessen an der eingeführten Warenmenge, vorgesehen wird.

95. Demnach schlage ich vor, die Fragen des Hovrätt för Västra Sverige wie folgt zu beantworten:

1. Artikel 234 Absatz 3 EG ist dahin auszulegen, dass ein nationales Gericht, dessen Entscheidungen nur nach Maßgabe einer Zulassungsprüfung des Rechtsmittels angefochten werden können, grundsätzlich kein letztinstanzliches Gericht im Sinne von Artikel 234 Absatz 3 EG darstellt.

2. Artikel 234 Absatz 3 EG ist dahin auszulegen, dass ein nationales Gericht, dessen Entscheidung nicht mehr mit einem Rechtsmittel des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann, auch dann den Gerichtshof um Vorabentscheidung ersuchen muss, wenn eine gemeinschaftsrechtliche Frage seiner Auffassung nach klar ist, es sei denn, es hätte festgestellt, dass die Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende gemeinschaftsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt, wobei indessen die Eigenheiten des Gemeinschaftsrechts, die besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und die Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der Gemeinschaft zu berücksichtigen sind.

3. Artikel 45 Absatz 1 der Verordnung Nr. 918/83 des Rates vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen ist dahin auszulegen, dass bei aus der Art und der Menge der Ware resultierenden Zweifeln hinsichtlich des Zweckes der Einfuhr deren nicht kommerzieller Charakter im Einzelfall zu beurteilen ist, wobei eine Gesamtbewertung der Umstände des betreffenden Falles vorgenommen werden muss, die dem gelegentlichen Charakter der Einfuhr, der Bestimmung der Waren zum persönlichen Ge- oder Verbrauch des Reisenden oder der Angehörigen seines Haushalts und somit seinen Lebensgewohnheiten sowie der fehlenden kommerziellen Absicht des Betroffenen Rechnung trägt.

4. Artikel 45 der Verordnung Nr. 918/83 steht nationalen Verwaltungsvorschriften oder -praktiken entgegen, durch die eine verbindliche Hoechstmenge für die Zollbefreiung oder eine unwiderlegbare Vermutung des kommerziellen Charakters der Einfuhr, gemessen an der eingeführten Warenmenge, vorgesehen wird.