TEN/721
Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet
STELLUNGNAHME
Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über eine vorübergehende Ausnahme von bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Verwendung von Technik durch Anbieter nummernunabhängiger interpersoneller Kommunikationsdienste zur Verarbeitung personenbezogener und anderer Daten zwecks Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet
[COM(2020) 568 final – 2020/0259 (COD)]
Hauptberichterstatter: Ionuţ SIBIAN
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Befassung
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Europäisches Parlament, 17/09/2020
Rat der Europäischen Union, 18/09/2020
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Rechtsgrundlage
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Artikel 114 Absatz 1 und Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
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Zuständige Fachgruppe
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Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft
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Verabschiedung auf der Plenartagung
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29/10/2020
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Plenartagung Nr.
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555
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Ergebnis der Abstimmung
(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)
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246/1/3
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1.Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) vertritt den Standpunkt, dass jede Abweichung von der Richtlinie 2002/58/EG einer sorgfältigen Prüfung bedarf, um die Privatsphäre der Bürger zu schützen. In diesem Fall ist jedoch aufgrund des Ausmaßes und der Schwere der Straftat eine Ausnahme gerechtfertigt.
1.2Der EWSA ist grundsätzlich mit der vorgeschlagenen Verordnung für eine vorübergehende und streng begrenzte Ausnahme von Artikel 5 Absatz 1 und Artikel 6 der Richtlinie 2002/58/EG, in denen der Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation und der Verkehrsdaten geregelt ist, einverstanden.
1.3Seiner Ansicht nach ist die Befristung (bis zum 31. Dezember 2025) nicht gerechtfertigt, und die Kommission sollte dafür Sorge tragen, dass angemessene Bestimmungen zum Schutz der Privatsphäre von Kindern entwickelt und bereits vor Ablauf von fünf Jahren umgesetzt werden.
1.4In Bezug auf die in Artikel 3 Buchstabe e des Verordnungsvorschlags für die Branche vorgesehenen Anforderungen an Berichterstattung und Transparenz hält es der EWSA für sinnvoll, dass regelmäßige Prüfungen/Audits durch einen Dritten durchgeführt werden, und zwar unter Verwendung einer abgestimmten Vergleichsstichprobe ohne kinderpornografisches Material, ähnlich den EICAR-Testdateien für Antivirenprogramme.
1.5Nach Ansicht des EWSA sollte die Kommission einen offenen Wettbewerb mit einem ansehnlichen Preis veranstalten, um auf diese Weise die Entwicklung nicht nur von quelloffenen Tools und Industrienormen zu fördern, sondern auch von möglichen neuen Lösungen zur Aufdeckung und Meldung von sexuellem Kindesmissbrauch in der von Endstelle zu Entstelle verschlüsselten elektronischen Kommunikation.
1.6Aus Sicht des EWSA ist es an der Zeit, dass die Europäische Union über ein eigenes Europäisches Zentrum zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern verfügt, und er fordert die Kommission auf, sich für die Einrichtung und Entwicklung eines solchen Zentrums starkzumachen. Seiner Ansicht nach sollte das Zentrum auf der Arbeit von Europol aufbauen und mit Unternehmen und Strafverfolgungsbehörden dabei zusammenarbeiten, Opfer zu identifizieren und Straftäter vor Gericht zu bringen.
2.Allgemeine Bemerkungen
2.1Neuere Daten von Europol zeigen, dass sich die COVID-19-Pandemie ganz erheblich im Bereich der Internet-Straftaten niedergeschlagen hat. Die Menge der Darstellungen von sexuellem Missbrauch von Kindern im Internet (Child Sexual Abuse Material, CSAM) hat während des Lockdowns stark zugenommen.
2.2Von den insgesamt 16,9 Millionen Berichten über Material über sexuellen Kindesmissbrauch, die 2019 beim US-amerikanischen National Centre for Missing and Exploited Children (NCMEC) eingingen und die 45 Millionen identifizierte Missbrauchsdarstellungen umfassten, stammten 16,8 Millionen von Anbietern elektronischer Kommunikationsdienste. Davon waren knapp 3 Millionen Bilder und Videos mit Material über sexuellen Kindesmissbrauch in der Europäischen Union gehostet worden.
2.3Die vorgeschlagene Verordnung ist notwendig, da bestimmte Online-Kommunikationsdienste mit der uneingeschränkten Geltung des europäischen Kodex für elektronische Kommunikation ab dem 21. Dezember 2020 in den Anwendungsbereich der e-Datenschutz-Richtlinie (Richtlinie 2002/58/EG) fallen werden. Die e-Datenschutz-Richtlinie bietet keine explizite Rechtsgrundlage für die freiwillige Verarbeitung von Inhalts- oder Verkehrsdaten zum Zwecke der Aufdeckung sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet. Die Anbieter müssten also ihre Tätigkeit einstellen, falls die Mitgliedstaaten keine speziellen nationalen Maßnahmen erlassen.
2.4Als Reaktion darauf und angesichts der Dringlichkeit beschloss die Kommission, eine eng gefasste Verordnung vorzulegen, damit im ordnungsrechtlichen Rahmen für den Telekommunikationssektor keine Rechtslücke entsteht.
2.5Die vorgeschlagene Verordnung sieht Garantien zum Schutz der Privatsphäre und der personenbezogenen Daten vor.
–Die Verarbeitung muss verhältnismäßig sein und auf bewährte Technik beschränkt bleiben, die von Anbietern nummernunabhängiger interpersoneller Kommunikationsdienste zu diesem Zweck bereits vor dem Inkrafttreten der Verordnung regelmäßig verwendet worden ist.
–Die verwendete Technik muss dem Stand der Technik in der Branche entsprechen und soll möglichst wenig in die Privatsphäre eingreifen.
–Die verwendete Technik muss an sich hinreichend zuverlässig sein und Fehlerquoten weitestmöglich begrenzen. Bei gelegentlich auftretenden Fehlern muss sie deren Folgen unverzüglich berichtigen.
–Die zur Aufdeckung von „Kontaktaufnahmen zu Kindern“ verwendete Technik soll nur „geeignete Indikatoren“ verwenden.
–Die Verarbeitung muss auf das für diese Zwecke unbedingt erforderliche Maß beschränkt sein.
–Die erfassten Daten müssen unverzüglich gelöscht werden, es sei denn, ein sexueller Missbrauch von Kindern im Internet wurde festgestellt.
–Der Anbieter hat jährlich einen Bericht über seine Datenverarbeitung zu veröffentlichen.
2.6Diese Ausnahme schreibt eigentlich nur die derzeitige Praxis fest.
Brüssel, den 29. Oktober 2020
Christa SCHWENG
Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
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