CCMI/249
Aktionsplan für die Automobilindustrie
STELLUNGNAHME
Beratende Kommission für den industriellen Wandel
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Aktionsplan für die europäische Automobilindustrie
(COM(2025) 95 final)
Fakultative Befassung
Berichterstatter: Gonçalo LOBO XAVIER
Ko-Berichterstatter: Guido NELISSEN
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Befassung
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Europäische Kommission, 13/5/2025
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Rechtsgrundlage
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Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
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Zuständiges Arbeitsorgan
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Beratende Kommission für den industriellen Wandel
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Annahme im Arbeitsorgan
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10/7/2025
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Ergebnis der Abstimmung
(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)
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25/1/0
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Verabschiedung im Plenum
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D/M/YYYY
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Plenartagung Nr.
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…
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Ergebnis der Abstimmung
(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)
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…/…/…
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1.Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) sieht in der Automobilindustrie eine Säule der europäischen Wirtschaft, die sowohl für die Beschäftigung als auch für die industrielle Wertschöpfung von strategischer Bedeutung ist. Er weist darauf hin, dass dafür gesorgt werden muss, dass die Automobilindustrie in Zukunft wettbewerbsfähig und nachhaltig arbeiten kann.
1.2Der EWSA unterstützt die Klimaziele des europäischen Grünen Deals und den Übergang zu einer emissionsfreien Mobilität. Er weist darauf hin, dass dieser Wandel mit robusten sozialen und wirtschaftlichen Maßnahmen einhergehen muss, damit sich das Gefälle zwischen Regionen und Bevölkerungsgruppen in der EU nicht weiter verstärkt.
1.3Der EWSA fordert eine umfassende europäische Strategie für einen fairen und wettbewerbsfähigen Übergang in der Automobilindustrie, die von Investitionen in Kompetenzen, Innovationen, Infrastruktur und Kreislaufwirtschaft getragen ist, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) liegen sollte.
1.4Der EWSA ist der Auffassung, dass der soziale Dialog und die aktive Teilhabe der Arbeitnehmer über den Erfolg der Transformation mitentscheiden. Deshalb fordert er neben einem verstärkten Einsatz für Tarifverhandlungen, dass Arbeitnehmer unterrichtet und konsultiert werden und in der Branche ein auf konstruktive Lösungen ausgerichteter Dialog stattfindet.
1.5Der EWSA betont, dass die am stärksten betroffenen Regionen und besonders gefährdete Arbeitnehmer, insbesondere diejenigen, die in KMU und bei den Zulieferern in vielen Mitgliedstaaten arbeiten, durch gezielte Umschulungsprogramme, öffentliche und private Investitionen und die Mobilisierung von EU-Mitteln unterstützt werden müssen.
1.6Der EWSA appelliert an die Europäische Kommission, im Rahmen der Rechtsvorschriften, insbesondere bezüglich CO2-Ziele und nachhaltige Kraftstoffe, für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Stabilität/Schlüssigkeit und zielgerichteter Flexibilität zu sorgen, damit langfristige Planungssicherheit besteht und das Vertrauen der Industrie erhalten bleibt.
1.7Der EWSA fordert eine koordinierte europäische Industriestrategie, um auf die strukturellen Herausforderungen der gesamten Lieferkette der Automobilindustrie zu reagieren, darunter die Abhängigkeit von kritischen Rohstoffen, der unlautere Wettbewerb Chinas, sowohl im Zusammenhang mit der direkten Einfuhr von Fahrzeugen als auch bezüglich der Produktionssysteme, und die geopolitischen Spannungen, die sich auf die Lieferketten auswirken.
1.8Der EWSA empfiehlt, die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge zügiger auszubauen und dafür zu sorgen, dass sie sich auf alle Regionen der EU erstreckt, sodass nachhaltige Mobilität überall möglich wird.
1.9Der EWSA betont, wie wichtig Investitionen in Bildung sowie in Forschung und Entwicklung (FuE), insbesondere in Batterietechnologien und Automobilsoftware, dafür sind, dass sich Europa in diesen Schlüsselbereichen wieder eine Führungsposition sichern kann.
1.10 Der EWSA fordert die Harmonisierung der Normen und Vorschriften für autonome und vernetzte Fahrzeuge, um den Test und den Einsatz solcher Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen zu unterstützen und die Sicherheit und das Vertrauen der Verbraucher zu gewährleisten.
1.11Der EWSA spricht sich dafür aus, Handelspartnerschaften zu diversifizieren und die Beziehungen zu Drittländern auszubauen, um die Abhängigkeit von bestimmten Märkten zu verringern und die Resilienz der Branche zu stärken.
1.12Der EWSA empfiehlt, für KMU in der Automobilbranche gezielte Förderprogramme einzurichten, um den Zugang dieser Unternehmen zu Finanzmitteln, Innovationen und internationalen Märkten zu verbessern und den erwähnten Qualifizierungs- und Umschulungsprogrammen den Weg zu ebnen.
1.13Da sich das Aktionsprogramm nur auf vorgelagerte Branchen bezieht, fordert der EWSA ein Aktionsprogramm für die nachgelagerten Branchen, da auch die Anschlussmärkte für die Dekarbonisierung des Verkehrs wichtig sind und vor denselben Herausforderungen stehen wie die anderen Teile der automobilen Wertschöpfungskette.
1.14Schließlich fordert der EWSA eine bessere Koordinierung und den Austausch bewährter Verfahren zu sämtlichen Initiativen, die der Elektrifizierung des Verkehrs dienen, was finanzielle und sonstige Formen der Unterstützung (wie „intelligente Städte“) umfasst.
2.Künftige Herausforderungen
2.1Jahrzehntelang befand sich die EU-Automobilindustrie dank Spitzentechnik und hochqualifizierter Arbeitskräfte auf der Erfolgsspur. Sie war die Vorzeigebranche der zweiten industriellen Revolution, konnte sich eine weltweite Führungsposition sichern und wurde zum Motor für Beschäftigung und Wachstum.
2.2Bis heute gehören die Automobilindustrie und ihre weitverzweigten Lieferketten zu den wichtigsten Größen der europäischen Wirtschaft. Außerdem steht die Automobilindustrie im Mittelpunkt des grünen und des digitalen Wandels. Die Automobilindustrie beschäftigt 3,5 Millionen Menschen und damit mehr als 11 % der Arbeitnehmer des verarbeitenden Gewerbes. 2,4 % arbeiten in der Automobilproduktion und bei Zulieferern der Branche, der Rest in anderen Branchen wie der Chemie- und der Textilindustrie. Der Automobilproduktion ist ein riesiges Ökosystem mit 4,5 Millionen Beschäftigten nachgelagert (Wartung, Reparatur, Händler, Tankstellen und technische Überwachung). Die Automobilindustrie ist eine außerordentlich FuE‑intensive Branche: Stattliche 15 % ihrer Bruttowertschöpfung fließen in Forschung und Entwicklung, was 32 % der gesamten FuE-Ausgaben in der EU entspricht. 2024 konnte sie einen erheblichen Handelsüberschuss von 89,3 Milliarden Euro verzeichnen. Doch nun kommen auf die Automobilindustrie aufgrund des tiefgreifenden Wandels schwere Zeiten zu. Die westliche Welt hat in der Automobilproduktion den Gipfelpunkt erreicht, während neue Hersteller (aus dem asiatisch-pazifischen Raum, den USA und der IT-Branche) auf den Plan treten und aggressiv Marktanteile etablierter Hersteller erobern. Wachsende geopolitische Spannungen stören zunehmend die Lieferketten und den internationalen Handel. Die Fahrzeugtechnologie verändert sich mit beispielloser Geschwindigkeit, und digitale Geschäftsmodelle revolutionieren die Anschlussmärkte.
Für die Zukunft der Automobilindustrie werden vier Haupttrends bestimmend sein:
a)Von der Globalisierung zur Regionalisierung: Der in den vergangenen Jahrzehnten verzeichnete allgemeine Trend zur Globalisierung ist aufgrund geopolitischer Spannungen, protektionistischer Maßnahmen und kürzerer Lieferketten ins Stocken geraten, und China hat sich bei Elektrofahrzeugen und Batterien zum Wachstumsmotor entwickelt. Durch diese Entwicklungen gestalten sich Globalisierungsstrategien immer komplizierter und setzt eine Rückbesinnung auf lokale Produkte ein;
b)Von der menschlichen zur künstlichen Intelligenz: Die zunehmende Verbreitung fortschrittlicher Fahrerassistenzsysteme (FAS) hat den Übergang zu abrufbereiten selbstfahrenden Autos eingeläutet. Diese Entwicklung wird durch KI-Technologie weiter vorangetrieben;
c)Von der Hardware zur Software: Autos werden zunehmend rund um Software-Plattformen gebaut werden, d. h., für die Kaufentscheidung dürfte bald der über die Software ermöglichte Funktionsumfang ausschlaggebend sein. Dazu gehört auch die Digitalisierung des Anschlussmarkts (sowohl seine Organisationsform als auch die Art und Weise, wie Fahrzeuge gewartet werden);
d)Vom Verbrenner zum Elektrofahrzeug: Der wachsende Anteil von Elektrofahrzeugen führt in der gesamten Wertschöpfungskette, einschließlich der Netzintegration, zu strukturellen Veränderungen.
2.3Auf diese beispiellosen Herausforderungen hat die Europäische Kommission mit dem am 5. März 2025 vorgelegten Aktionsplan für die europäische Automobilindustrie reagiert. Dieser Aktionsplan beruht auf Initiativen, wie dem Mobilitätspfad und dem Draghi-Bericht, sowie auf den Ergebnissen des strategischen Dialogs über die Zukunft der europäischen Automobilindustrie.
Mit seinen 41 Maßnahmen ist der Aktionsplan sehr umfassend. Viele der vorgeschlagenen Instrumente sind bisher nur Ankündigungen und Absichten, deren Umsetzung den vollen Einsatz von Entscheidungs- und Interessenträgern aller Ebenen erfordert und davon abhängig ist, wie sich die Automobilindustrie an das sich rasant wandelnde geschäftliche Umfeld anpasst.
3.Digitalisierung als Schlüssel zum Auto der Zukunft
3.1Die Automobilindustrie geht von der Hardware zur Software und von der Mechanik zur Elektronik über. Daten und datengesteuerte Innovationen gewinnen zunehmend an Bedeutung und bieten erhebliche Vorteile in Bezug auf Effektivität und Nachhaltigkeit: Automatisierung des Fahrens, Effizienzsteigerung in der Logistik und der gesamten Wertschöpfungskette, Optimierung von (Fertigungs-) Prozessen, vorausschauende Wartung mit digitalen Zwillingen und Digitalisierung der Prozesse am Ende der Lebensdauer. Infolgedessen werden Mobilitätsökosysteme zunehmend für Digital- und Technologieunternehmen interessant. Aber auch traditionelle Automobilhersteller werden in die die Branche revolutionierende Softwaretechnologie für Fahrzeuge investieren und schließlich zu KI-gesteuerten, vernetzten, autonomen Fahrzeugen übergehen müssen.
3.2Die europäische Automobilindustrie ist bei Forschung und Entwicklung zwar insgesamt führend. Bei Forschung und Entwicklung im IKT-Bereich ist sie jedoch ins Hintertreffen geraten. In der EU gibt es außerdem keine IT-Konzerne wie in den USA oder Markteinsteiger wie in China. Das führt dazu, dass die EU inzwischen um ihre Führungsrolle in der Automobilindustrie bangen muss.
3.3Die Digitalisierung sollte der europäischen Automobilindustrie zu Wettbewerbsvorteilen verhelfen. Um die derzeitige Lücke bei Forschung und Entwicklung in der Informations- und Kommunikationstechnik zu schließen und das Potenzial der vernetzten und automatisierten Mobilität voll auszuschöpfen, sollte die EU
-Fahrpläne und Investitionsprogramme aufstellen, um Geschäftsszenarien für den Übergang der Automobilindustrie von Fahrzeugen mit Fahrerassistenzsystemen zu vollständig vernetzten und automatisierten Fahrzeugen (CAV) zu unterstützen;
-die industrielle Zusammenarbeit im gesamten Ökosystem (und den nachgelagerten Branchen) organisieren (wie im Fall der vorgeschlagenen Europäischen Allianz für vernetzte und autonome Fahrzeuge), um gemeinsame Rechenplattformen, KI-Lösungen, Normen und Open‑Source-Software abzustimmen und zu entwickeln, damit die Industrie weniger von den großen Technologieunternehmen abhängig ist und eine kostspielige Fragmentierung vermieden wird;
-die Nachfrage nach vernetzten und automatisierten Fahrzeugen begünstigen. Obwohl vernetzte und automatisierte Fahrzeuge dem Endnutzer zusätzliche Vorteile (nahtlose Konnektivität, vorausschauende Wartung, automatische Aktualisierungen, Unfallvermeidung, Infotainment) bieten, ist die Akzeptanz immer noch schwach, weil Verbraucher kein Vertrauen in die Sicherheit der Fahrzeuge und die Zuverlässigkeit der Software haben und die Technik teuer ist;
-einen (harmonisierten) Rechtsrahmen und damit die rechtlichen Voraussetzungen für großmaßstäbliche Praxistests von vernetzten und automatisierten Fahrzeugen, Rechtssicherheit für Unternehmen, Kunden und die Gesellschaft (z. B. durch Regelung der Haftung bei Unfällen) und Bedingungen schaffen, die die Einführung vernetzter und automatisierter Fahrzeuge im Verkehr unterstützen;
-die umfassenderen sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen vernetzter und automatisierter Fahrzeuge auf das Verkehrssystem und neue Mobilitätskonzepte (Mobilität auf Abruf, Mobilität als Dienstleistung, Netzintegration von Elektrofahrzeugen, Integration öffentlicher und privater Verkehrsträger) bewerten. Außerdem sollten alternative Geschäftsmodelle wie Plattformgenossenschaften für städtische Mobilitätsdienste gefördert werden;
-den Auswirkungen digitaler Technologien auf Produktionsprozesse und Arbeitsorganisation gebührend Rechnung tragen;
-im Interesse der weiteren Automatisierung sowie der Sicherheit und Effizienz kritische digitale Infrastruktur für den Austausch hochwertiger Echtzeit-Daten und -Informationen mit Fahrzeugen auf- bzw. ausbauen;
-eine einheitliche Vorgehensweise entwickeln und einen klaren Zeitplan für die Typgenehmigung autonomer Fahrzeuge aufstellen;
-zügig einschlägige Rechtsvorschriften erlassen, die allen Akteuren des Automobil‑Ökosystems den fairen, sicheren und effektiven Zugriff auf bordeigene Daten ermöglichen (Fahrzeugdatengesetz);
-Vereinfachungen anstreben, doch ohne den Führungsanspruch der EU im Bereich der Nachhaltigkeit aufzugeben.
4.Saubere Mobilität ist im Kommen
4.12023 lag der Anteil der Elektrofahrzeuge an den Neuzulassungen in Europa bei 22,3 % (14,6 % waren batteriebetriebene Elektrofahrzeuge, 7,7 % aufladbare Hybridfahrzeuge). Die wichtigsten Probleme sind der relativ hohe Anschaffungspreis der Elektrofahrzeuge, fehlende Netzkapazitäten, die geringe Rentabilität batteriebetriebener Elektrofahrzeuge, die Unsicherheiten in Bezug auf die Reparierbarkeit der Elektrofahrzeuge, der niedrige Restwert der Elektrofahrzeuge (aufgrund der rasanten technischen Entwicklung) und die lückenhafte Ladeinfrastruktur. Außerdem setzen die europäischen Erstausrüster und Lieferanten stark auf Plug-in-Hybrid-Technologie, bei der es sich allerdings um eine im Vergleich zu batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen weniger zukunftsfähige Übergangstechnologie handelt.
4.2Nach Ansicht des EWSA muss die EU, um den Übergang zu sauberer Mobilität zu fördern,
-auf die Skepsis der Verbraucher reagieren und mit finanziellen und nichtfinanziellen Anreizen sicherstellen, dass die umweltbewusste Entscheidung für ein Elektrofahrzeug weniger Mehrkosten verursacht, für Rechtssicherheit gesorgt ist und Garantien bestehen;
-ein einheitliches Konzept für die Elektromobilität entwickeln, damit sich rasch entwickelnde und zurückbleibende Märkte nicht weiter auseinanderdriften. Damit die Branche die künftige Nachfrageentwicklung besser absehen kann, sollte die Nachfrageförderung abgestimmt werden;
-verhindern, dass es auf der einen Seite Bürger gibt, die es sich leisten können, ein Elektroauto zu fahren oder zu besitzen, während andere weiterhin auf ältere Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor angewiesen sind, für die obendrein noch höhere Abgaben und Steuern anfallen. Dem könnte entgegengewirkt werden, indem die Einnahmen aus dem Klima‑Sozialfonds und dem neuen Emissionshandelssystem der EU (EHS2) zur Einrichtung von Sozialleasing-Systemen verwendet werden;
-zur Bündelung der Nachfrage nach kleinen, in der EU hergestellten Elektrofahrzeugen eine kostengünstige EU-Plattform für Elektrofahrzeuge einrichten;
-massiv in Ladeinfrastruktur investieren. Im Rahmen des angekündigten Investitionsplans für nachhaltigen Verkehr sollten die Finanzmittel für Ladeinfrastruktur entschieden aufgestockt werden. Mit der raschen Umsetzung der Verordnung über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe muss es gelingen, entlang der wichtigsten europäischen Verkehrskorridore alle 60 km LKW-Schnellladestationen einzurichten;
-die Dekarbonisierung von Unternehmensflotten als Gelegenheit zur beschleunigten Einführung von Elektrofahrzeugen nutzen, da auf diese Flotten 60 % der Neuzulassungen in Europa entfallen;
-für öffentliche Ladestationen ein faires, transparentes Preissystem entwickeln, die Preise dort klar ausweisen und die Kompatibilität dieser Ladestationen verbessern;
-die Netzinfrastruktur (intelligente Netze) – auch für intelligente Ladetechnologie (V1G) und Technologie für die Netzintegration von Elektrofahrzeugen (V2G) – ausbauen und digitalisieren, damit das Stromnetz nicht durch das Laden einer steigenden Zahl von Elektrofahrzeugen überlastet wird;
-die Kreislaufwirtschaft als wesentliches Element des Übergangs in der Automobilindustrie vorantreiben. Dazu gehört auch, dass Fahrzeuge und Bauteile so konzipiert werden (Ökodesign) müssen, dass sie wiederverwendet, repariert und recycelt werden können, der ökologische Kreislauf (Recycling) also geschlossen werden kann, und dass bei öffentlichen Aufträgen und Anreizsystemen grundsätzlich eine Lebenszyklusbewertung durchgeführt wird;
-Verbrauchern, z. B. durch die Einführung eines Ökopasses oder eines Reparierbarkeitsindex für Kraftfahrzeuge und die Anerkennung des „Rechts auf Reparatur“, helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen;
-die Umweltauswirkungen von Elektrofahrzeugen und der mit ihrer Herstellung verbundenen industriellen Prozesse einer umfassenden Lebenszyklusanalyse unterziehen, damit es bei der Verwirklichung der Dekarbonisierungsziele nicht zu einer stärkeren Umweltbelastung in anderen Abschnitten der Wertschöpfungskette, auch außerhalb der EU, kommt;
-für die vielen Zulieferer, deren Tätigkeiten auf Verbrennungsmotoren ausgerichtet sind, Programme für die Umstellung auf saubere Technologien (auch zur Unterstützung der Arbeitnehmer bei der Übernahme eines Unternehmens („Buy-out“)) entwickeln, um insbesondere in wirtschaftlich schwachen Regionen zu verhindern, dass Vermögenswerte (einschließlich Humankapital und technologische Fähigkeiten) verloren gehen.
5.Herausforderung des sich wandelnden Arbeitskräftebedarfs
5.1Die Umgestaltung von Produktionsprozessen und Lieferketten wird starke Auswirkungen auf die Beschäftigungsstruktur der Automobilindustrie haben. Für Automobilregionen birgt dieser Wandel die Gefahr, dass Arbeitsplätze verloren gehen und KMU in der Lieferkette ihre Geschäftsgrundlage verlieren. Zur Herstellung batteriebetriebener Elektrofahrzeuge werden weniger Arbeitskräfte benötigt, da sie im Vergleich zu Verbrennungsmotoren weniger Bauteile haben. Überdies stagniert die Nachfrage nach Pkw. Die Nachfrage nach Metallfacharbeitern wird daher zurückgehen. 2024 wurden beim Europäischen Beobachtungsinstrument für Umstrukturierungen (European Restructuring Monitor) von Eurofound 104 angekündigte Umstrukturierungen registriert, von denen 94 597 Arbeitnehmer betroffen waren (davon 35 000 bei Volkswagen).
5.2Gleichzeitig fehlen in der Automobilindustrie auf allen Ebenen Fachkräfte mit digitalen Qualifikationen.
In der Wertschöpfungskette für E-Mobilität (Elektronik, Batterien, Netze, Mobilitätsdienste, digitale Technologien, KI) werden dagegen neue Arbeitsplätze entstehen – doch wahrscheinlich an anderen Orten, zu einer anderen Zeit und für ganz andere Kompetenzprofile.
5.3Damit nicht weite Kreise der Arbeitnehmerschaft in Mitleidenschaft gezogen werden und die Automobilindustrie den Übergang meistern kann, müssen umfangreiche, gezielte Unterstützungspläne ausgearbeitet werden, die dazu beitragen, Arbeitnehmer an die neuen Technologien heranzuführen und allen Betroffenen einen reibungslosen Arbeitsplatzwechsel zu ermöglichen. Das ist auch eine Grundvoraussetzung für die Wahrung des sozialen Friedens und politische Stabilität.
5.4Um die Arbeitskräfte auf den ökologischen und digitalen Wandel in der Branche vorzubereiten, hält der EWSA Folgendes für wichtig:
-die rechtzeitige Antizipierung und Bewältigung von Veränderungen (z. B. durch die vorgeschlagene Europäische Beobachtungsstelle für einen gerechten Übergang und Änderungen am EGF);
-EU-weite und branchenübergreifende Umschulungs- und Weiterbildungsprogramme mit besonderem Schwerpunkt auf Regionen, die stark von der Automobilindustrie abhängig sind (über den Klima-Sozialfonds, Initiativen nach dem Vorbild der Netto-Null-Industrie-Initiative für Batterien oder einen Fonds für einen gerechten Übergang 2.0 für die Automobilindustrie). Um Ausbildungsprogramme effizienter zu gestalten, sollten Umschulungsbemühungen in der gesamten Lieferkette der Automobilindustrie stets gut abgestimmt werden, und es sollte mit anderen Industriezweigen und den unterschiedlichen nationalen Arbeitsmärkten kooperiert werden. Zu Initiativen wie DRIVES, der Allianz für Kompetenzen in der Automobilindustrie und der Union der Kompetenzen muss es Folgemaßnahmen geben, um eine kontinuierliche berufliche Weiterentwicklung zu unterstützen;
-die Behebung des Mangels an Fachkräften mit entsprechenden digitalen Kompetenzen (unter besonderer Berücksichtigung des Geschlechtergefälles), indem beispielsweise für bessere Synergien zwischen der Industrie und technischen Hochschulen gesorgt wird, die allgemeine und berufliche Bildung in den MINT-Fächern gefördert wird, am Arbeitsplatz mehr Ausbildungsprogramme angeboten werden und lebenslanges Lernen gefördert wird;
-besondere Hilfe für die vielen unabhängigen KMU in den traditionsreichen nachgelagerten Branchen der Automobilindustrie, indem moderne Ausbildungstechnik zur Verfügung gestellt und die Ausbildung von Lehrlingen unterstützt wird;
-die Einführung eines Europäischen Qualifikationspasses und Vereinheitlichung der EU‑Zertifizierungssysteme (einschließlich Microcredentials und nicht formal erworbener Kompetenzen), sodass Qualifikationen ordnungsgemäß erfasst werden und EU-weit übertragbar sind;
-einen lösungsorientierten sozialen Dialog und eine rechtzeitige Unterrichtung/Konsultation auf allen Ebenen, um die Herausforderungen des Übergangs zu bewältigen und konstruktive Lösungen zu finden;
-die Berücksichtigung der regionalen Dimension durch koordinierte Mobilisierung aller Interessenträger (Sozialpartner, Forschungsinstitute, regionale Entwicklungsagenturen, Ausbildungsanbieter, Automobilcluster usw.);
-Lösungen für neue Risiken in Bezug auf die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz in Verbindung mit elektrischen Gefahren und neuen Schadstoffen;
-die Einrichtung eines SURE-2.0-Fonds zur Unterstützung von Kurzarbeitsregelungen, um bei vorübergehendem Arbeitsausfall Kündigungen zu vermeiden.
6.Wettbewerbsfähigkeit
Die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Automobilindustrie war noch nie so gefährdet wie heute. Europäische Erstausrüster haben lange auf China als Wachstumsmotor gesetzt, doch inzwischen sind die Ausfuhren nach China zurückgegangen, während die chinesischen Einfuhren (auch die Einfuhren westlicher Automobilhersteller in China) sprunghaft angestiegen sind. Außerdem ist die EU bei Fahrzeugteilen und -bauteilen mit einem rasch wachsenden Handelsdefizit konfrontiert. Durch die von US-Präsident Trump eingeführten Zölle geraten nun auch die europäischen Automobilexporte in Höhe von 750 000 Fahrzeugen in die USA in Gefahr. Die US‑amerikanische Automobilindustrie profitiert zudem von der Nähe zu führenden heimischen Technologiekonzernen, die die Entwicklung von KI, autonomen Fahrzeugen und Konnektivität vorantreiben. Hinzu kommt, dass die europäischen Automobilhersteller beim Übergang zur Elektromobilität von den meisten chinesischen Wettbewerbern abgehängt worden sind und sich Japan und Südkorea bei der Batterietechnologie frühzeitig in Stellung gebracht haben.
Das Ökosystem der europäischen Automobilindustrie ist bei wesentlichen Bauteilen und Technologien wie Batterien, Halbleitern, seltenen Erden und kritischer digitaler Infrastruktur nach wie vor stark von Drittländern abhängig.
6.1Um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie wiederherzustellen, müssen Maßnahmen getroffen werden, um
-durch den konsequenten, proaktiven Einsatz handelspolitischer Schutzinstrumente gegen unlautere Handelspraktiken vorzugehen. Außerdem müssen eingeführte Fahrzeugbauteile strenger kontrolliert werden, weil sie europäischen Normen wie der REACH-Verordnung entsprechen müssen;
-regionale industrielle Ökosysteme für Schlüsseltechnologien (z. B. Batterien, Chips, Software, KI) zu stärken;
-Instrumente wie IPCEI (wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse) und STEP (Plattform für strategische Technologien für Europa) zu nutzen und die Unterstützung der Europäischen Investitionsbank in Anspruch zu nehmen, um gesamteuropäische Großinvestitionen in Innovationen oder die Einführung von Neuerungen in der Automobilindustrie zu ermöglichen;
-die Wettbewerbspolitik dahingehend zu reformieren, dass Unternehmen strategische Allianzen bilden und fusionieren dürfen, damit gerade im Bereich der digitalen und grünen Automobiltechnologien europäische Akteure entstehen können, die sich aufgrund ihrer Größe im globalen Wettbewerb behaupten können;
-den Export zu fördern: Es gilt, neue Handelsabkommen zu schließen und laufende Verhandlungen, darunter auch die Ratifizierung des Mercosur-Abkommens (mit starken Nachhaltigkeitsklauseln), zügig zum Abschluss zu bringen;
-den Kostennachteil gegenüber China zu verringern, und zwar mit Hardware- und Softwareplattformen, weitgehend standardisierten Batteriesätzen und durch eine Energiepreisangleichung an unsere Hauptwettbewerber;
-ausländische Direktinvestitionen einzuwerben, die zur Stärkung des Ökosystems der Automobilindustrie betragen können. Die Investitionen müssen jedoch an den Transfer von Technologie, die Integration in lokale Wertschöpfungsketten und die Einrichtung von FuE‑ oder Designzentren gebunden sein;
-Verwaltungsvorgänge unter besonderer Berücksichtigung der KMU effizienter zu gestalten und zu vereinfachen: Die Vorlaufzeiten neuer Vorschriften müssen dem Produktzyklus von Neuwagen entsprechen. Da die komplizierten Beschlussfassungsprozesse der EU zu Ineffizienzen führen und die Politikgestaltung erschweren, müssen Rechtsetzungsprozesse außerdem unbedingt besser innerhalb der EU abgestimmt werden;
-Strategien zur Rückverlagerung und Verlagerung kritischer Lieferketten in verbündete Länder (friend-shoring) zu unterstützen, indem z. B. für die Automobilindustrie und strategisch wichtige Bauteile eine umfassende Local-Content-Strategie entwickelt wird. Das Ursprungsregelsystem bietet nicht nur in der Handelspolitik, sondern auch bei öffentlichen Aufträgen, Anreizregelungen (Sozialleasing) und der Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen eine solide Handhabe. Mit Local-Content-Vorschriften dürfte sich auch verhindern lassen, dass Zölle durch den Bau reiner Montagewerke umgangen werden, in denen halb oder komplett vorproduzierte Bauteile („Knock-Down-Kits“) nur noch zusammengeschraubt werden.
Brüssel, 10. Juli 2025
Der Vorsitzende der Beratenden Kommission für den industriellen Wandel
Pietro Francesco DE LOTTO
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