STELLUNGNAHME

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

Politikrahmen für biobasierte, biologisch abbaubare und kompostierbare Kunststoffe

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Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen –

EU-Politikrahmen für biobasierte, biologisch abbaubare und kompostierbare Kunststoffe

[COM(2022) 682 final]

NAT/886

Berichterstatter: András EDELÉNYI

Ko-Berichterstatter: Alessandro MOSTACCIO

DE

Befassung

Europäische Kommission, 08/02/2023

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umwelt

Annahme in der Fachgruppe

13/04/2023

Verabschiedung im Plenum

27/04/2023

Plenartagung Nr.

578

Ergebnis der Abstimmung
(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

134/0/4

1.Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA)

1.1begrüßt die zur rechten Zeit vorgelegte Mitteilung zum EU-Politikrahmen für biobasierte, biologisch abbaubare und kompostierbare Kunststoffe, denn es geht um einen Bereich, der neue Möglichkeiten eröffnet, um sich den Zielen der Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft zu nähern. Bei angemessener Regulierung kann Biokunststoff zur „grünen“ Entwicklung beitragen (geringerer Verbrauch an fossilen Brennstoffen, weniger Verschmutzung durch Kunststoffe, mehr getrennte Abfallsammlung);

1.2betont, dass die EU glücklicherweise zu den Vorreitern bei der Entwicklung von Biokunststoffen und biologisch abbaubaren Kunststoffen gehört und zwischen 2007 und 2020 mit Mitteln in Höhe von 1 Mrd. Euro mehr als 130 Forschungsprojekte finanziert hat 1 . Die EU ist weltweit der zweitgrößte Hersteller von Biokunststoffen und sollte ihre Stellung auf dem Weltmarkt noch weiter ausbauen, indem sie sich auf Produkte mit dem größten Mehrwert, d. h. biobasierte, biologisch abbaubare und kompostierbare Produkte, konzentriert (die asiatischen Hersteller beschränken sich meist auf kompostierbare, aber nicht erneuerbare Produkte);

1.3ist der Ansicht, dass die Messlatte im globalen Wettbewerb durch die Erzielung eines größtmöglichen Umweltnutzens höher gelegt werden kann, wenn es mithilfe des neuen Rechtsrahmens gelingt, die industriellen Anwendungen mit dem höchsten Mehrwert für die Umwelt auszuwählen, und wenn bei allen neuen auf den Markt gebrachten Produkten klare und wahrheitsgetreue Angaben gemacht und die Verbraucher so in die Lage versetzt werden, proaktiv an der Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft mitzuwirken;

1.4empfiehlt der Kommission, ihre Schlüsse auf der Grundlage einer vergleichenden Analyse der Vorzüge biobasierter, biologisch abbaubarer und kompostierbarer Kunststoffe gegenüber fossilbasierten Kunststoffen zu ziehen. Allzu zaghafte, nicht vergleichende Empfehlungen bieten möglicherweise keine ausreichende Orientierungshilfe für Forschung, Innovation und anlaufende Investitionstätigkeiten. Dadurch wird möglicherweise der Fortschritt behindert und der Wettbewerbsvorsprung der EU geschmälert;

1.5empfiehlt eine systematische Überprüfung aller Maßnahmen, die sich direkt und indirekt auf das legislative und normative Umfeld auswirken. Dies sollte im Einklang mit den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen erfolgen. Dadurch könnten die Verwirrung gemindert und die Nutzer geschützt werden;

1.6plädiert dafür, dass die stufenweise hierarchische Priorisierung bei der Bewertung von Stoffen, Produkten und Verfahren zur Anwendung kommen sollte, auch im Hinblick auf kreislaufwirtschaftliche und nachhaltigkeitsbezogene Aspekte. Dies gilt für Rohstoffe, Biomasse und Lebensmittelketten sowie für die verschiedenen Stufen des Kaskadenrecyclings. Im Zuge der Umsetzung der überarbeiteten Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) wird sich die Prioritätenreihenfolge, nach der die stoffliche Wiederverwendung/das stoffliche Recycling (erneuerbare Materialien) Vorrang vor der energetischen Wiederverwertung (erneuerbare Energie) hat, weiter durchsetzen;

1.7ist davon überzeugt, dass die Lebenszyklusanalyse (Life cycle analysis – LCA) ein ausgezeichnetes Instrument zur Bewertung bestimmter Nachhaltigkeitsaspekte von Produkten ist und somit als Orientierungshilfe für geplante oder laufende Forschungs-, Innovations- und Investitionstätigkeiten dient. Es sind jedoch erhebliche weitere Anstrengungen erforderlich, um die Mängel der derzeit angewandten Methoden zu beheben und Unsicherheiten im Zusammenhang mit der unzureichenden Berücksichtigung des Mehrwerts des biogenen Kohlenstoffs 2 und der Auswirkungen auf das Naturkapital zu verringern;

1.8ist der Auffassung, dass bei den meisten aktuellen Methoden der Kostenrechnung und Preisgestaltung die Auswirkungen zusätzlicher Komponenten, die im Wege des Recyclings zurück in den Produktionskreislauf fließen, in Bezug auf die daraus erwachsenden Ausgaben und Gewinne nicht internalisiert und erfasst werden. Ein realistisches System der erweiterten Herstellerverantwortung, das auf der LCA beruht und auf die spezifischen Bedürfnisse zugeschnitten ist, kann die schlechte Preiswettbewerbsfähigkeit von aus Biopolymeren hergestellten Produkten neu ausrichten und korrigieren;

1.9gibt zu bedenken, dass eine Auswahl von Handlungsbereichen im Rahmen eines „Mehrwert Europas“ 3 dazu beitragen kann, die dem erforderlichen raschen Fortschritt im Wege stehenden Schwachstellen zu ermitteln und zu beseitigen. Dies ist besonders wichtig in den Bereichen Daten, Überwachung, Debatten und Unterstützung von Forschung und Innovation;

1.10empfiehlt der Kommission, die zyklischen Überprüfungen wichtiger Entwicklungen im Biopolymer-Ökosystem fortzusetzen. Die integrierten Methoden und Instrumente der öffentlichen Konsultation sind eine gute Möglichkeit, alle Interessenträger einzubeziehen, vor allem indem über die verschiedenen repräsentativen Verbände für die Einbindung der organisierten Zivilgesellschaft gesorgt wird;

1.11ermutigt die Mitgliedstaaten, sowohl für biobasierte Kunststoffe als auch für kompostierbare Kunststoffe einen verbindlich vorgeschriebenen Gehalt an biobasiertem Kunststoff einzuführen. Es wird vorgeschlagen, dass sämtliches Trägermaterial (Werbung, Warenzeichen usw.) auf endgültigen Standards und Normen beruhen sollte. Dazu sollte bei der Messung des zertifizierten Gehalts an biogenem Kohlenstoff die Radiokarbondatierung oder C14-Methode eingesetzt werden. Die Methode der Massenbilanzierung kann zur Angabe des Biomassegehalts bei komplexeren, mehrfachen oder zwischengeschalteten Recyclingvorgängen geeignet sein, allerdings sollten die Verbraucher entsprechend darauf hingewiesen werden;

1.12nimmt die Vorschriften zum Verbot von Einwegkunststoffartikeln zur Kenntnis, schlägt jedoch eine genauere Definition ihres Anwendungsbereichs und eine präzisere Formulierung vor, da bestimmte Kunststoffprodukte und -anwendungen, die für den Einweggebrauch bestimmt bzw. keine Pfand- oder Mehrwegprodukte sind und somit nicht wiederverwendet oder mechanisch recycelt werden können, seiner Ansicht nach in der Verordnung nicht ausgeschlossen werden sollten. In diesen Fällen sollte dem Einsatz biobasierter und/oder biologisch abbaubarer und kompostierbarer Kunststoffe Vorzug gegeben werden;

1.13hebt hervor, dass mechanische (kurze) Recyclingkreisläufe aufgrund ihrer relativ geringen Komplexität oft von Vorteil sind, jedoch auch Nachteile haben, darunter Downcycling durch Mischen von Stoffen, Dickenbegrenzungen, Recyclingertrag und Energiebedarf. Ein komplexer Nachhaltigkeitsvergleich könnte zu dem Schluss führen, dass es vorteilhafter ist, biobasierte Polymere einzusetzen oder verschiedene (organische und/oder chemische) Recyclingwege zu nutzen. In diesem Fall kann der Einsatz sowohl biobasierter als auch kompostierbarer Kunststoffe die sinnvollste Option sein. Techniken zur Trennung dünner Folien müssen erst noch entwickelt werden;

1.14ist der Auffassung, dass biologisch abbaubare, nach EU-Standards zertifizierte Kunststoffe Möglichkeiten zur Eindämmung der Verschmutzung durch Kunststoffe bieten, indem die Ansammlung von Mikro- und Nanoplastikabfällen und so auch die durch nicht biologisch abbaubare Kunststoffe verursachten Schäden verringert werden. Derzeit gibt es nur wenige – wenn auch sehr wichtige – Anwendungsbereiche für einen kontrollierten biologischen Abbau in bestimmten freien, natürlichen Umgebungen. Es sind weitere Anstrengungen erforderlich, um systemische Methoden zu entwickeln, bei denen stoff- und umweltrelevante Faktoren berücksichtigt werden, um die für einen biologischen Abbau im Boden und in anderen bestimmten offenen Umgebungen verfügbaren Optionen zu nutzen.

1.15ist davon überzeugt, dass die industrielle Kompostierung und der Einsatz kompostierbarer Kunststoffe hervorragende Möglichkeiten sind, die Sammlung und Verwendung von Lebensmittelabfällen zu verbessern. Neben der Rückführung von Kohlenstoff in den Boden ermöglichen diese Techniken auch, Lebensmittelabfälle und Verpackungen (bzw. andere kompostierbare Anwendungsformen) gemeinsam zu entsorgen und zu recyceln. Die Mitgliedstaaten sollten angehalten und dabei unterstützt werden, die ab 2024 verpflichtende getrennte Sammlung organischer Abfälle einzuführen. Im Hinblick darauf sollte bereits damit begonnen werden, kompostierbare Kunststoffe bspw. für Tüten und andere lebensmittelbezogene Anwendungsbereiche sowie Infra- und Organisationsstrukturen und Sensibilisierungskampagnen zu entwickeln;

1.16fordert, den Anwendungsbereich kompostierbarer Kunststoffe nicht auf die in dem Kommissionsvorschlag über Verpackungen und Verpackungsabfälle genannten Einsatzmöglichkeiten zu beschränken. Erfahrungen und bewährte Verfahren zeigen, dass kompostierbare Kunststoffe in einer Reihe von Bereichen eine positive Rolle spielen können, vor allem in Anwendungsbereichen mit Lebensmittelkontakt, in geschlossenen Kreisläufen und bei dünnen Folien.

2.Hintergrund der Stellungnahme, Glossar und aktueller Stand in der Kunststoffbranche

2.1Begriffsbestimmungen für erneuerbare Kunststoffe:

·„Biokunststoff“ ist ein allgemeiner Sammelbegriff, der nicht verwendet werden sollte, weder im Zusammenhang mit der Vermarktung von Kunststoffen noch mit ihrem Einsatz, da dieser Begriff missbräuchlich verwendet werden und/oder irreführend sein bzw. negative Assoziationen hervorrufen kann. Hier steht dieser Begriff für „biobasierte, biologisch abbaubare und kompostierbare Kunststoffe“.

·„Biobasierte Kunststoffe“ (pflanzenbasierte Kunststoffe): aus erneuerbaren, nicht fossilen Rohstoffen hergestellte Kunststoffe 4 . Biobasierte Kunststoffe können biologisch abbaubar oder nicht biologisch abbaubar sein. Drop-In-Biokunststoffe weisen dieselbe chemische Struktur auf wie vergleichbare fossilbasierte Kunststoffe. „Teilbiobasierte“ Kunststoffe („bio-attributed plastics“) können als Kunststoffe definiert werden, denen ein gewisser Gehalt an biobasiertem Kunststoff zugeordnet werden kann.

·Biologisch abbaubare Kunststoffe: Kunststoffe, die am Ende ihrer funktionellen Lebensdauer durch Mikroorganismen zu Wasser, Biomasse, Mineralsalzen und Kohlendioxid (CO2) (bzw. unter anaeroben Bedingungen zu Methan) zersetzt werden können. Sie können sowohl aus biobasierten als auch aus fossilen Rohstoffen bestehen.

·Kompostierbare Kunststoffe: eine Untergruppe der biologisch abbaubaren Kunststoffe, bei denen die biologische Zersetzung unter kontrollierten Bedingungen und unter Einsatz von Mikroorganismen erfolgt. Dabei entstehen stabilisierte organische Rückstände, Wasser und CO2 (wenn Sauerstoff vorhanden ist) bzw. Methan (wenn kein Sauerstoff vorhanden ist), beides Endgase, die sich erfassen lassen. Eine standardisierte, streng kontrollierte Kompostierung erfolgt gemäß den Anforderungen der Norm EN 13432 5 in Kompostierungsanlagen (Anlagen zur organischen Verwertung), wodurch auch der Einsatz umweltfreundlicher Zuschlagstoffe sichergestellt wird. Die Heimkompostierung unterliegt keinen solchen strengen Bedingungen, das Endprodukt lässt sich also nicht vorherbestimmen.

·Die günstigste Kombination ist natürlich, wenn ein Kunststoff sowohl biobasiert als auch biologisch abbaubar (und kompostierbar) ist. Dies ist bei Polymilchsäure (PLA) der Fall, die in vielen Bereichen eingesetzt wird.

2.2Die Kunststoffbranche

Herstellung von Kunststoff/Biokunststoff weltweit

Daten aus den Jahren 2021/2022 – Weltweite Herstellung von Kunststoff/Biokunststoff 6

Jahr

Fossilbasierte Kunststoffe [Mt]

Biokunststoffe [Mt]

Biokunststoffe

[%]

Biobasierte Kunststoffe

[Mt; (%)]

Biologisch abbaubare und kompostierbare Kunststoffe

[Mt; (%)]

2021

367

1.80

0.49

0.74; (41.2)

1.05; (58.7)

2022*

390

2.22

0.57

1.07; (48.2)

1.14; (51.3)

* vorläufige Bilanz

Grundlage: European Bioplastics, Facts and Figures 7

Etwa 1 % der weltweit insgesamt hergestellten Kunststoffe sind heute Biokunststoffe.

Bis 2027 wird jedoch mit einem Anstieg der Biokunststoffproduktion von 1,8 auf 6,2 Millionen Tonnen gerechnet.

2.2.1Biokunststoffe weltweit

Asien (insbesondere China) ist der wichtigste Produktionsstandort für Biokunststoffe (41,4 % im Jahr 2022), gefolgt von der EU (26,5 %) und den USA (18,9 %).

Es wird davon ausgegangen, dass der Marktanteil Asiens bis 2027 auf 63 % ansteigen und der Marktanteil der EU ohne Unterstützungsmaßnahmen deutlich zurückgehen wird.

2.2.2Nachfrage nach Biokunststoffen in Europa

In der EU ist die Nachfrage nach Biokunststoffen von 210 000 Tonnen im Jahr 2019 auf etwa 320 000 Tonnen im Jahr 2021 gestiegen 8 . Die Jahreswachstumsrate lag bei über 23 %. Im Verhältnis zur weltweiten Biokunststoffproduktion macht die Nachfrage in Europa etwa 18 % aus. Europa spielt eine führende Rolle in puncto Außenhandelsbilanz und technische Innovationen.

Die Verbraucherinnen und Verbraucher sollten darüber aufgeklärt werden, wie sich Biokunststoffe von fossilbasierten Kunststoffen unterscheiden und optimal nutzen lassen.

2.3Ökologische Herausforderungen im Zusammenhang mit Kunststoffen

2.3.1Auswirkungen auf das Klima

Die Kunststoffwertschöpfungskette trägt im Vergleich zu anderen Wertschöpfungsketten wie bspw. für Energie, Chemikalien und einige andere Materialien in begrenztem Umfang zur Emission von Treibhausgasen (THG) bei. Die durch die Kunststoffwertschöpfungskette in der EU im Jahr 2018 verursachten THG-Emissionen werden auf 208 Millionen Tonnen Kohlendioxidäquivalente (CO2(e)) geschätzt. Der Großteil der Emissionen (63 %) entsteht bei der Herstellung von Kunststoffpolymeren. 22 % der Emissionen gehen auf die Umwandlung dieser Polymere in Produkte zurück, und weitere 15 % entstehen (hauptsächlich durch Verbrennung) bei der Behandlung von Kunststoffabfällen am Ende der Lebensdauer 9 .

2.3.2Auswirkungen auf das Naturkapital

Neben den Klimaauswirkungen von Kunststoffen ist ihre Recyclingquote nach wie vor zu gering. Dies wirkt sich auch auf die Umwelt und das Naturkapital der Erde (den ökologischen Fußabdruck) aus, da zur Erschöpfung des endlichen Bestands an natürlichen Ressourcen beigetragen wird und die Ökosysteme der Erde wie Boden, Land, Luft, Wasser, lebende Organismen und letztlich die menschliche Gesundheit und ihr Wohlergehen geschädigt werden. Ein besonderes Problem stellt die Ansammlung von Mikroplastikpartikeln in Süß- und Salzwasser dar.

2.3.3Anstrengungen zur Eindämmung des Problems

Die Biokunststoff-Wertschöpfungskette könnte durch biogenes oder gebundenes CO2 zur Verringerung der CO2-Emissionen beitragen, wenn der Einsatz von Biokunststoffen beträchtlich verstärkt würde und Abfälle biobasierter Kunststoffe wiederverwertet und nicht verbrannt würden. Die Herstellung von Kunststoffen aus Biomasse und/oder die Gewährleistung einer biologischen Abbaubarkeit von Kunststoffprodukten in bestimmten Umgebungen hat im Vergleich zu herkömmlichen Kunststoffen eine Reihe von Vorteilen, die jedoch anerkannt und berücksichtigt werden müssen. Berechnungen im Rahmen eines Szenarios (EIONET-Bericht – ETC/WMGE 2021/3), bei dem sämtliche fossilbasierten Kunststoffe in der EU durch biobasierte Kunststoffe ersetzt wurden, ergaben jährliche THG-Gesamtemissionen von 146 Millionen Tonnen CO2(e) für biobasierte Kunststoffe, d. h. 30 % weniger als die Emissionen aus der fossilbasierten Wertschöpfungskette (208 Millionen Tonnen CO2(e)) 10 .

3.Allgemeine Bemerkungen

3.1Biokunststoffe haben gemeinsam, dass sie ein großes Potenzial haben, einen nachhaltigen und ausgewogenen Kohlenstoffkreislauf zu verbessern und zu erhalten. Dementsprechend tragen sie dazu bei, die Auswirkungen auf das Klima und das Naturkapital zu neutralisieren. Die beiden wichtigsten Arten sollten jedoch getrennt behandelt werden. Die aus Pflanzen gewonnenen biobasierten Kunststoffe können die Umstellung von einer fossilbasierten auf eine biomassebasierte Kunststoffwirtschaft vorantreiben. Biologisch abbaubare und kompostierbare Kunststoffe dagegen haben einzigartige Vorteile für das End-of-Life-Management von Produkten und für die Verwirklichung der Ziele des Grünen Deals (z. B. Verringerung der Lebensmittelverschwendung, nachhaltige Produktion und nachhaltiger Verbrauch).

Es ist sinnvoll, Kunststoffe einzusetzen, die sowohl biobasiert als auch kompostierbar sind, um die Netto-Treibhausgasbilanz um das aus der Umwelt gebundene CO2 zu verringern.

3.2Die Europäische Kommission legt mit ihrer Mitteilung eine eingehende und umfassende Analyse des Sektors der biobasierten, biologisch abbaubaren und kompostierbaren Kunststoffe vor, in der die verfügbaren Daten überprüft werden. Die Schlussfolgerungen und Empfehlungen sind teilweise zu zaghaft formuliert, was die Gefahr birgt, dass die Innovations- und Investitionsbereitschaft in bestimmten Schlüsselbereichen gebremst werden könnte. Die Analyse sollte komparativ angelegt werden und biobasierte, biologisch abbaubare und kompostierbare Kunststoffe mit herkömmlichen fossilbasierten Kunststoffen vergleichen, auch wenn es ohnehin keine gangbare Lösung ist, Letztere 1 zu 1 durch Biokunststoffe zu ersetzen.

3.3Nachhaltige Materialien und Produkte sowie ihre Nutzung werden von der Gesellschaft allgemein positiv wahrgenommen und genießen eine recht hohe gesellschaftliche Akzeptanz, die in Meinungsumfragen in der Regel zwischen 80 und 90 % liegt. 25 % der befragten Verbraucher wären bereit, einen Preisaufschlag von 20 % gegenüber vergleichbaren Produkten aus fossilbasierten Kunststoffen zu zahlen, und 4 % würden 50 % mehr für nachhaltige Biopolymer-Produkte zahlen.

3.4Für die Gestaltung und Umsetzung eines realistischen strategischen Rahmens ist Folgendes erforderlich:

·klare und eindeutige Definitionen und Klassifizierungen der Arten von Biopolymeren, ihrer Eigenschaften und optimalen Anwendungsgebiete;

·Aufklärung der Verbraucher darüber, dass sich die Bezeichnung „biobasiert“ lediglich auf die Herkunft der Rohstoffgrundlage bezieht, während „biologisch abbaubar“ und „recyclingfähig“ eine Systemeigenschaft beschreiben, die von dem Material und von stoff‑ und umweltrelevanten Faktoren am Ende der funktionellen Lebensdauer abhängen;

·eine systematische Überprüfung und Angleichung des Rechtsrahmens für das Design, die Herstellung, Verwendung und Wiederverwertung, d. h. für die gesamte Lebensdauer von Kunststofferzeugnissen;

·eine Neuausrichtung der einschlägigen Normen und der damit verbundenen Kennzeichnung unter Berücksichtigung der jüngsten Forschungserkenntnisse, technischen Entwicklungen und Innovationen;

·die Unterrichtung der Verbraucherinnen und Verbraucher auf der Grundlage wissenschaftlich nachgewiesener Erkenntnisse und der Aufbau wirksamer Infrastrukturen, damit die Verbraucher an der Verwirklichung gemeinsam vereinbarter Nachhaltigkeitsziele mitwirken können sowie eine weitere Untersuchung der gesundheitlichen und ökologischen Auswirkungen von Biokunststoffen.

3.5In dem gesamten Rahmen muss durchgehend eine stufenweise hierarchische Priorisierung vorgesehen werden, einschließlich einer Reduzierung der Kunststoffe an der Quelle und bereits davor. Dies muss sich auf die gesamte Wertschöpfungskette erstrecken und den Grundsätzen erhalten, wiederverwenden, recyceln und verwerten entsprechen, um die Komponenten im Kreislauf zu halten. Soweit möglich, sollte der gesamte Kohlenstoffbestand, -durchsatz und ‑kreislauf kontrolliert werden. Dazu gehören der in Rohstoffen (Kohle, Gas, Öl) konzentrierte Kohlenstoff, Kohlenstoff in Herstellungs- und Weiterverarbeitungsprozessen, (als CO2) abgeschiedener, (als Abfall) gesammelter und recycelter Kohlenstoff sowie in gebrauchten Produkten, im Boden und in der Luft verteilter Kohlenstoff. Recyclingmöglichkeiten umfassen nachhaltig optimierte kurze (mechanische) Kreisläufe, mittlere (physikalische/chemische und/oder chemische) Kreisläufe und vollständige (biochemische) Kreisläufe, je nachdem, wie die verschiedenen Stoffe in den Kreislauf zurückgeführt werden können.

3.6Die oben beschriebenen Erfordernisse stellen das Ökodesign vor neue und weitreichende Herausforderungen. Neben den traditionellen Anforderungen der Funktionalität, Durchführbarkeit und Ästhetik müssen bei der umweltgerechten Gestaltung nun zusätzlich die Aspekte Rohstoffbeschaffung, Haltbarkeit, Prognose am Ende der Lebensdauer, Kreislauffähigkeit und optimierte Nachhaltigkeit berücksichtigt werden.

3.7Besondere Aufmerksamkeit sollte einer nachhaltigen Beschaffung der Ausgangsstoffe geschenkt werden, zumal biobasierte Kunststoffe 1 % des Kunststoffmarktes ausmachen, aber 0,02 % des Ackerlandes für den Anbau ihrer Ausgangsstoffe benötigt werden. Im Falle einer theoretischen, aber nicht realistischen, Ersetzung fossilbasierter Kunststoffe durch biobasierte Kunststoffe würden 4 bis 5 % des Ackerlandes benötigt. Zwei Drittel der Ausgangsstoffe werden derzeit aus Kulturpflanzen (Zucker, Stärke, Öle) gewonnen, das verbleibende Drittel aus Non-Food-Quellen (Holz, Rizinusöl). Trotz der geringen Flächenbeanspruchung wird das Ziel darin bestehen, bei der Kaskadennutzung von Lebensmitteln und Biomasse weiter unten anzusetzen, d. h. die Beschaffung von Kulturpflanzen/Lebensmitteln auf Nebenprodukte (z. B. Stroh, Holzabfall) und recycelbare Abfälle (organische Lignozellulose, Kohlenwasserstoff- und Kohlenhydratabfälle) zu verlagern und diese zu nutzen, bevor sie energetisch verwertet werden. Gleiches gilt für neue Initiativen zur Beschaffung von Ausgangsstoffen wie Algenabfälle.

3.8Die Herstellungstechnologien sind größtenteils etabliert, und die Technologien für fossilbasierte Kunststoffe können im Zuge der Umstellung genutzt werden. Für die Kreislaufkette müssen jedoch an beiden Enden des linearen Prozesses weitere Schritte ergänzt werden: Roh- und Ausgangsstoffproduktion und Bioraffinerie sowie Abfallsammlung und ‑behandlung, gefolgt von Recycling oder Verwertung. Damit wird den breiter gefächerten Materialströmen Rechnung getragen. Soweit erforderlich und machbar, sollten zentralisierte Verfahren für die CO2-Abscheidung genutzt werden.

3.9Die Materialforschung und Werkstofftechnik sollte sich auf die Erweiterung des Anwendungsspektrums neuer Biopolymere oder Mischungen mit neuartigen Kombinationen physikalischer, chemischer und funktioneller Eigenschaften und Abbaumerkmale konzentrieren, und zwar gleichermaßen im Hinblick auf stoffliche Eigenschaften und umweltrelevante Faktoren.

3.10Auf Beschäftigungsaspekte wurde bislang noch nicht ausführlicher eingegangen. Schätzungen zufolge werden bis 2030 weitere 175 000 bis 215 000 Arbeitsplätze entstehen (Fußnote 17). Neue Technologien erfordern neue Kompetenzen, insbesondere in den Bereichen Rohstoffverarbeitung, Recycling und Ökodesign. Diesen Anforderungen muss durch Entwicklungs- und Investitionspläne sowie durch Programme für allgemeine und berufliche Bildung und Ausbildung, Umschulung und Weiterbildung Rechnung getragen werden. Auch wenn die Zufriedenheit am Arbeitsplatz zunimmt und einschlägige Berufsbilder positiver wahrgenommen werden, muss der Bereitstellung angemessener Arbeitsbedingungen gleichermaßen Aufmerksamkeit geschenkt werden.

3.11Bei den meisten heute gängigen Modellen der Kostenrechnung und Preisgestaltung wird der traditionelle oder lineare Cradle-to-Gate-Ansatz („von der Wiege bis zum Werkstor“) angewandt. Bei diesem Vergleich sind Biopolymere aufgrund der hohen Materialkosten, des stärker fragmentierten Zugangs zu Roh- und Ausgangsstoffen, kleinerer Serienproduktionen und des erforderlichen Lernprozesses benachteiligt. Bei einem Cradle-to-Cradle-Konzept („von der Wiege bis zur Wiege“), bei dem die Kosten für eine nachhaltige Rückführung in den Kreislauf internalisiert werden, könnte sich dies völlig ändern. Durch richtig angewandte Modelle der erweiterten Herstellerverantwortung könnte die Lücke geschlossen werden.

3.12Methoden und Berechnungen im Rahmen einer Lebenszyklusanalyse werden eingesetzt, um den ökologischen Fußabdruck gebrauchter Produkte und Stoffe zu bewerten. Es wurden bereits erhebliche Anstrengungen unternommen, um diese Auswirkungen (ausgedrückt als Netto‑Treibhausgasemissionen in CO2-Äquivalenten) zu bestimmen und zu beziffern. Weitere Erfahrungen, Forschung und Modellierung werden erforderlich sein, um die aktuellen Methoden zur Ermittlung des Umweltfußabdrucks eines Produkts weiterzuentwickeln, da dabei der Mehrwert des biogenen Kohlenstoffabbaus außer Acht gelassen wird. Ferner werden die Folgen für die Flächennutzung und die schwer abschätzbaren Auswirkungen auf das Naturkapital nicht beziffert. Eine realistische und anerkannte LCA ist eine Voraussetzung für ein glaubwürdiges, modulares System der erweiterten Herstellerverantwortung. Prüfungen und Prognosen auf der Grundlage einer LCA würden Risiken verringern, indem Forschung und Innovation sowie Investitionsentscheidungen frühzeitig in die richtige Richtung gelenkt werden.

3.13Die Verfahren und Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten sind sehr unterschiedlich. Daher sollte entsprechend dem „Mehrwert Europas“ 11 der Schwerpunkt auf die Unterstützung von Bereichen wie Datenerhebung und Transparenz, Ermittlung und Verbreitung bewährter Verfahren, Überwachung des wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, finanziellen und sozialen Fortschritts sowie Ermittlung von Schwachstellen und Hilfe bei ihrer Beseitigung bzw. bei der Lösungsfindung gelegt werden, um eine relative Wettbewerbsfähigkeit der EU in diesem Bereich zu erhalten.

4.Besondere Bemerkungen

4.1Einführung

4.1.1In einigen Fällen ist ein mechanisches Recycling nicht möglich, weil die Verpackung mit Lebensmittelresten verschmutzt ist oder weil es nicht möglich und/oder zweckmäßig ist, kleine und/oder dünne Verpackungen mechanisch zu recyceln. Hier sind kompostierbare Kunststoffe eine gute Lösung, da Lebensmittelabfälle und Verpackungen gemeinsam entsorgt und recycelt werden können.

4.2Biobasierte Kunststoffe

4.2.1Der Politikrahmen sollte für biobasierte Kunststoffe einen verbindlichen Mindestgehalt an biobasiertem und recyceltem Kunststoff vorsehen. Hierbei sollte bereits bei dem Vorschlag der Europäischen Kommission (vom 30.11.2022) über Verpackungen und Verpackungsabfälle angesetzt werden. Dieser Gehalt an biobasiertem Kunststoff könnte den Mindestrecyclatanteil ersetzen oder ergänzen. Aus Gründen der Lebensmittelsicherheit muss für Anwendungsbereiche mit Lebensmittelkontakt (Besteck, Becher, Schalen, Verpackungsfolien) neues oder chemisch recyceltes Material verwendet werden; nur PET-Flaschen und -Schalen dürfen mechanisch recycelt und zu Kunststoffen weiterverarbeitet werden, die unmittelbar mit Lebensmitteln in Berührung kommen.

4.2.2Es gibt bereits Zertifizierungssysteme für den Gehalt an biobasierten Kunststoffen, wie bspw. die „OK biobased“-Zertifizierung des TÜV Austria 12 und die DIN CERTCO-Zertifizierung für biobasierte Produkte 13 . Auch gibt es spezifische europäische und internationale Normen 14 und u. a. von der Massenbilanz ausgehende Ansätze, bei denen eine Zertifizierung durch Dritte stattfindet. Darüber hinaus haben einige Mitgliedstaaten sowohl für recycelte als auch für biobasierte Inhaltsstoffe bereits einen verbindlichen Mindestgehalt festgelegt. Im Rahmen der Zertifizierung sollte der Gehalt an biogenem Kohlenstoff mithilfe der radiochemischen C14‑Methode ermittelt werden. Für mehrfach recycelte, nicht homogene Produkte und für Kunststoffe mit biobasierten Inhaltsstoffen könnte jedoch auch der Einsatz der Methode der Massenbilanzierung vertretbar sein.

4.2.3Bestimmte von der Produktkette ausgehende Methoden können den Weg für den Einsatz biobasierter Roh- und Ausgangsstoffe in Zwischenprodukten oder Erzeugnissen bereiten, bei denen aufgrund der komplexen Wertschöpfungsketten oder mehrfachen Recyclings noch keine Trennung möglich ist 15 .

4.2.4In dem Politikrahmen wird auf die von der Gemeinsamen Forschungsstelle entwickelte „Kunststoff-LCA-Methode“ 16 verwiesen, die auf der EU-Methode zur Berechnung des Produktumweltfußabdrucks (Product Environmental Footprint – PEF), der derzeit am stärksten harmonisierten Methode, aufbaut. Die PEF-Methode trägt allerdings biogenem Kohlenstoff nicht gebührend Rechnung (und steht sogar im Widerspruch zu einigen allgemein anerkannten Normen 17 , bei denen die Vorabaufnahme von biogenem Kohlenstoff in biobasierten Produkten und Kunststoffen berücksichtigt wird). Auch Landnutzungsänderungen werden bei dieser Methode nicht hinlänglich einbezogen.

4.3Biologisch abbaubare und kompostierbare Kunststoffe

Die Eigenschaften der biologischen Abbaubarkeit und Kompostierbarkeit sind keine negativen Aspekte, die zu mehr Vermüllung führen. Es gibt keine Belege, Studien oder Demonstrationen, die die Annahme belegen, dass sich die biologische Abbaubarkeit negativ auf die Vermüllung auswirken könnte. Hier kann mit einem Kennzeichnungssystem – wie es bereits in Italien eingeführt wurde – Abhilfe geschaffen werden. Nichts sollte achtlos weggeworfen oder im öffentlichen Raum liegen gelassen werden: Alle Materialien müssen gesammelt, sortiert und recycelt werden.

4.3.1Biologisch abbaubare Kunststoffe

Die biologische Abbaubarkeit von Kunststoffen in der freien Umwelt ist kein Instrument der Abfallwirtschaft. Im Gegenteil müssen kompostierbare Kunststoffe im Einklang mit der Richtlinie 94/62 18 und der Norm EN 13432 19 zusammen mit Lebensmittelabfällen oder mit Dung und Gülle in Kompostierungsanlagen organisch recycelt werden, um organischen Kompost herzustellen, der als organischer Dünger für die Behandlung und Verbesserung des Bodens verwendet werden kann. Ziel ist es, diese Materialien dort einzusetzen, wo nachgewiesene Nachhaltigkeitsvorteile bestehen, wie bspw. in lebensmittelbezogenen Anwendungsbereichen. Wenn kompostierbare Kunststoffe auf diese Weise zum Einsatz kommen, kann dies dazu beitragen, dass sowohl größere Mengen an organischen Abfällen gesammelt werden als auch Kompost weniger stark durch herkömmliche Kunststoffe verunreinigt wird.

4.3.1.1Es sollte weiterhin intensive Forschung zu systemisch optimierten Materialien und Bedingungen für einen kontrollierten biologischen Abbau in bestimmten freien, natürlichen Umgebungen betrieben werden. Gute Beispiele sind in Wasser abbaubare Pflaster oder im Boden abbaubare Polymerbeschichtungen für Düngemittel mit langsamer oder kontrollierter Freisetzung. Es muss jedoch mehr getan werden, um den Abbau zu ermöglichen, da dieser in großem Maße dazu beitragen kann, Verschmutzung durch die Anhäufung von Mikro- und Nanoplastik zu verhindern und einzudämmen.

4.3.1.2Wie in der Mitteilung der Europäischen Kommission anerkannt wird, spielen biologisch abbaubare Kunststoffe in der Landwirtschaft eine wichtige Rolle. In diesem Bereich sind biologisch abbaubare Kunststoffe eine vorteilhafte Alternative, da sie im Boden biologisch abgebaut werden, ohne dass dabei Mikroplastik entsteht. Auch wird dadurch Bodenerosion vermieden, zu der es sonst bei der Verwendung sehr dünner (unter 25 µm dicker) herkömmlicher Kunststoffmulchfolien kommen würde.

4.3.2Industriell kompostierbare Kunststoffe

4.3.2.1Der EWSA betont, dass kompostierbare Kunststoffe bei den meisten spezifischen Verpackungsformaten, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, und den meisten nicht zu Verpackungszwecken dienenden Anwendungen eine Schlüsselrolle spielen. Dazu zählen unter anderem, aber nicht nur die wenigen von der Kommission genannten Verpackungsanwendungen (Obst- und Gemüseaufkleber, Teebeutel und Kaffeepads aus Filterpapier sowie Tragetaschen aus sehr leichtem Kunststoff). Deshalb sollten weitere wichtige kompostierbare Verpackungsformate und verpackungsfremde Anwendungszwecke wie bspw. Besteck, Tassen, Schalen und Verpackungsfolien (auch beim Einsatz in geschlossenen Kreisläufen) gefördert und nicht durch Artikel 22 in Verbindung mit Anhang V des Vorschlags über Verpackungen und Verpackungsabfälle verboten werden. Dies steht nicht mit der Vorgabe in Einklang, dass Bioabfall ab dem 31. Dezember 2023 in allen EU‑Mitgliedstaaten an der Quelle getrennt gesammelt oder recycelt werden muss 20 ; kompostierbare Kunststoffe tragen maßgeblich dazu bei, dass mehr Bioabfälle gesammelt werden und Kompost weniger stark durch nicht biologisch abbaubare Kunststoffe verunreinigt wird.

Da einige kompostierbare und biobasierte Kunststoffe bereits auf dem Markt sind, scheint die beste Option darin zu bestehen, im Einklang mit einigen nationalen Rechtsvorschriften (bspw. in Italien und Frankreich) für kompostierbare Kunststoffe einen Mindestgehalt an biobasierten Inhaltsstoffen vorzuschreiben.

4.3.2.2Die Überprüfung der Düngemittelrichtlinie zeigte ein deutliches Ungleichgewicht in den europäischen Düngesystemen. Während eine übermäßige durchschnittliche Verwendung von synthetischem Stickstoff, Phosphor- und Kaliumnährstoffen zur Eutrophierung der Gewässer führen kann, besteht bei einem zu geringen Einsatz organischer Düngemittel (wie Gülle, Kompost aus Abfällen, Schlamm usw.) die Gefahr, dass der Kohlenstoffgehalt des Bodens sinkt.

4.3.2.3In der Mitteilung der Europäischen Kommission wird das Problem der Kreuzkontamination als Argument für einen beschränkten Einsatz kompostierbarer Kunststoffe angeführt. Das Problem der Kreuzkontamination betrifft jedoch nicht nur kompostierbare Kunststoffe, sondern auch andere Materialien (wie in Kunststoffströme gelangende Metalle und in Bioabfälle gelangende nicht kompostierbare Kunststoffe). Auch in Kunststoffströmen kann eine Kreuzkontamination stattfinden, weshalb die verschiedenen Polymere vor dem Eintritt in die meisten Recyclingverfahren getrennt werden sollten, um ein Downcycling zu vermeiden. In der Praxis ist die Kreuzkontamination von Kunststoffströmen durch Biokunststoffe nicht nachgewiesen: Daten aus Italien zeigen, dass der Anteil kompostierbarer Kunststoffe in den Kunststoffströmen unter 1 % liegt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass bestimmte Produkte nur aus kompostierbaren Kunststoffen hergestellt werden dürfen (Einwegkunststofftüten, ‑besteck, ‑teller) und dass es ein klares Kennzeichnungssystem für kompostierbare und herkömmliche Kunststoffe gibt, sodass die Verbraucher sie voneinander unterscheiden und dem geeigneten Recyclingsystem zuführen können (kompostierbare Kunststoffe in den Bioabfall und nicht kompostierbare Kunststoffe in den Kunststoffmüll). Daher gibt es in Ländern, in denen geeignete Abfallbewirtschaftungssysteme für kompostierbare Kunststoffe eingeführt wurden, keine Kreuzkontamination und keine Verwirrung bei den Verbrauchern 21 . Diese Länder und ihre Rechtsrahmen, Abfallbewirtschaftungs- und Kennzeichnungssysteme könnten als Vorbild für den Umgang mit Biokunststoffen dienen.

Eine Aktualisierung der Norm EN 13432 kann erwogen werden, allerdings wird in der Mitteilung der Europäischen Kommission nicht anerkannt, dass in Kompostierungsanlagen, in denen die besten verfügbaren Prozessverfahren und -technologien zum Einsatz kommen und insbesondere die richtigen Kompostierungszeiten eingehalten werden, kompostierbare Kunststoffe und Lebensmittelabfälle vollständig behandelt und biologisch abgebaut werden können, wie aus den von Biorepack in Kompostierungsanlagen geführten Interviews 22 hervorgeht. Weder Biokunststoffe noch die Norm EN 13432 sind dafür verantwortlich, wenn einige Kompostierungsanlagen – insbesondere in EU-Mitgliedstaaten mit weniger effizienten Systemen zur Bewirtschaftung von Lebensmittelabfällen – nicht die richtigen Kompostierungsverfahren und -zeiten einhalten. Die betreffenden Kompostierungsanlagen müssen lediglich modernisiert werden.

Brüssel, den 27. April 2023

Oliver RÖPKE

Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

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(1)    Gemeinsames Unternehmen für ein kreislauforientiertes biobasiertes Europa.
(2)    Die Aufnahme (Bindung) von biogenem Kohlenstoff aus der Umwelt sollte bei der Berechnung des ökologischen Fußabdrucks von den CO2-Emissionen abgezogen, d. h. bei der Bestimmung der Klimaauswirkungen positiv berücksichtigt werden.
(3)    Bereiche, in denen die EU gemeinsam einen Mehrwert schaffen kann, im Gegensatz zu einzelnen Mitgliedstaaten, die ohne gegenseitige Abstimmung und gemeinsame Ressourcen getrennt voneinander handeln.
(4)      Zur Familie der biobasierten Kunststoffe werden zuweilen auch „teilbiobasierte“ Kunststoffe gezählt, die als Kunststoffe definiert werden können, denen (anhand einer Zuordnung der Ausgangsstoffe) ein gewisser Anteil an biobasiertem Kunststoff zugerechnet werden kann.
(5)       ABl. L 190 vom 12.7.2001, S. 21 .
(6)    Quelle: World plastics production 2020, Plastics Europe, 2021. European Bioplastics, Facts and Figures ( https://www.european-bioplastics.org/market/ ).
(7)     https://www.european-bioplastics.org/market/ .
(8)    Plastic Consult, Bioplastics in Europe, Market update, 23.9.2022.
(9)    EIONET-Bericht – ETC/WMGE 2021/3.
(10)    EIONET-Bericht – ETC/WMGE 2021/3.
(11)    Dieses Konzept steht im Gegensatz zu den Kosten des Verzichts auf EU-politisches Handeln und bezieht sich auf die Vorteile eines gemeinsamen Handelns gegenüber einem individuellen Vorgehen.
(12)     https://www.tuv-at.be/green-marks .
(13)     https://www.dincertco.de .
(14)

   CEN/TS 16640; ASTM D6866.

(15)

   Im Rahmen komplexer und langwieriger Industrieverfahren, bei denen viele unterschiedliche Ausgangsstoffe zum Einsatz kommen, würde eine physische Trennung (zwischen fossilbasierten und biobasierten oder zwischen neuen und recycelten Kunststoffen) nicht nachhaltige Investitionen erfordern. Methoden, bei der alle Glieder der Produktkette berücksichtigt werden, ermöglichen eine zuverlässige und transparente Berechnung sowie eine klare und unmissverständliche Kennzeichnung und Aussage in Bezug auf den Inhalt eines Produkts entlang der Wertschöpfungskette.

(16)     https://publications.jrc.ec.europa.eu/repository/handle/JRC125046 .
(17)    ISO 22526-1, 2 und 3, EN 16760, ISO, EN 15804, ISO 14067.
(18)     ABl. L 365 vom 31.12.1994, S. 10 .
(19)     ABl. L 190 vom 12.7.2001, S. 21 .
(20)    Artikel 22 der Richtlinie 2008/98/EWG.
(21)    Siehe die „Biorepack“-Systeme einer erweiterten Herstellerverantwortung für kompostierbare Kunststoffe in Italien, https://eng.biorepack.org/ .
(22)     https://eng.biorepack.org/communication/news/composting-plants-talk.kl .