ECO/627
Schnellere und sicherere Verfahren für die Quellensteuerentlastung (FASTER)
STELLUNGNAHME
Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt
Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über schnellere und sicherere Verfahren für die Entlastung von überschüssigen Quellensteuern
[COM(2023) 324 final – 2023/0187 (CNS)]
Berichterstatter: Benjamin RIZZO
|
Befassung
|
Rat der Europäischen Union, 28/07/2023
|
|
Rechtsgrundlage
|
Artikel 113 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
|
|
|
|
|
Zuständige Fachgruppe
|
Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt
|
|
Annahme in der Fachgruppe
|
15/11/2023
|
|
Ergebnis der Abstimmung
(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)
|
30/0/0
|
|
Verabschiedung im Plenum
|
DD/MM/YYYY
|
|
Plenartagung Nr.
|
…
|
|
Ergebnis der Abstimmung
(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)
|
…/…/…
|
1.Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) unterstützt das Ziel der Kommission, Doppelbesteuerungen und komplizierte Verfahren für ermäßigte Steuersätze zum Nachteil der Anleger, die im grenzüberschreitenden Kontext Wertpapiere halten, zu vermeiden. Schnellere und effizientere Verfahren sind grenzüberschreitenden Investitionen im Interesse des Binnenmarkts förderlich.
1.2Der EWSA begrüßt den Mehrwert, den der Kommissionsvorschlag dank einer erheblichen Vereinfachung der Verfahren für grenzüberschreitende Investitionen in der gesamten EU – insbesondere für Kleinanleger – erbringen würde. Der Vorschlag steht daher im Einklang mit dem Ziel, eine Kapitalmarktunion zu schaffen und die Wettbewerbsfähigkeit des Binnenmarkts insgesamt zu stärken.
1.3Der EWSA begrüßt die Anstrengungen der Kommission zur Bekämpfung von Steuerbetrug und ‑missbrauch im Zusammenhang mit Systemen zur Rückforderung von Quellensteuern (Cum-Ex- und Cum-Cum-Betrug), die zu einem gerechteren Steuersystem in den Mitgliedstaaten und zu einer besseren Erhebung von Steuereinnahmen führen sowie die Zusammenarbeit zwischen den Steuerbehörden verbessern werden.
1.4Der EWSA stellt fest, dass der Kommissionsvorschlag mit den Empfehlungen des Abschlussberichts der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) zu Cum‑Ex-, Cum-Cum- und Systemen zur Rückforderung der Quellensteuer im Einklang steht. Darin werden spezifische Maßnahmen auf EU-Ebene zur Bekämpfung von Betrug und Missbrauch gefordert.
1.5Der EWSA begrüßt die Einführung der einheitlichen, EU-weiten digitalen Bescheinigung über die steuerliche Ansässigkeit (eTRC), die Erstattungen beschleunigen und somit transnationalen Anlegern zugutekommen wird. Er schlägt vor, die eTRC auch zur Vereinfachung weiterer Fragen über den Vorschlag hinaus zu nutzen.
1.6Der EWSA betont, dass sich die Kommission von dem Vorschlag erhebliche Kosteneinsparungen im Vergleich zum Status quo erwartet. Er fordert die Kommission auf, regelmäßig zu prüfen, ob solche Einsparungen auch tatsächlich erzielt werden.
1.7Da sich die Finanzinstitute in den einzelnen Mitgliedstaaten registrieren lassen müssen, erwartet die Kommission kurzfristig höhere Befolgungskosten, die im Laufe der Zeit sinken dürften, was langfristig zu erheblichen Vorteilen führt. Diesbezüglich empfiehlt der EWSA gezielte Anstrengungen, um die Befolgungskosten in der Anfangsphase der Umsetzung der neuen Vorschriften so gering wie möglich zu halten.
1.8Der EWSA begrüßt die Entscheidung der Kommission, eine De-minimis-Schwelle festzulegen, sodass Anleger mit Dividendenzahlungen unter einem Schwellenwert von 1 000 EUR keine Informationen über Finanzvereinbarungen oder Mindesthaltefristen übermitteln müssen. Damit wird ein Gleichgewicht zwischen der Wirksamkeit der neuen Vorschriften zum Nutzen des Binnenmarkts und der Anleger einerseits und der Notwendigkeit einer Vereinfachung andererseits geschaffen, indem unverhältnismäßig Meldepflichten für kleine Wertpapierbestände vermieden werden.
1.9Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten auf, der Kommission während des Umsetzungszeitraums zügig jährliche Statistiken darüber vorzulegen, in wie vielen Fällen Quellensteuererstattungen bzw. -erleichterungen fristgerecht bzw. nicht fristgerecht erfolgten, um sicherzustellen, dass die Erstattung bzw. Erleichterung zunehmend innerhalb des im Kommissionsvorschlag festgelegten ehrgeizigen Zeitrahmens von höchstens 25 Tagen stattfindet.
1.10Der EWSA stellt fest, dass mögliche Sanktionen gegen Finanzintermediäre gemäß Artikel 17 des Vorschlags an die Mitgliedstaaten delegiert werden. Die Sanktionen sollten wirksam und abschreckend, verhältnismäßig und angemessen sein. Es gilt, eine rasche Umsetzung der neuen Vorschriften mit der Notwendigkeit für Finanzintermediäre zu verbinden, sich an den neuen Regulierungsansatz der Kommission anzupassen.
2.Vorschlag der Kommission
2.1Das Halten von Wertpapieren im grenzüberschreitenden Kontext führt derzeit zu einer Doppelbesteuerung der Anleger in Bezug auf Dividenden aus Aktien und Zinsen auf Anleihen. Die Besteuerung kann nämlich erstens im Land des Emittenten der Wertpapiere (Quellenstaat) in Form einer von den Bruttoerträgen aus Wertpapieren einbehaltenen Quellensteuer und zweitens im Land der Ansässigkeit des Anlegers (Wohnsitzstaat) in Form der Einkommensteuer erfolgen.
2.2Um diese Art der Doppelbesteuerung zu vermeiden, wurden Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) umgesetzt, die eine Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen Quellen- und Wohnsitzstaaten ermöglichen. Somit können gebietsfremde Anleger im Quellenstaat Anspruch auf einen niedrigeren Quellensteuersatz oder auf eine Befreiung haben. Zudem sehen die innerstaatlichen Rechtsvorschriften einiger Quellenländer einen ermäßigten Steuersatz oder eine Steuerbefreiung vor. Diese Steuerermäßigung oder -befreiung kann entweder unmittelbar zum Zeitpunkt der Auszahlung der Dividende/Zinsen (Steuererleichterung an der Quelle) oder durch Erstattung der überschüssigen Steuer auf der Grundlage einer Rückforderung durch den Anleger (Erstattungsverfahren) gewährt werden.
2.3Die Quellensteuerverfahren auf der Grundlage von Steuerabkommen oder inländischen Vorteilen für gebietsfremde Anleger sind jedoch in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr uneinheitlich und damit häufig aufwendig und langwierig. Es gibt unterschiedliche Digitalisierungsniveaus und es müssen unterschiedliche Dokumente eingereicht werden. Zudem sind Quellensteuerverfahren anfällig für Steuerbetrug und -missbrauch, was zu Einnahmeverlusten für die Mitgliedstaaten führt, wie die jüngsten Skandale (Cum-Cum- und Cum-Ex-Fälle) zeigen. Dabei handelte es sich um überhöhte und unberechtigte Erstattungen.
2.4In dieser Situation schrecken insbesondere Kleinanleger aufgrund langwieriger und kostspieliger Verfahren, die im Widerspruch zu den Zielen der Schaffung einer Kapitalmarktunion und der allgemeinen Wettbewerbsfähigkeit des Binnenmarkts stehen, vor grenzüberschreitenden Investitionen in der EU zurück. Diese Nachteile werden durch das erwähnte Betrugs- und Missbrauchsrisiko noch verschärft, das die Steuereinnahmen der Mitgliedstaaten schmälert.
2.5In der Folgenabschätzung, die die Kommission zur Bewertung möglicher legislativer Lösungen durchgeführt hat, wurden drei tragfähige politische Optionen ermittelt: 1. Einführung einer gemeinsamen digitalen Bescheinigung über die steuerliche Ansässigkeit (eTRC) sowie einer gemeinsamen Meldung; 2. Einführung eines Systems der Steuererleichterung an der Quelle; 3. Einführung eines Schnellerstattungssystems innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens und/oder einer Steuererleichterung an der Quelle. Die dritte Option wird im Hinblick auf die Wirksamkeit (Geschwindigkeit, Einfachheit und Digitalisierung der Verfahren) und die politische Durchführbarkeit als die wirksamste Option erachtet.
2.6Mit dem Legislativvorschlag der Kommission soll der verfahrenstechnische Rahmen verbessert werden. Zum einen soll das reibungslose Funktionieren der Kapitalmarktunion unterstützt werden, indem grenzüberschreitende Investitionen erleichtert werden. Zum anderen soll eine faire Besteuerung durch die Verringerung von Steuerbetrug und -missbrauch sichergestellt werden. Schätzungen der Kommission zufolge sind Einsparungen für Anleger aufgrund der Umsetzung des neuen Vorschlags von rund 5,17 Mrd. EUR pro Jahr zu erwarten.
2.7Der Vorschlag ist in zwei Hauptteile gegliedert (Kapitel 2 und 3). Kapitel 2 sieht die Einführung einer EU-weiten digitalen Bescheinigung über die steuerliche Ansässigkeit vor, während sich Kapitel 3 auf die Verfahren zur Quellensteuerentlastung konzentriert. Dazu gehören auch das Verfahren zur Einrichtung nationaler Register für bestimmte Finanzintermediäre (Zertifizierte Finanzintermediäre – CFI), eine standardisierte Meldepflicht für solche CFI sowie die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ein System der Steuererleichterung an der Quelle oder ein Schnellerstattungssystem bzw. eine Kombination aus beiden einzurichten.
2.8Die gemeinsame eTRC soll von allen Mitgliedstaaten eingeführt werden und wird ein schnelles und sicheres Verwaltungsverfahren zur Bestätigung der steuerlichen Ansässigkeit der Steuerpflichtigen in der EU ermöglichen. Gemäß Artikel 4 wird es unabhängig vom ausstellenden Mitgliedstaat, d. h. vom Wohnsitzmitgliedstaat, einen gemeinsamen Inhalt für die eTRC geben. Um den Verwaltungsaufwand zu verringern, wird ferner vorgeschlagen, dass die eTRC ein Kalenderjahr abdeckt, sollte der Antrag in einem laufenden Jahr für dieses Steuerjahr gestellt werden.
2.9Die Mitgliedstaaten müssen innerhalb eines Tages eine eTRC ausstellen, sofern ihnen bestimmte Informationen zur Verfügung gestellt wurden und keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen, die eine Verzögerung herbeiführen. Wird die Ausstellung innerhalb eines Tages nicht eingehalten, so sollte der betreffende Mitgliedstaat die ersuchende Partei davon in Kenntnis setzen. Um die Anforderung der Ausstellung innerhalb eines Tages zu erfüllen, sollten die Mitgliedstaaten ein vollautomatisches System für die Ausstellung des eTRC entwickeln.
2.10Um in den Genuss der im Mittelpunkt der Richtlinie stehenden Quellensteuerentlastung zu kommen, müssen Anleger in der Lage sein, mit Finanzintermediären zusammenzuarbeiten, die für die Erbringung solcher Dienstleistungen zertifiziert sind. Für die Zertifizierung als CFI und damit für den Zugang zu den Verfahren dieser Richtlinie gibt es zwei Gründe: 1. obligatorische Zertifizierung für große Institute; 2. auf freiwilliger Basis für alle anderen Unternehmen.
2.11Was die Meldepflichten betrifft, so werden diese durch die Registrierung in einem der nationalen Register ausgelöst. Alle in einem oder mehreren nationalen Registern eingetragenen CFI sind verpflichtet, der Behörde, die das Register führt, und gegebenenfalls der für die Quellensteuer zuständigen Stelle eine Meldung zu machen, und zwar unabhängig von ihrem Wohnsitzland (EU oder außerhalb der EU, in einem Mitgliedstaat mit eigenem nationalem Register oder ohne eigenes nationales Register).
2.12Bezüglich der erforderlichen Angaben sind in Anhang II der Richtlinie eine Reihe gemeinsamer Meldeelemente festgelegt. Jeder CFI meldet nur den für ihn sichtbaren Teil der Transaktion, d. h. den Zahler der Dividende/Zinsen und den Empfänger der Dividende/Zinsen. So verfügt der Empfänger der vollständigen Meldung – entweder die Quellensteuerbehörde oder eine in ihrem Auftrag benannte für die Quellensteuer zuständige Stelle – über alle Informationen, damit die Finanzkette der Transaktion vom Anleger bis zum Emittenten der Wertpapiere rekonstruiert werden kann.
2.13Die der Steuerverwaltung übermittelten Informationen werden dieser ermöglichen, die Identität des Endanlegers und dessen potenziellen Anspruch auf den ermäßigten Quellensteuersatz zu ermitteln. Dadurch wird das Risiko doppelter Erstattungen verringert und die Fähigkeit der Steuerverwaltungen, andere missbräuchliche und betrügerische Praktiken zu ermitteln und zu bekämpfen, verbessert.
2.14Die Meldung soll über ein standardisiertes XML-Format erfolgen, das in einem von der Kommission zu erlassenden Durchführungsrechtsakt festgelegt wird. Der automatisierte Kanal für die Übermittlung der Informationen von den Wirtschaftsbeteiligten an die entsprechende Steuerverwaltung oder die in ihrem Auftrag handelnde, für die Quellensteuer zuständige Stelle wird standardisiert und in diesem Durchführungsrechtsakt festgelegt.
2.15Die Meldung der Informationen muss spätestens 25 Tage nach dem Nachweisstichtag erfolgen. Die Meldung sollte so bald wie möglich nach dem Nachweisstichtag erfolgen, sofern zum Nachweisstichtag keine Abwicklungsanweisung für einen Teil einer Transaktion mehr anhängig ist; in diesem Fall sollte die Meldung für diese Transaktion so bald wie möglich nach der Abwicklung erfolgen.
2.16Der Vorschlag sieht zudem a) ein System der Steuererleichterung an der Quelle und b) ein Schnellerstattungssystem vor. Im Rahmen eines Systems der Steuererleichterung an der Quelle wird der korrekte Steuerbetrag von der für die Quellensteuer zuständigen Stelle zum Zeitpunkt der Dividenden-/Zinszahlung angewandt (Artikel 12). Im Rahmen eines Schnellerstattungssystems wird die Steuer zu dem im Quellenstaat geltenden höheren Satz einbehalten, aber die überschüssige Steuer wird anschließend innerhalb einer festgelegten Frist von höchstens 25 Tagen ab dem Datum des Antrags oder ab dem Tag, an dem die vorgeschriebene Meldung erfolgt ist, zurückerstattet, wobei das spätere Datum maßgeblich ist.
2.17Zwecks Vereinfachung wurde eine De-minimis-Regel für Meldepflichten und Verfahren zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten eingeführt: von Anlegern, deren Dividendenzahlungen unter einem Schwellenwert von 1 000 EUR liegen, werden keine Informationen über Finanzvereinbarungen oder Mindesthaltefristen verlangt.
2.18Um sicherzustellen, dass die Quellensteuererstattung bzw. -erleichterung fristgerecht erfolgt (innerhalb von 25 Tagen), werden die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, der Kommission jährliche Statistiken darüber vorzulegen, in wie vielen Fällen Quellensteuererstattungen bzw. ‑erleichterungen fristgerecht erfolgten und in wie vielen Fällen die Fristen nicht eingehalten wurden.
2.19Schließlich erlassen die Mitgliedstaaten laut Artikel 17 des Vorschlags „Vorschriften über Sanktionen, die bei Verstößen gegen die gemäß dieser Richtlinie erlassenen nationalen Vorschriften zu verhängen sind, und treffen alle für die Anwendung der Sanktionen erforderlichen Maßnahmen“.
3.Allgemeine und besondere Bemerkungen
3.1Der EWSA begrüßt den Kommissionsvorschlag, mit dem Doppelbesteuerung und komplizierte Verfahren für ermäßigte Steuersätze zum Nachteil der Anleger, die im grenzüberschreitenden Kontext Wertpapiere halten, vermieden werden sollen. Schnellere und effizientere Quellensteuerverfahren sind grenzüberschreitenden Investitionen förderlich und helfen, die derzeitigen Nachteile im Interesse der Kapitalmarktunion als Schlüsselelement des EU‑Binnenmarkts zu vermeiden.
3.2Der EWSA begrüßt ferner die Bemühungen der Kommission, Steuerbetrug und -missbrauch zu verhindern oder zumindest einzudämmen. Dies wird zu einem gerechteren Steuersystem in den Mitgliedstaaten und zu mehr Steuereinnahmen durch die Mitgliedstaaten führen. Die zusätzlichen Einnahmen könnten dafür verwendet werden, Wachstum und öffentliche Dienstleistungen in den Mitgliedstaaten zu fördern und im Einklang mit den Zielen der EU zum grünen und zum digitalen Wandel beizutragen.
3.3Der EWSA begrüßt die Einführung von eTRC, einer EU-weiten digitalen Bescheinigung über die steuerliche Ansässigkeit, die Erstattungen beschleunigen und somit den entsprechenden Anlegern zugutekommen wird. Er schlägt vor, die eTRC auch zur Vereinfachung weiterer Fragen über den Vorschlag hinaus zu nutzen. Die Informationen in eTRC sollten erforderlichenfalls in mehreren Sprachen verfügbar sein, um die Effizienz der Erstattungen zu verbessern.
3.4Der EWSA teilt die Auffassung der Kommission, dass das anhaltende Betrugs- oder Missbrauchsrisiko erhebliche Ressourcen der Steuerbehörden beansprucht. Diese könnten nach der Einführung eines ordnungsgemäß digitalisierten und wirksamen Systems, das rasche und fristgerechte Erstattungen ermöglicht, und/oder wenn von Anfang an ein Entlastungssystem an der Quelle eingeführt wird, für andere Prioritäten eingesetzt werden.
3.5Der EWSA teilt die Auffassung der Kommission, dass für die Lösung von Problemen im Zusammenhang mit der Besteuerung transnationaler Wertpapierbestände eine europäische Rechtsetzungsinitiative besser geeignet ist als vereinzelte Maßnahmen der Mitgliedstaaten. Gleiche Wettbewerbsbedingungen für inländische und ausländische Investoren sowie für inländische und gebietsfremde Intermediäre können am besten mit einer EU-Richtlinie erreicht werden. Einzelstaatliche Initiativen könnten zu Diskrepanzen und Befolgungskosten führen. Eine auf Artikel 115 AEUV gestützte Richtlinie zur Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften mit Auswirkungen auf den Binnenmarkt ist hingegen besser geeignet, die Ziele der Kommission zu erreichen.
3.6Der EWSA begrüßt die allgemeine Unterstützung der Mitgliedstaaten für den Kommissionsvorschlag. Gleichzeitig ist darauf hinzuweisen, dass in einigen Mitgliedstaaten, in denen der inländische Steuersatz für gebietsfremde Investoren niedriger ist als der im jeweiligen Steuerabkommen vorgesehene Satz bzw. diesem entspricht, gegebenenfalls keine Erstattungsverfahren vorgesehen oder erforderlich sind. Andererseits sind diejenigen Mitgliedstaaten, in denen der interne Quellensteuersatz höher ist als im geltenden Steuerabkommen, sicherlich stärker an einer Verbesserung der Transparenz und der Standardisierung der Verfahren interessiert.
3.7Diesbezüglich stellt der Ausschuss fest, dass der Kommissionsvorschlag in der EU ansässigen Anlegern mit diversifizierten Portfolios in der gesamten EU zugutekommen wird. Sie werden Zugang zu den ermäßigten Steuersätzen bekommen, auf die sie bei grenzüberschreitenden Investitionen Anspruch haben. Dadurch werden grenzüberschreitende Investitionen gefördert. Im Interesse des Binnenmarkts sollte der Vorschlag daher rasch angenommen werden.
3.8Der EWSA stellt fest, dass der Kommissionsvorschlag im Einklang mit früheren Rechtsvorschriften steht, insbesondere mit der Richtlinie zur Bekämpfung von Steuervermeidung, der Richtlinie über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und der Richtlinie zur Bekämpfung der missbräuchlichen Nutzung von Briefkastenfirmen, zu denen der EWSA weitgehend befürwortende Stellungnahmen veröffentlicht hat. Die vorliegende Initiative, die sich mit missbräuchlichen Steuerpraktiken in Bezug auf die bisher nicht abgedeckten Quellensteuerverfahren befasst, steht nicht nur im Einklang mit dem derzeitigen Rechtsrahmen, sondern ergänzt ihn auch.
3.9Der EWSA begrüßt, dass der Vorschlag der Kommission den Empfehlungen folgt, die die ESMA im „Abschlussbericht über Cum-Ex-, Cum-Cum- und Systeme zur Rückforderung der Quellensteuer“ ausgesprochen hat. Darin werden spezifische Maßnahmen zur Besteuerung auf EU-Ebene gefordert, um Betrug und Missbrauch wirksam zu bekämpfen.
3.10Der EWSA ist der Auffassung, dass durch die Konsultation der Kommission, an der zahlreiche Interessenträger teilnahmen (1682 Antworten), das Verfahren trotz des hochtechnischen Charakters der Thematik transparenter und demokratischer wurde. Die Mitgliedstaaten, Investoren, Finanzinstitute und Steuerbehörden wurden gebührend einbezogen. Während des gesamten Prozesses wurde ein breiter Konsens erzielt über die Probleme, die sich aus den unterschiedlichen Quellensteuerverfahren in den Mitgliedstaaten ergeben, und darüber, dass die EU tätig werden muss, um dem fragmentierten und ineffizienten Status quo entgegenzuwirken.
3.11Der EWSA betont, dass die Kommission von erheblichen Kosteneinsparungen bei der Umsetzung des Vorschlags gegenüber dem Status quo ausgeht. Er fordert die Kommission auf, regelmäßig zu prüfen, ob diese Einsparungen nach einem Inkrafttreten auch tatsächlich erzielt werden. Bezüglich der Finanzinstitute erwartet die Kommission kurzfristig höhere Befolgungskosten, die im Laufe der Zeit sinken dürften, was langfristig zu erheblichen Vorteilen führt. Der EWSA empfiehlt gezielte Anstrengungen, um die Befolgungskosten in der Anfangsphase der Umsetzung der neuen Vorschriften so gering wie möglich zu halten.
3.12Der EWSA stimmt der Entscheidung der Kommission zu, eine De-minimis-Schwelle festzulegen, damit Anleger mit Dividendenzahlungen unter 1 000 EUR keine Informationen über Finanzvereinbarungen oder Mindesthaltefristen übermitteln müssen. Damit wird ein Gleichgewicht zwischen der Wirksamkeit der neuen Vorschriften zum Nutzen des Binnenmarkts und der Anleger einerseits und der Notwendigkeit einer Vereinfachung andererseits geschaffen, damit unverhältnismäßig Meldepflichten für kleine Wertpapierbestände vermieden werden.
3.13Der EWSA stellt fest, dass mögliche Sanktionen gegen Finanzintermediäre gemäß Artikel 17 des Vorschlags an die Mitgliedstaaten delegiert werden. Die Sanktionen sollten wirksam und abschreckend, verhältnismäßig und angemessen sein. Es gilt, ein Gleichgewicht zu finden zwischen einer raschen Umsetzung des neuen Systems und der Notwendigkeit für Finanzintermediäre, sich an den neuen Regulierungsansatz der Kommission anzupassen.
3.14Der EWSA empfiehlt eine angemessene Zusammenarbeit zwischen den einzelstaatlichen Steuerbehörden sowie zwischen den einzelstaatlichen Behörden und der Europäischen Kommission, insbesondere in der ersten Phase der Umsetzung, um das neue System innerhalb eines angemessenen Zeitraums fest zu etablieren und sicherzustellen, dass die Quellensteuererstattung bzw. -erleichterung innerhalb der festgelegten 25-Tage-Frist erfolgt.
3.15Der EWSA weist darauf hin, dass bei der Überprüfung, ob der korrekte Quellensteuersatz auf den Steuerpflichtigen angewandt wird, personenbezogene Daten verarbeitet werden. Er unterstreicht, dass die Menge der zu verarbeitenden und übermittelnden personenbezogenen Daten auf das erforderliche Maß zu beschränken ist, um unzureichende Meldungen oder Steuerbetrug oder -missbrauch aufdecken zu können. Dies muss im Einklang mit der Datenschutz-Grundverordnung und dem Grundsatz der Datenminimierung erfolgen, demzufolge die Verarbeitung personenbezogener Daten „angemessen, relevant sowie auf das für die Zwecke ihrer Verarbeitung erforderliche Maß beschränkt“ sein muss.
Brüssel, den 15. November 2023
Ioannis VARDAKASTANIS
Vorsitzender der Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt