DE

SOC/804

Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern

STELLUNGNAHME

Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie von Darstellungen sexuellen Missbrauchs von Kindern sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates (Neufassung)

(COM(2024) 60 final – 2024/0035 (COD))

Kontakt

sabrina.borg@eesc.europa.eu

Verwaltungsrätin

Sabrina BORG

Datum des Dokuments

1/7/2024

Berichterstatter: Christian BÄUMLER

Ko-Berichterstatterin: Diana INDJOVA

Berater

Ivan KARAGYOZOV (für die Ko-Berichterstatterin, Gruppe III)

Befassung

Rat, 24/4/2024

Europäische Kommission, 27/3/2024

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständiges Arbeitsorgan

Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft

Annahme im Arbeitsorgan

25/6/2024

Ergebnis der Abstimmung
(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

69/0/0

Verabschiedung im Plenum

D/M/YYYY

Plenartagung Nr.

Ergebnis der Abstimmung
(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

…/…/…



1.Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) unterstützt die von der Europäischen Kommission vorgelegte Strategie für eine wirksame Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern, deren Ziel es ist, alle Formen dieser Taten, einschließlich derer, die durch die technologische Entwicklung ermöglicht oder erleichtert werden, unter Strafe zu stellen.

1.2Der EWSA unterstützt die in dem Vorschlag vorgesehene Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Einrichtung von nationalen Behörden, die Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern koordinieren sollen und fordert eine zentrale Behörde in jedem Mitgliedstaat für die nationale und internationale Koordinierung sowie Schulungen der Polizeibehörden.

1.3Der EWSA fordert gemeinsame Mindeststandards für die Definitionen von Straftaten und für die Höhe der Sanktionen.

1.4Der EWSA befürwortet die vorgeschlagene Erweiterung der Definition des Begriffs „Bild“, um den Missbrauch künstlicher Intelligenz bei der Schaffung virtueller Realitätsumgebungen wirkungsvoll zu bekämpfen.

1.5Der EWSA fordert, dass in allen Mitgliedstaaten „Pädophilenhandbücher“ und die Kontaktaufnahme zur Anbahnung von Kindesmissbrauch unter Strafe gestellt werden.

1.6Der EWSA befürwortet, dass Strukturen im Dark Web, die sexuellen Missbrauch und Ausbeutung ermöglichen oder erleichtern, unter Strafe gestellt werden.

1.7Der EWSA befürwortet die vorgeschlagene Erhöhung der Mindeststrafen und die Verlängerung der Verjährungsfristen, die erst mit der Volljährigkeit beginnen dürfen.

1.8Der EWSA befürwortet verpflichtende Risikoeinschätzungen und damit verknüpfte Interventionen um Wiederholungstaten zu verhindern.

1.9Der EWSA befürwortet die vorgeschlagene Meldepflicht bei Anhaltspunkten für sexuellen Missbrauch und die Auskunftspflicht von Mitarbeitern in Einrichtungen und Organisationen, die Kontakt zu Kindern haben.

1.10Der EWSA befürwortet die vorgeschlagene Stärkung der Stellung von Opfern sexuellen Missbrauchs und der Ausbeutung von Kindern, auch durch die Verbesserung der Möglichkeit, Schadensersatz zu verlangen. Therapien für die Geschädigten müssen kostenfrei angeboten werden.

1.11Der EWSA spricht sich dafür aus, dass Eltern, Erzieher, Lehrer und Mitarbeiter von Kinderschutzorganisationen, die bei Ausübung ihrer spezifischen Aufgaben mit Kinderpornografie in Kontakt kommen, von der Strafverfolgung ausgenommen werden. Strafverfolger und Personen, die Umgang mit Kindern haben, müssen kontinuierlich geschult werden, um ihren Aufgaben gerecht werden zu können.

1.12Der EWSA fordert, dass der internationale Austausch von Daten, die den sexuellen Missbrauch und die sexuelle Ausbeutung von Kindern betreffen, konkret geregelt und die Möglichkeiten der Datenvorratsspeicherung in allen Mitgliedstaaten durch die Einrichtung eines EU‑Forschungszentrums erweitert werden.

1.13Der EWSA fordert, dass die rasche und vollständige Umsetzung der Strategie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern von der EU über Expertengremien begleitet wird.

1.14Der EWSA fordert, dass die Zivilgesellschaft sowohl bei der Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern als auch bei Prävention und Opferhilfe einbezogen wird.

1.15Der EWSA begrüßt, dass ein Schwerpunkt auf die besonders schutzbedürftige Gruppe von Kindern mit Behinderungen gelegt wird, die leicht Opfer von sexuellem Missbrauch, sexueller Ausbeutung und Cyberkriminalität werden können. Das Gefahrenpotenzial ist bei Kindern mit geistigen Behinderungen, einschließlich psychischer und psychosozialer Behinderungen, und gefährdeten Personen, die in Einrichtungen leben, größer. Der EWSA fordert ein engmaschiges Kontrollnetz und ein Notrufsystem, um diesen Gefahren entgegenzuwirken.

1.16Der EWSA unterstützt ein einheitliches System für einen wirksamen Monitoring-Mechanismus mit der Möglichkeit, bewährte Verfahren für die Sicherheit und den Schutz von Kindern auszutauschen. Die Ressourcenausstattung und alle Schulungsmaßnahmen sollten zum Ziel haben, den Umgang mit Meldungen von sexuellem Missbrauch und sexueller Ausbeutung von Kindern zu verbessern. Organisationen der Zivilgesellschaft müssen aufgeklärt und dazu angehalten werden, Schutzmaßnahmen einzuführen, um Kinder vor riskanten Tätigkeiten zu schützen, bei denen sie einer größeren Gefahr sexueller Ausbeutung ausgesetzt sind.

2.Hintergrund des Vorschlags

2.12004 wurde der Rahmenbeschluss des Rates zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornografie vorgelegt. Die Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornografie hat den Rahmenbeschluss 2004/68/JI des Rates zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Hinblick auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit für den vorsätzlichen Zugang zu Kinderpornografie durch Informations- oder Kommunikationstechnologien ersetzt. 2016 wurde in zwei Berichten der Europäischen Kommission bewertet, inwieweit die EU-Mitgliedstaaten neue Maßnahmen ergriffen haben, um der Richtlinie nachzukommen, anschließend wurde 2020 die EU-Strategie vorgestellt.

2.2Im Juli 2020 legte die Europäische Kommission eine EU-Strategie für eine wirksamere Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern vor. Diese Strategie umfasst acht Initiativen, mit denen die vollständige Umsetzung und erforderlichenfalls die Weiterentwicklung des Rechtsrahmens zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sichergestellt werden soll. Gleichzeitig zielte sie darauf ab, die Strafverfolgungsbehörden zu stärken und die Bemühungen verschiedener Interessenträger in Bezug auf Prävention und Ermittlung sowie die Unterstützung von Opfern und Überlebenden zu fördern.

2.3Insbesondere wurde in der Strategie anerkannt, dass bewertet werden muss, ob der derzeitige strafrechtliche Rahmen der EU, nämlich die Richtlinie 2011/93/EU zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie, angesichts der gesellschaftlichen und technologischen Veränderungen der letzten zehn Jahre zweckmäßig ist. Die Richtlinie legt Mindeststandards für die Verhütung und Bekämpfung dieser besonders schweren Formen der Kriminalität fest, die sich gegen Kinder richten, also Opfer, die ein Recht auf besonderen Schutz und besondere Fürsorge haben. Darin wurden Mindestvorschriften für die Definition von Straftaten und Sanktionen im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie Mindeststandards für eine wirksame Ermittlung und Strafverfolgung, die Unterstützung und Unterstützung der Opfer und die Prävention von sexuellem Missbrauch und sexueller Ausbeutung von Kindern festgelegt.

2.4Im Jahr 2022 führte die Europäische Kommission eine Evaluierung durch, um die Umsetzung der Richtlinie zu bewerten und dabei mögliche Rechtslücken, bewährte Verfahren und vorrangige Maßnahmen auf EU-Ebene zu bewerten. Die Studie hat gezeigt, dass der Text Verbesserungsmöglichkeiten bietet: Sie hob die Mehrdeutigkeit bestimmter Begriffsbestimmungen in der Richtlinie und die Herausforderungen bei der Ermittlung und Verfolgung von Straftätern hervor. In der Studie wurden Bedenken hinsichtlich der exponentiellen Zunahme des Online-Austauschs von Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs und der zunehmenden Möglichkeiten für Täter geäußert, ihre Identität zu verschleiern, insbesondere im Internet, wodurch sie Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen entgehen. Abschließend wurde in der Studie festgestellt, dass sowohl die zunehmende Online-Präsenz von Kindern als auch die jüngsten technologischen Entwicklungen Herausforderungen für die Strafverfolgung mit sich bringen und gleichzeitig neue Möglichkeiten für Missbrauch schaffen, die von der geltenden Richtlinie nicht vollständig abgedeckt sind.

3.Allgemeine Bemerkungen

3.1Der EWSA unterstützt das Ziel des Vorschlags sicherzustellen, dass alle Formen des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern, einschließlich solcher, die durch technologische Entwicklungen ermöglicht oder erleichtert werden, unter Strafe gestellt werden.

3.2Der EWSA unterstützt das Ziel des Vorschlags sicherzustellen, dass die nationalen Ermittlungs- und Strafverfolgungsvorschriften eine wirksame Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern vorsehen, in denen den jüngsten technologischen Entwicklungen Rechnung getragen wird.

3.3Der EWSA befürwortet die Verbesserungen der Prävention und der Opferhilfe in Fällen sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch, wie sie im Vorschlag vorgesehen ist. Der EWSA ist der Auffassung, dass die Einbeziehung der Zivilgesellschaft für den Erfolg dieser Strategie von entscheidender Bedeutung ist.

3.4Der EWSA begrüßt, dass die Stellung von Opfern und Überlebenden von sexuellem Missbrauch von Kindern gestärkt wird, indem ihre Möglichkeiten, Schadensersatz geltend zu machen, verbessert werden. Der Vorschlag erweitert diese Rechte um Schäden, die durch Online-Verbreitung von Material über den Missbrauch entstanden sind.

3.5Der EWSA befürwortet die bessere Koordinierung der Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern in den Mitgliedstaaten und auf nationaler Ebene, wie sie die Europäische Kommission vorschlägt. Die vorgeschlagene Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Einrichtung von nationalen Behörden, die für die Koordinierung verantwortlich sind, wird befürwortet. In jedem Mitgliedstaat muss es eine Behörde als Ansprechpartner für die internationale Zusammenarbeit und die Koordinierung auf nationaler Ebene geben. Die Zivilgesellschaft muss in die Koordinierung dieser Maßnahmen einbezogen werden.

3.6Der EWSA weist darauf hin, dass mit diesem Vorschlag die bestehenden Bestimmungen der Richtlinie im Rahmen der EU-Strategie 2020 für eine wirksamere Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern weiterentwickelt und der Rechtsrahmen für digitale Dienste ergänzt wird.

3.7Der EWSA hebt hervor, dass der Vorschlag andere EU-Initiativen ergänzt, die direkt oder indirekt auf Aspekte der Herausforderungen im Zusammenhang mit Straftaten des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern eingehen. Der Vorschlag sollte sich auf den allgemeinen EU-Rahmen für den Schutz der Rechte von Opfern von Straftaten aller Art stützen, einschließlich der EU-Strategie für die Rechte von Opfern und des Vorschlags für eine Überarbeitung der Opferschutzrichtlinie. Die genannte Richtlinie muss unbedingt horizontal angelegt sein und für alle Opfer gelten. Wie in der Stellungnahme SOC/780 dargelegt wird, müssen die notwendigen umfassenden Opferrechte, entsprechende Unterstützung und Dienste der Vielfalt der Opfer Rechnung tragen. Darüber hinaus enthält die Richtlinie spezifische Bestimmungen zur Stärkung der Rechte von Randgruppen.

3.8Der EWSA betont, dass der grenzüberschreitende Charakter von Straftaten des sexuellen Missbrauchs in den letzten zehn Jahren noch an Bedeutung gewonnen hat. Der Einsatz von Online-Technologien, die die Auswirkungen solcher Straftaten grenzüberschreitend ermöglichen und verstärken, hat zugenommen. Kontinuierliche Schulungen sowohl der Strafverfolger als auch aller Personen, die mit Kindern zu tun haben, sind notwendig. Solche Angebote muss es auch für Eltern geben.

3.9Der EWSA hebt hervor, dass sowohl die wirksame strafrechtliche Verfolgung von Straftätern als auch die Gewährleistung des Opferschutzes überall in der EU gemeinsame Mindeststandards für die Definition von Straftaten und die Höhe der Sanktionen voraussetzen. Insbesondere müssen die Definitionen von Straftaten auf EU-Ebene angepasst werden, um sexuellen Missbrauch und Ausbeutung von Kindern wirkungsvoll zu bekämpfen.

3.10Der EWSA befürwortet die vorgeschlagene Erweiterung der Definition des Begriffs „Bild“, um den Missbrauch künstlicher Intelligenz bei der Schaffung virtueller Realitätsumgebungen wirkungsvoll zu bekämpfen. Der Vorschlag berücksichtigt richtigerweise, dass der Zugang zu Material über sexuellen Kindesmissbrauch häufig den ersten Schritt zu tatsächlichem Kindesmissbrauch bedeutet.

3.11Der EWSA befürwortet die Klarstellung im Vorschlag, dass Kontaktaufnahmen zur Anbahnung von Kindesmissbrauch über das Internet in allen Mitgliedstaaten unter Strafe gestellt werden müssen.

3.12Der EWSA befürwortet, dass „Pädophilenhandbücher“ unter Strafe gestellt werden. Handreichungen, die beschreiben, wie Kinder gefunden und missbraucht und wie die Verfolgung dieser Straftaten vermieden werden kann, sind unerträglich.

3.13Der EWSA befürwortet, dass der Vorschlag die Rolle des Dark Web bei der Schaffung von kriminellen Gemeinschaften mit dem Ziel des sexuellen Missbrauchs und der Ausbeutung von Kindern und bei der Verbreitung von Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs angeht. Online-Strukturen, die dies ermöglichen, müssen unter Strafe gestellt werden.

3.14Der EWSA befürwortet die vorgeschlagenen Erhöhungen der Mindeststrafen bei Kindesmissbrauch und sexueller Ausbeutung von Kindern. Dabei muss darauf geachtet werden, dass Eltern, Erzieher, Lehrer und Mitarbeiter von Kinderschutzorganisationen nicht in das Visier von Strafverfolgungsbehörden geraten, wenn sie im Zusammenhang mit ihren spezifischen Aufgaben in Kontakt mit Kinderpornografie geraten.

3.15Der EWSA unterstützt den Vorschlag der Europäischen Kommission, Sexualstraftäter zur Verhinderung von Wiederholungstaten, einer Risikoabschätzung zu unterziehen und daran Interventionen zu knüpfen. Ein Zugang zu Interventionsprogrammen auf freiwilliger Basis sollte ermöglicht werden.

3.16Der EWSA begrüßt, dass der Vorschlag dem Risiko entgegenwirkt, dass einschlägige Straftäter durch Beschäftigung oder freiwillige Tätigkeiten Zugang zu Kindern bekommen. Einrichtungen oder Organisationen, bei denen enger Kontakt zu Kindern besteht, müssen Auskünfte über Menschen einholen, die sich in ihrem Verantwortungsbereich engagieren wollen. Die Mitgliedstaaten müssen zur Auskunftserteilung verpflichtet werden.

3.17Der EWSA befürwortet, dass Verjährungsfristen bei sexuellem Missbrauch und Ausbeutung gemäß dem Vorschlag erst mit Volljährigkeit des Opfers zu laufen beginnen. Die vorgeschlagenen Mindestverjährungsfristen sind notwendig, damit Opfer Gerechtigkeit erfahren können. Die Betroffenen sind häufig jahrelang nicht in der Lage, diese Straftaten zu melden.

3.18Der EWSA befürwortet die vorgeschlagene Einführung einer Meldepflicht bei Anhaltspunkten für sexuellen Kindesmissbrauch. Die Meldepflicht schafft Rechtssicherheit, insbesondere für Erzieherinnen und Erzieher und die Beschäftigten im Gesundheitssektor.

3.19Der EWSA weist darauf hin, dass die Strafverfolgungsbehörden in der EU bei der Verfolgung von sexuellem Missbrauch und sexueller Ausbeutung im Internet auf die Zusammenarbeit mit dem National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC) in den Vereinigten Staaten angewiesen ist. Der EWSA fordert vergleichbare Einrichtungen und Instrumente in der EU zur Sicherung von Darstellungen sexuellen Missbrauchs im Internet als Beweismittel und betont die Notwendigkeit einer konkreten Rechtsgrundlage für den Datentransfer von den Vereinigten Staaten in die EU.

3.20Der EWSA ist der Auffassung, dass es für die Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern entscheidend auf die rasche und vollständige Umsetzung der EU-Strategie ankommt. Deshalb muss die Umsetzung der Strategie in den Mitgliedstaaten von der EU über Expertengremien begleitet werden.

4.Besondere Bemerkungen

4.1Mit allen Instrumenten auf der Ebene der Europäischen Union sollen die Menschenwürde und das Wohl des Kindes als Grundwerte geschützt werden, die von allen Mitgliedstaaten ohne Diskriminierung gefördert werden müssen. Die Rechtsinstrumente beziehen sich auf wichtige Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch: Schutz und Hilfsmaßnahmen für Opfer im Kindesalter und ihre Familien, Einführung von Interventionsprogrammen, gemeinsame Verfahrensvorschriften für die Ermittlung, Verfolgung und Verurteilung von Straftätern, Umgang mit Sexualstraftätern, Einrichtung einer Datenbank, in der Informationen zu Straftätern erfasst und gespeichert werden, Maßnahmen für die internationale Zusammenarbeit bei der Prävention und Bekämpfung von Straftaten, Einführung eines Monitoring-Mechanismus, um zu beobachten, wie die Bestimmungen von anderen staatlichen Stellen umgesetzt werden. Derzeit gibt es auf Ebene der Europäischen Union keinen einheitlichen Rechtsrahmen, auf den sich die Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung der verschiedenen Formen der sexuellen Ausbeutung und des sexuellen Missbrauchs von Kindern beziehen können.

4.2Sexueller Missbrauch und sexuelle Ausbeutung von Kindern können in verschiedenen Ausprägungen auftreten, und zwar sowohl offline, durch die Ausübung sexueller Handlungen mit einem Kind oder den Zwang des Kindes, sich an Kinderprostitution zu beteiligen, als auch zunehmend im Internet, wobei die Täter unterschiedliche Strategien verfolgen. Sexueller Missbrauch und sexuelle Ausbeutung geschehen also in höchst unterschiedlicher Form und mit den verschiedensten Methoden, was Folgen für die körperliche und geistige Gesundheit von Kindern haben kann.

4.3Die Nutzung des Internets sowie der Informations- und Kommunikationstechnologie ist weltweit zu einem Problem geworden, und zwar nicht nur für Kinder, sondern auch für Straftäter. Die Zahl der Fälle von sexuellem Missbrauch steigt. Der Online- und Offline-Schutz von Kindern ist ernsthaft in Gefahr und sollte für die EU zur Priorität werden. Der sexuelle Missbrauch und die sexuelle Ausbeutung von Kindern online und offline stellen eine besonders schwere Straftat dar, da sie unheilbare Traumata mit langfristigen körperlichen, geistigen und sozialen Folgen verursachen können.

4.4Sexueller Missbrauch und sexuelle Ausbeutung geschehen also in höchst unterschiedlicher Form und mit den verschiedensten Methoden, was Folgen für die körperliche und geistige Gesundheit von Kindern haben kann. Risikofaktoren für die Online- und Offline-Sicherheit sind soziale Isolation, fehlende Unterstützung durch Gleichgestellte oder Mentoren, mehr Zeit im Internet, Angstzustände, Stress und Behinderungen.

4.5Während sexuelle Ausbeutung im Internet jedes Kind überall betreffen kann, scheinen andere Formen der sexuellen Ausbeutung mit Kohorten von Kindern und Jugendlichen in Verbindung zu stehen, deren Lebenserfahrungen sie anfällig machen; dazu gehören Heimunterbringung, „Verschwinden“ oder Weglaufen von zu Hause oder einer Pflegestelle, eine geistige oder körperliche Behinderung, früherer sexueller Missbrauch oder Vernachlässigung, Alkohol- oder Drogenmissbrauch, Schulabbruch, geringes Selbstwertgefühl und von Gleichaltrigen vermittelte Kontakte zu ausbeuterischen älteren Männern.

4.6Auch in Familien kann es zu sexuellem Missbrauch und sexueller Ausbeutung von Kindern kommen, was die Strafverfolgungsbehörden vor erhebliche Schwierigkeiten stellt, da in Familien das Zeugnisverweigerungsrecht in Strafverfahren besteht. Ein Notrufsystem könnte sowohl die Prävention stärken als auch die Strafverfolgung erleichtern.

4.7Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass die Zahl der Fälle sexuellen Missbrauchs von Kindern zugenommen hat, insbesondere im Zusammenhang mit Material, das im Oberflächen-Web und in Peer-to-Peer-Netzen abgerufen und verbreitet wird, aber auch im Zusammenhang mit Aktivitäten in Dark-Web-Foren.

4.8Bei sexuellem Missbrauch von Kindern im Rahmen der Cyberkriminalität ist die Chance groß, dass Straftaten aufgedeckt werden. Kinder, insbesondere Kinder mit Behinderungen, sind eine der am stärksten bedrohten gesellschaftlichen Gruppen, da sie sozial nicht ausreichend erfahren sind, intensiv kommunizieren und Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) weithin verfügbar sind.

4.9Soziale und technologische Faktoren spielen beim sexuellen Missbrauch von Kindern eine entscheidende Rolle. Die Zunahme der Kinderpornografie wird durch verschiedene Faktoren unterstützt, u. a. die rasche technologische Entwicklung, die Anonymität im Cyberspace und die geringen Kosten bzw. den geringen Ressourceneinsatz. Dabei handelt es sich um globale Faktoren (Megaumfeld), Faktoren des Makroumfelds (hauptsächlich charakteristisch für die nationale Ebene des Makroumfelds) sowie um Faktoren der Mikroumfelds, die charakteristisch für die spezifischen Personen sind, deren Rechte verletzt werden.

4.10Virtuelle Kinderpornografie bezieht sich auf Computeranimationen (CGI), Zeichnungen, Bilder und Comiczeichnungen, die eine sexuelle Darstellung von Kindern zeigen. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass „virtuelle Kinderpornografie“ und „Pseudo-Fotografien“, die auch als „gemorphte Bilder“ bezeichnet werden, nicht dasselbe sind.

4.11Die Entfernung von kinderpornografischen Inhalten an der Quelle ist in Fällen, in denen sich das Originalmaterial nicht in der Union befindet, häufig nicht möglich. Es ist dringend erforderlich, proaktiv tätig zu werden, um solche Inhalte zu entfernen und diejenigen, die sich der Herstellung, der Verbreitung oder des Herunterladens solcher Darstellungen schuldig gemacht haben, festzunehmen.

4.12Bei Kindern in Betreuungseinrichtungen und Kindern mit Behinderungen ist die Gefahr sexueller Ausbeutung am größten. Kinder mit Behinderungen, insbesondere solche mit geistigen Behinderungen, einschließlich psychischer und psychosozialer Behinderungen, verstehen eventuell soziale Signale und soziale Interaktion nur in begrenztem Maße, was sie anfälliger für Grooming und sexuelle Ausbeutung macht. Ein engmaschiges Kontrollnetz ist notwendig, um diesen Gefahren entgegenzutreten.

Brüssel, den 25. Juni 2024

Die Vorsitzende der Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft

Cinzia Del Rio

_____________