URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 19. JUNI 1990. - THE QUEEN GEGEN SECRETARY OF STATE FOR TRANSPORT, EX PARTE FACTORTAME LTD UND ANDERE. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: HOUSE OF LORDS - VEREINIGTES KOENIGREICH. - IM GEMEINSCHAFTSRECHT BEGRUENDETE RECHT - SCHUTZ DURCH DIE NATIONALEN GERICHTE - BEFUGNIS DER NATIONALEN GERICHTE ZUM ERLASS EINSTWEILIGER ANORDNUNGEN IM FALLE EINER VORLAGE ZUR VORABENTSCHEIDUNG. - RECHTSSACHE C-213/89.
Sammlung der Rechtsprechung 1990 Seite I-02433
Schwedische Sonderausgabe Seite 00435
Finnische Sonderausgabe Seite 00453
Leitsätze
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor
++++
Gemeinschaftsrecht - Unmittelbare Wirkung - Vorrang - Klage vor einem nationalen Gericht wegen Verletzung des Gemeinschaftsrechts durch eine Vorschrift des nationalen Rechts - Noch ausstehende Feststellung der Verletzung - Antrag auf einstweilige Anordnungen - Bestehen einer nationalen Vorschrift, wonach diesem Antrag nicht stattgegeben werden darf - Pflichten und Befugnisse des angerufenen Gerichts
( EWG-Vertrag, Artikel 5 und 177 )
Die innerstaatlichen Gerichte haben entsprechend dem in Artikel 5 EWG-Vertrag ausgesprochenen Grundsatz der Mitwirkungspflicht den Rechtsschutz zu gewährleisten, der sich für die einzelnen aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts ergibt .
Mit den in der Natur des Gemeinschaftsrechts liegenden Erfordernissen wäre jede Bestimmung einer nationalen Rechtsordnung oder jede Gesetzgebungs -, Verwaltungs - oder Gerichtspraxis unvereinbar, die dadurch zu einer Abschwächung der Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts führen würde, daß dem für die Anwendung dieses Rechts zuständigen Gericht die Befugnis abgesprochen wird, bereits zum Zeitpunkt dieser Anwendung alles Erforderliche zu tun, um diejenigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften auszuschalten, die unter Umständen ein wenn auch nur vorübergehendes Hindernis für die volle Wirksamkeit der Gemeinschaftsnormen bilden .
Die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts würde auch dann abgeschwächt, wenn ein mit einem nach Gemeinschaftsrecht zu beurteilenden Rechtsstreit befasstes Gericht durch eine Vorschrift des nationalen Rechts daran gehindert werden könnte, einstweilige Anordnungen zu erlassen, um die volle Wirksamkeit der späteren Gerichtsentscheidung über das Bestehen der aus dem Gemeinschaftsrecht hergeleiteten Rechte sicherzustellen . Ein Gericht, das unter diesen Umständen einstweilige Anordnungen erlassen würde, wenn dem nicht eine Vorschrift des nationalen Rechts entgegenstuende, darf diese Vorschrift somit nicht anwenden .
Für diese Auslegung spricht auch das durch Artikel 177 EWG-Vertrag geschaffene System, dessen praktische Wirksamkeit beeinträchtigt würde, wenn ein nationales Gericht, das das Verfahren bis zur Beantwortung seiner Vorlagefrage durch den Gerichtshof aussetzt, nicht so lange einstweiligen Rechtsschutz gewähren könnte, bis es auf der Grundlage der Antwort des Gerichtshofes seine eigene Entscheidung erlässt .
1 Das House of Lords hat mit Urteil vom 18 . Mai 1989, beim Gerichtshof eingegangen am 10 . Juli 1989, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts zur Vorabentscheidung vorgelegt, mit denen es wissen möchte, inwieweit die nationalen Gerichte zum Erlaß einstweiliger Anordnungen in Fällen befugt sind, in denen es um angeblich im Gemeinschaftsrecht begründete Rechte geht .
2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Secretary of State for Transport auf der einen Seite und der Factortame Ltd sowie anderen dem Recht des Vereinigten Königreichs unterworfenen Gesellschaften nebst den Geschäftsführern und Anteilseignern dieser Gesellschaften, die grösstenteils spanische Staatsangehörige sind, auf der anderen Seite ( nachstehend alle als Rechtsmittelführer des Ausgangsverfahrens bezeichnet ).
3 Wie sich aus den Akten ergibt, sind die fraglichen Gesellschaften Eigentümer oder Betreiber von 95 Fischereifahrzeugen, die nach dem Merchant Shipping Act von 1894 ( Seehandelsgesetz von 1894 ) in das britische Schiffsregister eingetragen waren . 53 dieser Schiffe waren ursprünglich in Spanien registriert gewesen und unter spanischer Flagge gefahren; sie wurden jedoch ab 1980 zu verschiedenen Zeitpunkten in das britische Register eingetragen . Die übrigen 42 Schiffe waren stets im Vereinigten Königreich registriert; sie wurden aber von den fraglichen Gesellschaften zu verschiedenen Zeitpunkten, hauptsächlich seit 1983, erworben .
4 Die gesetzliche Regelung über die Registrierung britischer Fischereifahrzeuge wurde durch Teil II des Merchant Shipping Act von 1988 ( Seehandelsgesetz von 1988, nachstehend : Gesetz von 1988 ) und durch die Merchant Shipping ( Registration of Fishing Vessels ) Regulations von 1988 ( Verordnungen über die Registrierung der Fischereifahrzeuge von 1988, nachstehend : Verordnungen von 1988; S.I . 1988, Nr . 1926 ) grundlegend geändert . Es steht fest, daß das Vereinigte Königreich diese Änderung vorgenommen hat, um dem sogenannten "Quotenspringen" ein Ende zu machen, einer Praxis, die dem Vereinigten Königreich zufolge darin besteht, daß Schiffe, die unter britischer Flagge fahren, jedoch nicht wirklich britische Schiffe sind, die dem Vereinigten Königreich zugewiesenen Fangquoten "ausplündern ".
5 Das Gesetz von 1988 sah die Errichtung eines neuen Registers vor, in das nunmehr alle britischen Fischereifahrzeuge einschließlich derjenigen einzutragen sind, die bereits in das frühere allgemeine Register aufgrund des Seehandelsgesetzes von 1894 eingetragen waren . In das neue Register können jedoch nur diejenigen Fischereifahrzeuge eingetragen werden, die die in Section 14 des Gesetzes von 1988 festgelegten Voraussetzungen erfuellen .
6 Nach Section 14 ( 1 ) dieses Gesetzes kann ein Fischereifahrzeug, soweit der Verkehrsminister keine Ausnahmegenehmigung erteilt, nur dann in das neue Register eingetragen werden, wenn
a ) es in britischem Eigentum steht,
b ) es vom Vereinigten Königreich aus operiert und sein Einsatz von dort aus geleitet und überwacht wird und
c ) sein Charterer, Manager oder Betreiber eine berechtigte Person oder Gesellschaft ist .
Gemäß Section 14 ( 2 ) gilt ein Fischereifahrzeug dann als in britischem Eigentum stehend, wenn das rechtliche Eigentum ( legal ownership ) insgesamt einer oder mehreren berechtigten Personen oder Gesellschaften und das wirtschaftliche Eigentum ( beneficial ownership ) einer oder mehreren berechtigten Gesellschaften oder zu mindestens 75 % einer oder mehreren berechtigten Personen zusteht; nach Section 14 ( 7 ) ist "berechtigte Person" eine Person, die britischer Bürger ist sowie im Vereinigten Königreich ihr Domizil hat und sich dort aufhält, und "berechtigte Gesellschaft" eine Gesellschaft, die im Vereinigten Königreich registriert ist, die dort ihren Hauptsitz hat, deren Gesellschaftskapital zu mindestens 75 % von einer oder mehreren berechtigten Personen oder Gesellschaften gehalten wird und deren Geschäftsführung zu mindestens 75 % aus berechtigten Personen besteht .
7 Das Gesetz und die Verordnungen von 1988 traten am 1 . Dezember 1988 in Kraft . Gemäß Section 13 des Gesetzes blieben jedoch die nach der früheren Regelung vorgenommenen Registrierungen für eine Übergangszeit bis zum 31 . März 1989 wirksam .
8 Am 4 . August 1989 erhob die Kommission beim Gerichtshof nach Artikel 169 EWG-Vertrag Klage auf Feststellung, daß das Vereinigte Königreich wegen der in Section 14 des Gesetzes von 1988 aufgestellten Staatsangehörigkeitsvoraussetzungen gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 7, 52 und 221 EWG-Vertrag verstossen hat . Diese Klage ist Gegenstand der gegenwärtig anhängigen Rechtssache 246/89 . Mit eigenem Schriftsatz, der am selben Tage bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingereicht wurde, beantragte die Kommission, dem Vereinigten Königreich im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, die Anwendung dieser Staatsangehörigkeitserfordernisse in bezug auf die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten und für diejenigen Fischereifahrzeuge auszusetzen, mit denen bis zum 31 . März 1989 eine Fischereitätigkeit unter britischer Flagge und mit einer britischen Fanglizenz ausgeuebt wurde . Mit Beschluß vom 10 . Oktober 1989 in der Rechtssache 246/89 R ( Slg . 1989, 3125 ) gab der Präsident des Gerichtshofes diesem Antrag statt . In Durchführung dieses Beschlusses erließ das Vereinigte Königreich eine Regierungsverordnung, durch die Section 14 des Gesetzes von 1988 mit Wirkung vom 2 . November 1989 geändert wurde .
9 Zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens, das zu dem Ausgangsrechtsstreit geführt hat, erfuellten die 95 Fischereifahrzeuge der Rechtsmittelführer des Ausgangsverfahrens zumindest eine der in Section 14 des Gesetzes von 1988 vorgesehenen Registrierungsvoraussetzungen nicht, so daß sie nicht in das neue Register eingetragen werden konnten .
10 Da diesen Schiffen vom 1 . April 1989 an der Fischfang nicht mehr gestattet wurde, machten die betroffenen Gesellschaften durch einen am 16 . Dezember 1988 gestellten Antrag auf gerichtliche Überprüfung vor dem High Court of Justice, Queen' s Bench Division, geltend, Teil II des Gesetzes von 1988 sei mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar; sie beantragten ausserdem den Erlaß einstweiliger Anordnungen für den gesamten Zeitraum bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über ihren Antrag auf gerichtliche Überprüfung .
11 Am 10 . März 1989 beschloß der Divisional Court der Queen' s Bench Division, das Verfahren auszusetzen und den Gerichtshof gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag um Vorabentscheidung über die in dem Verfahren aufgeworfenen gemeinschaftsrechtlichen Fragen zu ersuchen; zugleich setzte er durch einstweilige Anordnung die Anwendung des Teils II des Gesetzes und der Verordnungen von 1988 gegenüber den Antragstellern aus .
12 Gegen die einstweilige Anordnung des Divisional Court legte der Secretary of State for Transport am 13 . März 1989 Beschwerde ein . Mit Urteil vom 22 . März 1989 entschied der Court of Appeal, die Gerichte seien nach nationalem Recht nicht befugt, die Anwendung der Gesetze durch einstweilige Anordnung auszusetzen . Er hob folglich die Anordnung des Divisional Court auf .
13 Der Rechtsstreit kam vor das House of Lords, das am 18 . Mai 1989 sein Urteil erließ . Darin erklärte es zunächst das Vorbringen der Rechtsmittelführer des Ausgangsverfahrens für begründet, soweit diese geltend machten, ihnen entstuende ein nicht wiedergutzumachender Schaden, wenn die beantragten einstweiligen Anordnungen nicht ergingen, ihren Klagen in der Hauptsache aber stattgegeben würde . Die englischen Gerichte seien nach nationalem Recht jedoch nicht befugt, in einem Fall wie dem Ausgangsrechtsstreit einstweilige Anordnungen zu erlassen; dem stehe insbesondere der alte Grundsatz des Common Law, wonach gegen die Krone, d . h . gegen die Regierung, keine einstweilige Anordnung ergehen könne, zusammen mit der Vermutung entgegen, daß nationale Gesetze mit dem Gemeinschaftsrecht im Einklang stuenden, solange nicht über ihre Vereinbarkeit mit diesem Recht entschieden sei .
14 Das House of Lords warf sodann die Frage auf, ob die englischen Gerichte nicht ungeachtet dieser Bestimmung des nationalen Rechts nach dem Gemeinschaftsrecht zum Erlaß einstweiliger Anordnungen gegen die Krone befugt seien .
15 Das House of Lords war somit der Auffassung, der Rechtsstreit werfe ein Problem in bezug auf die Auslegung des Gemeinschaftsrechts auf . Es hat deshalb gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt :
"1 ) Wenn
i ) eine Partei vor einem nationalen Gericht geltend macht, ihr stuenden im Gemeinschaftsrecht begründete Rechte mit unmittelbarer Wirkung im nationalen Recht zu (' die geltend gemachten Rechte' ),
ii)eine nationale Maßnahme mit eindeutigem Wortlaut, wenn sie angewendet würde, dieser Partei automatisch die geltend gemachten Rechte entzöge,
iii)gewichtige Gründe sowohl für als auch gegen das Bestehen der geltend gemachten Rechte sprechen und das nationale Gericht gemäß Artikel 177 um Vorabentscheidung darüber ersucht hat, ob die geltend gemachten Rechte bestehen,
iv)das nationale Gericht die fragliche nationale Maßnahme für mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar hält, wenn und solange sie nicht für damit unvereinbar erklärt worden ist,
v)das nationale Gericht nicht die Befugnis hat, die geltend gemachten Rechte dadurch einstweilen zu schützen, daß es die Anwendung der nationalen Maßnahme bis zum Erlaß der Vorabentscheidung aussetzt,
vi)für den Fall, daß die Vorabentscheidung sich für das Bestehen der geltend gemachten Rechte aussprechen sollte, der Partei, der diese Rechte zustehen, ohne einen solchen einstweiligen Schutz wahrscheinlich ein nicht wiedergutzumachender Schaden entstuende,
ist dann das nationale Gericht nach dem Gemeinschaftsrecht
a ) verpflichtet, einen solchen einstweiligen Schutz der geltend gemachten Rechte zu gewähren, oder
b ) befugt, einen solchen einstweiligen Schutz der geltend gemachten Rechte zu gewähren?
2 ) Falls die Frage 1 a verneint und die Frage 1 b bejaht wird : Anhand welcher Kriterien ist zu entscheiden, ob ein solcher einstweiliger Schutz der geltend gemachten Rechte gewährt werden soll oder nicht?"
16 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen . Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert .
17 Wie sich aus den Akten, insbesondere aus dem Vorlageurteil und dem vorstehend wiedergegebenen Ablauf des Verfahrens vor den mit dem Rechtsstreit zuvor befassten nationalen Gerichten, ergibt, geht die Frage des vorlegenden Gerichts im Kern dahin, ob ein nationales Gericht, das in einem bei ihm anhängigen, das Gemeinschaftsrecht betreffenden Rechtsstreit zu der Auffassung gelangt, dem Erlaß einstweiliger Anordnungen stehe nur eine Vorschrift des nationalen Rechts entgegen, diese Vorschrift nicht anwenden darf .
18 Der Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 9 . März 1978 in der Rechtssache 106/77 ( Simmenthal, Slg . 1978, 629 ) entschieden, daß die unmittelbar geltenden Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts "ihre volle Wirkung einheitlich in sämtlichen Mitgliedstaaten vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an und während der gesamten Dauer ihrer Gültigkeit entfalten müssen" ( Randnrn . 14 bis 16 ) und daß "nach dem Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts die Vertragsbestimmungen und die unmittelbar geltenden Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane in ihrem Verhältnis zum internen Recht der Mitgliedstaaten ... zur Folge (( haben )), daß allein durch ihr Inkrafttreten jede entgegenstehende Bestimmung des geltenden staatlichen Rechts ohne weiteres unanwendbar wird" ( Randnrn . 17 bis 18 ).
19 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes haben die innerstaatlichen Gerichte entsprechend dem in Artikel 5 EWG-Vertrag ausgesprochenen Grundsatz der Mitwirkungspflicht den Rechtsschutz zu gewährleisten, der sich für die einzelnen aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts ergibt ( so zuletzt die Urteile vom 10 . Juli 1980 in der Rechtssache 811/79, Ariete, und in der Rechtssache 826/79, Mireco, Slg . 1980, 2545 bzw . 2559 ).
20 Der Gerichtshof hat weiter entschieden, daß jede Bestimmung einer nationalen Rechtsordnung oder jede Gesetzgebungs -, Verwaltungs - oder Gerichtspraxis mit den in der Natur des Gemeinschaftsrechts liegenden Erfordernissen unvereinbar wäre, die dadurch zu einer Abschwächung der Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts führen würde, daß dem für die Anwendung dieses Rechts zuständigen Gericht die Befugnis abgesprochen wird, bereits zum Zeitpunkt dieser Anwendung alles Erforderliche zu tun, um diejenigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften auszuschalten, die unter Umständen ein wenn auch nur vorübergehendes Hindernis für die volle Wirksamkeit der Gemeinschaftsnormen bilden ( Urteil vom 9 . März 1978, Simmenthal, a . a . O ., Randnrn . 21 bis 23 ).
21 Die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts würde auch dann abgeschwächt, wenn ein mit einem nach Gemeinschaftsrecht zu beurteilenden Rechtsstreit befasstes Gericht durch eine Vorschrift des nationalen Rechts daran gehindert werden könnte, einstweilige Anordnungen zu erlassen, um die volle Wirksamkeit der späteren Gerichtsentscheidung über das Bestehen der aus dem Gemeinschaftsrecht hergeleiteten Rechte sicherzustellen . Ein Gericht, das unter diesen Umständen einstweilige Anordnungen erlassen würde, wenn dem nicht eine Vorschrift des nationalen Rechts entgegenstuende, darf diese Vorschrift somit nicht anwenden .
22 Für diese Auslegung spricht auch das durch Artikel 177 EWG-Vertrag geschaffene System, dessen praktische Wirksamkeit beeinträchtigt würde, wenn ein nationales Gericht, das das Verfahren bis zur Beantwortung seiner Vorlagefrage durch den Gerichtshof aussetzt, nicht so lange einstweiligen Rechtsschutz gewähren könnte, bis es auf der Grundlage der Antwort des Gerichtshofes seine eigene Entscheidung erlässt .
23 Auf die Vorlagefrage ist somit zu antworten, daß das Gemeinschaftsrecht dahin auszulegen ist, daß ein nationales Gericht, das in einem bei ihm anhängigen, das Gemeinschaftsrecht betreffenden Rechtsstreit zu der Auffassung gelangt, dem Erlaß einstweiliger Anordnungen stehe nur eine Vorschrift des nationalen Rechts entgegen, diese Vorschrift nicht anwenden darf .
Kosten
24 Die Auslagen des Vereinigten Königreichs, Irlands und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig . Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts .
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
auf die ihm vom House of Lords mit Urteil vom 18 . Mai 1989 vorgelegte Frage für Recht erkannt :
Das Gemeinschaftsrecht ist dahin auszulegen, daß ein nationales Gericht, das in einem bei ihm anhängigen, das Gemeinschaftsrecht betreffenden Rechtsstreit zu der Auffassung gelangt, dem Erlaß einstweiliger Anordnungen stehe nur eine Vorschrift des nationalen Rechts entgegen, diese Vorschrift nicht anwenden darf .