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STELLUNGNAHME
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Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss
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Humanarzneimittel und für zur
Anwendung beim Menschen bestimmte Prüfpräparate/Ausnahme
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a) Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 2001/20/EG und 2001/83/EG in Bezug auf Ausnahmen von bestimmten Verpflichtungen für bestimmte im Vereinigten Königreich bereitgestellte Humanarzneimittel in Bezug auf Nordirland sowie in Bezug auf Zypern, Irland und Malta
[COM(2021) 997 final – 2021/0431 (COD)]
b) Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung einer Ausnahmeregelung in Bezug auf bestimmte Verpflichtungen betreffend Prüfpräparate, die im Vereinigten Königreich in Bezug auf Nordirland sowie in Zypern, Irland und Malta zugänglich gemacht werden
[COM(2021) 998 final – 2021/0432 (COD)]
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INT/975
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Berichterstatter: Martin SCHAFFENRATH
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Befassung
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a) Europäisches Parlament, 20/01/2022
a) Rat, 03/02/2022
b) Europäisches Parlament, 20/01/2022
b) Rat, 03/02/2022
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Rechtsgrundlage
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a) Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
b) Artikel 114 und Artikel 168 Absatz 4 Buchstabe c des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
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Zuständige Fachgruppe
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Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch
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Annahme in der Fachgruppe
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03/02 /2022
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Verabschiedung im Plenum
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24/02/2022
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Plenartagung Nr.
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567
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Ergebnis der Abstimmung
(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)
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180/0/4
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1.Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1Die kontinuierliche Versorgung mit qualitativ hochwertigen, wirksamen und sicheren Humanarzneimitteln ist entscheidend für die Sicherstellung des Zugangs für Patientinnen und Patienten zur Gesundheitsversorgung. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt deshalb das am 17. Dezember 2021 von der Europäischen Kommission vorgelegte Maßnahmenpaket mit dem Ziel, einerseits langfristig die ununterbrochene Lieferung von Arzneimitteln aus dem Vereinigten Königreich nach Nordirland zu gewährleisten sowie andererseits die teils durch den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union noch bestehenden Lieferengpässe in Zypern, Irland und Malta zeitnah zu beseitigen.
1.2Der EWSA erkennt an, dass besonders die kleineren EU-Mitgliedstaaten Zypern, Irland und Malta historisch stark von der Versorgung mit Arzneimitteln und Prüfpräparaten aus dem Vereinigten Königreich abhängen.
1.3Die Änderungen des Maßnahmenpakets zur Einführung von Ausnahmeregelungen in Bezug auf bestimmte Verpflichtungen betreffend Arzneimittel und Prüfpräparate, die im Vereinigten Königreich in Bezug auf Nordirland sowie in Zypern, Irland und Malta bereitgestellt werden, sind nach Meinung des EWSA aufgrund des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU und der damit zusammenhängenden Rahmenbedingungen sinnvoll und werden daher vollumfänglich vom EWSA unterstützt.
1.4Der EWSA betont besonders die zentrale Rolle eines funktionierenden, fairen sowie effizienten Binnenmarkts. Oberste Priorität muss dabei die Einhaltung der für Arzneimittel und Prüfpräparate relevanten EU-Rechtsvorschriften, insbesondere im Hinblick auf die Qualität und die Sicherheit der betroffenen Produkte sein. Gleichzeitig begrüßt der EWSA auch die im Maßnahmenpaket enthaltenen Verpackungsvorschriften für Produkte aus dem Vereinigten Königreich, um eine zusätzlich Umverpackung zu vermeiden, was auf Grund der zusätzlich anfallenden Kosten und Komplexität des Vorgangs zu einer Rücknahme von Arzneimitteln vom Markt in Nordirland führen könnte.
1.5Im Hinblick auf die zeitlich beschränkten Ausnahmeregelungen für Zypern, Irland und Malta verweist der EWSA jedoch auf die Notwendigkeit einer zeitnahen nachhaltigen Lösung, die im Rahmen der europäischen Arzneimittelstrategie erarbeitet werden sollte, um langfristig die Versorgung der Patientinnen und Patienten in den oben genannten Mitgliedstaaten mit in der EU zugelassenen Arzneimitteln zu gewährleisten.
2.Kontext der Kommissionsvorschläge
2.1Gemäß dem Protokoll zu Irland/Nordirland des Austrittsabkommens des Vereinigten Königreichs müssen Arzneimittel, die in Nordirland in Verkehr gebracht werden, über eine gültige Genehmigung für das Inverkehrbringen verfügen, die von der Kommission (EU‑weite Genehmigungen) oder dem Vereinigten Königreich für Nordirland erteilt wurde. Diese nationalen Genehmigungen müssen den EU-Rechtsvorschriften für Arzneimittel entsprechen. Auch ist für die Einfuhr von Prüfpräparaten aus Drittländern in die Union oder nach Nordirland der Besitz einer Erlaubnis zur Herstellung und Einfuhr erforderlich. Diese müssen den Anforderungen des EU-Besitzstandes für klinische Prüfungen entsprechen.
2.2Zypern, Irland, Malta und Nordirland sind seit jeher auf die Lieferung von Arzneimitteln, einschließlich Prüfpräparaten, aus oder über andere Teile des Vereinigten Königreichs als Nordirland angewiesen, und die Lieferketten für diese Märkte wurden noch nicht vollständig an das EU-Recht und die veränderte Situation durch den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union angepasst.
2.3Die Bekanntmachung der Kommission vom 25. Januar 2021 sieht eine Karenzzeit von einem Jahr (bis Ende Dezember 2021) für die Aufrechterhaltung der Chargenprüfung und der Herstellung/Logistik in anderen Teilen des Vereinigten Königreichs als Nordirland vor, um die unterbrechungsfreie Lieferung von Arzneimitteln nach Nordirland, Zypern, Irland und Malta zu gewährleisten. Diese Bekanntmachung ist auch auf Einfuhranforderungen für Prüfpräparate anzuwenden, um eine unterbrechungsfreie Versorgung von Nordirland, Zypern, Irland und Malta mit Arzneimitteln zu gewährleisten.
2.4Trotz des Übergangszeitraums erweist es sich für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer, die derzeit in anderen Teilen des Vereinigten Königreichs als Nordirland ansässig sind, immer noch als sehr schwierig, sich den im Protokoll vorgesehenen Anforderungen anzupassen. Die Hauptgründe dafür sind die im Verhältnis zur geringen Größe des nordirischen Marktes, der 3 % des Gesamtmarkts des Vereinigten Königreichs repräsentiert, zu hohen Kosten einer solchen Anpassung und die komplexe Logistik, für die keine nachhaltigen alternativen Logistikzentren in Nordirland gefunden wurden.
2.5Ziel dieser Vorschläge ist es, einerseits die Probleme im Zusammenhang mit Humanarzneimitteln zu lösen, Engpässe bei Arzneimitteln zu vermeiden und einen angemessenen Schutz der öffentlichen Gesundheit in Nordirland, Zypern, Irland und Malta zu gewährleisten. Ebenso sind die Probleme im Zusammenhang mit Prüfpräparaten anzugehen, um eine Beeinträchtigung beim Zugang zu diesen und damit bei der Durchführung von gemäß der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 genehmigten klinischen Prüfungen in Nordirland, Zypern, Irland und Malta zu verhindern.
3.Allgemeine Bemerkungen
3.1Der EWSA begrüßt daher das vorliegende Maßnahmenpaket. Die Sicherstellung der Versorgung mit Arzneimitteln sowie der Schutz der öffentlichen Gesundheit sind grundlegende Anliegen des Ausschusses.
3.2Der EWSA hält den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU für ein sehr komplexes und schwieriges Unterfangen. Mit dem Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich sowie dem dazugehörigen Protokoll zu Irland/Nordirland wird zwar der Großteil der künftigen Beziehung zwischen den beiden Vertragspartnern geregelt. Da sich der vorgesehene Übergangszeitraum von einem Jahr für die nötige Anpassung an die neuen Vorgaben, um eine unterbrechungsfreie Lieferung von Arzneimitteln und Prüfpräparaten nach Nordirland, Zypern, Irland und Malta sicherzustellen, als nicht ausreichend erwiesen hat, muss nun gezielt und rasch gehandelt werden, um die wirtschaftlichen und gesundheitlichen Auswirkungen abzufedern.
3.3Kernpunkte des Maßnahmenpakets, die es nach Meinung des EWSA besonders hervorzuheben gilt, sind:
·ununterbrochene Versorgung Nordirlands mit Arzneimitteln aus dem Vereinigten Königreich, solange diese den EU-Rechtsvorschriften entsprechen;
·weitere Anerkennung der Chargenprüfung durch eine im Vereinigten Königreich außer Nordirland ansässige sachkundige Person, die für die Chargenprüfung und die Pharmakovigilanz zuständig ist, um auch zukünftig Doppelarbeit zu vermeiden;
·Erhalt der Möglichkeit, Packungen für Nordirland und das Vereinigte Königreich beizubehalten und gleichzeitig eine Zulassung über das dezentralisierte oder das nationale Zulassungsverfahren beantragen zu können;
·angemessene Maßnahmen zur Anpassung der Anforderungen der sog. Fälschungsschutz‑Richtlinie 2011/62/EU zur weiteren Gewährleistung der Sicherheit von Arzneimitteln in Nordirland und Verhinderung der Verbreitung dieser Arzneimittel in den Rest der EU.
3.4Der EWSA betont im Zusammenhang mit dem EU-Binnenmarkt, dass bei der Umsetzung des Maßnahmenpakets unter allen Umständen sichergestellt werden muss, dass betroffene Arzneimittel und Prüfpräparate aus dem Vereinigten Königreich in Nordirland verbleiben und nicht in anderen Teilen des Binnenmarkts in den Handel gelangen, es sei denn, sie wurden von einer nationalen zuständigen Behörde in Übereinstimmung mit den EU-Rechtsvorschriften zugelassen. Gleiches gilt für die Übergangszeit von drei Jahren für Zypern, Irland und Malta. Oberstes Prinzip muss hier sein, dass diese Arzneimittel und Prüfpräparate nur der Versorgung der in diesen Ländern ansässigen Patientinnen und Patienten dient.
3.5Besonders begrüßt der EWSA in diesem Zusammenhang auch den Grundsatz der Transparenz durch die Verpflichtung der zuständigen Behörden in Nordirland und den betroffenen EU‑Mitgliedstaaten zur Erstellung und Veröffentlichung einer Liste relevanter Arzneimittel und Prüfpräparate, um den Schutz der Gesundheit in der Union zu gewährleisten sowie zu verhindern, dass diese Arzneimittel in andere Mitgliedstaaten gelangen.
3.6Weiters befürwortet der EWSA insbesondere auch die vorgeschlagenen Ausnahmeregelungen im Hinblick auf die sog. Fälschungsschutz-Richtlinie 2011/62/EU, die es den Herstellern ermöglichen sollen, weiterhin die für die Union erforderlichen individuellen Erkennungsmerkmale von Arzneimitteln beizubehalten, auch wenn diese von anderen EU‑Mitgliedstaaten über das Vereinigte Königreich nach Nordirland sowie für einen Zeitraum von drei Jahren nach Zypern, Irland und Malta eingeführt werden. Ebenso unterstützt der EWSA den vorgesehenen Mechanismus, durch den Apotheker und Krankenhäuser in der Union (außer Nordirland, Zypern, Irland und Malta) über das Arzneimittelverifizierungssystem (sog. European Medicines Verification System) informiert werden, sobald ein im Vereinigten Königreich für Nordirland zugelassenes Arzneimittel gescannt wird. Dadurch können Endverbraucher eindeutig darauf hingewiesen werden, dass eine solche Arzneimittelpackung ggf. nicht für die Abgabe in der Union bestimmt ist.
3.7Im Hinblick auf allfällige Übergangslösungen, die gewährleisten sollen, dass Patientinnen und Patienten in Nordirland jenen im Rest des Vereinigten Königreichs gleichstellt sind, begrüßt der EWSA ebenso die vorgeschlagene Ausnahmeregelung einer temporären Einfuhr neuer, patentgeschützter Arzneimittel, die im Vereinigten Königreich zugelassen sind, bis auch die Union eine Marktzulassung erteilt hat.
4.Besondere Bemerkungen
4.1Nach Ansicht des EWSA wurden alle Bedenken von Seiten der betroffenen Akteure umfassend berücksichtigt, um die ununterbrochene Versorgung Nordirlands und anderer kleinerer, damit in Verbindung stehender Mitgliedstaaten mit Arzneimitteln und Prüfpräparaten zu gewährleisten. Jedoch schlägt der EWSA im Folgenden einige wenige Klarstellungen vor, die in begleitende Leitlinien aufgenommen werden können.
4.2Hervorzuheben ist besonders Erwägungsgrund 7 des Richtlinienvorschlags, der eine wichtige Klarstellung enthält, was den Verbleib der regulatorischen Anforderungen an Chargenprüfung und Pharmakovigilanz im Vereinigten Königreich für die Ausfuhr nach Nordirland betrifft. Dabei muss deutlich dargelegt werden, dass jede im Vereinigten Königreich außer Nordirland verortete Regulierungsfunktion im Zusammenhang mit der Genehmigung für das Inverkehrbringen im Vereinigten Königreich in Nordirland sowohl für aktuelle wie auch zukünftige nationale Zulassungen sowie Zulassungen über das dezentralisierte Verfahren bzw. das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung genutzt werden kann. Dies muss sowohl im Richtlinienvorschlag als auch in entsprechenden Leitlinien fest verankert sein.
4.3Der EWSA verweist besonders auf den von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Artikel 2 des Richtlinienvorschlags (Einführung eines Artikel 5a in die Richtlinie 2001/83/EG) in Bezug auf Ausnahmen von bestimmten Verpflichtungen für bestimmte im Vereinigten Königreich bereitgestellte Humanarzneimittel. Unter allen Umständen muss sichergestellt werden, dass betroffene, aus dem Vereinigten Königreich nach Nordirland (und für den Übergangszeitraum von drei Jahren nach Zypern, Irland und Malta) ausgeführte Arzneimittel in diesen Märkten verbleiben und nicht in anderen Teilen des Binnenmarkts in den Handel gelangen.
4.4Eine weitere nötige Klarstellung sieht der EWSA in Bezug auf die in Artikel 2 Absatz 4 des Richtlinienvorschlags vorgesehene Qualitätsprüfung (Änderung Artikel 20 der Richtlinie 2001/83/EG), wenn es um Arzneimittel geht, die über das zentralisierte Verfahren der Union zugelassen wurden, jedoch anstatt in einem EU-Mitgliedstaat im Vereinigten Königreich (außer Nordirland) hergestellt werden und von dort direkt nach Nordirland eingeführt werden.
4.5Weiterführende Erläuterungen empfiehlt der EWSA auch im Hinblick auf Artikel 2 Absatz 5 des Richtlinienvorschlags (Änderung Artikel 40 der Richtlinie 2001/83/EG) bezüglich der Notwendigkeit einer Großhandelserlaubnis für eine in einem anderen Teil des Vereinigten Königreichs als Nordirland ansässigen Unternehmens für den Export/Import nach Nordirland. Festzuhalten ist hier, dass die Möglichkeit, mit einer von einer Behörde des Vereinigten Königreichs ausgestellten Großhandelserlaubnis Arzneimittel vom Standort im Vereinigten Königreich nach Nordirland einzuführen, weiterhin gewährleistet sein sollte.
4.6Unterstützt wird ebenfalls Artikel 2 Absatz 9, der es Unternehmen ermöglicht, dass sich die sachkundige Person für die Chargenprüfung und die Pharmakovigilanz auch weiterhin in anderen Teilen des Vereinigten Königreichs als Nordirland befinden kann. Jedoch fordert der EWSA weitere Klarstellung, ggf. in anhängigen Leitlinien, zur konkreten Umsetzung dieser Regelung in der Praxis.
4.7Abschließend betont der EWSA, dass es besonders wichtig ist, deutlich zwischen der Bekanntmachung der Kommission vom 25. Januar 2021, die den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern temporär die weitere Versorgung Nordirlands mit Arzneimitteln und Prüfpräparaten ermöglicht, und den Bestimmungen im vorliegenden Maßnahmenpaket zu unterscheiden. Die Union wird aufgefordert, ein hohes Maß an Rechtssicherheit für Zulassungsinhaber, Großhändler und Apotheker in diesem Übergangszeitraum zwischen o. g. Ausnahmeregelung und der Annahme sowie Umsetzung der Änderungen durch den Richtlinien‑ bzw. Verordnungsvorschlag zu gewährleisten.
Brüssel, den 24 Februar 2022.
Christa SCHWENG
Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
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