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TEN/820

Kapazitäts- und Verkehrsmanagement im Schienenverkehr

STELLUNGNAHME

Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Nutzung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn im einheitlichen europäischen Eisenbahnraum, zur Änderung der Richtlinie 2012/34/EU und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 913/2010

[COM(2023) 443 final – 2023/0271 COD]

Kontakt

ten@eesc.europa.eu  

Verwaltungsrätin

Maja RADMAN

Datum des Dokuments

12/10/2023

Berichterstatter: Angelo PAGLIARA

Befassung

…, DD/MM/YYYY

Rechtsgrundlage

Artikel 91 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

Annahme in der Fachgruppe

06/09/2023

Ergebnis der Abstimmung
(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

60/0/0

Verabschiedung im Plenum

DD/MM/YYYY

Plenartagung Nr.

Ergebnis der Abstimmung
(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

…/…/…



1.Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) unterstützt uneingeschränkt die Ziele des Pakets „Ökologisierung des Verkehrs“. Insbesondere begrüßt er den Vorschlag betreffend die Nutzung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die ehrgeizigen Ziele für den Schienenverkehr, die unverzichtbar für ein umweltfreundliches und nachhaltiges Verkehrssystem sind.

1.2Der EWSA weiß um die Notwendigkeit einer effizienten Kapazitätszuweisung im Schienenverkehr. An den verschiedenen Formen des Schienenverkehrs, z. B. Personen- und Güterverkehr, Fern- und Nahverkehrs, nationalem und internationalem Verkehr sind zahlreiche Akteure mit oft gegensätzlichen Interessen beteiligt. Der EWSA fordert die Kommission nachdrücklich auf, für einen Ausgleich zwischen diesen verschiedenen Interessen zu sorgen, wobei das öffentliche Interesse im Vordergrund stehen sollte.

1.3Der EWSA fordert die Kommission auf, eine aktive EU-Politik zu fördern, die sich auf Investitionen in den Bau neuer Infrastrukturen und die Instandhaltung bestehender Infrastrukturen konzentriert. Der Schwerpunkt darf dabei jedoch nicht nur auf internationalen Verbindungen und Hochgeschwindigkeits-Fernstrecken liegen, vielmehr müssen die lokalen und regionalen Strecken ebenso berücksichtigt werden.

1.4Der EWSA unterstreicht die Bedeutung des sozialen Dialogs bei der Einführung neuer digitaler Instrumente am Arbeitsplatz. Neue Methoden und Instrumente für die Planung der Infrastrukturkapazität der europäischen Eisenbahnen sollten von einem sachbezogenen Dialog zwischen den Arbeitnehmern und den Unternehmen, die diese Systeme nutzen, begleitet werden. Außerdem müssen diese Prozesse mit einer gründlichen Bewertung der Auswirkungen auf die Beschäftigten und der zusätzlichen Schulungsanforderungen einhergehen.

1.5Der EWSA ist der Auffassung, dass die vorgeschlagene Kapazitätsplanung insbesondere die Infrastrukturbetreiber und die Arbeitnehmer betreffen wird. Der Gesundheits- und Arbeitsschutz der mit der Instandhaltung der Infrastruktur betrauten Arbeitskräfte sollten bei der Kapazitätsplanung und -umsetzung Vorrang haben.

1.6Die Freizügigkeit von Personen und Gütern ist eine von der Europäischen Union garantierte Grundfreiheit. Angesichts des großen Potenzials des Schienenverkehrs begrüßt der EWSA diese Initiative. Er fordert die Europäische Kommission auf, alle ergänzenden Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, damit der Schienenverkehr für die Bürgerinnen und Bürger attraktiver, für Menschen mit Behinderungen zugänglicher und außerdem für alle erschwinglicher wird. Auch sollte in die Eisenbahnbeschäftigten investiert werden, und ihre Arbeitsbedingungen, Fähigkeiten und Kompetenzen sollten verbessert werden.

2.Allgemeine Bemerkungen

2.1Der Schienenverkehr ist eine energieeffiziente und umweltfreundliche Form des Verkehrs. Den Angaben des Verordnungsvorschlags 1 zufolge wurden in der EU im Jahr 2020 5,1 % des Personenverkehrs und 11,5 % des Güterverkehrs über die Schiene abgewickelt. Dabei generierte der Schienenverkehr allerdings nur 0,4 % der Treibhausgasemissionen. Auf den Schienenverkehr entfällt nur 1,9 % des Energieverbrauchs im Verkehrssektor, da die meisten Bahnfahrten auf elektrifizierten Strecken durchgeführt werden.

2.2Gemäß der Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität von 2020 2 soll der Schienengüterverkehr bis 2030 um 50 % zulegen und sich bis 2050 verdoppeln. Der Hochgeschwindigkeitsschienenverkehr soll sich bis 2030 verdoppeln und bis 2050 verdreifachen. Da das Schienennetz weitgehend elektrifiziert ist, könnte eine verstärkte Nutzung des Schienenverkehrs dazu beitragen, die Emissionen zu verringern und die Ziele des Grünen Deals zu erreichen.

2.3Das Schienennetz in der EU ist zunehmend überlastet und kann den Kapazitätsbedarf der Betreiber, die an der Trassennutzung interessiert sind, nicht mehr decken. Dies bedroht das Wachstum des Schienenverkehrs, das für die Dekarbonisierung des Verkehrs als notwendig erachtet wird.

2.4Die Europäische Kommission schlägt deshalb eine flexiblere und wirksamere Methode für das Kapazitäts- und Verkehrsmanagement vor. Ihrer Ansicht nach wird dies die Qualität der angebotenen Dienstleistungen und die Nutzung des Schienennetzes in Europa verbessern und so die Dekarbonisierung fördern.

2.5Interessanterweise rückt der Vorschlag von der Verordnung über Schienengüterverkehrskorridore von 2010 ab, da das Korridorkonzept zugunsten des Kapazitätsmanagements aufgegeben wird. Die im Vorschlag als positiv bezeichneten Elemente der Verordnung werden allerdings beibehalten und weiterentwickelt. Es wird dargelegt, dass keine befriedigenden Ergebnisse erzielt werden konnten, weil das an Korridoren ausgerichtete Kapazitätsmanagement nicht dem typischen Güterzugbetrieb entspricht. Hinzu kommt, dass die zunehmende Konzentration auf grenzüberschreitende Dienstleistungen das Problem noch verschärft, denn Personen- und Frachtströme sind nicht immer deckungsgleich.

Der EWSA kann zwar nachvollziehen, warum die Kommission vom Korridoransatz für das Kapazitätsmanagement abrückt, betont jedoch, dass der Ausbau der TEN-V-Korridore nach wie vor eine Priorität sein sollte.

2.6Die grenzüberschreitenden Schienenverkehrsdienste erfordern eine bessere Koordinierung der Netze. Es muss wirkungsvollere Verfahren für die bessere Koordinierung zwischen den nationalen Infrastrukturbetreibern und den sonstigen am grenzüberschreitenden Schienenverkehr beteiligten Akteuren geben.

2.7Der Vorschlag zielt auf eine effizientere Zuweisung von Schieneninfrastrukturkapazitäten ab. Dies soll durch ein flexibleres Verfahren und mehr Mitsprache der Infrastrukturbetreiber bei der Bestimmung des Beförderungsbedarfs erreicht werden.

2.8Ausgangspunkt des Vorschlags sind die Arbeiten der Branche im Zusammenhang mit dem Projekt zur Neuordnung der Kapazitätsplanungs- und Managementprozesse (Timetable Redesign for Smart Capacity Management – TTR), das die Schwächen der derzeitigen Verfahren zur Bewirtschaftung der Infrastrukturkapazitäten und des Schienenverkehrs beheben soll. Der Vorschlag bietet einen Rechtsrahmen für die vollständige Umsetzung des TTR-Prozesses.

2.9Mit dem Vorschlag werden sowohl für die Infrastrukturbetreiber als auch für die Eisenbahnunternehmen Anreize geschaffen, kapazitätsbezogene Verpflichtungen einzuhalten und kurzfristiges Umsteuern zu vermeiden.

2.10Das Europäische Netzwerk der Infrastrukturbetreiber (European Network of Infrastructure Managers, ENIM) soll gestärkt werden, damit es Verfahren und Methoden für das Kapazitätsmanagement und die Koordinierung der grenzüberschreitenden Kapazitäten und des grenzüberschreitenden Verkehrs entwickeln und umsetzen kann. Außerdem muss für eine strukturierte Koordinierung zwischen den Infrastrukturbetreibern und den Netznutzern gesorgt werden, was unter anderem durch die Verbesserung des Datenaustauschs zwischen den Infrastrukturbetreibern geschehen könnte. Als Prioritäten werden die Einführung interoperabler digitaler Tools und die verstärkte Automatisierung genannt.

2.11Es wird davon ausgegangen, dass die Digitalisierung kapazitätsrelevanter Prozesse die Dienstleistungen effizienter macht, ihre Qualität verbessert und es den Infrastrukturbetreibern ermöglicht, auf unerwartete Ereignisse zu reagieren.

3.Besondere Bemerkungen

3.1Der EWSA bedauert, dass in dem Vorschlag weder auf das Eisenbahnpersonal noch auf die höheren Verwaltungskosten für Infrastrukturbetreiber eingegangen wird, die einen höheren Ressourcenbedarf auslösen werden. Der EWSA bedauert ferner, dass es für Eisenbahnunternehmen und Terminalbetreiber keine Entsprechung zum Europäischen Netzwerk der Infrastrukturbetreiber (European Network of Infrastructure Managers, ENIM) gibt. Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, eine kohärente Strategie zur langfristigen Förderung eines umweltfreundlichen Güterverkehrs vorzulegen. Das vorgeschlagene Paket zur Ökologisierung des Güterverkehrs ist nicht kohärent, da es zu einer Rückverlagerung des Verkehrs von der Schiene auf die Straße führen könnte, indem der grenzüberschreitende Betrieb von mit fossilen Brennstoffen betriebenen Gigalinern erleichtert wird.

3.2Die Änderung der Kapazitätsplanung wird sich auf die tägliche Arbeit der Eisenbahnbeschäftigten und insbesondere der Infrastrukturbetreiber dahingehend auswirken, dass zusätzliches Personal für den wachsenden Verwaltungsaufwand eingestellt werden muss. Außerdem sollten der Gesundheits- und Arbeitsschutz der mit der Instandhaltung der Infrastruktur betrauten Arbeitskräfte bei der Kapazitätsplanung Vorrang haben.

3.3Aus diesen Gründen hält es der Ausschuss für angezeigt, die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die Zahl und die Art der Arbeitsplätze bei den Infrastruktur- und Eisenbahnbetreibern zu prüfen. Ebenso muss geklärt werden, welche Ausbildungsanforderungen insbesondere auf diejenigen Beschäftigten zukommen, die direkt in der Kapazitätsplanung arbeiten.

3.4Der EWSA begrüßt die ehrgeizigen Ziele für den Schienenverkehr, der das Rückgrat eines nachhaltigen Verkehrssystems bildet. Eine effizientere Zuweisung von Fahrwegkapazität kann kurzfristig die dringend benötigte Zusatzkapazität schaffen und die Planung des langfristigen Bedarfs verbessern.

3.5Der EWSA unterstützt auch die anhaltenden Bemühungen zur Reduzierung der technischen Unterschiede im europäischen Schienennetz.

3.6Der EWSA bedauert, dass die Verordnung erst nach 2030 Wirkung zeigen wird. Daher empfiehlt er, die Umsetzung bestimmter Elemente zu beschleunigen, damit bis 2025 konkrete Ergebnisse vorweisbar sind, wie z. B. die Digitalisierung bestimmter Instrumente und das digitale Kapazitätsmanagement. Der EWSA hält es für entscheidend, die Einführung und Umsetzung digitaler Instrumente in den kommenden Jahren zu beschleunigen, um der wachsenden Nachfrage nach Schienenverkehr, dem Grünen Deal und den Zielen der Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität zumindest teilweise gerecht zu werden.

3.7Der EWSA begrüßt die Einführung einer (mehrjährigen) fortlaufenden Planung und die Rahmenverträge. Allerdings müsste die obligatorische Nutzung von Rahmenverträgen durch Infrastrukturbetreiber auch mit einer Überarbeitung der Verordnung (EU) 2016/545 einhergehen. Die Nutzung von Rahmenverträge gemäß dieser Verordnung ist für die Infrastrukturbetreiber äußerst bürokratisch und aufwendig, weshalb sie von vielen europäischen Infrastrukturbetreibern bisher abgelehnt wurde.

3.8Das neue Konzept der fortlaufenden Planung trägt entscheidend dazu bei, dass das neue Zuweisungs- und Managementverfahren der Kapazitäten den Markterfordernissen entspricht. Zugleich muss Spielraum für nationale Besonderheiten gelassen werden, solange sie den übergeordneten Umsetzungsprozess nicht beeinträchtigen.

Der EWSA stellt fest, dass es mittel- und langfristig massiver öffentlicher Investitionen und einer stabilen Finanzierung bedarf, um neue Infrastrukturen aufzubauen und die Bestandsstrecken betriebstauglich zu halten und zu modernisieren und gleichzeitig in digitalisierte Betriebsmittel wie digitales Kapazitätsmanagement zu investieren. Nach Auffassung des EWSA ist es für den Schienenverkehr enorm wichtig, dass die Einführung und Umsetzung des digitalen Kapazitätsmanagements in den kommenden Jahren beschleunigt wird. Zu diesem Zweck sollte die Europäische Kommission sicherstellen, dass die vollständige Umsetzung des TTR-Projekts (Timetable Redesign for Smart Capacity Management – Projekt zur Fahrplanneugestaltung) einschließlich des digitalen Kapazitätsmanagements ausreichend finanziert wird. Investitionen in das europäische Eisenbahnverkehrsleitsystem (ERTMS) sollten ebenfalls gefördert werden, da es die Infrastrukturkapazität erhöhen kann.

3.9Der EWSA begrüßt, dass die Europäische Kommission Fachwissen aus der Branche heranzieht, insbesondere die Ergebnisse des TTR-Projekts und anderer sektorspezifischer Initiativen (Notfallmanagement, European Traffic Management Network). Die Zuweisung von Fahrwegkapazität im Schienenverkehr ist eine sehr komplexe Aufgabe. Es muss sorgfältig analysiert werden, wie sich etwaige Änderungen am System auswirken. Mit dem neuen Verfahren wird etwas gegen den derzeitigen Mangel an Harmonisierung, Synchronisierung und Koordinierung bei der Kapazitätszuweisung in der EU unternommen. Ausgehend von soliden Fachkenntnissen in diesem Bereich kann mit dem Vorschlag sichergestellt werden, dass das neue Modell dem tatsächlichen Bedarf der Schienenverkehrsinfrastruktur und der Nutzer besser gerecht wird.

3.10Um den grenzüberschreitenden Verkehr zu verbessern, wird im Vorschlag die Harmonisierung der Regeln und Verfahren für die Bewirtschaftung der Schienenverkehrsinfrastruktur gefordert.

In diesem Zusammenhang betont der EWSA, dass das Subsidiaritätsprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stets eingehalten werden müssen. Zusätzliche Koordinierungs- bzw. Bürokratieebenen in einem bereits komplexen System sollten auf das unbedingt Notwendige beschränkt werden. Gemeint ist etwa die Schaffung eines Leistungsüberprüfungsgremiums, das die Europäische Kommission in allen Bereichen berät, die sich auf die Leistung der Schienenverkehrsdienste und des Infrastrukturmanagements auswirken, die Schaffung eines gemeinsamen Rahmens für die Leistungsüberprüfung und die Sicherstellung, dass die Infrastrukturbetreiber gemeinsame Grundsätze und Methoden anwenden, um Leistungen anhand vereinbarter Indikatoren zu messen und Schwachstellen in der Netzleistung zu ermitteln. Es ist wichtig, genau definierte, aber nicht zu viele Leistungsindikatoren (KPI) zu verwenden. Das Leistungsüberprüfungsgremium muss die Erfahrungen und Kenntnisse der Infrastrukturbetreiber und Eisenbahnunternehmen in ausgewogener Weise berücksichtigen.

Der EWSA ist der Auffassung, dass sich diese Gesetzgebungsinitiative auf das zur Umsetzung der TTR erforderliche Maß beschränken und weitgehend auf den bestehenden Bestimmungen der Richtlinie zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (SERA) aufbauen sollte.

3.11Der EWSA ist der Auffassung, dass eine frühzeitige klare Trassenzuweisung und mehr Flexibilität die Schiene sowohl für den Personen(fern)- als auch für den Güterverkehr attraktiver machen werden.

3.12Die optimierte Zuweisung von Fahrwegkapazität ist zweifellos ein Schritt in die richtige Richtung, um den Schienenverkehr als nachhaltige Verkehrsform zu fördern. Indes muss der EWSA auch auf die Einschätzung der Branche verweisen, der zufolge die nutzbare Kapazität dadurch nur um höchstens 3 % gesteigert und gerade einmal 0,5 % des Verkehrs von der Straße auf die Schiene verlagert werden könnten. 3

Die derzeitige Eisenbahninfrastruktur kann die Nachfrage bei Weitem nicht decken. Der Aufbau neuer Infrastrukturen und die ordnungsgemäße Instandhaltung der Bestandsstrecken werden die Kapazität sowie die Qualität der Infrastruktur und der Schienenpersonen- und Güterverkehrsdienste erheblich verbessern.

3.13Der Ausschuss begrüßt deshalb, dass die Europäische Kommission die umfassenderen Herausforderungen im Schienensektor, die noch größere Auswirkungen haben könnten, anerkennt. Es geht insbesondere um die unzureichende Internalisierung externer Kosten des Verkehrs bei den einzelnen Verkehrsträgern, die unzureichende oder schlechte Instandhaltung der Schieneninfrastruktur sowie die mangelnde technische und betriebliche Interoperabilität der nationalen Eisenbahnsysteme in der EU.

3.14Der EWSA erkennt an, dass die Kapazitäten im Schienenverkehr so effizient wie möglich zugewiesen werden sollten. Allerdings wird die Entscheidung zwischen Personen- oder Güterverkehr, Fern- oder Nahverkehr bzw. nationalem oder internationalem Verkehr stets eine Abwägung verschiedener Interessen erfordern. Diese Entscheidungen sind nicht neutral und werden Einfluss darauf haben, wie der Schienenverkehr dem Gemeinwohl dient. Es ist deshalb entscheidend, dass den lokalen und regionalen Strecken ausreichend Beachtung geschenkt wird. In jedem Fall wird die Verwirklichung der Ziele des Grünen Deals ohne den regionalen Verkehr nicht möglich sein, weil dieser ein enormes Verkehrsvolumen repräsentiert. Es ist deshalb zu begrüßen, dass der Netzansatz in der Verordnung Vorrang gegenüber dem Korridoransatz erhalten hat.

3.15Der EWSA teilt die Auffassung, dass der internationale Schienengüterverkehr maßgeblich für einen nachhaltigeren Güterverkehr in Europa sein wird. Er bedauert indes, dass es die Politik der EU der vergangenen Jahrzehnte mit ihrer vollständigen Liberalisierung der Branche im Jahr 2006 nicht geschafft hat, den Anteil des Schienengüterverkehrs in Europa zu erhöhen. Um dem Schienengüterverkehr neue Dynamik zu verleihen, muss die EU aktiv Maßnahmen ergreifen, die Investitionen und die Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen Schienengüterverkehrsunternehmen umfassen. Eine Plattform der Eisenbahnunternehmen nach dem Vorbild der Plattform der Infrastrukturbetreiber (PRIME/ENIM) sowie technische Arbeitsgruppen mit ähnlichen Strukturen wie die Railway Undertaking Advisory Groups (RAG)/Terminal Advisory Group (TAG) der Schienengüterverkehrskorridore würden dafür sorgen, dass der Markt ausgewogen repräsentiert wird, und es würde ein symmetrisches Gegengewicht zu ENIM gegenüber der Kommission und eine Schnittstelle für das Europäische Netz der Eisenbahnregulierungsbehörden (ENRRB) geschaffen.

Darüber hinaus befürwortet der EWSA die Weiterentwicklung und (etwaige europäische) Finanzierung der digitalen automatischen Kupplung (DAC) zwecks Leistungssteigerung des Schienengüterverkehrs in Europa.

3.16Der EWSA unterstützt voll und ganz die Ziele des Pakets „Ökologisierung des Verkehrs“: ein nachhaltigerer Verkehr in Europa und die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene. Leider muss er jedoch feststellen, dass das Paket keine Maßnahmen enthält, die eine tatsächliche Verlagerung auf andere Verkehrsträger im Güterverkehr einleiten könnten.

Die effizientere Zuweisung von Schieneninfrastrukturkapazität ist ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings schlägt die Europäische Kommission auch vor, den grenzüberschreitenden Betrieb großer, mit fossilen Brennstoffen betriebener Lastkraftwagen, sogenannte Gigaliner, zu erleichtern. Diese LKW gefährden nicht nur andere Verkehrsteilnehmer, sie sind auch häufig mit dem multimodalen Verkehr unvereinbar und führen zur Rückverlagerung des Verkehrs von der Schiene auf die Straße.

3.17Abschließend bedauert der EWSA, dass der Ansatz der Europäischen Kommission zur Förderung des Schienengüterverkehrs als nachhaltigem Rückgrat der europäischen Verkehrspolitik nicht kohärent erscheint. Die jüngsten Untersuchungen möglicher rechtswidriger staatlicher Beihilfen an zwei der größten Schienengüterverkehrsunternehmen in der EU 4 weisen diesbezüglich genau in die falsche Richtung. Die Mitgliedstaaten werden geradezu davon abgehalten, den Schienengüterverkehr als nachhaltige Alternative zum Straßenverkehr zu fördern.

3.18Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, eine kohärente Strategie zur langfristigen Förderung eines umweltfreundlichen Güterverkehrs vorzulegen. Das vorgeschlagene Paket zur Ökologisierung des Güterverkehrs ist nicht kohärent, da es zu einer Rückverlagerung des Verkehrs von der Schiene auf die Straße führen könnte, indem der grenzüberschreitende Betrieb von mit fossilen Brennstoffen betriebenen Gigalinern erleichtert wird.

Brüssel, den 6. Oktober 2023

Baiba MILTOVICA

Vorsitzende der Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

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(1)    Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Nutzung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn im einheitlichen europäischen Eisenbahnraum, zur Änderung der Richtlinie 2012/34/EU und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 913/2010.
(2)    Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität: Den Verkehr in Europa auf Zukunftskurs bringen (COM(2020) 789 final).
(3)    CER (2023) Rail infrastructure capacity and traffic management: implementation of TTR and DCM:     https://www.cer.be/images/publications/positions/230201_CER_Position_Paper_TTR_and_DCM.pdf .
(4)    „Staatliche Beihilfen: Kommission leitet eingehende Prüfung der deutschen Unterstützungsmaßnahmen für DB Cargo ein“  https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_22_681 und „Staatliche Beihilfen: Kommission leitet eingehende Prüfung der französischen Unterstützungsmaßnahmen für Fret SNCF ein“, https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_23_243 .