BEGRÜNDUNG
1.KONTEXT DES DELEGIERTEN RECHTSAKTS
Über das Schnellwarnsystem Safety Gate können Informationen über Maßnahmen zum Schutz vor gefährlichen Non-Food-Produkten rasch unter den für Produktsicherheit zuständigen nationalen Behörden ausgetauscht werden. Das System wurde mit der Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Dezember 2001 über die allgemeine Produktsicherheit ursprünglich unter der Bezeichnung „RAPEX“ eingeführt. Am 13. Dezember 2024 wird diese Richtlinie aufgehoben und durch die Verordnung (EU) 2023/988 („Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit“) ersetzt. Die Artikel 25 und 26 der Verordnung enthalten neue und aktualisierte Bestimmungen über das Schnellwarnsystem Safety Gate (so die neue Bezeichnung des bestehenden RAPEX-Systems).
Um einheitliche Vorschriften für den Betrieb des Schnellwarnsystems Safety Gate und für die Bewertung der von Produkten ausgehenden Risiken zu gewährleisten, wurden mit dem Durchführungsbeschluss (EU) 2019/417 der Kommission vom 8. November 2018 zur Festlegung von Leitlinien für die Verwaltung des gemeinschaftlichen Systems zum raschen Informationsaustausch „RAPEX“ einheitliche Betriebsvorschriften sowie eine Risikobewertungsmethodik festgelegt. Die Risikobewertungskriterien und Betriebsvorschriften für das RAPEX-System müssen aktualisiert werden, um den Bestimmungen und Zielen der Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit Rechnung zu tragen, insbesondere im Hinblick auf das Schnellwarnsystem Safety Gate. Dies ist der Zweck dieser Delegierten Verordnung.
2.KONSULTATIONEN VOR ANNAHME DES RECHTSAKTS
Die derzeit in den Leitlinien für die Risikobewertung im Durchführungsbeschluss (EU) 2019/417 der Kommission enthaltenen Kriterien sind eine wichtige Voraussetzung dafür, dass das Schnellwarnsystem Safety Gate wirksam und effizient funktioniert und die Produktsicherheitsvorschriften im EU-Binnenmarkt einheitlich angewandt werden.
Mit dem Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2023/988 über die allgemeine Produktsicherheit muss die bisherige Risikobewertungsmethodik angepasst werden; ferner muss präzisiert werden, wie die Methodik auf Produkte anzuwenden ist, die Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union unterliegen und – falls sie ein ernstes Risiko darstellen – auch über das Schnellwarnsystem Safety Gate zu melden sind.
Um Beiträge aller einschlägigen Interessenträger zu einer überarbeiteten Risikobewertungsmethodik einzuholen, richtete die Kommission eine Expertengruppe ein, die als Untergruppe des nach Artikel 10 der Richtlinie 2001/95/EG eingerichteten Netzwerks für Verbrauchersicherheit tätig war.
Die Vertreter der Mitgliedstaaten wurden auf der Sitzung des Netzwerks für Verbrauchersicherheit vom 11. Mai 2023 über die Gründung dieser Untergruppe unterrichtet. Die Untergruppe, die im Juni 2023 offiziell eingerichtet wurde, stand allen Behörden der Mitgliedstaaten offen, die Interesse an der Mitarbeit bekundet hatten. Belgien, Tschechien, Dänemark, Deutschland, Irland, Frankreich, Litauen, Luxemburg, Polen, die Slowakei, Finnland und Schweden entsandten Vertreter in die Gruppe.
Die Untergruppe stand auch Teilnehmern mit Beobachterstatus im Netzwerk für Verbrauchersicherheit offen. ANEC („die europäische Verbraucherstimme in der Normung“) und BEUC (der Europäische Verbraucherverband) waren ebenfalls aktiv beteiligt. Mehrere unabhängige Sachverständige sowie Experten aus der Industrie, die Interesse bekundet hatten, wurden ebenfalls in die Arbeitsgruppe aufgenommen und lieferten wertvolle Beiträge.
Die Untergruppe trat zwischen Juni und Dezember 2023 viermal zusammen, und die Ergebnisse wurden sowohl den Vertretern der Mitgliedstaaten im Netzwerk für Verbrauchersicherheit als auch den Vertretern der Mitgliedstaaten des mit der Verordnung (EU) 2019/1020 über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten eingerichteten Unionsnetzwerks für Produktkonformität regelmäßig übermittelt.
3.RECHTLICHE ASPEKTE DES DELEGIERTEN RECHTSAKTS
Gemäß Artikel 26 Absatz 10 der Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit erlässt die Kommission delegierte Rechtsakte, um verschiedene Aspekte des Schnellwarnsystems Safety Gate präzisieren, nämlich den Zugang zum System, den Betrieb des Systems, die in das System einzugebenden Informationen, die für Meldungen zu erfüllenden Anforderungen und die Kriterien für die Bewertung des Risikoniveaus.
Anhang I der Delegierten Verordnung enthält daher Vorschriften für den Betrieb des Schnellwarnsystems Safety Gate und die in das System einzugebenden Informationen sowie andere operative Bestimmungen. Die Vorschriften präzisieren die Verfahren für die Übermittlung von Meldungen über das Schnellwarnsystem Safety Gate, für ihre Validierung im System (d. h. ihre Übermittlung an die Mitgliedstaaten) sowie für ihre Aktualisierung, Löschung oder Rücknahme. Ferner betreffen sie die Veröffentlichung ausgewählter Informationen zu den Meldungen auf dem Safety-Gate-Portal.
Anhang II der Delegierten Verordnung enthält die Kriterien und die Methodik zur Bewertung des Risikos, das von einem unter die Delegierte Verordnung fallenden Produkt ausgeht. Die Methodik umfasst eine Erläuterung der im Rahmen einer Risikobewertung zu veranlassenden Schritte. Die Methodik gewährleistet die korrekte Anwendung der Risikobewertungskriterien und folglich eine korrekte Bestimmung des Risikoniveaus durch die Mitgliedstaaten in Bezug auf Produkte, die über das Schnellwarnsystem Safety Gate gemeldet werden. In Anhang II sind ferner Fälle aufgeführt, in denen bei einem Produkt auch ohne individuelle Risikobewertung systematisch von einem ernsten Risiko ausgegangen werden kann.
Die Betriebsvorschriften und die Risikobewertungskriterien sollten für Produkte gelten, die in den Anwendungsbereich der Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit und der Verordnung (EU) 2019/1020 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten fallen. Insbesondere sollten die Betriebsvorschriften und die Risikobewertungskriterien Anwendung finden auf Gesundheits- und Sicherheitsrisiken für Verbraucher durch Produkte, die der Verordnung (EU) 2023/988 unterliegen, sowie auf Gesundheits- und Sicherheitsrisiken für Endnutzer durch Produkte, die der Verordnung (EU) 2019/1020 unterliegen. Die vorliegende Verordnung sollte zudem Anwendung finden auf Risiken für andere öffentliche Interessen durch Produkte, die unter die Verordnung (EU) 2019/1020 fallen. Angesichts der Besonderheiten dieser anderen öffentlichen Interessen, die durch Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union geschützt sind, sollten die Kriterien für die Bewertung des Risikoniveaus in Bezug auf diese Interessen den spezifischen Zielen und Anforderungen der geltenden Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union Rechnung tragen und könnten daher von den Kriterien für die Bewertung des Gesundheits- und Sicherheitsrisikoniveaus abweichen. Hinsichtlich der Bewertung von Risiken für andere öffentliche Interessen als die Gesundheit und Sicherheit, die durch Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union geschützt sind, sei daran erinnert, dass die Gruppen zur administrativen Zusammenarbeit gemäß Artikel 32 Absatz 2 Buchstabe g der Verordnung (EU) 2019/1020 eine besondere Rolle spielen, da es ihre Aufgabe ist, die sektorspezifische Bewertung – einschließlich Risikobewertungen – von Produkten, die den Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union unterliegen, zu erleichtern.
DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) .../... DER KOMMISSION
vom 27.8.2024
zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2023/988 des Europäischen Parlaments und des Rates um Vorschriften für den Zugang zum Schnellwarnsystem Safety Gate, den Betrieb des Systems, die in das System einzugebenden Informationen, die für Meldungen zu erfüllenden Anforderungen und die Kriterien für die Bewertung des Risikoniveaus
(Text von Bedeutung für den EWR)
DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
gestützt auf die Verordnung (EU) 2023/988 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Mai 2023 über die allgemeine Produktsicherheit, insbesondere auf Artikel 26 Absatz 10,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1)Um ein ordnungsgemäßes und effizientes Funktionieren des Schnellwarnsystems Safety Gate zu gewährleisten, ist es von zentraler Bedeutung, detaillierte Vorschriften für den Zugang zu diesem System, den Betrieb des Systems, die in das System einzugebenden Informationen und die für Meldungen zu erfüllenden Anforderungen festzulegen und Kriterien für die Bewertung des von Produkten ausgehenden Risikoniveaus einzuführen.
(2)Nach Artikel 26 der Verordnung (EU) 2023/988 müssen oder können die Mitgliedstaaten in Abhängigkeit vom jeweiligen Risikoniveau Korrekturmaßnahmen melden, die in Bezug auf gefährliche Produkte auf der Grundlage der genannten Verordnung und auf der Grundlage des Artikels 20 der Verordnung (EU) 2019/1020 des Europäischen Parlaments und des Rates für Produkte, die diesen beiden Verordnungen unterliegen, ergriffen werden oder geplant sind. Artikel 26 Absatz 10 der Verordnung (EU) 2023/988 sieht vor, dass die Kommission einen delegierten Rechtsakt erlässt, in dem unter anderem die Anforderungen bezüglich der Meldungen solcher Produkte sowie die Kriterien für die Bewertung ihres Risikos festgelegt werden; da dieser Artikel im Einklang mit Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2023/988 sowohl für Produkte gilt, die unter spezifische Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union fallen, als auch für Produkte, die der Verordnung (EU) 2023/988 unterliegen, müssen detaillierte Vorschriften für das Schnellwarnsystem Safety Gate sowie Kriterien für die Bewertung des Risikoniveaus von Produkten, die der Verordnung (EU) 2023/988 sowie der Verordnung (EU) 2019/1020 unterliegen, festgelegt werden.
(3)Um den Informationsaustausch zu allen gefährlichen Produkte, die auf dem Unionsmarkt bereitgestellt werden, durch ein einziges Instrument zu erleichtern, sollten die Mitgliedstaaten über das Schnellwarnsystem Safety Gate Informationen zu allen von ihnen in Bezug auf gefährliche Produkte geplanten oder ergriffenen Korrekturmaßnahmen austauschen können, einschließlich der Maßnahmen in Bezug auf Produkte, die ein nicht ernstes Risiko darstellen.
(4)Meldungen, die von den nationalen Behörden über das Schnellwarnsystem Safety Gate übermittelt werden, sollten so detailliert wie möglich sein, damit das betreffende Produkt von anderen Behörden, die Folgemaßnahmen ergreifen müssen oder können, identifiziert werden kann. Daher ist es erforderlich, die Anforderungen zu präzisieren, denen diese Meldungen genügen sollten, insbesondere die Informationen, die bei den verschiedenen Arten von Meldungen zu übermitteln sind.
(5)Die Kommission sollte entsprechend die Vollständigkeit der Meldungen prüfen, insbesondere im Hinblick auf die Informationen, die bei verschiedenen Arten von Meldungen zu übermitteln sind. Gleichzeitig sollte die Kommission die Möglichkeit haben, erforderlichenfalls zusätzliche sachdienliche Informationen oder eine Berichtigung der übermittelten Informationen zu verlangen, bevor sie die Meldung im System validiert und damit an die anderen Mitgliedstaaten übermittelt.
(6)Um sicherzustellen, dass die Öffentlichkeit gemäß Artikel 34 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2023/988 kostenlosen und freien Zugang zu ausgewählten Informationen hat, die über das Schnellwarnsystem Safety Gate gemeldet werden, insbesondere zu Informationen über gefährliche Produkte und die diesbezüglich ergriffenen Korrekturmaßnahmen, sollte die Kommission ausgewählte Informationen, die in den über das Schnellwarnsystem Safety Gate übermittelten Meldungen enthalten sind, auf dem Safety-Gate-Portal veröffentlichen.
(7)Basierend auf den Informationen des Mitgliedstaats, der eine Meldung übermittelt hat, sollte die Kommission die Meldungen im Schnellwarnsystem Safety Gate aktualisieren. Solche Aktualisierungen sollten nur die Meldung betreffen, zu der der betreffende Mitgliedstaat eine Aktualisierung mitgeteilt hat. Um sicherzustellen, dass die Informationen auf dem Safety-Gate-Portal aktuell sind, sollte die Kommission auch die auf dem Portal angezeigten Informationen aktualisieren oder sie gegebenenfalls löschen.
(8)Die vorliegende Verordnung sollte Anwendung finden auf Gesundheits- und Sicherheitsrisiken für Verbraucher durch Produkte, die der Verordnung (EU) 2023/988 unterliegen, sowie auf Gesundheits- und Sicherheitsrisiken für Endnutzer durch Produkte, die unter die Verordnung (EU) 2019/1020 fallen. In der vorliegenden Verordnung sollten die Kriterien für die Bewertung des Risikoniveaus dieser Produkte festgelegt werden.
(9)Die vorliegende Verordnung sollte zudem Anwendung finden auf Risiken für andere öffentliche Interessen durch Produkte, die der Verordnung (EU) 2019/1020 unterliegen. Angesichts der Besonderheiten dieser anderen öffentlichen Interessen, die durch Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union geschützt sind, sollten die Kriterien für die Bewertung des Risikoniveaus in Bezug auf diese Interessen den spezifischen Zielen und Anforderungen der geltenden Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union Rechnung tragen und könnten daher von den Kriterien für die Bewertung des Gesundheits- und Sicherheitsrisikoniveaus abweichen. Hinsichtlich der Bewertung von Risiken für andere öffentliche Interessen als die Gesundheit und Sicherheit, die durch Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union geschützt sind, spielen die Gruppen zur administrativen Zusammenarbeit gemäß Artikel 32 Absatz 2 Buchstabe g der Verordnung (EU) 2019/1020 eine besondere Rolle, da es ihre Aufgabe ist, die sektorspezifische Bewertung – einschließlich Risikobewertungen – von Produkten, die den Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union unterliegen, zu erleichtern.
(10)Angesichts der guten Erfahrungen mit den Leitlinien für die Risikobewertung, die im Durchführungsbeschluss (EU) 2019/417 der Kommission zur Festlegung von Leitlinien für die Verwaltung des gemeinschaftlichen Systems zum raschen Informationsaustausch „RAPEX“ enthalten sind, sowie angesichts der Notwendigkeit, die Kontinuität zwischen RAPEX und dem Schnellwarnsystem Safety Gate zu wahren, und des Ziels, einen ordnungsgemäßen und wirksamen Betrieb des Schnellwarnsystems Safety Gate zu gewährleisten, sollten die Kriterien für die Bewertung des Risikoniveaus auch eine Methodik beinhalten, anhand derer die nationalen Behörden beurteilen können, wie ein Schaden oder eine Gefahr zu einem Risiko werden könnte und wie in diesem Zusammenhang das Risikoniveau bewertet und festgelegt werden sollte. Dieser Ansatz gewährleistet die korrekte Anwendung jener Kriterien und folglich eine korrekte Bestimmung des Risikoniveaus durch die Mitgliedstaaten für Produkte, die über das Schnellwarnsystem Safety Gate gemeldet werden.
(11)Die nationalen Behörden, die Produkte über das Schnellwarnsystem Safety Gate melden, sollten berücksichtigen können, dass es für gewisse Situationen oder für Produkte mit bestimmten Merkmalen bereits gesicherte Nachweise wie Statistiken, Ergebnisse von Marktüberwachungen oder Risikobewertungen gibt, die darauf schließen lassen, dass von den betreffenden Produkten ein ernstes Risiko ausgeht. In solchen Fällen sollten die nationalen Behörden nicht verpflichtet sein, für die Meldung über das Schnellwarnsystem Safety Gate individuelle Risikobewertungen vorzulegen.
(12)Die vorliegende Verordnung sollte ab demselben Zeitpunkt wie die Verordnung (EU) 2023/988 gelten —
HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
Artikel 1
Für den Betrieb des Schnellwarnsystems Safety Gate gelten die im Anhang I festgelegten Vorschriften für den Zugang zum Schnellwarnsystem Safety Gate, den Betrieb des Systems, die in das System einzugebenden Informationen und die für Meldungen zu erfüllenden Anforderungen.
Artikel 2
Das mit einem Produkt verbundene Risikoniveau wird nach den Kriterien in Anhang II bewertet.
Artikel 3
Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Sie gilt ab dem 13. Dezember 2024.
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.
Brüssel, den 27.8.2024
Für die Kommission
Die Präsidentin
Ursula VON DER LEYEN
ANHANG I
VORSCHRIFTEN FÜR DEN ZUGANG ZUM SCHNELLWARNSYSTEM SAFETY GATE, DEN BETRIEB DES SYSTEMS, DIE IN DAS SYSTEM EINZUGEBENDEN INFORMATIONEN UND DIE FÜR MELDUNGEN ZU ERFÜLLENDEN ANFORDERUNGEN
1.Arten von Meldungen über das Schnellwarnsystem Safety Gate
1.1.Meldung eines ernsten Risikos
Muss ein Mitgliedstaat über das Schnellwarnsystem Safety Gate eine Korrekturmaßnahme melden, die gemäß Artikel 26 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2023/988 oder gemäß Artikel 20 der Verordnung (EU) 2019/1020 ergriffen wurde, so erstellt und übermittelt die zuständige nationale Behörde eine Meldung. Eine solche Meldung wird im Schnellwarnsystem Safety Gate als „Meldung eines ernsten Risikos“ eingestuft.
1.2.Meldung eines anderen Risikos
Die nationalen Behörden können der Kommission über das Schnellwarnsystem Safety Gate Korrekturmaßnahmen gemäß Artikel 26 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2023/988 melden. In dem System wird eine solche Meldung als „Meldung eines anderen Risikos“ eingestuft.
1.3.Meldung zur Information
Die nationalen Behörden können über das Schnellwarnsystem Safety Gate eine geplante Korrekturmaßnahme gemäß Artikel 26 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2023/988 melden, wenn die nationale Behörde eine solche Meldung angesichts der Dringlichkeit des Risikos für die Gesundheit oder Sicherheit von Verbrauchern oder anderen Endnutzern für erforderlich hält. Solche Meldungen werden in dem System als „Meldung zur Information“ eingestuft.
1.4.Folgemeldungen
Meldungen, die von anderen Mitgliedstaaten gemäß Artikel 26 Absatz 7 der Verordnung (EU) 2023/988 über das Schnellwarnsystem Safety Gate zu übermitteln sind, werden im System als „Folgemeldungen“ eingestuft.
1.5. Von der Kommission übermittelte Warnmeldungen
Die Kommission kann das Schnellwarnsystem Safety Gate nutzen, um die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 26 Absatz 8 der Verordnung (EU) 2023/988 zu unterrichten. Solche Informationsmeldungen werden im System als „Warnmeldungen der Kommission“ eingestuft.
2.Informationen, die in Meldungen der nationalen Behörden über das Schnellwarnsystem Safety Gate anzugeben sind
2.1.Die Elemente, die in den Meldungen anzugeben sind, sind in den Abschnitten 2.2 und 2.3 aufgeführt. Die von den nationalen Behörden über das Schnellwarnsystem Safety Gate übermittelten Meldungen müssen so vollständig wie möglich sein. Falls die erforderlichen Daten dem meldenden Mitgliedstaat zum Zeitpunkt der Übermittlung der Meldung nicht vorliegen, wird dies vom meldenden Mitgliedstaat deutlich angegeben und erklärt. Sobald die fehlenden Informationen verfügbar sind, aktualisiert der meldende Mitgliedstaat seine Meldung gemäß Abschnitt 4 dieses Anhangs.
2.2.Die Meldungen gemäß den Abschnitten 1.1 bis 1.3 enthalten Folgendes:
a)Informationen über die für das gemeldete Produkt geltenden Sicherheitsanforderungen:
i)den Verweis auf die geltenden Rechtsvorschriften der Union und der Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die geltenden Normen;
ii)gegebenenfalls den Nachweis der Konformität;
iii)die Bescheinigungen, soweit relevant und verfügbar;
b)eine Beschreibung des vom gemeldeten Produkt ausgehenden Risikos, unter anderem:
i)Beschreibung des Risikos mit Erklärung des Fehlers des Produkts und der Art und Weise, wie das Risiko durch den Fehler verursacht wird;
ii)Risikokategorie;
iii)Risikograd;
iv)gegebenenfalls die Beschreibung der Ergebnisse von Laboruntersuchungen oder Sichtprüfungen;
v)gegebenenfalls die Testberichte, einschließlich des Testdatums, und Bescheinigungen über die Nichterfüllung der Sicherheitsanforderungen durch das gemeldete Produkt;
vi)eine Risikobewertung gemäß Anhang II;
vii)gegebenenfalls Informationen über bekannt gewordene Unfälle oder Zwischenfälle;
c)Angaben zu den ergriffenen oder geplanten Korrekturmaßnahmen, insbesondere:
i)Art der Maßnahme (obligatorisch oder freiwillig);
ii)Kategorie (z. B. Rücknahme vom Markt, Rückruf);
iii)geografischer Geltungsbereich;
iv)sofern verfügbar, Zeitpunkt des Inkrafttretens und Geltungsdauer (z. B. unbefristet, vorübergehend);
v)sofern verfügbar, Link zur URL der Rückrufanzeige;
d)Angaben dazu, ob die ganze Meldung oder Teile davon und/oder eine oder mehrere Anlagen vertraulich sind, und gegebenenfalls ein Antrag auf vertrauliche Behandlung zusammen mit einer Begründung;
e)Angaben zur Identifizierung des betreffenden Produkts, einschließlich, sofern verfügbar:
i)der Angabe, ob es sich bei dem Produkt um ein Verbraucherprodukt oder ein Produkt für die gewerbliche Nutzung handelt;
ii)der Produktkategorie;
iii)der Kategorie nach dem OECD-Portal;
iv)der Produktbezeichnung;
v)der Marke;
vi)der Modell- oder Typnummer oder beidem;
vii)des Strichcodes;
viii)der Los- oder Seriennummer;
ix)des Zolltarif-Codes;
x)einer Beschreibung von Produkt und Verpackung;
xi)der Gesamtanzahl der von der Meldung betroffenen Produkteinheiten;
xii)aller sonstigen Informationen, anhand deren die nationalen Behörden das Produkt identifizieren können;
xiii)der Angabe, ob es sich bei dem Produkt um eine Fälschung handelt;
f)Informationen zur Rückverfolgbarkeit, unter anderem, sofern verfügbar:
i)Angaben zur Herkunft des Produkts (Ursprungsland);
ii)die vollständigen Kontaktdaten des Herstellers, einschließlich seines Namens, seines eingetragenen Handelsnamens oder seiner eingetragenen Handelsmarke, seiner Postanschrift und elektronischen Adresse und seiner Telefonnummer;
iii)Angaben zu den Bestimmungsländern, Kontaktdaten des Einführers bzw. der Einführer;
iv)Angaben zu den Händlern des gemeldeten Produkts in der Union und den Einzelhändlern;
v)den Namen, den eingetragenen Handelsnamen oder die eingetragene Handelsmarke und die Kontaktdaten, einschließlich der Postanschrift und der elektronischen Adresse, der verantwortlichen Person in der Union gemäß Artikel 4 der Verordnung (EU) 2019/1020 und Artikel 16 der Verordnung (EU) 2023/988;
vi)Kopien von Bestellscheinen, Kaufverträgen, Rechnungen, Ladepapieren, Zollanmeldungen oder anderen Dokumenten, die Informationen über Akteure in der Lieferkette enthalten, wenn Hersteller und Ausführer des gemeldeten Produkts in Drittländern ansässig sind;
vii)Angabe, wo genau das Produkt in Verkehr gebracht wurde;
viii)die URL des Angebots und seine eindeutige Kennung, wenn das Produkt online verkauft wird oder wurde, sowie gegebenenfalls den Namen des Anbieters eines Online-Marktplatzes;
ix)Angaben zu den Lieferketten des gemeldeten Produkts, auch in Drittländern;
g)soweit relevant und verfügbar, Angabe der über das Safety-Business-Gateway bereitgestellten Informationen, einschließlich:
i)Angaben zu gemeldeten Unfällen im Zusammenhang mit dem gemeldeten Produkt;
ii)der vom Wirtschaftsakteur ergriffenen Maßnahmen;
h)gegebenenfalls zusätzliche Informationen über den Kontext der Meldung, einschließlich der Angabe, ob die Maßnahme im Rahmen einer koordinierten Durchsetzungsmaßnahme auf Unionsebene ergriffen wurde oder das Ergebnis einer Beschwerde eines Verbrauchers oder einer anderen betroffenen Partei gemäß Artikel 33 Absatz 4 ist, oder von Informationen, die gemäß Artikel 34 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2023/988 übermittelt wurden.
Was die Angaben zur Identifizierung des betreffenden Produkts gemäß Buchstabe e angeht, so ist in der Meldung nach Möglichkeit anzugeben, ob sich die Identifizierungsdaten direkt auf dem Produkt oder der Verpackung befinden, wo sie vom Hersteller angebracht wurden, oder auf Etiketten, die der Einführer oder Händler auf dem Produkt oder seiner Verpackung angebracht hat.
Der Meldung sind Bilder beizufügen, die das Produkt und seine Verpackung einschließlich der entsprechenden Etiketten in hoher Auflösung und Farbe zeigen.
2.3.Die Folgemeldungen gemäß Abschnitt 1.4 müssen Informationen enthalten, die nicht in der ursprünglichen Meldung enthalten waren, oder Informationen, die aktualisiert oder ergänzt werden müssen, sowie Informationen über die Folgemaßnahmen, die die nationale Behörde, die die Folgemeldung übermittelt hat, ergriffen hat.
Folgemeldungen müssen insbesondere detaillierte Angaben zur Risikobewertung enthalten, wenn der die Folgemaßnahme meldende Mitgliedstaat zu einem anderen Ergebnis hinsichtlich des Risikoniveaus gekommen ist als der Mitgliedstaat, der die ursprüngliche Meldung übermittelt hat.
3.Überprüfung der Meldungen durch die Kommission und Veröffentlichung
3.1.Gemäß Artikel 26 Absatz 5 der Verordnung (EU) 2023/988 überprüft die Kommission unter Berücksichtigung der in Abschnitt 2 dieses Anhangs genannten Anforderungen, ob die von den Mitgliedstaaten übermittelten Meldungen vollständig sind.
Gelangt die Kommission auf der Grundlage der in der Meldung enthaltenen Informationen zu der Auffassung, dass die Meldung vollständig ist, so wird die in Artikel 26 Absatz 5 der Verordnung (EU) 2023/988 genannte Frist von vier Arbeitstagen mit dem Eingang der Mitteilung in Gang gesetzt.
3.2.Die Kommission kann von den meldenden nationalen Behörden zusätzliche Informationen anfordern oder sie ersuchen, ihre Meldungen zu berichtigen. In diesen Fällen setzt die Kommission eine Frist für die Beantwortung solcher Ersuchen.
Gemäß Artikel 26 Absatz 5 der Verordnung (EU) 2023/988 beginnt die in dem genannten Artikel festgelegte Frist von vier Arbeitstagen erst, wenn ausreichende zusätzliche Informationen eingegangen sind oder die erbetene Berichtigung der Meldung abgeschlossen ist.
3.3.Auf der Grundlage der ihr vorliegenden Informationen entscheidet die Kommission, ob eine Meldung validiert wird, wenn nach Ablauf der in Abschnitt 3.2 Absatz 2 genannten Frist
a)die zusätzlichen Informationen nicht übermittelt wurden,
b)die übermittelten Informationen unzureichend sind oder
c)die Berichtigung der Meldung nicht abgeschlossen ist.
3.4.Die Kommission kann die Art der betreffenden Meldung entsprechend den in Abschnitt 1 genannten Kategorien bei der Validierung der Meldung ändern und den meldenden Mitgliedstaat davon in Kenntnis setzen.
3.5.Nach der Validierung einer Meldung stellt die Kommission sicher, dass ausgewählte Informationen, die in der Meldung enthalten sind, auf dem Safety-Gate-Portal veröffentlicht werden.
3.6.Die Kommission haftet nicht für die Richtigkeit und Genauigkeit der von den nationalen Behörden übermittelten Informationen.
4.Aktualisierung der Meldungen
4.1.Die Mitgliedstaaten melden der Kommission unverzüglich über das Schnellwarnsystem Safety Gate jede Aktualisierung, Änderung oder Rücknahme von Korrekturmaßnahmen, die über das Schnellwarnsystem Safety Gate gemeldet wurden.
4.2.Auf der Grundlage der gemäß Abschnitt 4.1 erhaltenen Informationen nimmt die Kommission die gemeldeten Änderungen im Schnellwarnsystem Safety Gate vor und veröffentlicht diese Änderungen gegebenenfalls auf dem Safety-Gate-Portal.
5.Besondere Vorschriften für Folgemeldungen
5.1.Gemäß Artikel 26 Absatz 7 der Verordnung (EU) 2023/988 übermitteln andere Mitgliedstaaten als der Mitgliedstaat, der die ursprüngliche Korrekturmaßnahme im Zusammenhang mit Produkten, die ein ernstes Risiko darstellen, gemeldet hat, über das Schnellwarnsystem Safety Gate Folgemeldungen, insbesondere in folgenden Fällen:
a)Der Mitgliedstaat hat eine spezifische Marktüberwachungsmaßnahme im Zusammenhang mit einer Meldung im Schnellwarnsystem Safety Gate durchgeführt, das gemeldete Produkt jedoch nicht auf seinem Markt gefunden;
b)der Mitgliedstaat hat das gemeldete Produkt auf seinem Markt gefunden und eine Korrekturmaßnahme ergriffen;
c)der Mitgliedstaat hat das gemeldete Produkt auf seinem Markt gefunden, aber keine Korrekturmaßnahmen ergriffen;
d)der Mitgliedstaat hat andere Maßnahmen ergriffen oder zusätzliche Informationen über die Meldung erhalten.
Folgemeldungen, die in den unter Buchstabe c genannten Fällen übermittelt werden, müssen eine Erläuterung enthalten, warum die Korrekturmaßnahmen nicht als notwendig erachtet wurden.
6.Löschung von Meldungen aus dem Schnellwarnsystem Safety Gate und dem Safety-Gate-Portal
6.1.In hinreichend begründeten Fällen können die Mitgliedstaaten die Kommission ersuchen, Meldungen, die sie über das Schnellwarnsystem Safety Gate übermittelt haben, zu löschen.
6.2.Wenn die Kommission auf der Grundlage der von dem Mitgliedstaat übermittelten Begründung die Meldung aus dem Schnellwarnsystem Safety Gate löscht, löscht sie sie auch aus dem Safety-Gate-Portal.
6.3.Zehn Jahre nach Validierung der Meldung durch die Kommission sorgt die Kommission dafür, dass die auf der betreffenden Meldung basierenden ausgewählten Informationen der Öffentlichkeit in einem gesonderten Archivbereich des Safety-Gate-Portals zugänglich sind.
ANHANG II
KRITERIEN FÜR DIE BEWERTUNG DES RISIKONIVEAUS
1.Begriffsbestimmungen
Für die Zwecke dieses Anhangs gelten folgende Begriffsbestimmungen:
a)„Schadensszenario“ bezeichnet die Abfolge der Ereignisse, die zum Eintreten des Schadens führen;
b)„Schadenswahrscheinlichkeit“ bezeichnet die Wahrscheinlichkeit, dass der Schaden tatsächlich eintreten kann;
c)„Risikomanagement“ bezeichnet die Folgemaßnahmen, durch die ein in einer Risikobewertung ermitteltes Risiko verringert oder beseitigt werden soll.
2.Risiken
2.1.Dieser Anhang enthält Kriterien für die Bewertung des Risikoniveaus, damit die Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen gemäß Artikel 26 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2023/988 und bei der Übermittlung von Meldungen über das Schnellwarnsystem Safety Gate gemäß Artikel 26 Absätze 2, 3 oder 7 der genannten Verordnung nachkommen können.
2.2. Dieser Anhang enthält Anforderungen an die Bewertung der Gesundheits- und Sicherheitsrisiken von Produkten, die den Verordnungen (EU) 2023/988 und (EU) 2019/1020 unterliegen, und an die Bewertung von Risiken für andere öffentliche Interessen im Zusammenhang mit Produkten, die der Verordnung (EU) 2019/1020 unterliegen, sofern diese anderen öffentlichen Interessen durch die Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union geschützt sind.
2.2.1 Risiken für Gesundheit und Sicherheit
Die Anforderungen bezüglich der Bewertung der Gesundheits- und Sicherheitsrisiken von Produkten, die für Verbraucher und – im Falle von der Verordnung (EU) 2019/1020 unterliegenden Produkten – für Endnutzer in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt werden, sind in den Abschnitten 3 und 4 dieses Anhangs dargelegt.
2.2.2 Andere als die in Abschnitt 2.2.1 genannten Risiken für öffentliche Interessen im Zusammenhang mit Produkten, die der Verordnung (EU) 2019/1020 unterliegen
Öffentliche Interessen, die unter die Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union fallen, gehen über die in Abschnitt 2.2.1 genannten Gesundheits- und Sicherheitsrisiken hinaus und umfassen ein breiteres Spektrum geschützter Interessen wie Umwelt, Tiere, Energieressourcen, Eigentum, öffentliche Sicherheit oder wirtschaftliche Transaktionen.
Gemäß Artikel 19 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2019/1020 sind bei der Bewertung, ob mit einem Produkt ein ernstes Risiko verbunden ist, die Art der Gefahr und die Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens zu berücksichtigen.
Bei ihrer Bewertung der Risiken für andere öffentliche Interessen berücksichtigen die Mitgliedstaaten die spezifischen Anforderungen der Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union, einschließlich der besonderen Art der durch die betreffenden Rechtsvorschriften geschützten Interessen und der Anforderungen, die die Produkte erfüllen müssen, um den Schutz dieser Interessen zu gewährleisten.
Ferner berücksichtigen die Mitgliedstaaten, dass sich Risiken für andere öffentliche Interessen als die Gesundheit und Sicherheit auf Produktrisiken beziehen können, die zwar keine Verletzung der Endnutzer verursachen, aber verschiedene Arten negativer Auswirkungen oder Schäden verursachen können, die im Zuge der Risikobewertung ermittelt und bewertet werden müssen, wobei die Anforderungen der Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union und die mit ihnen verfolgten öffentlichen Interessen zu berücksichtigen sind.
Die Abschnitte 3 und 4 gelten für die Bewertung von Risiken für andere öffentliche Interessen, die durch Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union geschützt sind; dabei sind Abschnitt 2.2.2 sowie die spezifischen Anforderungen und Ziele der Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union, die für das betreffende Risiko gelten, zu berücksichtigen.
3.Abfolge bei der Bewertung des Risikoniveaus
Zur Erfüllung ihrer Meldepflichten gemäß Artikel 26 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2023/988 und bei der Übermittlung von Meldungen gemäß Artikel 26 Absätze 2 oder 3 der genannten Verordnung unternehmen die Mitgliedstaaten die im vorliegenden Abschnitt genannten Schritte, um
a)zu analysieren, wie bestimmte Gefahren zu potenziellen Schäden führen können;
b)unter Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeit das Risikoniveau im Zusammenhang mit Produkten zu bestimmen.
In den in Abschnitt 4.1 genannten Fällen sind die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, die im vorliegenden Abschnitt beschriebenen Schritte zu befolgen.
3.1.Bewertung des erwarteten Schadensszenarios
3.1.1 Die nationalen Behörden bewerten das Szenario, in dem die inhärente Produktgefahr einen Schaden verursachen kann. Diese inhärente Produktgefahr wird anhand des Ausmaßes der schädlichen Auswirkungen bestimmt, die ein Produkt für die Benutzer haben kann.
3.1.2 Es ist ein Schadensszenario zu erstellen, indem Folgendes genau beschrieben wird:
a)wie die Gefahr zu dem Schaden führt;
b)der Schweregrad des verursachten Schadens.
3.1.3 Bei der Bewertung des erwarteten Schadensszenarios berücksichtigen die nationalen Behörden, dass der Schweregrad eines Schadens abhängig von mehreren Faktoren wie der inhärenten Gefahr des Produkts, der Art und Weise, wie das Produkt vom Benutzer verwendet wird oder verwendet werden kann, oder von der Art des Benutzers, der das Produkt verwendet, variieren kann.
3.2. Schadensszenario: Schritte, die zum Schaden bzw. zu Schäden führen
3.2.1 Je nach Anzahl der Faktoren, die bei der Bestimmung des Risikos eines Produkts zu berücksichtigen sind, können unterschiedliche Schadensszenarien erstellt werden. Die Mitgliedstaaten beginnen mit einem Szenario, in dem ein Benutzer, für den das Produkt bestimmt ist, das Produkt entsprechend seiner vorhersehbaren Verwendung verwendet.
3.2.2 Wenn von dem Produkt mehrere Risiken ausgehen, müssen für jedes dieser Risiken Schadensszenarien entwickelt werden.
3.2.3 Ein Schadensszenario muss aus der Analyse mindestens der folgenden Schritte bestehen:
a)Das Produkt hat einen Mangel oder kann während seiner vorhersehbaren Lebensdauer zu einer gefährlichen Situation führen.
b)Der Mangel oder die gefährliche Situation führt zu einem Unfall oder zu negativen Auswirkungen auf die Gesundheit oder Sicherheit einer Person (oder auf andere geschützte öffentliche Interessen, gegebenenfalls gemäß Abschnitt 2).
c)Der Unfall oder die negative Auswirkung führt zu einem Schaden.
3.2.4 Auf der Grundlage einer Einzelfallanalyse können die Mitgliedstaaten die in Abschnitt 3.2.3 genannten Schritte in weitere Schritte (höchstens fünf) unterteilen, um darzulegen, wie die Produktgefahr zu Schäden führen kann.
3.2.5 Da jeder der in den Abschnitten 3.2.3 und 3.2.4 genannten Schritte die Wahrscheinlichkeit des Eintretens erheblich verringern kann, müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass diese Schritte klar und prägnant sind und den kürzesten Weg zum Schaden veranschaulichen.
3.3.Schweregrad der Verletzung oder des Schadens
3.3.1.Der Schweregrad der Verletzung oder des Schadens für die Gesundheit und Sicherheit der Benutzer kann von folgenden Faktoren abhängen:
a)Art der Gefahr,
b)Ausmaß der Gefahr,
c)Auswirkung der Gefahr auf den Benutzer,
d)verletzter Körperteil,
e)Art der Auswirkung der Gefahr auf ein oder mehrere Körperteile,
f)Verbraucherkategorie und Verhalten des Verbrauchers.
Zur Bewertung des Schweregrads von Folgeerscheinungen legen die nationalen Behörden objektive Kriterien für deren Bewertung fest, die einerseits dem Umfang der erforderlichen medizinischen Behandlung und andererseits den Folgen für die künftige Lebensqualität des Benutzers Rechnung tragen.
3.3.2 Werden bei der Risikobewertung mehrere Schadensszenarien berücksichtigt, muss der Schweregrad jedes Schadens separat eingestuft und im gesamten Prozess zur Risikobewertung berücksichtigt werden.
3.3.3 Der Schweregrad der Verletzungen oder Schäden wird in vier Stufen eingeteilt, je nach der Reversibilität einer Verletzung oder eines Schadens, d. h. ob und inwieweit eine Wiederherstellung nach einer Verletzung oder einem Schaden möglich ist.
Bei der Bewertung des Risikoniveaus eines Produkts wenden die Mitgliedstaaten die in dieser Tabelle festgelegte Einstufung an.
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Beschreibung des Schweregrads
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Schadensniveau
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Gesundheits-/Sicherheitsschaden
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Sonstiger Schaden
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4
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Lebensbedrohlich: körperliche Schädigung oder Folgeerscheinung, die zum Tod führt oder führen könnte, einschließlich Hirntod; reproduktionstoxische Folgen; Verlust von Gliedmaßen oder schwerwiegende Funktionsbeeinträchtigung, der/die zu einer Behinderung von mehr als ca. 10 % führt.
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Weitreichende negative Auswirkungen, in mehrerlei Hinsicht irreversibel, ob akut oder nicht.
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3
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Schwer: körperliche Schädigung oder Folgeerscheinung, die in der Regel eine stationäre Behandlung erfordert und zu einer Funktionsbeeinträchtigung während mindestens sechs Monaten oder zu einem dauerhaften Funktionsverlust führt.
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Erhebliche negative Auswirkungen, zur Rückgängigmachung sind erhebliche Anstrengungen in Form einer Intervention eines Spezialisten erforderlich, ohne diese Maßnahmen und Anstrengungen irreversibel.
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2
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Mittel: körperliche Schädigung oder Folgeerscheinung, die unter Umständen eine ambulante, in der Regel jedoch keine stationäre Behandlung erforderlich macht. Die Funktion kann über einen begrenzten Zeitraum (maximal sechs Monate) beeinträchtigt sein; eine nahezu vollständige Wiederherstellung ist möglich.
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Negative Auswirkungen, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums reversibel sind, Intervention eines Spezialisten erforderlich.
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1
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Geringfügig: körperliche Schädigung oder Folgeerscheinung, die nach der Durchführung von Sofortmaßnahmen (Erste Hilfe, in der Regel nicht durch einen Arzt) keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung bzw. keine großen Schmerzen verursacht; in der Regel sind die Folgeerscheinungen vollkommen reversibel.
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Negative Auswirkungen, in der Regel innerhalb kurzer Zeit und ohne Intervention eines Spezialisten vollständig reversibel.
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3.3.4In Ausnahmefällen, einschließlich solcher im Zusammenhang mit kulturellen oder klimatischen Besonderheiten, können die Mitgliedstaaten von der Einstufung gemäß Abschnitt 3.3.3 abweichen. In solchen Fällen müssen die Mitgliedstaaten die Abweichung in der Risikobewertung, die der betreffenden Meldung beigefügt ist, begründen.
3.3.5 Soweit gemäß Abschnitt 2 zutreffend, können auch Schäden für andere geschützte Interessen gemäß einem ähnlichen – abstrakteren – Einstufungssystem mit vier Stufen wie dem in Abschnitt 3.3.3 dargelegten eingestuft werden.
3.4.Schadenswahrscheinlichkeit
3.4.1 Die Mitgliedstaaten weisen jedem einzelnen Schritt des gemäß Abschnitt 3.2 erstellten Schadensszenarios einen bestimmten Wahrscheinlichkeitswert zu.
3.4.2 Die Multiplikation der Wahrscheinlichkeitswerte ergibt zusammengenommen die Gesamtwahrscheinlichkeit des Schadensszenarios.
3.4.3 Die Mitgliedstaaten berechnen die Wahrscheinlichkeit eines Schadens als zusammengesetzte Wahrscheinlichkeit aller in einem bestimmten Schadensszenario stattfindenden Schritte. Werden mehrere Schadensszenarien entwickelt, so berechnen die Mitgliedstaaten die Wahrscheinlichkeit jedes dieser Szenarien.
3.4.4 Die Mitgliedstaaten wenden den in der Tabelle dargelegten Wahrscheinlichkeitsindex an.
Wahrscheinlichkeit des Eintretens des Schadensszenarios während der vorhersehbaren Lebensdauer des Produkts
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50 % oder höher
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Sehr häufig
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Zwischen 5/10 und 1/10
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Häufig
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Zwischen 1/10 und 1/100
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Verbreitet
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Zwischen 1/100 und 1/1000
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Gelegentlich
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Zwischen 1/1000 und 1/10 000
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Unwahrscheinlich
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Zwischen 1/10 000 und 1/100 000
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Ungewöhnlich
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Zwischen 1/100 000 und 1/1 000 000
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Selten
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1/1 000 000 oder geringer
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Äußerst selten
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3.5.Angabe der Wahrscheinlichkeit des Eintretens des Schadens
Um die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Schadens zu bestimmen, kann die Wahrscheinlichkeit in einem Schadensszenario wie folgt ausgedrückt werden:
a)quantitativ: Die Wahrscheinlichkeit lässt sich als Prozentwert oder Bruch ausdrücken, z. B. „> 50 %“ oder „> 1/1000“.
b)qualitativ: die Wahrscheinlichkeit kann gemäß der Darstellung in Abschnitt 3.4 als „sehr häufig“, „häufig“ usw. ausgedrückt werden.
3.6.Bestimmung des Risikoniveaus
3.6.1 Das Risikoniveau eines Produkts ist als Kombination aus dem Schweregrad des Schadens gemäß Abschnitt 3.3 und der Schadenswahrscheinlichkeit gemäß Abschnitt 3.4 zu bestimmen.
3.6.2 Die Mitgliedstaaten verwenden das in diesem Abschnitt enthaltene Raster, um die in Abschnitt 3.6.1 genannte Kombination zu bewerten und das Risikoniveau entsprechend zu bestimmen; unterschieden wird hierbei zwischen vier Risikoniveaus:
a)ernstes Risiko,
b)hohes Risiko,
c) mittleres Risiko oder
d)niedriges Risiko.
Wahrscheinlichkeit des Eintretens des Schadens während der vorhersehbaren Lebensdauer des Produkts
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Schweregrad des Schadens
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1
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2
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3
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4
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hoch
niedrig
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>50 %
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H
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E
|
E
|
E
|
|
> 1/10
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M
|
E
|
E
|
E
|
|
> 1/100
|
M
|
E
|
E
|
E
|
|
> 1/1000
|
N
|
H
|
E
|
E
|
|
> 1/10 000
|
N
|
M
|
H
|
E
|
|
> 1/100 000
|
N
|
N
|
M
|
H
|
|
> 1/1 000 000
|
N
|
N
|
N
|
M
|
|
< 1/1 000 000
|
N
|
N
|
N
|
N
|
E — Ernstes Risiko
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H — Hohes Risiko
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M — Mittleres Risiko
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N — Niedriges Risiko
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3.7.Bestimmung des Risikoniveaus für verschiedene Schadensszenarien
3.7.1 Werden im Zusammenhang mit einem Produkt unterschiedliche Schadensszenarien bewertet, so bestimmen die Mitgliedstaaten das Risikoniveau für jedes dieser Szenarien.
3.7.2 Ergibt die Bewertung unterschiedliche Risikoniveaus für die verschiedenen Schadensszenarien, so berücksichtigen sie für die Zwecke des Artikels 26 der Verordnung (EU) 2023/988 das höchste ermittelte Risikoniveau.
3.8. Dokumentation der Bewertung des Risikoniveaus
Die Mitgliedstaaten dokumentieren ihre Bewertung des Risikoniveaus eines Produkts ordnungsgemäß und nehmen diese Dokumentation in ihre Meldung über das Schnellwarnsystem Safety Gate auf; hiervon ausgenommen sind Fälle, in denen ein Risiko gemäß Abschnitt 4 als ernst angesehen wird.
4.Annahme eines ernsten Risikos
4.1.Von einem Produkt ausgehende Risiken gelten in folgenden Fällen als ernstes Risiko:
a)Das Produkt ist mit wahrscheinlichen Schadensniveaus, die den in Abschnitt 3.3 genannten Schweregraden 3 oder 4 entsprechen, verbunden, und von Verbrauchern und Endnutzern kann vernünftigerweise nicht erwartet werden, dass sie die erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, um sich selbst zu schützen oder das Eintreten des Risikos zu verhindern, oder sie werden von dem betreffenden Wirtschaftsakteur nicht angemessen darüber informiert, wie das Eintreten des Risikos vermieden werden kann. Die Bedingungen für das Eintreten des Risikos müssen unmittelbar mit der Gefahr des Produkts verknüpft sein.
b)Der Wirtschaftsakteur, der das Produkt in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt hat, oder der Anbieter eines Online-Marktplatzes, der es auf seiner Online-Schnittstelle aufgeführt hat, hat darauf hingewiesen, dass von dem Produkt ein ernstes Risiko ausgeht.
c)Das Produkt wurde auf der Grundlage freiwilliger Maßnahmen von Wirtschaftsakteuren oder Anbietern von Online-Marktplätzen zurückgerufen, vom Markt genommen oder von einer Website entfernt.
d)Das Produkt enthält einen chemischen Stoff, der durch Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union verboten ist, oder der betreffende Stoff wird in einer Konzentration verwendet, die über dem in den genannten Rechtsvorschriften festgelegten Grenzwert liegt.
e)Wenn gut dokumentierte Nachweise dafür vorliegen, dass bestimmte Merkmale des Produkts durchweg zu einem ernsten Risiko führen, unter anderem in folgenden Fällen:
i)Kleinteile, die sich aus Spielzeug oder Pflegeartikeln für Kinder unter 36 Monaten lösen oder darin vorhanden sind;
ii)leicht entzündliche Kostüme, die für Kinder bestimmt sind;
iii)leicht entzündliche Nachtwäsche und Nachtwäschestoffe für Kinder;
iv)Kinderartikel, von denen ein Risiko des Ertrinkens ausgeht;
v)Zugbänder im Kopf-, Hals- oder oberen Brustbereich an Kleidungsstücken für Kleinkinder;
vi)Elektroprodukte mit fehlerhaften Bauteilen, die zu Stromschlägen oder Bränden führen können.
4.2.In den in Abschnitt 4.1 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten die Meldung ohne individuelle Risikobewertung über das Schnellwarnsystem Safety Gate übermitteln.