In der Rechtssache 158/80

betreffend das dem Gerichtshof gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag vom Finanzgericht Hamburg (IV. Senat) in dem vor diesem anhängigen Rechtsstreit

1. Rewe-Handelsgesellschaft Nord mbH,

2. Rewe-Markt Steffen, Kiel,

gegen

Hauptzollamt Kiel

vorgelegte Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Verordnung Nr. 1544/69 des Rates vom 23. Juli 1969 über die zolltarifliche Behandlung von Waren, die im persönlichen Gepäck der Reisenden eingeführt werden (ABl. 1969, L 191, S. 1), der Richtlinie 69/169 des Rates vom 28. Mai 1969 zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Befreiung von den Umsatzsteuern und Sonderverbrauchsteuern bei der Einfuhr im grenzüberschreitenden Reiseverkehr (ABl. 1969, L 133, S. 6) und über die Gültigkeit der Verordnung Nr. 3023/77 des Rates vom 20. Dezember 1977 über Maßnahmen, mit denen Mißbräuchen durch den Verkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse an Bord von Schiffen ein Ende bereitet werden soll (ABl. 1977, L 358, S. 2),

erläßt

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Mertens de Wilmars, der Kammerpräsidenten P. Pescatore, Mackenzie Stuart und T. Koopmans, der Richter A. O'Keeffe, G. Bosco, Α. Touffait, O. Due und A. Chloros,

Generalanwalt: F. Capotorti

Kanzler: A. Van Houtte

folgendes

URTEIL

Tatbestand

Der Sachverhalt, der Verfahrensablauf und die nach Artikel 20 der Satzung des Gerichtshofes der EWG eingereichten Erklärungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

I — Sachverhalt und schriftliches Verfahren

Sachverhalt

Von den Häfen der Schleswig-Holsteinischen Ostseeküste aus veranstalten verschiedene Reedereien sogenannte „Butterfahrten“. Gleiche Fahrten werden von der deutschen Nordseeküste aus durchgeführt. Die Fahrtdauer beträgt acht Stunden oder kürzer. Die Fahrten führen über die Seezollgrenze hinaus in das Küstengewässer oder auf die Hohe See außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets. Teilweise wird nach Verlassen der Seezollgrenze auch in dänischen Häfen für kurze Zeit festgemacht, wobei die Passagiere Gelegenheit zum Landgang haben. Die Fahrgäste können während der Fahrt Waren wie Spirituosen, Butter, Fleisch, Tabakwaren und Parfümerieartikel kaufen. Innerhalb bestimmter Höchstgrenzen werden bei der Einfuhr der Waren an der deutschen Zollgrenze keine. Abgaben erhoben. Da die Waren das geographische Gebiet der Gemeinschaft verlassen, sind sie von der Gemeinschaft aus Mitteln des Ausrichtungsund Garantiefonds subventioniert, soweit Ausfuhrerstattungen und Währungsausgleich, z. Β. für Butter und Fleischwaren, gewährt werden.

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften schätzt die Umsätze auf den deutschen Schiffen für das Jahr 1977 bei Agrarerzeugnissen auf 14000 t Butter, 4000 t Käse, 2500 t Fleisch und 400 t Zucker. Nach den Angaben der Schiffseigentümer sollen 1977 jedoch nur etwa 8160 t Butter, 2825 t Käse, und 1650 t Fleisch umgesetzt worden sein. In den Jahren 1978 und 1979 war aufgrund der Verordnung Nr. 3023/77 des Rates vom 20. Dezember 1977 über Maßnahmen, mit denen Mißbräuchen durch den Verkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse an Bord von Schiffen ein Ende bereitet werden soll (ABl. L 358, S. 2), ein deutlicher Rückgang der Verkäufe landwirtschaftlicher Erzeugnisse an Bord der Schiffe zu verzeichnen Nach Informationen, die die Kommission von deutscher Seite erhalten hat, sollen folgende Mengen verkauft worden sein :

 

1978

1979

Butter

6 260 t

5 985 t

Käse

1 990 t

1 645 t

Fleisch

708 t

1 090 t

Nach den der Kommission vorliegenden Informationen sind die Befreiungen in den anderen Mitgliedstaaten auf den reinen Fährverkehr beschränkt. Bei „Sonderfahrten“ auf Hohe See räumen diese Mitgliedstaaten keine gleichartigen Befreiungen ein.

Nach Angaben der betreffenden Staaten wurden auf den Fährschiffen folgende Mengen umgesetzt:

 

Belgien

Niederlande

Irland

1978

1979

1978

1979

1978

1979

Butter

151 t

244 t

110 t

Käse

12 t

Fleisch

34 t

Reeder und kleinere Werften sowie einige Badeorte an der Küste profitieren von dieser Lage. Demgegenüber werde, so tragen die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens vor, durch die Butterfahrten ein erheblicher Teil der Kaufkraft der Bewohner der Ostseeküste von den ortsansässigen Einzel- und Großhandelsgesellschaften abgezogen.

Die gemeinschafisrechtlichen Vorschriften

Nach der Verordnung Nr. 1544/69 sind Waren, die im persönlichen Gepäck von aus Drittländern kommenden Reisenden eingeführt werden, im Rahmen bestimmter Mengen- und Wertgrenzen vom Zoll befreit.

Gemäß der Richtlinie 69/169 in der Fassung der Zweiten Richtlinie vom 12. Juni 1972 (ABl. 1972, L 139, S. 28) und der Dritten Richtlinie vom 19. Dezember 1978 (ABl. 1978, L 366, S. 28) sind Waren, die im Reiseverkehr mit Drittländern eingeführt werden, im wesentlichen in den Grenzen der Zollbefreiung von den Umsatzsteuern und den Sonderverbrauchsteuern bei der Einfuhr befreit (Artikel 1).

Mit der Verordnung Nr. 1818/75 des Rates vom 10. Juli 1975 über die landwirtschaftlichen Abschöpfungen, Ausgleichsbeträge und sonstigen Abgaben bei der Einfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und von bestimmten landwirtschaftlichen Verarbeitungserzeugnissen im persönlichen Gepäck von Reisenden (ABl. 1975, L 185, S. 3) wurde die Anwendung der Verordnung Nr. 1544/69 auf die landwirtschaftlichen Abschöpfungen und andere Agrarabgaben erstreckt; darüber hinaus wurde im Reiseverkehr zwischen Mitgliedstaaten eine Befreiung von den Ausgleichsbeträgen oder anderen Abgaben bei der Einfuhr eingeführt, die hinsichtlich ihres Umfangs und ihrer Voraussetzungen der in der Richtlinie 69/169/EWG festgelegten Abgabenbefreiung entspricht (Artikel 2).

Nach der Verordnung Nr. 3023/77 des Rates vom 20. Dezember 1977 (ABl. 1977, L 358, S. 2) können die Mitgliedstaaten für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse

„die an Bord von Schiffen, welche aus einem Gemeinschaftshafen ausgelaufen sind und erneut in einen Gemeinschaftshafen einlaufen, ohne einen Hafen außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft angelaufen zu haben, verkauft oder verteilt worden sind und

die bei ihrer Ausfuhr aus der Gemeinschaft Ausfuhrzollförmlichkeiten im Hinblick auf die Gewährung von Erstattungen oder anderen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik bei der Ausfuhr gezahlten Beträgen unterzogen worden sind oder

die sich bei ihrer Verbringung an Bord von Schiffen nicht in einer der beiden Lagen nach Artikel 9 Absatz 2 des Vertrages befinden,“

Befreiung von den Einfuhrabgaben gewähren (Artikel 1 Absatz 1).

Im Sinne dieser Verordnung gelten als „Einfuhrabgaben“ Zölle, Abgaben gleicher Wirkung, landwirtschaftliche Abschöpfungen und sonstige Einfuhrabgaben, die im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik angewandt werden (Artikel 2).

Die deutschen Rechtsvorschriften

Grundlage für die Eingangsabgabenbefreiung durch die deutschen Zollbehörden ist die Verordnung über die Eingangsabgabenfreiheit von Waren im persönlichen Gepäck der Reisenden vom 3. Dezember 1974 — Reisegepäck-Verordnung — (BGBl. I, 3377), zuletzt in der Fassung der Verordnung vom 12. Dezember 1979 (BGBl. I, 2150).

Das deutsche Recht unterscheidet zwischen Einfuhren aus einem anderen Mitgliedstaat, die ebenso definiert sind wie im Gemeinschaftsrecht, und „anderen Einfuhren“. Der Kreis der „anderen Einfuhren“ im deutschen Recht ist weiter als der der Einfuhren aus einem Drittland im Gemeinschaftsrecht. Er umfaßt auch Einfuhren, bei denen der Reisende die Ware erworben hat

im innergemeinschaftlichen Flugreiseverkehr in einem sogenannten Zollfreiladen des Flughafens der Abreise (in einem anderen Mitgliedstaat) oder an Bord eines Fluges, der in einem anderen Mitgliedstaat begonnen hat, oder

im innergemeinschaftlichen Schiffsreiseverkehr an Bord bei einer Fahrt,

bei der das Schiff aus dem Hafen eines anderen Mitgliedstaats ausgelaufen ist (hierunter fällt auch der internationale Fährverkehr), oder

die in einem deutschen Hafen begonnen hat, wobei Abfahrts- und Ankunftshafen auch identisch sein können.

In beiden Fällen kann es sich bei den mitgebrachten Waren

entweder um solche handeln, die aus einem Drittland kommen, aber noch nicht verzollt worden sind, sondern unter Aufsicht der Zollverwaltung in einem Zollager oder Freihafen gelagert wurden,

oder um Gemeinschaftswaren, die von Umsatz- oder Verbrauchsteuern befreit oder entlastet wurden, und um Agrarwaren aus dem freien Verkehr, für die Ausfuhrvergünstigungen gewährt wurden.

Nach § 2 Absatz 1 der Reisegepäckverordnung sind Waren, die Reisende gelegentlich und ausschließlich zum persönlichen Gebrauch oder Verbrauch, für ihren Haushalt oder als Geschenk in ihrem persönlichen Gepäck einführen, im Rahmen bestimmter Mengen- und Wertgrenzen frei von Eingangsabgaben und Zöllen. Die Verordnung unterscheidet zwischen der Abgabenfreiheit für die sogenannte große Transitration und jener für die sogenannte kleine Transitration.

Die Abgabenfreiheit für die große Transitration hängt davon ab, daß das Schiff bei der Einreise über die Seezollgrenze von der Hohen See kommt und entweder zuletzt aus einem ausländischen Hafen ausgelaufen ist oder sich mindestens 8 Stunden außerhalb des Zollgebiets befunden hat (§ 3 Absatz 5).

Die Abgabenfreiheit für die kleine Transitration setzt lediglich die Einfuhr von Waren über die Seezollgrenze, also sogenannte Stichfahrten von deutschen Häfen in das Küstenmeer voraus. Die Abgabenfreiheit setzt nicht voraus, daß das Schiff auf die Hohe See fährt und entweder einen ausländischen Hafen angelaufen hat oder sich mindestens acht Stunden außerhalb des Zollgebiets aufgehalten hat. Die abgabenfreien Warenmengen sind bei der kleinen Transitration geringer als bei der großen.

Verfahren und Vorlagefragen

Die Klägerinnen im Ausgangsverfahren, bei denen es sich um eine Großhandelsund eine Einzelhandelsfirma handelt, haben vor dem Finanzgericht Hamburg Klage erhoben. Ihrer Ansicht nach verstoßen die Butterfahrten gegen das Gemeinschaftsrecht.

Mit Beschluß vom 5. Juni 1980 hat das Finanzgericht Hamburg dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

„I — Zum Zoll

1.

Ist die Verordnung (EWG) Nr. 1544/69 des Rates vom 23. Juli 1969, zuletzt in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 3061/78 des Rates vom 19. Dezember 1978, dahin auszulegen, daß die dort bestimmte Zollfreiheit nur für Waren gilt, die aus dem Zollgebiet eines Drittlands und gegebenenfalls zusätzlich aus dessen zollrechtlich freien Verkehr stammen, oder genügt es, daß die Waren aus Mitgliedstaaten stammen und über die Seezollgrenze oder über die Grenze des Hoheitsgebiets des jeweiligen Mitgliedstaats von der Hohen See kommend eingeführt werden ?

2.

Enthält die Verordnung (EWG) Nr. 1544/69, zuletzt in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 3061/78, gegebenenfalls in Verbindung mit Artikel 28 EWG-Vertrag — vorbehaltlich der von der Verordnung (EWG) Nr. 3023/77 des Rates vom 20. Dezember 1977 erfaßten Waren — eine abschließende Regelung über die Zollfreiheit von Waren im persönlichen Gepäck von Reisenden, oder dürfen die Mitgliedstaaten über den Regelungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 1544/69 hinaus — vorbehaltlich der von der Verordnung (EWG) Nr. 3023/77 erfaßten Waren — eigenständig Zollfreiheit gewähren?

3.

Begründet der Verstoß gegen eine Gemeinschaftsverordnung unmittelbare Rechte für denjenigen, der durch ihrem Regelungsbereich widersprechende mitgliedstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften bzw. deren Durchführung in seinen Rechten betroffen wird, in dem Sinne, daß er vor einem nationalen Gericht auf Unterlassung gemeinschaftsrechtswidriger Maßnahmen bzw. Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften klagen kann?

4.

Ist die Verordnung (EWG) Nr. 3023/77 deswegen ungültig, weil sie gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht (z. B. Gleichheitssatz, Diskriminierungsverbot, Wettbewerbsgleichheit, Verhältnismäßigkeit) verstößt?

5.

Im Falle der Bejahung der Frage zu 4.: Werden für denjenigen, der durch eine auf der Verordnung (EWG) Nr. 3023/77 beruhende mitgliedstaatliche Rechts- oder Verwaltungsvorschrift bzw. deren Durchführung in seinen Rechten betroffen wird, unmittelbare Rechte in dem Sinne begründet, daß er vor einem nationalen Gericht auf Unterlassung gemeinschaftsrechtswidriger Maßnahmen klagen kann?

II — Zur Umsatzsteuer und den Sonderverbrauchsteuern

1.

Ist die Richtlinie 69/169/EWG des Rates von 28. Mai 1969, zuletzt in der Fassung der Richtlinie 78/1032/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 dahin auszulegen, daß die dort behandelte Befreiung von den Umsatzsteuern und den Sonderverbrauchsteuern nur für im persönlichen Gepäck eines Reisenden eingeführte Waren gilt, die aus dem Zollgebiet eines Drittlandes (Artikel 1) bzw. bei Herkunft der Ware aus einem Mitgliedstaat aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft (Artikel 2), gegebenenfalls zusätzlich aus dem zoll-rechtlich freien Verkehr eines Drittlands bzw. Mitgliedstaats stammen, oder genügt es, daß die Waren über die Seezollgrenze oder über die Grenze des Hoheitsgebiets des jeweiligen Mitgliedstaates von der Hohen See kommend eingeführt werden?

2.

Enthält die Richtlinie 69/169/EWG in der zuletzt gültigen Fassung eine abschließende Regelung über Umsatzsteuer- und Sonderverbrauchsteuerbefreiungen für Waren, die im persönlichen Gepäck der Reisenden eingeführt werden, oder dürfen die Mitgliedstaaten über den Regelungsbereich der Richtlinie hinausgehend für Waren im persönlichen Gepäck von Reisenden eigenständige Befreiungen von den Umsatzsteuern und den Sonderverbrauchsteuern gewähren?

3.

Begründet die Richtlinie 69/169/EWG in der zuletzt gültigen Fassung unmittelbare Rechte für denjenigen, der durch eine ihrem Regelungsinhalt widersprechende mitgliedstaatliche Rechts- oder Verwaltungsvorschrift bzw. deren Durchführung in seinen Rechten betroffen wird in dem Sinne, daß er vor einem nationalen Gericht auf Unterlassung nationaler gemeinschaftsrechtswidriger Maßnahmen klagen kann?“

Nach Auffassung des Finanzgerichts steht die Verordnung Nr. 1544/69 in sachlichem Zusammenhang mit dem internationalen Abkommen vom 4. Juni 1954 über die Zollerleichterungen im Touristenverkehr (New Yorker Touristenabkommen). Danach solle Zollfreiheit für das Reisegut für Touristen gewährt werden. Als Tourist definiere das Abkommen jede Person, die das Gebiet eines Vertragsstaats aufsuche, in dem sie nicht ihren gewöhnlichen Wohnort habe (Artikel 1 Buchstabe b). Es bestehe kein Zweifel, daß Reisende mit gewöhnlichem Aufenthaltsort im Zollgebiet der Gemeinschaft, die eine Schiffsreise im Zollgebiet der Gemeinschaft angetreten hätten und, ohne das Zollgebiet oder Hoheitsgebiet eines Drittlands berührt zu haben, über die Grenze des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaats bzw. nach Befahren nur der Küstengewässer über die Seezollgrenze wieder einreisten, die Zollfreiheit nach der Verordnung Nr. 1544/69 nicht in Anspruch nehmen könnten.

Zweifel bestünden aber in sachlicher Hinsicht bezüglich der Waren. Die betreffenden Bestimmungen regelten nicht ausdrücklich, ob die von den Reisenden mitgeführten Waren auch aus dem Zollgebiet des Drittlands und gegebenenfalls zusätzlich aus dem freien Verkehr stammen müßten.

Nach Auffassung des Finanzgerichts gilt die Verordnung Nr. 1544/69 weder für die von Häfen der deutschen Ostseeküste aus durchgeführten Stichfahrten noch für die Fahrten in die Hohe See ohne Berührung eines Drittlands, noch für die Fahrten mit mehr symbolischer Berührung des Mitgliedstaats Dänemark. Daher erhebe sich die Frage, ob die Verordnung Nr. 1544/69 — vorbehaltlich der von der Verordnung Nr. 3023/77 erfaßten Waren — eine abschließende Regelung der außertariflichen Zollfreiheit für persönliches Reisegepäck enthalte oder ob es den Mitgliedstaaten freistehe, in weiterem Umfang Zollfreiheiten für persönliches Reisegepäck zu gewähren. Nach Ansicht des Finanzgerichts folgt aus der Tatsache, daß die Verordnung Nr. 1544/69 auf die den Gemeinsamen Zolltarif betreffende Vorschrift des Artikels 28 EWG-Vertrag gestützt sei, daß die Gemeinschaft die Gewährung von sogenannten außertariflichen Zollfreiheiten als eine Angelegenheit des Gemeinsamen Zolltarifs behandele. Über Änderungen und Aussetzungen des Gemeinsamen Zolltarifs entscheide der Rat. Deshalb sei es den Mitgliedstaaten wohl verwehrt, eigene Regelungen über die Gewährung von außertariflichen Zollfreiheiten zu treffen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 20. Juli 1954, 1 BvR 459/52 u. a. — Investitionshilfefall — Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Band 4, S. 7) und des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 30. August 1968, VII C 122/66, Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Band 30, S. 191) verstießen wirtschaftslenkende Gesetze, die im Interesse einzelner Gruppen erlassen würden und die die Wettbewerbslage veränderten, gegen den Gleichheitssatz, wenn sie nicht durch das öffentliche Wohl geboten seien und schutzwürdige Interessen anderer willkürlich verletzt würden. Liege ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz in diesem Sinne vor, stehe den Betroffenen nach deutschem Recht ein Klagerecht zu.

Der Vorlagebeschluß ist am 9. Juli 1980 in das Register der Kanzlei des Gerichtshofes eingetragen worden.

Die Firmen Rewe-Handelsgesellschaft Nord mbH und Rewe-Markt Steffen, vertreten durch den leitenden Justitiar der Rewe-Zentral AG, Gert Meier, die Regierung der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Rechtsanwalt A. Deringer, Köln, und den Ministerialrat im Bundeswirtschaftsministerium Martin Seidel, die Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch ihren Bevollmächtigten R. D. Munrow, Treasury Solicitor's Department, die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch ihren Bevollmächtigten Jörn Sack vom Juristischen Dienst, und der Rat der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch seinen Bevollmächtigten Bernhard Schloh, Berater im Juristischen Dienst, haben gemäß Artikel 20 der Satzung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften schriftliche Erklärungen eingereicht.

Der Gerichtshof hat auf Bericht des Berichterstatters nach Anhörung des Generalanwalts beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

II — Beim Gerichtshof eingereichte schriftliche Erklärungen

Nach Auffassung der Klägerinnen im Ausgangsverfahren ist die Verordnung Nr. 1544/69 dahin auszulegen, daß die dort bestimmte Zollfreiheit nur für Waren gilt, die aus dem zollrechtlich freien Verkehr eines Drittlands stammen.

Ermächtigungsgrundlage der Verordnung Nr. 1544/69 sei Artikel 28 EWG-Vertrag, der die autonomen Änderungen oder Aussetzungen der Sätze des Gemeinsamen Zolltarifs regele. Regelungen im Sinne von Artikel 28 EWG-Vertrag erfolgten als Instrument des Warenverkehrs, nicht des Personenverkehrs, zwischen der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Drittländern andererseits. Demgemäß betreffe die Verordnung Nr. 1544/69 die zolltarifliche Behandlung von Waren, die im persönlichen Gepäck der Reisenden eingeführt würden, im Zusammenhang mit der Aufstellung des Gemeinsamen Zolltarifs, also die Behandlung des Warenverkehrs zwischen Drittländern und der Gemeinschaft, um Hemmnisse zu beseitigen, die aus der zolltariflichen Behandlung von Waren aus Drittstaaten entstehen könnten.

Die Verordnung enthalte eine erschöpfende Regelung der Abgabenbefreiung von Waren, die Reisende in ihrem persönlichen Gepäck mitführten. Mit dem 1. Januar 1970 sei die Gesetzgebungszuständigkeit im Bereich des Gemeinsamen Zolltarifs auf die Gemeinschaft übergegangen. Ermächtigungen zur Zollbefreiung könne nach Artikel 28 EWG-Vertrag nur der Rat gegenüber den Mitgliedstaaten aussprechen. Soweit solche Ermächtigungen nicht vorlägen, gelte der Gemeinsame Zolltarif ganzheitlich und einheitlich in der gesamten Gemeinschaft, ohne daß eine Möglichkeit der Gewährung von Zollbefreiungen durch einseitige nationale Maßnahmen bestehe. Soweit die deutsche Reisegepäckverordnung Zollbefreiungsmaßnahmen vorsehe, die durch Ratsbeschlüsse im Rahmen des Gemeinsamen Zolltarifs nicht vorgesehen seien, seien diese nationalen Maßnahmen wegen Verstoßes gegen Artikel 28 EWG-Vertrag unwirksam.

Da Gemeinschaftsverordnungen im innerstaatlichen Bereich unmittelbar anwendbar seien, müßten die nationalen Gerichte die sich aus einem Verstoß gegen eine solche Verordnung für widersprechende mitgliedstaatliche Rechtsund Verwaltungsvorschriften ergebende Unwirksamheit von Amts wegen beachten (Urteil des Gerichtshofes vom 17. Mai 1972 in der Rechtssache 93/71, Leonesio, Slg. 1972, 287).

Die Verordnung Nr. 3023/77 sei unwirksam, weil sie in die Grundrechte der Berufsfreiheit, der freien Entfaltung der Persönlichkeit und der Gleichbehandlung eingreife. Zu der in der Gemeinschaft grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit gehöre die Berufsausübungsfreiheit. Was den Beruf des Lebensmittelgroß- und -einzelhändlers angehe, gehöre dazu die Freiheit, das Sortiment selbst zu bestimmen und die Verkaufspreise hierfür festzusetzen. In diese grundrechtlich geschützte Freiheit greife die Verordnung Nr. 3023/77 ein.

Um mit den auf den Butterschiffen verkauften Waren konkurrieren zu können, müßten die Klägerinnen die Ware erheblich unter dem eigenen Einstandspreis verkaufen. Da sie sich dies selbst nicht zumuteten, führe die Abgabenbefreiung der Verordnung Nr. 3023/77 notwendigerweise dazu, daß die Klägerin Rewe-Markt Steffen auf den Verkauf der in Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung Nr. 3023/77 genannten Waren verzichten müsse. Zudem seien die Mengen, für die Abgabenfreiheit gewährt werde, so groß, daß die Klägerin Rewe-Handelsgesellschaft Nord diesen Sortimentsteil ganz erheblich einschränken müsse.

Das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit, nämlich der kaufmännischen Betätigung frei von wettbewerbsverzerrenden Eingriffen der öffentlichen Gewalt der Gemeinschaft, sei verletzt. Der konkret verletzte Grundsatz sei derjenige der gleichen Behandlung von die Zoll- und Außensteuergrenze der Gemeinschaft überschreitenden Waren. Die Verordnung Nr. 3023/77 biete den Mitgliedstaaten lediglich die Möglichkeit, eine Befreiung von Eingangsabgaben zu gewähren oder nicht. Damit schaffe der Gemeinschaftsgesetzgeber selbst die Möglichkeit einer in den einzelnen Mitgliedstaaten verschiedenen, also uneinheitlichen Behandlung von Waren, die von außen die Zollgrenze der Gemeinschaft überschritten. Die Verordnung Nr. 3023/77 verletze das Grundrecht auf Gleichbehandlung, da sie eine bestimmte Gruppe inländischer Unternehmer begünstige, und zwar die Eigner der Schiffe, die an den Butterfahrten teilnähmen.

Die Richtlinie 69/169 sei dahin auszulegen, daß die dort behandelte Befreiung von den Umsatzsteuern und den Sonderverbrauchsteuern nur für im persönlichen Gepäck eines Reisenden eingeführte Waren gelte, die aus dem zollrechtlich freien Verkehr eines Drittlands bzw. Mitgliedstaats stammten.

Die Richtlinie 69/169 sei im innerstaatlichen Bereich unmittelbar anwendbar mit der Wirkung, daß alle dem Regelungsinhalt dieser Richtlinie widersprechenden mitgliedstaatlichen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften ihre Wirksamkeit verlören. Auf eine Klage des in seinen Rechten hierdurch verletzten Marktbürgers hätten die nationalen Gerichte diese Unwirksamkeit von Amts wegen zu beachten.

Die deutsche Regierung stimmt der Ansicht des Finanzgerichts zu, daß Zollbefreiungen nach der Verordnung Nr. 1544/69 nur von Reisenden in Anspruch genommen werden könnten, die aus Drittländern einreisten. Das gleiche gelte für die Richtlinie 69/169. Die Teilnehmer an den erwähnten Schiffsreisen könnten daher weder die Zollbefreiung der Verordnung Nr. 1544/69 noch die Umsatz- und Verbrauchsteuerbefreiung der Richtlinie 69/169 in Anspruch nehmen.

Jedoch brauchten die Waren für eine abgabenfreie Einfuhr nicht aus einem Drittland zu kommen oder gar dort im freien Verkehr gewesen zu sein. Sie könnten vielmehr ebenso aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft stammen, aber in einem Duty-Free-Shop oder unterwegs auf einem Schiff oder Flugzeug erworben worden sein.

Die Gemeinschaftsregelungen für Steuer-und Zollbefreiungen seien nicht abschließend; daher seien die Mitgliedstaaten zum Erlaß ergänzender Regelungen befugt. Rechtsgrundlage der Verordnung Nr. 1544/69 sei Artikel 28 EWG-Vertrag. Dieser gebe der Gemeinschaft eine umfassende Zuständigkeit für die Regelung aller mit der Handhabung des Gemeinsamen Zolltarifs zusammenhängenden Fragen, also auch die Zuständigkeit für die Regelung von Zollbefreiungen. Soweit daher die Gemeinschaft Regelungen getroffen habe, könnten die Mitgliedstaaten keine davon abweichenden eigenen Vorschriften erlassen.

Auch im Rahmen des Zollrechts gebe es jedoch noch viele Bereiche, die nicht durch das Gemeinschaftsrecht erfaßt seien und daher nach wie vor der Regelung durch die Mitgliedstaaten unterlägen. Auch der Bereich der Zollbefreiungen gehöre zu den gemeinschaftsrechtlich noch nicht abschließend geregelten Gebieten.

Die Richtlinie 69/169 sei auf Artikel 99 EWG-Vertrag gestützt, der für die Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuer, die Verbrauchsabgaben und sonstige indirekte Steuern lediglich eine schrittweise Harmonisierung der Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten vorsehe, also die Regelung aller nicht vom Gemeinschaftsrecht erfaßten Bereiche den Mitgliedstaaten vorbehalte. Dementsprechend sehe Artikel 14 Absatz 2 i. V. mit Absatz 1 Buchstabe d der Sechsten Richtlinie zur Harmonisierung der Umsatzsteuern (Sechste Richtlinie 77/388 des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern — Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: Bemessungsgrundlage, ABl. 1977 L 145, S. 1) vor, daß die Mitgliedstaaten bis zum Inkrafttreten gemeinschaftlicher Regelungen Steuerbefreiungen für endgültig eingeführte Gegenstände beibehalten dürften, für die eine andere als die im Gemeinsamen Zolltarif vorgesehene Zollbefreiung gelte.

Die Verordnung Nr. 1818/75 sei auf die Artikel 43 und 235 EWG-Vertrag gestützt. Beide Artikel begründeten keine ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft, sondern ließen den Mitgliedstaaten die Freiheit ergänzender oder eigener Regelungen, soweit das Gemeinschaftsrecht eine Materie nicht abschließend geregelt habe.

Die bisherigen gemeinschaftsrechtlichen Regelungen für die zoll-, Steuer- und abschöpfungsfreie Einfuhr von Waren im persönlichen Gepäck von Reisenden seien nicht abschließend, sondern enthielten noch Lücken, die von den Mitgliedstaaten ausgefüllt werden könnten. Sowohl für das Steuer- wie für das Zollrecht habe die Kommission 1972 — also nach Erlaß der Richtlinie 69/169 und der Verordnung Nr. 1544/69 — Vorschläge für eine gemeinschaftsrechtliche Regelung vorgelegt, woraus sich ergebe, daß auch nach Auffassung der Kommission diese Bereiche noch nicht durch Gemeinschaftsrecht erfaßt gewesen seien.

Bei Einfuhren im innergemeinschaftlichen Reiseverkehr würden — nur — die sogenannten Drittlands-Steuerfreimengen gewährt, wenn der Reisende aus einem Gebietsteil eines anderen Mitgliedstaats ausgereist sei, in dem Umsatz- oder auch Verbrauchsteuern nicht zur Anwendung auf die dort verbrauchten Waren gelangten, und wenn nicht nachweisbar sei, daß die im Reisegepäck mitgeführten Waren zu steuerlichen Binnenmarktbedingungen erworben und steuerlich nicht entlastet worden seien (Artikel 2 Absatz 4 und 4 Absatz 4 der Richtlinie 69/169). Dieser Grundsatz, der für den innergemeinschaftlichen Reiseverkehr von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat gelte, dürfte nach Auffassung der Bundesregierung auch — möglicherweise erst recht — anwendbar sein, wenn Reisende von sogenannten Stichfahrten oder Fahrten nach Häfen eines anderen Mitgliedstaats mit Waren zurückkehrten, die sie abgabenfrei an Bord auf Fahrtstrecken in internationalen Gewässern oder in dem Gebiet zwischen der Hoheits- und der Seezollgrenze des Mitgliedstaats, in dem die Reise ende, erworben hätten. Das Gebiet zwischen der deutschen seewärtigen Hoheitsgrenze und der Seezollgrenze gehöre nach deutschem Recht nicht zum Erhebungsgebiet der Umsatzsteuer und der Sonderverbrauchsteuern; nach Ansicht der Bundesregierung würde es daher unter die Begriffsbestimmung in Artikel 2 Absatz 4 zweiter Gedankenstrich und Artikel 4 Absatz 4 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 69/169 fallen.

Die Regierung des Vereinigten Königreichs erklärt, sich nicht zu der Frage äußern zu wollen, ob die in dieser Rechtssache in Frage stehenden Verordnungen und Richtlinien bei richtiger Auslegung die Unvereinbarkeit der verschiedenen von den deutschen Zollbehörden zugelassenen Befreiungen von der Anwendung des Gemeinsamen Zolltarifs, gegen die sich die Klage richtet, mit dem Gemeinschaftsrecht zur Folge haben. Das Vereinigte Königreich gehe davon aus, daß die Verordnungen, die den Gemeinsamen Zolltarif und die in dieser Rechtssache in Rede stehenden Ausnahmeregelungen für diesen Tarif enthielten, in den Mitgliedstaaten unmittelbare Geltung hätten und einzelnen Bürgern Rechte verleihen könnten, die die nationalen Gerichte zu schützen hätten. Dem Vereinigten Königreich gehe es um die Frage, ob diese Verordnungen einzelnen Bürgern Rechte verleihen könnten, die sich in der Lage der Klägerinnen im vorliegenden Fall befänden. Diese führten lediglich darüber Klage, daß anderen über das nach Gemeinschaftsrecht zulässige Maß hinaus Zollfreiheit gewährt worden sei; das eigentliche Ziel der Klage sei es, diese anderen zu zwingen, ihren Verpflichtungen nachzukommen.

Die Tatsache, daß es ein Mitgliedstaat unterlasse, eine bestimmte Vorschrift des Gemeinschaftsrechts in seinem Zuständigkeitsbereich angemessen durchzusetzen, könne einen Rechtsverstoß darstellen, dem richtigerweise dadurch zu begegnen sei, daß eines der Organe der Gemeinschaft oder ein anderer Mitgliedstaat auf Gemeinschaftsebene entsprechende Schritte unternehme. Es handele sich nicht um einen Verstoß, gegen den der einzelne nach dem Gemeinschaftsrecht selbst mit einer Klage vor den Gerichten seines Landes vorgehen könne. So sehr er auch materiell geschädigt sein möge, es sei doch kein Recht verletzt worden, das ihm unmittelbar durch Vorschriften des Gemeinschaftsrechts eingeräumt sei. Dies bedeute jedoch nicht, daß ihm unter keinen Umständen ein Rechtsbehelf vor den Gerichten seines Landes zustehe. Es sei möglich, daß die Rechtswidrigkeit des Handelns (oder Unterlassens) der Behörden seines Landes, die sich aus deren Unvereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht ergebe, ihm bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen ein Klagerecht gewährten und die Inanspruchnahme bestimmter Rechtsbehelfe ermöglichten. Ob dem jedoch so sei, welches diese Voraussetzungen seien und um welche Rechtsbehelfe es sich handeln könne, seien Fragen, die von den nationalen Gerichten nach nationalem Recht entschieden werden müßten. Nach dem Recht des Vereinigten Königreichs hänge der Anspruch eines Bürgers, die Behörden zum Tätigwerden zur Durchsetzung des Rechts zu zwingen, oder der Anspruch auf Erlaß eines Urteils, mit dem ihre Verpflichtung zur Durchsetzung des Rechts festgestellt werde, davon ab, ob er über das Interesse der Öffentlichkeit im allgemeinen hinaus ein besonderes eigenes Interesse nachweisen könne.

Teil II des Vorlagebeschlusses betreffe die Umsatzsteuer und die Sonderverbrauchsteuern; in diesem Zusammenhang gehe es um eine Richtlinie und nicht um unmittelbar geltende Verordnungen. Nach Auffassung des Vereinigten Königreichs gelten die Ausführungen zu den Verordnungen jedoch in gleicher Weise für den Fall, daß der betreffende Rechtstext eine Richtlinie sei.

Es sei Sache der Mitgliedstaaten, die Richtlinie umzusetzen, wobei sie über Form und Methode der Umsetzung selbst entschieden. Die Richtlinien seien an die Mitgliedstaaten gerichtet, sie könnten Einzelpersonen deshalb zweifellos nicht unmittelbar binden und eine Einzelperson erst recht nicht in die Lage versetzen, durch eine Klage vor den Gerichten eines Mitgliedstaats die Durchsetzung von Rechtsvorschriften, die es im angenommenen Fall noch gar nicht gebe, gegenüber anderen Bürgern zu erzwingen.

Der Gerichtshof habe wiederholt entschieden, daß Richtlinien — wenn sie hinreichend genau formuliert seien — unmittelbare Geltung mit der Folge haben könnten, daß ein Bürger in die Lage versetzt werde, ihre Bestimmungen gegenüber einem Mitgliedstaat geltend zu machen, der seinen Verpflichtungen nicht nachkomme und versuche, entgegenstehende nationale Bestimmungen gegen ihn durchzusetzen (Urteile vom 5. April 1979 in der Rechtssache 148/78, Pubblico Ministero/Ratti, Sig. 1979, 1629, und vom 23. November 1977 in der Rechtssache 38/77, Enka B.V./Inspecteur der Invoerrechten en Accijnzen, Sig. 1977, 2203). Dies sei jedoch etwas ganz anderes als der Versuch einer Privatperson, einen Mitgliedstaat im Klagewege dazu zu zwingen, seine Pflichtverletzung allgemein abzustellen. Nach Auffassung des Vereinigten Königreichs steht ein solcher allgemeiner Rechtsbehelf nur der Kommission in Form der Klage nach Artikel 169 EWG-Vertrag zur Verfügung.

Die Kommission führt aus, die Verordnung Nr. 1544/69 enthalte keinerlei Aussagen über die Herkunft oder den zollrechtlichen Status der begünstigten Waren. Dagegen ergebe sich aus Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1544/69 in der Fassung der Verordnung Nr. 3061/78 eindeutig, daß die Zollbefreiung auf Reisende beschränkt sei, die aus einem Drittland kämen. Dies werde noch durch die siebte Begründungserwägung der Verordnung Nr. 3061/78 bestätigt. Schließlich stelle die zweite Begründungserwägung der Verordnung Nr. 3023/77 sogar ausdrücklich fest, daß die Verordnung Nr. 1544/69 nicht gelte für die Einfuhr von Waren im Anschluß an eine von einem Mitgliedstaat ausgehende Schiffsreise, bei der das Zollgebiet eines Drittlands nicht berührt worden sei. Das bloße Verlassen des Zollgebiets der Gemeinschaft, dessen Begrenzung an der deutschen Küste meist mit der Strandlinie indentisch sei, und die anschließende Wiedereinreise in dieses Gebiet könnten somit schon begrifflich nicht als Reise in ein Drittland verstanden werden.

Die Kommission wirft die Frage auf, ob es gegebenenfalls ausreiche, daß das Hoheitsgebiet eines Drittlands zu Wasser passiert worden sei, also das Schiff, auf dem die Wiedereinreise in das Zollgebiet der Gemeinschaft stattfinde, die Küstengewässer eines nicht der Gemeinschaft angehörenden Staates durchfahren habe. In diesem Fall liege zwar rein begrifflich eine Drittlandsberührung der Reise vor, Sinn und Zweck der Verordnung Nr. 1544/69 geböten jedoch, auch hier die Zollbefreiungen nicht anzuwenden.

Wenn bei einer Reise von vornherein nicht die Möglichkeit bestehe, in einem Drittland einzukaufen, liege kein Grund vor, bei der Einreise die von der Verordnung Nr. 1544/69 vorgesehenen Zollbefreiungen zu gewähren, da diese gerade deshalb eingeräumt seien, um den Reisenden die Möglichkeit zu geben, aus einem Drittland kleine Mengen Reiseerinnerungen oder Güter des unmittelbaren Bedarfs zum Verbrauch auf der Reise oder kurze Zeit danach ohne Belastung und große Förmlichkeiten einzuführen. Aus diesem Grund genüge es auch nicht, wenn ein Schiff nur symbolisch im Hafen eines Drittlands anlege und keine Möglichkeit zu einem Landgang und Einkäufen bestehe. Auch dieser Fall werde von der Verordnung Nr. 1544/69 nicht erfaßt.

Um in den Genuß der Befreiung nach der Verordnung Nr. 1544/69 zu kommen, müsse ein Aufenthalt von einiger Dauer in einem Drittland vorliegen, bei dem die Möglichkeit zum Einkauf in diesem Drittland bestehe. Wenn diese Möglichkeit bestehe, müsse die Verordnung Nr. 1544/69 auch für den Fall gelten, daß der Einkauf im Drittland der einzige Zweck der Reise gewesen sei.

Nach Auffassung der Kommission kommt es auf Herkunft und Status der Waren nicht an, sondern nur auf die Gelegenheit, bei der sie eingeführt würden. In der Praxis sei häufig schwer zu ermitteln, wo die Waren im einzelnen tatsächlich erworben worden seien. Die administrative Erleichterung bei der Grenzabfertigung von kleinen Mengen werde weitgehend zunichte gemacht, wenn der Zöllner prüfen müsse, wo und unter welchen Umständen eine Ware gegebenenfalls erworben worden sei.

Zudem werde in Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 69/169, der die Abgabenbefreiung im grenzüberschreitenden Reiseverkehr in der Gemeinschaft regele, ausdrücklich hervorgehoben, daß es sich um Waren im zollrechtlichen Freiverkehr handeln müsse, die außerdem entsprechend den allgemeinen Steuervorschriften des Binnenmarktes eines Mitgliedstaats erworben sein müßten. Wegen der Parallelität von Zoll- und Steuerbefreiungen lasse sich daraus schließen, dafi der Gemeinschaftsgesetzgeber das Problem der Herkunft und des Status der Waren deutlich gesehen habe und keine Entscheidung hinsichtlich der Herkunft und des Status der Waren, sondern allein hinsichtlich der Herkunft der Reisenden habe treffen wollen. Nach Ansicht der Kommission wäre es unsinnig, eine Ware ohne Zollbelastung zu lassen, wenn sie unmittelbar aus dem Drittland des Ursprungs eingeführt werde, jedoch bei der Einfuhr über ein anderes Drittland zu verlangen, daß sie dort zollrechtlich abgefertigt worden sei.

Nach alledem sei die Verordnung Nr. 1544/69 dahin auszulegen, daß die dort bestimmte Zollfreiheit zwar nur für Reisende gelte, die aus einem Drittland kämen und sich dort unter Umständen aufgehalten hätten, die ihnen gestattet hätten, dort Waren zu erwerben. Es komme jedoch nicht darauf an, ob die bei der Einreise in die Gemeinschaft mitgeführten Waren tatsächlich dort erworben worden seien oder sogar aus dem zollrechtlich freien Verkehr des betreffenden Drittlands stammten.

Die Verordnung Nr. 1544/69 enthalte eine abschließende Regelung über die Zollbefreiung von Waren im persönlichen Gepäck der Reisenden. Es sei den Mitgliedstaaten deshalb verwehrt, über den Geltungsbereich dieser Verordnung hinaus eigenständig Zollbefreiungen in derartigen Fällen zu gewähren.

Nach Artikel 28 EWG-Vertrag entscheide der Rat über alle autonomen Änderungen oder Aussetzungen der Sätze des Gemeinsamen Zolltarifs. Darunter fielen auch die hier betroffenen Zollbefreiungen im Reiseverkehr. Eine Zuständigkeit der Mitgliedstaaten bestehe insofern nicht. Soweit es sich um vertraglich mit Drittländern ausgehandelte Änderungen oder Aussetzungen handele, bestehe ebenfalls eine ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft nach Artikel 113 EWG-Vertrag. Für Befreiungen von den Agrarabschöpfungen und anderen im Rahmen der Agrarpolitik geltenden Abgaben bestehe die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft für Befreiungen nach Artikel 43 EWG-Vertrag in Verbindung mit den landwirtschaftlichen Marktordnungen. In keinem Fall bleibe also Raum für nationale Regelungen auf diesem Gebiet.

Zur vierten Frage des Finanzgerichts führt die Kommission aus, wolle man die Verordnung Nr. 3023/77 als Dauerregelung ansehen, so gebe es Gründe, die insoweit für ihre Ungültigkeit sprächen. Durch diese Verordnung werde nämlich die einheitliche Geltung des Gemeinsamen Zolltarifs bei der Einfuhr anläßlich von Fahrten mit bestimmten Transportmitteln durchbrochen, ohne daß ein sachlicher Grund bestehe, der diese ständige Ausnahme rechtfertige. Die Vorschriften des Gemeinsamen Zolltarifs müßten jedoch an den Außengrenzen des Zollgebiets der Gemeinschaft einheitlich gelten, unabhängig davon, welches Transportmittel der Einreisende benutze.

Die Verordnung Nr. 3023/77 stelle eine gegen Artikel 40 Absatz 3 EWG-Vertrag verstoßende Diskriminierung bestimmter Verbraucher dar, da sie den in Küstennähe wohnenden Verbrauchern eines Mitgliedstaats die Möglichkeit eröffne, Agrarwaren häufig auf einem Preisniveau zu erwerben, das auf dem meist niedrigeren Weltmarktpreisniveau beruhe, während allen anderen Verbrauchern zugemutet werde, die aus der gemeinsamen Agrarpolitik resultierenden Preise zu tragen.

Der Gerichtshof habe entschieden, daß der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz Bestandteil des Gemeinschaftsrechts sei (Urteile vom 19. Oktober 1977 in den verbundenen Rechtssachen 117/76 und 16/77, Ruckdeschel u. a./HZA Hamburg, Slg. 1977, 1753, sowie in den verbundenen Rechtssachen 124/76 und 20/77, S.A. Moulins et Huileries u. a./ONIC, Slg. 1977, 1795). Von daher bestünden Bedenken, bestimmte Formen des Verkaufs von Agrarerzeugnissen zu begünstigen (Verkauf auf Schiffen), anderen dagegen diese Vergünstigungen nicht einzuräumen (Einzelhandel auf dem Festland).

Bei der Verordnung Nr. 3023/77 könne es sich jedoch nur um eine Übergangslösung handeln, die einen ersten Schritt auf dem Wege darstelle, gewisse Mißstände aus der Zeit vor der vollen Geltung des Gemeinsamen Zolltarifs endgültig abzustellen, dabei jedoch wirtschaftliche Härten für die Betroffenen zu vermeiden. Die Kommission habe dies bei Gelegenheit der Annahme der Verordnung im Rat durch Erklärungen im Ratsprotokoll deutlich zum Ausdruck gebracht. Daher lasse sich die Verordnung Nr. 3023/77 als Übergangslösung zur Vermeidung von wirtschaftlichen Härten für einen bestimmten Personenkreis jedenfalls derzeit noch rechtfertigen.

Die dritte Frage des Finanzgerichts, die sich auf die Rechte der einzelnen Bürger beziehe, ist nach Ansicht der Kommission zu allgemein gehalten. Die Fragestellung sei vor dem Hintergrund des Ausgangsverfahrens dahin gehend einzuschränken, daß eine Antwort nur insoweit nötig sei, als es um mögliche Rechte des einzelnen aus dem Gemeinsamen Zolltarif der Gemeinschaft gehe. Die Frage des Finanzgerichts spitze sich darauf zu, ob die Bestimmungen des Gemeinsamen Zolltarifs und insbesondere diejenigen, die die Erhebung bestimmter Zölle bei der Einfuhr in die Gemeinschaft vorsähen, für den einzelnen Teilnehmer am Wirtschaftsleben, der im Schutze dieser Zölle seine Tätigkeit ausübe, gegebenenfalls einen Anspruch gegen die nationalen Behörden begründeten, die im Gemeinsamen Zolltarif vorgesehene Einfuhrbelastung auch tatsächlich anzuwenden, und ob er diesen Anspruch gegebenenfalls vor dem nationalen Gericht im Klagewege durchsetzen könne.

Eine solch ungewöhnliche Fallgestaltung, bei der die Klägerinnen von einer nationalen Behörde die Anwendung belastender Maßnahmen gegenüber Dritten forderten, die nach Auffassung der Klägerinnen im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht bisher von den nationalen Behörden begünstigt würden, werde zum erstenmal vor den Gerichtshof gebracht. Die Besonderheit der Fallgestaltung werde noch dadurch gesteigert, daß der Nachteil der Klägerinnen nicht unmittelbar aus der Begünstigung der dritten Personen (der Reisenden) entstehe, sondern wiederum nur mittelbar, indem nämlich die Begünstigung der Reisenden zu Wettbewerbsvorteilen für die Konkurrenten der Klägerinnen, d. h. die Verkäufer von bestimmten Waren an Bord von Schiffen, führe. Es sei also zu prüfen, ob die Bestimmungen des Gemeinsamen Zolltarifs den Klägerinnen subjektive Rechte einräumten. Der Gerichtshof habe die Frage nach den subjektiven Rechten des einzelnen im Gemeinschaftsrecht meist mit der Frage nach dessen unmittelbarer Wirkung verbunden. Sei eine Norm des Gemeinschaftsrechts hinreichend klar und bestimmt und lasse sie infolgedessen weder den Organen der Gemeinschaft noch den Mitgliedstaaten bei ihrer Anwendung einen Entscheidungsspielraum, gehe der Gerichtshof von einer unmittelbaren Wirkung in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten aus. Daraus folge dann in der Regel, daß sich der durch die Vorschriften begünstigte Bürger vor den nationalen Gerichten zur Durchsetzung persönlicher Ansprüche, die sich aus dieser Norm ergäben, auf die Bestimmung berufen könne (Urteile vom 17. Mai 1972 in der Rechtssache 93/71, Leonesio, Slg. 1972, 287, vom 19. Dezember 1968 in der Rechtssache 13/68, Salgoil, Slg. 1968, 679, und vom 17. Dezember 1969 in der Rechtssache 33/70, SACE, Slg. 1970, 1213). Es werde allerdings vorausgesetzt, daß die betreffende Norm auch tatsächlich darauf abziele, die Interessen des einzelnen Bürgers oder Unternehmens zu schützen (Urteil vom 22. Januar 1976 in der Rechtssache 60/75, Russo/ΑΙΜΑ, Slg. 1976, 45).

Es unterliege keinem Zweifel, daß die Zolltarife des Gemeinsamen Zolltarifs hinreichend klar und bestimmt seien und infolgedessen eine Direktwirkung in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten entfalteten. Bei den Zöllen des Gemeinsamen Zolltarifs handele es sich jedoch ausschließlich um Schutzzölle, die immer nur die Wirtschaft oder einzelne Wirtschaftszweige der Gemeinschaft generell schützten, niemals aber dem Bestand einzelner Unternehmen zu dienen bestimmt seien. Der Zollschutz gelte nicht dem einzelnen Wirtschaftsteilnehmer als Einzelperson oder als Einzelbetrieb.

Dieses Ergebnis werde bestätigt durch einen Blick auf die prozessualen Folgen, die ausgelöst würden, wollte man ein so weitgehendes Recht des einzelnen bejahen. Die Zuerkennung eines subjektiven Rechts auf Anwendung der vorgesehenen Zölle würde dazu führen, daß einzelne Personen insoweit den Vertragsverstoß der Mitgliedstaaten nicht nur in sie unmittelbar berührenden Einzelfällen, sondern ganz generell zur gerichtlichen Entscheidung vor ein nationales Gericht bringen könnten. Nach dem Rechtschutzsystem des Vertrages sei jedoch die Entscheidung über den Vertragsverstoß eines Mitgliedstaats dem Gerichtshof, und zwar nur auf Antrag der Kommission oder eines anderen Mitgliedstaats, vorbehalten. Auch diese Überlegung führe dazu, ein subjektives Recht im Sinne der Vorlagefrage zu verneinen.

Dieses Ergebnis bedeute jedoch keineswegs, daß der einzelne in solchen Fällen völlig rechtlos gestellt sei. Wie sich aus dem Vorlagebeschluß ergebe, könne er nach nationalem Recht durchaus die Verletzung von Rechten durch eine wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht rechtswidrige Praxis der Behörden oder durch ungültige nationale Gesetze geltend machen. Eines besonderen subjektiven Rechts aus dem Gemeinschaftsrecht bedürfe er dazu nicht. Das Gemeinschaftsrecht gebiete ohnehin nicht, wie der Gerichtshof festgestellt habe, daß in allen Fällen ein umfassender gerichtlicher Rechtschutz vor den nationalen Gerichten bestehe (Urteil vom 6. Mai 1980 in der Rechtssache 152/79, Lee/Landwirtschaftsminister, Slg. 1980, 1495). Die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts dürfe nur nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden (Urteil vom 21. Januar 1976 in der Rechtssache 60/75, Russo/AIMA, Slg. 1976, 45).

Zur fünften Frage führt die Kommission aus, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes seien die nationalen Behörden verpflichtet, eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts solange anzuwenden, bis der Gerichtshof sie für ungültig erklärt habe (Urteil vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 101/78, Granaria/Hoofdproduktschap, Slg. 1979, 623).

Auf die auch im Gemeinschaftsrecht anerkannten Grundrechte könnten im vorliegenden Zusammenhang Ansprüche gegen die nationalen Behörden nicht gestützt werden, da die Grundrechte des Gemeinschaftsrechts natürlich nur gegen Organe der Gemeinschaft, nicht aber gegenüber den nationalen Behörden Geltung hätten, selbst wenn diese in Ausübung von Aufgaben handelten, die ihnen von der Gemeinschaft übertragen worden seien.

Nach Ansicht der Kommission ist auf den zweiten Teil des Vorlagebschlusses, der die Umsatzsteuer und die Verbrauchsteuern betrifft, zu antworten, daß die Artikel 1 und 2 der Richtlinie 69/169 dahin auszulegen seien, daß die dort behandelte Befreiung von den Umsatz- und Sonderverbrauchsteuern nur für im persönlichen Gepäck befindliche Ware eines Reisenden gelte, der aus einem Drittland bzw. einem anderen Mitgliedstaat — gegebenenfalls nach Überqueren der Hohen See — einreise, nicht jedoch für die Einreise allein von der Hohen See. Erfolge die Einreise aus einem anderen Mitgliedstaat — gegebenenfalls nach Durchfahren der Hohen See oder eines Drittlands —, so sei weitere Voraussetzung für die Abgabenbefreiung, daß sich die Waren gemäß Artikel 9 und 10 EWG-Vertrag im freien Verkehr eines Mitgliedstaats befunden hätten und entsprechend den allgemeinen Steuervorschriften des Binnenmarkts eines Mitgliedstaats erworben worden seien.

Die Richtlinie 69/169 enthalte eine abschließende Regelung über die Befreiungen von den Umsatz- und Sonderverbrauchsteuern für Waren, die im persönlichen Gepäck von Reisenden im grenzüberschreitenden Verkehr mitgeführt würden. Die Mitgliedstaaten seien nicht befugt, weitere Befreiungen dieser Art im grenzüberschreitenden Verkehr einzuräumen. Die Richtlinie 69/169 begründe keine Rechte des einzelnen, von den Behörden eines Mitgliedstaats die Erhebung von Steuern in den Fällen zu verlangen, in denen die Richtlinie keine Befreiungen von den Umsatz- und Sonderverbrauchsteuern vorsehe. Wenn ein Mitgliedstaat von Reisenden bei der Einfuhr von Waren in sein Staatsgebiet nicht die an sich vorgesehenen Steuern erhebe, so könne das zwar gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen, wenn und soweit dieses eine Verpflichtung zur Erhebung der Steuern vorsehe. Eine solche Verpflichtung erwachse den Mitgliedstaaten aus der Richtlinie 69/169 und der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie. Dieser Verpflichtung der Mitgliedstaaten entspreche jedoch kein Recht des einzelnen auf Erhebung der Steuern. Ebenso wie in den einzelstaatlichen Rechtsordnungen kein Recht des einzelnen Bürgers darauf bestehe, daß andere Bürger tatsächlich ihre Steuern bezahlten, ergebe sich ein solches Recht auch nicht aus dem Gemeinschaftsrecht.

Nach Ansicht des Rates ist hinsichtlich der den Zoll betreffenden Verordnung Nr. 1544/69 zwischen den Personen, die Waren einführten, und den eingeführten Waren selbst zu unterscheiden. Bei den Personen müsse es sich um Reisende handeln, die aus einem Drittland in die Gemeinschaft einreisten. Was die — von aus einem Drittland kommenden Reisenden — eingeführten Waren betreffe, erfordere es die Verordnung Nr. 1544/69 nicht, daß die Waren aus dem Zollgebiet eines Drittlands oder gar aus dessen zollrechtlich freiem Verkehr stammten. Es sei unerheblich, ob die Waren aus einem Mitgliedstaat oder einem Drittland stammten.

Aufbau und Inhalt der Richtlinie 69/169 seien mit Aufbau und Inhalt der Verordnung Nr. 1544/69 weitgehend identisch; in beiden Fällen handele es sich um Abgabenbefreiungen im grenzüberschreitenden Reiseverkehr. Somit hätten die zur Verordnung Nr. 1544/69 gemachten Ausführungen auch im Hinblick auf die Richtlinie 69/169 Gültigkeit.

Zu der Frage, ob die Verordnung Nr. 3023/77 deswegen ungültig sei, weil sie gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht verstoße, verweist der Rat auf die Antwort, die er am 19. Juli 1978 dem Abgeordneten des Europäischen Parlaments Notenboom erteilt habe, der unter anderem gefragt habe :

„2.

Welche Rechtfertigung politischer, wirtschaftlicher und juristischer Art kann der Rat zur Stützung der Bestimmungen von Verordnung (EWG) Nr. 3023/77 anführen ...?“

Hierauf habe der Rat wie folgt geantwortet:

„2.

Der Rat ist der Ansicht, daß er in Anbetracht des verfolgten Ziels, Mißbräuche zu vermeiden, durch seine Verordnung (EWG) Nr. 3023/77 die politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Aspekte der aufgetretenen Probleme berücksichtigt und sich in diesem Sinne, wenn auch in begrenzter und nicht endgültiger Weise, bemüht hat,

den Auswirkungen solcher Maßnahmen auf das Wirtschaftsleben und die Beschäftigung in bestimmten Gebieten der Gemeinschaft, die an Drittländer angrenzen und dem Wettbewerb dieser Länder in denselben Tätigkeiten ausgesetzt sind, Rechnung zu tragen;

nachteilige wirtschaftliche Folgen für gemeinschaftliche Erzeugnisse und für aus Drittländern eingeführte und in der Gemeinschaft in den freien Verkehr gebrachte Erzeugnisse sowie Wettbewerbsverzerrungen zwischen Geschäftsleuten und Diskriminierungen zwischen Verbrauchern der Gemeinschaft insbesondere bei Agrarerzeugnissen, von denen es in der Gemeinschaft Überschüsse gibt, zu vermeiden;

gleiche Wettbewerbsbedingungen für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse der Gemeinschaft im Verhältnis zu gleichen Erzeugnissen aus Drittländern, die an Bord von Schiffen verkauft werden, zu schaffen;

die Haushaltsinteressen der Gemeinschaft dadurch zu wahren, daß die Gewährung der nach der Verordnung zulässigen Zollbefreiung auf sehr begrenzte Mengen und auf bestimmte Erzeugnisse beschränkt wird und daß den Mitgliedstaaten im übrigen nur eine Möglichkeit an die Hand gegeben wird.“

(ABl. 1978, C 199/16, 18)

Die Verordnung Nr. 3023/77 verletze die Grundsätze der Gleichbehandlung und des Diskriminierungsverbots nicht. Was zunächst die Verbraucher angehe, könne jedermann an den fraglichen Schiffsreisen teilnehmen und in den Genuß der Ausnahmeregelung kommen, wenn ein Mitgliedstaat von der Möglichkeit der Befreiung von den Einfuhrabgaben Gebrauch gemacht habe, wie es bei der Bundesrepublik Deutschland der Fall sei. Diese Teilnahmemöglichkeit sei weder rechtlich noch tatsächlich auf die Bewohner der Küstenorte beschränkt, von denen die Schiffe jeweils ausliefen. Viele der Teilnehmer kämen aus küstenfernen Orten ganz Norddeutschlands. Selbstverständlich sei auch eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit gegenüber Staatsbürgern anderer Mitgliedstaaten (Artikel 7 EWG-Vertrag) ausgeschlossen.

Der Rat sieht auch die Wettbewerbsgleichheit durch die Butterfahrten nicht verletzt. 1976 hätten die am Tagesausflugsverkehr auf der Ostsee beteiligten Reedereien Professor Dr. Jürgensen, Hamburg, beauftragt, ein Gutachten über Strukturen, Auswirkungen und Beurteilung dieses Verkehrs zu erstellen. Dieses Gutachten datiere vom 24. Februar 1977, stamme also aus der Zeit vor dem Erlaß der Verordnung Nr. 3023/77. Wie aus ihm hervorgehe, seien im Jahr 1976 im Jahresmittel 4,5 % der Passagiere zu Fuß auf das Schiff gekommen, 20,7 % mit dem Personenkraftwagen, 73,6 % mit dem Autobus und 1,2 % mit der Eisenbahn. Die Umsatzausfälle des Einzelhandels mit Lebensmitteln in den „relevanten Kreisen und kreisfreien Städten“ Schleswig-Holsteins von Flensburg über Kiel bis Lübeck würden in dem Gutachten mit 0,3 %, die des Einzelhandels mit Tabakwaren mit 1,1 % angegeben. Der Gutachter vertrete die Auffassung, daß diese Branche in der Lage sein müsse, derartige Ausfälle zu tragen.

Nach Ansicht des Rates sind die Auswirkungen der Bordverkäufe auf den Einzel- und Großhandel in den Küstenorten nur von geringem Ausmaß. Sie hielten sich „in vernünftigen Grenzen“. So sei z. B. der Absatz von Butter vermindert, doch stelle die Verlängerung der Saison in den Ferienorten der Ostsee, die Kaufkraft des dort jetzt ganzjährig eingesetzten seemännischen Personals sowie der Verkaufskräfte an Bord und selbst der Bordbedarf an Frischwaren einen gewissen Ausgleich dar.

Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei nicht verletzt. Das gewählte Mittel sei der Situation angepaßt. Die Ausnahmeregelung sei auf sehr begrenzte Mengen beschränkt.

Weitere Überlegungen gesamtwirtschaftlicher Art sprächen für die hier gegebene Regelung. Der Tagesausflugsverkehr trage zu einer Verlängerung der sonst relativ kurzen Fremdenverkehrssaison an der deutschen Ostsee bei. Er verhindere Abwanderungen von Arbeitskräften aus diesen regional ungünstig gelegenen Gebieten; er diene vielmehr der Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen. Ohne diesen Tagesausflugsverkehr müßten die meisten der beteiligten Schiffe im Winterhalbjahr stillgelegt, „aufgelegt“, werden. Im Reedereibereich werde die Zahl der ganzjährig eingesetzten Personen auf rund 1000 geschätzt. Hinzu kämen noch die Beschäftigungen bei den Busunternehmen, Schiffsausrüstern und Werften.

Nach Ansicht des Rates gibt es wahrscheinlich mehrere gleichzeitig zu behandelnde Materien, von denen die Bordverkäufe eine seien. Er denke dabei an die „tax free shops“ auf den Flughäfen und die Bevorratung von Schiffen (und internationaler Züge) mit Bordbedarf.

Was die „tax free shops“ angehe, sei es trotz verschiedener Anläufe nicht gelungen, zu einer Gemeinschaftsregelung zu gelangen. In diesem Zusammenhang genüge der Hinweis, daß das Europäische Parlament kürzlich, in seiner Sitzung vom 18. April 1980, in seiner Stellungnahme zum Vorschlag der Kommission an den Rat für eine Fünfte Richtlinie zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Umsatzsteuern und Sonderverbrauchsteuern im grenzüberschreitenden Reiseverkehr unter anderem erklärt habe, es

„ersuch[e] die Kommission, ihm über die Probleme im Zusammenhang mit dem Bestehen von ‚tax free shops‘ und über die Frage, ob diese Läden für Reisende zwischen den Mitgliedstaaten eventuell verboten werden sollten, Bericht zu erstatten“ (Nr. 8 der Entschließung mit der Stellungnahme, ABl. 1980, Nr. 117, S. 83).

Im vorliegenden Fall handele es sich um einen Dritten, nämlich eine erst in zweiter Hinsicht betroffene Person: Dadurch daß der Mitgliedstaat gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen zugunsten der unmittelbar Betroffenen anwende oder nicht anwende, ergebe sich möglicherweise, als Reflex, eine Auswirkung auf eine dritte Person, für die das Finanzgerieht hier nach Rechtsschutzmöglichkeiten frage.

Der Rat regt an, die dem Gerichtshof vorglegten Rechtschutzfragen verneinend zu beantworten. Der Vertrag sehe weitreichende Rechtschutzmöglichkeiten vor. Die Möglichkeit einer Vorabentscheidung gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag reiche insoweit aus. Außerdem zeigten die Vorschriften der Artikel 173 Absatz 2, 175 Absatz 3 und 184 EWG-Vertrag, daß ein Angriff einer Einzelperson auf allgemein anwendbare Vorschriften des Gemeinschaftsrechts nur in einem engen Rahmen zulässig sei. Dies alles bedeute keine Verkürzung des Rechtschutzes, da die nationalen Möglichkeiten — zusammen mit Artikel 177 EWG-Vertrag — wie auch etwa die Schadensersatzklage gemäß Artikel 215 Absatz 2 als Rechtschutzmöglichkeiten voll bestehen blieben.

III — Mündliches Verfahren

Die Rewe-Handelsgesellschaft Nord mbH und die Firma Rewe-Markt Steffen, Kiel, vertreten durch den leitenden Justitiar der Rewe-Zentral AG Gert Meier, die Regierung der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Rechtsanwalt A. Deringer, Köln, die französische Regierung, vertreten durch ihren Bevollmächtigten H. Marty-Gauquié, die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch ihren Bevollmächtigten Jörn Sack vom Juristischen Dienst, und der Rat der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater Bernhard Schloh als Bevollmächtigten, haben in der Sitzung vom 4. Februar 1981 mündliche Ausführungen gemacht.

Der Generalanwalt hat seine Schlußanträge in der Sitzung vom 18. März 1981 vorgetragen.

Entscheidungsgründe

1

Das Finanzgericht Hamburg hat mit Beschluß vom 5. Juni 1980, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Juli 1980, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag mehrere Fragen nach der Auslegung der Verordnung Nr. 1544/69 des Rates vom 23. Juli 1969 über die zolltarifliche Behandlung von Waren, die im persönlichen Gepäck der Reisenden eingeführt werden (ABl. L 191, S. 1), und der Richtlinie 69/169 des Rates vom 28. Mai 1969 zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Befreiung von den Umsatzsteuern und Sonderverbrauchsteuern bei der Einfuhr im grenzüberschreitenden Reiseverkehr (ABl. L 133, S. 6) sowie nach der Gültigkeit der Verordnung Nr. 3023/77 des Rates vom 20. Dezember 1977 über Maßnahmen, mit denen Mißbräuchen durch den Verkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse an Bord von Schiffen ein Ende bereitet werden soll (ABl. L 358, S. 2), zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2

Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen einer Groß- und einer Einzelhandelsfirma mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland einerseits und dem Hauptzollamt Kiel andererseits, in dem es um die Frage geht, ob die sogenannten „Butterfahrten“, die verschiedene Reedereien von den Häfen der Ostseeküste aus veranstalten, gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen.

3

Die Butterfahrten führen über die Seezollgrenze hinaus in die Küstengewässer oder auf die Hohe See außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets. Während der Fahrt können die Fahrgäste Waren wie Spirituosen, Butter, Fleisch, Tabakwaren und Parfumerieartikel kaufen. Innerhalb bestimmter Höchstgrenzen werden bei der Einfuhr der Waren an der deutschen Zollgrenze keine Abgaben erhoben. Die Butterfahrten sind für die Unternehmen, die sie veranstalten, von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung.

4

Bei der Klägerin im Ausgangsverfahren zu 1) handelt es sich um eine Großhandelsfirma mit Sitz in der Nähe von Kiel (Bundesrepublik Deutschland). Sie handelt u. a. mit Waren, wie sie auch während der Butterfahrten verkauft werden. Ihre Kunden, zu denen die Klägerin im Ausgangsverfahren zu 2) gehört, sind Einzelhandelsgeschäfte im Bereich der Ostseeküste.

5

Laut Vorlagebeschluß machten die Klägerinnen vor dem Finanzgericht geltend, durch die Butterfahrten werde ein erheblicher Teil der Kaufkraft der Bewohner der Ostseeküste von den dort ansässigen Einzel- und Großhandelsgeschäften abgezogen und auf die Reedereien, die Butterfahrten durchführten, umgelegt. Den Reedereien werde dadurch, daß sie Waren abgabenfrei oder subventioniert verkaufen könnten, zu Lasten der Groß- und Einzelhändler ein erheblicher Wettbewerbsvorteil eingeräumt, der zu einer Verzerrung des Wettbewerbs führe.

6

Vor dem Finanzgericht beantragten die Klägerinnen ursprünglich festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet sei, die abgabenfreie Abfertigung zu unter-lassen. Später beantragten sie, den Beklagten zu verpflichten, es zu unterlassen, Reisende mit den bei sogenannten Butterfahrten erworbenen, abgabenfrei belassenen oder subventionierten Waren beim Passieren der Zollgrenze abgabenfrei abzufertigen.

7

Das mit dem Rechtsstreit befaßte Finanzgericht hat dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

„Zum Zoll

1.

Ist die Verordnung (EWG) Nr. 1544/69 des Rates vom 23. Juli 1969, zuletzt in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 3061/78 des Rates vom 19. Dezember 1978, dahin auszulegen, daß die dort bestimmte Zollfreiheit nur für Waren gilt, die aus dem Zollgebiet eines Drittlands und gegebenenfalls zusätzlich aus dessen zollrechtlich freien Verkehr stammen oder genügt es, daß die Waren aus Mitgliedstaaten stammen, und über die Seezollgrenze oder über die Grenze des Hoheitsgebiets des jeweiligen Mitgliedstaats von der Hohen See kommend eingeführt werden?

2.

Enthält die Verordnung (EWG) Nr. 1544/69, zuletzt in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 3061/78, gegebenenfalls in Verbindung mit Artikel 28 EWG-Vertrag — vorbehaltlich der von der Verordnung (EWG) Nr. 3023/77 des Rates vom 20. Dezember 1977 erfaßten Waren — eine abschließende Regelung über die Zollfreiheit von Waren im persönlichen Gepäck von Reisenden oder dürfen die Mitgliedstaaten über den Regelungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 1544/69 hinaus — vorbehaltlich der von der Verordnung (EWG) Nr. 3023/77 erfaßten Waren — eigenständig Zollfreiheit gewähren?

3.

Begründet der Verstoß gegen eine Gemeinschaftsverordnung unmittelbare Rechte für denjenigen, der durch ihrem Regelungsbereich widersprechende mitgliedstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften bzw. deren Durchführung in seinen Rechten betroffen wird, in dem Sinne, daß er vor einem nationalen Gericht auf Unterlassung gemeinschaftsrechtswidriger Maßnahmen bzw. Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften klagen kann?

4.

Ist die Verordnung (EWG) Nr. 3023/77 deswegen ungültig, weil sie gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht (z. B. Gleichheitssatz, Diskriminierungsverbot, Wettbewerbsgleichheit, Verhältnismäßigkeit) verstößt?

5.

Im Falle der Bejahung der Frage zu 4.: Werden für denjenigen, der durch eine auf der Verordnung (EWG) Nr. 3023/77 beruhende mitgliedstaatliche Rechts- oder Verwaltungsvorschrift bzw. deren Durchführung in seinen Rechten betroffen wird, unmittelbare Rechte in dem Sinne begründet, daß er vor einem nationalen Gericht auf Unterlassung gemeinschaftsrechtswidriger Maßnahmen klagen kann?

Zur Umsatzsteuer und den Sonderverbrauchsteuern

6.

Ist die Richtlinie 69/169/EWG des Rates vom 28. Mai 1969, zuletzt in der Fassung der Richtlinie 78/1032/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978, dahin auszulegen, daß die dort behandelte Befreiung von den Umsatzsteuern und den Sonderverbrauchsteuern nur für im persönlichen Gepäck eines Reisenden eingeführte Waren gilt, die aus dem Zollgebiet eines Drittlands (Artikel 1) bzw. bei Herkunft der Ware aus einem Mitgliedstaat aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft (Artikel 2), gegebenenfalls zusätzlich aus dem zollrechtlich freien Verkehr eines Drittlands bzw. Mitgliedstaats stammen, oder genügt es, daß die Waren über die Seezollgrenze oder über die Grenze des Hoheitsgebiets des jeweiligen Mitgliedstaats von der Hohen See kommend eingeführt werden?

7.

Enthält die Richtlinie 69/169/EWG in der zuletzt gültigen Fassung eine abschließende Regelung über Umsatzsteuer- und Sonderverbrauchsteuerbefreiungen für Waren, die im persönlichen Gepäck der Reisenden eingeführt werden, oder dürfen die Mitgliedstaaten über den Regelungsbereich der Richtlinie hinausgehend für Waren im persönlichen Gepäck von Reisenden eigenständige Befreiungen von den Umsatzsteuern und den Sonderverbrauchsteuern gewähren?

8.

Begründet die Richtlinie 69/169/EWG in der zuletzt gültigen Fassung unmittelbare Rechte für denjenigen, der durch eine ihren Regelungsinhalt widersprechende mitgliedstaatliche Rechts- oder Verwaltungsvorschrift bzw. deren Durchführung in seinen Rechten betroffen wird, in dem Sinne, daß er vor einem nationalen Gericht auf Unterlassung nationaler gemeinschaftsrechtswidriger Maßnahmen klagen kann?“

I — Zum Zoll

Zur ersten Frage (Auslegung der Verordnung Nr. 1544/69 — Zollbefreiungen)

8

Die Verordnung Nr. 1544/69, zuletzt geändert durch die Verordnung Nr. 3061/78 (ABl. L 366, S. 3), regelt im einzelnen die zolltarifliche Behandlung von Waren, die im persönlichen Gepäck der Reisenden eingeführt werden.

9

Der Zweck der Verordnung Nr. 1544/69 besteht nach ihren Begründungserwägungen darin, den Zollverwaltungen die Arbeit zu erleichtern, indem ihnen die komplizierten Probleme der Zollabfertigung erspart werden, die dadurch auftreten, daß Einfuhren aus Drittländern in die Gemeinschaft sehr häufig sind und viele verschiedenartige Waren betreffen. Zu diesem Zweck sieht die Verordnung vor, daß Waren, die im persönlichen Gepäck der Reisenden eingeführt werden, in bestimmtem Umfang vom Zoll befreit sind, sofern die Einfuhr keinen kommerziellen Charakter hat.

10

Die Verordnung Nr. 1544/69 in der Fassung der Verordnung Nr. 3061/78 sagt nichts über die Herkunft der Waren aus, die vom Zoll befreit sind. Nach ihrem Artikel 1 sind Waren, die im persönlichen Gepäck der aus Drittländern kommenden Reisenden eingeführt werden, von den Zöllen des Gemeinsamen Zolltarifs befreit, sofern die Einfuhr keinen kommerziellen Charakter hat. Nach Absatz 1 Unterabsatz 2 dieses Artikels sind persönliches Gepäck sämtliche Gepäckstücke, die der Reisende bei seiner Ankunft bei der Zollstelle gesteilen kann, sowie die Gepäckstücke, die er später bei derselben Stelle gestellt, wobei er nachweisen muß, daß sie bei seiner Abreise bei der Gesellschaft, die ihn befördert hat, als Reisegepäck aufgegeben wurden.

11

Die Verordnung betrifft kleine Warenmengen, deren Zollwert gering ist. Das Ziel der Verordnung, die Zollabfertigung von Waren zu erleichtern, die im persönlichen Gepäck der aus Drittländern kommenden Reisenden eingeführt werden, würde nicht erreicht, wenn die Zollbehörden bei der Einfuhr die Herkunft der Waren ermitteln müßten, für die Zollfreiheit in Anspruch genommen wird.

12

Daher ist festzustellen, daß die Verordnung Nr. 1544/69 für das Gepäck der aus Drittländern kommenden Reisenden gilt, ohne daß es auf den Ursprung und der Herkunft dieser Waren oder darauf ankommt, welche Zölle oder sonstigen Abgaben auf sie vor ihrer Einfuhr in das Gmeinschaftsgebiet erhoben worden sind.

13

Des weiteren ist auf die siebte Begründungserwägung der Verordnung hinzuweisen, in der es heißt: „Um eine mißbräuchliche Auslegung zu vermeiden, ist... ausdrücklich festzulegen, daß die Befreiung von den Zöllen des Gemeinsamen Zolltarifs ausschließlich für aus einem Drittland kommende Reisende gewährt wird.“ Hierin kommt klar der Wille des Rates zum Ausdruck, Mißbräuche zu verhindern. Daher können als aus Drittländern kommende Reisende, die in den Genuß der Befreiung von den Zöllen des Gemeinsamen Zolltarifs kommen können, solche Personen nicht angesehen werden, die während einer Schiffsreise von einem Hafen eines Mitgliedstaats aus in einem Drittland nicht oder nur symbolisch an Land gehen, ohne sich dort wirklich, d. h. lange genug aufzuhalten, um tatsächlich Einkäufe tätigen zu können.

14

Auf die erste Frage ist somit zu antworten, daß die in der Verordnung Nr. 1544/69, zuletzt geändert durch die Verordnung Nr. 3061/78, vorgesehene Befreiung nur für Waren gilt, die im persönlichen Gepäck von aus Drittländern kommenden Reisenden eingeführt werden. Sie gilt unabhängig von Ursprung und Herkunft der Waren und von den Zöllen und sonstigen Abgaben, die auf sie vor ihrer Einfuhr in das Gemeinschaftsgebiet erhoben worden sind. Als aus Drittländern kommende Reisende im Sinne der Verordnung können jedoch solche Personen nicht angesehen werden, die während einer Schiffsreise von einem Hafen eines Mitgliedstaats aus in einem Drittland nicht oder nur symbolisch an Land gehen, ohne sich dort lange genug aufzuhalten, um tatsächlich Einkäufe tätigen zu können.

Zur zweiten Frage (Auslegung der Verordnung Nr. 1544/69 — Zollbefreiungen)

15

Die Tätigkeit der Gemeinschaft umfaßt nach Artikel 3 Buchstabe b EWG-Vertrag u. a. die Einführung eines Gemeinsamen Zolltarifs, und Artikel 9 EWG-Vertrag bestimmt: „Grundlage der Gemeinschaft ist eine Zollunion, die sich auf den gesamten Warenaustausch erstreckt; sie umfaßt das Verbot, zwischen den Mitgliedstaaten Ein- und Ausfuhrzölle und Abgaben gleicher Wirkung zu erheben, sowie die Einführung eines Gemeinsamen Zolltarifs gegenüber dritten Ländern.“ Nach Artikel 28 EWG-Vertrag entscheidet über alle autonomen Änderungen oder Aussetzungen der Sätze des Gemeinsamen Zolltarifs der Rat.

16

Aus diesen Bestimmungen geht klar hervor, daß es Sache des Rates ist, nach Maßgabe des Vertrages darüber zu entscheiden, ob für einzelne Waren unter bestimmten Voraussetzungen abweichend vom Gemeinsamen Zolltarif Zollfreiheit gewährt werden soll. Daraus folgt, daß den Mitgliedstaaten jedenfalls von dem Zeitpunkt an, in dem der Rat — wie z. B. mit der Verordnung Nr. 1544/69 geschehen — auf einem bestimmten Gebiet einheitliche Durchführungsvorschriften über Zollbefreiungen erlassen hat, keinerlei Zuständigkeit für die Gewährung von Zollbefreiungen verbleibt, die über das gemeinschaftsrechtlich festgelegte Maß hinausgehen.

17

Auf die zweite Frage ist somit zu antworten, daß die Verordnung Nr. 1544/69 eine abschließende Regelung über die Zollfreiheit von Waren enthält, die im persönlichen Gepäck der aus Drittländern kommenden Reisenden eingeführt werden, und daß die Mitgliedstaaten infolgedessen nicht mehr dafür zuständig sind, im Regelungsbereich der Verordnung über das in dieser vorgesehene Maß hinaus Zollfreiheit zu gewähren.

Zur vierten Frage (Gültigkeit der Verordnung Nr. 3023/77 — Befreiung von den landwirtschaftlichen Abschöpfungen)

18

Die vierte Frage geht dahin, ob die Verordnung Nr. 3023/77 des Rates deswegen ungültig ist, weil sie gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht (z. B. Gleichheitssatz, Diskriminierungsverbot, Wettbewerbsgleichheit, Verhältnismäßigkeit) verstößt.

19

Bevor die Verordnung anhand dieser Maßstäbe geprüft wird, ist jedoch zu klären, ob sie den Begründungserfordernissen des Artikels 190 EWG-Vertrag genügt.

20

Mit der Verordnung Nr. 1818/75 des Rates vom 10. Juli 1975 (ABl. L 185, S. 3) wurden die Befreiungen nach der Verordnung Nr. 1544/69 auf landwirtschaftliche Abschöpfungen und andere Abgaben bei der Einfuhr ausgedehnt, die im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik oder im Rahmen der nach Artikel 235 EWG-Vertrag auf bestimmte landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse anwendbaren spezifischen Regelungen vorgesehen sind, sofern diese Erzeugnisse im persönlichen Gepäck von Reisenden in die Gemeinschaft eingeführt werden.

21

Nachdem der Rat festgestellt hatte, daß diese Ausdehnung der Befreiungen zu Mißbräuchen führte, erließ er am 20. Dezember 1977 die Verordnung Nr. 3023/77 „über Maßnahmen, mit denen Mißbräuchen durch den Verkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse an Bord von Schiffen ein Ende bereitet werden soll“. In den Begründungserwägungen dieser Verordnung wird zunächst hervorgehoben, daß die Verordnung Nr. 1544/69 (Zollbefreiungen im eigentlichen Sinne) nicht für die Einfuhr von Waren im Anschluß an eine von einem Mitgliedstaat ausgehende Reise gelte, bei der das Zollgebiet eines Drittlands nicht berührt worden sei. Weiter heißt es dort, erfahrungsgemäß seien gemeinschaftliche landwirtschaftliche Erzeugnisse, für die Ausfuhrerstattungen gewährt worden seien, und landwirtschaftliche Erzeugnisse aus Drittländern an Bord von Schiffen, welche aus einem Gemeinschaftshafen ausgelaufen seien und erneut in einen Gemeinschaftshafen einliefen, ohne einen Hafen außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft angelaufen zu haben, verkauft oder verteilt worden, um unter Inanspruchnahme der in den Verordnungen (EWG) Nr. 1544/69 und Nr. 1818/75 vorgesehenen Abgabenbefreiungen in die Gemeinschaft eingeführt zu werden.

22

Wie aus diesen Begründungserwägungen hervorgeht, stand es nach Ansicht des Rates mit dem Ziel der genannten Verordnungen nicht im Einklang, daß Waren, die unter den in diesen Begründungserwägungen genannten Bedingungen von Reisenden erworben worden waren, der Zugang zum Zollgebiet der Gemeinschaft unter Befreiung von Zöllen und landwirtschaftlichen Abschöpfungen ermöglicht wurde. Da Ausfuhrerstattungen zu dem Zweck gewährt werden, die aus der Gemeinschaft stammenden landwirtschaftlichen Erzeugnisse auf den außergemeinschaftlichen Märkten gegenüber Erzeugnissen aus Drittländern wettbewerbsfähig zu machen, wäre es mit dem gemeinschaftlichen System der Ausfuhrerstattungen unvereinbar, solche Erstattungen für Ausfuhren zu gewähren, die nicht für den Markt eines Drittlands bestimmt sind, sondern unter Befreiung von den normalerweise auf Agrárimporté erhobenen Abschöpfungen in die Gemeinschaft wiedereingeführt werden sollen. Derartige Vorgänge können zu einem erheblichen Verlust für die landwirtschaftlichen Ausrichtungs- und Garantiefonds sowie zu einer Verfälschung des Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt führen.

23

In der fünften Begründungserwägung der Verordnung Nr. 3023/77 führt der Rat jedoch aus:

„Es erscheint notwendig, die Rechtslage in dieser Frage zu klären. Zu diesem Zweck sollten die Mitgliedstaaten ermächtigt werden, für sehr begrenzte Mengen der in Anhang II des Vertrages aufgeführten Erzeugnisse, die unter den vorgenannten Bedingungen an Bord von Schiffen verkauft oder verteilt werden, Abgabenbefreiungen zu gewähren, außerhalb deren diese Erzeugnisse künftig nur gegen Entrichtung der fälligen Einfuhrabgaben in die Gemeinschaft eingeführt werden dürfen.“

24

Demgemäß ermächtigt die Verordnung die Mitgliedstaaten, für bestimmte Mengen von Erzeugnissen, die in Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung aufgeführt sind, unter den in den Begründungserwägungen beschriebenen Voraussetzungen Befreiung von den Einfuhrabgaben zu gewähren.

25

Artikel 190 EWG-Vertrag bestimmt: „Die Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen des Rates und der Kommission sind mit Gründen zu versehen, und nehmen auf die Vorschläge und Stellungnahmen Bezug, die nach diesem Vertrag eingeholt werden müssen.“ Dieser Artikel verlangt, daß in den genannten Rechtsakten die Gründe, die das Organ zu ihrem Erlaß veranlaßt haben, so dargelegt werden, daß dem Gerichtshof die Ausübung seiner Rechtskontrolle und den Mitgliedstaaten sowie deren etwa beteiligten Staatsangehörigen die Unterrichtung darüber ermöglicht wird, in welcher Weise die Gemeinschaftsorgane den Vertrag angewandt haben.

26

Die Begründung der Verordnung Nr. 3023/77 genügt nicht dieser Pflicht. Sie gibt in keiner Weise Aufschluß darüber, weshalb der Rat, nachdem er festgestellt hatte, daß die Verordnung Nr. 1544/69 entgegen einer bereits gefestigten Praxis in den oben genannten Fällen keine Anwendung finden könne, den Erlaß einer auf derartige Fälle anwendbaren besonderen Befreiungsregelung für erforderlich hielt. Ein solcher Widerspruch in der Begründung wiegt um so schwerer, als er eine Vorschrift betrifft, durch die die Mitgliedstaaten ermächtigt werden, von den Einfuhrabgaben, die ein wesentliches Element der gemeinsamen Agrarpolitik darstellen, Befreiungen, wenn auch nur in geringem Umfang, zu gewähren. Aus der Begründung ergibt sich demnach keine Rechtsgrundlage für die angegriffenen Verordnungsbestimmungen, so daß es sich erübrigt, sie materiell daraufhin zu überprüfen, ob sie mit den Grundsätzen des Gemeinsamen Marktes vereinbar sind.

27

Es genügt somit festzustellen, daß die Verordnung Nr. 3023/77 nicht in einer den Erfordernissen des Artikels 190 EWG-Vertrag genügenden Weise mit Gründen versehen und daher ungültig ist.

II — Zur Umsatzsteuer und zu den Sonderverbrauchsteuern

Zur sechsten und siebten Frage (Auslegung der Richtlinie 69/169 — Befreiung von der Mehrwertsteuer und den Sonderverbrauchsteuern)

28

Nach der Richtlinie 69/169 zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Befreiung von den Umsatzsteuern und Sonderverbrauchsteuern bei der Einfuhr im grenzüberschreitenden Reiseverkehr in der Fassung der zweiten Richtlinie vom 12. Juni 1972 (ABl. L 139, S. 28) und der dritten Richtlinie vom 19. Dezember 1978 (ABl. L 366, S. 28) sind im Reiseverkehr zwischen Drittländern und der Gemeinschaft Waren, die im persönlichen Gepäck der Reisenden eingeführt werden, von den genannten Steuern bei der Einfuhr befreit, sofern ihr Wert bestimmte Grenzen nicht überschreitet.

29

Nach dieser Richtlinie sind auch Waren, die im persönlichen Gepäck der Reisenden mit Herkunft aus Mitgliedstaaten der Gemeinschaft eingeführt werden, innerhalb bestimmter Wertgrenzen von diesen Steuern bei der Einfuhr unter der Voraussetzung befreit, daß sie die Bedingungen der Artikel 9 und 10 EWG-Vertrag erfüllen und entsprechend den allgemeinen Steuervorschriften des Binnenmarkts eines Mitgliedstaats erworben worden sind.

30

Nach Artikel 4 der Richtlinie wendet jeder Mitgliedstaat unbeschadet der einschlägigen einzelstaatlichen Bestimmungen für Reisende, die ihren Wohnsitz außerhalb Europas haben, für die Befreiung von den Umsatzsteuern und den Sonderverbrauchsteuern bei der Einfuhr bestimmter in der Richtlinie bezeichneter Waren (Tabakwaren, alkoholische Getränke, Parfums und Toilettenwasser sowie Kaffee und Tee) bestimmte in der Richtlinie angegebene mengenmäßige Begrenzungen an. Die zulässigen Freimengen sind im Reiseverkehr zwischen Drittländern und der Gemeinschaft geringer als im Reiseverkehr zwischen den Mitgliedstaaten.

31

Die Richtlinie sieht außerdem vor, daß die Mitgliedstaaten den Wert oder die Menge der zu befreienden Waren für Grenzgänger oder bestimmte andere Personen niedriger festsetzen können.

32

Ferner enthält die Richtlinie Vorschriften über die steuerliche Entlastung, die die Mitgliedstaaten für Waren gewähren, die im persönlichen Gepäck der Reisenden mitgeführt werden, die aus einem Mitgliedstaat ausreisen.

33

Der Rat hat die beiden die Richtlinie 69/169 ergänzenden Richtlinien, wie aus deren Begründungserwägungen hervorgeht, zur Durchführung der Entschließung des Rates und der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 22. März 1971 erlassen, die eine schrittweise Erweiterung der Steuerbefreiungen für Einzelpersonen bei Überschreitung der innergemeinschaftlichen Grenzen vorsieht. Dem Rat erschien es angebracht, in einer ersten Stufe bestimmte gemeinsame Regeln vorzusehen, die im allgemeinen bei der steuerlichen Entlastung auf der Einzelhandelsstufe für die Gebietsansässigen der Gemeinschaft gelten.

34

Was den Verkehr zwischen Drittländern und der Gemeinschaft anbelangt, so geht schon aus dem Wortlaut der Richtlinien hervor, daß die Befreiung nur Reisenden gewährt wird, die das Zollgebiet der Gemeinschaft aus einem Drittland kommend erreichen, und daß es in diesem Fall für die Gewährung der Befreiung nicht darauf ankommt, unter welchen Bedingungen die Waren erworben worden sind.

35

Was den innergemeinschaftlichen Verkehr angeht, so wurde durch Artikel 2 Buchstabe c der Dritten Richtlinie in die Richtlinie 69/169 eine Vorschrift eingefügt, wonach der Reisende in den Fällen, in denen die Reise von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat durch das Gebiet eines Drittlandes führt oder als Ausreise aus einem Gebietsteil eines anderen Mitgliedstaats erfolgt, in dem die Steuern, auf die sich die Richtlinie bezieht, nicht zur Anwendung auf die dort verbrauchten Waren gelangen, nachweisen können muß, daß die in seinem Gepäck mitgeführten Waren zu den allgemeinen Bedingungen der Besteuerung auf dem Binnenmarkt eines der Mitgliedstaaten erworben worden sind und dafür keine Erstattung von Umsatzsteuern oder Sonderverbrauchsteuern gilt. Kann der Reisende diesen Nachweis nicht erbringen, so kann er nur in den Genuß der weniger weit gehenden Befreiung für den Reiseverkehr zwischen den Drittländern und der Gemeinschaft kommen.

36

Wie sich sowohl aus den Begründungserwägungen der fraglichen Richtlinien als auch aus ihren Bestimmungen ergibt, wollte der Rat schrittweise eine vollständige Regelung der Befreiung der im persönlichen Gepäck der Reisenden eingeführten Waren von Umsatzsteuern und Sonderverbrauchsteuern treffen. Daher verbleibt den Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet nur die ihnen in den Richtlinien eingeräumte begrenzte Zuständigkeit für die Gewährung von Befreiungen, die von den in den Richtlinien festgelegten Befreiungen abweichen.

37

Auf die sechste Frage ist somit zu antworten:

a)

Im Verkehr zwischen Drittländern und der Gemeinschaft wird die in der Richtlinie 69/169 vorgesehene Befreiung nur den Reisenden gewährt, die das Zollgebiet der Gemeinschaft aus einem Drittland kommend erreichen. In diesem Fall kommt'es für die Gewährung der Befreiung nicht darauf an, unter welchen Bedingungen die Waren erworben worden sind.

b)

Im innergemeinschaftlichen Verkehr muß der Reisende, falls die Reise von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat durch das Gebiet eines Drittlandes führt oder als Ausreise aus einem Gebietsteil eines anderen Mitgliedstaats erfolgt, in dem die Steuern, auf die sich die Richtlinie bezieht, nicht zur Anwendung auf die dort verbrauchten Waren gelangen, nachweisen können, daß die in seinem Gepäck mitgeführten Waren zu den allgemeinen Bedingungen der Besteuerung auf dem Binnenmarkt eines der Mitgliedstaaten erworben worden sind und dafür keine Erstattung von Umsatzsteuern oder Sonderverbrauchsteuern gilt. Kann der Reisende diesen Nachweis nicht erbringen, so kann er nur in den Genuß der weniger weit gehenden Befreiung für den Reiseverkehr zwischen den Drittländern und der Gemeinschaft kommen.

38

Auf die siebte Frage ist zu antworten, daß der Rat durch die Richtlinien schrittweise eine vollständige Regelung der Befreiungen der im persönlichen Gepäck der Reisenden eingeführten Waren von Umsatzsteuern und Sonderverbrauchsteuern treffen wollte und daß den Mitgliedstaaten daher auf diesem Gebiet nur die ihnen in den Richtlinien eingeräumte begrenzte Zuständigkeit für die Gewährung von Befreiungen verbleibt, die von den in den Richtlinien festgelegten Befreiungen abweichen.

Zur dritten, ßinfien und achten Frage (Begründung von Klagerechten fiir die einzelnen durch die fraglichen Verordnungen und Richtlinien)

39

Diese drei Fragen gehen dahin, ob ein einzelner, der durch mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbare nationale Rechtsvorschriften oder durch die Durchführung einer rechtswidrigen Maßnahme der Gemeinschaft in seinen Interessen betroffen ist, vor den nationalen Gerichten auf Unterlassung gemeinschaftsrechtswidriger Maßnahmen klagen kann.

40

In seinem Vorlagebeschluß führt das Finanzgericht aus, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wie auch des Bundesverwaltungsgerichts verstießen wirtschaftslenkende Gesetze, die im Interesse einzelner Gruppen erlassen würden und die Wettbewerbslage veränderten, gegen den Gleichheitssatz, wenn sie nicht durch das öffentliche Wohl geboten seien und schutzwürdige Interessen anderer willkürlich verletzt würden. Sei dies der Fall, so stehe den Betroffenen nach deutschem Recht ein Klagerecht zu. Berücksichtigt man diesen Zusammenhang, so gehen die Fragen des nationalen Gerichts im wesentlichen dahin, ob dieses Klagerecht unter ähnlichen Voraussetzungen im Rahmen der Gemeinschaftsrechtsordnung namentlich in dem Sinne ausgeübt werden kann, daß der einzelne, der als Subjekt des Gemeinschaftsrechts dadurch wirtschaftlich betroffen ist, daß ein Mitgliedstaat oder die Gemeinschaftsbehörden eine gemeinschaftsrechtliche Regelung Dritten gegenüber nicht anwenden, vor den Gerichten eines Mitgliedstaats auf Verpflichtung der nationalen Behörden zur Anwendung der fraglichen Regelung oder zur Unterlassung ihrer Verletzung klagen kann.

41

Es ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Verordnung nach Artikel 189 EWG-Vertrag „in allen ihren Teilen verbindlich [ist] und ... unmittelbar in jedem Mitgliedstaat [gilt]“. Die Richtlinie ist nach dieser Bestimmung „für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überläßt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel“. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes folgt aus der Verbindlichkeit der Richtlinie, daß eine nationale Behörde einem einzelnen keine nationale Rechts- oder Verwaltungsvorschrift entgegenhalten kann, die mit einer Bestimmung der Richtlinie, die alle erforderlichen Merkmale aufweist, um durch die Gerichte angewendet werden zu können, nicht im Einklang steht.

42

Aus diesen Erwägungen folgt, daß der einzelne vor den nationalen Gerichten seine Rechte aus der Verordnung geltend machen kann.

43

In gleicher Weise kann eine nationale Behörde einem einzelnen keine Rechts- oder Verwaltungsvorschriften entgegenhalten, die mit einer durch die Richtlinie begründeten unbedingten und hinreichend genauen Verpflichtung nicht im Einklang stehen.

44

Was das Recht eines Unternehmers angeht, auf dem Klagewege zu verlangen, daß die Behörde eines Mitgliedstaats Dritten gegenüber auf der Einhaltung aus einer bestimmten rechtlichen Situation erwachsender gemeinschaftsrechtlicher Verpflichtungen bestehen, obgleich er in bezug auf diese Situation Außenstehender ist, aber durch die Nichtbeachtung des Gemeinschaftsrechts wirtschaftliche Nachteile erleidet, so ist in erster Linie darauf hinzuweisen, daß der Vertrag zwar für Privatpersonen mehrere Möglichkeiten der direkten Klage zum Gerichtshof eröffnet hat, daß er aber nicht zusätzlich zu den nach nationalem Recht bereits bestehenden Rechtsbehelfen neue Klagemöglichkeiten zur Wahrung des Gemeinschaftsrechts vor den nationalen Gerichten schaffen wollte. Das durch den Vertrag geschaffene Rechtsschutzsystem, wie es insbesondere in Artikel 177 ausgeprägt ist, setzt vielmehr voraus, daß es möglich sein muß, zur Gewährleistung der Beachtung unmittelbar wirkenden Gemeinschaftsrechts von jeder im nationalen Recht vorgesehenen Klagemöglichkeit unter denselben Zulässigkeits- und sonstigen Verfahrensvoraussetzungen Gebrauch zu machen, wie wenn es sich um die Gewährleistung der Beachtung des nationalen Rechts handelte.

45

Was die Verordnung Nr. 3023/77 im besonderen anbelangt, so ist darauf hinzuweisen, daß diese Verordnung selbst keine Befreiung gewährte. Sie ermächtigte die nationalen Behörden lediglich, eine begrenzte Befreiung zu gewähren. Ihre Ungültigkeit hat daher zur Folge, daß die auf ihrer Grundlage getroffenen nationalen Maßnahmen mit dem Gemeinschaftsrecht nicht im Einklang stehen.

46

Auf die dritte, fünfte und achte Frage ist somit zu antworten:

Das durch den Vertrag geschaffene Rechtsschutzsystem, wie es insbesondere in Artikel 177 ausgeprägt ist, setzt voraus, daß es möglich sein muß, zur Gewährleistung der Beachtung unmittelbar wirkenden Gemeinschaftsrechts von jeder im nationalen Recht vorgesehenen Klagemöglichkeit vor den nationalen Gerichten unter denselben Zulässigkeits- und sonstigen Verfahrensvoraussetzungen Gebrauch zu machen, wie wenn es sich um die Gewährleistung der Beachtung des nationalen Rechts handelte.

Kosten

47

Die Auslagen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, der Regierung der Französischen Republik, der Regierung des Vereinigten Königreichs, des Rates der Europäischen Gemeinschaften und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien im Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

 

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Finanzgericht Hamburg mit Beschluß vom 5. Juni 1980 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

 

1.

Die in der Verordnung Nr. 1544/69, zuletzt geändert durch die Verordnung Nr. 3061/78, vorgesehene Befreiung gilt nur für Waren, die im persönlichen Gepäck von aus Drittländern kommenden Reisenden eingeführt werden. Sie gilt unabhängig von Ursprung und Herkunft der Waren und von den Zöllen und sonstigen Abgaben, die auf sie vor ihrer Einfuhr in das Gemeinschaftsgebiet erhoben worden sind. Als aus Drittländern kommende Reisende im Sinne der Verordnung können jedoch solche Personen nicht angesehen werden, die während einer Schiffsreise von einem Hafen eines Mitgliedstaats aus in einem Drittland nicht oder nur symbolisch an Land gehen, ohne sich dort lange genug aufzuhalten, um tatsächlich Einkäufe tätigen zu können.

 

2.

Die Verordnung Nr. 1544/69 des Rates vom 23. Juli 1969 enthält eine abschließende Regelung über die Zollfreiheit von Waren, die im Gepäck der aus Drittländern kommenden Reisenden eingeführt werden. Infolgedessen sind die Mitgliedstaaten nicht mehr dafür zuständig, im Regelungsbereich der Verordnung über das in dieser vorgesehene Maß hinaus Zollfreiheit zu gewähren.

 

3.

Die Verordnung Nr. 3023/77 des Rates vom 20. Dezember 1977 über Maßnahmen, mit denen Mißbräuchen durch den Verkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse an Bord von Schiffen ein Ende bereitet werden soll, ist nicht hinreichend mit Gründen versehen und daher ungültig.

 

4.

Im Verkehr zwischen Drittländern und der Gemeinschaft wird die in der Richtlinie 69/169 des Rates vom 28. Mai 1969 zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Befreiung von den Umsatzsteuern und Sonderverbrauchsteuern bei der Einfuhr im grenzüberschreitenden Reiseverkehr vorgesehene Befreiung nur den Reisenden gewährt, die das Zollgebiet der Gemeinschaft aus einem Drittland kommend erreichen. In diesem Fall kommt es für die Gewährung der Befreiung nicht darauf an, unter welchen Bedingungen die Waren erworben worden sind.

 

5.

Im innergemeinschaftlichen Verkehr muß der Reisende, falls die Reise von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat durch das Gebiet eines Drittlands führt oder als Ausreise aus einem Gebietsteil eines anderen Mitgliedstaats erfolgt, in dem die Steuern, auf die sich die Richtlinie bezieht, nicht zur Anwendung auf die dort verbrauchten Waren gelangen, nachweisen können, daß die in seinem Gepäck mitgeführten Waren zu den allgemeinen Bedingungen der Besteuerung auf dem Binnenmarkt eines der Mitgliedstaaten erworben worden sind und dafür keine Erstattung von Umsatzsteuern oder Sonderverbrauchsteuern gilt. Kann der Reisende diesen Nachweis nicht erbringen, so kann er nur in den Genuß der weniger weit gehenden Befreiung für den Reiseverkehr zwischen den Drittländern und der Gemeinschaft kommen.

 

6.

Der Rat wollte durch die Richtlinie 69/169, ergänzt durch die Zweite Richtlinie vom 12. Juni 1972 und durch die Dritte Richtlinie vom 10. Dezember 1978, schrittweise eine vollständige Regelung der Befreiungen der im persönlichen Gepäck der Reisenden eingeführten Waren von den Umsatzsteuern und den Sonderverbrauchsteuern treffen; den Mitgliedstaaten verbleibt daher auf diesem Gebiet nur die ihnen in den Richtlinien eingeräumte begrenzte Zuständigkeit für die Gewährung von Befreiungen, die von den in den Richtlinien festgelegten Befreiungen abweichen.

 

7.

Das durch den Vertrag geschaffene Rechtsschutzsystem, wie es insbesondere in Artikel 177 ausgeprägt ist, setzt voraus, daß es möglich sein muß, zur Gewährleistung der Beachtung unmittelbar wirkenden Gemeinschaftsrechts von jeder im nationalen Recht vorgesehenen Klagemöglichkeit von den nationalen Gerichten unter denselben Zu-lässigkeits- und sonstigen Verfahrensvoraussetzungen Gebrauch zu machen, wie wenn es sich um die Gewährleistung der Beachtung des nationalen Rechts handelte.

 

Menens de Wilmars

Pescatore

Mackenzie Stuart

Koopmans

O'Keeffe

Bosco

Touffait

Due

Chloros

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. Juli 1981.

Der Kanzler

A. Van Houtte

Der Präsident

J. Mertens de Wilmars