INT/967
Europäische Missionen
STELLUNGNAHME
Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über Europäische Missionen
[COM(2021) 609 final]
Berichterstatter: Paul RÜBIG
Mitberichterstatterin: Małgorzata Anna BOGUSZ
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Befassung
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Europäische Kommission, 01/12/2021
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Rechtsgrundlage
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Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
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Zuständige Fachgruppe
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Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch
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Annahme in der Fachgruppe
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03/02/2022
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Verabschiedung im Plenum
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DD/MM/YYYY
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Plenartagung Nr.
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…
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Ergebnis der Abstimmung
(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)
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…/…/…
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1.Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) kann nachvollziehen, dass die in der Mitteilung vorgestellten fünf Missionen für die EU vorrangig sind, erachtet aber auch die nachstehend aufgeführten fünf Herausforderungen und Ziele als sehr wichtig für Europa.
Entwicklung und Umsetzung von Missionen und Maßnahmen, um
1.im globalen Wettbewerb in den Bereichen Forschung, Technologie und Innovation (RTI) mit den USA und Asien Schritt zu halten;
2.die Herausforderungen der alternden Gesellschaft in der EU zu bewältigen;
3. Strategien zur erfolgreichen Integration der hohen Zahl von Migranten, die in die EU kommen, festzulegen;
4.die Krisenvorsorge zu verbessern;
5.den Bedürfnissen der von der COVID-19-Pandemie betroffenen Patienten mit nichtübertragbaren Krankheiten und insbesondere mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen gerecht zu werden.
1.2In der Mitteilung werden fünf wesentliche EU-Missionen aufgelistet und beschrieben:
1.Anpassung an den Klimawandel
2.Krebs
3.Wiederbelebung unserer Ozeane und Gewässer bis 2030, einschließlich Sanitärversorgung
4.100 klimaneutrale und intelligente Städte sowie intelligente Dörfer bis 2030
5.Ein „Boden-Deal“ für Europa.
1.3Der EWSA befürwortet nachdrücklich das Vorhaben, 150 Regionen in ganz Europa in ihren Bemühungen um Klimaresilienz zu unterstützen. Hierfür sind jedoch enorme FuE-Mittel erforderlich. Der EWSA empfiehlt deshalb nachdrücklich, die für FuE vorgesehenen regionalen EU-Haushaltsmittel von derzeit 5 % auf mindestens 10 % zu erhöhen.
1.4Der EWSA begrüßt, dass die EU einen Schwerpunkt auf den Kampf gegen Krebs als einem der gravierendsten Gesundheitsprobleme legt, und fordert die EU-Organe auf, vergleichbare Schritte für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die die Todesursache Nummer 1 in Europa und weltweit sind, zu unternehmen.
2.Allgemeine Bemerkungen
2.1Die EU-Missionen werden dadurch ihre Wirkung entfalten, dass sie im Rahmen des Programms „Horizont Europa“ eine neue Rolle für Forschung und Innovation vorsehen, die mit einem koordinierten, ganzheitlichen Ansatz sowie einem neuen Verhältnis zu den Bürgerinnen und Bürgern kombiniert wird. Sie werden öffentliche und private Akteure wie die EU‑Mitgliedstaaten, regionale und lokale Behörden, Forschungsinstitute, Unternehmer sowie öffentliche und private Investoren in vollem Umfang mobilisieren und einbinden, um eine echte und dauerhafte Wirkung zu erzielen.
2.2Der EWSA betont, dass die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie für die Erfüllung der EU-Missionen sehr wichtig ist. Er begrüßt deshalb den Verweis auf die erneuerte Agenda für industrielle Wettbewerbsfähigkeit. Zugleich unterstreicht der EWSA, dass die Auswirkungen auf die EU-Bürgerinnen und Bürger berücksichtigt werden müssen, und fordert die Kommission auf, ihre Tätigkeiten eng mit der Sozialpolitik und der europäischen Säule sozialer Rechte zu verknüpfen und dabei insbesondere den spezifischen Bedürfnissen älterer und schutzbedürftiger EU-Bürgerinnen und -Bürger Rechnung zu tragen.
2.3Der EWSA betont, dass die europäischen Missionen durch eine neue und größere Rolle für Forschung und Innovation zwar primär Wirkung für die EU erzielen sollen, jedoch die wirtschaftliche Dimension (globaler Wettbewerb, hochwertige Arbeitsplätze usw.) sowie die soziale Dimension im Rahmen der Missionen ebenfalls gebührend berücksichtigt werden müssen. Hinsichtlich der sozialen Dimension betont der EWSA, dass neben der Bedeutung der sozialen Rechte sowie der Wahrung der sozialen Sicherheit und fairer Arbeitsbedingungen für alle Arbeitnehmer den spezifischen Bedürfnissen schutzbedürftiger Gruppen in der EU (ältere Menschen, Kranke usw.) besondere Aufmerksamkeit gelten muss.
2.4Der EWSA begrüßt nachdrücklich, dass FuI eindeutig als Kernthema des Dokuments über die EU-Missionen angesehen wird. Er ist überzeugt, dass künftige komplexe Herausforderungen der EU in erster Linie durch FuI bewältigt werden können.
2.5Der EWSA hat im März 2021 seine Stellungnahme „Ein neuer EFR für Forschung und Innovation“ verabschiedet, erarbeitet derzeit eine Stellungnahme zu dem „Pakt für Forschung und Innovation in Europa“, die im Februar 2022 verabschiedet werden soll, und hat eine Stellungnahme zu dem „Aktionsplan für geistiges Eigentum zur Förderung von Erholung und Resilienz der EU“ verabschiedet. Die vorliegende Stellungnahme sollte in engem Zusammenhang mit diesen drei jüngsten Stellungnahmen des EWSA gesehen werden.
2.6Der EWSA teilt uneingeschränkt die Auffassung, dass „[den] Status quo beizubehalten [...] keine Option“ ist. Europa benötigt „eine neue Art von Forschungs- und Innovationspolitik“: Wenn die EU ihre alte FuI-Politik unverändert fortsetzt, dann wird sie die enormen Herausforderungen, vor denen sie steht, insbesondere die harte Konkurrenz aus Asien, nicht bewältigen können. Der EWSA hat dies in seiner Stellungnahme „Ein neuer EFR für Forschung und Innovation“ sehr deutlich herausgestellt.
2.7Zu Unternehmen heißt es in der Mitteilung, dass die EU-Missionen durch die Mobilisierung und Einbeziehung öffentlicher und privater Interessenträger (EU-Mitgliedstaaten, regionale und lokale Behörden, Forschungseinrichtungen, Unternehmer und öffentliche und private Investoren, EU-Bürgerinnen und Bürger sowie Zivilgesellschaft) eine echte und dauerhafte Wirkung entfalten und dabei Industrie und Unternehmen, insbesondere KMU, berücksichtigen.
2.8Die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Industrie in Bezug auf Technologien zur Dekarbonisierung der Stromerzeugung und weiterer CO2-intensiver Industriezweige ist ein entscheidender Faktor für die Erfüllung der EU-Mission 1 „Anpassung an den Klimawandel“. Sollte die EU hier scheitern, dann wird sie Millionen Arbeitsplätze in diesen Industriezweigen verlieren.
2.9Darüber hinaus teilt der EWSA uneingeschränkt die Auffassung, dass die EU-Missionen voll und ganz im Einklang mit den Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung stehen müssen.
2.10Der EWSA kann nachvollziehen, dass die fünf Missionen für die EU vorrangig sind, erachtet jedoch auch die in Kapitel 4 aufgeführten zusätzlichen fünf Herausforderungen und Missionen als sehr wichtig für Europa.
2.11Der EWSA empfiehlt der Europäischen Kommission, auch denjenigen Missionen und Maßnahmen Vorrang einzuräumen, mit denen neue, hochwertige Arbeitsplätze, Unternehmen, Einkommen, Wohlstand sowie eine hohe Lebensqualität für die Bürgerinnen und Bürger der EU geschaffen werden, wie etwa die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Technologieprodukte gegenüber dem immer härteren globalen Wettbewerb (insbesondere mit China, Südkorea usw.).
2.12Ein erheblicher Teil der Arbeitsplätze und des Wohlstands Europas beruht auf dem Export europäischer technologischer Produkte (Autos, Maschinen, Materialien usw.). Darüber hinaus tragen KKMU, innovative Start‑ups, Scale‑ups und Hochschulbildung maßgeblich zur Schaffung neuer Arbeitsplätze in Europa bei.
3.Besondere Bemerkungen
3.1Mission 1 – Anpassung an den Klimawandel
3.1.1Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen für die Menschheit im 21. Jahrhundert. Die politischen Entscheidungsträger müssen die bevorstehenden Veränderungen antizipieren, um die am stärksten gefährdeten Sektoren und Gruppen zu schützen, und dabei auch die Beschäftigung berücksichtigen.
3.1.2Fast alle Maßnahmen des Grünen Deals werden einen Anstieg der Preise etwa für Strom, Brennstoff und Heizung für die Haushalte in der EU bewirken. Dies wirkt sich besonders stark auf die Hunderte Millionen Menschen mit niedrigem oder mittlerem Einkommen und generell auf schutzbedürftige, oftmals einkommensschwache EU-Bürgerinnen und Bürger in den EU‑Mitgliedstaaten aus. Folglich haben alle Maßnahmen des Grünen Deals erhebliche soziale Auswirkungen und müssen mit Vorsicht umgesetzt werden. Es gilt hierbei, den Wohlstand zu steigern und nicht etwa diejenigen Menschen zu vernachlässigen, die bei der Bewältigung des Wandels Unterstützung benötigen.
3.1.3Beispiele für neue Technologien, die sicherlich eine sehr wichtige Rolle bei der Verringerung der CO2-Emissionen spielen werden:
-Dekarbonisierung der Stromerzeugung
-Dekarbonisierung der CO2-emittierenden Industrien, z. B. der Stahlindustrie, der Zementindustrie
-CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS), z. B. Abwasserbehandlungsanlagen
-sehr großflächige Stromspeicherung zu geringen spezifischen Kosten
-E-Mobilität
-intelligente Netze und Hochspannungsnetze
-intelligente Städte usw.
3.1.4Diese Technologien lassen sich leicht auflisten, aber angesichts der für alle 27 EU‑Mitgliedstaaten und weltweit erforderlichen Größenordnung stellt ihre Umsetzung zweifellos eine große Herausforderung dar.
3.1.5Ein zentrales Problem des globalen Wettbewerbs hinsichtlich neuer Technologien wird die Verfügbarkeit einer großen Zahl an Forschern und Ingenieuren darstellen. Dies ist auf jeden Fall eine große Herausforderung für Europa. Asiatische Länder haben die Zahl der Studierenden in Physik, IKT und Ingenieurwesen in den letzten 20 Jahren massiv erhöht, während die entsprechenden Zahlen in Europa mehr oder weniger stagnieren. Es reicht nicht, wenn die EU durch die europäischen Missionen eine Zunahme dieser Studierenden fördert, sondern sie sollte sich auch dafür einsetzen, dass aus dem derzeitigen Braindrain ein Braingain für die EU wird.
3.1.6Der EWSA empfiehlt der Kommission nachdrücklich, Maßnahmen zu beschließen, um die Grundkompetenzen deutlich zu verbessern und die Zahl der Studierenden in Physik, IKT und Ingenieurwesen sowie in Medizin und Pharmakologie in Europa in den nächsten 20 Jahren zu erhöhen. Ohne diese Fachkräfte wird Europa bei sämtlichen zur Bekämpfung des Klimawandels benötigten Technologien weiter zurückfallen.
3.2Mission 2 – Krebs
3.2.1Die Zahl der Krebserkrankungen in der EU-27 nimmt stetig zu. Die EU-27 muss zusammenarbeiten, um Diagnose, Therapie, Zugang zu personalisierter Medizin, Behandlung und Prävention zu verbessern, wie bereits in der Stellungnahme EWSA zum „Europäischen Plan zur Krebsbekämpfung“ vom Juni 2021 betont wurde. Der EWSA begrüßt deshalb, dass die Forschung zur Krebsvorsorge und -behandlung als eine der fünf EU‑Missionen genannt wird.
3.2.2Der EWSA betont ausdrücklich, dass eine der größten Herausforderungen darin bestehen wird, die Unterschiede beim Zugang zur Krebsbehandlung zwischen den einzelnen Ländern zu verringern. Der EWSA empfiehlt, einen besonderen Schwerpunkt auf schutzbedürftige Gruppen innerhalb der EU zu legen.
3.2.3Wie bereits in der Stellungnahme des EWSA zum „Europäischen Plan zur Krebsbekämpfung“ dargelegt, sind der Zugang zu den innovativsten Therapien und die Einführung von Impfkampagnen, mit denen die Zahl der durch Virusinfektionen verursachten Krebserkrankungen verringert werden kann, außerordentlich wichtig.
3.2.4Der EWSA betont, dass ein aktiverer Ansatz zur Prävention berufsbedingter Krebserkrankungen notwendig ist. Wie bereits in seiner Stellungnahme zum „Europäischen Plan zur Krebsbekämpfung“ betont wurde, fordert der EWSA, die Exposition gegenüber Karzinogenen, Mutagenen und endokrinen Disruptoren am Arbeitsplatz und die Ursachen für berufsbedingte Krebserkrankungen weiter zu erforschen.
3.2.5Der EWSA betont, dass die Sozialpartner, die Patientenorganisationen und die zivilgesellschaftlichen Organisationen unverzichtbar für die Verbreitung bewährter Verfahren sowie für die Bereitstellung einschlägiger Informationen über die Ursachen von Krebs und spezifische Probleme, z. B. in Zusammenhang mit Genderfragen und schutzbedürftigen Gruppen, sind.
3.3Mission 3 – Wiederbelebung unserer Ozeane und Gewässer bis 2030
3.3.1Sauberes Wasser ist für die EU-Bürgerinnen und Bürger, die Landwirtschaft und die Fischwirtschaft von großer Bedeutung. Auch bei dieser Mission sind der Schlüssel Forschung und Technologien für sauberes Wasser, darunter die Gewinnung von Ressourcen aus Abwasser, Sanitärversorgung und Abwasserbehandlung.
3.3.2Darüber hinaus ist der Zugang zu sauberem Wasser für viele Menschen nach wie vor ein Problem. Der EWSA fordert die Kommission auf, die Menschenrechte auf Wasser und Sanitärversorgung rechtlich umzusetzen.
3.4Mission 4 – 100 klimaneutrale und intelligente Städte bis 2030
3.4.1Über 65 % der Weltbevölkerung leben in Großstädten, und dieser Anteil nimmt weiter zu. Großstädte verursachen immer größere Herausforderungen in Bezug auf Infrastrukturen (Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, Verkehr, Energieversorgung usw.) und Lebensqualität. Diese können zum großen Teil nur mit Forschung und Hightech‑Lösungen bewältigt werden. Künftig werden wesentlich mehr hochqualifizierte Ingenieure benötigt, um intelligente High‑Tech-Städte und Dörfer zu planen.
3.4.2Der Anteil älterer Menschen in Städten nimmt rasch zu (alternde Gesellschaft). Ältere und schutzbedürftige Menschen haben andere Bedürfnisse als junge Menschen: Sie brauchen eine umfassendere medizinische Versorgung, Sozialfürsorge usw. Aufgrund des demografischen Wandels in der Gesellschaft wird es in naher Zukunft nicht mehr genug junge Menschen geben, die diese Dienstleistungen erbringen, so dass einige Leistungen für ältere Menschen durch intelligente Lösungen (z. B. von Robotern) übernommen werden müssen.
3.4.3Viele Notsituationen der letzten Jahre haben gezeigt, dass moderne Gesellschaften relativ anfällig sind, weshalb der Ausbau der Krisenvorsorge durch FuE sehr wichtig ist:
-die Katastrophen in den Kernkraftwerken Fukushima, Tschernobyl, Three Mile Island usw.,
-Strom- und Kommunikationsausfälle,
-Engpässe und starke Preiserhöhungen für alle Energiequellen, einschließlich Erdgas,
-Gewitter und massive Überschwemmungen, bei denen viele Hunderte Menschen ums Leben kamen,
-Pandemien wie COVID-19, Zika und künftige Pandemien,
-Cyberangriffe (durch die massiv zunehmende Digitalisierung aller Bereiche des öffentlichen Lebens, des Privatlebens und der Wirtschaft nimmt die Bedrohung durch Cyberangriffe rasch zu).
3.4.4Ost- und Südeuropa entgingen am 8. Januar 2021 nur ganz knapp einem gravierenden Blackout. Die eigentliche Ursache für die zunehmende Anfälligkeit der europäischen Energieversorgung ist der wachsende Anteil unvorhersehbarer und nicht planbarer erneuerbarer Energiequellen wie Windkraftanlagen und Sonnenenergie. Europa ist auf Stromausfälle nicht besonders gut vorbereitet: Bei einem Stromausfall bricht die Energieversorgung der Haushalte und der Industrie unverzüglich, die Kommunikation innerhalb von Minuten oder Stunden und die Trinkwasserversorgung innerhalb kurzer Zeit zusammen usw. Die Wiederherstellung der Versorgung ist keine leichte Aufgabe.
3.5Mission 5 – Ein „Boden-Deal“ für Europa
3.5.1Neben sauberem Wasser, wie bereits erwähnt, sind auch gesunde Böden für den Anbau der Grundstoffe für Lebensmittel eine der wichtigsten Voraussetzungen für Leben – für Mensch und Tier. Die Weltbevölkerung wächst: Bis zum Ende des Jahrhunderts müssen wir rund 10 Milliarden Menschen nachhaltig ernähren. Konventionelle Lebensmittel und Landwirtschaft sind eine der wichtigen Quellen der Treibhausgase CO2 und Methan. Somit ist viel FuE erforderlich, um eine klimaneutrale Landwirtschaft für die nachhaltige Erzeugung von Lebensmitteln für die 10 Milliarden Menschen auf der Erde zu erforschen und entwickeln. Derzeit werden etwa 10 % des EU-Haushalts für Landwirtschaft und Landbau für FuE ausgegeben; der EWSA empfiehlt, diesen Anteil auf mindestens 20 % zu erhöhen, um die FuE für neue, nachhaltige landwirtschaftliche Technologien, darunter insbesondere Robotik in der Landwirtschaft und der Lebensmittelproduktion auszubauen.
4.Fünf zusätzliche Missionen
4.1Der EWSA erachtet die fünf in der Mitteilung aufgeführten Missionen zwar als dringende Prioritäten für die EU, hält jedoch auch die nachstehend beschriebenen fünf Herausforderungen und Aufgaben für äußerst wichtig für Europa:
4.2Zusätzliche EU-Mission 1 – Mit den USA und Asien im globalen Wettbewerb im Bereich RTI mithalten
4.2.1Damit die EU in den Bereichen Forschung, Technologie, Innovation (RTI) und Patente nicht hinter Asien, vor allem nicht hinter China und Südkorea, zurückfällt, müssen Missionen und Maßnahmen entwickelt und umgesetzt werden. Es ist eine Tatsache, dass die EU in Bezug auf RTI seit ca. dem Jahr 2000 immer mehr hinter China und Südkorea zurückfällt.
4.2.2Wenn die EU im Bereich RTI weiterhin hinter die USA und Asien zurückfällt, wird Europa langfristig (über 20 bis 50 Jahre) Millionen Arbeitsplätze und erheblichen Wohlstand einbüßen. Das Defizit der EU-27 ist tatsächlich kritisch, insbesondere bei neuen Schlüsseltechnologien (KET) sowie künftigen und sich abzeichnenden Technologien (FET) wie künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen, Deep Learning, Robotik, Gentechnik, Kommunikationstechnologien (z. B. 5G), Herstellung von Computerchips, Herstellung von Schlüsselkomponenten für die E‑Mobilität (z. B. Batterien, Brennstoffzellen und Wasserstoff) usw. Neue Materialien sind seit jeher ein Motor für Innovationen: So bieten beispielsweise Innovationen bei der Herstellung und Nutzung von Graphen und seine breite Verwendung in der Industrie Potenzial für Forschung und Innovation in Europa.
4.3Zusätzliche EU-Mission 2 – Bewältigung der Herausforderungen der alternden Gesellschaft in der EU
4.3.1Die Gesellschaft in der EU altert rasch, wodurch neue Herausforderungen für alle EU‑Mitgliedstaaten entstehen.
4.3.2Ältere und schutzbedürftige Menschen haben andere Bedürfnisse als junge Menschen: Sie brauchen mehr und neuartige Arzneimittel (gegen Demenz, Alzheimer usw.), mehr medizinische Versorgung, mehr soziale Betreuung, mehr speziell für ältere und schutzbedürftige Menschen konzipierte Bildungsmaßnahmen usw.
4.3.3Forschung und Innovation (Medizin, Arzneimittel, Sozial- und Ingenieurwissenschaften, spezifische Bildungsmaßnahmen usw.) werden zweifellos eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der alternden Gesellschaft der EU spielen.
4.3.4Die Gesellschaft als Ganzes braucht eine ehrgeizige europäische Pflegestrategie.
4.4Zusätzliche EU-Mission 3 – Strategien zur erfolgreichen Integration der hohen Zahl von Migranten, die in die EU kommen
4.4.1Die EU muss Missionen und Maßnahmen zur Integration der hohen Zahl von Migranten in den EU-Mitgliedstaaten entwickeln. Als rasch alternde Gesellschaft benötigt die EU mehr junge, gut ausgebildete Menschen. Daher sind innovative Konzepte für die Aus- und Weiterbildung von Migranten erforderlich. Die sozioökonomische Forschung kann zu einem besseren Verständnis darüber beitragen, wie diese Millionen Menschen erfolgreich integriert werden können.
4.5Zusätzliche EU-Mission 4 – Krisenvorsorge
4.5.1Zur Krisenvorsorge gehört auch die Entwicklung und Umsetzung von Missionen und Maßnahmen zur Sicherung einer stabilen Energieversorgung und zur Vermeidung von Stromausfällen bei gleichzeitiger Dekarbonisierung des Energiesystems der EU. Siehe hierzu Ziffer
3.4.
4, in der die Frage der Krisenvorsorge behandelt wird, insbesondere in Bezug auf Strom- und Kommunikationsausfälle. Auch hier sind Forschung und Innovation (vor allem in den Ingenieurwissenschaften) der Schlüssel zur Bewältigung der Herausforderungen.
4.5.2Weitere Herausforderungen, die zu Krisen führen können, sind Überschwemmungen, Dürren, Pandemien, aber auch wirtschaftliche Notlagen wie der Ausfall globaler Lieferketten (z. B. die Blockade des Suezkanals im Jahr 2021 usw.).
4.6Zusätzliche EU-Mission 5 – Den Bedürfnissen der von der COVID-19-Pandemie betroffenen Patienten mit nichtübertragbaren Krankheiten und insbesondere mit Herz‑Kreislauf‑Erkrankungen gerecht werden, die die Todesursache Nummer 1 in Europa und weltweit sind
4.6.1Nach der Pandemie müssen nichtübertragbare Krankheiten stärker in den Blickpunkt rücken. In der EU leben 60 Millionen Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die die Todesursache Nummer 1 in Europa sind. In den Jahren vor COVID-19 waren Herz‑Kreislauf‑Erkrankungen die häufigste Ursache vermeidbarer Todesfälle in der EU. Während der Pandemie wurden diese Krankheiten bei vielen Patienten zu spät diagnostiziert oder konnten gar nicht diagnostiziert werden.
4.6.2Wir sollten uns näher mit dem Aspekt der Gesundheitsgerechtigkeit in der EU befassen und folglich den Abbau von Ungleichheiten im Gesundheitsbereich, darunter Aspekte der Gendermedizin, fördern. Trotz des Schwerpunkts dieser Initiative auf der Förderung und Prävention sollten damit auch bessere Kenntnisse und Daten, Screening und Früherkennung, Diagnose- und Behandlungsmanagment sowie die Lebensqualität der Patienten unterstützt werden. Ein weiteres Ziel sollte darin bestehen, die EU-Länder bei der Übernahme bewährter Verfahren, der Entwicklung von Leitlinien und der Einführung innovativer Ansätze usw. zu unterstützen. Folglich sollte die EU eine weitere europäische Mission beschließen: analog zu den Maßnahmen der Mission Krebs die Schaffung von Gesundheitssystemen, die hinsichtlich Herz-Kreislauf-Erkrankungen resilienter gegenüber Pandemien sind; dabei sollten also auch die beiden nichtübertragbaren Krankheiten bekämpft werden, welche die europäische Bevölkerung am stärksten belasten. Darüber hinaus sollten wir uns auch mit anderen und insbesondere mit solchen Krankheiten auseinandersetzen, die sich erheblich auf das europäische BIP auswirken, z. B. Muskel-Skelett-Erkrankungen.
Brüssel, den 3. Februar 2022
Alain Coheur
Vorsitzender der Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch
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