STELLUNGNAHME

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

Innovative Finanzinstrumente – Sozialunternehmen

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Innovative Finanzinstrumente für die Entwicklung von Sozialunternehmen
(Sondierungsstellungnahme)

INT/965

Berichterstatter: Giuseppe GUERINI

Mitberichterstatterin: Marie-Pierre Le BRETON

DE

Befassung

Französischer Vorsitz im Rat der Europäischen Union, 21/09/2021

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Annahme in der Fachgruppe

13/12/2021

Verabschiedung im Plenum

19/01/2022

Plenartagung Nr.

566

Ergebnis der Abstimmung
(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

231/1/3

1.Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die Entscheidung des französischen EU-Ratsvorsitzes und die spezifische Zusage des französischen Ministeriums für Wirtschaft und Finanzen und der französischen Regierung, die Umsetzung des Aktionsplans zur Förderung der Sozialwirtschaft zu unterstützen.

1.2Der EWSA hält es für wichtig, innovative Finanzinstrumente zu entwickeln, die eine positive soziale Wirkung entfalten können, und zwar in erster Linie durch Maßnahmen von Organisationen der Sozialwirtschaft, aber auch durch die Einbeziehung aller Unternehmen, die soziale Ziele verfolgen. Folglich begrüßt und unterstützt der EWSA die Bestimmungen des Aktionsplans für die Sozialwirtschaft, den die Europäische Kommission am 9. Dezember 2021 vorgelegt hat, insbesondere in Bezug auf den Vorschlag, die Schaffung von Märkten für Investitionen in Sozialunternehmen in Europa zu fördern und die Entwicklung neuer Instrumente zu unterstützen.

1.3Der EWSA ist der Auffassung, dass die Anerkennung der Lokal- und Sozialwirtschaft als eines der 14 Ökosysteme der europäischen Industriestrategie mit der Förderung von Sozialinvestitionen im Einklang steht, und begrüßt sie.

1.4Nach Auffassung des EWSA ist es wichtig, Anlageformen einzuführen und zu unterstützen, die soziale Auswirkungen anstreben, zur Schaffung guter Arbeitsplätze beitragen und private Investoren und Kapital anziehen. Gleichzeitig empfiehlt er, diese Investitionen so auszurichten, dass sie zusätzliche Multiplikatoreffekte bewirken und keinesfalls die öffentlichen Sozialausgaben für Kernleistungen ersetzen.

1.5Der EWSA spricht sich dafür aus, i) die Instrumente und Indikatoren zur Bewertung der sozialen Auswirkungen im Vorfeld, für jedes Projekt und gemeinsam zu entwickeln, damit die Besonderheiten der Organisationen der Sozialwirtschaft berücksichtigt werden können; und ii) eine europäische Definition für „soziale Auswirkungen“ zu entwickeln.

1.6Der EWSA empfiehlt, bei den Sozialinvestitionen ein Gleichgewicht zwischen der Sozialwirksamkeit (positive Veränderungen infolge der Investition), einem (aus der Sicht des Investors verantwortungsvollen und nachhaltigen) Ertragsniveau und dem Risiko für das soziale Unternehmen zu gewährleisten. Dabei sollen soziales Unternehmertum durch neues Investitionskapital und durch bessere Standards für Transparenz und soziale Verantwortung gestärkt und die Kapazitäten für die Einbeziehung sozialwirtschaftlicher Unternehmen und der Sozialwirtschaft in das europäische Wirtschaftssystem gefördert werden.

1.7Der EWSA begrüßt die Initiativen, die die Europäische Kommission in den letzten Jahren insbesondere im Zusammenhang mit dem EaSI-Programm durchgeführt hat. Überdies würdigt er, dass InvestEU eine spezielle Mittelzuweisung zur Stärkung der europäischen sozialen Infrastruktur beinhaltet.

1.8Um die Mitgliedstaaten und die Kommission dazu anzuhalten, diesen Initiativen neue Impulse zu geben, sollten nach Auffassung des EWSA regelmäßig Analysen durchgeführt werden. Ziel ist dabei eine detaillierte Bestandsaufnahme der verschiedenen in den Mitgliedstaaten eingeführten Innovationssysteme zur Unterstützung sozialwirksamer Finanzierungen, um so eine gemeinsame Wissensbasis aufzubauen und den Austausch bewährter Verfahren zu fördern.

1.9Der EWSA hält es für wichtig, ein Gremium auf europäischer Ebene einzurichten, das politische Leitlinien und technische Unterstützung für Initiativen zur Förderung einer innovativen Finanzierung der Sozialwirtschaft und der sozialwirtschaftlichen Unternehmen bietet.

2.Allgemeine Bemerkungen

2.1Seit vielen Jahren betont der EWSA, dass die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten die Rolle der Sozialwirtschaft im europäischen Kontext stärken müssen.

2.2Erst kürzlich hat der EWSA in seiner Stellungnahme ECO/533 empfohlen, bei der Kapitalmarktunion die verschiedenen Formen von Investitionen mit sozialen Auswirkungen, insbesondere in der Sozialwirtschaft, in vollem Umfang zu berücksichtigen.

2.3In den letzten zehn Jahren haben die Sensibilisierung für die Rolle der Organisationen der Sozialwirtschaft und deren Anerkennung dazu geführt, dass sozialwirksame Investitionen zunehmend in den Mittelpunkt gerückt sind, womit das bereits große Potenzial der sozialwirtschaftlichen Unternehmen für verantwortungsvolle und nachhaltige Innovation und Schaffung von Arbeitsplätzen weiter steigen dürfte 1 .

2.4Europa braucht zunehmend inklusive und verantwortungsvolle Finanzierungen. Die Europäische Union sollte sich zur Einführung von Maßnahmen und Leitlinien für Institutionen, Unternehmen und Finanzfonds, aber auch für Universitäten, Forschungszentren, Akteure der Sozialwirtschaft und lokale Gemeinschaften verpflichten, die ihnen aufzeigen, wie sie das Potenzial des sozialen Unternehmertums ausbauen und als Akteure der Entwicklung einer inklusiveren und nachhaltigeren Wirtschaft Einfluss auf die Finanzierung nehmen können.

2.5Zahlreiche Organisationen der Sozialwirtschaft erbringen lebenswichtige Dienstleistungen, insbesondere für benachteiligte Bevölkerungsgruppen. Dabei handelt es sich um Sozial-, Gesundheits-, Pflege- und Bildungsdienstleistungen sowie generell um alle Dienstleistungen, die notwendig sind, damit für ein würdevolles Leben schutzbedürftiger Menschen notwendig sind. In erster Linie gilt es dabei, angemessene Arbeitsbedingungen zu gewährleisten.

2.6Deshalb müssen Sozialinvestitionen in der Weise mobilisiert werden, dass sie die öffentlichen Maßnahmen ergänzen und zusätzliche Multiplikatoreffekte bewirken und nicht Ersatz sind für öffentliche Ausgaben. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die Mittel für soziale Maßnahmen zugunsten benachteiligter Menschen erhalten.

2.7Wir alle sind mit pandemiebedingten sozialen Problemen konfrontiert, die das Erreichen der ehrgeizigen Ziele des nachhaltigen Wandels behindern (Armut und Ungleichheit, Schwierigkeiten bei der Integration von Migrantinnen und Migranten, Defizite bei der Inklusion von Menschen mit Behinderungen, kein erschwinglicher Wohnraum für schutzbedürftige Familien und junge Menschen). Es ist daher an der Zeit, ein Modell des Wirtschaftswachstums und ein Unternehmenssystem zu unterstützen, mit denen soziale Ziele gefördert werden können. Der Förderung guter Arbeitsplätze ist dabei eine Priorität einzuräumen.

3.Innovative Finanzinstrumente – Definition

3.1Der EWSA unterstützt die Bestimmungen des Aktionsplans für die Sozialwirtschaft, wonach es notwendig ist, innovative Finanzinstrumente zur Entwicklung von sozialwirksamen und sozialwirtschaftlichen Unternehmen einzuführen. Nach Auffassung des Ausschusses muss unbedingt betont werden, dass diese Finanzinstrumente ein breites Spektrum an Investitionen umfassen, die davon ausgehen, dass privates Kapital zur Schaffung positiver sozialer Auswirkungen eingesetzt werden (die stets als prioritär betrachtet werden sollten) und gleichzeitig wirtschaftliche Gewinne abwerfen kann.

3.2Die Besonderheit dieser Instrumente ist also gerade die Absicht des Investors, durch die Schaffung gemeinsamer Vermögenswerte und gemeinsamen Nutzens soziale Ziele zu verfolgen und zugleich ausgewogene Rendite zu erreichen, die weitgehend zur Erreichung sozialer Ziele bestimmt ist.

3.3Zu den aktiven Interessenträgern, die diese innovativen Instrumente fördern und schaffen, gehören beispielsweise Unternehmen und Fonds, die soziale Auswirkungen anstreben, die messbar und mit wirtschaftlichen Ergebnissen vereinbar sind.

3.4Sozialinvestitionen müssen folgende Merkmale aufweisen:

·klare und gezielte Absicht, positive Wirkung im sozialen Bereich zu erzielen;

·Unterstützung von Unternehmen, die auf der Grundlage allgemein anerkannter Definitionen und objektiver Kriterien eindeutig als Unternehmen der Sozialwirtschaft anzusehen sind;

·Festlegung von Erwartungswerten in Bezug auf gerechte, nachhaltige und transparente wirtschaftliche Erträge, selbst dort, wo sie unter dem Durchschnitt der Marktrenditen liegen;

·Bereitschaft, einen Teil der Vermögenswerte in andere Investitionen mit sozialer Zielsetzung fließen zu lassen;

·messbare Auswirkungen, was für die Gewährleistung von Transparenz und eine angemessene Kenntnis der Anlageziele unerlässlich ist;

·bei Investitionen in der Sozialwirtschaft vor allem die Übereinstimmung mit den satzungsmäßigen Grundsätzen und Werten des Unternehmens.

3.5Mit den Sozialinvestitionen sollten vor allem Unternehmen unterstützt werden, die zur Innovation und Entwicklung lokaler Gemeinschaften beitragen, die andernfalls nicht in der Lage wären, sich weiterzuentwickeln bzw. ein angemessenes Dienstleistungsniveau für die örtliche Bevölkerung zu gewährleisten. Die Investitionen sollten zur Schaffung potenzieller Triebkräfte für ein integratives Wirtschaftswachstum beitragen können.

3.6Investitionen in sozialwirksame Unternehmen und Organisationen können die Effizienz und Wirksamkeit öffentlicher Ausgaben für Soziales, Bildung, Gesundheit und Kulturförderung verbessern und durch eine stärkere Beteiligung von Investoren die Beschäftigung fördern, um ein unternehmerisches Ökosystem zu unterstützen, das Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung vereint.

4.Die komplexe Frage der Definition von Unternehmen der Sozialwirtschaft

4.1Auch wenn die Analyse und die Bekanntmachung sozialwirtschaftlicher Unternehmen und innovativer Finanzinstrumente zu ihrer besseren Unterstützung immer stärker gefördert werden, müssen noch zahlreiche Hindernisse überwunden werden, bevor neben den sozialwirtschaftlichen Unternehmen ein ebenso innovatives Ökosystem innovativer, verantwortungsvoller und nachhaltiger Finanzinstrumente entstehen kann, das eine echte und konkrete Umsetzung eines europäischen Wirtschaftsmodells im Dienste der Bürger und der Unternehmen ermöglicht.

4.2Zahlreiche Organisationen der Sozialwirtschaft stoßen auf Hindernisse beim uneingeschränkten Zugang zu innovativen Finanzinstrumenten, so in Bezug auf die Beteiligung an Private-Equity-Fonds und Quasi-Eigenkapital-Instrumenten, besicherte und langfristige Darlehen oder auch Lenkung solidarischer Finanzierungen im Rahmen von Arbeitnehmersparplänen in Sozialunternehmen. In Bezug auf diese Hindernisse besteht in vier Aspekten Handlungsbedarf:

·Schließung von Informationslücken und Korrektur der Wahrnehmung bei den Kreditanbietern und der rechtlichen Definitionen sowie Anerkennung des spezifischen wirtschaftlichen Charakters von Sozialunternehmen;

·Verbesserung der Kompetenzen der Akteure des Finanzsektors bei der Bewertung der Funktionsweise sozialwirtschaftlicher Organisationen aus finanzieller Sicht;

·Unterstützung von Schulungsmaßnahmen für Organisationen der Sozialwirtschaft, um deren wirtschaftliche und finanzielle Kompetenzen zu verbessern;

·Ausbau der Informationsmaßnahmen für sozialwirtschaftliche Organisationen, um eine Nutzung der Finanzinstrumente zu ermöglichen und so der verbreiteten Nichtinanspruchnahme entgegenzuwirken.

4.3In Bezug auf den ersten Aspekt hofft der EWSA, dass die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten im Rahmen des Aktionsplans zur Förderung der Sozialwirtschaft eine sowohl für die öffentlichen Einrichtungen als auch für die Finanzinstitute der Europäischen Union gültige Definition festlegen, was für einen uneingeschränkten Zugang zum Kapitalmarkt immer notwendiger wird. Zweckmäßig wären hier u. a. nichtfinanzielle Unterstützungsmaßnahmen zur Stärkung der Kompetenzen der an Sozialinvestitionen beteiligten Akteure.

4.4In diesem Zusammenhang ist der EWSA der Auffassung, dass der Rolle der Sozialwirtschaft bei der Einwerbung sozialwirksamer Kapitalanlagen in Europa auch im Aktionsplan zur Kapitalmarktunion für die Menschen und Unternehmen 2 mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte.

4.5In Bezug auf die bessere Bewertung innovativer Sozialinvestitionen ist der EWSA der Ansicht, dass die Finanzakteure Organisationen der Sozialwirtschaft allzu häufig nur deshalb ein hohes Risiko bescheinigen, weil sie bei der Bewertung Instrumente anwenden, die normalerweise für andere Unternehmen gedacht sind. Dies führt zu einer Verzerrung bei der Einstufung, weil die für die Sozialwirtschaft spezifischeren Dimensionen (Sozial- und Humankapital, Ruf, soziale Funktion und sozialer Konsens, Schwerpunkt auf Ziele von allgemeinem Interesse, Fähigkeit zur Schaffung gemeinsamer Vorteile) nicht gebührend berücksichtigt werden. Dabei erfolgt eine übermäßige Messung der Ressourcen, da Instrumente zur Messung des Zwecks fehlen.

4.6Die Priorität sozialwirtschaftlicher Organisationen besteht in der Umsetzung sozialer, bildungsbezogener und ökologischer Ziele. Diese soziale Ausrichtung muss vollständig mit den wirtschaftlichen und finanziellen Anforderungen in Einklang gebracht werden, da dies eine Grundvoraussetzungen für das Fortbestehen dieser Organisationen ist. Zu diesem Zweck müssen Schulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für die Mitarbeiter in den Bereichen Wirtschaft und Finanzen unterstützt werden.

5.Innovative Finanzinstrumente und soziale Taxonomien

5.1In den letzten zehn Jahren haben sich die Finanzinstrumente für Sozialunternehmen erheblich weiterentwickelt 3 . Es besteht jedoch noch Spielraum für weitere Entwicklungen, um den Bedürfnissen der Sozialunternehmen besser gerecht zu werden und ihr Wachstum im Binnenmarkt zu fördern. Nach Auffassung des EWSA ist es wichtig, dass die Expansion der Sozialunternehmen mit der Entwicklung einer Evaluierungskultur in allen Organisationen sowie mit der Entwicklung (unter Einbeziehung der Wissenschaft) von eigens auf die Sozialwirtschaft zugeschnittenen Evaluierungsinstrumenten einhergeht.

5.2Die Europäische Kommission führte vom 12. Juni bis zum 27. August 2021 eine Konsultation zur Sozial- und Umwelttaxonomie durch. In diesem Zusammenhang weist der EWSA darauf hin, dass eine Konkurrenz bzw. ein noch schlimmerer Konflikt zwischen den ökologischen und den sozialen Taxonomiezielen vermieden werden muss.

5.3Die Schaffung eines einheitlichen (sozialen und ökologischen) Taxonomiemodells ist eine optimale Lösung, gerade wegen der notwendigen engen Verknüpfung zwischen den sozialen und den ökologischen Zielen. Um jedoch praxisfähig und flexibel zu sein, darf dieses Taxonomiemodell den Unternehmen keine erhebliche Belastung auferlegen.

5.4Die Unternehmen der Sozialwirtschaft sind in erster Linie in den lokalen Gemeinschaften verankert, wo die partizipative Dimension dominiert. Sie zeichnen sich auch durch ihr soziales Engagement aus: Schaffung von Arbeitsplätzen, Begleitung und Erhaltung der Arbeitsplätze, Politik der gerechten Entlohnung und der beruflichen Gleichstellung. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass die Unternehmen der Sozialwirtschaft im Wesentlichen über eine partizipative Governance-Struktur verfügen, die auf den Kriterien Demokratie, Offenheit und Transparenz beruht. Im Rahmen der sozialen Taxonomie sollten diese Aspekte berücksichtigt und besonders gefördert werden.

5.5Die soziale Taxonomie sollte zu einer finanziellen Ergänzung der öffentlichen Mittel beitragen, mit denen die Maßnahmen der sozialen Inklusion oftmals nur unzureichend unterstützt werden. Bei der Wahrung der sozialen Rechte und der Bekämpfung von Ungleichheiten und Diskriminierung dürfen soziale Finanzierungen jedoch niemals die öffentlichen Institutionen in ihren Aufgaben, die Gesetze oder die öffentlichen Maßnahmen ersetzen.

5.6Gerade weil sich um Dienstleistungen von allgemeinem Interesse handelt, müssen sie aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. Privates Kapital kann dabei nur ergänzend eingesetzt werden. Sozialunternehmen spielen in der Gesellschaft eine entscheidende Rolle. Deshalb müssen die Investitionen in diese Unternehmen so weit wie möglich auf stabilen Finanzmitteln und einer langfristigen Anlage basieren. Soziale Ziele sind nämlich langfristige Ziele.

5.7Es sollte vermieden werden, dass aufgrund der verwendeten Messgrößen und -methoden Sektoren bevorteilt werden, die leichter messbar sind und über mehr Ressourcen verfügen bzw. eine größere Verfügbarkeit von Daten aufweisen, und dass dies zu Lasten von Bereichen geht, in denen die objektive Messung komplexer ist bzw. die Daten schwieriger zu finden sind. Für erfolgreiche Sozialinvestitionen ist eine Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen, dem privaten und dem sozialen Sektor notwendig. Die Mitwirkung des sozialen Sektors ist für die Priorisierung der Bedürfnisse von entscheidender Bedeutung, denn die Beschäftigten in diesem Sektor sind vor Ort tätig und kennen daher die Bedürfnisse.

 

6.Vorschläge auf der Grundlage bewährter Verfahren vor Ort

6.1Auf der Grundlage der Initiative für soziales Unternehmertum von 2011 hat die Europäische Kommission in den letzten Jahren verschiedene Initiativen sowohl direkt als auch über den Europäischen Investitionsfonds ergriffen, um soziale Innovation zu fördern und den Zugang zu Finanzmitteln für sozialwirtschaftliche Organisationen zu verbessern. Besonders relevant waren die Programme EaSI Funded, EaSI Debt, EaSI Guarantee, EaSI Capacity Building und EFSI Equity Social Impact. In Bezug auf die künftige Programmplanung sind die im Rahmen von InvestEU geplanten Sozialinitiativen ebenfalls vielversprechend, insbesondere wenn – wie im Aktionsplan für die Sozialwirtschaft angekündigt – besondere Innovationen zur Förderung sozialer Investitionen eingeführt werden.

6.2Um ein günstiges Ökosystem für Sozialinvestitionen zu fördern, ist es nach Auffassung des EWSA wichtig, bei der Umsetzung der verschiedenen nationalen Aufbau- und Resilienzpläne, die die Mitgliedstaaten mit Mitteln aus dem Programm NextGenerationEU auf den Weg bringen, eine Reihe konkreter Maßnahmen zu ergreifen, die im Folgenden dargelegt sind.

6.3Erfahrungen mit der Einführung und Validierung von pay-by-result-Finanzierungsmechanismen (leistungsgebundene Zahlung) gibt es bereits in zahlreichen Ländern. Frankreich beispielsweise hat mit der an sozialen Ergebnissen orientierten Auftragsvergabe besonderes Augenmerk auf „Outcome funds“-Modelle legt, bei denen private Investoren Mittel für mit der Regierung vereinbarte Maßnahmen (insbesondere im sozialpolitischen Bereich) mobilisieren, deren Zahlung an die Erreichung der angestrebten Ergebnisse geknüpft ist. Der Förderung solcher Praktiken muss eine Bewertung vorausgehen, um potenzielle Verzerrungen (z. B. Verlagerung von Kapazitäten an Unternehmen außerhalb der Sozialwirtschaft) oder ein Rückzug der Staaten von ihren Aufgaben zu ermitteln.

6.4Unter den bewährten Verfahren ist das von der finnischen Regierung konzipierte „Kompetenzzentrum für sozialwirksame Investitionen“ sehr interessant. Es bietet technische und fachliche Unterstützung für Akteure, die sozialwirksame Investitionen planen.

6.5Diese Initiativen bestätigen, dass es notwendig ist, die Schaffung, Entwicklung und Zugänglichkeit von wirkungsorientierten Fonds, Dachfonds und anderen Finanzinstrumenten zur Finanzierung von Initiativen sozialwirtschaftlicher Unternehmen zu unterstützen, insbesondere durch die gezielte Bereitstellung beispielsweise von Mitteln aus dem Programm InvestEU oder dem Fonds für einen gerechten Übergang, um auch Formen von Koinvestitionen (Beteiligungskapital), Kofinanzierung (Kredit) und Kreditbürgschaften für Marktgeschäfte zu fördern.

6.6Die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten müssen ihre Kapazitäten für die Erhebung und Analyse von Daten ausbauen, anhand derer gezeigt werden kann, dass die Ausfallwahrscheinlichkeit sozialwirtschaftlicher Unternehmen und Infrastrukturen bei Bankkrediten unter dem Durchschnitt liegt. Dies würde zur Anerkennung von Kapitalabsorptionsquoten führen, die dem sozialen Wert dieser Art der Finanzierung Rechnung tragen.

6.7Der EWSA hat bereits die in der Eigenmittelverordnung festgelegten (insbesondere grünen und sozialen) Unterstützungsfaktoren begrüßt, mit denen sich die Kapitalabsorption bei Bankenfinanzierungen für Unternehmen der Sozialwirtschaft verringern lässt.

6.8Hervorzuheben ist auch die Rolle von in vielen europäischen Ländern tätigen Alternativ- und Ethikbanken bei der Förderung einer auf soziale und ökologische Ziele ausgerichteten Finanzierung. In einigen Fällen führten sie zur Entstehung von Investmentfonds oder Vermögensverwaltungsgesellschaften für Investitionen in den sozialen und ökologischen Sektor.

6.9Steuerliche Regelungen zur Erleichterung von Investitionen in die Sozialwirtschaft, die die tatsächlichen sozialen Auswirkungen aufzeigen, könnten sich als nützlich erweisen, um Anreize sowohl für die Emittenten als auch für die Zeichner einer Emission zu setzen.

6.10Darüber hinaus wäre es von entscheidender Bedeutung, langfristige Anlagen, beispielsweise in Form von Anteilsscheinen oder Genussrechten, die die Eigenkapitalausstattung von Vereinigungen und Genossenschaften wie Pensions- oder Versicherungsfonds ergänzen, zu intensivieren. Um Investitionen in Unternehmen der Sozialwirtschaft zu fördern, wären Anreize zur Nutzung dieser innovativen Instrumente auch für Verwalter von Pensionsfonds sinnvoll.

6.11Vor dem Hintergrund der französischen Erfahrungen mit der rechtlich geregelten Zweckbindung von reglementierten Bankspareinlagen und mit der Lenkung solidarischer Sparfonds im Rahmen von Arbeitnehmersparplänen in sozialwirtschaftliche Unternehmen, sozialwirksame Unternehmen und Solidarfonds sollten die Vorschriften über solidaritätsbasierte Finanzierungsfonds überarbeitet werden, um die Zweckbindung zugunsten von sozialwirtschaftlichen Unternehmen zu optimieren und zusätzliche Eigenkapital- oder Quasi-Eigenkapitalinvestitionsmöglichkeiten zu schaffen.

6.12Zu den bewährten Verfahren der Unternehmen der Sozialwirtschaft, insbesondere der Genossenschaften, gehören Maßnahmen, die darauf abzielen, die Tätigkeiten von Krisenunternehmen auf Arbeitnehmer zu übertragen, die in Genossenschaften organisiert sind. Diese so genannte Worker Buyouts (Übernahme eines Unternehmens von Teilen der dort beschäftigten Arbeitnehmer) 4 werden bereits mithilfe von Finanzierungsmechanismen in Frankreich, Italien und Spanien umgesetzt. Dabei werden spezielle Fonds auf Gegenseitigkeit eingerichtet, die in Form einer Kapitalbeteiligung zum Tragen kommen und mit den Arbeitnehmern die Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit durch die Schaffung einer Genossenschaft kofinanzieren.

Brüssel, den 19. Januar 2022

Christa SCHWENG
Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

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(1)     https://www.eesc.europa.eu/de/our-work/opinions-information-reports/opinions/role-social-economy-creation-jobs-and-implementation-european-pillar-social-rights .
(2)    Eine Kapitalmarktunion für die Menschen und Unternehmen – neuer Aktionsplan, COM(2020) 590 final.
(3)    Eine allgemeine Analyse findet sich in der Veröffentlichung der Europäischen Kommission „A recipe book for social finance“ https://op.europa.eu/de/publication-detail/-/publication/f1b8099b-fd4c-11e5-b713-01aa75ed71a1 .
(4)      Business transfers to employees under the form of a cooperative in Europe: opportunities and challenges, CECOP, 2013.