STELLUNGNAHME

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

Digitaler Euro sowie Status von Banknoten und Münzen als gesetzliches Zahlungsmittel

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Digitaler Euro sowie Status von Banknoten und Münzen als gesetzliches Zahlungsmittel

(Sondierungsstellungnahme auf Ersuchen des spanischen Ratsvorsitzes)

ECO/616

Berichterstatter: Antonio GARCÍA DEL RIEGO

Ko-Berichterstatter: Stefano PALMIERI 

DE

Befassung

Schreiben von Raúl FUENTES MILANI, Stellvertreter des Ständigen Vertreters Spaniens bei der Europäischen Union, 08/12/2022

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt

Annahme in der Fachgruppe

08/09/2023

Verabschiedung im Plenum

21/09/2023

Plenartagung Nr.

581

Ergebnis der Abstimmung
(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

170/2/6

1.Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) unterstützt die Ziele des Projekts zum digitalen Euro, d. h. den Erhalt der Rolle des Euro als monetärer Anker, die Gewährleistung des Zugangs zu öffentlichem Geld und die Stärkung der strategischen Autonomie Europas im Bereich des Zahlungsverkehrs in einer immer stärker digitalisierten Wirtschaft.

1.2Nach Ansicht des EWSA wird der Erfolg des Projekts „Digitaler Euro“ weitgehend davon abhängen, ob es Sicherheit, Vertrauen, breite Akzeptanz und leichte, kostenfreie Zugänglichkeit und damit einen konkreten Mehrwert für die Bürger und Wirtschaftsakteure bieten kann. Für den EWSA ist es wichtig, den digitalen Euro als unentgeltliches europäisches „öffentliches Gut“ zu schaffen. Natürlich werden – wie bei Bargeld – systemische Kosten entstehen, die jedoch von der Gesellschaft als Ganzes und nicht von den Nutzern in Form von Gebühren für Basisdienstleistungen getragen werden sollten.

1.3Der digitale Euro wird den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels erhalten, der weltweite Verbreitung und breite Akzeptanz gewährleistet. Nach Ansicht des EWSA bedarf es eines klaren europäischen Rechtsrahmens, um die auf Sonderfälle beschränkte Möglichkeit befristeter Ausnahmen für bestimmte (Arten von) Zahlungsempfängern festzulegen, und um die je nach Mitgliedstaaten unterschiedlichen Verfahren und Standards zu harmonisieren.

1.4Der EWSA ist der Auffassung, dass die EU-Organe die Anwendungsfälle einer potenziellen digitalen Zentralbankwährung (Central Bank Digital Currency – CBDC) klar definieren und geeignete Gestaltungsoptionen für zentrale Aspekte (wie Datenschutz und Rechtsdurchsetzung, zugrundeliegende Technologie, Rolle des Privatsektors gegenüber der Zentralbank) ermitteln müssen, um dafür zu sorgen, dass der digitale Euro von den Bürgern und den Wirtschaftsakteuren voll und ganz akzeptiert wird. Weitere Untersuchungen und eine detaillierte wirtschaftliche Analyse der Auswirkungen auf das Bankwesen, den Zahlungsverkehr, die Bürger und Unternehmen werden erforderlich sein, damit Klarheit über die Auswirkungen besteht und die mögliche Einführung dieser neuen Form von Geld sorgfältig konzipiert werden kann. Dabei sind die Betriebs- und Infrastrukturkosten sowie die potenziellen Auswirkungen auf die finanzielle Inklusion, die Verfügbarkeit von Bargeld für die Bürger und auf die offene strategische Autonomie der EU im Verhältnis zum Nutzen des Projekts zu bewerten.

1.5Der EWSA fordert eine breite öffentliche Debatte über die Gründe für die mögliche Ausgabe eines digitalen Euro, seine Vor- und Nachteile, um fundierte Entscheidungen zu treffen und die Akzeptanz des Projekts in der Öffentlichkeit sicherzustellen.

1.6Der EWSA ist der festen Überzeugung, dass ein digitaler Euro die europäische Wirtschaft weltweit wettbewerbsfähiger machen, Innovationen ermöglichen und die strategische Autonomie der EU verbessern würde. Darüber hinaus könnte der digitale Euro die Verfügbarkeit und Geschwindigkeit des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs verbessern, seine Kosten verringern und einen reibungsloseren Handel mit anderen Währungsräumen ermöglichen.

1.7Zahlungsdienstleister, die als Intermediäre im Euro-Währungsgebiet zugelassen sind und den digitalen Euro in Umlauf bringen, tragen bestimmte Kosten im Zusammenhang mit der Einrichtung der digitalen Infrastruktur des digitalen Euro und der Front-End-Dienste, können aber im Laufe der Zeit auch von der Verlagerung von Massenzahlungen auf digitale Kanäle profitieren, die neue Möglichkeiten für den Verkauf zusätzlicher Mehrwertdienste bieten. Die EZB sollte fortlaufend bewerten und überwachen, wie und in welchem Umfang Zahlungsdienstleister berechtigt sein sollten, solche Investitionen wieder hereinzuholen. Außerdem muss sichergestellt sein, dass der digitale Euro keine negativen Auswirkungen auf die Finanzstabilität oder das Kreditvergabepotenzial hat und dass die Finanzierungsbasis von Kreditinstituten nicht übermäßig beeinträchtigt wird. Deshalb muss laut EWSA die Einführung des digitalen Euro als wichtige Etappe auf dem Weg zur Vollendung der Europäischen Bankenunion betrachtet werden.

1.8Nach Ansicht des EWSA sind der Status des Euro als gesetzliches Zahlungsmittel (sowohl als Bargeld als auch als digitales Zahlungsmittel) und harmonisierte Vorschriften für den Status als gesetzliches Zahlungsmittel wichtig, um die Nutzbarkeit beider Arten des Euro zu gewährleisten.

1.9Der EWSA fordert, den Vorschlag einem Check-up der Wettbewerbsfähigkeit zu unterziehen, um sicherzustellen, dass er sich positiv auf die Verwirklichung der erklärten Ziele sowie auf die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger, der Unternehmen, der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Arbeitsbedingungen auswirkt.

2.Hintergrund

2.1Im Oktober 2021 leitete der EZB-Rat die Untersuchungsphase des Projekts zum digitalen Euro ein. Diese Phase wird voraussichtlich etwa zwei Jahre dauern, für Herbst 2023 wird der Beschluss des EZB-Rates über die Einleitung der nächsten Phase erwartet. Anschließend – und erst nach der Annahme des Gesetzgebungspakets – würde ein Beschluss des EZB-Rates über die mögliche Ausgabe eines digitalen Euro gefasst werden. Die erklärten Ziele des Eurosystems, das sich aus der EZB und den nationalen Zentralbanken zusammensetzt, bestehen darin, die Währungssouveränität zu gewährleisten und einen monetären Anker für den Euro zu bieten. Die Europäische Kommission hat die folgenden „Problemursachen“ festgestellt: In einer immer stärker digitalisierten Wirtschaft steht die bestehende Form von Zentralbankgeld (Bargeld) in großen Bereichen der Wirtschaftstätigkeit nicht zur Verfügung. Auf dem gesamteuropäischen Zahlungsverkehrsmarkt mangelt es an Wettbewerb, CBDC aus Drittländern oder nicht auf Euro lautende Stablecoins könnten Marktanteile gewinnen und die Rolle des Euro schmälern. 1 Eingesetzt würde der digitale Euro vorrangig bei persönlichen Zahlungen, im Online-Handel, in Geschäften und bei staatlichen Zahlungen. Das Eurosystem arbeitet derzeit an verschiedenen Gestaltungselementen und einem detaillierten Schema für Zahlungen mit dem digitalen Euro.

2.2Geld erfüllt im Wesentlichen drei zentrale Funktionen/Eigenschaften: a) es ist eine Rechnungseinheit; b) es kann als Tauschmittel, also für Zahlungen, eingesetzt werden und c) es dient der Wertaufbewahrung. Es gibt auch zwei Arten von Geld: Zentralbankgeld und privates Geld.

2.2.1Als einziges Zentralbankgeld steht derzeit das Bargeld der Öffentlichkeit direkt zur Verfügung. Der Großteil der Geldbestände der Bürger besteht aus „privatem“ Geld, das von Geschäftsbanken ausgegeben wird. 2 Dieses private Geld wird nicht direkt vom Staat gedeckt. Dennoch gelten Privatkundeneinlagen bis 100 000 Euro aufgrund der Bankenregulierung und ‑aufsicht sowie der Einlagensicherungssysteme als sicher und gleichwertig mit öffentlichen Geldern.

2.2.2In vielen Ländern haben elektronische Zahlungen das Bargeld als effizientestes Zahlungsmittel abgelöst. Derzeit steht Privatpersonen digitales Geld ausschließlich in Form von privatem Geld (z. B. Privatkundeneinlagen) zur Verfügung, da Einzelpersonen keinen direkten Zugang zu digitalem Zentralbankgeld haben.

2.2.3Traditionell ist der Staat der wichtigste Geldanbieter. Öffentliches Geld ist für das Funktionieren des zweischichtigen Währungssystems von entscheidender Bedeutung. Aufgrund seiner Natur als Zentralbankgeld gilt es als sichere Art von Geld und dient somit als Anker für das Währungssystem. Einige Zentralbanken haben jedoch darauf hingewiesen, dass die Rolle von Zentralbankgeld als monetärer Anker durch Trends wie die Umstellung auf den digitalen Zahlungsverkehr, die rückläufige Nutzung von Bargeld als Zahlungsmittel und das Potenzial für neue, auf privatem Geld basierende Zahlungslösungen gefährdet sein könnte (z. B. der Einstieg von Tech-Giganten in den Zahlungsverkehr und das Aufkommen von Kryptowährungen). 3

2.2.4Als Reaktion auf diese Entwicklungen erwägen Zentralbanken in der ganzen Welt die Einführung einer digitalen Version von Zentralbankwährungen: CBDC. 4 Alle großen Zentralbanken sind gerade dabei, zumindest das Potenzial von CBDC auszuloten. Neben der EZB prüfen die Bank of England und die Federal Reserve der USA die Einführung digitaler Währungen. Die People‘s Bank of China hat eine Pilotversion eines digitalen Yuan gestartet, und der kumulierte Wert der Transaktionen hatte bereits Mitte 2022 100 Mrd. Yuan überschritten. Eine kleine Gruppe von Ländern hat bereits mit der Ausgabe einer eigenen CBDC begonnen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung steht (zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Berichts sind dies Nigerias eNaira, der Bahamas Sand Dollar und Jamaikas JAM-DEX). 5

2.2.5CBDC können und dürfen keinesfalls mit Kryptowährungen gleichgesetzt werden, insbesondere einer Art von Kryptowerten, die als Stablecoins bezeichnet werden (die nominal an den Wert einer herkömmlichen Reservewährung oder eines Vermögenswertkorbs gekoppelt sind). Dieser Vergleich ist völlig irreführend. Einige zentrale Kryptowerte sind einfach zu volatil, als dass sie in großem Umfang für den Zahlungsverkehr eingesetzt werden könnten. Selbst Stablecoins können anfällig für plötzliche Preisänderungen sein, wie der Crash der Stablecoin Terra im Jahr 2022 gezeigt hat. Bislang scheinen diese Kryptowerte in den meisten Fällen die drei oben beschriebenen Geldfunktionen nicht angemessen zu erfüllen. CBDC würden dagegen definitionsgemäß einen Wert von 1:1 im Verhältnis zu ihren physischen Entsprechungen behalten. Es handelt sich um direktes Zentralbankgeld, das auf die nationale Rechnungseinheit lautet. Daher können CBDC verschiedene Chancen und mögliche Anwendungen bieten, die physischen Barmitteln abgehen.

2.2.6Der Markt für Zahlungsdienste in der EU ist in einigen Segmenten stark konzentriert, insbesondere bei Kartenzahlungen, wo die Wettbewerbsbehörden und Gesetzgeber der EU in mehreren Fällen korrigierend eingreifen mussten, um wettbewerbswidrige Praktiken zu unterbinden. Die Europäische Kommission untersucht zudem derzeit den Markt für mobiles Bezahlen, auf dem zwei marktbeherrschende Betreiber digitaler Plattformen die entsprechenden Betriebssysteme für Mobiltelefone besitzen und effektiv kontrollieren. Der digitale Euro, der durch angemessene Maßnahmen zum Schutz der Privatsphäre und zum Datenschutz geschützt wird, könnte die Abhängigkeit der europäischen Bürgerinnen und Bürger von einer kleinen Anzahl marktbeherrschender Zahlungsdienstleister und Betreiber digitaler Plattformen verringern und eine weitere Konzentration auf diesen Märkten verhindern.

2.3Am 28. Juni 2023 hat die Europäische Kommission einen Legislativvorschlag zur Einführung des digitalen Euro vorgelegt, mit dem der EZB das ausschließliche Recht übertragen wird, die Ausgabe des digitalen Euro zu genehmigen. Der digitale Euro erhält den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels (einschließlich einer Verpflichtung zur Annahme mit einigen Ausnahmen). Kreditinstitute werden beauftragt, den digitalen Euro auf Wunsch ihrer Kunden in Umlauf zu bringen (Nichtbanken-Zahlungsdienstleister dürfen den digitalen Euro verbreiten, sind aber dazu nicht gesetzlich verpflichtet). Die EZB wird befähigt, der Nutzung des digitalen Euro als Wertaufbewahrungsmittel Grenzen zu setzen und die Höhe der durch die Verordnung ermöglichten maximalen Gebühren und der Gebühren zwischen den Zahlungsdienstleistern sowie Händlerentgelte festzulegen und zu veröffentlichen. Lösungen für den digitalen Euro sollten möglichst barrierefrei sein. Außerdem werden die Anforderungen an den Datenschutz und zur Bekämpfung der Geldwäsche für Zahlungen mit dem digitalen Euro (online und offline) aufgestellt.

2.4Darüber hinaus hat die Kommission einen Legislativvorschlag über den Anwendungsbereich und die Auswirkungen auf Euro-Banknoten und -Münzen als gesetzliche Zahlungsmittel vorgelegt. In diesem Vorschlag wird Bargeld definiert als gesetzliches Zahlungsmittel mit der Verpflichtung zur Annahme zum vollen Nennwert und der dadurch bewirkten Entlastung von der Zahlungsverpflichtung. Ein Zahlungsempfänger darf das Euro-Bargeld nicht als Zahlungsmittel ablehnen, es sei denn, die Parteien haben sich auf ein anderes Zahlungsmittel geeinigt oder es gilt eine Ausnahme, und es werden die Bedingungen festgelegt, unter denen eine Verweigerung der Annahme von Euro-Bargeld rechtlich möglich wäre. Durch den Vorschlag werden die Mitgliedstaaten ferner verpflichtet, einen ausreichenden und wirksamen Zugang zu Bargeld in ihrem gesamten Hoheitsgebiet in allen ihren Regionen, einschließlich städtischer und nichtstädtischer Gebiete, sicherzustellen.

 

2.5Das spanische Wirtschaftsministerium hat den EWSA um eine Stellungnahme zu dem Vorschlag zur Einführung eines digitalen Euro sowie zu den Fragen ersucht, ob es wünschenswert ist, den Status der Euro-Banknoten und -Münzen als gesetzliches Zahlungsmittel auf EU-Ebene zu regulieren, welche Auswirkungen die beiden Maßnahmen auf die finanzielle Inklusion und das Zahlungsökosystem haben und welche rechtlichen Erwägungen zu berücksichtigen sind.

2.6Der EWSA begrüßt die Befassung durch die spanische Regierung ausdrücklich als Möglichkeit, auf der Grundlage seiner früheren Stellungnahmen zu diesem Thema 6 zur Zukunft des digitalen Euro Stellung zu nehmen.

3.Allgemeine Bemerkungen

3.1Im Einklang mit seiner früheren Stellungnahme zum digitalen Euro begrüßt der EWSA, dass die EZB und die Europäische Kommission weiterhin die Einführung der digitalen Währung anstreben. Der Erfolg des digitalen Euro hängt davon ab, ob die Nutzer ihn für sicher halten und ihm vertrauen. Er muss allgemein akzeptiert werden und für die Bürger und die Wirtschaftsakteure kostenfrei und leicht zugänglich sein. Themen wie die finanzielle und digitale Inklusion, die Gewährleistung der Finanzstabilität und die Steigerung der Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit des Zahlungssystems sind für das Projekt von zentraler Bedeutung.

3.2Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass das Eurosystem in der Untersuchungsphase eines digitalen Euro bereits weit fortgeschritten ist. Er unterstreicht die Bedeutung einer eingehenden und transparenten öffentlichen Debatte über das Projekt. Der digitale Euro könnte weitreichende Folgen für die europäische Gesellschaft und Wirtschaft haben und muss daher durch eine demokratische Debatte untermauert werden, um das Vertrauen der Öffentlichkeit zu gewinnen.

3.3Der EWSA hält es für wichtig, eine solide und angemessene Rechtsgrundlage für den digitalen Euro zu schaffen. Daher begrüßt er den Legislativvorschlag der Kommission zum digitalen Euro. Die Ausgabe und die Gestaltung des digitalen Euro müssen im Rahmen eines demokratischen Prozesses und einer umfassenden öffentlichen Debatte erfolgen. Die Einführung und letztlich auch der Erfolg des digitalen Euro hängen entscheidend davon ab, ob der digitale Euro von der Öffentlichkeit – d. h. von den Bürgerinnen und Bürgern und den Unternehmen – akzeptiert wird. Daher sollten die Öffentlichkeit und die Organisationen der Zivilgesellschaft in die Debatte einbezogen werden, um sicherzustellen, dass der Grund für die Ausgabe des digitalen Euro und seine verschiedenen Merkmale allgemein bekannt sind. Der EWSA spielt als Stimme der organisierten Zivilgesellschaft in Europa bereits in den ersten Phasen der Umsetzung des Projekts zum digitalen Euro eine entscheidende Rolle, indem er Probleme ermitteln und zur Lösung dieser Probleme beitragen kann, um das Vertrauen der Nutzer zu wahren.

3.4Der digitale Euro wird wie Bargeld den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels erhalten, wofür ein klarer Rechtsrahmen erforderlich ist. Praktiken und Normen, die sich in den einzelnen Mitgliedstaaten voneinander unterscheiden, müssen vereinheitlicht werden. Der derzeitige Rechtsrahmen legt hohe Grundsätze für die Auswirkungen des Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels sowie für Ausnahmen von der Verpflichtung zur Annahme von Barzahlungen fest. Da sich die Verfahren und Vorschriften in den einzelnen Mitgliedstaaten unterscheiden, begrüßt der EWSA die Pläne der gesetzgebenden Organe, harmonisierte Vorschriften in der EU sicherzustellen. Er schlägt vor, strenge rechtliche Leitlinien dafür festzulegen, was als zulässige Ausnahme anzusehen ist.

3.5Der digitale Euro sollte die Wettbewerbsfähigkeit der EU stärken, da er neue Zahlungsmöglichkeiten mit geringerer Abhängigkeit von außereuropäischen Zahlungslösungen eröffnen dürfte. Der EWSA fordert, den Vorschlag zwecks Bekräftigung dieser Argumentation einem Check-up der Wettbewerbsfähigkeit zu unterziehen.

4.Besondere Bemerkungen

4.1Der EWSA stimmt dem vorgeschlagenen zweistufigen Vertriebsmodell des digitalen Euro zu, d. h. dass das Eurosystem den digitalen Euro ausgibt und von zugelassenen Intermediären, d. h. anerkannten Zahlungsdienstleistern, in Umlauf gebracht wird. Es gilt, eine rasche und universelle Einführung und breite Akzeptanz in der Öffentlichkeit, auch bei bestimmten zugelassenen öffentlichen Stellen, zu gewährleisten. Dass der digitale Euro bei Behörden verfügbar ist, ist von entscheidender Bedeutung für seine Glaubwürdigkeit als eine Form von öffentlichem Geld. Die Kanäle des öffentlichen Sektors für die Bereitstellung des digitalen Euro müssen daher glaubwürdig und effizient sein.

4.2Der EWSA sieht in der finanziellen und der digitalen Inklusion wesentliche Aspekte, die im Rahmen des Projekts zum digitalen Euro gebührend berücksichtigt werden müssen, zumal die Entscheidung des EZB-Rates, zur nächsten Phase überzugehen, bevorsteht. In dieser Phase wird er unter anderem die technischen Lösungen für die Bereitstellung und die Verbreitung eines digitalen Euro entwickeln und testen. Als Zentralbankgeld sollte der digitale Euro den europäischen Bürgern und Unternehmen uneingeschränkt und ausnahmslos umfassend zur Verfügung stehen. Der EWSA ist der Auffassung, dass das Eurosystem gemeinsam mit allen einschlägigen Interessenträgern (einschließlich Verbraucher und Finanzsektor) weiterhin gezielt am Thema Inklusion arbeiten sollte. Dafür sollte ein spezielles Rundtischgespräch mit Schwerpunkt auf der finanziellen Inklusion und dem digitalen Euro 7 organisiert werden. Der digitale Euro wird den Verbrauchern eine weitere Alternative bei elektronischen Zahlungen bieten, da sie sicher sein können, dass ihre Zahlungen im gesamten Euro-Währungsgebiet akzeptiert werden. Der Schutz der Verbraucher und ihrer Interessen muss stets gewährleistet sein. Die digitale Inklusion, wie der Zugang zu digitalen Geräten und das für ihre Bedienung erforderliche Know-how, sollte dabei berücksichtigt werden, da der digitale Euro naturgemäß ein digitales Zahlungsmittel sein wird. Auch sämtliche Kosten im Zusammenhang mit der finanziellen und der digitalen Inklusion sollten abgeschätzt und Vorschläge unterbreitet werden, wer dafür aufkommen soll.

4.3Nach Auffassung des EWSA muss das Eurosystem mit Blick auf den Massenzahlungsverkehr aufgrund der raschen Veränderungen, die für diesen Sektor charakteristisch sind, Innovationen fördern und dabei die damit verbundenen Risikoprofile und die Eindämmung dieser Risiken berücksichtigen. Der digitale Euro sollte Innovationen bei Endnutzeranwendungen fördern und die Zahlungsvorgänge verbessern. Dank besserer Planbarkeit können mit dem digitalen Euro z. B. Marktzutrittsschranken gesenkt, der Wettbewerb gefördert und die Entwicklung neuer Arten von Produkten und Dienstleistungen ermöglicht werden.

4.4Entscheidend wird sein, dass die Händler dank des Status des digitalen Euro als gesetzliches Zahlungsmittel von den Intermediären nicht zu hoch belastet werden können. Dadurch würde sichergestellt, dass die Gebühren für Händler die heute für vergleichbare Zahlungsmittel erhobenen Gebühren nicht übersteigen, wobei der digitale Euro nach Ansicht des EWSA jedoch wettbewerbsfähigere Gebühren ermöglichen dürfte. 8

4.5Der digitale Euro könnte Auswirkungen auf das derzeitige europäische Zahlungsökosystem haben, die noch nicht genau abgeschätzt wurden. Der digitale Euro soll viele Fälle im Zusammenhang mit täglichen Zahlungen abdecken, für die bereits elektronische Zahlungsmittel zur Verfügung stehen. Der EWSA ist der Auffassung, dass die Nutzer wissen müssen, wie sich der digitale Euro von den bestehenden Zahlungsmitteln unterscheidet und welchen Mehrwert er bietet, damit er Erfolg hat und weithin akzeptiert wird. Nach Ansicht des EWSA sollte ein befristetes Vergütungssystem für die Intermediäre, die den digitalen Euro in Umlauf bringen, sorgfältig geprüft werden.

4.6Parallel zu dem Projekt zum digitalen Euro haben die Behörden der Entwicklung von Sofortzahlungen ebenfalls hohe Priorität eingeräumt, und die Kommission hat im Oktober 2022 einen Vorschlag für eine Verordnung über Sofortzahlungen vorgelegt. In vielen Fällen könnte der digitale Euro gleich gelagerte Fälle abdecken wie Sofortzahlungslösungen. Der EWSA weist darauf hin, dass Überschneidungen oder doppelte Investitionen vermieden werden müssen. Das Verhältnis zwischen diesen beiden wichtigen Initiativen muss von den Behörden umfassend geklärt werden, zumal die Einführung von digitalem Geld das internationale Währungs- und Finanzsystem – mit erheblichen Auswirkungen auf die europäische und die Weltwirtschaft – radikal verändern könnte.

4.7Der EWSA ist der Auffassung, dass auch die Rolle von Tech-Giganten auf dem europäischen Markt für den Zahlungsverkehr gebührend berücksichtigt und gleiche Wettbewerbsbedingungen für die verschiedenen Teilnehmer im Bereich des digitalen Euro sichergestellt werden sollten. Im Rahmen des Projekts „Digitaler Euro“ sollten die Risiken einer möglichen Zunahme des Einflusses und des Marktanteils von Tech-Giganten im europäischen Zahlungsverkehr im Hinblick auf das Ziel der strategischen Autonomie der EU und den Schutz der Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger bewertet werden.

4.8Der im Legislativvorschlag der Kommission enthaltene Status des digitalen Euro als gesetzliches Zahlungsmittel mit harmonisierten Vorschriften für die Fälle, in denen Händler verpflichtet sind, den digitalen Euro anzunehmen, wird begrüßt. Die Anforderungen an die Akzeptanz könnten in bestimmten, sorgfältig geprüften Situationen die außerordentliche Möglichkeit einer befristeten Befreiung bestimmter (Arten von) Zahlungsempfängern von der Verpflichtung vorsehen. Der EWSA schlägt eine schrittweise Einführung des digitalen Euro im Rahmen eines vorgegebenen straffen Zeitplans vor, um seine Übernahme durch die Händler zu erleichtern. Dies sollte letztlich zu einer allgemeinen und verpflichtenden Akzeptanz des digitalen Euro führen.

4.9Der Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels ist für die Verwirklichung der Ziele des digitalen Euro entscheidend. Der EWSA ist jedenfalls der allgemeinen Auffassung, dass die Einführung des digitalen Euro weitestmöglich von den Nutzern (Verbrauchern und Unternehmen) akzeptiert werden sollte. Der Erfolg des digitalen Euro hängt von Sicherheit, Vertrauen, breiter Akzeptanz und einfacher, für Bürger und Wirtschaftsakteure kostenfreier Zugänglichkeit ab. Die eigentliche Herausforderung des digitalen Euro ist nicht technischer oder rechtlicher, sondern vielmehr kultureller Natur. Deshalb ist es wichtig, in allen WWU-Ländern für einen angemessenen Informationsfluss und entsprechende Aufklärung bei Bürgern und Wirtschaftsakteuren (wie KMU usw.) zu sorgen, damit sie die Vorteile des Projekts zum digitalen Euro erkennen.

4.10Für den EWSA ist es wichtig, den digitalen Euro als unentgeltliches europäisches „öffentliches Gut“ zu schaffen. Natürlich werden – wie bei Bargeld – systemische Kosten entstehen, die jedoch von der Gesellschaft als Ganzes und nicht von den Nutzern in Form von Gebühren für Basisdienstleistungen getragen werden sollten.

4.11Der Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels für den digitalen Euro sollte nicht so verstanden werden, dass der digitale Euro unbeschränkt genutzt und Bestände in unbeschränkter Höhe gehalten werden können. Dies gilt derzeit auch für Bargeld als gesetzlichem Zahlungsmittel, da es in einigen Mitgliedstaaten nicht möglich ist, über einen bestimmten Schwellenwert hinaus in bar zu zahlen. Nach Auffassung des EWSA müssen das Funktionieren der digitalen Währung unbedingt standardisiert und in allen Ländern identisch sein und diese Schwellenwerte harmonisiert werden. Beschränkungen der Verwendung von Bargeld stehen nicht im Widerspruch zu dem Konzept des Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels, was eine allgemeine Verpflichtung zur Annahme impliziert. Der EWSA ist der Auffassung, dass dieser Grundsatz auch für die Prüfung des Status eines digitalen Euro als gesetzliches Zahlungsmittel gelten sollte.

4.12Nach Ansicht des EWSA ist es von entscheidender Bedeutung, die Finanzstabilität und die Finanzierung der Wirtschaft zu gewährleisten. Daher muss sichergestellt sein, dass das Kreditvergabepotenzial von Kreditinstituten und somit ihre Finanzierungsbasis nicht übermäßig beeinträchtigt werden. Zu diesem Zweck sollte die EZB anfänglich einen Verfügungsrahmen für Bestände des digitalen Euro festlegen, die die Nutzbarkeit des digitalen Euro als Zahlungsmittel dank des Waterfall- bzw. des Reverse-Waterfall-Ansatzes nicht beeinträchtigen würde. Es ist unerlässlich, mit der Einführung des digitalen Euro schrittweise zu beginnen und gleichzeitig einen Zeitplan für eine vollständige Anwendung in naher Zukunft festzulegen.

4.13Beim Online-Modell beruht die Abwicklung auf einer ständigen Verbindung zum Transaktionsregister, das als einzigartige Quelle für exakte Informationen dient. Beim Offline-Modell, das vom Nutzer deaktiviert werden kann, werden Transaktionen zwischen Zahler und Zahlungsempfänger lokal abgewickelt, ohne auf die Anbindung zum Transaktionsregister angewiesen zu sein. Für die Nutzer kommt dies physischem Bargeld am nächsten. Dadurch kann die Verfügbarkeit von Diensten erweitert werden. Da das Offline-Modell Risiken mit sich bringen kann, die in der Regel mit dem Problem doppelter Ausgaben oder mit dem Fälschungsrisiko zusammenhängen, müssen Garantien eingebaut werden, damit konkrete technische Lösungen für die Einführung des digitalen Euro entwickelt werden. Auf diese Weise wird der digitale Euro den EU-Bürgern einen größeren Mehrwert als die bereits bestehenden digitalen Online- und Offline-Zahlungsdienste bieten. Zur Verhinderung illegaler Tätigkeiten in Verbindung mit dem digitalen Euro muss nach Ansicht des EWSA sowohl bei Online- als auch bei Offline-Transaktionen eine angemessene Anwendung der Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung gewährleistet sein, und zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung müssen die gleichen Anstrengungen unternommen werden wie bei den derzeitigen digitalen Zahlungsmitteln. Es sollte sichergestellt sein, dass der vermeintlich höhere Schutz der Privatsphäre bei Offline-Transaktionen nicht zu illegalen Aktivitäten anregt.

Brüssel, den 21. September 2023

Oliver RÖPKE

Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

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(1)    130 Länder, die 98 % der Weltwirtschaft ausmachen, prüfen derzeit den Einsatz von CBDC. Siehe Central Bank Digital Currency Tracker .
(2)      Übernachteinlagen machen derzeit mehr als 85 % der gesamten Geldmenge aus. Siehe  Ahnert, A., Assenmacher, K., Hoffmann, P., Leonello, A., Monnet, C. und Porcellacchia, D. (2022), „The economics of central bank digital currency“, Europäische Zentralbank, Working Paper Series, Nr. 2713, August .
(3)     Europäische Zentralbank (2021), „Central bank digital currencies: a monetary anchor for digital innovation“, Rede von Fabio Panetta, Mitglied des EZB-Direktoriums.
(4)      In diesem Abschnitt konzentrieren wir uns auf Retail-CBDC, die der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, und nicht auf Wholesale-CBDC, die nur von Finanzinstituten genutzt werden können.
(5)     CBDC Tracker (2023), „Today‘s Central Bank Digital Currencies Status“, Stand: 28. Juni 2023. Siehe auch Internationaler Währungsfonds (2023), „Nigeria‘s eNaira, One Year After“.
(6)    Initiativstellungnahme des EWSA zum digitalen Euro, ABl. C 75 vom 28.2.2023, S. 22 .
(7)     Digital financial inclusion , EZB.
(8)    Panetta F., 2023, „ Ein digitaler Euro: allgemein verfügbar und nutzerfreundlich “.