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Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

INT/840

Paket Rechte des geistigen Eigentums

STELLUNGNAHME

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss


Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss – Ein ausgewogenes System zur Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums als Antwort auf die gesellschaftlichen Herausforderungen von heute
[COM(2017) 707 final]

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss: Leitfaden zu bestimmten Aspekten der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums
[COM(2017) 708 final]

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über den Umgang der EU mit standardessenziellen Patenten
[COM(2017) 712 final]

Berichterstatterin: Franca SALIS-MADINIER

Befassung

Europäische Kommission, 18/01/2018

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

Annahme in der Fachgruppe

09/03/2018

Verabschiedung auf der Plenartagung

14/03/2018

Plenartagung Nr.

533

Ergebnis der Abstimmung
(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

180/0/3



1.Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1Die Innovationsunion gehört zu den wertvollsten Initiativen im Rahmen der Strategie Europa 2020. Dafür ist es unverzichtbar, den Innovationsprozess in Europa zu unterstützen und die in den Mitgliedstaaten verwurzelten Unternehmen zu fördern.

1.2Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) befürwortet die Ziele der Kommission im Hinblick auf die Harmonisierung der Rechtssysteme und die Auslegung der Richtlinie über die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (IPRED-Richtlinie) 1 von 2004, in der die notwendigen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe für die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vorgesehen werden und festgelegt ist, wie Schadensersatzleistungen zur Entschädigung von Inhabern von Rechten des geistigen Eigentums in den Mitgliedstaaten berechnet werden können.

1.3Der EWSA unterstreicht, dass das Allgemeininteresse der Gesellschaft insgesamt durch eine gerechte Aufteilung der Wertschöpfung zwischen den verschiedenen Akteuren des geistigen Eigentums gewahrt werden muss, um den Wohlstand in Europa, die Achtung des Rechts der Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums sowie die Sicherheit und die Gesundheit der Verbraucher zu gewährleisten.

1.4Der EWSA unterstützt die FRAND-Grundsätze (faire, angemessene und nicht diskriminierende Bedingungen) in Verbindung mit den standardessenziellen Patenten. Der Ausschuss ist der Ansicht, dass ähnliche Grundsätze entsprechend auch auf das Urheberrecht, die verwandten Schutzrechte, Patente, Marken, Geschmacksmuster usw. übertragen und angewendet werden können.

1.5Der Ausschuss empfiehlt, dass die Grundsätze, die den technischen „Normen“ zugrunde liegen, durch soziale „Normen“ ergänzt werden, um das Gleichgewicht zwischen den privaten Akteuren und den im Allgemeininteresse handelnden öffentlichen Investoren sicherzustellen.

1.6Der Ausschuss spricht sich insbesondere für ein Gleichgewicht zwischen einer angemessenen Anerkennung der Rechte des geistigen Eigentums und der Entwicklung von Innovationen aus, die für die Gesellschaft im Ganzen einen echten Nutzen bringen können. Ohne das grundlegende Recht auf Durchsetzung privater Rechte durch das Rechtssystem einschränken zu wollen, stellt der Ausschuss fest, dass im Falle eines Widerspruchs zwischen Einzelinteressen und dem Allgemeininteresse zugunsten des Allgemeininteresses geschlichtet werden muss.

1.7Der EWSA setzt sich für eine Regelung ein, die junge Forscher ermutigt, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten für die Entwicklung neuer Unternehmensprojekte zu nutzen. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union müssen insbesondere Maßnahmen wie erschwingliche Preise ergreifen, die es jungen Unternehmern ermöglichen, ihre innovativen Projekte zu entwickeln.

1.8Nach Ansicht des EWSA ist es bei der Bekämpfung von Nachahmungen wichtig, die Interessenträger (Unternehmen, Urheber, Erfinder, Künstler 2 , Verbraucher 3 , Mittler, „Rechtsinhaber“ 4 usw.) abhängig von der Art des Rechts des geistigen Eigentums (Patente, Geschmacksmuster) genau zu ermitteln 5 , die sich abstimmen müssen, um den Inhaber des Rechts des geistigen Eigentums zu bestimmen.

1.9Bei der Bekämpfung von Nachahmungen ist es unverzichtbar, den Verbraucher zu sensibilisieren, damit er eine stärkere soziale Verantwortung gegenüber dem Immaterialgüter-Eigentum vergleichbar der Verantwortung gegenüber dem Eigentum an Sachen übernimmt, ohne dass im Bereich des Urheberrechts das Recht auf „Privatkopien“ beschnitten wird. Der EWSA begrüßt nachdrücklich die Kampagnen, die das EUIPO und die Europäische Beobachtungsstelle für Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums in den Medien durchführen, um für Verletzungen der Rechte des geistigen Eigentums zu sensibilisieren, und wird künftige Vorschläge zur Förderung und Wiederholung dieser Kampagnen unterstützen.

1.10Der Ausschuss ist der Auffassung, dass das Open-Source-Prinzip im Bereich der öffentlichen Forschung korrekt angewendet werden muss. Der Begriff „Open Source“ und das Open-Source-Prinzip sind in den universitären Forschungszentren Realität und erfordern einen angemessenen Rechtsrahmen.

1.11Der EWSA unterstützt die Ausweitung der Rolle des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO).

1.12Um den Umgang mit Konflikten zu verbessern, empfiehlt der EWSA die Einrichtung eines europäischen Mediationsnetzes, das in Übereinstimmung mit den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs arbeitet.

1.13Der Ausschuss befürwortet alle Empfehlungen der Kommission zur Verbesserung des Instruments des Rechtsforums, um eine bessere Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sicherzustellen.

2.Vorschlag der Kommission

2.1Die Systeme zum Schutz des geistigen Eigentums sind ein grundlegendes Instrument für Innovation und Wachstum und ermöglichen es Unternehmen, Urhebern und Erfindern, aus ihren Investitionen in Wissen und schöpferische Tätigkeit einen Gewinn zu ziehen. Schätzungen in Studien zufolge entfallen auf schutzrechtsintensive Branchen ungefähr 42 % des BIP der EU (etwa 5,7 Billionen EUR jährlich), ferner 38 % aller Arbeitsplätze sowie ein Anteil von bis zu 90 % an den EU-Ausfuhren. 6

2.2Die digitale Revolution hat eine Reihe neuer Möglichkeiten eröffnet, die Rechte des geistigen Eigentums sind dadurch jedoch auch neuen und größeren Risiken ausgesetzt, da der Online-Verkehr nachgeahmter Waren und Inhalte erleichtert wird, was Verwirrung bei den Verbrauchern im Hinblick auf die Unterscheidung zwischen nachgeahmten und echten und legalen Waren schafft und die Ermittlung von Straftätern erschwert. Dies hat zu einer allgemeinen Zunahme von Verletzungen der Rechte des geistigen Eigentums geführt.

2.3Heute haben nachgeahmte und unerlaubt hergestellte Waren einen Anteil von 2,5 % am Welthandel, wodurch die Industrie in der EU stark in Mitleidenschaft gezogen wird 7 , insbesondere in den Wirtschaftszweigen, in denen in der EU ansässige Unternehmen weltweit führend sind.

2.4Mit dem vorliegenden Maßnahmenpaket der Kommission sollen die Anwendung und die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums in den Mitgliedstaaten der EU, an ihren Grenzen und auf internationaler Ebene weiter verbessert werden. Das Paket besteht aus:

-einer Mitteilung „Ein ausgewogenes System zur Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums als Antwort auf die gesellschaftlichen Herausforderungen von heute“ [COM(2017) 707 final];

-einer Mitteilung mit einem Leitfaden für die Anwendung der Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums („IPRED-Richtlinie)“ [COM(2017) 708 final];

-einer Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen mit einer Bewertung der IPRED-Richtlinie [SWD(2017) 431 final und SWD(2017) 432 final];

-einer Mitteilung über standardessenzielle Patente [COM(2017) 712 final];

-einer Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen zur Bewertung des Memorandum of Understanding über den Verkauf nachgeahmter Waren im Internet [SWD(2017) 430 final].

2.5Dieses Paket enthält Maßnahmen, die sich in vier Hauptabschnitte unterteilen lassen:

1)Maßnahmen, die es Interessenträgern im Bereich Rechte des geistigen Eigentums erleichtern sollen, ein einheitliches, faires und wirksames System der gerichtlichen Durchsetzung in der EU zu nutzen;

2)Maßnahmen zur Unterstützung der von der Wirtschaft eingeleiteten Initiativen zur Bekämpfung von Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums;

3)Initiativen zur Stärkung der Kapazitäten des Zolls und anderer Behörden zur Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums;

4)Maßnahmen zur Intensivierung der Bemühungen, Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums auf globaler Ebene zu bekämpfen, indem bewährte Verfahrensweisen gefördert werden und die Zusammenarbeit mit Drittländern verstärkt wird.

3.Allgemeine Bemerkungen

3.1Die Vorschläge der Kommission sind stichhaltig und behandeln zahlreiche Aspekte im Zusammenhang mit dem Recht des geistigen Eigentums. Der EWSA, bei dessen Mandat die sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte im Vordergrund stehen, zielt mit seinen Vorschläge darauf ab, Maßnahmen und Empfehlungen für eine bessere Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums zu erarbeiten.

3.2Die drei Dokumente der Kommission müssen als Ganzes betrachtet werden und alle Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums umfassen. Die Konsultation gilt zwar schwerpunktmäßig dem „Memorandum of Understanding“ und einer eher engen Auslegung der „standardessenziellen Patente“ (SEP) und der FRAND-Grundsätze, es besteht jedoch die Gefahr, dass sie auf Innovationen in der digitalen Welt beschränkt wird. Der EWSA stellt mit seinen Bemerkungen und Empfehlungen jedoch auf alle Bereiche der Rechte des geistigen Eigentums ab.

3.3Der EWSA teilt zwar die Bedenken der Kommission hinsichtlich der Auswirkungen der Digitalisierung auf die Risiken für Rechte des geistigen Eigentums, schlägt jedoch vor, die Frage der Rechte des geistigen Eigentums, der Kreativität und der Innovation sowohl unter dem rechtlichen als auch dem sozialen Gesichtspunkt zu untersuchen, um diese Rechte besser zu schützen.

3.4Mit diesen Vorschlägen im Bereich Rechte des geistigen Eigentums möchte die Kommission das Wirtschaftswachstum verstärken und die Beschäftigung in Europa fördern. Der Ausschuss befürwortet diese Ziele, ist jedoch der Ansicht, dass die Grundlage aller Innovation und schöpferischen Tätigkeit die Kreativität des Einzelnen bzw. der Gruppe ist, zu der ein Urheber oder Erfinder gehört. Kreativität ist eine genuin menschliche Fähigkeit und die Vorbedingung für Innovation.

3.5Der EWSA empfiehlt in diesem Zusammenhang einen klareren europäischen Rahmen für die Übertragung von Rechten zwischen den verschiedenen Interessenträgern. Gemäß den geltenden nationalen und europäischen Vorschriften geht es bei der Konsultation zur IPRED-Richtlinie nicht darum, konkret zu definieren, was unter „Rechtsinhaber“, z. B. Urheber, Unternehmen, Mittler oder Verleger, zu verstehen ist, da diese Begriffe nicht in der IPRED-Richtlinie, sondern im europäischen und nationalen materiellen Recht über die Rechte des geistigen Eigentums definiert werden.

3.5.1Das Recht des geistigen Eigentums deckt eine breite Palette von Aspekten (Urheberrechte und verwandte Schutzrechte, Patente, Marken, Geschmacksmuster, geografische Angaben usw.) ab. Wenn wir letztlich einen europäischen Binnenmarkt erreichen wollen, müssen wir zu einem gemeinsamen Verständnis des Begriffs „Rechtsinhaber“ gelangen und diesen genauer definieren. Dafür müssen die Bedingungen geschaffen werden, die es den Interessenträgern ermöglichen, ihre Interessen zu erörtern und Streitigkeiten beizulegen. Der EWSA empfiehlt, die nationale und die europäische Ebene besser aufeinander abzustimmen, um Konflikte oder Unklarheiten zu vermeiden.

3.6Der EWSA ist der Ansicht, dass die Richtlinie zwar keinen einheitlichen Rahmen für ganz Europa bieten, wohl aber die Mitgliedstaaten stärker dazu veranlassen kann, grundlegende Prinzipien für eine Harmonisierung festzulegen, z. B. indem sie für die einzelnen Rechte des geistigen Eigentums spezifische und maßgeschneiderte Regelwerke erarbeiten. Der EWSA spricht sich nachdrücklich für die Anwendung ethischer Grundsätze wie Fairness, Verhältnismäßigkeit und Nichtdiskriminierung auf die Rechte des geistigen Eigentums aus.

3.7Der EWSA unterstützt die Initiativen der Kommission im Bereich der Zugänglichkeit von Daten. Ein europäischer Ansatz für die Rechte des geistigen Eigentums bietet zweifellos einen beträchtlichen Größenvorteil und damit neue Möglichkeiten für die Wirtschaft im Hinblick auf Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen.

3.8Der wirtschaftliche Prozess findet zwischen der Person, die Produkte schafft, und dem Verbraucher statt, der Produkte kauft. Dazwischen gibt es eine ganze Palette wirtschaftlicher Tätigkeiten, bei denen die verschiedenen Interessen ihren Platz finden müssen. Der Verbraucher steht am Ende dieses Prozesses. Er ist häufig Opfer von Nachahmungen und Piraterie und zahlt überhöhte Preise für nachgeahmte Produkte.

3.8.1Viele Innovationen gehen auf die Entwicklung digitaler Prozesse zurück. Im digitalen Bereich ist das Tempo der Innovation sehr hoch. Dadurch stellt sich die Frage der Sicherheit und Geheimhaltung; der Schutz des „geistigen Eigentums“ wird deutlich schwieriger, wenn auch nicht unmöglich. Die Identität aller Beteiligten, vor allem derjenigen mit einer Internetpräsenz, sollte ordnungsgemäß ausgewiesen sein, damit falsche Konten mit unlauteren Handelspraktiken erkannt werden können.

3.8.2Der EWSA unterstützt die Vorschläge der Kommission für die Lizenzvergabe und die Durchsetzung der Rechte. Der EWSA bedauert jedoch, dass sich die Kommission bei den Vorschlägen zur Beilegung von Interessenkonflikten auf Rechtsstreitigkeiten (Einheitliches Patentgericht) beschränkt und keine konkreten Instrumente vorschlägt wie etwa ein Mediationszentrum, mit dessen Hilfe die Interessenträger ihre Streitigkeiten im Zusammenhang mit allgemeinen Rechtsvorschriften selbst regeln und in einen Dialog treten könnten, ehe sie ein Gericht anrufen.

3.8.3Nach einer entsprechenden Analyse kommt der Ausschuss zu dem Schluss, dass eine spezifische Plattform sehr nutzbringend wäre. Über ein geeignetes Instrument wie eine „Plattform für Rechte des geistigen Eigentums“, vorzugsweise mit einem institutionell anerkannten Status, ließe sich der außergerichtliche Dialog zwischen den repräsentativen Interessenträgern im Hinblick auf eine Schlichtung, Vermittlung und Streitbeilegung organisieren und koordinieren. Mit dieser Plattform wird den verschiedenen Erfordernissen entsprochen, indem die Beteiligten zusammengebracht werden, um ihre Anliegen und unterschiedlichen Standpunkte zu diskutieren und angemessene Verhaltenskodizes zur Annahme vorzuschlagen.

3.8.4Über diese Plattform lassen sich bereits in Europa existierende bewährte Verfahren zusammentragen und anderen als Ausgangsbasis vorstellen. Der EWSA selbst repräsentiert die Zivilgesellschaft in ihrer Gesamtheit, in deren Rahmen in Europa und in den Mitgliedstaaten ein Dialog geführt wird, doch bewegt sich dieser auf einer eher allgemeinen Ebene, und es sollten Möglichkeiten für einen engeren Kontakt mit einzelnen Berufsgruppen wie Schriftstellern, Journalisten und Verlegern geschaffen und Wissenschaftler und Forschungsinstitute miteinander vernetzt werden, um eine angemessene Zuweisung von Rechten des geistigen Eigentums zu erreichen und Streitigkeiten zu verhindern.

4.Besondere Bemerkungen

4.1Innovation in Europa

4.1.1Innovation steht im Mittelpunkt der Strategie Europa 2020. Die Innovation der in Europa ansässigen Unternehmen muss unterstützt und erhalten werden. Viele innovative Projekte werden in Start-up-Unternehmen und KMU entwickelt. Sie stehen finanziell häufig auf schwachen Füßen und sie werden leicht Opfer von Übernahmen durch Großunternehmen, die sie langfristig in andere Kontinente verlagern. Folglich kommen ihr wirtschaftlicher Mehrwert und ihre Arbeitsplätze Europa nicht zugute.

4.1.2KMU breiten sich in Europa zulasten der großen Traditionsunternehmen aus. Zuweilen verschwinden diese traditionellen Unternehmen, während sich gleichzeitig neue Unternehmensprojekte zu entwickeln beginnen. In diesen Unternehmen haben die Übergangsprozesse entscheidende Bedeutung für die Innovation. Besondere Aufmerksamkeit muss bei diesem Prozess den Arbeitnehmern gelten, damit sie durch frühzeitige und angepasste Berufsbildungsmaßnahmen mit der Entwicklung Schritt halten können.

4.2Ethische Grundsätze

4.2.1Der EWSA spricht sich dafür aus, analog zu den FRAND-Grundsätzen, die die Kommission im Rahmen der standardessenziellen Patente vorschlägt, Fairnessgrundsätze und -standards entsprechend auch auf andere Bereiche der Rechte des geistigen Eigentums anzuwenden. Die FRAND-Grundsätze bringen jedoch strenggenommen eine rechtliche Einschränkung des Patentrechts mit sich. Sie können nicht ohne Weiteres in anderen Bereichen übernommen werden, sondern müssen von Fall zu Fall geprüft und erörtert werden 8 .

4.2.2Ebenso muss das Open-Source-Prinzip angewendet werden, ohne dadurch die öffentliche Forschung zu benachteiligen. Öffentliche Einrichtungen finanzieren häufig wissenschaftliche Forschungsprojekte, deren Artikel vor ihrem Erscheinen in Fachzeitschriften von Fachkollegen bewertet werden müssen, die eine kritische Begutachtung der Arbeiten der Wissenschaftler vornehmen (Peer Review). Diese Zeitschriften sind in den Forschungszentren an Universitäten über digitale und weltweite Netze, wie das „web of science“, zugänglich. Für den Zugang zu ihrem Inhalt zahlen die Hochschulen ein hohes Entgelt, es sollten aber eher erschwingliche Preise verlangt werden. Die Hochschulen sollten nicht ein zweites Mal zahlen müssen, um ihren Studenten die Möglichkeit bieten zu können, frühere Forschungsarbeiten zu konsultieren. Dieser doppelte Einsatz öffentlicher Mittel ist nicht effizient und steht im Widerspruch zu den Werten der Fairness und Angemessenheit.

4.3Sozialschutz

4.3.185 % der Erfindungen werden von Angestellten gemacht. Dies ist ein wichtiges Anliegen für die Kommission, die ein ausgewogenes System zur Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums als Antwort auf die gesellschaftlichen Herausforderungen von heute vorschlägt 9 . Der EWSA unterstreicht, dass auch der soziale Schutz des kreativen Arbeitnehmers zu diesem Gleichgewicht beiträgt. Dadurch könnte der Status von Künstlern und Forschern beträchtlich verbessert werden.

5.Instrumente für eine bessere Wahrung der und einen besseren Umgang mit den Interessen der Betroffenen

5.1Organisation der Interessenträger 10

5.1.1Im Rahmen eines sektorübergreifenden Ansatzes können bewährte Verfahrensweisen in andere Bereiche übertragen werden: Journalistenverbände können beispielsweise mit dem Berufsverband von Herausgebern die Übertragung ihres Urheberrechts gegen eine angemessene Vergütung sowie die spätere Verwendung ihrer Texte in anderen (digitalen) Medien aushandeln. Journalisten können auch Vereinbarungen über die Grundsätze der Pressefreiheit, den Schutz von Hinweisgebern, Verhaltenskodizes zur Geheimhaltung von Angaben und das Urheberrecht der Leser schließen.

5.1.2Um einen glaubwürdigen, freiwilligen Rahmen zu entwickeln, sollten alle Beteiligten eine gegenseitige Konsultation in die Wege leiten, um sich über die Modalitäten für die Übertragung von Rechten des geistigen Eigentums zu einigen und Verhaltenskodizes oder geeignete und tragfähige sektorbezogene Vereinbarungen einzuführen, die an die konkrete Situation angepasst sind und den Besonderheiten des Sektors und des jeweiligen Rechtsbereichs Rechnung tragen.

5.1.3Im Rahmen einer Plattform für die Rechte des geistigen Eigentums, die der Abstimmung und dem Dialog der Interessenträger dient, könnte über den Geltungsbereich der ausgehandelten Vereinbarungen entschieden werden. Im Rahmen der europäischen Konsultation besteht eine lange Tradition, nationale und europäische Interessen in ausgewogener Weise zum Ausdruck zu bringen. Ein solchen Forum der Konsultation könnte auch eine vermittelnde Rolle spielen, indem die Vertreter von Urhebern, Forschern, Künstlern, NRO, Sozialpartnern (Gewerkschaften und Arbeitgeber), Hochschulen, Berufsverbänden, Mittlern und öffentlichen Einrichtungen zusammengebracht werden, um in Kooperation mit der Kommission und den europäischen Einrichtungen – dem EUIPO und der Beobachtungsstelle – an der Arbeit des Rechtsforums mitzuwirken.

5.2Organisation und Sensibilisierung der Verbraucher

5.2.1Zur Bekämpfung von Nachahmungen gehört auch die Sensibilisierung der Verbraucher über Kampagnen in den Medien, um eine bessere Durchsetzung der Immaterialgüter-Eigentumsrechte zu erreichen, ohne dass im Bereich des Urheberrechts das Recht auf „Privatkopien“ beschnitten wird. Im Rahmen dieser Kampagnen sollten die Verbraucher auch auf die Gefahren aufmerksam gemacht werden, die die Verwendung bestimmter nachgeahmter Produkte für ihre Gesundheit und Sicherheit mit sich bringt.

5.3Verbesserung der Wirksamkeit der gerichtlichen Durchsetzung

5.3.1Um die Wirksamkeit von Systemen der gerichtlichen Durchsetzung zu verbessern, unterstützt der Ausschuss die Vorschläge der Kommission 11 , die die Mitgliedstaaten dazu aufruft, „Gerichtsentscheidungen [...] systematisch zu veröffentlichen“, und den Vorschlag, dem EUIPO sowie der Beobachtungsstelle eine wichtige Rolle zuzuweisen. Es ist Sache der Kommission, darüber zu entscheiden, welche Einrichtung sich am besten für eine Debatte zwischen den Interessenträgern im Rahmen einer „Plattform für die Rechte des geistigen Eigentums“ eignet, mit der in Europa für eine kohärentere und binnenmarktauglichere Politik im Bereich der Rechte des geistigen Eigentums gesorgt werden soll. Der EWSA hält es außerdem für wichtig, die Entwicklung weiterer Instrumente zur alternativen Streitbeilegung (ADR) in Erwägung zu ziehen, um den Grundsatz der Fairness zu wahren.

5.3.2Unbeschadet des strafrechtlichen Schutzes der Rechte des geistigen Eigentums, der von der Kommission auf EU-Ebene nicht übernommen wurde, unterstützt der EWSA die Arbeit der Kommission für eine bessere weltweite Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums. In diesem Rahmen muss die Abstimmung zwischen der Weltorganisation für geistiges Eigentum (OMPI) und dem EUIPO verstärkt werden.

6.Bewertung der Kommissionsmitteilung

6.1Der EWSA stellt fest, dass die Empfehlungen der Kommission im Wesentlichen den rechtlichen Bereich betreffen.

6.2Unbeschadet der Arbeit der Gerichte wäre es wünschenswert, einen stärkeren Rahmen für die rechtliche Mediation zwischen den Interessenträgern zu schaffen. Mit diesem Vermittlungsverfahren können Konflikte zwischen verschiedenen Parteien beigelegt und komplizierte, kostspielige und langwierige Gerichtsverfahren vermieden werden. Dieses Prinzip wird bereits im Rahmen des einheitlichen Patentsystems angewandt, das über ein Schieds- und Schlichtungszentrum verfügt. Der EWSA unterstützt die Bemühungen der Kommission, diese Frage in Zusammenarbeit mit dem EUIPO näher zu prüfen, und begrüßt und befürwortet diese Idee in anderen Bereichen der Rechte des geistigen Eigentums.

6.3Der EWSA unterstützt den Appell der Kommission an die Wirtschaft, mit der notwendigen Sorgfalt gegen Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums vorzugehen. Zuvor sollten jedoch spezielle institutionelle Instrumente geschaffen werden, damit alle Interessenträger organisiert und zusammengebracht werden können, um einen Dialog einzuleiten bzw. (sofern dieser bereits beispielsweise in Form einer Vereinbarung existiert) fortzuführen und die Rechte des geistigen Eigentums den rechtmäßigen Eigentümern zuzuweisen. Freiwillige Vereinbarungen, die Rechtsinhaber und Anbieter von Internet-Plattformen, Online-Werbung sowie Vertriebs- und Finanzdienstleistungen einbeziehen, müssen gefördert und entwickelt werden.

Brüssel, den 14. März 2018

Georges DASSIS

Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

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(1)       ABl. L 195 vom 2.6.2004, S. 16 .
(2)      COM(2017) 708 final, Einleitung, Absatz 4, zweiter Satz: „Dies ist darauf zurückzuführen, dass in der Richtlinie lediglich eine Mindestharmonisierung vorgesehen ist“ (in Artikel 2 wird die Anwendung nationaler Rechtsinstrumente, die für die Rechtsinhaber günstiger sind, explizit zugelassen).
(3)      COM(2017) 712 final, Seite 1, Absatz 1, zweiter Satz.
(4)      COM(2017) 707 final, Seite 4, Absatz 1 „[...] sicherzustellen, dass Patentinhaber für ihre Investitionen in Forschung und Entwicklung und Standardisierungsmaßnahmen belohnt werden und somit Anreize erhalten, ihre besten Technologien zur Integration in Standards anzubieten.“
(5)      COM(2017) 707 final, Seite 3, Ziffer 1: „Maßnahmen, die es Interessenträgern, die Rechte des geistigen Eigentums besitzen, erleichtern sollen, von einem einheitlichen, fairen und wirksamen System der gerichtlichen Durchsetzung in der EU zu profitieren.“
(6)      Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO): Intellectual property rights intensive industries and economic performance in the EU, 2016.
(7)      Einer neuen Studie zufolge sind 5 % aller Einfuhren in die EU Fälschungen und Nachbildungen, das Volumen dieses illegalen Handels macht schätzungsweise 85 Mrd. EUR aus.
(8)      Siehe Ziffer 1.6.
(9)      COM(2017) 707 final.
(10)      Siehe Ziffer 3.8.1.
(11)      COM(2017) 707 final, Seite 8.