SCHLUßANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PIETER VERLOREN VAN THEMAAT

vom 14. Oktober 1982 ( *1 )

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

1. Zur Rechtsgrundlage der angefochtenen Ermächtigung zum Erlaß von Schutzmaßnahmen

Nach Artikel 130 Absatz 1 der „Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Griechenland und die Anpassungen der Verträge“ (Beitrittsakte) kann jeder Mitgliedstaat bis zum 31. Dezember 1985 im Verhältnis zwischen Griechenland und den anderen Mitgliedstaaten „bei Schwierigkeiten, welche einen Wirtschaftszweig erheblich und voraussichtlich anhaltend treffen oder welche die wirtschaftliche Lage eines bestimmten Gebietes beträchtlich verschlechtern können, die Genehmigung zur Anwendung von Schutzmaßnahmen beantragen, um die Lage wieder auszugleichen und den betreffenden Wirtschaftszweig an die Wirtschaft des Gemeinsamen Marktes anzupassen“. Die Absätze 2 und 3 dieses Artikels enthalten die verfahrensrechtlichen und inhaltlichen Erfordernisse, die die Kommission bei der Erteilung der Genehmigung bzw. beim Erlaß dieser Schutzmaßnahmen zu berücksichtigen hat.

Soweit dies für die vorliegende Klage der griechischen Aktiengesellschaft Piraiki-Patraiki und der übrigen Klägerinnen von Bedeutung ist, sind die oben genannten Bestimmungen mit Artikel 226 EWG-Vertrag identisch. Bekanntlich machte dieser Artikel derartige Schutzmaßnahmen in der Übergangszeit auch im Verhältnis zwischen den ursprünglichen Mitgliedstaaten möglich. Eine entsprechende Bestimmung in der Akte über den Beitritt Dänemarks, Irlands und des Vereinigten Königreichs galt ebenfalls nur während einer inzwischen abgelaufenen Übergangszeit. Schutzmaßnahmen wie im vorliegenden Fall sind deshalb in der Gemeinschaft jetzt nur noch im bilateralen Handelsverkehr zwischen Griechenland und jedem anderen Mitgliedstaat möglich. Natürlich ist unter anderem dafür zu sorgen, daß Schwierigkeiten in den anderen Mitgliedstaaten, die eigentlich anderen bilateralen Beziehungen entspringen, nicht auf Griechenland abgewälzt werden. Dieser Gesichtspunkt kann jedoch beim jetzigen Stand des Verfahrens ebensowenig wie andere im vorliegenden Verfahren geltend gemachte materiellrechtliche Klagegründe eingehender untersucht werden.

In etwa vergleichbare Schutzmaßnahmen können aber noch nach Artikel 115 EWG-Vertrag für aus Drittländern stammende Erzeugnisse getroffen werden. Nach ihrer Rechtsprechung ergeben sich dabei ferner ähnliche Probleme bezüglich der Zulässigkeit von Klagen betroffener Unternehmen auf Aufhebung dieser Schutzmaßnahmen wie im vorliegenden Fall. Auf Ihre Rechtsprechung zu Schutzmaßnahmen im allgemeinen werde ich im Laufe meiner Schlußanträge noch näher eingehen. An dieser Stelle beschränke ich mich auf die allgemeine Feststellung, daß in der gegenwärtigen Rezession die Bedeutung eines vollwertigen Rechtsschutzes gegenüber dem rechtswidrigen Erlaß protektionistischer Maßnahmen wie im vorliegenden Fall in der Praxis naturgemäß stark zugenommen hat. Insbesondere aus Kreisen der Wirtschaft, der Politik und der Wissenschaft sind erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der bei der Anwendung von Artikel 115 verfolgten Politik geäußert worden ( 1 ). Zum Problem des Rechtsschutzes gegenüber Schutzmaßnahmen im allgemeinen gibt es ein reichhaltiges Schrifttum ( 2 ), auf das ich im Laufe meiner Schlußanträge noch kurz zurückkommen werde. Meine allgemeinen Bemerkungen zu diesem Punkt möchte ich mit der These abschließen, daß Artikel 173 nach seinem ersten Satz und dem Anfang des zweiten Satzes so ausgelegt werden muß, daß in jedem konkreten Fall rechtswidrigen Handelns die Möglichkeit eines wirksamen Rechtsschutzes für die dadurch verletzten Interessen gegeben sein muß. Durch die Worte „zu diesem Zweck“, mit denen der zweite Satz dieses Artikels beginnt, wird nämlich unmittelbar ein Zusammenhang hergestellt mit der im ersten Satz genannten allgemeinen Aufgabe des Gerichtshofes, die Rechtmäßigkeit des Handelns des Rates und der Kommission zu überwachen, soweit es sich nicht um Empfehlungen oder Stellungnahmen handelt. In der Rechtssache 25/62 (Plaumann, Slg. 1963, 213, 237 f.), auf die ich in anderem Zusammenhang noch öfters zurückkommen werde, hat auch der Gerichtshof bereits den Grundsatz formuliert, daß „die Bestimmungen des Vertrages über das Klagerecht nicht restriktiv interpretiert werden [dürfen]“. Meiner Meinung nach kann Ihre noch zu erörternde Rechtsprechung tatsächlich so ausgelegt werden, daß dem allgemeinen Auftrag des ersten Satzes von Artikel 173 völlig entsprochen wird. Schwere rechtliche Mängel von Schutzmaßnahmen, die naturgemäß wohl kaum von den Mitgliedstaaten oder vom Rat zur Sprache gebracht werden, sollen von den dadurch besonders betroffenen natürlichen und juristischen Personen zumindest dann klageweise geltend gemacht werden können, wenn ein wirksamer Rechtsschutz vor den innerstaatlichen Gerichten nicht zu erlangen ist.

2. Zu der angefochtenen Ermächtigung zum Erlaß von Schutzmaßnahmen

Die von den Klägerinnen vorgelegte Entscheidung der Kommission vom 30. Oktober 1981 (ABl. 1981 L 362, S. 33) ermächtigte die Französische Republik, Schutzmaßnahmen bei der Einfuhr von Baumwollgarnen aus Griechenland anzuwenden. Aus der ausführlichen Begründung der Entscheidung ergibt sich unter anderem, daß die Einfuhr dieser Garne im ersten Halbjahr 1981 nur in Frankreich und Irland auf das ganze Jahr 1981 bezogen deutlich zugenommen hat, während sie in den anderen Mitgliedstaaten abnahm. Für die Untersuchung, ob die vorliegende Klage zulässig ist, können diese und andere Gründe für die Ermächtigung vorerst außer Betracht bleiben. Erheblich scheint mir jedoch, daß die Kommission sowohl nach der Präambel wie nach Artikel 3 ihrer Entscheidung selbst bis zu einem gewissen Grad bereits geschlossene Verträge berücksichtigt hat. Die Ermächtigung gilt nicht für Baumwollgarnlieferungen, die bereits erfolgt waren, bevor die Entscheidung Frankreich und Griechenland mitgeteilt wurde. Die Tatsache, daß die Entscheidung also einige, nicht aber alle rechtsverbindlich gewordenen Verträge ausnimmt, kann meiner Meinung nach zusammen mit anderen Gegebenheiten, die bei den Klägerinnen zum Zeitpunkt der Erteilung der Ermächtigung vorlagen, unter Berücksichtigung Ihrer Rechtsprechung für die Beurteilung der Zulässigkeit der Klage von Bedeutung sein. Ich verweise dazu unter anderem auf die Rechtssache 62/70 (Bock, Slg. 1971, 897). Nach Randnr. 10 der Entscheidungsgründe dieses Urteils wäre also festzustellen, daß „bei dieser [Anm.d.Verf. : durch die Genehmigung geschaffenen] Sachlage ... die [Klägerinnen] im Verhältnis zu allen anderen Personen in ähnlicher Weise individualisiert [sind] wie der Adressat“.

Die vorliegende Entscheidung veranlaßt mich zudem noch zu folgenden Bemerkungen zu der uns beschäftigenden Rechtsschutzfrage.

Zunächst steht aufgrund des Wortlauts von Artikel 173 fest, daß jedenfalls eine auf die angebliche Rechtswidrigkeit der Entscheidung gestützte Klage Griechenlands zulässig gewesen wäre. Aus zwei Gründen kann man daraus jedoch meiner Meinung nach nicht schließen, daß kein objektiver Bedarf besteht, den von einer solchen Ermächtigung betroffenen Unternehmen eine Klagemöglichkeit einzuräumen. Erstens stellt sich das Problem der Zulässigkeit solcher Individualklagen nach Ihrer Rechtsprechung praktisch in derselben Form wie bei den Ermächtigungen nach Artikel 115 EWG-Vertrag. Sind die Ermächtigungen nach Artikel 115 nicht rechtmäßig, dann sind die davon betroffenen Drittstaaten jedoch nicht zur Anfechtung befugt, während die Mitgliedstaaten selbst an einer solchen Anfechtung in der Regel kein Interesse haben werden. Es gäbe also keinerlei Rechtmäßigkeitskontrolle solcher Ermächtigungen nach Artikel 173 Satz 1, wenn die davon besonders betroffenen Händler innerhalb der Gemeinschaft nicht dagegen klagen könnten. Um eine erhebliche Lücke in dem von Artikel 173 geschaffenen Rechtsschutzsystem zu vermeiden, wird man deshalb bei Entscheidungen, die zu Schutzmaßnahmen der hier vorliegenden Art ermächtigen, genügend Raum für Individualklagen lassen müssen. Hierzu kommt, daß Ermächtigungen zum Erlaß einfuhrbeschränkender Maßnahmen der hier in Rede stehenden Art Interessen von Unternehmen schaden können, die ihrer Art nach nur schwer von den betroffenen Mitgliedstaaten wahrgenommen werden können. Ich denke dabei vor allem an den im vorliegenden Verfahren eine große Rolle spielenden Eingriff in Handelsverträge, die bereits rechtsverbindlich geworden sind.

Meine zweite Bemerkung bezieht sich auf die Rechtsnatur der angefochtenen Entscheidung. In der mündlichen Verhandlung waren sich die Parteien einig, daß diese Entscheidung keinen Verordnungscharakter hat. Die Anforderungen, die Artikel 189 an eine Verordnung stellt, sind im vorliegenden Fall in der Tat nicht erfüllt. Daß es sich nicht um eine Verordnung, sondern um eine Entscheidung handelt, wird sowohl durch Artikel 4 der Entscheidung bestätigt, wonach sie an die Französische Republik und die Republik Griechenland gerichtet ist, als auch durch den Umstand, daß sie erst am 17. Dezember 1981 im Amtsblatt veröffentlicht wurde, und zwar überdies in der Abteilung für nicht veröffentlichungsbedürftige Rechtsakte. Diese Rechtsnatur schließt an sich nicht aus, daß sich die Entscheidung ebenso wie eine Verordnung auf eine unbestimmte Gruppe nur abstrakt definierter Unternehmen auswirken kann; das ergibt sich aber dann ausschließlich daraus, daß die nationalen Durchführungsmaßnahmen Verordnungscharakter haben. Der ermächtigte Mitgliedstaat kann sich auch für die unmittelbare Anwendung der Entscheidung, die die Ermächtigung enthält, entscheiden und scheint dies hier auch getan zu haben. Darauf komme ich noch im folgenden Abschnitt meiner Schlußanträge zurück. Nur in Fällen des Artikels 130 Absatz 2 der Beitrittsakte kann man Zweifel haben, ob die Entscheidung der Kommission nicht doch zugleich Verordnungscharakter haben kann. In Absatz 2, der unter anderem ein hier nicht interessierendes Dringlichkeitsverfahren betrifft, ist nämlich nicht von einer Ermächtigung eines Mitgliedstaats zur Anwendung von Schutzmaßnahmen die Rede. Vielmehr wurden solche Schutzmaßnahmen von der Kommission selbst bestimmt, wobei „die beschlossenen Maßnahmen... sofort anwendbar“ sind. In einem solchen Fall wird die Kommissionsmaßnahme die betreffenden Einzelpersonen in jedem Fall unmittelbar betreffen, während es von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängen wird, ob sie davon auch individuell betroffen sind.

3. Zu den französischen Durchführungsmaßnahmen

Die französischen Durchführungsmaßnahmen zur Entscheidung, die die Ermächtigung enthält, wurden mit einer für ihre Rechtsnatur unerheblichen Änderung, die im Journal Officiel vom 27. Dezember 1981 veröffentlicht ist, im „Journal Officiel de la République Française“ vom 4. November 1981 (NC 9671) veröffentlicht.

Die im Verfahren nicht vorgelegte Regelung vom 4. November 1981 hat folgenden Wortlaut:

Mitteilung an die Importeure von Baumwollgarnen mit Ursprung in Griechenland

Den Importeuren wird hiermit mitgeteilt, daß in Anwendung einer Entscheidung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Einfuhr von Baumwollgarnen mit Ursprung in Griechenland, die zu Tarifnummer 55.05 gehören, vom 1. November 1981 bis zum 31. Dezember 1981 nach der Regelung für Erzeugnisse, deren Einfuhr nicht liberalisiert ist (Verfahren nach Titel 1 Kapitel II der Verordnung des Generaldirektors für Zölle und indirekte Abgaben vom 30. Januar 1967), durchgeführt wird.

Demgemäß gilt in der Zeit vom 1. November bis zum 31. Dezember 1981 für die betreffenden Erzeugnisse anstelle der früheren Bestimmungen die hier mitgeteilte Regelung.

Anträge auf Erteilung von Lizenzen sind auf Formblättern AC zu stellen und mit einer in französischer Sprache ausgestellten oder ins Französische übersetzten Pro-forma-Rechnung in zweifacher Ausfertigung zu versehen; sie können bei der Generaldirektion Zölle (Abteilung Handelsgenehmigungen, 42, Rue de Clichy, 75009 Paris) eingereicht werden.

In diesen Anträgen sind die Kennziffern der Erzeugnisse, deren Einfuhr beantragt wird, nach dem Warenverzeichnis für die Statistik (Nimexe) anzugeben.

Die Anträge, die sich auf die Nimexe-Kennziffern 55.05-13, 19, 21, 25, 27, 29, 41, 45, 46, 48, 52, 53, 67, 69, 72, 78, 92 und 98 beziehen, werden in der Reihenfolge ihres Eingangs geprüft und auf die in der oben genannten Entscheidung der Kommission festgesetzten Höchstmengen angerechnet; die Genehmigung der übrigen Anträge erfolgt ohne Mengenbeschränkung nach Bestätigung des zuständigen Ministeriums.

Die Antragsteller werden in jedem Fall gebeten, sich zwecks Auskünften über ihre Einfuhrmöglichkeiten mit der DICTD (97, rue de Grenelle, 75700 Paris) in Verbindung zu setzen.

Der französische Text hat folgenden Wortlaut:

Avis aux importateurs de fils et filés de coton originaires de Grèce

Les importateurs sont informés qu'en application d'une décision de la Commission des Communautés européennes, les importations de fils et filés de coton repris sous la position tarifaire no 55.05 originaires de Grèce s'effectueront à compter du 1er novembre 1981 et jusqu'au 31 décembre 1981 selon le régime des produits non libérés à l'importation (procédure prévue au titre Ier, chapitre II, de l'arrêté du directeur général des douanes et droits indirects du 30 janvier 1967).

En conséquence, les dispositions du présent avis se substituent temporairement durant la période allant du 1er novembre au 31 décembre 1981 aux dispostions antérieures en ce qui concerne les produits de l'espèce.

Les demandes de licence rédigées sur des formules du modèle AC et accompagnées d'une facture pro forma en double exemplaire établie ou traduite en français pourront être déposées à la direction générale des douanes (service des autorisations commerciales, 42, rue de Clichy, 75009 Paris).

Ces demandes devront comporter l'indication du ou des numéros de la nomenclature statistique Nimexe correspondant aux produits dont l'importation est sollicitée.

Les demandes correspondant aux numéros Nimexe 55.05-13, 19, 21, 25, 27, 29, 41, 45, 46, 48, 52, 53, 67, 69, 72, 78, 92 et 98, qui feront l'objet d'un examen au fur et à mesure, seront imputées sur les limites quantitatives définies par la décision de la Commission susvisée; les autres demandes seront délivrées sans limitation de quantité après visa du ministère technique.

Les demandeurs sont en toute hypothèse invités à se rapprocher de la DICTD (97, rue de Grenelle, 75700 Paris) pour connaître leurs possibilités d'importation.

An diesem Text fällt auf, daß in der ersten Zeile von einer Anwendung der Kommissionsentscheidung die Rede ist und nichts dafür spricht, daß dem eine neue Verordnung mit allgemeiner Geltung vorausgegangen wäre. Auch ist der Inhalt des „avis“ offenbar ohne weiteres durch die Bezugnahme auf die Entscheidung, die die Ermächtigung enthält, festgelegt worden. Die Ausnahme nach Artikel 3 der Entscheidung, die für einen Teil der am 30. Oktober 1981 bereits geschlossenen und in der Abwicklung befindlichen Verträge gilt, wird erst in der Änderung vom 27. Dezember 1981 berücksichtigt. Diese Merkmale der französischen Durchführungsmaßnahmen spielen eine Rolle für die Frage, ob die streitige Entscheidung der Kommission die Klägerinnen unmittelbar und individuell betrifft, wie es Artikel 173 für die Zulässigkeit ihrer Klage voraussetzt. Dies gilt selbst dann, wenn man den „avis“ — den Ausführungen des Vertreters der französischen Regierung in der mündlichen Verhandlung folgend — als verbindlichen Rechtsakt ansieht.

4. Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtsprechung

4.1.

Wie in Randnr. 4 der Entscheidungsgründe des Urteils in der Rechtssache 69/69 (Alean, Sig. 1970, 385, 393) festgestellt wird, soll Artikel 173 Absatz 2 „den Privatpersonen in allen den Fällen Rechtsschutz gewährleisten, in denen sie, ohne daß eine Entscheidung an sie ergangen ist, von einer Gemeinschaftshandlung, gleich welcher äußeren Erscheinungsform, unmittelbar und individuell betroffen werden“.

Wie ich bereits oben dargelegt habe, geht es hier um den in Artikel 173 genannten Fall einer „an eine andere Person“, nämlich hier an Frankreich und Griechenland, gerichteten Entscheidung der Kommission. Die Rechtsprechung zu dem anderen in Artikel 173 Absatz 2 ausdrücklich genannten Fall „unechter“ Verordnungen kann ich in meiner Untersuchung der Rechtsprechung deshalb außer Betracht lassen.

4.2. Der Grundsatz der weiten Auslegung

Wie schon gesagt, wurde im Urteil in der Rechtssache 25/62 (Plaumann, Slg. 1963, 213) entschieden, daß „Wortlaut und grammatikalischer Sinn ... die weiteste Auslegung [rechtfertigen]“ und „daß im übrigen ... die Bestimmung des Vertrages über das Klagerecht nicht restriktiv interpretiert werden [dürfen]“. Ich habe die Auffassung vertreten, daß sich dieser Grundsatz aus dem sehr allgemeinen, dem Gerichtshof im ersten Satz des Artikels 173 erteilten Auftrag ergibt, die Rechtmäßigkeit des Handelns des Rats und der Kommission zu überwachen, soweit es sich nicht um Empfehlungen oder Stellungnahmen handelt. Aufgrund des Zusammenhangs, den der zweite Satz (und aufgrund einer entsprechenden Verweisung auf diesen Satz auch der zweite Absatz) mit dieser dem Gerichtshof übertragenen allgemeinen Aufgabe herstellt, konnte ich diese Ausführungen im Plaumann-Urteil dahin gehend verdeutlichen, daß Artikel 173 so auszulegen ist, daß in jedem konkreten Fall unrechtmäßigen Handelns ein wirksamer Rechtsschutz für die dadurch betroffenen Interessen ermöglicht wird. Von der Art der betroffenen Interessen und von anderen Umständen wird abhängen, ob diese Klage allein von einem Mitgliedstaat, vom Rat oder der Kommission oder zugleich auch von „jeder natürlichen oder juristischen Person“ erhoben werden kann, die von dieser unrechtmäßigen Handlung „unmittelbar und individuell“ betroffen wird und die deshalb billigerweise nicht an das nationale Gericht verwiesen werden kann.

4.3. Besondere Voraussetzungen für Individualklagen

In der Rechtssache Plaumann wurde, gestützt auf den dort aufgestellten Grundsatz der weiten Auslegung, ein Klagerecht einzelner grundsätzlich auch bei an einen Mitgliedstaat gerichteten Ermächtigungsentscheidungen der hier in Rede stehenden Art für möglich gehalten. Dies scheint sich logisch aus der Zurückweisung des Verteidigungsvorbringens der Kommission in jener Sache zu ergeben, wonach der Mitgliedstaat, an den die Entscheidung gerichtet war, in einem solchen Fall nicht als eine „andere Person“ im Sinne von Artikel 173 Absatz 2 angesehen werden könne. Allerdings muß eine solche Entscheidung die Klägerinnen auch „unmittelbar und individuell“ betreffen. Aus der Tatsache, daß eine Klage gegen solche Entscheidungen grundsätzlich für möglich gehalten wird, kann jedoch ohne weiteres geschlossen werden, daß diese zusätzlichen Voraussetzungen nicht als formelle, sondern als materielle Voraussetzungen auszulegen sind. Formell ist ein Unternehmen nämlich nur dann „unmittelbar und individuell betroffen“, wenn die Entscheidung, die die Ermächtigung enthält, von dem betreffenden Mitgliedstaat angewendet wird.

4.4. Die Voraussetzung des „individuellen Betroffenseins “

Bekanntlich wird diese Voraussetzung im Plaumann-Urteil wie folgt erläutert: „Wer nicht Adressat einer Entscheidung ist, kann nur dann geltend machen, von ihr individuell betroffen zu sein, wenn die Entscheidung ihn wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und ihn daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten.“ In Ihrer noch zu erörternden späteren Rechtsprechung wird die positive Bedeutung dieser Formel näher erläutert. Aus der dem zitierten Entscheidungsgrund folgenden Begründung kann nur negativ der Schluß gezogen werden, daß ein Kläger nicht individuell betroffen ist, wenn er einer in gleicher Weise betroffenen und in der Entscheidung abstrakt definierten allgemeinen Gruppe von Händlern angehört, die eine kaufmännische Tätigkeit ausüben, „die jederzeit durch jedermann ausgeübt werden kann und daher nicht geeignet ist, die Klägerin gegenüber der angefochtenen Entscheidung in gleicher Weise zu individualisieren wie den Adressaten“.

4.5. Übersicht über die Rechtsprechung zur Prozeßvoraussetzung des „individuellen Betroffenseins “

Die für die Prozeßvoraussetzung des „individuellen Betroffenseins“ immer noch maßgebliche Formel des Plaumann-Urteils führte außer in diesem Urteil selbst auch noch in den Rechtssachen 1/64 (Glucoseries réunies, Sig. 1964, 885) und 38/64 (Getreide-Import-Gesellschaft, Slg. 1965, 278) sowie den verbundenen Rechtssachen 10 und 18/68 (Eridania, Slg. 1969, 459) zur Abweisung der Klagen gegen an andere Personen gerichtete Entscheidungen.

Das „individuelle Betroffensein“ des Klägers hat der Gerichtshof in vier anderen Fällen bejaht, nämlich in den verbundenen Rechtssachen 106 und 107/63 (Toepfer, Slg. 1965, 548) sowie den Rechtssachen 62/70 (Bock, Slg. 1971, 897), 92/78 (Simmenthal, Slg. 1979, 777) und 730/79 (Philip Morris, Slg. 1980, 2671), implizit auch in der Rechtssache 29/75 (Kaufhof, Slg. 1976, 431).

Zur Begründung ihrer Einrede der Unzulässigkeit hat sich die Kommission im vorliegenden Fall vor allem auf die Rechtssache 1/64 berufen, in der es bekanntlich um eine Entscheidung der Kommission ging, durch die Frankreich ermächtigt wurde, bei der Einfuhr von Glucose (Dextrose) aus anderen Mitgliedstaaten Ausgleichsabgaben zu erheben, soweit die ausführenden Mitgliedstaaten diese Abgaben nicht selbst bei der Ausfuhr erhoben. Die Klägerin hatte vorgetragen, sie sei das einzige belgische Unternehmen gewesen, das wirtschaftlich daran interessiert, willens und in der Lage gewesen sei, während der Geltungsdauer der angefochtenen Entscheidung nennenswerte Mengen Glucose aus Belgien nach Frankreich zu exportieren. Diese Klage wurde unter Wiederholung der „Plaumann-Formel“ für unzulässig erklärt: Die angefochtene Entscheidung habe nicht nur für Ausfuhren aus Belgien nach Frankreich gegolten, weil das Begehren, die Auswirkungen der Entscheidung nur insoweit in Betracht zu ziehen, als sie sich gegen einen einzigen Exporteur eines der Mitgliedstaaten richteten, den Markt dieses Staates künstlich vom übrigen gemeinsamen Markt — der von der Entscheidung in der gleichen Weise betroffen sei — abtrennen würde und weil die Entscheidung „alle aus der Gemeinschaft nach Frankreich gehenden Glucoseeinfuhren treffen“ solle; Italien sei „lediglich deswegen ausgenommen, weil es keine Glucose nach Frankreich ausführt“. Da der Entscheidung deshalb eine „allgemeine wirtschaftliche Geltung“ zuerkannt wurde, wurde die Klägerin nicht als individuell betroffen angesehen.

Die Klägerinnen in dieser Rechtssache halten dieses Urteil nicht für einschlägig, da die Ausgleichsabgaben, um die es dort gegangen sei, die Importe aus allen nach Frankreich exportierenden Mitgliedstaaten getroffen habe, während hier nur die griechischen Erzeuger betroffen sein sollten. Aus der gesamten von mir zusammengefaßten Begründung des Urteils in der Rechtssache 1/64 ist allerdings auch meiner Ansicht nach zu schließen, daß dieses Urteil für die vorliegende Rechtssache nicht als maßgeblich angesehen werden kann. Das Urteil läßt meiner Auffassung nach völlig offen, ob die Klage doch für zulässig erklärt worden wäre, wenn die angefochtene Entscheidung sich auf die Ausfuhr aus einem Mitgliedstaat beschränkt hätte und die Klage von allen davon betroffenen Unternehmen erhoben worden wäre. Die Abweisung wegen Unzulässigkeit erfolgte nämlich offenbar deshalb, weil die Entscheidung nicht ausschließlich die Einfuhr aus einem Mitgliedstaat betraf und es daher vom Standpunkt einer ordentlichen Rechtspflege aus unmöglich war, nur den belgischen Fall zu berücksichtigen.

Darum gelangte der Gerichtshof — anders als im Plaumann-Urteil — nicht einmal bis zu der Frage, ob die Gruppe der Unternehmen, die von der Entscheidung betroffen waren und Klage erhoben hatten, hinreichend individualisiert oder vom Umfang her unbestimmt war.

Die Klägerinnen berufen sich für die Zulässigkeit ihrer Klage vor allem auf die bereits genannten Urteile in den verbundenen Rechtssachen 106 und 107/63 (Toepfer) und in der Rechtssache 62/70 (Bock).

In der Rechtssache Toepfer wurde für die Zulässigkeit der Klage folgendes als maßgeblich erachtet:

„Diese Maßnahme betraf also nur die Importeure, die im Laufe des 1. Oktobers 1963 Einfuhrlizenzen beantragt hatten. Diese Importeure waren schon vor dem 4. Oktober, dem Tag des Erlasses der angefochtenen Entscheidung, der Zahl und der Person nach feststellbar. Die Kommission konnte wissen, daß ihre Entscheidung nur die Interessen und die Rechtsstellung dieser Importeure berührte. Bei dieser Sachlage waren die genannten Importeure, darunter die Klägerinnen, im Verhältnis zu allen anderen Personen in ähnlicher Weise individualisiert wie die Adressatin einer Entscheidung.“

Ebenso heißt es in der Rechtssache Bock zur Zulässigkeit (Randnr. 10 der Entscheidungsgründe) :

„Die Klägerin hat die Entscheidung jedoch nur insoweit angefochten, als sich diese auch auf Einfuhren bezieht, für welche im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Entscheidung bereits Anträge auf Einfuhrgenehmigungen anhängig waren. Die insoweit betroffenen Importeure waren aber schon vor diesem Tage der Zahl und der Person nach feststellbar.

Die Beklagte konnte wissen, daß die streitige Bestimmung der Entscheidung die Interessen und die Rechtsstellung dieser Importeure berühren würde. Bei dieser Sachlage waren die genannten Importeure im Verhältnis zu allen anderen Personen in ähnlicher Weise individualisiert wie der Adressat.“

Diesen Urteilen läßt sich entnehmen, daß bei einer Klage gegen eine Ermächtigung zur Anwendung von Schutzmaßnahmen die Prozeßvoraussetzung des individuellen Betroffenseins immer dann erfüllt ist, wenn die Kommission wissen konnte, daß die Interessen und die Rechtsstellung bestimmter Personen, die zu einer allgemeinen abstrakt definierten Gruppe gehören, von einer spezifischen Bestimmung ihrer Entscheidung, die ausschließlich diese Person betrifft, speziell betroffen werden. In der Rechtssache Bock ging es dabei um eine Bestimmung, mit der die allgemein gehaltene Ermächtigung zur Anwendung von Schutzmaßnahmen auf „Waren, für welche Anträge auf Einfuhrgenehmigung zur Zeit und ordnungsgemäß bei der deutschen Verwaltung anhängig sind“, ausgedehnt wurde. Abgestellt wurde offenbar auf die tatsächlichen Umstände, die bei den Betroffenen zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung vorlagen, und darauf, daß die Kommission wissen konnte (nicht aber, daß sie tatsächlich wußte), um welche Personen es sich dabei handelte.

Da sich diese Urteile auf die konkreten Umstände der jeweiligen Einzelfälle stützten, wäre es natürlich falsch, daraus ohne weiteres a contrario oder im Wege der Analogie Schlüsse für andersartige Sachverhalte zu ziehen, um die es in diesen Urteilen nicht ging. Auch diese Urteile können deshalb trotz ihrer Bedeutung für diese Frage nicht ohne weiteres als maßgeblich für die Beurteilung der Zulässigkeit der vorliegenden Klage angesehen werden. Die tatsächliche Lage der Klägerinnen in diesem Verfahren wird vielmehr primär unmittelbar anhand der eher allgemein gefaßten Plaumann-Formel zu prüfen sein, an der der Gerichtshof wohl bis jetzt festgehalten hat.

4.6. Die Prozeßvoraussetzung des unmittelbaren Betroffenseins

In der Rechtsprechung habe ich zur Prozeßvoraussetzung des unmittelbaren Betroffenseins keine mit der Plaumann-Formel für das individuell Betroffensein vergleichbare allgemeine Formel finden können, an der alle konkreten Fälle geprüft werden. Ich schließe mich jedoch der Auffassung von P.J.G. Kapteyn und P. van Dijk an, wonach sich der Rechtsprechung auf diesem Gebiet entnehmen läßt, daß sich der Gerichtshof in seinen Urteilen nach einer anfangs eher formellen Betrachtungsweise allmählich immer eindeutiger der Definition angeschlossen hat, die Daig in der „Festschrift für Otto Riese“, S. 204 f., gegeben hat. Diese Definition läßt nicht nur Raum für die formelle Unmittelbarkeit, sondern auch für den Fall, daß sich eine Entscheidung, die eine Ermächtigung enthält, auf eine Person materiell unmittelbar auswirkt ( 3 ). Nach der Definition des Begriffes ist materielle Unmittelbarkeit dann gegeben, wenn eine weitere nationale Ausführungsmaßnahme zwar erforderlich ist, die Handlung eines Gemeinschaftsorgans jedoch mit Sicherheit oder großer Wahrscheinlichkeit voraussehen läßt, daß und wie die Ausführungsmaßnahme den Kläger berühren wird. Kapteyn und van Dijk stützen ihre insoweit gleichlautenden Schlußfolgerungen insbesonders auf das Toepfer-Urteil, das Bock-Urteil und das Urteil in den verbundenen Rechtssachen 41 bis 44/70 (International Fruit Company u.a., Slg. 1971, 411), wobei sich van Dijk überdies auf die Urteile in der Rechtssache 100/74 (CAM, Slg. 1975, 1393) und in der Rechtssache 123/77 (UNICME, Slg. 1978, 845) beruft. Im letztgenannten Urteil wurde der Kläger, ebenso wie zuvor im Alcan-Urteil (Rechtssache 69/69, Slg. 1970, 394), nicht als „unmittelbar betroffen“ angesehen, weil die betreffende Verordnung nur eine Gesamtmenge von 18000 Krafträdern erfaßte, für die Einfuhrgenehmigungen erteilt werden konnten, unterhalb dieser Höchstmenge der italienischen Regierung jedoch völlige Handlungsfreiheit ließ. In einem derartigen Fall kann natürlich nicht mit Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit vorausgesehen werden, auf welche Importeure sich die Maßnahme in dem von Daig genannten Sinne auswirken wird. Importeure wären von einer solchen Verordnung „nur dann betroffen, wenn ihnen aufgrund dieser Maßnahme die erforderliche Einfuhrgenehmigung verweigert würde“ (Randnrn. 10 und 11 der Entscheidungsgründe des UNICME-Urteils. Weiter heißt es dort: „In diesem Fall könnten sie vor dem zuständigen innerstaatlichen Gericht klagen; es stünde ihnen frei, dort ihre Bedenken gegen die Gültigkeit der Verordnung vorzutragen, und dieses Gericht könnte dann gegebenenfalls diese Fragen in dem Verfahren nach Artikel 177 des Vertrages vorlegen.“)

Ich bin der Auffassung, daß sich in der Rechtsprechung deshalb bei der Prozeßvoraussetzung der „Unmittelbarkeit“ nach und nach eine rationelle Aufgabenverteilung herausgeschält hat, nach der der Gerichtshof unmittelbar zuständig ist, wenn die Rechtsfolgen für die Beteiligten und ihre Identität mit Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit aus der Entscheidung abgeleitet werden können, während ein innerstaatliches Gericht erstinstanzlich zuständig ist, wenn dies nicht der Fall ist. Eine solche Aufgabenverteilung steht meiner Meinung nach auch völlig im Einklang mit einer anfangs aufgestellten These, daß Artikel 173 so auszulegen sei, daß die im Einzelfall Betroffenen „irgendwo“ Rechtsschutz finden können müssen, wenn sie von einem unrechtmäßigen Handeln der Kommission betroffen sind.

5. Erörterung und Beantwortung der hier klärungsbedürftigen Rechtsfragen

Angesichts der Erklärungen der Klägerinnen zur Frage der Zulässigkeit im schriftlichen und mündlichen Verfahren ist anhand der von mir untersuchten Rechtsprechung des Gerichtshofes auf die nachstehenden Rechtsfragen näher einzugehen:

5.1.

Können die Klägerinnen, griechische Hersteller und Exporteure von Baumwollgarnen, als von der bereits untersuchten Entscheidung der Kommission individuell betroffen angesehen werden? Die Klägerinnen bejahen diese Frage und berufen sich dafür erstens auf den Umstand, daß die vorliegende Entscheidung, anders als die Rechtshandlung, um die es in der Rechtssache 1/64 gegangen sei, vor allem eine beschränkte Gruppe von Unternehmen aus einem Mitgliedstaat betreffe, die beim Erlaß der Entscheidung nach Erzeugnis, Organisation und Geschäftstätigkeit zeitlich und räumlich identifizierbar und individualisierbar gewesen seien. Zweitens halten sie sich für die tatsächlich identifizierbaren und individualisierbaren Adressaten der Entscheidung, weshalb sie auch die Kriterien der bereits erwähnten „Plaumann-Formel“ erfüllten.

Nach ihrem ersten Argument beinhaltet diese Bezugnahme auf die Plaumann-Formel auch, daß sie sich selbst in der angefochtenen Entscheidung „in ähnlicher Weise individualisiert wie der Adressat“ Griechenland sehen. Gegenüber dem Verteidigungsvorbringen der Kommission, daß die Entscheidung eine unbestimmte Zahl von Importeuren betreffe, weisen sie darauf hin, daß der Gerichtshof auch in den bereits erörterten Rechtssachen Bock und CAM in einer unbestimmten Zahl von Betroffenen kein Hindernis gesehen habe, innerhalb dieses größeren Kreises eine identifizierbare und individualisierbare Gruppe von besonders und individuell Betroffenen auszumachen, deren Klage für zulässig gehalten wurde. In der mündlichen Verhandlung haben sie diesen Standpunkt noch näher dargelegt.

Dieser Standpunkt der Klägerinnen ist meiner Ansicht nach aufgrund Ihrer Rechtsprechung tatsächlich vertretbar, wenn man davon ausgeht, daß sich die griechischen Unternehmen, die Baumwollgarne herstellen und ausführen, von der unbestimmten Gruppe der übrigen betroffenen Importeure insofern eindeutig unterscheiden lassen, als diese Importeure von den Herstellungs- und Absatzbedingungen der Hersteller, um die es hier geht, abhängig sind und darüber hinaus im allgemeinen wohl auch nicht auf den Import griechischer Garne spezialisiert sind. Da die Entscheidung der Kommission ausdrücklich auch an Griechenland gerichtet ist, kann meiner Ansicht nach zudem auch tatsächlich behauptet werden, daß die griechischen Unternehmen, die Baumwollgarne herstellen und ausführen, auf ähnliche Weise wie dieser Adressat der Entscheidung charakterisiert und individualisiert werden. Dabei halte ich es nicht für notwendig, auch auf die von den Klägerinnen angeführten Auffassungen der Generalanwälte Roemer, Reischl, Warner und Slynn Bezug zu nehmen.

Eine solche Auslegung Ihrer Rechtsprechung würde sich nicht nur völlig mit der Plaumann-Regel decken, sondern auch einem wesentlichen Merkmal Ihrer Urteile in den Rechtssachen Toepfer und Bock Rechnung tragen. Die Urteile Toepfer und Bock betrafen Fälle, in denen die Anträge auf Erteilung einer Einfuhrgenehmigung zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung bereits anhängig waren. Wie bereits gesagt, bedeutet diese Einschränkung vor allem, daß die Kommission bereits bei Erlaß dieser Entscheidung wissen konnte, welche nach Zahl und Person eindeutig zu unterscheidenden Unternehmen von dieser Entscheidung besonders und individuell betroffen sein würden. Im vorliegenden Fall waren das die zum Zeitpunkt des Erlasses tätigen griechischen Hersteller von Baumwollgarnen. In diesem entscheidenden Punkt könnten deshalb die Entscheidungsgründe des Toepfer-Urteils nahezu wörtlich für die Begründung der Zulässigkeit der Klage der betroffenen Hersteller übernommen werden.

Der Gerichtshof hat jedoch in der Rechtssache Toepfer, und klarer noch in der Rechtssache Bock, für die Anwendung der Plaumann-Formel auch einen Zusammenhang mit dem Inhalt der betreffenden Entscheidung, die die Ermächtigung enthielt, hergestellt. In beiden Fällen befand der Gerichtshof, daß in der jeweiligen Entscheidung besondere Rechtsfolgen für die Personengruppe genannt wurden, deren Klage für zulässig erklärt wurde. In Artikel 3 der vorliegenden Entscheidung nimmt die Kommission, wie ich schon in meiner Untersuchung dieser Entscheidung ausgeführt habe, auf bereits geschlossene Verträge besondere Rücksicht, soweit diese dazu geführt haben, daß die betreffenden Erzeugnisse bereits aus Griechenland eingeführt worden waren. Es kann sich dann die materiellrechtliche Frage stellen, der jedoch in diesem Stadium noch nicht nachzugehen ist, ob die Kommission nicht allen bereits geschlossenen Verträgen eine bestimmte Vorzugsbehandlung hätte zukommen lassen müssen oder in anderer Weise hätte sicherstellen müssen, daß in bereits rechtsgültige Verträge nicht weiter eingegriffen wird, als dies hier aus Gründen des Gemeinschaftsinteresses unbedingt notwendig war. Artikel 3 der Entscheidung veranlaßt mich aufgrund dieser Überlegung, Ihnen im Ergebnis vorzuschlagen, zumindest alle griechische Hersteller von Baumwollgarnen, die Exportverträge für die Ausfuhr nach Frankreich geschlossen hatten, als von der Entscheidung individuell betroffen anzusehen. Für eine derartige Klarstellung spricht meiner Ansicht nach auch, daß an der Erlangung von Rechtsschutz gegenüber einem unnötigen Eingriff in bereits geschlossene Verträge eher der davon betroffene Hersteller als der von der Maßnahme betroffene Mitgliedstaat interessiert ist, der sich bei der Überlegung, ob er sein Klagerecht ausüben soll, von anderen Gesichtspunkten leiten lassen wird. Nach dem Vorbringen der Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung halten auch sie sich bezüglich ihrer bereits geschlossenen Verträge für besonders betroffen. Ebenso wie in den Rechtssachen Toepfer und Bock kann man für die im Zeitpunkt der Entscheidung bereits geschlossenen Verträge auch von einer tatsächlichen Rückwirkung der angefochtenen Entscheidung sprechen.

5.2.

Was die Prozeßvoraussetzung anbelangt, daß die Klägerinnen unmittelbar betroffen sein müssen, habe ich Ihrer Rechtsprechung entnommen, daß die Rechtsfolgen für die Betroffenen und ihre Identität mit Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit aus der angefochtenen Entscheidung abgeleitet werden können müssen. Aufgrund meiner Untersuchung der Entscheidung und der dazu ergangenen französischen Durchführungsmaßnahmen, deren Inhalt völlig von der Kommissionsentscheidung bestimmt wird, sowie aufgrund der von den Klägerinnen im schriftlichen und mündlichen Verfahren ausführlich geschilderten Vorgeschichte der Kommissionsentscheidung bin ich der Auffassung, daß hier tatsächlich von einer rein technischen Durchführung der Kommissionsentscheidung durch Frankreich gesprochen werden kann, die die Kommission mit Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit vorhersehen konnte und deren Inhalt vollständig der Kommissionsentscheidung entnommen ist. Unter diesen Umständen kann man meiner Ansicht nach nicht daran zweifeln, daß die Kommissionsentscheidung die Klägerinnen unmittelbar betrifft. Diese von der Entscheidung im Anschluß an die französischen Durchführungsmaßnahmen hervorgerufenen Rechtsfolgen konnten vor allem für die bereits rechtsverbindlichen Exportverträge im vollem Umfang vorausgesehen werden. Wie die Kommission in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung auf eine entsprechende Frage meinerseits auch eingeräumt hat, wußte sie, daß Frankreich die gesamte Einfuhr von Baumwollgarnen aus Griechenland bereits vor der Ermächtigung einem gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßenden System von Einfuhrgenehmigungen unterworfen hatte; dieser Umstand ergibt sich auch aus dem zweiten Absatz der von mir zitierten ersten französischen Durchführungsmaßnahme zur Kommissionsentscheidung. Die Frankreich von der Kommission eingeräumte Befugnis, die Entscheidung nicht oder nur teilweise anzuwenden, bestand angesichts dieser Vorgeschichte wie in der Rechtssache Bock nur rein theoretisch, wie die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung zu Recht hervorgehoben haben.

6. Ergebnis

Aufgrund meiner Feststellungen komme ich zu dem Schluß, daß die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen ist, soweit die Klage Exportverträge betrifft, die die Klägerinnen zur Zeit des Erlasses der Kommissionsentscheidung bereits geschlossen hatten.


( *1 ) Aus dem Niederländischen übersetzt.

( 1 ) Siehe dazu C.W.A. Timmermans, Troebel water ofwel de beschikkingenpraktijk ex artikel 115 EEG, SEW 1979, S. 636-653.

( 2 ) Siehe z. B. P. Gori, Les clauses des sauvegarde des traités CECA et CEE, Brüssel, 1966; T. Müller-Heidelberg, Schutzklauseln im europäischen Gcmcinschaftsrccht, Hamburg, 1970; M. A. Lejeune, Un droit de temps de crise: Les clauses de sauvegarde de la CEE, Brüssel, 1975; P. J. Slot, Vrijwaringsclausules en vrijwaringsmaatregelen in het recht van de Europese Gemeenschap, SEW 1976, S. 473-502; P. van Dijk, Judicial Review of Governmental Action and the Requirement of an Interest to Sue, Alphen a/d Rijn/Maryland (USA) The Hague, 1980, insbesondere S. 284-305, sowie die sonstige in diesen Veröffentlichungen genannte Literatur und die zahlreichen Urteilsanmcrkungen zu Ihrer einschlägigen Rechtsprechung.

( 3 ) Vergleiche hierzu die mit ausführlichen Nachweisen versehene Anmerkung von P.J.G. Kapteyn zum Bock-Urteil, SEW 1972, S. 596-602 und das in Fußnote 2 zitierte Standardwerk von P. van Dijk, 302-305; G. Bebr, Development of Judicial Control of the European Communities, S. 77-80.