Mitteilung der Kommission
Leitfaden zum strengen Schutzsystem für Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie
Leitfaden zum strengen Schutzsystem
für Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse im Rahmen der
FFH-Richtlinie
INHALT
VORWORT
1.KONTEXT
2.ARTIKEL 12
2.1Allgemeine rechtliche Überlegungen
2.2Notwendige Maßnahmen für ein strenges Schutzsystem
2.2.1Maßnahmen zur Einführung und wirksamen Umsetzung eines strengen Schutzsystems
2.2.2Maßnahmen zur Sicherung eines günstigen Erhaltungszustands
2.2.3Maßnahmen in Bezug auf die in Artikel 12 beschriebenen Situationen
2.2.4Bestimmungen von Artikel 12 Absatz 1 Buchstaben a bis d und Artikel 12 Absatz 4 in Bezug auf laufende Tätigkeiten
2.3Die besonderen Schutzbestimmungen des Artikels 12
2.3.1Absichtlicher Fang oder absichtliche Tötung von Exemplaren der in Anhang IV Buchstabe a genannten Arten
2.3.2Absichtliche Störung der in Anhang IV Buchstabe a genannten Arten, insbesondere während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Überwinterungs-
und Wanderungszeiten
2.3.3Absichtliche Zerstörung oder Entnahme von Eiern aus der Natur
2.3.4Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten
2.3.5Besitz, Transport, Handel oder Austausch und Angebot zum Verkauf oder Austausch von aus der Natur entnommenen Exemplaren
2.3.6System zur Überwachung des unbeabsichtigten Fangs oder Tötens von in Anhang IV Buchstabe a aufgeführten Arten
3.ARTIKEL 16
3.1Allgemeine rechtliche Überlegungen
3.1.1Verpflichtung zur vollständigen, eindeutigen und bestimmten Umsetzung
von Artikel 16
3.1.2Angemessene allgemeine Anwendung von Ausnahmen
3.2Ein sorgfältig kontrolliertes System der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen: die drei Kriterien
3.2.1KRITERIUM 1: Nachweis des Vorliegens eines der in Artikel 16 Absatz 1 Buchstaben a bis d genannten Gründe, um unter strenger Kontrolle,
selektiv und in beschränktem Ausmaß die Entnahme oder Haltung einer begrenzten und von den zuständigen einzelstaatlichen Behörden spezifizierten Anzahl von Exemplaren der in Anhang IV aufgeführten
Arten zu erlauben (Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e)
3.2.2KRITERIUM 2: Fehlen einer anderweitigen zufriedenstellenden Lösung
3.2.3KRITERIUM 3: Auswirkungen einer Ausnahmeregelung auf den Erhaltungszustand
3.3Zusätzliche Erwägungen
3.3.1Die Rolle von Artenaktionsplänen
3.3.2Verträglichkeitsprüfung für Pläne oder Projekte und Artenschutz
3.3.3Die Rolle von Ausgleichsmaßnahmen (Ausnahmen von Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d)
3.3.4Mehrere Arten betreffende Ausnahmen
3.3.5„Temporäre Natur“: Umgang mit der Besiedlung von neu erschlossenem Bauland durch in Anhang IV aufgeführte Arten
3.4Überwachung und Berichterstattung in Bezug auf Ausnahmeregelungen
3.4.1Überwachung der Auswirkungen von Ausnahmeregelungen
3.4.2Berichtspflichten nach Artikel 16 Absatz 2 und Artikel 16 Absatz 3
ANHANG I Verweise auf Rechtssachen
ANHANG II Verzeichnis der in den Anhängen II, IV und V
ANHANG III Die Umsetzung von Artikel 12 der FFH-Richtlinie
VORWORT
Warum eine Aktualisierung des Leitfadens zum strengen Schutzsystem für bestimmte Tierarten?
2007 wurde der erste Leitfaden zum strengen Schutzsystem für Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie
veröffentlicht. Mit diesem sollte ein besseres Verständnis der Artenschutzbestimmungen und der verwendeten Fachbegriffe erreicht werden.
Im Anschluss an den Fitness-Check der EU-Naturschutzrichtlinien (2014–2016) hat die Europäische Kommission den Aktionsplan für Menschen, Natur und Wirtschaft
angenommen, um eine bessere, intelligentere und kostengünstigere Umsetzung der Richtlinien zu fördern. In Maßnahme 1 des Aktionsplans wurde u. a. eine Aktualisierung des Leitfadens gefordert. Dies wurde angesichts der jüngsten Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) für notwendig erachtet, um eine bessere Vereinbarkeit mit allgemeineren sozioökonomischen Zielen sicherzustellen.
Der vorliegende Leitfaden ist das Ergebnis dieser Überarbeitung. Er trägt den praktischen Erfahrungen Rechnung, die seit der Veröffentlichung der ersten Fassung des Leitfadens bei der Umsetzung der Artenschutzbestimmungen der FFH-Richtlinie im Lauf der Jahre gesammelt wurden.
Gegenstand dieses Leitfadens
In diesem Leitfaden geht es um die Verpflichtungen, die sich aus den Artikeln 12 und 16 der FFH-Richtlinie ergeben. Mit diesen Verpflichtungen wird ein strenges Schutzsystem für die in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie aufgeführten Tierarten eingeführt, wobei jedoch unter bestimmten Bedingungen Abweichungen von den Vorschriften zulässig sind. Der Leitfaden stützt sich hauptsächlich auf die einschlägige Rechtsprechung des EuGH und Beispiele für Artenschutzsysteme in verschiedenen Mitgliedstaaten.
Der Leitfaden richtet sich an nationale, regionale und lokale Behörden, Naturschutzverbände und sonstige für die Umsetzung der FFH-Richtlinie zuständige oder daran beteiligte Organisationen sowie an Interessenträger. Ihnen soll er helfen, wirksame und pragmatische Methoden zur Anwendung der Bestimmungen zu entwickeln, bei denen der rechtliche Rahmen vollständig eingehalten wird. Die Mitgliedstaaten und die wichtigsten Interessenträger wurden zu verschiedenen Entwürfen des Leitfadens konsultiert, und ihre Anmerkungen wurden berücksichtigt.
Grenzen des Leitfadens
In diesem Leitfaden wird die Auffassung der Kommission von den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie dargelegt; er ist jedoch an sich nicht rechtsverbindlich. Somit werden keine neuen Vorschriften eingeführt, sondern Orientierungshilfen zur Anwendung der bestehenden gegeben. Nur der EuGH darf das EU-Recht verbindlich auslegen.
Der Leitfaden, der auch weiterhin in regelmäßigen Abständen aktualisiert wird, ist im Lichte der weiteren Rechtsprechung zu diesem Thema und der mit der Anwendung der Artikel 12 und 16 in den Mitgliedstaaten gewonnenen Erfahrungen zu sehen.
Aufbau des Leitfadens
Der Leitfaden gliedert sich in drei Hauptkapitel. Kapitel 1 befasst sich mit dem Stellenwert des Artenschutzes innerhalb des Gesamtsystems der FFH-Richtlinie. In Kapitel 2 wird ausführlicher auf die einschlägigen Rechtsvorschriften von Artikel 12 der Richtlinie eingegangen. In Kapitel 3 werden die möglichen Ausnahmen gemäß Artikel 16 näher untersucht.
Die wichtigsten Erkenntnisse, die sich aus den Analysen ergeben, werden jeweils am Anfang eines Abschnitts zusammengefasst (in Kursivdruck). In Anhang I findet sich eine vollständige Auflistung der Rechtssachen, auf die im Text Bezug genommen wird. Anhang II enthält das Verzeichnis der Tierarten, für die die Artenschutzbestimmungen gelten. Anhang III enthält ein Beispiel für die Umsetzung des Leitfadens im Fall des Wolfes.
1.KONTEXT
1.1
Artenschutz gemäß der Richtlinie 92/43/EWG
(1-1)
In Artikel 2 Absatz 1 wird das übergeordnete Ziel der FFH-Richtlinie festgelegt, das darin besteht, „zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten, für das der Vertrag Geltung hat, beizutragen“.
Im Einklang mit Artikel 2 Absatz 2 zielen die aufgrund dieser Richtlinie getroffenen Maßnahmen „darauf ab, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse zu bewahren oder wiederherzustellen“. Diese Maßnahmen tragen gemäß Artikel 2 Absatz 3 „den Anforderungen von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur sowie den regionalen und örtlichen Besonderheiten Rechnung“
.
Das vorrangige Ziel der FFH-Richtlinie ist daher die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands aller natürlichen Lebensräume und Arten von gemeinschaftlichem Interesse. In Artikel 1 Buchstabe i der Richtlinie wird der Begriff „günstiger Erhaltungszustand“ einer Art definiert.
(1-2)
Um dieses Ziel zu erreichen, enthält die Richtlinie zwei Hauptgruppen von Bestimmungen. Die erste Gruppe bezieht sich auf die Erhaltung der natürlichen Lebensräume und der Lebensräume von Arten (Artikel 3 bis 11), die zweite auf den Artenschutz (Artikel 12 bis 16).
(1-3)
Die Bestimmungen zum Artenschutz (Artikel 12 bis 16) gelten für das gesamte natürliche Verbreitungsgebiet von Arten in den Mitgliedstaaten, sowohl innerhalb als auch außerhalb von Natura-2000-Gebieten. Diese Vorschriften ergänzen die Bestimmungen für Natura-2000-Gebiete, die sich schwerpunktmäßig auf den Schutz der natürlichen Lebensräume und der Kerngebiete der in Anhang II der Richtlinie genannten geschützten Arten beziehen.
(1-4)
Eine Richtlinie ist hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, lässt jedoch bezüglich der Form und der Mittel zur Erreichung dieses Ziels den Mitgliedstaaten die Wahl. In der ständigen Rechtsprechung wird klargestellt, dass die Umsetzung in nationales Recht klar und bestimmt, genau und mit unbestreitbarer Verbindlichkeit erfolgen muss (vgl. Rechtssachen des EuGH C-363/85, C-361/88, C-159/99, Rn. 32, C-415/01, Rn. 21, C-58/02, C-6/04, Rn. 21, 25 und 26, sowie C-508/04, Rn. 80).
(1-5)
Bei der Auslegung und Anwendung der Bestimmungen der Richtlinie sollte auch dem Vorsorgeprinzip gemäß Artikel 191 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) Rechnung getragen werden, das darauf abzielt, durch vorbeugende Entscheidungen ein höheres Umweltschutzniveau zu gewährleisten, wenn eine Gefährdung vorliegt.
(1-6)
Bei der Umsetzung der Artenschutzbestimmungen der Richtlinie ist ein artspezifischer Ansatz unabdingbar. Die Mitgliedstaaten sollten daher bei ihren Umsetzungsmaßnahmen stets das angestrebte Ziel, die betroffene Tierart und die jeweiligen Umstände des Einzelfalls berücksichtigen.
(1-7)
Diese Ansprüche an Flexibilität und Verhältnismäßigkeit dürfen allerdings nicht missverstanden werden. Sie sollen nicht die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten zu wirksamem Handeln verringern, sondern den Behörden ausreichend Spielraum ermöglichen, um sich bei der Umsetzung der Richtlinie an die jeweiligen Umstände anzupassen (im Hinblick auf den Erhaltungszustand, aber auch auf soziale, wirtschaftliche und kulturelle Aspekte).
(1-8)
Nach Auffassung des Gerichtshofs „bilden die Artikel 12, 13 und 16 der Richtlinie gemeinsam ein in sich stimmiges Regelungssystem zum Schutz der Populationen der betroffenen Arten, so dass jede mit der Richtlinie unvereinbare Ausnahme davon sowohl die Verbote der Artikel 12 oder 13 als auch die Ausnahmebestimmung von Artikel 16 verletzt“
. Der Gerichtshof stellte ferner klar, dass „die Art. 12 bis 14 sowie Art. 15 Buchst. a und b der Richtlinie ein kohärentes System von Regelungen bilden, die die Mitgliedstaaten dazu verpflichten, für die betroffenen Tier- und Pflanzenarten ein strenges Schutzsystem einzuführen“
. Unabhängig davon, welcher Ansatz bei der Umsetzung dieser Bestimmungen verfolgt wird, muss das übergeordnete Ziel der Richtlinie eingehalten werden, nämlich die Sicherung der biologischen Vielfalt und die Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der natürlichen Lebensräume und der Arten von gemeinschaftlichem Interesse.
Natürliche Verbreitungsgebiete und Lebensräume – ein dynamisches Konzept
(1-9)
Der Begriff „natürliches Verbreitungsgebiet“ umreißt grob die räumlichen Grenzen, innerhalb derer ein bestimmter Lebensraum oder eine bestimmte Art vorkommt. Er ist nicht identisch mit den genauen Lokalitäten (der tatsächlich besetzten Fläche) oder Gebieten mit permanentem Vorkommen eines Lebensraums oder einer Art bzw. Unterart. Diese Lokalitäten oder Gebiete sind innerhalb der natürlichen Verbreitungsgebiete möglicherweise zerstückelt oder unzusammenhängend (d. h. die Lebensräume und Arten sind nicht unbedingt gleichmäßig verteilt). Wenn die Trennung nachweislich natürliche Ursachen hat, d. h. auf ökologische Faktoren zurückgeht, sind die einzelnen Vorkommen nicht als zusammenhängendes natürliches Verbreitungsgebiet zu interpretieren. So können zum Beispiel die Verbreitungsgebiete einer alpinen Art die Alpen und die Pyrenäen sein, nicht aber das Tiefland dazwischen. Das natürliche Verbreitungsgebiet umfasst jedoch auch Gebiete, die nicht permanent aufgesucht werden, z. B. bei wandernden Arten alle Land- oder Wasserflächen, die eine Art zu irgendeinem Zeitpunkt ihrer normalen Migration bewohnt bzw. durchzieht/überfliegt.
(1-10)
Ein natürliches Verbreitungsgebiet ist keine statische, sondern eine dynamische Größe: Es kann schrumpfen oder sich ausdehnen. Ein natürliches Verbreitungsgebiet kann einer der Aspekte zur Beurteilung der Bedingungen eines Lebensraums oder einer Art sein. Reicht die Größe des natürlichen Verbreitungsgebiets nicht aus, um den langfristigen Fortbestand des betreffenden Lebensraums oder der betreffenden Art zu gewährleisten, so sind die Mitgliedstaaten aufgefordert, einen Referenzwert für ein Verbreitungsgebiet festzulegen, das günstige Bedingungen bieten würde, und darauf hinzuarbeiten, dass dieser Wert erreicht wird, z. B. indem sie die Ausdehnung des bestehenden Verbreitungsgebiets fördern.
(1-11)
Wenn sich eine Art oder ein Lebensraum von selbst auf einer neuen Fläche oder in einem neuen Gebiet ausbreitet oder wenn eine Art innerhalb ihres früheren natürlichen Verbreitungsgebiets wiederangesiedelt wurde (entsprechend den Vorschriften in Artikel 22 der FFH-Richtlinie), ist das entsprechende Gebiet als Teil des natürlichen Verbreitungsgebiets anzusehen. Ebenso können auch die Wiederherstellung oder Sanierung oder Bewirtschaftung von Lebensräumen sowie bestimmte landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Verfahren zur Ausdehnung eines Lebensraums oder des natürlichen Verbreitungsgebiets einer Art führen. Jedoch sollten einzelne Tiere oder verwilderte Populationen einer Tierart, die absichtlich oder unabsichtlich durch den Menschen an Orten angesiedelt wurden, an denen sie von Natur aus nie heimisch waren oder wo sie sich in absehbarer Zeit nicht natürlich verbreitet hätten, als außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets lebend und insofern als nicht unter die Richtlinie fallend erachtet werden.
2.
ARTIKEL 12
Wortlaut des Artikels 12
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Artikel 12
(1) Die Mitgliedstaaten treffen die notwendigen Maßnahmen, um ein strenges Schutzsystem für die in Anhang IV Buchstabe a) genannten Tierarten in deren natürlichen Verbreitungsgebieten einzuführen; dieses verbietet:
a) alle absichtlichen Formen des Fangs oder der Tötung von aus der Natur entnommenen Exemplaren dieser Arten;
b) jede absichtliche Störung dieser Arten, insbesondere während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten;
c) jede absichtliche Zerstörung oder Entnahme von Eiern aus der Natur;
d) jede Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten.
(2) Für diese Arten verbieten die Mitgliedstaaten Besitz, Transport, Handel oder Austausch und Angebot zum Verkauf oder Austausch von aus der Natur entnommenen Exemplaren; vor Beginn der Anwendbarkeit dieser Richtlinie rechtmäßig entnommene Exemplare sind hiervon ausgenommen.
(3) Die Verbote nach Absatz 1 Buchstaben a) und b) sowie nach Absatz 2 gelten für alle Lebensstadien der Tiere im Sinne dieses Artikels.
(4) Die Mitgliedstaaten führen ein System zur fortlaufenden Überwachung des unbeabsichtigten Fangs oder Tötens der in Anhang IV Buchstabe a) genannten Tierarten ein. Anhand der gesammelten Informationen leiten die Mitgliedstaaten diejenigen weiteren Untersuchungs- oder Erhaltungsmaßnahmen ein, die erforderlich sind, um sicherzustellen, daß der unbeabsichtigte Fang oder das unbeabsichtigte Töten keine signifikanten negativen Auswirkungen auf die betreffenden Arten haben.
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(2-1)
Artikel 12 betrifft den Schutz der in Anhang IV Buchstabe a genannten Arten. Der Artikel ist auf das gesamte natürliche Verbreitungsgebiet der Arten innerhalb der EU anwendbar und zielt auf eine Beseitigung der unmittelbaren Bedrohungen für diese Arten ab; mit Ausnahme von Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d bezieht er sich jedoch nicht auf die Bedrohungen für die Lebensräume dieser Arten.
(2-2)
In Anhang IV Buchstabe a ist eine breite Vielfalt von Arten aufgelistet, von großen Wirbeltieren, die große Lebensräume beanspruchen, bis zu kleinen wirbellosen Tieren mit sehr kleinem Aktionsradius. Einige Arten sind darüber hinaus in Anhang II aufgeführt und profitieren daher auch von Maßnahmen zur Erhaltung ihrer Lebensräume in besonderen Schutzgebieten (Artikel 3 bis 10). Andere werden jedoch nur in Anhang IV Buchstabe a genannt, was bedeutet, dass für sie zur Erreichung des in Artikel 2 der Richtlinie formulierten Erhaltungsziels die Bestimmungen in Artikel 12 (für Tierarten) und Artikel 13 (für Pflanzenarten) maßgeblich sind.
(2-3)
Bevor ausführlich auf die Bestimmungen von Artikel 12 eingegangen wird, soll auf einige allgemeine rechtliche Überlegungen hingewiesen werden, die der EuGH entwickelt hat.
2.1
Allgemeine rechtliche Überlegungen
Die Umsetzung von Artikel 12 in nationales Recht muss vollständig, klar und bestimmt sein. Die nationalen Rechtsvorschriften müssen konkret genug sein, um den Anforderungen der Richtlinie zu genügen.
(2-4)
Die wirksame Anwendung von Artikel 12 der FFH-Richtlinie setzt dessen vollständige, klare und bestimmte Umsetzung durch die Mitgliedstaaten voraus. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs müssen „die Bestimmungen einer Richtlinie […] mit unbestreitbarer Verbindlichkeit und mit der Konkretheit, Bestimmtheit und Klarheit umgesetzt werden, die notwendig sind, um den Erfordernissen der Rechtssicherheit zu genügen“.
(2-5)
Nach Auffassung des Gerichtshofs „erfordert die Umsetzung einer Richtlinie zwar nicht unbedingt eine förmliche und wörtliche Übernahme ihrer Bestimmungen in eine ausdrückliche spezifische Rechtsvorschrift, sondern kann ihr durch einen allgemeinen rechtlichen Kontext Genüge getan werden, jedoch muss dieser tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie hinreichend klar und bestimmt gewährleisten“.
Um dem Erfordernis der Rechtssicherheit zu genügen, müssen sich nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs Einzelpersonen in einer klaren, genau definierten Rechtslage befinden, die es ihnen ermöglicht, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen.
Beschränkungen verschiedener Art können auf unterschiedliche Weise im Gesetz verankert werden. Unabhängig von der gewählten Form muss dies jedoch hinreichend klar, bestimmt und streng erfolgen. So wurde beispielsweise vom Gerichtshof ein Verbot der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, soweit der Anwender damit rechnen müsse, dass ihre Anwendung im Einzelfall schädliche Auswirkungen auf den Naturhaushalt habe, als nicht so klar, bestimmt und strikt erachtet wie das Verbot der Beschädigung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der geschützten Tierarten nach Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d der Richtlinie.
(2-6)
Bestimmungen zur Schaffung eines strengen Schutzrahmens sollten besonders an den in Anhang IV Buchstabe a genannten Arten ausgerichtet sein und den Anforderungen von Artikel 12 genügen. Die Bedeutung dieses Aspekts hat der Gerichtshof im Urteil betreffend den Schutz der Unechten Karettschildkröte (Caretta caretta) hervorgehoben.
Die griechische Regierung habe auf die Aufforderung des Gerichtshofs, die geltenden einschlägigen Vorschriften ihrer Rechtsordnung zu benennen, die ihrer Auffassung nach die Anforderungen des Artikels 12 erfüllten, „lediglich eine Reihe von Rechts- und Verwaltungsvorschriften aufgezählt […], ohne eine spezielle Vorschrift zu nennen, die geeignet wäre, diese Anforderungen zu erfüllen”.
Angesichts des besonderen Charakters von Artikel 12 befand der Gerichtshof, dass allgemeine Rechts- und Verwaltungsvorschriften, d. h. die bloße Wiedergabe des Wortlauts von Artikel 12 in einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, nicht immer ausreichten, um die Anforderungen des Artenschutzes zu erfüllen und die wirksame Anwendung von Artikel 12 sicherzustellen. Die förmliche Umsetzung von Artikel 12 in nationales Recht allein reicht nicht aus, um seine Wirksamkeit zu gewährleisten. Sie muss durch weitere Durchführungsbestimmungen ergänzt werden, um auf der Grundlage der Besonderheiten, spezifischen Probleme und Bedrohungen, mit denen eine in Anhang IV genannte Art oder Artengruppe konfrontiert ist, den strengen Schutz dieser Art oder Artengruppe zu gewährleisten.
(2-7)
Bei der Umsetzung der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten zur Sicherung einer einheitlichen Auslegung und Anwendung der Richtlinie die Bedeutung der darin verwendeten Begriffe und Konzepte beachten.
Dies bedeutet auch, dass die nationalen Umsetzungsmaßnahmen die vollständige Anwendung der Richtlinie gewährleisten sollten, ohne deren Wortlaut zu ändern, ihre Bestimmungen selektiv anzuwenden oder zusätzliche in der Richtlinie nicht vorgesehene Bedingungen oder Ausnahmen hinzuzufügen.
Wie der Gerichtshof bemerkte, „kommt […] der Genauigkeit der Umsetzung in einem Fall wie dem vorliegenden insofern besondere Bedeutung zu, als die Verwaltung des gemeinsamen Erbes den Mitgliedstaaten für ihr jeweiliges Hoheitsgebiet anvertraut ist. […] Demgemäß sind die Mitgliedstaaten im Bereich der Richtlinie, die komplexe und technische Regelungen des Umweltschutzrechts enthält, in besonderer Weise gehalten, dafür Sorge zu tragen, dass ihre zur Umsetzung der Richtlinie bestimmten Rechtsvorschriften klar und bestimmt sind.“
So wird nach Auffassung des Gerichtshofs bei einer Umsetzung von Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d in Rechtsvorschriften, die lediglich die Beschädigung oder Vernichtung von Fortpflanzungs- oder Ruhestätten untersagen, welche „ohne Weiteres erkennbar“ oder als solche „eindeutig bekannt und ausgewiesen sind“, oder die nur die vorsätzliche Beschädigung oder Zerstörung von Fortpflanzungs- oder Ruhestätten verbieten
, der wesentliche Inhalt von Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d geändert und sein Anwendungsbereich eingeschränkt. Die Bestimmung verpflichtet die Mitgliedstaaten, sowohl die vorsätzliche als auch die nicht vorsätzliche Zerstörung aller Fortpflanzungs- und Ruhestätten – nicht nur der allgemein bekannten – zu verbieten. Sie schließt auch die Ausnahme rechtmäßiger Handlungen von dem Verbot in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d aus. Eine solche Umsetzung ist daher mit Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d unvereinbar, da sie nicht die – vorsätzliche oder anderweitige – Zerstörung aller Fortpflanzungs- und Ruhestätten verbietet.
(2-8)
Darüber hinaus können „blosse Verwaltungspraktiken […], die die Verwaltung naturgemäß beliebig ändern kann, […] nicht als eine rechtswirksame Erfüllung der Verpflichtung angesehen werden […], die Artikel 189 EWG-Vertrag den Mitgliedstaaten, an die eine Richtlinie gerichtet ist, auferlegt”
. Diese Entscheidung wurde durch weitere Urteile des Gerichtshofs untermauert.
Das Vorhandensein einer nationalen Rechtsprechung allein kann ohne spezifische Rechtsvorschriften nicht als ordnungsgemäße Erfüllung der Verpflichtung zur vollständigen Umsetzung einer Richtlinie angesehen werden. Umgekehrt kann sich auch dann, „wenn die anwendbare nationale Regelung als solche mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, […] eine Vertragsverletzung […] aus dem Bestehen einer Verwaltungspraxis ergeben, die gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt“
.
1 – Rechtsprechung des EuGH: Das Urteil zur Unechten Karettschildkröte (Caretta caretta) auf Zakynthos
Die Entscheidung des Gerichtshofs zur Meeresschildkröte Caretta caretta (Kommission/Griechenland, C-103/00) war das erste Urteil zur Anwendung von Artikel 12 der FFH-Richtlinie auf eine bestimmte Tierart. Bis dahin hatte der Gerichtshof noch nie eine Auslegung der Anwendung und des Geltungsbereichs dieses Artikels vorgenommen.
Die Unechte Karettschildkröte (Caretta caretta) ist in den Anhängen II und IV der FFH-Richtlinie als streng zu schützende Art von gemeinschaftlichem Interesse aufgeführt. Die Bucht von Laganas auf der Insel Zakynthos ist der wichtigste Brutplatz dieser Schildkrötenart im Mittelmeer und gleichzeitig Natura-2000-Gebiet.
1998 hatten mehrere nichtstaatliche Organisationen auf die zahlreichen Probleme aufmerksam gemacht, mit denen die Tiere auf Zakynthos konfrontiert sind. Dazu zählten u. a. die unkontrollierte Nutzung der Strände der Insel und der umgebenden Meeresbereiche für den Tourismus, illegale Bautätigkeiten, das Mopedfahren an den Stränden und sonstige Aktivitäten mit potenziell negativen Auswirkungen für die Schildkröten.
Die Kommission forderte die griechischen Behörden auf, ihr Informationen über die zum Schutz dieser Tierart auf Zakynthos getroffenen Maßnahmen zu übermitteln. Auf der Grundlage dieser Informationen und der von Kommissionsbeamten bei Kontrollbesuchen gemachten Feststellungen wurde ein Vertragsverletzungsverfahren gemäß Artikel 258 AEUV eingeleitet mit der Begründung, Griechenland habe gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 12 Absatz 1 Buchstaben b und d der FFH-Richtlinie verstoßen. Im Vorverfahren vertraten die griechischen Behörden die Auffassung, dass alle geeigneten Maßnahmen zum Schutz der Schildkröten getroffen worden seien bzw. das Verfahren für ihre Genehmigung und Durchführung laufe.
Nach einer aktualisierten Lagebewertung durch die Kommission im Jahr 1999 wurde die Situation nach wie vor als unangemessen erachtet und der Fall an den Gerichtshof verwiesen. Die Kommission brachte in ihrer Klage vor, Griechenland habe gegen Artikel 12 Absatz 1 Buchstaben b und d der FFH-Richtlinie verstoßen, weil es zum einen keinen Rechtsrahmen geschaffen habe, um ein strenges Schutzsystem für die Meeresschildkröte Caretta caretta einzuführen, das die absichtliche Störung der Schildkröte während der Fortpflanzungszeit sowie die Beschädigung oder Zerstörung der Fortpflanzungsstätten verbiete, und zum anderen vor Ort keine konkreten und wirksamen Maßnahmen ergriffen habe, um derartige Probleme zu verhindern.
Am 30. Januar 2002 folgte der Gerichtshof den Argumenten der Kommission und verurteilte Griechenland, weil es kein wirksames System zum strengen Schutz der Meeresschildkröte Caretta caretta auf Zakynthos eingeführt hatte. Insbesondere hatten die griechischen Behörden nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen, um Störungen dieser Schildkrötenart während ihrer Fortpflanzungszeit sowie sonstige Aktivitäten, durch die ihre Fortpflanzungsstätten möglicherweise beschädigt oder vernichtet werden, zu verhindern.
Nach der zweiten Entscheidung wurde ein neuer Verwaltungsrat eingerichtet, um die Fortpflanzungsstrände zu überwachen und mit den lokalen Behörden (Präfektur, Gemeinden, Polizei, Hafenbehörde, Raumordnungsbehörde) zusammenzuarbeiten. Auch wurden mit nichtstaatlichen Organisationen, Wirtschaftsbeteiligten und Landeigentümern Verhaltenskodizes unterzeichnet. Nach der Bewertung der neuen Maßnahmen zum Schutz der Schildkrötenart gelangte die Kommission zu der Auffassung, dass Griechenland dem Urteil des Gerichtshofs nachgekommen sei, und beschloss am 27. Juni 2007, den Fall abzuschließen.
2.2
Notwendige Maßnahmen für ein strenges Schutzsystem
(2-9)
Nach Artikel 12 Absatz 1 der FFH-Richtlinie sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, „die notwendigen Maßnahmen [zu treffen], um ein strenges Schutzsystem für die in Anhang IV […] genannten Tierarten in deren natürlichen Verbreitungsgebieten einzuführen“. Dies wirft mehrere Fragen hinsichtlich bestimmter Begriffsdefinitionen auf. In der Richtlinie werden zwar klar die Verbote festgelegt, es wird aber beispielsweise nicht genau definiert, was unter „notwendigen“ Maßnahmen oder einem „strengen Schutzsystem“ zu verstehen ist.
(2-10)
Bei der Auslegung und Anwendung von Artikel 12 Absatz 1 Buchstaben a bis d muss daher unbedingt das in Artikel 2 formulierte Ziel der Richtlinie berücksichtigt werden. Die Richtlinie räumt den Mitgliedstaaten somit einen gewissen Spielraum bei der Einführung eines „Systems“ des strengen Schutzes für die in Anhang IV genannten Arten ein. Dieser Ermessensspielraum unterliegt jedoch bestimmten Beschränkungen; auch müssen verschiedene Mindestanforderungen eingehalten werden, die im Folgenden erläutert werden.
2.2.1
Maßnahmen zur Einführung und wirksamen Umsetzung eines strengen Schutzsystems
Die vollständige und wirksame Anwendung von Artikel 12 setzt Folgendes voraus: 1) die Einführung eines kohärenten Rechtsrahmens für das strenge Schutzsystem 2) konkrete Maßnahmen zu dessen wirksamer Durchsetzung vor Ort 3) die Anwendung einer Reihe kohärenter und koordinierter vorbeugender Maßnahmen.
(2-11)
Die vollständige und wirksame Anwendung von Artikel 12 erfordert einerseits die Einführung eines kohärenten Rechtsrahmens, d. h. die Verabschiedung von spezifischen Gesetzen, Regelungen oder Verwaltungsvorschriften, mit denen die in Artikel 12 genannten Tätigkeiten wirksam verboten werden, und andererseits die Ergreifung konkreter Maßnahmen, um diese Bestimmungen zum Schutz der in Anhang IV genannten Arten vor Ort durchzusetzen. Diese doppelte Absicherung ist für die Anwendung von Artikel 12 von grundlegender Bedeutung.
Der Gerichtshof hat diesen Ansatz in den Rechtssachen C-103/00 (betreffend den Schutz der Meeresschildkröte Caretta caretta auf Zakynthos)
, C-518/04 (betreffend den Schutz der Vipernart Vipera schweizeri auf Milos
), C-183/05 (betreffend den Schutz mehrerer in Anhang IV genannter Arten in Irland)
, C-383/09 (betreffend den Schutz der Art Cricetus cricetus (Feldhamster) in Frankreich)
und C-504/14 (betreffend den Schutz der Meeresschildkröte Caretta caretta in der Bucht von Kyparissia)
bestätigt.
(2-12)
In Artikel 12 Absatz 1 wird somit die Einführung und die Umsetzung eines strengen Schutzsystems verlangt, das die aufgeführten Tätigkeiten wirksam verbietet. Daher erfordert ein angemessenes strenges Schutzsystem für eine in Anhang IV genannte Tierart auch bestimmte kohärente und koordinierte vorbeugende Maßnahmen. Dies sollte gegebenenfalls auch für die grenzüberschreitende Koordinierung zwischen benachbarten Mitgliedstaaten gelten, wenn ein und dieselbe Population einer geschützten Art über mehrere Mitgliedstaaten verteilt vorkommt.
In der Rechtssache C-383/09, in der es um den Schutz der Art Cricetus cricetus (Feldhamster) ging, stellte der Gerichtshof fest, dass die Umsetzung der Bestimmung aus Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d neben der Schaffung eines vollständigen gesetzlichen Rahmens auch die Durchführung konkreter besonderer Schutzmaßnahmen und den Erlass kohärenter und koordinierter Präventionsmaßnahmen erfordere
(siehe auch Rechtssachen C-518/04
und C-183/05
). Ein solches strenges Schutzsystem müsse also imstande sein, tatsächlich die Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der in Anhang IV Buchstabe a der FFH-Richtlinie genannten Tierarten zu verhindern (vgl. Rechtssache C-103/00
).
In der Rechtssache Skydda Skogen (C-473/19 und C-474/19) bestätigte der Gerichtshof, dass es für die Verwirklichung der Ziele der FFH-Richtlinie entscheidend darauf ankomme, dass die zuständigen Behörden in der Lage seien, die für die von dieser Richtlinie geschützten Arten schädlichen Tätigkeiten vorherzusehen, wobei es unerheblich sei, ob mit der betreffenden Tätigkeit das Töten oder Stören dieser Arten bezweckt werde oder nicht.
(2-13)
Dies geht unmittelbar aus dem Begriff „strenges Schutzsystem“ hervor und trägt auch dem notwendigen Zusammenhang zwischen den getroffenen Maßnahmen und dem Ziel des Artikels 12 und dem allgemeinen Ziel der Richtlinie Rechnung. Die Maßnahmen müssen zur langfristigen Erhaltung der betreffenden Arten oder zur Wiederherstellung ihrer Population in ihrem natürlichen Lebensraum beitragen und wirksam durchgesetzt werden.
Diese Auslegung wird durch die Erwägungsgründe 3
und 15
der Richtlinie bestätigt, die auf die Förderung bestimmter Tätigkeiten des Menschen und auf Regulierungsmaßnahmen als Voraussetzung für die Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der Arten verweisen. Die Erwägungsgründe selbst sind nicht rechtsverbindlich und können die materiellen Bestimmungen der Richtlinie keinesfalls außer Kraft setzen, doch sie geben einen klaren Hinweis auf die Absicht. Obwohl der Gerichtshof seine Urteile nicht unmittelbar auf die Erwägungsgründe stützt, werden diese häufig herangezogen, um die Auslegung der materiellrechtlichen Bestimmungen des abgeleiteten Rechts zu stützen.
(2-14)
Die Forderung, konkrete kohärente und koordinierte vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen, um der Anforderung des strengen Schutzes der in Anhang IV genannten Arten zu genügen, bedeutet nicht zwangsläufig, dass auf einzelstaatlicher Ebene neue Strukturen geschaffen oder neue Genehmigungsverfahren eingeführt werden müssen. Bei Projekten, die sich möglicherweise auf in Anhang IV genannte Arten auswirken, können die Mitgliedstaaten bestehende Planungsverfahren anpassen, um den Anforderungen von Artikel 12 gerecht zu werden. Dies bedeutet, dass die Beurteilung der Auswirkungen auf die Arten und deren Fortpflanzungs- und Ruhestätten in bereits bestehende Entscheidungsprozesse auf den verschiedenen einzelstaatlichen Ebenen eingebunden werden können, z. B. bei Flächennutzungsentscheidungen oder Umweltverträglichkeitsprüfungen für Pläne und Projekte.
In Bezug auf laufende Tätigkeiten können die Mitgliedstaaten als Instrumente zur Umsetzung der Bestimmungen des Artikels 12 Planungsverfahren, Vorschriften oder Kodizes für bewährte Verfahren (die hinreichend detailliert und klar sein müssen) anwenden. Wie in Abschnitt 2.3.4 erläutert, dienen solche Ansätze und Instrumente jedoch der Ergänzung des förmlichen rechtlichen Schutzes und ersetzen diesen nicht.
2 – Beispiel für bewährte Verfahren: Umweltgenehmigung für Projekte, Verträglichkeitsprüfung und strenger Artenschutz in Frankreich
Seit 2017 sieht das französische Umweltgesetzbuch (Artikel L. 181-1) vor, dass für Projekte mit Auswirkungen auf die Umwelt eine Umweltgenehmigung erteilt werden muss (die betroffenen Projektarten sind in einer Nomenklatur aufgeführt). Damit soll sichergestellt werden, dass die Projekte den einschlägigen Umweltvorschriften (bezüglich Wasser, Umweltrisiken, biologischer Vielfalt, Landschaftsschutz usw.) entsprechen, darunter auch den strengen Artenschutzbestimmungen der FFH-Richtlinie.
In diesem Rahmen ist eine auf Umweltstudien beruhende Verträglichkeitsprüfung erforderlich, die ihrerseits helfen kann, festzulegen, welche Maßnahmen erforderlich sind, um die Auswirkungen auf geschützte Arten zu vermeiden und zu verringern. Oberstes Ziel ist jedoch die Einhaltung der Verbote in Bezug auf geschützte Arten. Wenn dies nicht möglich ist und eine Abweichung von den strengen Artenschutzregelungen erforderlich ist, muss eine ausführliche Studie durchgeführt werden, aus der hervorgeht, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung erfüllt sind. Anschließend wird der Fall vom nationalen Rat für Naturschutz geprüft. Die Umweltgenehmigung kann nur erteilt werden, wenn das Projekt sämtlichen einschlägigen Umweltvorschriften in vollem Umfang entspricht.
Nach der Genehmigung wird das Projekt einer Vor-Ort-Kontrolle und einer Verwaltungskontrolle unterzogen, um sicherzustellen, dass die Bestimmungen der Genehmigung eingehalten werden.
2.2.2
Maßnahmen zur Sicherung eines günstigen Erhaltungszustands
Die im Rahmen von Artikel 12 getroffenen strengen Schutzmaßnahmen müssen zur Erreichung des Gesamtziels der Richtlinie beitragen, d. h. zur Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands.
(2-15)
Bei der Auslegung von Artikel 12 ist dem Ziel der FFH-Richtlinie gemäß Artikel 2 Rechnung zu tragen, das unterschiedslos für die in sämtlichen Anhängen aufgeführten Lebensräume und Arten gilt. Folglich sollten strenge Schutzmaßnahmen, die gemäß Artikel 12 ergriffen werden, die Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der in Anhang IV genannten Arten von gemeinschaftlichem Interesse gewährleisten oder dazu beitragen.
(2-16)
Darüber hinaus ist Artikel 12 unter Berücksichtigung von Artikel 1 Buchstabe i auszulegen, wo definiert wird, was unter dem günstigen Erhaltungszustand einer Art zu verstehen ist. Das bedeutet, dass bei Entscheidungen über durchzuführende Maßnahmen die besonderen Umstände der jeweiligen Situation und die Spezifität der einzelnen Arten zugrunde gelegt werden müssen. So können die Merkmale einer Art, wie z. B. ihr Erhaltungszustand, spezifischere oder intensivere Schutzmaßnahmen rechtfertigen.
In seinem Urteil bezüglich des Feldhamsters (Cricetus cricetus) vertrat der Gerichtshof die Auffassung, dass die durchgeführten Maßnahmen „nicht ausreichten, um die Beschädigung oder die Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten des Feldhamsters tatsächlich zu verhindern“ (Rechtssache C-383/09, Rn. 37 und 25). Der Gerichtshof befand, dass „trotz der im Plan zur Erholung des Bestands des [Feldhamsters] (2007–2011) festgelegten Maßnahmen und der jeweiligen verbindlichen Zusagen derjenigen, die von den Schutzmaßnahmen für diese Art betroffen sind, die bisher erzielten biologischen Ergebnisse für den Schutz dieser Art in Frankreich unzureichend sind“. Daher sei es „geboten […], die Regelung zugunsten des Feldhamsters deutlich und rasch zu verbessern, um kurzfristig biologische Ergebnisse zu erzielen, die eine Erholung der Art belegen“. Dies bedeutet, dass das strenge Schutzsystem an die Bedürfnisse und den Erhaltungszustand der Art angepasst werden muss.
3 – Weitere Orientierungshilfen: Artenaktionspläne der EU für ausgewählte Arten
Seit 2008 unterstützt die Europäische Kommission die Ausarbeitung verschiedener Artenaktionspläne der EU für ausgewählte Arten, die in der FFH-Richtlinie aufgeführt sind. Die Pläne sollen als Instrument zur Ermittlung und Priorisierung von Maßnahmen zur Wiederherstellung der Populationen dieser Arten in ihrem gesamten Verbreitungsgebiet in der EU genutzt werden. Sie enthalten Informationen über den Zustand, die Ökologie, die Bedrohungen und die derzeitigen Erhaltungsmaßnahmen für die einzelnen Arten und führen die wichtigsten Maßnahmen auf, die zur Verbesserung ihres Erhaltungszustands in den EU-Mitgliedstaaten und zur Einhaltung anderer einschlägiger EU-Rechtsvorschriften erforderlich sind. Jeder Plan ist das Ergebnis eines umfassenden Konsultationsprozesses mit entsprechenden Fachleuten in der EU.
- Aktionsplan zur Erhaltung der Gemeinen Geburtshelferkröte in der EU
- Aktionsplan zur Erhaltung des Orangeroten Heufalters in der EU
- Aktionsplan zur Erhaltung des Europäischen Ziesels in der EU
- EU-Aktionsplan zur Erhaltung aller Fledermausarten in der Europäischen Union (2018–2024)
- Pan-Europäischer Aktionsplan zum Schutz der Störe
Die Pläne sollen die Mitgliedstaaten bei der Erhaltung der betreffenden Arten unterstützen, sind aber keine rechtsverbindlichen Dokumente und für die Mitgliedstaaten über deren bestehende rechtliche Verpflichtungen im Rahmen der Richtlinie hinaus nicht bindend.
Die erstellten Aktionspläne sind abrufbar unter http://ec.europa.eu/environment/nature/conservation/species/action_plans/index_en.htm.
4 – Bewährte Verfahren: Erhaltung des Kantabrischen Bären in Spanien
In Spanien sind drei Großraubtiere heimisch: der Iberische Luchs (Lynx pardinus), der Braunbär (Ursus arctos) und der Wolf (Canis lupus). Wie auch in anderen europäischen Ländern wurden die beiden letzteren Arten jahrhundertelang verfolgt.
Mitte des 20. Jahrhunderts bestand die Bärenpopulation im Kantabrischen Gebirge nur noch aus 60 bis 70 Tieren, aufgeteilt in zwei Teilpopulationen. Eine weitere kleine Population aus 20-30 Bären lebte in den Pyrenäen. Die spanische Strategie zur Erhaltung des Kantabrischen Bären wurde 1999 auf den Weg gebracht und 2019 aktualisiert. Die Strategie für die Bärenpopulationen in den Pyrenäen (Wiederansiedlung in den französischen Pyrenäen, wobei einige Tiere auch auf spanischer Seite freigesetzt wurden) wurde 2007 genehmigt. Die Strategien umfassen u. a. Maßnahmen zur Umsetzung von Artikel 12 der FFH-Richtlinie.
Im Jahr 1992 wurde das erste LIFE-Projekt zur Erholung der beiden Teilpopulationen im Verbreitungsgebiet des Kantabrischen Gebirges genehmigt. Seither wurden im gesamten Verbreitungsgebiet im Norden der Iberischen Halbinsel 26 Projekte durchgeführt, die direkt oder indirekt mit den Bären zu tun hatten. Der überwiegende Teil dieser Projekte fand im Kantabrischen Gebirge und in Galicien statt, einige auch in den Pyrenäen. Die Ziele bestanden darin, den Lebensraum zu verbessern, die Wilderei zu beenden, durch Sensibilisierungsmaßnahmen die Unterstützung und das Engagement der lokalen Bevölkerung und verschiedener Akteure zu gewinnen, die ökologische Konnektivität zwischen den Populationen zu verbessern, gegen die Vergiftung der Bären vorzugehen und die Vergrößerung der Populationen zu fördern.
Dank der Unterstützung durch die nationale und die Regionalregierung und durch nichtstaatliche Organisationen waren die Projekte im Kantabrischen Gebirge sehr erfolgreich. Auch die Bevölkerung hat inzwischen eine positivere Einstellung zu den Bären, und gewildert wird inzwischen fast gar nicht mehr. Derzeit wird die Population auf 270-310 Tiere geschätzt
, und sie wächst weiter.
2.2.3
Maßnahmen in Bezug auf die in Artikel 12 beschriebenen Situationen
Die nach Artikel 12 zu treffenden Maßnahmen werden durch den Inhalt der in diesem Artikel enthaltenen Verbote und sonstigen Verpflichtungen umrissen. Auch vorbeugende Maßnahmen können beschlossen und durchgeführt werden, um den Bedrohungen und Risiken, denen eine Art möglicherweise ausgesetzt ist, zuvorzukommen und dagegen vorzugehen.
(2-17)
Der Geltungsbereich und die Art der zur Einführung eines strengen Schutzsystems zu treffenden Maßnahmen werden durch die in Artikel 12 genannten Verbote und sonstigen Verpflichtungen umrissen (siehe auch Abschnitt 2.3). Folglich müssen sich die getroffenen Maßnahmen auf Tätigkeiten beziehen, die die Arten selbst (Artikel 12 Absatz 1 Buchstaben a bis c sowie Artikel 12 Absätze 2, 3 und 4) oder bestimmte Teile ihrer Lebensräume (Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d) gefährden. Durch Artikel 12 Absatz 1 allein oder in Verbindung mit Artikel 2 werden die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, proaktive Bewirtschaftungsmaßnahmen für Lebensräume zu treffen
, sondern es werden darin lediglich Maßnahmen gefordert, um alle in Artikel 12 Absatz 1 aufgeführten Tätigkeiten wirksam zu verbieten. Darüber hinaus schreibt Artikel 12 Absatz 4 vor, dass „die Mitgliedstaaten diejenigen weiteren Untersuchungs- oder Erhaltungsmaßnahmen ein[leiten], die erforderlich sind, um sicherzustellen, daß der unbeabsichtigte Fang oder das unbeabsichtigte Töten keine signifikanten negativen Auswirkungen auf die betreffenden Arten haben“.
(2-18)
Für verschiedene in Anhang IV genannte Arten und für unterschiedliche Situationen können verschiedene Arten von Maßnahmen erforderlich sein. Diese können je nach den unterschiedlichen ökologischen Anforderungen der Art und den spezifischen Problemen und Bedrohungen, denen die Arten oder Artengruppen ausgesetzt sind, variieren. Es obliegt den nationalen Behörden, die Maßnahmen festzulegen, die zur wirksamen Umsetzung der Verbote in Artikel 12 Absatz 1 und zur Sicherstellung des strengen Artenschutzes erforderlich sind.
(2-19)
Daher sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, sowohl ein Verbot im Einklang mit Artikel 12 Absatz 1 in die Rechtsvorschriften aufzunehmen als auch dieses Verbot wirksam durchzusetzen und umzusetzen, u. a. auch durch vorbeugende Maßnahmen (z. B. Sensibilisierung für die bestehenden Verbote, Überwachung usw.). Aus dem Wortlaut von Artikel 12 und von Artikel 1 Buchstabe i und aus dem Ziel, einen günstigen Erhaltungszustand zu „bewahren“, geht hervor, dass die Verpflichtungen gemäß Artikel 12 für die Mitgliedstaaten bereits bindend sind, bevor eine zahlenmäßige Abnahme der betreffenden Art festgestellt wird bzw. bevor die Gefahr des Verschwindens einer geschützten Art eingetreten ist.
Selbst wenn sich eine Art in einem günstigen Erhaltungszustand befindet und davon ausgegangen werden kann, dass dies in absehbarer Zukunft so bleibt, sollten die Mitgliedstaaten auch vorbeugende Maßnahmen zum Schutz der Art vor den in Artikel 12 genannten Tätigkeiten treffen.
Der EuGH hat klargestellt, dass „die Durchführung der in Art. 12 Abs. 1 Buchst. a bis c der Habitatrichtlinie vorgesehenen Schutzregelung nicht davon abhängt, dass eine bestimmte Maßnahme mit dem Risiko verbunden ist, dass sie sich negativ auf den Erhaltungszustand der betroffenen Tierart auswirkt“, und „der Schutz dieser Bestimmung auch für die Arten noch gilt, die einen günstigen Erhaltungszustand erreicht haben“. Darüber hinaus könne „die Durchführung der Schutzregelung nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. d der Habitatrichtlinie, da sie nicht von der Anzahl der Exemplare der betroffenen Art abhängig ist, […] nicht vom Risiko einer negativen Auswirkung auf den Erhaltungszustand dieser Art abhängen“.
(2-20)
Diese Auffassung wurde vom Gerichtshof in den Rechtssachen C-103/00, C-518/04, C-183/05 und C-383/09, in denen er die Bedeutung des vorbeugenden Charakters der getroffenen Maßnahmen hervorgehoben hat, bestätigt.
Der Gerichtshof wies das Argument der griechischen Regierung zurück, wonach als Beweis für das Fehlen eines strengen Schutzsystems für die Meeresschildkröte Caretta caretta nachgewiesen sein müsse, dass sich die Anzahl der Gelege verringert habe. Dem Gerichtshof zufolge kann „[d]er Umstand, dass die Zahl der Nester dieser Art während der letzten 15 Jahre nicht zurückgegangen ist, […] als solcher diese Feststellung nicht in Frage stellen” (d. h. das Fehlen eines strengen Schutzsystems für die Meeresschildkröte Caretta caretta).
Der Gerichtshof befand, dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von Artikel 12 nicht nur verpflichtet seien, einen vollständigen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, sondern diesbezüglich auch besondere praktische Schutzmaßnahmen durchführen müssten, und dass das strenge Schutzsystem auch den Erlass kohärenter und koordinierter Präventionsmaßnahmen voraussetze.
Ein solches strenges Schutzsystem müsse also imstande sein, tatsächlich die Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der in Anhang IV Buchstabe a der FFH-Richtlinie genannten Tierarten zu verhindern (vgl. in diesem Sinne das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C‑103/00, Kommission/Griechenland, Slg. 2002, S. I‑1147, Rn. 39).
(2-21)
Ein solcher Ansatz findet sich auch in Artikel 191 AEUV, wonach „[d]ie Umweltpolitik der Union […] auf ein hohes Schutzniveau ab[zielt]“ und auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung beruht. Dank vorbeugender Maßnahmen ist es möglich, Gefahren und Risiken für eine Art zuvorzukommen und dagegen vorzugehen. Folglich sollten bei einigen Arten vorbeugende Maßnahmen auch Bestandteil der „notwendigen Maßnahmen“ zur Einführung eines strengen Schutzsystems sein.
5 – Weitere Orientierungshilfen: Beispiele für vorbeugende Maßnahmen, mit denen die wirksame Umsetzung der Verbote in Artikel 12 vor Ort unterstützt werden kann
·Informationskampagnen zur Sensibilisierung der Allgemeinheit oder einer Zielgruppe (z. B. Landeigentümer) für die Schutzanforderungen bestimmter Arten und deren Lebensräume sowie für die Lage ihrer Fortpflanzungs- und Ruhestätten.
·Maßnahmen, mit denen sichergestellt wird, dass bei einschlägigen Wirtschaftstätigkeiten (z. B. Landwirtschaft, Forstwirtschaft oder Fischerei), die sich auf in Anhang IV genannte Arten auswirken können, Belange des Artenschutzes berücksichtigt werden, um die negativen Folgen bestimmter Formen der Land- oder Meeresnutzung zu vermeiden. Dies könnte Schulungen, Verhaltenskodizes, Leitfäden oder die Anpassung von forst- oder landwirtschaftlichen Nutzungsplänen sowie bewährte Verfahren oder Verwaltungsabläufe umfassen.
·Aktive Vorbeugung gegen mögliche Störungen (z. B. Einschränkung des Zugangs zu Fledermaushöhlen während sensibler Zeiten, um Störungen und Vandalismus zu vermeiden, Änderung oder Einschränkung von landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen und Fischereitätigkeiten).
·Ausweisung besonders schädlicher Tätigkeiten, für die Sondergenehmigungen oder lokale Kontrollen erforderlich sind.
·Ausweisung potenziell schädlicher Tätigkeiten, die eine Überwachung erfordern.
·Einbeziehung von Anforderungen an die Bewertung der Auswirkungen von Projekten und Plänen auf in Anhang IV genannte Arten und deren Fortpflanzungs- und Ruhestätten in die Umweltverträglichkeitsprüfung und die Verfahren der strategischen Umweltprüfung.
·Kontrollen und Einsatz von Rangern zur Überwachung.
·Ausarbeitung nationaler Artenschutzpläne, in denen die oben genannten Maßnahmen genau festgelegt würden und die Praxisleitfäden für lokale bzw. regionale Behörden, betroffene Interessengruppen usw. bieten könnten, um diese bei der wirksamen Umsetzung der Bestimmungen für bestimmte Arten zu unterstützen.
6 – Beispiel für bewährte Verfahren: Nationaler Artenschutzplan für Schwertwale in Spanien
2017 verabschiedete Spanien einen Plan zur Erhaltung von Schwertwalen (Orcinus orca) in der Meerenge von Gibraltar und im Golf von Cádiz, also in den beiden Gebieten, in denen diese Art in spanischen Gewässern vorkommt. Es handelt sich dabei um den ersten in Spanien genehmigten Plan zur Erhaltung einer Meerestierart. Der Zustand der Schwertwalpopulation in der Meerenge von Gibraltar und im Golf von Cádiz wird im spanischen Katalog der bedrohten Arten (CEEA) als „gefährdet“ bezeichnet, wurde jedoch von Spanien in seinem jüngsten Artikel-17-Bericht positiv bewertet. Der Plan sieht Maßnahmen zur Verringerung der Bedrohungen für Schwertwale in den betreffenden Gebieten vor mit dem Ziel, einen günstigen Erhaltungszustand zu garantieren.
Die Hauptbedrohungen sind die Verringerung der natürlichen Beute durch Überfischung, Zwischenfälle mit Schiffen sowie die akustische und chemische Verschmutzung. Der Plan umfasst daher Maßnahmen wie das Verbot der Erdöl- und Erdgasexploration durch seismische Untersuchungen in bestimmten Gebieten, die Regulierung der touristischen Walbeobachtung, die Verringerung des Fischereiaufkommens, um ausreichende Nahrungsressourcen für die Walpopulation sicherzustellen, die Verringerung der Verschmutzung in den betreffenden Gebieten sowie die Überwachung der Population.
Darüber hinaus wurden weitere Rechtsakte zum Schutz der Wale angenommen. Das Königliche Dekret 1727/2007 sieht Schutzmaßnahmen für Wale vor, unter anderem in Bezug auf Walbeobachtungsaktivitäten. Mit dem Königlichen Dekret 699/2018 wird der Wanderkorridor von Walen im Mittelmeer als Meeresschutzgebiet ausgewiesen. Ferner wird darin ein System des präventiven Schutzes befürwortet und empfohlen, den Wanderkorridor in die Liste der besonderen Schutzgebiete des Mittelmeers im Rahmen des Übereinkommens von Barcelona aufzunehmen.
Schwerpunktprojekte wie das Meeresschutzprojekt LIFE IP INTEMARES umfassen Maßnahmen zur Erhaltung von Walen, z. B. Analysen des Schiffsverkehrs und der Verteilung der Wale, um die Sterblichkeit von Walen durch Kollisionen in Gewässern um die Balearen und die Kanarischen Inseln zu verringern. Darüber hinaus gibt es Maßnahmen zur Begrenzung von touristischen Walbeobachtungsaktivitäten sowie zur Reduzierung der Lärmemissionen im Meer.
7 – Bewährte Verfahren: Schutz von Fledermaushöhlen in Rumänien
Das Pădurea-Craiului-, das Bihor- und das Trascău-Gebirge in Rumänien werden von spektakulären unterirdischen Höhlen unterschiedlicher Größe durchzogen. Diese beherbergen große Kolonien verschiedener Fledermausarten, die durch die FFH-Richtlinie geschützt werden. Fledermäuse reagieren sehr empfindlich auf jede Art von Störung, insbesondere während ihrer Schlaf- und Winterschlafzeiten.
Um die vorhandenen Quartiere vor Störungen durch Touristen zu schützen, wurden 2010 im Rahmen eines LIFE-Projekts
die Eingänge zu 15 Höhlen, die bedeutende Fledermausquartiere beherbergen (allein in der Höhle Huda lui Papară leben 100 000 Tiere), geschlossen. Dazu wurde ein Spezialgitter bzw. ein Zaun am Höhleneingang angebracht, um den Zugang durch Menschen zu begrenzen, ohne die Fledermäuse beim Ein- und Ausfliegen zu behindern.
Führungen können in diesen Höhlen zwar nach wie vor in kleinen Gruppen stattfinden, doch ist ein verpflichtender Verhaltenskodex zu befolgen, damit die Fledermäuse nicht gestört werden. Auf Informationstafeln am Eingang der Höhlen wird erläutert, warum die Höhlen geschlossen wurden und welche Fledermausarten geschützt werden.
2.2.4
Bestimmungen von Artikel 12 Absatz 1 Buchstaben a bis d und Artikel 12 Absatz 4 in Bezug auf laufende Tätigkeiten
Bei laufenden Tätigkeiten wie Land- und Forstwirtschaft oder Fischerei besteht die Herausforderung vor allem darin, die Artenschutzbestimmungen gemäß Artikel 12 so anzuwenden, dass Konflikten rechtzeitig vorgebeugt wird. Durch den Einsatz von Planungsinstrumenten, Verhaltenskodizes sowie Praxisinformationen und -leitfäden ist es potenziell möglich, dem Erhaltungsbedarf nachzukommen und zugleich wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Belangen Rechnung zu tragen. Allerdings müssen diese Instrumente in einen Rechtsrahmen eingebettet sein, der bei Nichteinhaltung von Vorschriften eine ordnungsgemäße Durchsetzung durch die Regulierungsbehörden gewährleistet. Dabei sind Fälle der unbeabsichtigten Störung oder des unbeabsichtigten Tötens einzelner Exemplare während laufender Tätigkeiten nach Artikel 12 Absatz 4 zu regeln.
(2-22)
Auch wenn Projektgenehmigungsverfahren natürlich mit der Anwendung von Schutzvorschriften verknüpft werden können (z. B. bei Bau- und Infrastrukturprojekten), kann es bei wiederkehrenden und weit verbreiteten Tätigkeiten, z. B. in der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft oder der Fischerei
, durchaus problematisch werden.
Die Richtlinie gilt jedoch auch für diese Tätigkeiten. Der EuGH hat klargestellt, dass die Verbote in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe a bis c der FFH-Richtlinie auf Aktivitäten wie eine forstwirtschaftliche Maßnahme oder eine Erschließung Anwendung finden können, mit der offenkundig ein anderer Zweck verfolgt wird als das Fangen oder Töten oder die Störung von Tierarten oder die absichtliche Zerstörung oder Entnahme von Eiern.
Gleiches gilt entsprechend für das Verbot in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d der FFH-Richtlinie.
Die Mitgliedstaaten müssen daher sicherstellen, dass sie ihre Verpflichtungen zum Schutz der in Anhang IV aufgeführten Arten auch im Falle von laufenden Tätigkeiten erfüllen. Dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass auf nationaler Ebene neue Strukturen geschaffen oder neue Genehmigungsverfahren eingeführt werden müssen. Die Mitgliedstaaten verfügen höchstwahrscheinlich über Planungsverfahren, Vorschriften oder Kodizes für bewährte Verfahren, die an die Bestimmungen von Artikel 12 angepasst werden können. Doch unabhängig davon, welcher Ansatz gewählt wird, um die Anforderungen von Artikel 12 auf laufende Tätigkeiten anzuwenden (Schaffung eines neuen Mechanismus oder Anpassung bestehender Mechanismen), müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die strengen Schutzanforderungen in angemessener Weise erfüllt werden. Da es in diesem Punkt erhebliche Unterschiede zwischen Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei gibt, wird im Folgenden auf jeden Bereich gesondert eingegangen.
(2-23)
Im Bereich der Landwirtschaft
haben sich einige Mitgliedstaaten für vorbeugende Maßnahmen entschieden, um die Einhaltung von Artikel 12 zu gewährleisten. Diese können beispielsweise die Entwicklung von hinreichend detaillierten und klaren Leitlinien und Verhaltenskodizes umfassen (auch wenn diese rechtlich nicht bindend sind). Hier muss erwähnt werden, dass Praxisvorschriften für die Landwirtschaft häufig den Schutz bestimmter Landschaftselemente – Hecken, Teiche usw. – vorsehen, die möglicherweise auch Lebensräume für die in Anhang IV aufgeführten Arten sind. Das Spektrum der betroffenen Arten ist jedoch sehr breit, und teilweise hielten die Mitgliedstaaten es für angebracht, detailliertere artspezifische Leitlinien zu verfassen.
Die Richtlinie schreibt jedoch vor, dass solche Ansätze und Instrumente den förmlichen rechtlichen Schutz ergänzen und nicht ersetzen sollen, d. h. wenn diese Instrumente (z. B. Verhaltenskodizes, bewährte Verfahren) ignoriert oder nicht ordnungsgemäß umgesetzt werden, müssen rechtliche Verfahren zur wirksamen Durchsetzung des strengen Artenschutzsystems nach Artikel 12 vorhanden sein.
(2-24)
In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass das Vorkommen von geschützten Arten auf landwirtschaftlichen Flächen häufig das Ergebnis traditioneller, in der Regel extensiver Landnutzungsformen und Bewirtschaftungsmethoden ist. Tragen die Landnutzungsmethoden eindeutig zur Erhaltung einer zu schützenden Art bei, sollte die Fortsetzung dieser Methoden selbstverständlich gefördert werden. Über die Anforderungen von Artikel 12 Absatz 1 hinaus muss der unbeabsichtigte Fang oder das unbeabsichtigte Töten geschützter Tierarten im Zusammenhang mit solchen laufenden Tätigkeiten im Einklang mit Artikel 12 Absatz 4 überwacht und bewertet werden.
(2-25)
Die Anwendung von Artikel 12 auf die Forstwirtschaft ist in mancherlei Hinsicht komplexer, da Bäume, die gefällt werden sollen, wahrscheinlich auch ein Lebensraum (Fortpflanzungsstätte oder Ruhestätte) für die betroffenen Arten in Anhang IV sind. Zu den Herausforderungen des Artenschutzes in Waldgebieten kommen die besonderen Merkmale dieses Sektors hinzu, nämlich lange Produktionszyklen und die sich daraus ergebende Notwendigkeit einer langfristigen Planung.
Auf der Suche nach nachhaltigen, mit den Erfordernissen des Artenschutzes vereinbaren Waldbewirtschaftungsmethoden wurden in den Mitgliedstaaten ganz unterschiedliche Konzepte entwickelt. Die bestehenden Ansätze reichen von einer detaillierten forstwirtschaftlichen Planung und einer Vorabgenehmigung von Waldbewirtschaftungsplänen über allgemeine Verhaltenskodizes bis zur Anmeldung von Abholzungsvorhaben, damit Umweltbehörden die Möglichkeit haben, einzugreifen, wenn bekannte Populationen geschützter Arten betroffen sein könnten.
Wie bei den landwirtschaftlichen Verfahren können derartige präventive Ansätze den Schutz der betroffenen Arten gewährleisten, sofern sie wirksam kommuniziert und gewissenhaft und mit ausreichenden Mitteln umgesetzt werden. Wirtschaftliche Anreize können die Akzeptanz eines solchen Ansatzes begünstigen, wie etwa bei Waldzertifizierungssystemen, bei denen bestimmte Umweltschutzbestimmungen, z. B. der Schutz der biologischen Vielfalt und der Artenschutz, eingehalten werden müssen. Möglicherweise müssen die Ansätze so angepasst werden, dass sie den Anforderungen an den Schutz von in Anhang IV genannten Arten genügen. Solche Ansätze bieten jedoch keine absolute Garantie, außer wenn eine umfassende Vorabgenehmigung von Waldbewirtschaftungsplänen zwingend vorgeschrieben ist; daher müssen sie, wie bereits erwähnt, durch ein System des rechtlichen Schutzes gestützt werden.
(2-26)
Forstwirtschaftliche Maßnahmen würden Artikel 12 auch dann genügen, wenn sie darauf ausgerichtet wären, das Eintreten einer der in Artikel 12 genannten Situationen von vornherein zu verhindern. Mit einem geeigneten präventiven Ansatz könnten Konflikte mit den Verboten in Artikel 12 vermieden werden, wenn schädliche forstwirtschaftliche Methoden in Phasen verboten würden, in denen die fragliche Tierart am anfälligsten ist, z. B. während der Fortpflanzungszeit. Außerhalb der Fortpflanzungszeit sollten die nach Artikel 12 erforderlichen Maßnahmen von Fall zu Fall auf der Grundlage der ökologischen Bedürfnisse der Art festgelegt werden, idealerweise im Rahmen von Waldbewirtschaftungsplänen
und mit dem Ziel, jede Beschädigung oder Vernichtung von Fortpflanzungs- oder Ruhestätten zu vermeiden.
Der EuGH hat klargestellt, dass Waldbewirtschaftungsmaßnahmen auf einem vorbeugenden Ansatz beruhen sollten, der den Erhaltungsbedarf der betroffenen Arten berücksichtigt, und in einer Art und Weise geplant und durchgeführt werden sollten, dass die sich aus Artikel 12 Absatz 1 Buchstaben a bis c der FFH-Richtlinie ergebenden Verbote nicht verletzt werden und dabei entsprechend Artikel 2 Absatz 3 dieser Richtlinie die wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, regionalen und örtlichen Anforderungen berücksichtigt werden.
Gleiches gilt entsprechend für das Verbot in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d der FFH-Richtlinie.
8 – Beispiel für bewährte Verfahren: Fledermausschutz in Wäldern in Deutschland
Im Jahr 2000 führte der Deutsche Verband für Landschaftspflege (ein Dachverband, in dem Vertreterinnen und Vertreter der Landwirtschaft, des Naturschutzes und der Kommunen zusammenarbeiten) ein Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zur Ökologie von Fledermäusen in Wäldern durch, an dem 50 Sachverständige aus ganz Deutschland beteiligt waren. Die Ergebnisse führten zur Formulierung einer Reihe von Empfehlungen für die Waldbewirtschaftung, die vom Bundesamt für Naturschutz veröffentlicht wurden. Eine der Empfehlungen bezieht sich beispielsweise darauf, dass eine natürlich zusammengesetzte Fledermausartengemeinschaft auf das Angebot einer ausreichenden Anzahl an Quartieren angewiesen ist, weshalb in einem ca. 120-jährigen Wirtschaftswald ständig mindestens 25 bis 30 Baumhöhlen pro Hektar geeignetem Baumbestand zur Verfügung stehen müssen. Dies entspricht einer durchschnittlichen Dichte von sieben bis zehn Höhlenbäumen pro Hektar.
Seither haben mehrere Bundesländer (Bayern, Berlin, das Saarland und Schleswig-Holstein) als bewährtes Verfahren auch die Erhaltung von bis zu zehn alten Bäumen pro Hektar empfohlen.
9 – Beispiel für bewährte Verfahren: Fledermausschutz in Castilla y León in Spanien
Von 1997 bis 2000 hat die Regionalregierung von Castilla y León ein LIFE-Projekt zum Schutz mehrerer Fledermausarten durchgeführt (LIFE96 NAT/E/003081). Die wichtigsten Ergebnisse waren eine Zustandserhebung und Kartierung der Verbreitung von Fledermäusen in der Region sowie die erfolgreiche Einrichtung von 5000 künstlichen Quartieren für Waldfledermäuse und die Einbindung des Fledermausschutzes in andere sozioökonomische Aktivitäten. Im Nachgang zu diesem Projekt hat die Regionalregierung zwei Handbücher ausgearbeitet: eines zur Erhaltung einzelner Arten und ein zweites mit einer Auflistung der notwendigen Maßnahmen für eine Waldbewirtschaftung, die mit der Erhaltung von waldgebundenen Vögeln und Fledermäusen vereinbar ist. 2011 wurde ein zweiter methodischer Leitfaden zur Waldbewirtschaftungsplanung in Natura-2000-Gebieten veröffentlicht.
Im Handbuch zur umweltverträglichen Bewirtschaftung sind u. a. folgende Maßnahmen aufgeführt:
1.In den Waldgebieten, die von Waldfledermäusen als Unterschlupf genutzt werden, muss eine Schutzumgebung von mindestens 15 Hektar verbleiben. Dazu gehören auch die Bäume, die von den Fledermäusen ausgewählt werden und die dann geschützt sind.
2.In Gebieten, in denen es Hinweise auf das Vorkommen dieser Arten gibt, müssen Bäume, die potenzielle Fledermausquartiere sind oder werden könnten, begutachtet, markiert und geschützt werden.
3.Vor Baummarkierungsaktionen muss überprüft werden, ob es Vorkommen von Waldfledermäusen gibt.
4.Das Mosaik aus Wald und assoziierten Lebensräumen muss auf Landschaftsebene erhalten bleiben, da sich Laubwälder mit breitblättrigen Bäumen besonders gut für die Erhaltung von Fledermäusen eignen, ebenso wie Gruppen alter Bäume auf 10–15 Hektar Fläche.
Im Jahr 2015 wurde eine Verordnung erlassen (ORDER FYM/775/2015), in der die Erhaltungspläne für alle Natura-2000-Gebiete sowie die Pläne für ihre Lebensraumtypen und Arten, einschließlich individueller Pläne für die einzelnen Fledermausarten, genehmigt wurden.
10 – Rechtsprechung des EuGH: Rechtssache Skydda Skogen – Abholzung
Verbundene Rechtssachen C‑473/19 und C‑474/19
Bei der nationalen Forstverwaltung Schwedens wurde eine Abholzungsanmeldung betreffend ein Waldgebiet in der Gemeinde Härryda eingereicht. Das Waldgebiet, auf das sich die Anmeldung bezieht, ist der natürliche Lebensraum verschiedener geschützter Arten, darunter mehrere Vögel und der Moorfrosch (Rana arvalis), eine in Anhang IV Buchstabe a der FFH-Richtlinie aufgeführte Art. Die geplanten forstwirtschaftlichen Arbeiten in diesem Gebiet würden zur Folge haben, dass Exemplare dieser geschützten Arten gestört oder getötet werden.
Die Forstverwaltung vertrat die Auffassung, dass, sofern ihrer Stellungnahme gefolgt werde, die in der Anmeldung beschriebene Maßnahme nicht gegen die Verbote in Artikel 12 der FFH-Richtlinie, wie sie in der schwedischen Artenschutzverordnung umgesetzt seien, verstoße. Drei Naturschutzverbände hatten ohne Erfolg ein Vorgehen der Provinzverwaltung gegen die Abholzungsanmeldung und die Stellungnahme der nationalen Forstverwaltung beantragt und anschließend Klage beim vorlegenden Gericht erhoben.
Das vorlegende Gericht beschloss, das Verfahren auszusetzen und dem EuGH Fragen zur Auslegung der Vogelschutz- und der FFH-Richtlinie, insbesondere von Artikel 12 der FFH-Richtlinie, zur Vorabentscheidung vorzulegen:
·In einer der Fragen ging es darum, ob die Begriffe „absichtliches Töten/Stören/Zerstören“ in Artikel 12 Absatz 1 Buchstaben a bis c der FFH-Richtlinie dahin auszulegen seien, dass, wenn mit einer Maßnahme offenkundig ein anderer Zweck verfolgt werde, als Arten zu töten oder zu stören (z. B. forstwirtschaftliche Maßnahmen oder Erschließung), die Verbote in Artikel 12 nur gelten würden, wenn ein Risiko bestehe, dass sich die Maßnahme negativ auf den Erhaltungszustand der betroffenen Arten auswirke.
·Eine weitere Frage lautete, ob der Begriff „Beschädigung/Vernichtung“ in Bezug auf Fortpflanzungsstätten von Tieren in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d dahin auszulegen sei, dass das Verbot erst Anwendung finde, wenn sich der Erhaltungszustand der betroffenen Art oder der Zustand ihrer lokalen betroffenen Population zu verschlechtern drohe.
Darüber hinaus wollte das vorlegende Gericht wissen, ob der strenge Schutz der Vogelschutz- und der Habitatrichtlinie für Arten, für die das Ziel der FFH-Richtlinie (günstiger Erhaltungszustand) erreicht worden sei, nicht mehr gelte.
Zur Auslegung von Artikel 12 der FFH-Richtlinie antwortete der EuGH wie folgt:
-Die Verbote gemäß Artikel 12 Absatz 1 Buchstaben a bis c finden Anwendung für alle Maßnahmen, einschließlich solcher, mit denen offenkundig ein anderer Zweck verfolgt wird als das Töten oder die Störung von Tierarten.
-Die Verbote gelten auf der Ebene der Individuen der betroffenen Art und hängen nicht davon ab, dass eine bestimmte Maßnahme mit dem Risiko verbunden ist, dass sie sich negativ auf den Erhaltungszustand der betroffenen Tierart auswirkt.
-Die Bestimmung in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d, die die Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten verbietet, gilt unabhängig von der Anzahl der Exemplare der jeweiligen in dem betroffenen Gebiet vorkommenden Art und kann nicht vom Risiko einer negativen Auswirkung auf den Erhaltungszustand dieser Art abhängen.
-Der strenge Artenschutz gemäß Artikel 12 Absatz 1 Buchstaben a bis c gilt für alle Arten des Anhangs IV, unabhängig davon, ob sie einen günstigen Erhaltungszustand erreicht haben oder nicht.
(2-27)
Ein weiteres Beispiel für wiederkehrende Tätigkeiten ist die Instandhaltung der öffentlichen Infrastruktur. Instandhaltungsmaßnahmen können so gestaltet werden, dass sie dazu beitragen, Lebensräume für streng geschützte Arten wie die Zauneidechse (Lacerta agilis) an Bahntrassen zu erhalten und miteinander zu verbinden (z. B. Erhaltung von Verkehrsbegleitgrün, Gleisschotter und ufernaher Vegetation). Die Mitgliedstaaten können Leitfäden zu bewährten Verfahren für solche Instandhaltungsmaßnahmen erstellen, um die Einhaltung der Anforderungen der FFH-Richtlinie zu gewährleisten.
(2-28)
Die Mitgliedstaaten können auch freiwillige Maßnahmen nutzen, z. B. Verträge über Waldumwelt- und Klimadienstleistungen und die Erhaltung der Wälder im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik, um die Umsetzung der Bestimmungen in Artikel 12 voranzubringen. Solche Maßnahmen bieten das Potenzial, den präventiven Ansatz erfolgreich mit einer (freiwilligen) proaktiven Bewirtschaftung von Lebensräumen zu verknüpfen. Dennoch können sie einen förmlichen rechtlichen Schutz nur ergänzen, aber nicht ersetzen.
(2-29)
Die Anwendung von Artikel 12 auf die Fischerei macht es erforderlich, dass Fischereitätigkeiten reguliert werden, um negative Auswirkungen auf streng geschützte Arten wie die Beschädigung ihrer Fortpflanzungs- oder Ruhestätten, das absichtliche Fangen oder Töten dieser Arten oder ihren Beifang in Fanggeräten zu verhindern. Die Anwendung der notwendigen vorbeugenden Maßnahmen könnte durch Planungsinstrumente wie Fischereibewirtschaftungspläne oder durch Fanglizenzen mit spezifischen Anforderungen erfolgen. Damit ein angemessener und wirksamer Schutz gewährleistet wird, sollten diese auf einer umfassenden Kenntnis der Risiken beruhen, die mit bestimmten Fanggeräten verbunden sind. Darüber hinaus sollte besonderes Augenmerk auf Gebiete gelegt werden, in denen die Gefahr von Zwischenfällen besteht, die zu unbeabsichtigten Fängen führen.
Da der Erhalt der biologischen Meeresschätze in die ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen Union im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik fällt, müssen die erforderlichen Maßnahmen innerhalb dieses politischen Rahmens umgesetzt werden. Die geltenden Grundregeln sind in der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 festgelegt, in der ein Ökosystemansatz im Fischereimanagement favorisiert wird, um die Folgen der Fischerei für die Umwelt zu begrenzen und die Kohärenz mit den Umweltvorschriften sicherzustellen. Zur Durchführung der erforderlichen vorbeugenden Maßnahmen können verschiedene Fischereibewirtschaftungsinstrumente eingesetzt werden, beispielsweise im Rahmen der „Verordnung über technische Maßnahmen“ (Verordnung (EU) 2019/1241
).
Im Rahmen der Regionalisierung gemäß der genannten Verordnung müssen die Mitgliedstaaten der Kommission gemeinsame Empfehlungen für den Erlass delegierter Rechtsakte mit den erforderlichen Maßnahmen vorlegen. Grundsätzlich können die Mitgliedstaaten die erforderlichen Vorschriften und vorbeugenden Maßnahmen auf Fischereiflotten anwenden, die unter ihrer Flagge fahren. Für andere Flotten, die im Meeresgebiet der Mitgliedstaaten fischen, müssen die Maßnahmen mittels delegierter Rechtsakte der Kommission umgesetzt werden. Gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 können die Mitgliedstaaten unter bestimmten Bedingungen Sofortmaßnahmen für alle Schiffe erlassen, um eine ernste Bedrohung für Arten zu mindern. Sie können auch innerhalb der ersten zwölf Seemeilen von ihren Basislinien nicht diskriminierende Maßnahmen ergreifen, die unter bestimmten Bedingungen für alle Schiffe gelten.
Da Beifänge nach derzeitigem Kenntnisstand zu den größten Belastungen für geschützte Meeresarten, insbesondere für Wale, Schildkröten und Seevögel, gehören, ist es sehr wichtig, wirksame vorbeugende Maßnahmen zur Bekämpfung der einschlägigen Fangtätigkeiten zu ergreifen und umzusetzen. Dazu sollten die im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik verfügbaren Mechanismen, insbesondere die Verordnung über technische Maßnahmen (Verordnung (EU) 2019/1241), genutzt werden. Vorbeugende Maßnahmen können beispielsweise Änderungen oder Einschränkungen bestimmter Arten von Fanggeräten, eine räumliche bzw. zeitliche Regulierung der Fischereitätigkeit (z. B. ein generelles Verbot des Einsatzes bestimmter Fanggeräte in einem Gebiet, in dem diese Fanggeräte eine Bedrohung für den Erhaltungszustand von dort vorkommenden Arten oder für deren Lebensräume darstellen) oder die Entwicklung alternativer Fanggeräte sein.
11 – Weitere Orientierungshilfen: Verordnung (EU) 2019/1241
Die Verordnung (EU) 2019/1241 („Verordnung über technische Maßnahmen“), die 2019 in Kraft getreten ist, sieht unter anderem die Annahme technischer Maßnahmen vor, mit denen die Auswirkungen von Fanggeräten auf gemäß der FFH-Richtlinie geschützte Arten und deren Lebensräume verhindert oder eingedämmt werden sollen. Die Verordnung enthält eine Reihe von Verboten:
- Verboten sind bestimmte Arten von Fanggeräten und Weiterverwendungen, wie Treibnetze mit einer Länge von mehr als 2,5 km, die nicht selektiv sind und daher die Meeresflora und -fauna schädigen könnten.
- Es ist verboten, die in Anhang IV der FFH-Richtlinie aufgeführten Fisch- oder Schalentierarten zu befischen, an Bord zu behalten, umzuladen oder anzulanden, es sei denn, es gelten Ausnahmeregelungen gemäß Artikel 16 der genannten Richtlinie. Unbeabsichtigt gefangenen Exemplaren darf kein Leid zugefügt werden, und sie müssen umgehend wieder ins Meer zurückgeworfen werden, es sei denn, die wissenschaftliche Untersuchung unbeabsichtigt getöteter Exemplare soll im Einklang mit Artikel 16 der Richtlinie ermöglicht werden.
- Es ist verboten, die in den Anhängen II und IV der FFH-Richtlinie aufgeführten Meeressäugetiere und Meeresreptilien sowie die unter die Vogelschutzrichtlinie fallenden Arten von Seevögeln zu befischen, an Bord zu behalten, umzuladen oder anzulanden. Gefangenen Exemplaren darf kein Leid zugefügt werden, und sie müssen umgehend freigesetzt werden.
Ferner kann ein Mitgliedstaat auf der Grundlage der besten verfügbaren wissenschaftlichen Gutachten für Schiffe unter seiner Flagge Schutzmaßnahmen oder Beschränkungen des Einsatzes bestimmter Fanggeräte vorsehen. Durch diese Maßnahmen sollen Fänge von in der EU geschützten Arten minimiert und, sofern möglich, ganz unterbunden werden. Die Mitgliedstaaten unterrichten die anderen betroffenen Mitgliedstaaten zu Kontrollzwecken über die nach Absatz 4 dieses Artikels erlassenen Bestimmungen. Darüber hinaus machen sie zweckdienliche Informationen über diese Maßnahmen öffentlich zugänglich.
In Anhang XIII sind die vorgeschriebenen Schadensbegrenzungsmaßnahmen aufgeführt, zu denen der obligatorische Einsatz aktiver akustischer Abschreckvorrichtungen für Schiffe mit einer Länge über alles von mindestens 12 m auf bestimmten Fanggeräten in bestimmten Gebieten gemäß der Definition im Anhang gehört. In diesen Fällen ergreifen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um die Wirkung des Einsatzes akustischer Abschreckvorrichtungen über längere Zeiträume in den betreffenden Fischereien und Gebieten durch wissenschaftliche Untersuchungen oder Pilotprojekte zu überwachen und zu bewerten. Mitgliedstaaten mit einem direkten Bewirtschaftungsinteresse können gemeinsame Empfehlungen mit notwendigen Maßnahmen zur Änderung, Ergänzung, Aufhebung oder Abweichung von den in Anhang XIII aufgeführten Maßnahmen vorlegen, die von der Kommission als delegierte Rechtsakte zu erlassen sind.
In Bezug auf die Lebensräume geschützter Arten sind mehrere in Anhang II der Verordnung aufgeführte Gebiete für bestimmte Fischereien gesperrt. Wenn in den besten verfügbaren wissenschaftlichen Gutachten eine Änderung dieser Liste empfohlen wird, ist die Kommission befugt, gemäß den Bestimmungen der Verordnung delegierte Rechtsakte zu erlassen.
(2-30)
Aus diesem Abschnitt kann insgesamt gefolgert werden, dass laufende Tätigkeiten idealerweise so durchgeführt werden sollten, dass Konflikte mit den Artenschutzbestimmungen von vornherein vermieden werden. Ein solcher Ansatz hat auch den Vorteil, dass Personen, die eine solche Tätigkeit ausüben, potenziell geschützt sind (d. h. vor Strafverfolgung), solange sie sich an die entsprechenden Maßnahmen halten. Zu diesem Zweck können auch Optionen wie Planungsinstrumente, eine notwendige Vorabgenehmigung sowie Praxisinformationen und -leitfäden sinnvoll sein. Die Maßnahmen sollten
a)Teil der gemäß Artikel 12 „notwendigen Maßnahmen“ zur Einführung und Umsetzung eines strengen Schutzsystems sein,
b)den Anforderungen an den strengen Schutz Rechnung tragen,
c)sicherstellen, dass bei allen schädlichen Tätigkeiten der Erhaltungsbedarf der betreffenden Art oder Population vollumfänglich berücksichtigt wird und dass solche Tätigkeiten durch einen Rechtsrahmen für einen strengen Schutz flankiert werden, der im Falle der Nichteinhaltung von Vorschriften eine angemessene Durchsetzung durch die Regulierungsbehörden gewährleistet (Rechtssicherheit wird eingehalten), sowie
d)dazu beitragen, geeignete Überwachungsniveaus (gemäß der Anforderung in Artikel 11 der Richtlinie) und deren Finanzierung festzulegen.
2.3
Die besonderen Schutzbestimmungen des Artikels 12
2.3.1
Absichtlicher Fang oder absichtliche Tötung von Exemplaren der in Anhang IV Buchstabe a genannten Arten
Laut Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe a sind alle absichtlichen Formen des Fangs oder der Tötung von aus der Natur entnommenen Exemplaren der in Anhang IV Buchstabe a genannten Arten verboten. Gefordert wird die Durchführung klarer, wirksamer und sorgfältig überwachter Maßnahmen zur Verhinderung des absichtlichen Tötens oder Fangens. Gute Informationen und Leitlinien der zuständigen Behörden unterstützen die praktische Umsetzung dieser Bestimmungen. Der Begriff „absichtlich“ wird vom EuGH so ausgelegt, dass er über die „unmittelbare Absicht“ hinausgeht. Unter „absichtlichen“ Handlungen sind Handlungen einer Person oder Stelle zu verstehen, die weiß, dass ihr Handeln höchstwahrscheinlich zu einer Straftat gegen eine Art führen wird, aber diese Straftat beabsichtigt oder zumindest die vorhersehbaren Ergebnisse ihrer Handlung bewusst in Kauf nimmt.
(2-31)
Laut Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe a sind alle absichtlichen Formen des Fangs oder der Tötung
von aus der Natur entnommenen Exemplaren der in Anhang IV Buchstabe a genannten Arten verboten. Nach Artikel 12 Absatz 3 gilt dieses Verbot für alle Lebensstadien der betreffenden Tiere. Gemäß Artikel 1 Buchstabe m bedeutet „Exemplar“ im Sinne der Richtlinie „jedes Tier oder jede Pflanze – lebend oder tot – der in Anhang IV und Anhang V aufgeführten Arten, jedes Teil oder jedes aus dem Tier oder der Pflanze gewonnene Produkt sowie jede andere Ware, die aufgrund eines Begleitdokuments, der Verpackung, eines Zeichens, eines Etiketts oder eines anderen Sachverhalts als Teil oder Derivat von Tieren oder Pflanzen der erwähnten Arten identifiziert werden kann”.
(2-32)
In seinem Urteil zur Meeresschildkröte Caretta caretta (Rechtssache C-103/00, Rn. 37) hat der Gerichtshof auf das Tatbestandsmerkmal der „Absicht“ Bezug genommen und ausgeführt, dass „der Verkehr von Mopeds auf den Fortpflanzungsstränden verboten [war] und […] Schilder aufgestellt worden [waren], die auf das Vorhandensein von Schildkrötennestern auf diesen Stränden hinwiesen. Das Meeresgebiet von Gerakas und von Daphni war als absolute Schutzzone eingestuft worden, und es gab dort eine spezielle Beschilderung.” Nach der Auffassung des Gerichtshofs stellt der Umstand, dass am Strand Mopeds benutzt wurden und im umgebenden Meeresgebiet Tretboote und kleine Boote vorhanden waren
, obwohl der Öffentlichkeit Informationen über die Notwendigkeit des Schutzes dieser Gebiete zur Verfügung standen, eine vorsätzliche Störung der Schildkröten während ihrer Fortpflanzungszeit im Sinne des Artikels 12 Absatz 1 Buchstabe b dar. Somit „scheint [das Urteil den Begriff ‚absichtlich‘] im Sinne einer bewussten Inkaufnahme der Folgen zu interpretieren”
.
(2-33)
In der Rechtssache C-221/04
war die Urteilsbegründung des Gerichtshofs spezifischer. In diesem Fall hatte die Kommission beim Gerichtshof Klage erhoben, weil die Behörden von Castilla y León in mehreren privaten Jagdrevieren das Auslegen von Schlingen mit einer Arretierung erlaubt hatten und Spanien somit seinen Verpflichtungen gemäß Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe a zum Schutz des Fischotters (Lutra lutra) nicht nachgekommen sei. Der Gerichtshof verwies auf die Feststellungen in seinem Urteil zur Meeresschildkröte Caretta caretta und erklärte, dass „das Tatbestandsmerkmal der Absichtlichkeit in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie […] nur verwirklicht sein [kann], wenn nachgewiesen ist, dass der Handelnde den Fang oder die Tötung eines Exemplars einer geschützten Tierart gewollt oder zumindest in Kauf genommen hat“
.
Auf diese „erforderliche Tatsache“ verwies der Gerichtshof, als er in dem betreffenden Fall feststellte, dass die streitige Genehmigung die Jagd auf Füchse betroffen habe und sich dementsprechend selbst nicht darauf erstrecke, den Fang von Fischottern zuzulassen. Darüber hinaus hob der Gerichtshof hervor, dass das Vorhandensein von Fischottern im fraglichen Gebiet nicht förmlich nachgewiesen worden sei und somit auch nicht bewiesen sei, dass die spanischen Behörden bei der Erteilung der streitigen Genehmigung für die Fuchsjagd wussten, dass sie damit möglicherweise den Fischotter in Gefahr brachten. Somit gelangte der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die Tatsachen, die erforderlich seien, um das Tatbestandsmerkmal der Absichtlichkeit des Fangs oder der Tötung eines Exemplars einer geschützten Tierart zu verwirklichen, nicht nachgewiesen worden seien.
In der Rechtssache C-340/10 stellte der Gerichtshof fest, dass Zypern gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 12 Absatz 1 verstoßen habe, weil es Tätigkeiten geduldet habe, die die ökologischen Merkmale des Paralimni-Sees ernsthaft beeinträchtigten, und nicht die erforderlichen Maßnahmen zur Erhaltung der Population der Art Natrix natrix cypriaca (zyprische Ringelnatter) erlassen habe und nicht die notwendigen Maßnahmen getroffen habe, um ein strenges Schutzsystem für diese Art einzuführen und umzusetzen.
(2-34)
Ausgehend von dem Ansatz des Gerichtshofs in den Rechtssachen C-103/00 und C-221/04 sind unter „absichtlichen“ Handlungen solche Handlungen zu verstehen, die von einer Person ausgeführt werden, die sich der Tatsache bewusst ist, dass diese Handlungen zum Fang oder Töten einer in Anhang IV aufgelisteten Art führen, oder die die Möglichkeit einer solchen Straftat bewusst in Kauf nimmt.
Mit anderen Worten gilt die Bestimmung nicht nur, wenn eine Person in der vollen Absicht handelt, ein Exemplar einer geschützten Art zu fangen oder zu töten, sondern auch dann, wenn eine Person hinreichend informiert ist und sich der Folgen bewusst ist, die ihre Handlung höchstwahrscheinlich haben wird, und die Handlung, die zum Fang oder Töten von Exemplaren führt (z. B. als unerwünschter, aber in Kauf genommener Nebeneffekt), dennoch ausführt (bedingter Vorsatz).
Die nationalen Behörden sollten mit allen geeigneten Mitteln proaktiv Informationen über das Vorkommen geschützter Arten und über sämtliche bestehenden Schutzvorschriften verbreiten. Ein Beispiel hierfür sind die Informationstafeln an den Stränden, auf denen auf das Vorhandensein von Schildkröten der Art Caretta caretta aufmerksam gemacht wird.
(2-35)
Diese Informationen sind auch für Arten von großer Bedeutung, die unabsichtlich gefangen werden, wenn unter Verstoß gegen die Fischereivorschriften gefischt wird. Die EU hat bestimmte Vorschriften erlassen, um Wale davor zu schützen, mit Fanggeräten gefangen und getötet zu werden. Die Verordnung (EU) 2019/1241 verbietet bestimmten Schiffen, in bestimmten Gebieten bestimmte Fanggeräte einzusetzen, ohne gleichzeitig aktive akustische Abschreckvorrichtungen zu verwenden, die das Verfangen von Schweinswalen in Fangnetzen verhindern können (siehe auch Abschnitt 2.3.6). In solchen Fällen müssen die Mitgliedstaaten nicht nur sicherstellen, dass der Einsatz akustischer Abschreckvorrichtungen wirksam kontrolliert und durchgesetzt wird, sondern auch dafür sorgen, dass die Fischer ausführlich über diese Verpflichtung informiert sind.
12 – Beispiel für bewährte Verfahren: Zusammenarbeit mit Fischern zur Erholung der Art Monachus monachus in Griechenland
Die Mittelmeer-Mönchsrobbe (Monachus monachus) ist eine prioritäre Art im Sinne der FFH-Richtlinie und dort sowohl in Anhang II als auch in Anhang IV aufgeführt. Griechenland hat in den letzten Jahrzehnten ein Schutzprogramm für die Art durchgeführt. Das Programm umfasste Maßnahmen zur Rettung und Behandlung verletzter Tiere, zur Einrichtung von Schutzgebieten sowie zur Bewirtschaftung, zur Überwachung, zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit, zur Umwelterziehung und zur Schaffung eines geeigneten Rechtsrahmens. Ein Schlüsselelement dieser Erhaltungsmaßnahmen war die Zusammenarbeit mit den Fischern.
Die Griechische Gesellschaft für das Studium und den Schutz der Mönchsrobbe (MOm) hat eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die oft konfliktreiche Beziehung zwischen Fischern und Mönchsrobben zu verbessern. Im Jahr 2009 entwickelte sie einen Aktionsplan zur Eindämmung der Zwischenfälle zwischen Mönchsrobben und Fischerei in Griechenland, der zahlreiche legislative, koordinierende und technische Maßnahmen zur Begrenzung der Risiken für die Art und zum Schutz ihrer Nahrungsquellen umfasste. Bemerkenswert ist, dass diese Maßnahmen auch dazu beitragen, die finanzielle Belastung der Fischer durch Schäden an ihrem Fanggerät und ihren Fängen zu reduzieren.
Es wurden umfangreiche Studien zu den bevorzugten Futterquellen der Mönchsrobbe durchgeführt, ebenso wie Forschungsarbeiten an ermittelten Hotspots (d. h. Gebieten mit signifikanten Mönchsrobbenvorkommen), was die Tonnage und die Dichte der Fischereifahrzeuge, den Einsatz von Fanggeräten und die Auswirkungen auf die Fischerei betrifft. Fischereibetriebe und andere Interessenträger wie Hafenpolizei, Fischereibehörden und Eigentümer von Fischzuchtbetrieben waren unmittelbar in Forschungsmaßnahmen eingebunden. Auch wurden die Fischer zum Vorgehen bei verfangenen Mönchsrobben geschult, und es wurden experimentelle Fangmethoden gemeinsam mit ihnen getestet. Eine maßgeschneiderte Kommunikationskampagne richtete sich auch an den Fischereisektor.
All dies hat dazu geführt, dass die Zahl der unabsichtlich von Fischern gefangenen oder getöteten Mönchsrobben erheblich zurückgegangen ist und sich die Mönchsrobbenpopulation in Griechenland nach und nach erholt hat.
2.3.2
Absichtliche Störung der in Anhang IV Buchstabe a genannten Arten, insbesondere während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten
(2-36)
Gemäß Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe b ist die absichtliche Störung der in Anhang IV Buchstabe a genannten Tierarten verboten, insbesondere während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten, wenn die Tiere besonders anfällig sind.
Nach Artikel 12 Absatz 3 gilt dieses Verbot für alle Lebensstadien der betreffenden Arten.
2.3.2a
Absichtliche Störung
Jede absichtliche Störung, die die Überlebenschancen, den Fortpflanzungserfolg oder die Fortpflanzungsfähigkeit einer geschützten Art beeinträchtigen könnte oder zu einer Verkleinerung des Siedlungsgebiets oder zu einer Umsiedlung oder Vertreibung der Art führt, sollte als „Störung“ im Sinne des Artikels 12 angesehen werden.
(2-37)
Weder in Artikel 12 noch in Artikel 1 der FFH-Richtlinie wird der Begriff „Störung“ definiert.
Die Bestimmung gilt nicht ausdrücklich nur für Störungen, die „sich erheblich auswirken könnten“, wie dies in Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie der Fall ist, doch muss der Anwendungsbereich der Bestimmung im Lichte des übergeordneten Ziels der Richtlinie ausgelegt werden.
Wie bereits erwähnt, ist die Umsetzung der in Artikel 12 Absatz 1 Buchstaben a bis d der FFH-Richtlinie vorgesehenen Artenschutzregelungen nicht davon abhängig, „dass eine bestimmte Maßnahme mit dem Risiko verbunden ist, dass sie sich negativ auf den Erhaltungszustand der betroffenen Tierart auswirkt“
, und der Schutz dieser Bestimmung gilt „auch für die Arten noch […], die einen günstigen Erhaltungszustand erreicht haben“
.
Es liegt auf der Hand, dass jede Tätigkeit, die eine Art absichtlich in dem Maße stört, dass sie deren Überlebenschancen, Fortpflanzungserfolg oder Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen könnte oder zu einer Verkleinerung des Siedlungsgebiets oder zu einer Umsiedlung oder Vertreibung der Art führt, als „Störung“ im Sinne des Artikels 12 anzusehen ist.
(2-38)
Je nach der spezifischen Lebensweise (insbesondere der Fortpflanzungsstrategie oder Mobilität) und der oft komplexen sozialen Interaktion einiger Arten können Störungen einzelner Tiere Folgen für die ganze Population haben. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn ein trächtiges Weibchen gestört oder ein Muttertier einer großen, langlebigen und hoch mobilen Tierart mit geringer Fortpflanzungsleistung, beispielsweise eines Meeressäugetiers, von seinem Kalb getrennt wird.
(2-39)
Generell sind die Intensität, die Dauer und die Häufigkeit von Störungen wichtige Parameter für die Bewertung der Auswirkungen dieser Störungen auf eine Art. Es muss auch berücksichtigt werden, dass verschiedene Arten unterschiedlich empfindlich auf dieselbe Art von Störung reagieren. Möglicherweise stellen Faktoren, die auf die eine Tierart störend wirken, für eine andere gar keine Störung dar. Auch kann die Empfindlichkeit einzelner Tiere einer bestimmten Art je nach Jahreszeit oder Lebenszyklusphase (z. B. während der Fortpflanzungszeit) schwanken.
In Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe b wird dieser Möglichkeit Rechnung getragen und hervorgehoben, dass absichtliche Störungen insbesondere während der empfindlichen Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten zu verbieten sind. Ferner ist zu berücksichtigen, dass Störungen (z. B. durch Lärm oder Lichtquellen) sich nicht unbedingt immer direkt auf die körperliche Unversehrtheit einer Art auswirken. Sie können auch indirekte negative Auswirkungen auf die Art haben (z. B. indem Tiere gezwungen werden, mit hohem Energieaufwand die Flucht zu ergreifen; wenn Fledermäuse beispielsweise im Winterschlaf gestört werden, steigt ihre Körpertemperatur beim Davonfliegen, sodass sie aufgrund des hohen Energieverlusts weniger Chancen haben, den Winter zu überleben).
(2-40)
Daher ist ein Einzelfallansatz erforderlich. Die zuständigen Behörden müssen sorgfältig überlegen, welches Ausmaß von Störungen als schädlich zu betrachten ist, und dabei – wie oben erläutert – die besonderen Merkmale der betroffenen Art und die jeweilige Situation berücksichtigen. So könnte beispielsweise eine wiederholte Störung von Walen durch Walbeobachtungsboote zu erheblichen Auswirkungen auf einzelne Exemplare und damit zu negativen Konsequenzen für die gesamte lokale Population führen. Dagegen sind gelegentliche Störungen, bei denen negative Auswirkungen auf einzelne Tiere oder die lokale Population unwahrscheinlich sind, wie z. B. das Vertreiben eines Wolfes von einem Schafsgehege, um Schäden zu vermeiden, nicht als Störung im Sinne des Artikels 12 anzusehen.
(2-41)
Die Störung muss auch „absichtlich“ sein, damit sie in den Anwendungsbereich von Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe b fällt (zur Definition des Begriffs „absichtlich“ siehe Abschnitt 2.3.1). Auch in dem Urteil zur Meeresschildkröte Caretta caretta (Rechtssache C-103/00) hat der Gerichtshof die verschiedenen Aktivitäten an den Fortpflanzungsstränden der Tiere untersucht, um einen Kausalzusammenhang zwischen diesen Tätigkeiten und der Störung der Art herzustellen. Er stellte zunächst fest, dass das Fahren von Mopeds auf einem Fortpflanzungsstrand von Caretta caretta insbesondere aufgrund der Lärmbelästigung geeignet sei, diese Art während des Legens und Ausbrütens der Eier sowie des Schlüpfens der jungen Schildkröten wie auch auf ihrem Weg zum Meer zu stören. Auch stelle das Vorhandensein kleiner Boote in der Nähe der Fortpflanzungsstrände eine Bedrohung für das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Schildkröten dar. Nach Auffassung des Gerichtshofs war dies ausreichend, um eine absichtliche Störung der fraglichen Art während ihrer Fortpflanzungszeit im Sinne des Artikels 12 Absatz 1 Buchstabe b festzustellen.
13 – Rechtsprechung des EuGH: Störung der Unechten Karettschildkröte (Caretta caretta) in der Bucht von Kyparissia
Die Unechte Karettschildkröte (Caretta caretta) ist in den Anhängen II und IV der FFH-Richtlinie aufgeführt und bedarf somit eines strengen Schutzes. In den Frühlings- und Sommermonaten schlüpfen die Jungtiere an den Stränden des Mittelmeers, die auch bei erwachsenen Schildkröten beliebt sind. Griechenland besitzt mit mehr als 3000 Gelegen pro Jahr die meisten Nester am Mittelmeer. Die Bucht von Laganas auf Zakynthos beherbergt das größte Nistgebiet, gefolgt von der Bucht von Kyparissia (einem Natura-2000-Gebiet (GR2550005)), die sich zwar durch ein gut erhaltenes Dünensystem und einen Küstenwald auszeichnet, aber durch unkontrollierte Entwicklungen bedroht ist.
In zwei Urteilen (Rechtssachen C-103/00 und C-504/14) hat sich der Gerichtshof mit der Anwendung von Artikel 12 Absatz 1 Buchstaben b und d befasst, mit dem ein wirksames System zum strengen Schutz der Unechten Karettschildkröte in diesen Gebieten eingeführt und umgesetzt werden soll. Nach Auffassung des Gerichtshofs hat Griechenland gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie verstoßen, da es keine geeigneten Maßnahmen getroffen habe, um Störungen der Schildkrötenart während ihrer Fortpflanzungszeit und die Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungsstätten zu verhindern.
In Ermangelung eines integrierten und kohärenten nationalen Rechtsrahmens, zu dem auch ein genehmigter Bewirtschaftungsplan gehören würde, entschied der Gerichtshof, dass der strenge Schutz der Unechten Karettschildkröte und ihrer Fortpflanzungsstätten nicht sichergestellt werden könne. Für ein strenges Schutzsystem reiche es nicht aus, einen Flickenteppich aus isolierten Maßnahmen zu schaffen, die zwar den Umweltschutz im Allgemeinen betreffen, aber nicht geeignet sind, jede absichtliche Störung der betreffenden Art während der Fortpflanzungszeit und jede Tätigkeit, die zu einer Beschädigung oder Zerstörung ihrer Fortpflanzungsstätten führen könnte, mit spezifischen Maßnahmen zu verhindern.
14 – Weitere Orientierungshilfen: Bekämpfung der Auswirkungen von anthropogenem Unterwasserlärm auf Wale
Zu den Tätigkeiten, die zu Störungen streng geschützter Meeresarten wie Walen führen können, gehören die Schifffahrt oder Offshore-Windkraftanlagen durch Dauerlärm und Bauarbeiten sowie die Erdöl- und Erdgasexploration oder militärische Aktivitäten durch impulshaften Schall. Die Folgen für die Wale reichen von der Störung und Maskierung von Kommunikationsgeräuschen bis zu kurz- und langfristigen Hörschäden, physischen Verletzungen und sogar Todesfällen. In Zusammenwirkung mit den zusätzlichen Auswirkungen von Stress, Verwirrung und Panik kann dies für einzelne Tiere oder ganze Populationen verheerend sein.
Was die Schifffahrt anbelangt, könnten die Mitgliedstaaten ein breites Spektrum an vorbeugenden Maßnahmen in Erwägung ziehen, etwa die Drosselung der Schiffsgeschwindigkeit oder die Umleitung des Verkehrs. Für seismische Untersuchungen, bei denen Luftpulser eingesetzt werden, oder Offshore-Bautätigkeiten, die mit Rammarbeiten einhergehen, sind in der Regel Genehmigungen erforderlich. Daher können bei derartigen Plänen und Projekten die erforderlichen vorbeugenden Maßnahmen im Rahmen von Umweltverträglichkeitsprüfungen nach der Richtlinie über die strategische Umweltprüfung und der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung ergriffen werden.
Welche Herausforderungen mit der Festlegung geeigneter Schadensbegrenzungsmaßnahmen verbunden sind, ist auf internationaler Ebene erkannt worden, und so wurden einschlägige methodische Leitlinien verabschiedet, z. B. durch das ACCOBAMS
und das ASCOBANS
zum Schutz von Walen, während im Rahmen des Bonner Übereinkommens Leitlinien für Umweltverträglichkeitsprüfungen für Unterwasserlärm erzeugende Tätigkeiten erstellt wurden. Diese Leitfäden bieten einen äußerst nützlichen Rahmen für die Einhaltung der Bestimmungen der FFH-Richtlinie. Bei ihrer Anwendung sollten jedoch stets die neuesten wissenschaftlichen und fachlichen Erkenntnisse in diesem Bereich berücksichtigt werden, und es sollten sorgfältige Überlegungen zu jeder Tätigkeit und ihren Auswirkungen auf bestimmte Arten zugrunde gelegt werden.
15 – Weitere Leitlinien für seismische Erkundungen und ihre potenziellen Auswirkungen auf Meeressäugetiere, Irland
Irland hat ein solides Regelungs- und Bewirtschaftungssystem für seismische Erkundungen entwickelt, um potenziell erhebliche Auswirkungen auf alle Meeressäugetiere sowohl innerhalb als auch außerhalb von Natura-2000-Gebieten zu vermeiden. 2014 veröffentlichten das Ministerium für Kunst, Kulturerbe und die Gaeltacht einen umfänglichen Leitfaden mit dem Titel „Manage the Risk to Marine Mammals from Man-made Sound Sources in Irish Waters“ (Management des Risikos durch vom Menschen erzeugte Schallquellen für Meeressäugetiere in irischen Gewässern).
In dem Leitfaden wird erläutert, welche Risiken auftreten können (z. B. durch Baggerarbeiten, Bohrungen, Rammarbeiten, geophysikalische akustische Untersuchungen, Sprengungen) und – anhand von ausführlichen Beispielen – wie eine Risikobewertung durchgeführt wird. Anschließend werden mögliche regulatorische Maßnahmen beschrieben (z. B. Verweigerung der Zustimmung, Zustimmung mit Auflagen usw.).
2.3.2b
Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten
Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten gelten als Phasen, in denen Tiere besonders empfindlich auf Störungen reagieren. Aufgrund ökologischer, biologischer und Verhaltensunterschiede zwischen den verschiedenen Tierarten lassen sich diese Phasen nur artbezogen bestimmen.
(2-42)
Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten gelten als Phasen, in denen Tiere besonders anfällig für Störungen sind. In der FFH-Richtlinie findet sich jedoch keine Definition dieser Begriffe. Da in Anhang IV Buchstabe a der Richtlinie ein äußerst breites Spektrum von Arten aufgeführt ist, die sich in ihrer Ökologie, ihrer Biologie und ihrem Verhalten stark voneinander unterscheiden, muss die Festlegung der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten (sofern es diese überhaupt gibt) auf die jeweilige Art bezogen sein.
(2-43)
Für die Zwecke des Artikels 12 sollten folgende Definitionen verwendet werden:
- Fortpflanzungs- und Aufzuchtzeit: Dieser Zeitraum kann (gegebenenfalls) die Balz, die Paarung, den Nestbau oder die Wahl des Ortes für die Eiablage oder die Geburt der Jungen, die Geburt oder Eiablage selbst bzw. – im Falle der ungeschlechtlichen Fortpflanzung – die Erzeugung von Nachkommen, ferner die Eientwicklung und das Schlüpfen sowie die Aufzucht der Jungen umfassen.
- Überwinterungszeit (Winterschlaf): Als Überwinterung wird ein Zeitraum (in der Regel während der kalten Jahreszeit) bezeichnet, in dem ein Tier inaktiv wird und in einem Schlaf-, Starre- oder Ruhezustand verweilt. Dieser Zustand geht in der Regel mit einer Herabsetzung der Körpertemperatur und einer Verlangsamung von Herzschlag und Atmung einher. Da die Tiere (z. B. bestimmte Fledermausarten, Nagetiere, Amphibien und Reptilien) auf diese Weise weniger Energie verbrauchen als wenn sie aktiv wären, können sie auch bei strenger Kälte überleben.
- Wanderungszeit: Unter Wanderung ist die periodische, in der Regel durch jahreszeitliche Veränderungen oder Änderungen des Futterangebots bedingte Migration von Tieren von einem Gebiet zum anderen als natürlicher Teil ihres Lebenszyklus zu verstehen.
2.3.3
Absichtliche Zerstörung oder Entnahme von Eiern aus der Natur
(2-44)
Gemäß Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe c ist die absichtliche Zerstörung oder Entnahme von Eiern aus der Natur verboten.
2.3.4
Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten
(2-45)
Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d enthält eine eigenständige Bestimmung. Im Gegensatz zu den anderen Verboten des Artikels 12 betrifft sie die Tiere nicht unmittelbar, sondern zielt darauf ab, wichtige Bestandteile ihrer Lebensräume zu schützen, indem sie die Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- und Ruhestätten untersagt. Darüber hinaus wird der in Artikel 12 Absatz 1 Buchstaben a, b und c enthaltene Begriff „absichtlich“ in Buchstabe d nicht verwendet.
2.3.4a
Nichtverwendung des Begriffs „absichtlich“ in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d
Der Verzicht auf den Zusatz „absichtlich“ in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d macht deutlich, wie wichtig vorbeugende Maßnahmen der Mitgliedstaaten sind, um jede durch Menschen verursachte wahrscheinliche Beschädigung oder Vernichtung von Fortpflanzungs- oder Ruhestätten zu vermeiden. Beschädigungen oder Vernichtungen, die auf natürliche Ursachen zurückgehen (also nicht unmittelbar infolge menschlichen Handelns auftreten, sondern z. B. infolge von Naturkatastrophen) oder die durch unvorhersehbare Ereignisse verursacht werden, fallen nicht in den Geltungsbereich von Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d.
(2-46)
In Artikel 12 Absatz 1 Buchstaben a bis c sind nur absichtliche Handlungen verboten und müssen verhindert werden, während nach Buchstabe d das Vorliegen einer Absicht keine notwendige Voraussetzung für das Verbot ist.
Nach Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d ist jede Handlung untersagt, die zu einer Beschädigung oder Vernichtung von Fortpflanzungs- oder Ruhestätten führt, wobei es keine Rolle spielt, ob sie absichtlich erfolgt oder nicht.
Der Gerichtshof bestätigte darüber hinaus: „Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat dadurch, dass er das Verbot nach Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d der Richtlinie anders als die Verbote der in Artikel 12 Absatz 1 Buchstaben a bis c genannten Handlungen nicht auf absichtliche Handlungen beschränkt hat, deutlich gemacht, dass er die Fortpflanzungs- und Ruhestätten verstärkt vor Handlungen schützen will, die zu ihrer Beschädigung oder Vernichtung führen. Angesichts der Bedeutung des Zieles des Schutzes der biologischen Vielfalt, dessen Verwirklichung die Richtlinie dient, ist es keineswegs unverhältnismäßig, dass das Verbot nach Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d nicht auf absichtliche Handlungen beschränkt ist.“
(2-47)
Im Strafrecht wird zwischen vorsätzlichen bzw. absichtlichen und nicht vorsätzlichen Handlungen unterschieden. Mit dem Begriff „absichtlich“ werden auch Situationen abgedeckt, in denen das Ergebnis einer Handlung nicht unmittelbar beabsichtigt ist, die handelnde Person aber die Folgen hätte berücksichtigen müssen, die sich aus ihrer Handlung ergeben können. Dies zeigt deutlich, dass durch das Weglassen des Zusatzes „absichtlich“ in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d auch unabsichtliche Handlungen einbezogen werden sollten, die zu Beschädigungen oder Vernichtungen führen. Hierdurch erhält diese Bestimmung eine besondere zusätzliche Dimension: Jede Form der Beschädigung oder Vernichtung von Fortpflanzungs- oder Ruhestätten ist wirksam zu verbieten, d. h. zu vermeiden.
(2-48)
Dies heißt jedoch nicht, dass nach Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d der Richtlinie Maßnahmen zur proaktiven Bewirtschaftung von Lebensräumen (z. B. die aktive Bewirtschaftung einer Schmetterlingswiese) vorgeschrieben sind. Dennoch reicht ein einfaches gesetzliches Verbot nicht aus, um Fortpflanzungs- und Ruhestätten vor Beschädigung und Vernichtung zu schützen; es muss durch einen geeigneten Durchsetzungsmechanismus und vorbeugende Maßnahmen gestützt werden. Bei Vorhandensein eines strengen Schutzsystems müssten die Mitgliedstaaten den möglichen, durch menschliches Handeln entstehenden Bedrohungen dieser Stätten zuvorkommen und entsprechende Maßnahmen ergreifen, damit Personen, die (absichtlich oder unabsichtlich) einen Verstoß begehen könnten, Kenntnis von dem Verbot haben und sich entsprechend verhalten.
(2-49)
Im ersten Urteil zur Meeresschildkröte Caretta caretta
stellte der Gerichtshof fest, dass das Vorhandensein von Bauwerken auf einem Fortpflanzungsstrand geeignet sei, eine Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungsstätte im Sinne des Artikels 12 Absatz 1 Buchstabe d der Richtlinie herbeizuführen.
Bezeichnenderweise hat der Gerichtshof dies nicht auf „illegale“ Bauwerke bezogen. Für den Gerichtshof war das vorrangige Argument die bloße Tatsache, dass Bauwerke an dieser Stelle errichtet worden waren und eine Beschädigung oder Vernichtung herbeiführen konnten. Für die Feststellung eines Verstoßes gegen Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d genügte es, dass die Bauwerke auf einem als „absolute Schutzzone“ eingestuften Strand, auf dem es noch dazu „eine spezielle Beschilderung“ gab, errichtet wurden.
(2-50)
Der Gerichtshof hat darüber hinaus in der Rechtssache C-441/17 (betreffend den Schutz bestimmter in Anhang IV aufgeführter Arten xylobionter Käfer, nämlich Buprestis splendens, Cucujus cinnaberinus, Phryganophilus ruficollis und Pytho kolwensis, im Waldgebiet Białowieża, Polen) klargestellt, dass die in Artikel 12 der FFH-Richtlinie enthaltenen Verbote absolut seien und unabhängig von der Zahl der Individuen der streng geschützten Arten gelten.
In jüngerer Zeit hat der Gerichtshof bekräftigt, dass „die Durchführung der Schutzregelung nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. d der Habitatrichtlinie […] nicht von der Anzahl der Exemplare der betroffenen Art abhängig ist“.
Mit anderen Worten, die Tatsache, dass eine Art an einem bestimmten Ort stark verbreitet sein kann und ihr Überleben in dem Gebiet nicht bedroht ist, mindert nicht die Verpflichtung zum strengen Artenschutz. Derartige Sachverhalte sollten stattdessen im Rahmen des Ausnahmeverfahrens berücksichtigt werden. Umgekehrt gilt ebenso, dass die Tatsache, dass ein Gebiet nur für eines oder wenige Exemplare einer in Anhang IV Buchstabe a aufgeführten Art eine Fortpflanzungs- oder Ruhestätte darstellt, nicht die Verpflichtung mindert, dieses Gebiet vor Handlungen zu schützen, die zu seiner Beschädigung oder Vernichtung führen könnten.
(2-51)
Andererseits gibt es auch Fälle, in denen natürliche Lebensräume sich auf natürlichem Wege verschlechtern (etwa durch natürliche Sukzession nach Beendigung einer bestimmten Form der Landnutzung, z. B. Landwirtschaft) oder durch unvorhersehbare Ereignisse beschädigt werden, sodass sich der Lebensraum für bestimmte Arten nicht länger als Fortpflanzungs- oder Ruhestätte eignet. Wenn die Beschädigung bzw. Vernichtung von Fortpflanzungs- oder Ruhestätten nicht durch menschliches Handeln ausgelöst wurde, sondern aus natürlichen Ursachen resultiert, findet Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d keine Anwendung.
16 – Rechtsprechung des EuGH: Keine Sicherstellung des strengen Schutzes für bestimmte xylobionte Käfer
Das Natura-2000-Gebiet Puszcza Białowieska (PLC 200004 Waldgebiet Białowieża) umfasst den Nationalpark Białowieża und die Bewirtschaftung von Wäldern in drei Forstbezirken (Białowieża, Browsk und Hajnówka). Es gehört zu den am besten erhaltenen natürlichen Laub- und Mischwäldern Europas und zeichnet sich durch einen umfangreichen alten Baumbestand und große Mengen an Totholz aus. Es ist ein einzigartiger Biodiversitäts-Hotspot und eine wichtige Quelle wissenschaftlicher Erkenntnisse, insbesondere für ökologische Prozesse.
Wegen der anhaltenden Ausbreitung des Buchdruckers (verursacht unter anderem durch sich ändernde klimatische Bedingungen) genehmigte der polnische Umweltminister 2016 eine Änderung des Waldbewirtschaftungsplans von 2012. Auf diese Weise wurde für den Zeitraum von 2012 bis 2021 eine annähernde Verdreifachung des Hiebsatzes allein im Forstbezirk Białowieża gestattet, ebenso die Durchführung einiger forstwirtschaftlicher Tätigkeiten wie z. B. Sanitärhiebe oder künstliche Aufforstungen in Gebieten, die von wirtschaftlichen Aktivitäten ausgeschlossen sind. Im Anschluss erließ der Generaldirektor der Staatsforste im Jahr 2017 bezüglich der drei Forstbezirke Białowieża, Browsk und Hajnówka eine Entscheidung über den Einschlag und die Entfernung von Bäumen, die vom Buchdrucker befallen waren, aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und zur Verringerung des Brandrisikos in allen Altersklassen der Baumbestände. So wurden zunächst Trockenholz und vom Buchdrucker befallene Bäume auf einer Fläche von ca. 34 000 ha in diesen drei Forstbezirken entfernt; im Natura-2000-Gebiet Puszcza Białowieska waren es über 63 147 ha.
Die Europäische Kommission vertrat die Auffassung, dass die polnischen Behörden es versäumt hätten, sich zu vergewissern, dass diese Waldbewirtschaftungsmaßnahmen das Natura-2000-Gebiet Puszcza Białowieska als solches nicht beeinträchtigen würden. Die Kommission hat daher im Juli 2017 beim Gerichtshof beantragt, festzustellen, dass Polen gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 6 Absatz 3 und Artikel 12 Absatz 1 Buchstaben a und d der FFH-Richtlinie verstoßen hat. In seinem Urteil vom 17. April 2018
erklärte der EuGH, dass keine „angemessene Verträglichkeitsprüfung“ durchgeführt worden sei und dass die polnische Regierung gegen ihre Verpflichtungen zum Schutz des Waldgebiets Białowieża verstoßen habe. Der Gerichtshof hob ferner hervor, dass eine wissenschaftliche Kontroverse darüber bestehe, wie die Ausbreitung des Buchdruckers am besten einzudämmen sei. Folglich hätten die polnischen Behörden den Hiebsatz nicht erhöhen dürfen, da wissenschaftlich keine Gewissheit darüber bestanden habe, dass sich die Maßnahmen der aktiven Waldbewirtschaftung nicht dauerhaft nachteilig auf das Waldgebiet Białowieża als solches und auf die geschützten Arten (u. a. xylobionte Käfer) auswirkten.
Der Gerichtshof stellte ferner klar, dass die Verbote in Artikel 12 der FFH-Richtlinie unabhängig von der Zahl der Individuen der unter das strenge Schutzsystem fallenden Arten gelten. Mit anderen Worten, die Tatsache, dass eine Art an einem bestimmten Ort stark verbreitet sein kann und ihr Überleben in dem Gebiet nicht bedroht ist, mindert nicht die Verpflichtung zum strengen Artenschutz. Dies sollte stattdessen im Rahmen des Ausnahmeverfahrens berücksichtigt werden.
17 – Beispiel für bewährte Verfahren: Karten zur Darstellung der Sensitivität von Vögeln und Fledermäusen gegenüber Windparks in Flandern (Belgien)
Karten zur Darstellung der Sensitivität wild lebender Arten gelten als wirksames Instrument, wenn es darum geht, zu ermitteln, in welchen Gebieten die Entwicklung erneuerbarer Energien empfindliche Gemeinschaften von Wildpflanzen und Wildtieren beeinträchtigen könnte und daher vermieden werden sollte. Sie können genutzt werden, um in einem frühen Stadium des Planungsprozesses Gebiete zu ermitteln, in denen ökologische Gemeinschaften vorkommen, die empfindlich auf den Ausbau der Windenergie reagieren. Karten zur Darstellung der Sensitivität wild lebender Tiere dienen in der Regel als Grundlage für strategische Planungsentscheidungen in der ersten Phase des Entwicklungsprozesses und sind daher für eine Anwendung auf Landschaftsebene konzipiert, oft mit regionaler, nationaler oder multinationaler Abdeckung.
Die Karte zur Darstellung der Sensitivität von Vögeln und Fledermäusen gegenüber Windparks in Flandern zielt darauf ab, Gebiete aufzuzeigen, in denen Windkraftanlagen ein Risiko für Vögel oder Fledermäuse darstellen können. Sie soll als Informationsquelle und Orientierungshilfe für weitere Standortbewertungen und für die strategische Planung dienen. Diese Karte erfasst mehrere Arten und ermöglicht es, völlig verschiedene Gruppen in einem einzigen Instrument zu bewerten.
Auf der Karte wird die Region in vier Kategorien eingeteilt: hohes, mittleres und mögliches Risiko sowie geringes Risiko/keine Daten. Die Karte umfasst eine GIS-basierte Gefährdungskarte für Vögel, die aus mehreren Einzelkarten mit Informationen über wichtige Vogelgebiete (Important Bird Areas) und Migrationsrouten von Vögeln besteht. Karten zur Darstellung der Sensitivität und begleitende Leitlinien werden in Flandern häufig verwendet, wenn es um Standortentscheidungen geht. Projektentwickler und Beratungsfirmen nutzen sie für die strategische Planung und als Ausgangsbasis für detailliertere Projektbewertungen auf Standortebene. Für diese Zwecke werden sie darüber hinaus von lokalen und regionalen Behörden eingesetzt, aber auch, um die Arbeit von Projektentwicklern und Beratungsfirmen zu überprüfen.
Die Karte enthält auch Informationen über Fledermäuse, die sich jedoch insofern von den thematischen Karten für Vögel unterscheiden, als sie auf der Identifizierung eines geeigneten Lebensraums (anhand von Luftbildern und einer Bestandsaufnahme der Bodenbedeckung) basieren, der als Indikator für das Vorkommen von Fledermäusen diente. Allerdings liegen für Fledermäuse weit weniger Daten vor als für Vögel. Daher sollten die Sensitivitätsprognosen für Fledermäuse nur unter Vorbehalt interpretiert werden.
Quelle: The Wildlife Sensitivity Mapping Manual,
https://ec.europa.eu/environment/nature/natura2000/management/docs/wildlife%20manual%20final.pdf
.
2.3.4b
Identifizierung von „Fortpflanzungs- und Ruhestätten“
Fortpflanzungs- und Ruhestätten müssen streng geschützt werden, da sie für den Lebenszyklus der Tiere von entscheidender Bedeutung sind und lebenswichtige Bestandteile des Gesamthabitats einer Art darstellen. Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d sollte deshalb so verstanden werden, dass er darauf abzielt, die kontinuierliche ökologische Funktionalität dieser Stätten zu schützen, sodass sie fortlaufend alles bieten, was für den Fortpflanzungserfolg und die ungestörte Rast der Tiere erforderlich ist. Wenn diese Stätten regelmäßig aufgesucht werden, gilt die Schutzanforderung das ganze Jahr hindurch.
(2-52)
Angesichts der Ziele der Richtlinie müssen Fortpflanzungs- und Ruhestätten streng geschützt werden, weil sie für den Lebenszyklus der Tiere von entscheidender Bedeutung sind und lebenswichtige Bestandteile des Gesamthabitats
einer Art darstellen, durch die das Überleben der Art sichergestellt wird. Ihr Schutz steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Erhaltungszustand einer Art. Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d sollte deshalb so verstanden werden, dass er darauf abzielt, die ökologische Funktionalität von Fortpflanzungs- und Ruhestätten zu sichern. Durch Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d wird somit sichergestellt, dass diese Stätten nicht durch menschliche Tätigkeiten beschädigt oder zerstört werden, sondern dass sie weiterhin alles bieten können, was für den Fortpflanzungserfolg und die ungestörte Rast der betreffenden Tiere erforderlich ist.
(2-53)
Generalanwältin Kokott hat in der Rechtssache C-383/09 den Begriff „Fortpflanzungs- und Ruhestätten“ dahin gehend ausgelegt, dass diese Stätten sich nicht nur auf die Baue einer Tierart beschränken, sondern auch die umgebenden Lebensräume umfassen. Der Gerichtshof beurteilte nicht nur die unmittelbare Zerstörung von Bauen, sondern auch Städtebaumaßnahmen und veränderte Strukturen von Anbaukulturen in größeren Gebieten als Verstoß gegen Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d.
(2-54)
Aus Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d geht somit hervor, dass solche Fortpflanzungs- und Ruhestätten auch dann zu schützen sind, wenn sie nur gelegentlich genutzt werden oder sogar verlassen worden sind
, aber eine hinreichend hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass die betreffende Art an diese Stätten und Orte zurückkehrt. Wird z. B. eine bestimmte Höhle jedes Jahr von vielen Fledermäusen zur Überwinterung genutzt (da diese Art die Gewohnheit hat, jedes Jahr in dasselbe Winterquartier zurückzukehren), so ist die Funktion dieser Höhle als Überwinterungsstätte auch im Sommer zu schützen, damit die Fledermäuse sie im Winter wieder nutzen können.
(2-55)
Es ist schwierig, allgemeine Kriterien für Fortpflanzungs- und Ruhestätten festzulegen, da die in Anhang IV Buchstabe a aufgelisteten Arten vielen verschiedenen Taxa mit sehr unterschiedlichen Lebenszyklen angehören. Eine einheitliche, präzise Definition von „Fortpflanzungsstätte“ und „Ruhestätte“ für alle Taxa ist daher nicht möglich. Somit muss die Auslegung der Begriffe „Fortpflanzungsstätte“ und „Ruhestätte“ stets unter Berücksichtigung dieser Vielfalt erfolgen und den unterschiedlichen vorherrschenden Bedingungen entsprechen. Die folgenden allgemeinen Definitionen dienen hierbei als Orientierung; sie basieren auf der Grundannahme, dass die betreffenden Gebiete identifiziert und angemessen abgegrenzt werden können. Sie sind als Checkliste der zu berücksichtigenden Elemente gedacht, da nicht alle diese Elemente auf alle Arten zutreffen. Auch lassen sich damit Wissenslücken bezüglich bestimmter Arten ausfindig machen. Die beiden nachstehenden Definitionen werden in getrennten Abschnitten behandelt, obwohl es in der Praxis häufig Verbindungen und Überschneidungen gibt und sie daher auch gemeinsam betrachtet werden könnten.
(2-56)
Für die Zwecke des Artikels 12 sollten folgende Definitionen verwendet werden:
·Fortpflanzungsstätten
Fortpflanzung ist hier definiert als Paarung, Geburt von Jungtieren (einschließlich Eiablage) oder Erzeugung von Nachkommen im Falle der ungeschlechtlichen Fortpflanzung. Fortpflanzungsstätten sind daher als die Gebiete definiert, die für Paarung und Geburt erforderlich sind, und decken auch die Umgebung der Nester oder des Orts der Geburt ab, wenn die Jungtiere darauf angewiesen sind. Bei manchen Arten kann eine Fortpflanzungsstätte auch Verbundstrukturen umfassen, die für die Abgrenzung und Verteidigung des Reviers erforderlich sind. Bei Arten, die sich ungeschlechtlich fortpflanzen, ist die Fortpflanzungsstätte definiert als das Gebiet, das sie für die Erzeugung ihrer Nachkommen benötigen. Fortpflanzungsstätten, die regelmäßig genutzt werden, entweder innerhalb eines Jahres oder von Jahr zu Jahr, müssen auch dann geschützt werden, wenn sie nicht besetzt sind.
Die Fortpflanzungsstätte kann somit Gebiete umfassen, die erforderlich sind für
1.die Balz,
2.die Paarung,
3.den Nestbau oder die Wahl des Ortes der Eiablage oder der Geburt,
4.die Geburt, Eiablage oder Erzeugung von Nachkommen im Falle der ungeschlechtlichen Fortpflanzung,
5.die Eientwicklung und das Schlüpfen,
6.die Nester oder die Geburt, wenn die Jungtiere auf diese Orte angewiesen sind, sowie
7.weiter gefasste Lebensräume, die für den Fortpflanzungserfolg entscheidend sind, einschließlich Futtergebiete.
·Ruhestätten
Ruhestätten sind hier definiert als Gebiete, die für die Erhaltung eines Tiers oder einer Gruppe von Tieren während der nicht aktiven Phase wichtig sind. Für sessile Arten wird die Ruhestätte als der Ort definiert, an dem sie sich festsetzen. Ruhestätten umfassen auch Strukturen, die von Tieren angelegt werden, um als Ruhestätten zu dienen, wie Schlafplätze, Baue oder Verstecke. Ruhestätten, die regelmäßig aufgesucht werden, entweder innerhalb eines Jahres oder von Jahr zu Jahr, müssen auch dann geschützt werden, wenn sie nicht besetzt sind.
Überlebenswichtige Ruhestätten können eine oder mehrere Strukturen bzw. Lebensraumelemente umfassen, die erforderlich sind
1.zur Regulierung des Temperaturhaushalts, z. B. bei Lacerta agilis (Zauneidechse),
2.zum Ruhen, zum Schlafen oder zur Erholung, z. B. die Quartiere von Nyctalus leisleri (Kleiner Abendsegler),
3.als Versteck, zum Schutz oder als Unterschlupf, z. B. die Wohnröhren von Macrothele calpeiana (Andalusische Trichternetzspinne), sowie
4.für den Winterschlaf, z. B. Schlafquartiere von Fledermäusen oder Schlafnester von Muscardinus avellanarius (Haselmaus).
(2-57)
Eine ordnungsgemäße Umsetzung von Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d erfordert somit eine gute Kenntnis der Ökologie (Biologie, Lebensräume, Populationsgröße, Verbreitung und Dynamik) und des Verhaltens der betreffenden Art (Lebenszyklus, Organisation, Interaktion innerhalb der Art und mit anderen Arten).
Beispiele für Fortpflanzungs- und Ruhestätten
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Fortpflanzungsstätte
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Ruhestätte
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Triturus cristatus
(Nördlicher Kammmolch)
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Die zur Fortpflanzung genutzten Teiche sind unter den Männchen in einzelne Reviere aufgeteilt, in denen die Balz und die Paarung stattfinden. Die Eier werden einzeln an emersen Wasserpflanzen abgelegt, wo sie in 12 bis 18 Tagen heranreifen. Nach dem Schlüpfen schwimmen die jungen Larven frei im Wasser.
Der Teich ist somit die Fortpflanzungsstätte.
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Während der Landphase seines Lebenszyklus verbirgt sich Triturus cristatus tagsüber häufig unter Steinen, Baumwurzeln und am Boden liegendem Totholz. Ähnliche Unterschlüpfe nutzt er auch zur Überwinterung (in kälteren Regionen) oder für die Sommerruhe (in heißen Regionen). In der aquatischen Phase ihres Lebenszyklus dient den adulten Tieren und den Larven die Ufer- und Unterwasservegetation als Unterschlupf.
Triturus cristatus verbreitet sich auch in angrenzenden Teichen. Gesunde Populationen von Triturus cristatus nutzen mehrere Teiche, zwischen denen sie hin- und herwechseln und in deren Umgebung geeignete Landlebensräume in guter räumlicher Verzahnung vorhanden sein müssen. Dabei können sich die einzelnen Exemplare bis zu etwa einem Kilometer von ihrem Geburtsgewässer entfernen.
Die Ruhestätten von Triturus cristatus sind somit die von dieser Art bewohnten Gewässer und deren angrenzender Landlebensraum, der den Tieren während der Landphase ihres Lebenszyklus zur Versorgung dient.
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Nyctalus
leisleri
(Kleiner Abendsegler)
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Die männlichen Tiere leben während der Fortpflanzungszeit von den weiblichen Tieren getrennt. Im Herbst richten die Männchen in Baumhöhlen Paarungsquartiere ein. Die Paarung findet im Spätherbst statt, die Befruchtung wird von den Weibchen allerdings bis ins Frühjahr verzögert. Die Jungtiere werden in Wochenstuben geboren und sind von ihrer Mutter abhängig, bis sie im Sommer entwöhnt werden.
Paarungsquartiere und Wochenstuben sind demnach Fortpflanzungsstätten. Bei dieser strikten Anwendung der Definition werden Überwinterungsquartiere nicht berücksichtigt; diese werden durch den Begriff „Ruhestätten“ gemäß Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d erfasst.
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Während des Winterschlafs
Nyctalus leisleri ist eine Fledermausart, die hauptsächlich Bäume bewohnt und Winterschlaf hält. Als Winterquartiere nutzen die Tiere Baumhöhlen, Gebäude und gelegentlich Keller und Tunnel, die ein günstiges Mikroklima bieten. Sie beziehen jedoch auch Fledermauskästen. Baumquartiere sind in Parklandschaften und städtischen Gebieten sowie in Laub- und Nadelwäldern zu finden. Diese Quartiere müssen relativ störungsarm sein, da Fledermäuse, die aus ihrer Lethargie gerissen werden, wertvolle Energiereserven verlieren, die im Winter nicht wieder ersetzt werden können.
Während der aktiven Phase (im Frühjahr) sind für alle Fledermausarten auch Tagesschlafplätze wichtig. Die Tiere suchen während der Tagesstunden einen relativ ungestörten Platz auf, wiederum in den Rissen und Spalten von alten Bäumen und Gebäuden. Je nach Standort kann eine Kolonie abwechselnd mehrere Sommerquartiere nutzen, wobei die größeren dieser Quartiere auch als Wochenstuben dienen können. Die Männchen dagegen leben in dieser Zeit alleine oder in kleinen Gruppen.
Während der Wanderung
Von Nyctalus leisleri ist nachgewiesen, dass die Art zwischen Teilen ihres europäischen Verbreitungsgebiets wandert: In Deutschland beringte Individuen wurden in Winterquartieren in Frankreich und in der Schweiz gefunden (Nationaler Bericht 2003
). Ein genaues Wanderungsschema ist allerdings nicht bekannt. Es gibt jedoch auch Populationen, die eher gebietstreu sind und deren Wochenstuben und Winterquartiere sich am selben Standort befinden. Die von den Fledermäusen für die Tagesruhe und die Überwinterung genutzten Quartiere gelten als Ruhestätten.
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Fortpflanzungsstätte
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Ruhestätte
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Maculinea arion
(Quendel-Ameisenbläuling)
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Die Schmetterlingsart Maculinea arion benötigt für ihre Entwicklung einen Standort, an dem ihre Raupenfutterpflanze (Thymian-Arten) sowie Nester der ihren Raupen als Wirt und Futterquelle dienenden Ameisen der Gattung Myrmica vorkommen. Die Eiablage erfolgt an den Knospen von Thymianpflanzen. Dort entstehen und ernähren sich zunächst die Raupen. In einem bestimmten Stadium verlassen die Raupen die Pflanze und locken Ameisen an, damit diese sie in ihr Ameisennest tragen. Dort entwickeln sich die Raupen weiter, indem sie sich von den Eiern und Larven der Ameisen ernähren. Die Verpuppung erfolgt im Ameisennest, die erwachsenen Schmetterlinge schlüpfen im Frühsommer.
Fortpflanzungsstätten von Maculinea arion wären also Standorte mit Thymianpflanzen in der Nähe der Stellen, an denen die Falter schlüpfen, und der Nester von Ameisen der Gattung Myrmica, in denen die Raupen und Puppen sich entwickeln.
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Die Art besitzt keine klar abgrenzbaren Ruhestätten außer jenen, die für die Entwicklung der Raupen und die Verpuppung benötigt werden. Diese Stadien sind durch die Definition der Fortpflanzungsstätte in der linken Spalte abgedeckt.
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Osmoderma eremita
(Eremit)
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Für die Käferart Osmoderma eremita sind Ruhestätten und Fortpflanzungsstätten de facto identisch.
Diese saproxylische Art verbringt die meiste Zeit ihres Lebens in den mulmgefüllten Höhlungen alter Laubbäume, vor allem in Eichen (Quercus spp.). Ein Großteil der Käfer verlässt seinen Brutbaum nie. Die Paarung findet in der Höhle statt, und die Eier werden tief unten im Mulm der Bäume abgelegt. Die Entwicklung vom Ei zum Käfer dauert mehrere Jahre. Im Herbst entwickeln sich die Puppen, die erwachsenen Tiere schlüpfen im späten Frühjahr oder Frühsommer.
Ruhestätten für Osmoderma eremita sind eine Reihe alter hohler Laubbäume, in der Regel Eichenarten, die mit Mulm gefüllt sind.
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(2-58)
Am Beispiel der Art Triturus cristatus (s. Kasten oben) wird deutlich, dass bei einigen Arten mit kleinem Aktionsradius Fortpflanzungs- und Ruhestätten zusammenfallen können. In solchen Fällen ist es wichtig, für die Art ein funktionsfähiges und zusammenhängendes Gebiet zu schützen, das sowohl ihre Ruhe- und Fortpflanzungsstätten als auch andere Gebiete umfasst, die für die Erhaltung der ökologischen Funktionalität der Fortpflanzungs- und/oder Ruhestätte als notwendig erachtet werden. Dabei könnte die Bestimmung der „lokalen“ Population einer solchen Art nützlich für die Festlegung eines solchen Gebiets sein.
(2-59)
Es muss auch geprüft werden, wie im Rahmen von Artikel 12 bei Arten mit weitem Aktionsradius vorzugehen ist. Auf die besondere Problemstellung bei diesen Arten wird bereits in Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie eingegangen. Hier wäre es möglicherweise ratsam, die Definition von Fortpflanzungs- und Ruhestätten auf ein klar abgrenzbares Gebiet zu beschränken, z. B. auf die Quartiere von Fledermäusen, die Winterruhehöhlen von Bären, Baue von Fischottern oder andere Flächen, die eindeutig als wichtig für die Fortpflanzung oder das Ruhen identifiziert werden können.
(2-60)
In seinem Urteil zur Meeresschildkröte Caretta caretta hat der Gerichtshof Fortpflanzungs- und Ruhestätten nicht allgemein definiert, sondern sich auf den Einzelfall bzw. die einzelne Art bezogen. Im fraglichen Fall hob der Gerichtshof die Bedeutung der Bucht von Laganas hervor, für die feststehe, dass sie „ein wichtiges Gebiet für die Fortpflanzung der geschützten Art Caretta caretta ist“
. Dieses klar abgegrenzte Gebiet weist die für die Fortpflanzung der Art ausschlaggebenden physischen und biologischen Faktoren (Meeresgebiet und Fortpflanzungsstrände) auf. Eine allgemeine Definition der Begriffe „Fortpflanzungsstätten“ und „Ruhestätten“ ist aufgrund der großen Unterschiede zwischen den ökologischen Merkmalen verschiedener Arten schwierig. Somit müssen die aktuellen Erkenntnisse zur Ökologie und zum Verhalten der Arten berücksichtigt werden.
2.3.4c
Der Begriff „Beschädigung“
Der Begriff der Beschädigung kann als materielle Verschlechterung einer Fortpflanzungs- oder Ruhestätte definiert werden. In Gegensatz zur Vernichtung kann eine solche Beschädigung auch langsam und sukzessive erfolgen und so die Funktionalität der betreffenden Stätte beeinträchtigen. Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d gelangt zur Anwendung, wenn ein eindeutiger kausaler Zusammenhang zwischen einer oder mehreren vom Menschen verursachten Tätigkeiten und der Beschädigung einer Fortpflanzungs- oder Ruhestätte hergestellt werden kann.
(2-61)
Weder in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d noch in Artikel 1 der FFH-Richtlinie wird der Begriff „Beschädigung“ definiert, obwohl dieser Begriff auch in anderen Bestimmungen der Richtlinie (z. B. in Artikel 6 Absatz 2) auftaucht.
(2-62)
Im Allgemeinen kann eine Beschädigung als materielle Verschlechterung eines Lebensraums (in diesem Fall einer Fortpflanzungs- oder Ruhestätte) definiert werden. Im Gegensatz zur Vernichtung kann die Verschlechterung langsam erfolgen und die Funktionalität der betreffenden Stätte nach und nach herabsetzen. Eine Beschädigung muss also nicht sofort zu einem Verlust der Funktionalität einer Fortpflanzungs- oder Ruhestätte führen. Sie beeinträchtigt allerdings die Funktionalität hinsichtlich der Qualität oder Quantität der vorhandenen ökologischen Elemente und könnte mit der Zeit zu deren vollständigem Verlust führen. Wegen der großen Vielfalt der in Anhang IV Buchstabe a aufgelisteten Arten muss die Beschädigung einer bestimmten Fortpflanzungs- oder Ruhestätte bezogen auf den Einzelfall beurteilt werden.
(2-63)
Um die Ursachen, die zur Beschädigung oder sogar zum Verlust der Funktionalität einer Fortpflanzungs- oder Ruhestätte führen, feststellen und vermeiden zu können, ist es wichtig, einen klaren kausalen Zusammenhang zwischen einer oder mehreren menschlichen Tätigkeiten und der Beschädigung bzw. Vernichtung einer Fortpflanzungs- oder Ruhestätte herzustellen. Selbstverständlich können sich die Ursachen einer Beschädigung innerhalb oder außerhalb und sogar in einiger Entfernung von der betreffenden Fortpflanzungs- oder Ruhestätte befinden. Solche Ursachen und Tätigkeiten müssen dann so weit eingedämmt werden, dass sich eine Beschädigung und Vernichtung verhindern lässt. Nur wenn sie Klarheit über die Ursachen haben, können die Behörden entsprechend handeln und eine weitere oder zukünftige Beschädigung oder Vernichtung verhindern.
(2-64)
Daher kann die Duldung von Tätigkeiten, die den Lebensraum geschützter Arten direkt oder indirekt verschlechtern oder zerstören, einen Verstoß gegen Artikel 12 Absatz 1 darstellen, wie der Gerichtshof in der Rechtssache C-340/10 für Recht erkannt hat. In diesem Fall ist der Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, dass die übermäßige Wasserentnahme und andere schädliche Tätigkeiten in der Nähe des Paralimni-Sees erhebliche negative Auswirkung auf den Lebensraum der zyprischen Ringelnatter und auf die Erhaltung dieser Art, insbesondere in Dürrejahren, haben können. Indem es solche Maßnahmen geduldet habe, habe Zypern gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 12 Absatz 1 verstoßen.
(2-65)
Um abgrenzen zu können, was als „Beschädigung“ angesehen werden kann, ist es erforderlich, Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d als Ganzes zu analysieren. Der Zweck von Artikel 12 ist die Einführung eines strengen Schutzsystems für die in Anhang IV Buchstabe a aufgeführten Arten. Der ausdrückliche Schutz der Fortpflanzungs- und Ruhestätten neben dem Schutz der Arten als solchem und das Fehlen des Zusatzes „absichtlich“ zeigt, welche Bedeutung diesen Stätten im Rahmen der Richtlinie eingeräumt wird. Dieser besondere Schutz der Fortpflanzungs- und Ruhestätten vor Beschädigung oder Vernichtung hängt selbstverständlich mit der wesentlichen Funktion dieser Stätten zusammen, die kontinuierlich alle erforderlichen Elemente für die Fortpflanzung oder die Rast eines bestimmten Tieres (oder einer bestimmten Gruppe von Tieren) bieten müssen.
(2-66)
Beispiele für Tätigkeiten, die zu einer Beschädigung gemäß Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d führen können:
-Verfüllen von Teilen der Laichgewässer des Nördlichen Kammmolchs (Triturus cristatus) oder anderer streng geschützter Amphibien, wodurch (insgesamt) die Funktion dieser Gewässer als Fortpflanzungsstätte beeinträchtigt wird.
-Beschädigung der Funktion von Teilen eines Hamsterbaus, der als Fortpflanzungs- und Ruhestätte dient, durch zu tiefes Pflügen.
-Bauarbeiten an einem Fluss, der eine Ruhe- und Fortpflanzungsstätte für den Europäischen Stör (Acipenser sturio) oder andere streng geschützte Fischarten ist.
-Landentwässerung oder andere Tätigkeiten, die zu hydrologischen Veränderungen führen, die die ökologischen Merkmale des Lebensraums stark beeinträchtigen und sich auf die Population von Natrix natrix cypriaca (zyprische Ringelnatter, siehe Punkt 2-33) auswirken.
-Einschlag/Entfernung toter oder sterbender Bäume, die wichtige Lebensräume für bestimmte in Anhang IV aufgeführte und streng geschützte Arten xylobionter Käfer
darstellen (Buprestis splendens, Cucujus cinnaberinus, Phryganophilus ruficollis und Pytho kolwensis).
-Bau von Häusern, Ferienanlagen, Straßen und anderen Infrastrukturen sowie Lichtverschmutzung oder Fischereitätigkeiten in den Fortpflanzungsgebieten der Unechten Karettschildkröte (Caretta caretta) oder in deren näherer Umgebung.
18 – Beispiel für bewährte Verfahren: Ein strategisches Programm für den Stör in der Donau
Störe stellen einen wichtigen Teil des Naturerbes im Einzugsgebiet der Donau und des Schwarzen Meeres dar. Sie dienen als hervorragende Indikatoren für eine gute Wasser- und Lebensraumqualität. Heute sind vier von sechs Arten stark bedroht, eine gilt als gefährdet und eine ist ausgestorben. Alle sind mittlerweile durch die FFH-Richtlinie der EU geschützt.
Im Juni 2011 legte die Strategie der Europäischen Union für den Donauraum „die Sicherung lebensfähiger Populationen von Donaustörarten und anderen heimischen Fischarten bis 2020“ als eines ihrer Ziele (PA6-Ziel) fest. Eine Donaustör-Arbeitsgruppe wurde ein Jahr später im Januar 2012 eingesetzt, um festzulegen, auf welche Weise zusammengearbeitet werden solle, um dieses Ziel zu erreichen. Die Arbeitsgruppe brachte Störexperten, Delegierte von nichtstaatlichen Organisation und Vertreter der Internationalen Kommission für den Schutz der Donau und die Donaustrategie sowie die nationalen Regierungen zusammen.
Eine der ersten Maßnahmen der Arbeitsgruppe war die Erstellung eines Stör-2020-Programms, das als Rahmen für die gemeinsame Aktion dienen sollte. Die Durchführung des Programms erforderte viel Engagement und eine komplexe Zusammenarbeit zwischen Regierungen, Entscheidungsträgern, lokalen Gemeinschaften, Interessenträgern, Wissenschaftlern und nichtstaatlichen Organisationen.
Ein naheliegendes Instrument, um die im Stör-2020-Programm vorgeschlagenen Maßnahmen voranzubringen, ist der Bewirtschaftungsplan für das Donaueinzugsgebiet (Danube River Basin Management Plan, DRBMP) und sein gemeinsames Maßnahmenprogramm. Der zweite Entwurf des Bewirtschaftungsplans für die Donau, der 2015 aktualisiert wurde, legt als seine Visionen und Bewirtschaftungsziele fest, „dass anthropogene Hindernisse und Lebensraummangel die Fischwanderung und das Laichen nicht mehr beeinträchtigen – Störarten und bestimmte sonstige wandernde Arten haben Zugang zur Donau und den entsprechenden Zubringern. Störarten und bestimmte andere wandernde Arten werden im Donaueinzugsgebiet als selbsterhaltende Populationen gemäß ihrer historischen Verbreitung dargestellt“.
Die folgenden Maßnahmen gehören zu denen, die umgesetzt werden müssen, um das Bewirtschaftungsziel zu erreichen:
·Festlegung der Anzahl und des Standorts der Fischwanderhilfen und anderer Maßnahmen, um die Durchgängigkeit des Flusses zu erreichen/zu verbessern, die bis 2021 von jedem Land umgesetzt werden.
·Festlegung des Standorts und des Umfangs der Maßnahmen für die Verbesserung der Flussmorphologie durch Wiederherstellung, Erhaltung und Verbesserungen, die bis 2021 von jedem Land umgesetzt werden.
·Vermeidung von neuen Hindernissen für die Fischwanderung durch neue Infrastrukturprojekte; unvermeidbare neue Hindernisse müssen die notwendigen Schadensbegrenzungsmaßnahmen wie Fischwanderhilfen oder andere geeignete Maßnahmen in die Projektgestaltung einbeziehen.
·Schließen der Wissenslücken bezüglich der Möglichkeit für Störe und andere bestimmte wandernde Arten, stromabwärts und stromaufwärts durch die Staudämme Eisernes Tor I und II zu wandern, einschließlich Erhebungen bezüglich des Lebensraums.
·Wenn die Ergebnisse dieser Untersuchungen positiv ausfallen, sollten die geeigneten Maßnahmen umgesetzt und eine Durchführbarkeitsstudie für den Gabčíkovo-Staudamm und die obere Donau durchgeführt werden.
Gemäß dem DRBMP werden bis 2021 140 Fischwanderhilfen im Einzugsgebiet eingerichtet sein (120 wurden bereits seit dem ersten DRBMP errichtet). Diese sollten die Wanderung aller Fischarten, einschließlich des Störs sowie aller Altersklassen, durch den Einsatz der besten verfügbaren Methoden sicherstellen. Die Umsetzung von ungefähr 330 weiteren Maßnahmen zur Entfernung von Störungen der Durchgängigkeit sind ab 2021 geplant (WRRL Artikel 4 Absatz 4). http://www.dstf.eu
2.3.4d
Maßnahmen zur Sicherstellung der kontinuierlichen ökologischen Funktionalität von Fortpflanzungs- und Ruhestätten
Maßnahmen, die die kontinuierliche ökologische Funktionalität einer Fortpflanzungs- oder Ruhestätte im Falle von Projekten und Tätigkeiten mit möglichen Auswirkungen auf solche Stätten sicherstellen, müssen den Charakter von Schadensbegrenzungsmaßnahmen haben (d. h. Maßnahmen, mit denen die negativen Auswirkungen minimiert oder sogar beseitigt werden). Sie können auch Maßnahmen umfassen, mit denen eine bestimmte Fortpflanzungs- oder Ruhestätte aktiv so verbessert oder bewirtschaftet wird, dass ihre ökologische Funktionalität zu keinem Zeitpunkt geringer wird oder verloren geht. Solange diese Bedingung erfüllt ist und die entsprechenden Vorgänge von den zuständigen Behörden kontrolliert und überwacht werden, braucht nicht auf Artikel 16 zurückgegriffen zu werden.
(2-67)
Maßnahmen zur Sicherstellung der kontinuierlichen ökologischen Funktionalität von Fortpflanzungs- und Ruhestätten (im Folgenden „funktionserhaltende Maßnahmen“) sind vorbeugende Maßnahmen, die darauf abzielen, die negativen Auswirkungen einer Tätigkeit auf Fortpflanzungs- oder Ruhestätten geschützter Arten zu minimieren oder sogar zu beseitigen. Sie können jedoch auch darüber hinausgehen und Maßnahmen umfassen, mit denen eine bestimmte Fortpflanzungs- oder Ruhestätte aktiv verbessert wird, sodass ihre ökologische Funktionalität zu keinem Zeitpunkt geringer wird oder verloren geht. Ein Beispiel dafür wäre die Erweiterung der Stätte oder die Schaffung neuer Lebensräume innerhalb oder in direktem funktionalem Zusammenhang mit einer Fortpflanzungs- oder Ruhestätte, um deren Funktionalität aufrechtzuerhalten. Die Aufrechterhaltung oder Verbesserung der ökologischen Funktionalität, die für die betreffende Art mit solchen Maßnahmen einherginge, müsste natürlich eindeutig nachgewiesen werden.
(2-68)
Solche Maßnahmen sind jedoch nur möglich, wenn eine Genehmigungs- oder Planungsregelung mit förmlichen Verfahren besteht und die zuständigen Behörden beurteilen können, ob die Maßnahmen, die zur Wahrung der Fortpflanzungsfunktion oder Ruhefunktion einer Stätte getroffen wurden, ausreichend sind. Funktionserhaltende Maßnahmen sind dann eine Option, wenn eine Tätigkeit potenziell nur Teile einer Fortpflanzungs- oder Ruhestätte beeinträchtigt. Behält die Fortpflanzungs- oder Ruhestätte dank funktionserhaltender Maßnahmen mindestens ihre vorherige Größe (oder wird sie größer) und weist sie für die fragliche Art dieselbe (oder eine bessere) Qualität auf, so liegt keine Verschlechterung der Funktion, der Qualität oder der Integrität der Stätte vor. Entscheidend ist, dass die kontinuierliche ökologische Funktionalität der Stätte aufrechterhalten oder verbessert wird. Daher muss die Wirksamkeit der funktionserhaltenden Maßnahmen überwacht werden.
(2-69)
Nach dem Vorsorgeprinzip sollten die (z. B. vom Projektentwickler im Rahmen eines Projekts) vorgeschlagenen Maßnahmen nicht als mit Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d vereinbar angesehen werden, wenn sie die kontinuierliche ökologische Funktionalität einer Stätte nicht garantieren. Zur Einhaltung von Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d muss ein hohes Maß an Sicherheit bestehen, dass die Maßnahmen ausreichen, um jede Beschädigung oder Vernichtung zu vermeiden, und die Maßnahmen müssen rechtzeitig und in angemessener Form wirksam durchgeführt werden, sodass jede Beschädigung oder Vernichtung vermieden wird. Die Beurteilung der Erfolgsaussichten muss auf der Grundlage objektiver Informationen und unter Berücksichtigung der Merkmale und spezifischen Umweltbedingungen der betreffenden Stätte vorgenommen werden.
(2-70)
Geeignete funktionserhaltende Maßnahmen, die gewährleisten, dass sich die Funktion, die Qualität und die Integrität der Stätte nicht verschlechtern, haben insgesamt positive Auswirkungen auf den Schutz der betreffenden Arten.
(2-71)
Funktionserhaltende Maßnahmen sind denkbar als fester Bestandteil der Spezifikationen für eine Tätigkeit oder ein Projekt oder auch als Teil vorbeugender Maßnahmen im Rahmen eines strengen Schutzsystems, um Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d zu genügen.
(2-72)
Angesichts der Definition von Fortpflanzungs- und Ruhestätten (siehe Abschnitt 2.3.4b) bietet sich das hier beschriebene Konzept vor allem bei Tieren mit kleinem Aktionsradius an, deren Fortpflanzungs- oder Ruhestätten als „Funktionseinheiten“ abgrenzbar sind (d. h. das breitere Konzept wird verwendet). In diesem Zusammenhang wird hervorgehoben, dass die Mitgliedstaaten ihre Definitionen von Fortpflanzungs- und Ruhestätten für eine bestimmte Art konsequent anwenden und dementsprechend diese Art in ihrem gesamten Hoheitsgebiet schützen müssen.
(2-73)
Funktionserhaltende Maßnahmen unterscheiden sich von Ausgleichsmaßnahmen im engeren Sinne (einschließlich Ausgleichsmaßnahmen gemäß Artikel 6 Absatz 4 der FFH-Richtlinie). Durch Ausgleichsmaßnahmen sollen bestimmte negative Auswirkungen auf eine Tierart ausgeglichen werden, was impliziert, dass eine Fortpflanzungs- oder Ruhestätte beschädigt oder vernichtet wird oder wurde. Dies ist bei funktionserhaltenden Maßnahmen, die sicherstellen, dass die kontinuierliche ökologische Funktionalität einer Fortpflanzungs- oder Ruhestätte (in quantitativer wie qualitativer Hinsicht) vollständig intakt bleibt, nicht der Fall. Folglich ist bei einer Beschädigung oder Vernichtung einer Fortpflanzungs- oder Ruhestätte immer dann eine Ausnahmeregelung nach Artikel 16 erforderlich, wenn die darin festgelegten Bedingungen erfüllt sind. Die Anwendung von Ausgleichsmaßnahmen gemäß Artikel 16 wird in Abschnitt 3.2.3b behandelt.
2.3.5
Besitz, Transport, Handel oder Austausch und Angebot zum Verkauf oder Austausch von aus der Natur entnommenen Exemplaren
Die Verbote in Artikel 12 Absatz 2 gelten für alle Lebensstadien von in Anhang IV Buchstabe a aufgeführten Arten.
(2-74)
Für in Anhang IV Buchstabe a aufgeführte Arten wird in Artikel 12 Absatz 2 Folgendes festgelegt: „Für diese Arten verbieten die Mitgliedstaaten Besitz, Transport, Handel oder Austausch und Angebot zum Verkauf oder Austausch von aus der Natur entnommenen Exemplaren; vor Beginn der Anwendbarkeit dieser Richtlinie rechtmäßig entnommene Exemplare sind hiervon ausgenommen.” Nach Artikel 12 Absatz 3 gelten die Verbote in Artikel 12 Absatz 1 Buchstaben a und b und in Artikel 12 Absatz 2 für alle Lebensstadien der in Anhang IV Buchstabe a aufgelisteten Arten.
2.3.6
System zur Überwachung des unbeabsichtigten Fangs oder Tötens von in Anhang IV Buchstabe a aufgeführten Arten
Gemäß Artikel 12 Absatz 4 müssen die Mitgliedstaaten ein System zur Überwachung des unbeabsichtigten Fangs oder Tötens einführen und diejenigen weiteren Untersuchungs- oder Erhaltungsmaßnahmen einleiten, die erforderlich sind, um sicherzustellen, dass der unbeabsichtigte Fang oder das unbeabsichtigte Töten keine signifikanten negativen Auswirkungen auf die betreffenden Arten haben.
(2-75)
Artikel 12 Absatz 4 schreibt die Einführung eines Systems zur Überwachung des unbeabsichtigten Fangs oder Tötens der in Anhang IV Buchstabe a aufgeführten Tierarten vor. Das Überwachungssystem muss solide genug sein, um verlässliche Daten über die Auswirkungen aller Tätigkeiten zu erhalten, die die Gefahr des unbeabsichtigten Fangs oder Tötens der betreffenden Arten mit sich bringen könnten. Die gesammelten Informationen müssen eine zuverlässige Schätzung der Fälle von unbeabsichtigten Fängen oder Tötungen ermöglichen, die in Kombination mit den Ergebnissen der Überwachung ihres Erhaltungszustands zu einer fundierten Entscheidung darüber führen kann, ob Erhaltungsmaßnahmen erforderlich sind, um sicherzustellen, dass keine signifikanten negativen Auswirkungen auf die betreffenden Arten eintreten.
Beispiele hierfür sind die Überwachung des Beifangs von Walen oder Meeresschildkröten in Fanggeräten oder von deren Tötung durch Kollisionen mit Schiffen, die Überwachung der Tötung von Fledermäusen in der Umgebung von Windrädern oder die Überwachung von Tötungen im Straßenverkehr (z. B. von Amphibien bei ihren Frühjahrswanderungen). In der Rechtssache C-308/08 befasste sich der Gerichtshof mit der Frage der Umsetzung von Artikel 12 Absatz 4 in Bezug auf den Iberischen Luchs (Lynx pardinus) in Andalusien und stellte fest, dass ein System zur Überwachung des unbeabsichtigten Tötens Iberischer Luchse auf befahrenen Wegen besteht (siehe Kasten unten).
19 – Beispiel für bewährte Verfahren: Anpassung einer Straße durch ein Gebiet von Bedeutung für den Iberischen Luchs
Der Iberische Luchs (Lynx pardinus) ist die weltweit am stärksten bedrohte Katzenart. Er erbeutet fast ausschließlich Wildkaninchen und wird damit aufgrund seines geringen ökologischen Toleranzbereichs zu einer noch stärker gefährdeten Art. Der Iberische Luchs ist durch eine ganze Reihe von Bedrohungen gefährdet: durch den Rückgang seiner Nahrungsgrundlagen (durch Epidemien wie Myxomatose und RHD wurden die Kaninchenpopulationen im Laufe der Jahre stark dezimiert), Kollisionen mit Fahrzeugen (wegen der Fragmentierung des Lebensraums durch immer mehr Landstraßen), den Verlust und die Verschlechterung seiner Lebensräume (durch den Ausbau von Infrastrukturen wie Straßen, Dämme, Eisenbahnen und andere menschliche Tätigkeiten) und illegale Tötungen (die Tiere galten früher sowohl als attraktive Jagdtrophäen als auch als Schädlinge). An der Schwelle zum 21. Jahrhundert stand der Iberische Luchs kurz vor dem Aussterben: Nur insgesamt etwa 100 Tiere hatten in zwei isolierten Teilpopulationen in Andalusien (Spanien) sowie in einigen Gebieten Portugals überlebt. Bis 2019 stieg diese Zahl dann auf mehr als 600 erwachsene Tiere in acht Teilpopulationen mit zunehmender ökologischer Konnektivität.
Im Rahmen des LIFE-Programms hat die Europäische Union die Erholung dieser Art, deren Population sich in den letzten zehn Jahren deutlich verbessert hat, erheblich unterstützt. Im Rahmen des Projekts LIFE IBERLINCE
entwickelten die spanischen Behörden eine Reihe von Maßnahmen, die darauf abzielten, die Vernetzung zwischen den verschiedenen Populationskernen zu verbessern und die Sterblichkeitsrate des Iberischen Luchses durch Kollisionen mit Fahrzeugen um 30 % zu senken. Zu den in diesem Zusammenhang umgesetzten Maßnahmen gehörten die Errichtung und die Anpassung von Wildübergängen, Wildzäunen und Beschilderungen und die Einführung von Geschwindigkeitsbeschränkungen. Das spanische Ministerium für öffentliche Arbeiten und Verkehr, die für die Straßenverkehrssicherheit zuständige Behörde, wurde einer der Begünstigten dieses LIFE-Projekts, um die Durchführung von Maßnahmen zur Verringerung der Kollisionsrisiken zu fördern. Weitere Anstrengungen und Maßnahmen können erforderlich sein, um sicherzustellen, dass unbeabsichtigte Tötungen infolge von Verkehrskollisionen und anderen nicht natürlichen Todesursachen angemessen bekämpft und signifikante Auswirkungen auf die Population des Iberischen Luchses vermieden werden.
20 – Beispiel für bewährte Verfahren: Das Projekt LIFE SAFE-CROSSING – Verhütung von Kollisionen zwischen Tieren und Fahrzeugen
Das Projekt LIFE SAFE-CROSSING zielt auf die Durchführung von Maßnahmen ab, mit denen die Auswirkungen des Straßenverkehrs auf einige prioritäre Arten in vier europäischen Ländern reduziert werden sollen. Hierzu gehören der Marsische Braunbär (Ursus arctos marsicanus) und der Wolf (Canis lupus) in Italien, der Iberische Luchs (Lynx pardinus) in Spanien und der Braunbär (Ursus arctos) in Griechenland und Rumänien.
Diese Arten sind von Straßeninfrastrukturen stark bedroht, sowohl durch direkte Sterblichkeit als auch durch die Barrierewirkung. Um diese Auswirkungen einzudämmen, sollen die Erfahrungen genutzt werden, die im Rahmen eines früheren LIFE-Projekts, des Projekts LIFE STRADE, gewonnen wurden, bei dem an 17 Standorten in Mittelitalien erfolgreich ein innovatives Instrument zur Verhütung von Zusammenstößen zwischen Tieren und Fahrzeugen installiert wurde. Es wurde auch festgestellt, dass eine der Hauptursachen für die Tötung von Tieren auf Straßen darin besteht, dass Autofahrer zu wenig über die Gefahr von Zusammenstößen mit Wildtieren Bescheid wissen und diese Gefahr unterschätzen.
Das Projekt LIFE SAFE-CROSSING hat daher folgende Zielsetzungen:
·Aufzeigen der Nützlichkeit des innovativen Systems AVC PS zur Verhinderung von Kollisionen zwischen Tieren und Fahrzeugen (
Animal-Vehicle Collision
Prevention System)
·Senkung des Risikos von Zusammenstößen mit der Zieltierart
·Verbesserung der Konnektivität und Ermöglichung von Übergängen für die Zielpopulationen
·Sensibilisierung der Autofahrer in den Projektgebieten für das Risiko von Zusammenstößen mit der Zieltierart
An dem Projekt sind 13 Partner beteiligt, darunter nichtstaatliche Organisationen, private Unternehmen und öffentliche Einrichtungen. Durch die Beteiligung der Provinz Terni kann das im Rahmen des Projekts LIFE STRADE gewonnene Fachwissen für Vorhaben in den neuen Gebieten genutzt werden.
Das Projektgebiet für LIFE SAFE-CROSSING umfasst 29 Natura-2000-Gebiete (Gebiete von gemeinschaftlichem Interesse). Durch die Eindämmung der direkten Sterblichkeit und der Fragmentierung des Lebensraums durch Straßen und Wege trägt das Projekt sowohl zur Verbesserung der biologischen Vielfalt in den Natura-2000-Gebieten als auch zur Vernetzung der Gebiete bei. Durch die Standardisierung der Methoden und Verfahren und die Maßnahmen zur Wissensverbreitung wird die Übernahme bewährter Verfahren auch in anderen Gebieten begünstigt. Schließlich werden die intensiven Sensibilisierungsmaßnahmen im Laufe des Projekts auch dazu führen, dass lokale Gemeinschaften und Touristen besser über das Natura-2000-Netz informiert sind.
https://life.safe-crossing.eu/
(
http://www.lifestrade.it/index.php/en/
) (LIFE11BIO/IT/072)
(2-76)
Die systematische Überwachung und Erhebung verlässlicher Daten zum unbeabsichtigten Fangen und Töten ist eine grundlegende Voraussetzung für die Umsetzung wirksamer Erhaltungsmaßnahmen. So können beispielsweise bei einem Überwachungssystem für den Beifang in Fischfanggeräten die Daten zugrunde gelegt werden, die von den Mitgliedstaaten gemäß der Rahmenregelung für die Erhebung von Daten im Fischereisektor
erfasst werden. Die Verordnung (EU) 2017/1004 regelt die Erhebung, Verwaltung und Nutzung von biologischen, umweltbezogenen, technischen und sozioökonomischen Daten im Fischereisektor als Beitrag zu den Zielen der Gemeinsamen Fischereipolitik und der Umweltgesetze. Äußerst vielversprechend sind fortschrittliche Kontrolltechnologien wie elektronische Fernüberwachungsinstrumente (Remote Electronic Monitoring, REM) mit integrierten Videoüberwachungsfunktionen und Sensoren. Aktuelle Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz erleichtern die automatische Prüfung großer Mengen von REM-Daten. Solche Kontrollinstrumente bieten den Behörden eine kostengünstige und praktikable Möglichkeit, Beifänge empfindlicher Arten zu überwachen und zu erfassen. REM-Instrumente werden weltweit zunehmend als Lösungen bei verschiedenen Problemstellungen der Fischereiaufsicht eingesetzt, und zwar in Szenarien, in denen für die Datenerhebung und für Kontroll- und Durchsetzungszwecke eine kostengünstige, fortlaufende Überwachung erforderlich ist.
Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, entsprechend dem mehrjährigen Unionsprogramm für die Erhebung von Daten nationale Arbeitspläne vorzulegen. Mit dem Delegierten Beschluss (EU) 2019/910 der Kommission und dem Durchführungsbeschluss (EU) 2019/909 der Kommission wurde ein solches Programm für den Zeitraum 2020–2021 verabschiedet. Das Programm enthält eine Verpflichtung zur Erhebung von Daten zu ungewollten Beifängen aller Vögel, Säugetiere, Reptilien und Fische, die gemäß den Rechtsvorschriften der Union und internationalen Vereinbarungen geschützt sind. Die Daten müssen für alle Arten der Fischerei und alle Arten von Schiffen, während wissenschaftlicher Beobachterfahrten an Bord von Fischereifahrzeugen oder durch die Fischer selbst in Logbüchern erfasst werden.
Werden Daten zu Beifängen aus Beobachterfahrten als nicht hinreichend für die Bedürfnisse der Endnutzer betrachtet, müssen die Mitgliedstaaten andere Verfahren anwenden, z. B. elektronische Fernüberwachung (REM) durch Kameras auf Schiffen, die das Einholen von Fanggeräten und den Fang aufnehmen. Die Verfahren und die Qualität der Datenerhebung müssen den beabsichtigten Zwecken angemessen sein und sich an den von den einschlägigen wissenschaftlichen Gremien empfohlenen bewährten Verfahren und Methoden orientieren. Sie sollten einen ausreichenden Anteil der Flotte abdecken, um eine zuverlässige Schätzung der Beifänge zu ermöglichen. Die Erhebung von Daten über ungewollte Fänge geschützter und empfindlicher Arten im Rahmen der einschlägigen Verordnungen und Richtlinien sowie die Umsetzung geeigneter Erhaltungsmaßnahmen erfordern eine enge sektorübergreifende und interinstitutionelle Zusammenarbeit, die Durchsetzung der Vorschriften und eine angemessene Unterstützung für und durch die Fischer.
(2-77)
Für Arten mit weitem Aktionsradius wie Wale, die sich durch die Gewässer verschiedener Mitgliedstaaten bewegen, ist die Zusammenarbeit mit anderen Ländern im natürlichen Verbreitungsgebiet der jeweiligen Art von zentraler Bedeutung, da die Überwachung und die Maßnahmen Fischereifahrzeuge aus verschiedenen Ländern betreffen. Daher ist hervorzuheben, dass die Verpflichtungen nach Artikel 12 in der gemeinsamen Verantwortung der Mitgliedstaaten liegen. Diese Auffassung wird durch den Wortlaut der genannten Bestimmungen und das supranationale Ziel der Richtlinie, nämlich den Schutz von Arten und Lebensräumen von gemeinschaftlichem Interesse in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet, sowie durch die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit nach den Verträgen gestützt. Auch wenn die Hauptverantwortung für die Umsetzung von Artikel 12 bei dem Mitgliedstaat liegt, in dem die fragliche Art beheimatet ist, müssen die anderen Mitgliedstaaten mit diesem Mitgliedstaat zusammenarbeiten, wenn dies erforderlich ist, um ihren rechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Dies gilt sowohl für die Überwachung als auch für die Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen.
(2-78)
Anhand der im Überwachungssystem gesammelten Informationen müssen die Mitgliedstaaten weitere Forschungs- oder Erhaltungsmaßnahmen einleiten, die erforderlich sind, um sicherzustellen, dass der unbeabsichtigte Fang oder das unbeabsichtigte Töten keine signifikanten negativen Auswirkungen auf die betroffene Art haben. Daher ist es ebenso wichtig, über zuverlässige Informationen über die Population, das Verbreitungsgebiet und den Erhaltungszustand einer Art zu verfügen, was die vollständige Durchführung der Überwachung gemäß Artikel 11 der Richtlinie voraussetzt.
(2-79)
Obwohl der Begriff „signifikante negative Auswirkungen“
in Artikel 12 Absatz 4 nicht näher definiert wird, kann davon ausgegangen werden, dass er eine gründliche Untersuchung der Auswirkungen des unbeabsichtigten Fangs oder Tötens auf den Zustand von Teilpopulationen und Populationen bestimmter Arten und letztlich auf die Erreichung oder Aufrechterhaltung ihres günstigen Erhaltungszustands beinhaltet. Die Bedeutung der Auswirkungen muss von Fall zu Fall unter Berücksichtigung des Lebenszyklus der Art, des Ausmaßes und der Dauer der negativen Auswirkungen sowie des Erhaltungszustands und der Entwicklungstendenz der betroffenen Art beurteilt werden. Beispielsweise können die Auswirkungen als signifikant angesehen werden, wenn sich eine Art in einem ungünstigen Erhaltungszustand befindet und ihre Zahl aufgrund von unbeabsichtigtem Fangen oder Töten weiter abnimmt, insbesondere wenn dies die Aussichten auf eine künftige Erholung beeinträchtigt. Die Auswirkungen sollten auch dann als signifikant beurteilt werden, wenn regelmäßig eine große Zahl von Tieren unabsichtlich gefangen und getötet wird und sich dies auf eine Teilpopulation oder lokale Population der betreffenden Art auswirken könnte. Liegen keine Daten zum Erhaltungszustand und/oder zum tatsächlichen Ausmaß des unbeabsichtigten Fangs oder Tötens vor, sollte das Vorsorgeprinzip zur Anwendung kommen.
(2-80)
Eine weitere Tätigkeit, die das unbeabsichtigte Töten streng geschützter Meeresarten verursachen kann, ist der Seeverkehr, in dem Tiere insbesondere durch Kollisionen mit Schiffen zu Tode kommen. Die Mitgliedstaaten könnten hierzu ein breites Spektrum an vorbeugenden Maßnahmen in Erwägung ziehen, etwa die Drosselung der Schiffsgeschwindigkeit oder die Umleitung des Verkehrs. Diese Maßnahmen müssen üblicherweise nach den Regeln der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) durchgeführt werden. Je nach Umfang der vorgeschlagenen Maßnahmen und ihren Auswirkungen auf den normalen Seeverkehr und gemäß der Richtlinie 2002/59/EG ist dazu möglicherweise ein Genehmigungsantrag der EU bei der IMO erforderlich.
(2-81)
Bestimmte militärische Aktivitäten, insbesondere der Einsatz aktiver Sonare in der Meeresumwelt oder die Versenkung oder Zerstörung nicht explodierter Munition, können zur Folge haben, dass empfindliche Arten wie Wale getötet werden. Da militärische Aktivitäten nicht von den Bestimmungen des Artikels 12 ausgenommen sind, hat die Marine in verschiedenen Mitgliedstaaten politische Initiativen für den Einsatz militärischer Sonare entwickelt und dabei der Notwendigkeit Rechnung getragen, potenzielle Umweltauswirkungen zu minimieren. Beispielsweise können Schutzzonen ausgewiesen werden, in denen die Nutzung solcher Sonaraktivitäten eingeschränkt ist. Dies sollte unter Beachtung der geltenden internationalen Rechtsvorschriften erfolgen, die im Wesentlichen durch das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen geregelt werden, das auch spezifische Bestimmungen über die besonderen Rechte und Pflichten von Kriegsschiffen enthält.
3.
ARTIKEL 16
Wortlaut von Artikel 16
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(1) Sofern es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt und unter der Bedingung, daß die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen, können die Mitgliedstaaten von den Bestimmungen der Artikel 12, 13 und 14 sowie von Artikel 15 Buchstaben a) und b) im folgenden Sinne abweichen:
a) zum Schutz der wildlebenden Tiere und Pflanzen und zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume;
b) zur Verhütung ernster Schäden insbesondere an Kulturen und in der Tierhaltung sowie an Wäldern, Fischgründen und Gewässern sowie an sonstigen Formen von Eigentum;
c) im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder positiver Folgen für die Umwelt;
d) zu Zwecken der Forschung und des Unterrichts, der Bestandsauffüllung und Wiederansiedlung und der für diese Zwecke erforderlichen Aufzucht, einschließlich der künstlichen Vermehrung von Pflanzen;
e) um unter strenger Kontrolle, selektiv und in beschränktem Ausmaß die Entnahme oder Haltung einer begrenzten und von den zuständigen einzelstaatlichen Behörden spezifizierten Anzahl von Exemplaren bestimmter Tier- und Pflanzenarten des Anhangs IV zu erlauben.
(2) Die Mitgliedstaaten legen der Kommission alle zwei Jahre einen mit dem vom Ausschuß festgelegten Modell übereinstimmenden Bericht über die nach Absatz 1 genehmigten Ausnahmen vor. Die Kommission nimmt zu diesen Ausnahmen binnen zwölf Monaten nach Erhalt des Berichts Stellung und unterrichtet darüber den Ausschuß.
(3) In den Berichten ist folgendes anzugeben: a) die Arten, für die die Ausnahmeregelung gilt, und der Grund der Ausnahme, einschließlich der Art der Risiken sowie gegebenenfalls der verworfenen Alternativlösungen und der benutzten wissenschaftlichen Daten; b) die für Fang oder Tötung von Tieren zugelassenen Mittel, Einrichtungen oder Methoden und die Gründe für ihren Gebrauch; c) die zeitlichen und örtlichen Umstände der Ausnahmegenehmigungen; d) die Behörde, die befugt ist, zu erklären, daß die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind, bzw. zu kontrollieren, ob sie erfüllt sind, und die beschließen kann, welche Mittel, Einrichtungen oder Methoden innerhalb welcher Grenzen und von welchen Stellen verwendet werden dürfen sowie welche Personen mit der Durchführung betraut werden; e) die angewandten Kontrollmaßnahmen und die erzielten Ergebnisse.
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(3-1)
Artikel 16 der Richtlinie sieht die Möglichkeit von Ausnahmen vor, auch von dem strengen Schutzsystem für Tierarten, das in Artikel 12 festgelegt wurde.
(3-2)
Artikel 16 bietet nur begrenzte Möglichkeiten, von den Beschränkungen und Verboten in Artikel 12 abzuweichen. Ausnahmeregelungen müssen nicht nur im Hinblick auf das Gesamtziel der Richtlinie gerechtfertigt sein, sondern es müssen auch drei besondere Kriterien erfüllt sein (siehe Abschnitt 3.2).
(3-3)
Ist eines dieser Kriterien nicht erfüllt, verliert die Ausnahmeregelung ihre Gültigkeit. Die Behörden der Mitgliedstaaten müssen daher alle allgemeinen und spezifischen Anforderungen sorgfältig prüfen, bevor sie eine Ausnahme genehmigen.
3.1
Allgemeine rechtliche Überlegungen
3.1.1
Verpflichtung zur vollständigen, eindeutigen und bestimmten Umsetzung von Artikel 16
Artikel 16 muss mit unbestreitbarer Verbindlichkeit vollständig und förmlich umgesetzt werden. Die Kriterien, die für die Gewährung einer Ausnahmeregelung erfüllt sein müssen, sind in spezifischen einzelstaatlichen Bestimmungen zu formulieren. Die nationalen Umsetzungsmaßnahmen müssen die vollständige Anwendung von Artikel 16 garantieren, ohne ihre Formulierungen zu ändern, ihre Bestimmungen nur selektiv anzuwenden oder zusätzliche, nicht in der Richtlinie vorgesehene Ausnahmeregelungen hinzuzufügen. Verwaltungsvorschriften allein reichen nicht aus.
(3-4)
Bei der Umsetzung von Artikel 16 in nationales Recht muss die Anwendung der Bestimmungen für Ausnahmeregelungen durch die zuständigen Behörden gewährleistet sein. Es sei darauf hingewiesen, dass eine Richtlinie hinsichtlich des zu erreichenden Ziels bindend ist, den Mitgliedstaaten aber die Wahl lässt, auf welche Weise sie dieses Ergebnis erreichen. Allerdings hat der Gerichtshof diesem Handlungsspielraum Grenzen gesetzt. So muss die nationale Umsetzung des Ausnahmeregelungssystems gemäß Artikel 16 mit allen Grundsätzen des EU-Rechts und einer Reihe weiterer Anforderungen im Einklang stehen, wie nachstehend erläutert wird.
(3-5)
Nach der Rechtsprechung des EuGH „erfordert die Umsetzung einer Richtlinie in innerstaatliches Recht nicht notwendig eine förmliche und wörtliche Übernahme ihrer Bestimmungen in eine ausdrückliche, besondere Gesetzesvorschrift; je nach dem Inhalt der Richtlinie kann hierzu ein allgemeiner rechtlicher Kontext genügen, wenn dieser tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie mit hinreichender Klarheit und Genauigkeit gewährleistet“. Bloße Verwaltungspraktiken, die die Verwaltung ihrem Wesen nach ändern könne und die nur unzureichend bekannt gemacht seien, könnten nicht als eine wirksame Erfüllung der Verpflichtungen aus der AEUV und der Richtlinie angesehen werden.
(3-6)
Folglich ist die Einhaltung der Vorschriften des Artikels 16 in der Praxis kein Ersatz für eine ordnungsgemäße formelle Umsetzung. In der Rechtssache C-46/11 hat der Gerichtshof bestätigt, dass eine ordnungsgemäße Umsetzung der Bestimmungen einer Richtlinie für sich genommen nicht die Klarheit und Bestimmtheit bieten kann, die erforderlich sind, um dem Grundsatz der Rechtssicherheit zu genügen. Darüber hinaus könne die Verwaltungspraxis allein nicht als Erfüllung der Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht angesehen werden.
(3-7)
Darüber hinaus müssen die Vorschriften der Richtlinien mit unbestreitbarer Verbindlichkeit und mit der Konkretheit, Bestimmtheit und Klarheit umgesetzt werden, die notwendig sind, um den Erfordernissen der Rechtssicherheit zu genügen.
In seinem Urteil in der Rechtssache C-339/87 stellte der Gerichtshof spezifischer fest, dass „die Kriterien, aufgrund deren die Mitgliedstaaten von den in der Richtlinie ausgesprochenen Verboten abweichen dürfen, in eindeutige innerstaatliche Bestimmungen übernommen werden müssen, da die Genauigkeit der Umsetzung in einem Fall, in dem die Verwaltung des gemeinsamen Erbes den Mitgliedstaaten für ihr jeweiliges Hoheitsgebiet anvertraut wurde, von besonderer Bedeutung ist“. In seinem Urteil vom 20. Oktober 2005 wandte der Gerichtshof diese Rechtsprechung auf die FFH-Richtlinie an und stellte fest, dass „die Mitgliedstaaten im Bereich der Richtlinie, die komplexe und technische Regelungen des Umweltschutzrechts enthält, in besonderer Weise gehalten [sind], dafür Sorge zu tragen, dass ihre zur Umsetzung der Richtlinie bestimmten Rechtsvorschriften klar und bestimmt sind“.
(3-8)
Wie der Gerichtshof in Bezug auf Artikel 16 der FFH-Richtlinie entschieden hat, müssen die Kriterien, aufgrund derer die Mitgliedstaaten von den in der Richtlinie ausgesprochenen Verboten abweichen dürfen, in eindeutige Bestimmungen des nationalen Rechts übernommen werden. Dabei müsse Artikel 16 der FFH-Richtlinie restriktiv ausgelegt werden, da er die Voraussetzungen, unter denen die Mitgliedstaaten von den Artikeln 12 bis 15 der Richtlinie abweichen dürften, präzise festlege.
Der Gerichtshof vertrat diesen Standpunkt auch in seinem Urteil in der Rechtssache C-46/11.
(3-9)
Bei der Umsetzung von Artikel 16 müssen die Mitgliedstaaten zur Sicherstellung sowohl einer einheitlichen Auslegung als auch einer einheitlichen Anwendung der Bedeutung der in der Richtlinie verwendeten Begriffe folgen.
Das bedeutet auch, dass die nationalen Umsetzungsmaßnahmen die vollständige Anwendung der Richtlinie gewährleisten müssen, ohne dass die darin verwendeten Begriffe geändert und ohne dass zusätzliche, in der Richtlinie nicht vorgesehene Bedingungen oder Ausnahmeregelungen hinzugefügt werden.
So stellte der Gerichtshof in der Rechtssache C-6/04 fest, dass Ausnahmeregelungen, die Handlungen verursachen, die den Tod von Tieren der geschützten Arten oder die Beschädigung oder Vernichtung ihrer Fortpflanzungs‑ und Ruhestätten verursachen, wenn diese Handlungen als solche rechtmäßig sind und nach vernünftigem Ermessen nicht vermieden werden können, „dem Geist und Zweck der Richtlinie und dem Buchstaben von Artikel 16 der Richtlinie zuwider[laufen]”.
In der Rechtssache C-183/05 vertrat der Gerichtshof die Auffassung, dass das System von Ausnahmen in der irischen Regelung (Section 23(7)(b) des Wildlife Act) mit den Artikeln 12 und 16 der Richtlinie unvereinbar sei.
Nach irischem Recht stellen Handlungen, die die Ruhe‑ oder Fortpflanzungsstätten wild lebender Arten unbeabsichtigt stören oder zerstören, keine Zuwiderhandlungen dar. Nach Auffassung des Gerichtshofs widerspricht diese Bestimmung nicht nur den Anforderungen von Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d der Richtlinie, wonach solche Handlungen unabhängig davon verboten sind, ob sie absichtlich begangen werden oder nicht, sondern geht auch über das hinaus, was in Artikel 16 der Richtlinie vorgesehen ist, da in der Richtlinie die Voraussetzungen, unter denen Ausnahmen gewährt werden können, erschöpfend aufgezählt sind.
(3-10)
Die nationalen Vorschriften müssen sicherstellen, dass alle in Artikel 16 genannten Bedingungen streng und gründlich umgesetzt werden und dass nicht nur einige Bestimmungen selektiv angewendet werden. In der Rechtssache C-98/03 stellte der Gerichtshof fest, dass das deutsche Recht (§ 43 Absatz 4 des Bundesnaturschutzgesetzes) mit Artikel 16 nicht vereinbar sei, da es Ausnahmen nicht von allen in diesem Artikel vorgesehenen Voraussetzungen abhängig mache.
In der Rechtssache C-508/04 hat der Gerichtshof klargestellt, dass „nationale Bestimmungen, die Abweichungen von den Verboten der Art. 12 bis 14 und 15 Buchst. a und b der Richtlinie nicht von allen in Art. 16 der Richtlinie vorgesehenen Kriterien und Voraussetzungen, sondern nur unvollständig von Teilen davon abhängig machen, keine mit diesem Artikel übereinstimmende Regelung darstellen [können]“.
In der Rechtssache C-46/11 befand der Gerichtshof, dass das polnische Recht nicht mit Artikel 16 vereinbar sei, weil es Ausnahmen nicht von allen in diesem Artikel genannten Kriterien und Bedingungen abhängig mache.
3.1.2
Angemessene allgemeine Anwendung von Ausnahmen
Ausnahmeregelungen nach Artikel 16 können nur ein letzter Ausweg sein. Die Bestimmungen für Ausnahmen sind eng auszulegen: Sie müssen genaue Anforderungen enthalten und für spezifische Situationen gelten. Die Mitgliedstaaten müssen dafür Sorge tragen, dass die kombinierte Wirkung aller in ihrem Hoheitsgebiet gewährten Abweichungen keine Auswirkungen hat, die den Zielen der Richtlinie zuwiderlaufen.
(3-11)
Die Gewährung von Ausnahmen gemäß Artikel 16 kann nur ein letzter Ausweg sein.
Die für die Erteilung von Ausnahmeregelungen zuständigen nationalen Behörden müssen berücksichtigen, dass Ausnahmeregelungen restriktiv auszulegen und anzuwenden sind, damit eine Beeinträchtigung des übergeordneten Ziels und der wichtigsten Bestimmungen der Richtlinie vermieden wird.
In seinem Urteil in der Rechtssache C-6/04 hat der Gerichtshof klargestellt, dass dieser Grundsatz auch in Bezug auf Artikel 16 gilt.
In der Rechtssache C-674/17 befand der EuGH, dass „[e]ine auf Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie gestützte Ausnahme […] nur eine konkrete und punktuelle Anwendung sein [kann], mit der konkreten Erfordernissen und besonderen Situationen begegnet wird“.
(3-12)
Es ist hervorgehoben worden, dass im Hinblick auf die Bestimmungen von Artikel 12 der FFH-Richtlinie in hinreichender und überprüfbarer Weise angemessene und wirksame Maßnahmen durchgeführt werden müssen. Demselben Ansatz kann auch in Bezug auf das Ausnahmeregelungssystem gefolgt werden. Bei korrekter Anwendung wird so sichergestellt, dass die Ausnahmen nicht im Widerspruch zur Zielsetzung der Richtlinie stehen.
In der Rechtssache C-6/04 stellte der Gerichtshof fest, dass „die Artikel 12, 13 und 16 der Richtlinie gemeinsam ein in sich stimmiges Regelungssystem zum Schutz der Populationen der betroffenen Arten [bilden], so dass jede mit der Richtlinie unvereinbare Ausnahme davon sowohl die Verbote der Artikel 12 oder 13 als auch die Ausnahmebestimmung des Artikels 16 verletzt“.
Generell sind die Bedingungen bzw. Kriterien umso strenger anzuwenden, je schwerwiegender sich eine Ausnahmeregelung auf eine Art oder Population potenziell auswirkt.
(3-13)
Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung setzt voraus, dass die zuständigen nationalen Behörden sichergestellt haben, dass alle in Artikel 16 genannten Bedingungen erfüllt sind. Die Mitgliedstaaten müssen auch sicherstellen, dass die kumulierten Auswirkungen von Ausnahmen nicht zu Auswirkungen führen, die den Zielen von Artikel 12 und der Richtlinie insgesamt zuwiderlaufen.
(3-14)
In der Regel werden Ausnahmen daher am besten innerhalb eines nationalen Naturschutzrahmens gewährt, um sicherzustellen, dass ihre kumulierten Auswirkungen für eine bestimmte Art dem günstigen Erhaltungszustand dieser Art auf nationaler und/oder biogeografischer Ebene innerhalb eines Mitgliedstaats nicht abträglich sind. In jedem Fall müssen die Mitgliedstaaten einen Überblick haben und die Anwendung von Ausnahmeregelungen auf nationaler Ebene überwachen (für Arten mit grenzüberschreitendem Aktionsradius ggf. auch über die Grenzen hinaus). Dies kann je nach der Organisationsstruktur eines Mitgliedstaats heißen, dass regionale oder lokale Behörden die Auswirkungen von Ausnahmen auch jenseits ihres eigenen Hoheitsgebiets verfolgen müssen.
Ein Beispiel dafür, wie eine nationale Behörde die Anwendung der in ihrem Hoheitsgebiet gewährten Ausnahmeregelungen gestalten kann, findet sich in der Rechtssache C-342/05. In seinem diesbezüglichen Urteil stellt der Gerichtshof Folgendes klar: „Der Umstand, dass die Entscheidungen über die Abschussgenehmigungen für Wölfe auch die regionale Höchstquote für die Tiere, die in den einzelnen Wildschutzbezirken geschossen werden können, berücksichtigen müssen, kann nicht als Verstoß gegen Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie betrachtet werden. Denn diese Quote, die nach der Zahl der Tiere festgesetzt wird, die beseitigt werden können, ohne dass die betreffende Art gefährdet wird, bildet […] nur den Rahmen, innerhalb dessen die Wildschutzbezirke Abschussgenehmigungen erteilen können, wenn im Übrigen die Voraussetzungen von Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie erfüllt sind.“
Das heißt, es ist zwar möglich, eine Höchstzahl von Exemplaren festzulegen, die getötet werden dürfen (um negative Auswirkungen auf den Erhaltungszustand zu vermeiden), aber dies entbindet nicht von der Notwendigkeit, dass jede Ausnahmeregelung alle Bedingungen von Artikel 16 Absatz 1 erfüllen muss.
3.2
Ein sorgfältig kontrolliertes System der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen: die drei Kriterien
(3-15)
In Artikel 16 sind drei Kriterien vorgesehen, die alle erfüllt sein müssen, bevor eine Ausnahme gewährt wird:
1) Nachweis des Vorliegens eines oder mehrerer der in Artikel 16 Absatz 1 Buchstaben a bis d genannten Gründe, um unter strenger Kontrolle, selektiv und in beschränktem Ausmaß die Entnahme oder Haltung einer begrenzten und von den zuständigen einzelstaatlichen Behörden spezifizierten Anzahl von Exemplaren bestimmter Tier- und Pflanzenarten des Anhangs IV zu erlauben (Buchstabe e)
2) Fehlen einer anderweitigen zufriedenstellenden Lösung
3) Zusicherung, dass die Populationen trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen
Das dritte Kriterium entspricht dem übergeordneten Ziel der FFH-Richtlinie, durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie wild lebender Tiere und Pflanzen zur biologischen Vielfalt beizutragen (Artikel 2 Absatz 1). Die getroffenen Maßnahmen müssen darauf ausgerichtet sein, die geschützten natürlichen Lebensräume und wild lebenden Tiere und Pflanzen in einem günstigen Erhaltungszustand zu erhalten oder diesen wiederherzustellen. Sie müssen auch den Anforderungen von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur sowie den regionalen und örtlichen Besonderheiten Rechnung tragen (Artikel 2 Absätze 2 und 3).
Bevor das zweite und das dritte Kriterium überprüft werden können, muss der Antrag das erste Kriterium erfüllen. In der Praxis ist es wenig sinnvoll, die Frage nach zufriedenstellenden Alternativlösungen und nach Auswirkungen auf den Erhaltungszustand zu untersuchen, wenn die Maßnahme nicht die Anforderungen in Artikel 16 Absatz 1 Buchstaben a bis e erfüllt.
(3-16)
Die Mitgliedstaaten müssen dennoch sicherstellen, dass alle drei Kriterien erfüllt sind. Wie der Gerichtshof in der Rechtssache C-342/05 erläutert, liege die Beweislast bei den zuständigen Behörden, die nachweisen müssten, dass jede Ausnahmeregelung alle Kriterien erfülle: „Da [Artikel 16 Absatz 1] eine Ausnahmeregelung vorsieht, die eng auszulegen ist und bei der die Beweislast für das Vorliegen der für jede Abweichung erforderlichen Voraussetzungen die Stelle trifft, die über sie entscheidet, müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass jeder Eingriff, der die geschützten Arten betrifft, nur auf der Grundlage von Entscheidungen genehmigt wird, die mit einer genauen und angemessenen Begründung versehen sind, in der auf die in Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie genannten Gründe, Bedingungen und Anforderungen Bezug genommen wird.“
Flussdiagramm für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach Artikel 16 Absatz 1
Ist die Ausnahmeregelung erforderlich, um eines der folgenden Ziele zu erreichen?
Überwachung der Folgen, einschließlich kumulierter Auswirkungen
Beeinträchtigt die Ausnahmeregelung möglicherweise die Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der Art in deren natürlichem Verbreitungsgebiet?
Ausnahme kann gewährt werden
e) die Entnahme oder Haltung einer begrenzten und von den zuständigen einzelstaatlichen Behörden spezifizierten Anzahl von Exemplaren bestimmter Tier- und Pflanzenarten
Gilt die Ausnahmeregelung nur für eine begrenzte Anzahl von Exemplaren der betreffenden Art?
Ist eine strenge Kontrolle sichergestellt?
Wird die Ausnahmeregelung selektiv auf Exemplare angewendet?
Gibt es eine anderweitige zufriedenstellende Lösung?
(Kann das spezifische Problem ohne Inanspruchnahme einer Ausnahmeregelung gelöst werden?)
Ausnahme darf nicht gewährt werden
d) Forschung und Unterricht, Wiederansiedlung einer Art
c) Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit oder andere zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses
b) Verhütung ernster Schäden
a) Schutz wild lebender Tiere und Pflanzen, Erhaltung natürlicher Lebensräume
3.2.1
KRITERIUM 1: Nachweis des Vorliegens eines der in Artikel 16 Absatz 1 Buchstaben a bis d genannten Gründe, um unter strenger Kontrolle, selektiv und in beschränktem Ausmaß die Entnahme oder Haltung einer begrenzten und von den zuständigen einzelstaatlichen Behörden spezifizierten Anzahl von Exemplaren der in Anhang IV aufgeführten Arten zu erlauben (Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e)
Bei der Bewertung des Antrags sollten die nationalen Behörden überlegen, ob eine Ausnahmegenehmigung durch einen der in Artikel 16 Absatz 1 Buchstaben a bis d bzw. e genannten Gründe gerechtfertigt ist. Die Art und das Gewicht des Grundes sind auch im Verhältnis zu den Interessen der geschützten Art unter den spezifischen Umständen zu betrachten, um festzustellen, ob die Ausnahme angemessen ist.
(3-17)
Ausnahmen werden gewährt, weil ein bestimmtes Problem oder eine bestimmte Situation zu bewältigen ist. Ausnahmeregelungen müssen auf mindestens einer der in Artikel 16 Absatz 1 Buchstaben a, b, c, d und e genannten Optionen basieren. Spezifische Ausnahmeregelungen, die durch keinen dieser Gründe bzw. keine dieser Optionen gerechtfertigt sind, laufen sowohl dem Geist und Zweck der FFH-Richtlinie als auch dem Wortlaut von Artikel 16 zuwider.
In der Rechtssache C-508/04 stellte der Gerichtshof fest, dass die österreichischen Rechtsvorschriften nicht mit Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie in Einklang stehen, u. a. weil die Gründe für die Ausnahmeregelung nach österreichischem Recht (d. h. gewerbliche land- oder forstwirtschaftliche Nutzung, Getränkeerzeugung oder Anlagenerrichtung) in keinem der in Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie abschließend aufgeführten Tatbestände eine Entsprechung fänden.
(3-18)
Bei der Gewährung einer Ausnahme muss das verfolgte Ziel klar und deutlich belegt werden, und die nationale Behörde muss anhand fundierter wissenschaftlicher Daten nachweisen, dass die Ausnahmen geeignet sind, dieses Ziel zu erreichen, und sie muss die Wahl eines Grundes bzw. einer Option gemäß Artikel 16 Absatz 1 Buchstaben a bis e rechtfertigen und überprüfen, ob die vorgesehenen Bedingungen erfüllt sind.
a) Zum Schutz der wildlebenden Tiere und Pflanzen und zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume
(3-19)
Der erste Grund für die Gewährung einer Ausnahme ist der Schutz wild lebender Pflanzen und Tiere und die Erhaltung natürlicher Lebensräume. In Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe a werden weder die Art der Tiere, Pflanzen und natürlichen Lebensräume noch die Art der Bedrohungen genannt, die jeweils gemeint sind. In Anbetracht des übergeordneten Ziels der Richtlinie fallen eher empfindliche, seltene, gefährdete oder endemische Arten und natürliche Lebensräume (z. B. die in den Anhängen der FFH-Richtlinie aufgelisteten) unter diesen Grund, mit dem letztlich darauf abgezielt wird, die negativen Auswirkungen einer bestimmten Art auf die genannten Tiere/Pflanzen oder Lebensräume zu verringern. Es wäre ungewöhnlich, den Interessen einer verbreiteten Art mit günstigem Erhaltungszustand Vorrang vor den Interessen einer Art einzuräumen, die die Kriterien in Artikel 1 Buchstabe g der Richtlinie erfüllt.
(3-20)
Die zuständige Behörde sollte auf Einzelfallbasis eingehend prüfen, ob die Interessen des Schutzes eines Lebensraums oder einer Art von gemeinschaftlichem Interesse die Beeinträchtigung einer anderen Art von gemeinschaftlichem Interesse rechtfertigen können, z. B. wenn eine Beutetierart lokal durch eine Raubtierart bedroht sein könnte
. Bevor eine Ausnahmeregelung zum Schutz einer Beutetierart in Betracht gezogen wird, sollten die Behörden alle sonstigen möglichen Bedrohungen (z. B. Verschlechterung der Lebensräume, Überjagung, Störung, Konkurrenz durch heimische Arten) bewerten und dagegen vorgehen. Bei der Bewertung sollte der Erhaltungszustand der unter die mögliche Ausnahmeregelung fallenden Arten abgewogen werden gegen den Erhaltungszustand der fraglichen Tiere, Pflanzen und Lebensräume, die langfristigen Auswirkungen auf die betroffene(n) Population(en), die Langzeitwirkung einer Verringerung der Bedrohung usw. Die Bewertung sollte dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgen, d. h. die verursachten Nachteile dürfen im Vergleich zu den verfolgten Zielen nicht unverhältnismäßig sein.
b) Zur Verhütung ernster Schäden insbesondere an Kulturen und in der Tierhaltung sowie an Wäldern, Fischgründen und Gewässern sowie an sonstigen Formen von Eigentum
(3-21)
Der zweite Grund für die Gewährung einer Ausnahme ist die Verhütung schwerer Schäden, insbesondere an Kulturen und in der Tierhaltung sowie an Wäldern, Fischgründen und Gewässern sowie an sonstigen Formen von Eigentum. Diese Ausnahmeregelung trägt wirtschaftlichen Interessen Rechnung, und wie bereits erwähnt, muss es um die Verhinderung eines ernsten Schadens gehen. Die Aufzählung ist nicht erschöpfend, kann sich jedoch auch auf andere Arten von Eigentum erstrecken. Ein ernster Schaden bezieht sich auf spezifische Interessen, d. h. er kann oder könnte beispielsweise zu einem unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen und/oder finanziellen Verlust, zum Verlust eines Immobilienwerts oder zum Verlust von Produktionsmaterial führen.
(3-22)
Wie der Gerichtshof allerdings in seinem Urteil in der Rechtssache C-46/11 hervorgehoben hat, erlaubt Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe b den Behörden nicht, von den in Artikel 12 vorgesehenen Verboten nur deshalb abzuweichen, weil die Einhaltung dieser Verbote eine Änderung von land- oder forstwirtschaftlichen oder mit der Fischzucht verbundenen Tätigkeiten erforderlich machen würde. In seiner Entscheidung in der Rechtssache C-46/11 stellte der Gerichtshof fest, dass Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe b keine Ausnahme von den Verboten gemäß Artikel 12 zulasse, die damit begründet werde, dass die Einhaltung dieser Verbote den Einsatz von Technologien, die normalerweise in der Land- und Forstwirtschaft oder in der Fischzucht zum Einsatz kämen, nicht erlaube.
(3-23)
In seinem Urteil in Bezug auf die analoge Regelung für Ausnahmen nach Artikel 9 der Richtlinie 2009/147/EG (Vogelschutzrichtlinie) stellte der Gerichtshof fest, dass die Richtlinie nicht bezwecke, Schäden geringeren Umfangs abzuwenden, sondern nur, erhebliche Schäden – d. h. Schäden, die über einen gewissen Umfang hinausgehen – zu vermeiden.
Daraus folgt, dass bloße Belästigungen und normale Geschäftsrisiken keine legitimen Gründe für Ausnahmegenehmigungen darstellen können. Was als erheblicher Schaden gilt, sollte von Fall zu Fall und in Anbetracht des konkreten Problems bewertet werden.
(3-24)
Der Gerichtshof hat ausgeführt, dass „Art. 16. Abs. 1 der Habitatrichtlinie […] nicht verlangt, dass ein ernster Schaden abgewartet werden muss, bevor Ausnahmemaßnahmen erlassen werden“.
Da diese Bestimmung auf die Verhütung ernster Schäden abzielt, ist es nicht erforderlich, dass ein solcher Schaden bereits eingetreten ist; die Wahrscheinlichkeit ernster Schäden reicht aus. Dagegen genügt die bloße Möglichkeit von Schäden nicht, sondern die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt von Schäden muss hoch sein, ebenso wie das Ausmaß der Schäden. Die hohe Wahrscheinlichkeit ernster Schäden muss durch hinreichende Belege nachgewiesen werden. Es muss auch hinreichend nachgewiesen werden, dass das Risiko ernster Schäden weitgehend der Art zuzuschreiben ist, auf die die Ausnahmeregelung abzielt, und die Wahrscheinlichkeit für erhebliche Schäden bei Nichtergreifen von Maßnahmen muss hoch sein. Die hohe Wahrscheinlichkeit des Eintretens von Schäden sollte durch Erfahrungen aus der Vergangenheit belegt werden.
(3-25)
Bei der Gewährung von Ausnahmen müssen die Mitgliedstaaten nachweisen können, dass jede im Rahmen der Ausnahmeregelung angewendete Kontrollmethode die ernsten Schäden wirksam und dauerhaft verhindern oder begrenzen kann, z. B. dass sie gezielt auf den Ort und die Zeit des Eintretens oder möglichen Eintretens der Schäden und auf die Tiere, die die Schäden verursachen, ausgerichtet ist. In der Rechtssache C-342/05 stellte der Gerichtshof fest, dass Finnland gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 12 Absatz 1 und Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe b der FFH-Richtlinie verstoßen habe, indem es die Jagd auf Wölfe aus Gründen der Prävention erlaubt habe, ohne dass nachgewiesen sei, dass die Jagd zur Verhütung ernster Schäden im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 Buchstabe b geeignet sei.
Daraus folgt, dass Ausnahmen auf den erforderlichen Umfang begrenzt sein sollten, gegebenenfalls sogar auf ein einzelnes Exemplar (z. B. auf einen einzigen Bären, der Probleme bereitet).
(3-26)
Ausnahmen zur Verhütung ernster Schäden werden hauptsächlich für Arten gewährt, die auf mehrere Sektoren erhebliche Auswirkungen haben, etwa für Großraubtiere, den Europäischen Biber (Castor fiber) und – in geringerem Maße – den Fischotter (Lutra lutra). Dies sind aktuelle Beispiele für Arten, deren Präsenz und Ausbreitung in verschiedenen Mitgliedstaaten zu Konflikten mit menschlichen Interessen führen können. Um diese Konflikte zu entschärfen, kann es erforderlich sein, umfassende Erhaltungsstrategien zu erarbeiten und menschliche Vorgehensweisen mit Konfliktpotenzial möglichst anzupassen, um eine Kultur der Koexistenz zu entwickeln. Auch bedarf es möglicherweise der Ausarbeitung von Plänen, die lokal an die spezifischen Merkmale der Art und der betroffenen Tätigkeiten angepasst sind und Ausnahmen gemäß Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe b vorsehen können.
(3-27)
Die Europäische Kommission hat mehrere LIFE-Projekte und -Initiativen unterstützt, in denen Leitlinien für bewährte Verfahren zur Bewältigung von Konflikten mit geschützten Arten entwickelt wurden (z. B. die EU-Plattform zur Koexistenz von Menschen und Großraubtieren
, die im nachstehenden Kasten beschrieben wird). Auf nationaler oder regionaler Ebene wurden bereits in mehreren Mitgliedstaaten artspezifische Leitlinien erarbeitet.
Wenn eine Ausnahmeregelung angestrebt wird, ist es ratsam, die in diesen Leitlinien empfohlenen Maßnahmen, Verfahren und Instrumente zu prüfen oder sonstige Erfahrungswerte heranzuziehen, um unter Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die besten lokal angepassten Lösungen zur Eindämmung von Schäden und Konflikten zu finden.
21 – Beispiel für bewährte Verfahren: Die EU-Plattform zur Koexistenz von Menschen und Großraubtieren
Vier Großraubtierarten, der Braunbär (Ursus arctos), der Wolf (Canis lupus), der Eurasische Luchs (Lynx lynx) und der Vielfraß (Gulo gulo) gehören in der EU zu den schwierigsten Gruppen von Arten, was die Erhaltung und das Management anbelangt. Dies liegt daran, dass sie in großen, grenzüberschreitenden Revieren leben und dass ihre Bedürfnisse zu Konflikten mit menschlichen Aktivitäten wie z. B. der Landwirtschaft führen können. Das Problem wird dadurch noch verschärft, dass sich bei den verschiedenen Populationen die Erhaltungszustände, die Schutz- und Managementsysteme sowie die sozioökonomischen Voraussetzungen unterscheiden.
Die EU-Plattform zur Koexistenz von Menschen und Großraubtieren, die seit ihrer Gründung im Jahr 2014 von der Europäischen Kommission unterstützt wird, ist ein Zusammenschluss von Organisationen verschiedener Interessengruppen, die sich auf die gemeinsame Mission verständigt haben, „Wege und Mittel zu fördern, Konflikte zwischen menschlichen Interessen und der Anwesenheit von Großraubtieren zu minimieren, und, wo immer möglich, Lösungen zu finden durch den Austausch von Erfahrungen und durch die Zusammenarbeit in einer ergebnisoffenen, konstruktiven und gegenseitig respektvollen Art und Weise“. An den Sitzungen nehmen Vertreter verschiedener Interessengruppen teil, darunter Jäger, Landeigentümer, Rentierzüchter und nichtstaatliche Organisationen für den Naturschutz.
Die Plattform trägt Informationen und bewährte Verfahren aus verschiedenen Mitgliedstaaten zusammen und veröffentlicht die Ergebnisse auf ihrer Website und über ihre Informationskanäle. Die Förderung und Unterstützung von Maßnahmen zur Schadensverhütung durch EU-Finanzmittel für die Entwicklung des ländlichen Raums und die Erfassung und Auswertung von Fallstudien gehören seit Langem zur Arbeit der Plattform.
Im Kommunikationsplan der Plattform werden die bisherigen Erfahrungen beschrieben. Die gemeinsamen Aktivitäten sind höchst erfolgreich, da es einfacher ist, mit vielen unterschiedlichen Interessenträgern zusammenzuarbeiten, wenn diese den Eindruck haben, dass ihre Interessen auch vertreten werden. Wenn internationale Vertreter der Plattform und der Europäischen Kommission auf den regionalen Veranstaltungen anwesend sind, ist dies positiv sowohl für die erörterten Themen als auch für die Teilnehmenden, denen das Gefühl vermittelt wird, dass ihre Anliegen von einer größeren Gruppe ernst genommen werden. Gemeinsame Erklärungen werden im Allgemeinen im Anschluss an Veranstaltungen formuliert; sie geben die Richtung für künftige Veranstaltungen vor, die dann auf früheren Aktivitäten aufbauen können.
22 – Beispiel für bewährte Verfahren: Management des Europäischen Bibers in Frankreich
In Frankreich ist der Europäische Biber eine streng geschützte Art, deren Erhaltungszustand sich stetig verbessert. In einigen Gebieten verursachen Biber jedoch forstwirtschaftliche Schäden, indem sie Forstbestände benagen und durch ihre Dammbautätigkeit Waldgebiete fluten.
Nachdem solche Schäden regelmäßig wiederaufgetreten waren, beantragten die betroffenen Personen und Organisationen bei den nationalen Behörden Ausnahmegenehmigungen vom strengen Artenschutz. Ein lang anhaltender Konflikt könnte die illegale Tötung einzelner Tiere oder unkontrollierte Eingriffe in die Lebensräume der Biber (Zerstörung von Dämmen) begünstigen und den Fortbestand der Populationen in manchen Gebieten gefährden. Um eine zufriedenstellende Lösung zu finden, die dem Erhaltungszustand der Art und ihrer symbolischen Strahlkraft Rechnung tragen sollte, wurden Ausnahmen für die Verbringung von Exemplaren in andere Gebiete gewährt, wenn dies erforderlich war und andere Maßnahmen zur Förderung der Koexistenz mit der Art nicht ausreichten. Die Durchführung einer solchen Operation ist jedoch nicht einfach und setzt die Akzeptanz der Interessenträger in dem jeweiligen neuen Gebiet voraus, obwohl diese möglicherweise ebenfalls künftige Auswirkungen durch die Biber befürchten.
In dieser Situation hat das ONCFS (Office national de la chasse et de la faune sauvage, Nationales Amt für Jagd und wild lebende Tiere) ein technisches Bibernetzwerk für den Austausch mit Experten eingerichtet, um mehr Wissen über diese Tierart aufzubauen und von Biberschäden Betroffene vor Ort zu unterstützen. Aus den gewonnenen Erfahrungen werden derzeit Leitlinien für bewährte Verfahren erstellt, um Schäden an Baumpflanzungen zu vermeiden sowie die Erhaltung der ökologischen Funktionalität der Biberlebensräume und die Vorbeugung gegen Überschwemmungen miteinander in Einklang zu bringen.
Maßnahmen zur Konfliktreduzierung werden schrittweise entwickelt, daher muss ihre Wirksamkeit langfristig bewertet werden. Diese Maßnahmen sind vielfältig und umfassen technische Lösungen wie die Installation von Systemen, die das Graben durch Biber verhindern, Biberrohre, Drainagevorrichtungen für Biberdämme, den mechanischen Schutz von Bäumen und Feldfrüchten durch Manschetten, Einfriedungen oder Elektrozäune sowie die Inanspruchnahme von Ausnahmegenehmigungen für die Beseitigung, die Verlagerung oder das Einkerben von Dämmen usw. Diese Maßnahmen werden auf Einzelfallbasis beschlossen.
In größerem Maßstab werden lokale Managementpläne mit differenzierten Aktionsbereichen erstellt, die sich nach dem Risiko und den damit verbundenen Präventions-, Schadensbegrenzungs- und Ausgleichsmaßnahmen richten. Dies kann auch das Anlegen von Naturgebieten umfassen, in denen Biberlebensräume wiederhergestellt werden und wo durch Biberdämme Auenlandschaften entstehen können. Zu den Managementmaßnahmen gehören auch die Überwachung der Art und ihrer Auswirkungen sowie Kommunikations- und Informationsmaßnahmen.
c) Im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder positiver Folgen für die Umwelt
(3-28)
Die dritte mögliche Begründung für die Gewährung einer Ausnahme sind „zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses“. Dieser Begriff wird in der Richtlinie nicht definiert, aber im betreffenden Absatz werden Gründe des öffentlichen Interesses wie Volksgesundheit und öffentliche Sicherheit genannt. Der Begriff deckt auch andere nicht näher bezeichnete Gründe ab, wie Gründe sozialer oder wirtschaftlicher Art, positive Folgen für die Umwelt usw. (die Aufzählung ist nicht erschöpfend).
(3-29)
In anderen Bereichen des EU-Rechts, in denen sich ähnliche Begrifflichkeiten finden, z. B. im freien Warenverkehr, hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass zwingende Gründe oder das öffentliche Interesse nationale Maßnahmen rechtfertigen können, die den Grundsatz des freien Warenverkehrs beschränken. In diesem Kontext hat er die öffentliche Gesundheit, den Umweltschutz und die Verfolgung legitimer wirtschafts- und sozialpolitischer Ziele als solche zwingenden Erfordernisse anerkannt.
(3-30)
Derselbe Begriff taucht auch in Artikel 6 Absatz 4 der Richtlinie auf. Bislang gibt es keine Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auslegung genau dieses Begriffs, es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass der Nachweis zwingender Erfordernisse für einen Plan oder ein Projekt auch für Ausnahmeregelungen gelten dürfte. Um diesen Begriff zu erläutern, ist die Analyse der Kommission in ihrem Leitfaden zu Artikel 6
hilfreich.
(3-31)
Zunächst wird aus der Formulierung deutlich, dass nur ein öffentliches Interesse, das von öffentlichen oder privaten Stellen vorgebracht wird, gegen die Erhaltungsziele der Richtlinie abgewogen werden kann. Projekte, die ausschließlich im Interesse von Unternehmen oder Einzelpersonen sind, werden somit üblicherweise nicht als im öffentlichen Interesse liegend betrachtet.
(3-32)
Zweitens muss der „überwiegende“ Charakter dieses öffentlichen Interesses hervorstechen. Dies impliziert, dass nicht jede Form des öffentlichen Interesses sozialer oder wirtschaftlicher Art ausreichend ist, insbesondere nicht, wenn es zu dem Gewicht der durch die Richtlinie geschützten Interessen ins Verhältnis gesetzt wird. Hier muss sorgfältig zwischen den jeweiligen Interessen abgewogen werden. Höchstwahrscheinlich wird das öffentliche Interesse in den meisten Fällen auch nur dann überwiegen, wenn es sich dabei um ein langfristiges Interesse handelt: Kurzfristige Interessen, die nur kurzfristige Vorteile erbringen, würden nicht ausreichen, um das langfristige Interesse des Artenschutzes aufzuwiegen.
(3-33)
Die zuständige Behörde muss den „überwiegenden“ Charakter des öffentlichen Interesses in jedem Einzelfall eingehend prüfen und in ein angemessenes Gleichgewicht mit dem allgemeinen öffentlichen Interesse an der Erreichung der Ziele der Richtlinie bringen. Es darf wohl ebenso wie bei Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe b davon ausgegangen werden, dass die Inanspruchnahme von Ausnahmeregelungen nach Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe c nicht voraussetzt, dass vor der Gewährung einer Ausnahme die menschliche Gesundheit oder Sicherheit bereits beeinträchtigt sein muss. Allerdings müssen die Mitgliedstaaten, wenn sie von dieser Ausnahmeregelung Gebrauch machen, hinreichend belegen können, dass ein Zusammenhang zwischen der Ausnahme und den genannten Zielen des überwiegenden öffentlichen Interesses besteht.
(3-34)
Für Pläne oder Projekte, die Natura-2000-Gebiete beeinträchtigen, können vorbehaltlich der Anforderungen in Artikel 6 Absätze 3 und 4 Ausnahmen vom Artenschutz wegen eines überwiegenden öffentlichen Interesses erforderlich sein. Bei den in Artikel 6 vorgesehenen Präventiv-, Schadensbegrenzungs- und Ausgleichsmaßnahmen sollten daher auch die von den Ausnahmen betroffenen Arten berücksichtigt werden. Um die Konsistenz sicherzustellen sowie die Verfahren nach Artikel 16 und die Prüfungen nach Artikel 6 zu straffen, ist es ratsam, gegebenenfalls auch die Überprüfung der Bedingungen für Ausnahmeregelungen (Fehlen anderweitiger zufriedenstellender Lösungen, nachteilige Auswirkungen auf die Arten) im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung vorzunehmen.
23 – Bewährte Verfahren für die Gewährung von Ausnahmeregelungen gemäß Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe c
Aus einem Überblick über die Berichte der Mitgliedstaaten zu Ausnahmegenehmigungen geht hervor, dass Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe c („aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses“) in vielen Ländern einer der häufigsten Gründe für die Gewährung einer Ausnahme ist. Diese Ausnahmegenehmigungen werden in der Regel in Verbindung mit Bauarbeiten erteilt, häufig im Rahmen von Erschließungsprojekten oder -plänen. Die genehmigten Tätigkeiten führen häufig zu Störungen von Arten, zur Beschädigung oder Vernichtung von Ruhe- oder Fortpflanzungsstätten und manchmal auch zur Tötung von Tieren. Die Ausnahmen erstrecken sich meist auf mehrere Arten und betreffen häufig Fledermäuse, Amphibien und Reptilien sowie Insekten und andere Säugetiere.
Die Mitgliedstaaten haben verschiedene Maßnahmen festgelegt, die sowohl während als auch nach der Umsetzung durchgeführt werden müssen, wenn eine Ausnahmegenehmigung beantragt wird. Zu den Maßnahmen gehören:
–eine Machbarkeitsstudie zu allen alternativen Optionen unter Abwägung der Auswirkungen auf andere Arten oder Lebensräume sowie weiterer ökologischer/sozialer/wirtschaftlicher Aspekte,
–eine Bewertung der Auswirkungen der Tätigkeit auf die Art sowohl während als auch nach den Arbeiten,
–Vorkehrungen zur Minimierung negativer Auswirkungen (Arbeitszeiten, Überwachung durch Ökologen usw.),
–Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität und Zugänglichkeit des Gebiets für die Tierart nach Abschluss der Arbeiten,
–Bereitstellung zeitweiliger Unterkünfte für den Fall, dass der Lebensraum vorübergehend nicht verfügbar ist,
–Ausgleichsmaßnahmen, wie z. B. ein Ersatzstandort in der Nähe des Projektgebiets vor Beginn der Arbeiten oder innerhalb des neu erschlossenen Gebiets nach dessen Fertigstellung,
–Überwachung von Nutzungsänderungen in dem Gebiet und der Reaktionen der betroffenen Population auf die ergriffenen Maßnahmen,
–ein Kontrollsystem zur Überwachung der Umsetzung der Ausnahmeregelung, um sicherzustellen, dass alle Bedingungen eingehalten werden,
–eine Erhebung über den Erhaltungszustand der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet,
–die Anwendung von Verfahren in spezifischen Leitlinien für die Ausführung der Arbeiten.
Einige dieser Maßnahmen sind erforderlich, um sicherzustellen, dass Ausnahmen den Erhaltungszustand der Populationen der betroffenen Art nicht beeinträchtigen. Andere gehen über die Anforderungen hinaus, da sie auch geeignet sind, die ursprünglichen Bedingungen des Gebiets aktiv zu verbessern oder neue, größere oder angemessenere Lebensräume hervorzubringen.
Diese Maßnahmen ähneln denen, die in den Prüfungsverfahren nach Artikel 6 Absätze 3 und 4 vorgesehen sind. Wenn Ausnahmen nach Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe c an Projekte oder Pläne geknüpft sind, die unter Artikel 6 fallen (z. B. wegen der Zerstörung von Lebensräumen von in den Anhängen II/IV aufgeführten Arten innerhalb eines Natura-2000-Gebiets), ist es möglich, die Prüfung anhand der Kriterien in Artikel 16 durchzuführen und weitere Maßnahmen im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung festzulegen. Dieser Ansatz spart Zeit und vermeidet die Kosten einer doppelten Prüfung; gleichzeitig wird die konsistente Erfüllung der Anforderungen sowohl von Artikel 6 als auch von Artikel 16 gewährleistet und ein umfassenderes Ergebnis im Hinblick auf die Erfüllung der Erhaltungsziele erreicht.
d) Zu Zwecken der Forschung und des Unterrichts, der Bestandsauffüllung und Wiederansiedlung und der für diese Zwecke erforderlichen Aufzucht, einschließlich der künstlichen Vermehrung von Pflanzen
(3-35)
Solche Ausnahmen könnten beispielsweise ermöglichen, dass bestimmte Exemplare einer Art zu Forschungszwecken gekennzeichnet werden (z. B. mit Funkhalsbändern), um ihr Verhalten besser zu verstehen, oder sie könnten für Erhaltungsprojekte zur Wiederansiedlung von Arten erteilt werden. Bei Forschungsprojekten müssen natürlich auch Alternativmethoden in Betracht gezogen werden. Wenn beispielsweise die Forschung mit der Tötung eines Tiers verbunden ist, sollte die Verwendung von Schlachtkörpern und Stichproben von aus anderen Gründen getöteten Exemplaren befürwortet werden.
Außerdem muss belegt werden, dass der Zweck einer solchen Forschung den Interessen eines strengen Schutzes der Art übergeordnet ist.
(3-36)
Entnahmen von Eiern, Fangen und Aufzucht, Umsiedlung usw. können zur Bestandsauffüllung erodierter Populationen, zur Erhöhung ihrer genetischen Vielfalt oder zur Wiederansiedlung einer Art genehmigt werden. Doch obwohl das Ziel dieser Ausnahmegenehmigungen die Erhaltung der Art ist, können sie potenziell verschiedene negative Auswirkungen im Hinblick auf ökologische, soziale und wirtschaftliche Aspekte sowie Tierschutzaspekte haben. Daher empfiehlt es sich, bei der Gewährung von derartigen Ausnahmen die besten verfügbaren Daten, Mechanismen und Instrumente (IUCN Guidelines for Reintroductions and Other Conservation Translocations – Leitlinien der Weltnaturschutzunion für Wiederansiedlungen und andere Umsiedlungen zu Erhaltungszwecken
) sowie einschlägige artspezifische Erfahrungen zu nutzen, um die Erfolgsaussichten zu erhöhen und mögliche Risiken für wiederangesiedelte oder sonstige Arten zu vermeiden.
Wenn die Art, deren Bestand wieder aufgefüllt oder die wiederangesiedelt werden soll, sowohl in Anhang IV als auch in Anhang II der FFH-Richtlinie aufgeführt ist und die Zielgebiete keine Natura-2000-Gebiete sind, sollten die Behörden auch bewerten, ob es möglich bzw. nötig ist, die wichtigsten Fortpflanzungs- und Futtergebiete der Population, deren Bestand aufgefüllt bzw. die wiederangesiedelt wurde, als Natura-2000-Gebiete auszuweisen, insbesondere für prioritäre Arten. Darüber hinaus müssen im Vorfeld mögliche Alternativen zur Wiederansiedlung oder Umsiedlung als weniger wirksam bewertet worden sein oder sich als nicht durchführbar erwiesen haben, um die spezifischen und klar definierten Erhaltungsziele der Wiederansiedlung oder Umsiedlung zu erreichen.
e) Um unter strenger Kontrolle, selektiv und in beschränktem Ausmaß die Entnahme oder Haltung einer begrenzten und von den zuständigen einzelstaatlichen Behörden spezifizierten Anzahl von Exemplaren bestimmter Tier- und Pflanzenarten des Anhangs IV zu erlauben
(3-37)
Der fünfte und letzte Grund für die Gewährung einer Ausnahme besteht in der Entnahme oder Haltung einer bestimmten Anzahl von Exemplaren von in Anhang IV aufgeführten Arten, und zwar unter strenger Kontrolle, selektiv und in begrenztem Ausmaß.
(3-38)
Im Gegensatz zu Artikel 16 Absatz 1 Buchstaben a bis d wird in Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e kein Ziel definiert, das mit der Anwendung dieser Ausnahmeregelung verfolgt werden soll. Nichtsdestotrotz muss bei der Anwendung von Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e ein Ziel angegeben werden, und dieses muss in vollem Umfang gerechtfertigt sein. Das Ziel muss auch im Einklang mit den übergeordneten Zielen der Richtlinie stehen. Der EuGH hat in der Rechtssache C-674/17 klargestellt, dass „die für eine Ausnahme geltend gemachten Ziele in der Entscheidung über die Ausnahme klar, genau und fundiert festgelegt sein müssen“. Ferner befand er, dass eine auf Artikel 16 Absatz 1 der FFH-Richtlinie gestützte Ausnahme „nur eine konkrete und punktuelle Anwendung sein [kann], mit der konkreten Erfordernissen und besonderen Situationen begegnet wird“.
Daraus geht klar hervor, dass für die Gewährung einer Ausnahme ein besonderes Ziel erforderlich ist.
(3-39)
In der Rechtssache C-674/17 befand der EuGH, dass „sich das Ziel einer auf Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie gestützten Ausnahme grundsätzlich nicht mit den Zielen der auf Art. 16 Abs. 1 Buchst. a bis d dieser Richtlinie gestützten Ausnahmen überschneiden [kann]; daher kann die erstgenannte Bestimmung nur dann als Grundlage für den Erlass einer Ausnahmeregelung dienen, wenn die letztgenannten Bestimmungen nicht einschlägig sind“, und dass „Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Habitatrichtlinie […] daher keine allgemeine Rechtsgrundlage für die Genehmigung von Ausnahmen von Art. 12 Abs. 1 dieser Richtlinie darstellen [kann], da andernfalls den anderen Fällen des Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie und diesem strengen Schutzsystem die praktische Wirksamkeit genommen würde“.
Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e ist daher keine allgemeine Rechtsgrundlage für Ausnahmen, sondern kann nur angewendet werden, wenn die mit der Ausnahmeregelung verfolgten Ziele nicht unter Artikel 16 Absatz 1 Buchstaben a bis d fallen. Andernfalls würden die Bestimmungen von Artikel 16 Absatz 1 Buchstaben a bis d und das strenge Schutzsystem ihre Wirksamkeit verlieren. In diesem besonderen Fall befasste sich der EuGH explizit mit dem Problem der Wilderei einer geschützten Art, die er als eine große Herausforderung hinsichtlich der Erhaltung bedrohter Arten bezeichnete. Der Gerichtshof räumte ein, dass die Bekämpfung der Wilderei als Methode geltend gemacht werden könne, um zur Bewahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der betreffenden Art beizutragen, und damit als ein von Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e der FFH-Richtlinie umfasstes Ziel.
(3-40)
Aus dem Urteil in der Rechtssache C-674/17 folgt, dass Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e die Bandbreite der Ziele, die mit einer Ausnahmeregelung rechtmäßig verfolgt werden können, nicht einschränkt. Neben der Bekämpfung der Wilderei können auch andere Gründe die Anwendung von Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e rechtfertigen, sofern das Ziel der Ausnahmeregelung dem übergeordneten Ziel der Richtlinie entspricht, den günstigen Erhaltungszustand der betreffenden Art zu erhalten oder wiederherzustellen.
Der EuGH vertrat jedoch in der Rechtssache C-674/17 ebenso die Auffassung, dass „die nationale Behörde […] auf der Grundlage streng wissenschaftlicher Erkenntnisse, gegebenenfalls auch anhand von Vergleichsdaten zu den Folgen der bestandspflegenden Jagd, die Annahme zu untermauern [hat], dass die Genehmigung der bestandspflegenden Jagd die rechtswidrige Jagd verringern würde, und zwar in einem solchen Maß, dass sie eine positive Nettoauswirkung auf den Erhaltungszustand der Wolfspopulation hätte, wobei die Zahl der geplanten Ausnahmen und die jüngsten Schätzungen der Zahl der rechtswidrigen Tötungen zu berücksichtigen sind“.
Der EuGH betonte ferner, dass „festzustellen [ist], dass das bloße Bestehen einer illegalen Aktivität wie der Wilderei oder die Schwierigkeiten, denen bei der Umsetzung der Kontrolle dieser Aktivität begegnet wird, nicht genügen können, um einen Mitgliedstaat von seiner Pflicht zu entbinden, den Schutz der gemäß Anhang IV der Habitatrichtlinie geschützten Arten zu gewährleisten. In einer solchen Situation hat er vielmehr einer strengen und wirksamen Kontrolle dieser illegalen Aktivität sowie der Durchführung von Maßnahmen Vorrang einzuräumen, die nicht die Missachtung der in Art. 12 bis 14 sowie Art. 15 Buchst. a und b dieser Richtlinie aufgestellten Verbote beinhalten.“
(3-41)
Selbst wenn nachgewiesen worden ist, dass eine Ausnahme auf einem legitimen Ziel basiert, das die oben genannten Bedingungen erfüllt, kann sie nur gewährt werden, wenn sie darüber hinaus mehrere weitere Kriterien erfüllt: Sie ist nur für eine begrenzte Anzahl von Exemplaren der Art erlaubt und darf nur selektiv, in beschränktem Ausmaß und unter strenger Kontrolle erfolgen.
Auf diese Kriterien wird im Folgenden einzeln eingegangen.
·Begrenzte Anzahl
(3-42)
Hierbei handelt es sich um ein relatives Kriterium, das sich nach der Größe der Population einer Art sowie ihrer jährlichen Reproduktions- und Sterblichkeitsrate richtet und unmittelbar mit ihrem Erhaltungszustand verknüpft ist.
Daher ist es von zentraler Bedeutung, einen Grenzwert für die Zahl der Exemplare festzulegen, die entnommen/gehalten werden dürfen. In der Rechtssache C-674/17 stellte der EuGH klar, dass diese Zahl von der Größe der Population (Anzahl der Individuen), ihrem Erhaltungszustand und ihren biologischen Merkmalen abhänge. Die „begrenzte Anzahl“ muss unter der Verantwortung der zuständigen nationalen Behörde anhand fundierter wissenschaftlicher Daten in Bezug auf Geografie, Klima, Umwelt und Biologie und unter Berücksichtigung der Fortpflanzungsraten und der jährlichen Gesamtsterblichkeit aufgrund natürlicher Ursachen, aber auch aufgrund anderer Ursachen, wie z. B. Unfälle, oder anderer Ausnahmeregelungen (z. B. gemäß Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe b) und „fehlender“ Exemplare festgelegt werden.
Die Zahl der Entnahmen muss auch gewährleisten, dass sie nicht zu einer Gefahr erheblicher negativer Auswirkungen auf die Struktur der betreffenden Population führt, auch wenn sie für sich genommen der Wahrung eines günstigen Erhaltungszustands der Populationen der betreffenden Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet nicht schaden würde.
Die „begrenzte Anzahl“ muss in den Entscheidungen über Ausnahmen klar bezeichnet werden.
Die Obergrenze sollte auf der Ebene der Population festgelegt werden; dies erfordert eine Koordinierung zwischen allen bestandspflegenden Einheiten im Verbreitungsgebiet der betreffenden Population. Bei Wirbeltieren mit weitem Aktionsradius und grenzüberschreitenden Populationen, wie etwa Großraubtieren, müssen sich die Mitgliedstaaten des jeweiligen Verbreitungsgebiets abstimmen, um zu einem gemeinsamen Standpunkt zu der Frage zu kommen, was für die Zwecke der Gewährung von Ausnahmen als begrenzte Anzahl angesehen werden kann.
(3-43)
Ausnahmen sollten nicht gewährt werden, wenn die Gefahr besteht, dass sie in quantitativer oder qualitativer Hinsicht erhebliche negative Auswirkungen auf die Erhaltung der betreffenden lokalen Population haben könnten (z. B. in Bezug auf deren Struktur; siehe auch Abschnitt 3.2.3). Da alle Ausnahmen in jedem Fall die präzise Bedingung des Artikel 16 Absatz 1 erfüllen müssen, dass „die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen“, legt die ausdrückliche Bezugnahme auf eine „begrenzte Anzahl“ in Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e nahe, dass der Gesetzgeber restriktivere Auflagen beabsichtigt hat.
(3-44)
Der Begriff der „begrenzten Anzahl“ streng geschützter Arten ist wesentlich restriktiver als die „maximale nachhaltige Quote“ oder die „optimalen nachhaltigen Ergebnisse“ für Arten, die der Jagdverwaltung unterliegen und in Anhang V der Richtlinie aufgeführt sind. Die Bedingung der „begrenzten Anzahl“ entspricht dem von der Richtlinie angestrebten Schutzniveau für nicht nutzbare Arten. Die Bedingung ist restriktiver als die allgemeine Bedingung für die Gewährung einer Ausnahme, wonach ein günstiger Erhaltungszustand der Populationen der betreffenden Art sichergestellt sein muss. Somit ist sie auch restriktiver als die „nachhaltige“ Entnahme, die gemäß Artikel 14 für Arten des Anhangs V erforderlich ist, damit die Nutzung dieser Arten mit der Aufrechterhaltung ihres günstigen Erhaltungszustands vereinbar ist.
(3-45)
Der Grenzwert für die „begrenzte Anzahl“ sollte anhand spezifischer Kriterien für jede Art einzeln festgelegt werden, da er von den ökologischen Anforderungen der jeweiligen Art abhängt. Zu diesen gehören beispielsweise die räumliche Ausdehnung der Verbreitungsgebiete, die Fragmentierung von Lebensräumen und Landschaften, die Verfügbarkeit von Beutetieren, die soziale Organisation der Art, die Muster und das Ausmaß der Bedrohungen wie Krankheiten, Umweltverschmutzung und Schadstoffe, die illegale und unfallbedingte Sterblichkeit sowie der Klimawandel. In jedem Fall ist die Obergrenze für die „begrenzte Anzahl“ „auf der Grundlage streng wissenschaftlicher Erkenntnisse festzusetzen“.
·Unter strenger Kontrolle, selektiv und in beschränktem Ausmaß
(3-46)
An dieser Formulierung wird deutlich, dass der EU-Gesetzgeber erhebliche Einschränkungen beabsichtigt hat. Das Prinzip der strengen Kontrolle besagt auch, dass für jede Inanspruchnahme dieser Art von Ausnahmeregelung eindeutige Genehmigungen erforderlich sind, die sich auf bestimmte Exemplare oder Gruppen von Exemplaren, Orte, Zeiten und Mengen beziehen müssen. Der Begriff „in beschränktem Ausmaß“ stützt diese Auslegung. Er impliziert darüber hinaus, dass strenge räumliche, zeitliche und persönliche Kontrollen erforderlich sind, um die Ausnahmeregelungen durchzusetzen und die Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten.
(3-47)
Das Prinzip der Selektivität wiederum bedeutet, dass die betreffende Tätigkeit in ihrer Wirkung äußerst spezifisch sein muss und sich nur auf bestimmte Exemplare einer Art oder sogar nur auf ein Geschlecht oder eine Altersklasse dieser Art beziehen darf (z. B. nur auf erwachsene Männchen) und alle anderen Tiere ausgeschlossen sein müssen. Dieser Ansatz wird auch mit der Präzisierung in Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e verfolgt, wonach die Entnahme oder Haltung auf bestimmte Exemplare beschränkt sein muss. Impliziert wird außerdem, dass bestimmte technische Aspekte der angewendeten Methode die Selektivität nachvollziehbar belegen sollten.
In seinem Urteil in der Rechtssache C-674/17 hob der EuGH diesen Aspekt wie folgt hervor: „Des Weiteren gebieten die Bedingungen der Selektivität und des beschränkten Ausmaßes der Entnahme oder Haltung von Individuen bestimmter Arten, dass sich die Ausnahme auf eine unter Berücksichtigung des mit ihr verfolgten Ziels möglichst eng, spezifisch und sachgerecht festgelegte Zahl von Individuen bezieht. Es kann daher im Hinblick auf die Größe, den Erhaltungszustand und die biologischen Merkmale der Population der fraglichen Art erforderlich sein, die Ausnahme nicht nur auf die betreffende Art oder Typen oder Gruppen von Individuen dieser Art, sondern auch auf einzeln identifizierte Individuen zu beschränken.“
In demselben Urteil wurde klargestellt, der Begriff „unter strenger Kontrolle“ bedeute „insbesondere, dass diese strenge Kontrolle sowie die Art und Weise, wie ihre Einhaltung sichergestellt wird, es ermöglicht, die Selektivität und das beschränkte Ausmaß der Entnahmen oder der Haltung von Individuen der betreffenden Arten zu gewährleisten. Somit muss sich die zuständige nationale Behörde für jede Ausnahmeregelung, die auf diese Bestimmung gestützt wird, vor ihrem Erlass vergewissern, dass die in dieser Bestimmung vorgesehenen Bedingungen eingehalten werden, und anschließend ihre Auswirkungen überwachen. Die nationale Regelung muss gewährleisten, dass die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen, mit denen Ausnahmen gemäß dieser Bestimmung genehmigt werden, sowie die Art und Weise, in der diese Entscheidungen angewandt werden, auch hinsichtlich der Einhaltung der Auflagen in Bezug auf Ort, Zeit, Anzahl und Typ der betreffenden Individuen, mit denen diese Entscheidungen versehen sind, wirksam und rechtzeitig kontrolliert werden.“
(3-48)
Die Bedingung der Selektivität entspricht dem Verbot in Artikel 15 Buchstabe a, im Rahmen von Ausnahmeregelungen die nicht-selektiven, in Anhang VI Buchstabe a genannten Fang- und Tötungsgeräte für die Entnahme, den Fang oder die Tötung von in Anhang IV Buchstabe a aufgeführten Arten einzusetzen. Fangmethoden oder Methoden des Fallenstellens müssen selektiv sein, wenn Ausnahmen gemäß Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e Anwendung finden.
24 – Rechtsprechung des EuGH: Rechtssache Tapiola. Die Anwendung von Ausnahmeregelungen für die bestandspflegende Jagd auf Wölfe – Rechtssache C-674/17
Hintergrund:
Im Jahr 2015 verabschiedete das finnische Ministerium für Land- und Forstwirtschaft einen neuen Plan zur Pflege des Wolfsbestands in Finnland, dessen Ziel es war, einen günstigen Erhaltungszustand der Wolfspopulation zu erreichen und zu bewahren. Der Plan enthielt Daten, aus denen eine zunehmende gesellschaftliche Akzeptanz der illegalen Wolfsjagd hervorging, und verwies auf einen möglichen Zusammenhang zwischen Wilderei und den erheblich schwankenden Wolfsbestandszahlen der letzten Jahre.
Auf dieser Grundlage stellte der Gerichtshof fest, dass die Bestandspflegeziele nur dann erreicht werden könnten, wenn den Bedürfnissen der in den Revieren der Wölfe wohnenden und arbeitenden Menschen Rechnung getragen würde, und befürwortete die Anwendung von Ausnahmegenehmigungen in Bezug auf einzelne Tiere, die Schäden verursachten, um so der illegalen Tötung von Wölfen entgegenzuwirken. Diese Ausnahmegenehmigungen zum Erlegen von Wölfen durften nur für Gebiete mit großen Wolfsvorkommen erteilt werden und eine behördlich festgelegte Höchstzahl von Tieren (53 Individuen pro Jahr außerhalb des Rentierhaltungsareals für den Zeitraum 2016–2018) nicht überschreiten.
Im Dezember 2015 erteilte die finnische Wildtierbehörde zwei Ausnahmegenehmigungen für die Tötung von insgesamt sieben Wölfen in der Region Nordsavo und empfahl den Genehmigungsinhabern, die Jagd auf junge oder Schaden verursachende Individuen zu richten und nicht auf dominante Männchen. Tapiola, eine finnische Umweltschutzvereinigung, erhob gegen diesen Bescheid Klage beim Obersten Verwaltungsgericht Finnlands. Letzteres beschloss, das Verfahren auszusetzen und den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um Unterstützung bei der Auslegung von Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e zu ersuchen.
Frage 1: Ist es nach Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e zulässig, aufgrund von Anträgen einzelner Jäger regional begrenzte Ausnahmegenehmigungen für die sogenannte bestandspflegende Jagd zu erteilen, deren Ziel die Bekämpfung der Wilderei ist?
Der EuGH erinnert daran, dass die Anwendung von Artikel 16 Absatz 1 eine Ausnahme von dem in dieser Richtlinie vorgesehenen Schutzsystem darstelle und daher restriktiv auszulegen sei. Ausnahmeregelungen seien nur unter der Bedingung möglich, dass es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gebe und die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen würden.
Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e könne nur zur Anwendung kommen, wenn die Gründe für die Gewährung einer Ausnahme gemäß Artikel 1 Buchstaben a bis d nicht einschlägig seien. Im vorliegenden Fall, so der Gerichtshof, ergebe sich aus dem Inhalt der Ausnahmegenehmigungen und aus dem Wolfsbestandspflegeplan, dass die Wilderei eine große Herausforderung für die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands des Wolfes in dessen natürlichem Verbreitungsgebiet darstelle. Wenn nachgewiesen werden könne, so die Schlussfolgerung des Gerichtshofs, dass die betreffenden Ausnahmeregelungen tatsächlich zur Bekämpfung der Wilderei beitragen würden, könnte dies grundsätzlich als relevantes Ziel im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 Buchstabe e angesehen werden.
Bevor eine Ausnahme nach Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e erteilt werde, müsse die nationale Behörde jedoch auf der Grundlage streng wissenschaftlicher Erkenntnisse nachweisen können, dass solche Ausnahmegenehmigungen tatsächlich geeignet seien, die illegale Tötung in einem solchen Maß zu verringern, dass sie sich insgesamt positiv auf den Erhaltungszustand der Wolfspopulation auswirken würden. Im vorliegenden Fall gebe es dafür jedoch keinerlei wissenschaftliche Belege.
Außerdem obliege es den zuständigen nationalen Behörden, nachzuweisen, dass es unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse sowie der Umstände des konkreten Falls keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gebe, um das verfolgte Ziel zu erreichen. Die finnische Wildtierbehörde habe dies jedoch nicht nachgewiesen.
Schließlich betonte der Gerichtshof, dass das bloße Bestehen einer illegalen Aktivität wie der Wilderei oder die Schwierigkeiten, denen bei der Umsetzung der Kontrolle dieser Aktivität begegnet werde, nicht genügen könnten, um einen Mitgliedstaat von seiner Pflicht zum Artenschutz zu entbinden. In einer solchen Situation habe der Mitgliedstaat vielmehr einer strengen und wirksamen Kontrolle dieser illegalen Aktivität sowie der Durchführung von Maßnahmen, die sicherstellten, dass die in den Artikeln 12 bis 14 festgelegten Verbote in vollem Umfang beachtet würden, Vorrang einzuräumen.
Frage 2: Wie ist die in Artikel 16 Absatz 1 genannte Voraussetzung, die den Erhaltungszustand von Populationen von Arten betrifft, bei der Erteilung von regional begrenzten Ausnahmegenehmigungen zu bewerten?
Der Gerichtshof stellt fest, dass die Bewertung der Auswirkung einer Ausnahme bezogen auf das Gebiet einer lokalen Population im Allgemeinen erforderlich sei, um ihre Auswirkung auf den Erhaltungszustand der in Rede stehenden Population in einem größeren Rahmen zu bestimmen. Außerdem hänge der Erhaltungszustand einer Population auf nationaler oder biogeografischer Ebene von der kumulierten Auswirkung der verschiedenen, die lokalen Gebiete betreffenden Ausnahmen ab. Somit könne eine solche Ausnahmeregelung nicht erlassen werden, ohne dass der Erhaltungszustand der betreffenden Art sowie die möglichen Auswirkungen der in Betracht gezogenen Ausnahmeregelung auf den Erhaltungszustand bezogen auf das lokale Gebiet und auf das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats oder gegebenenfalls auf die betreffende biogeografische Region und – soweit möglich – grenzüberschreitend beurteilt worden seien.
Grundsätzlich könne ein Bestandspflegeplan, in dem die Höchstzahl der Individuen festgelegt werde, die in einem Jagdjahr im Hoheitsgebiet getötet werden dürfen, gewährleisten, dass die jährliche kumulative Wirkung einzelner Ausnahmegenehmigungen der Wahrung oder Wiederherstellung des günstigen Erhaltungszustands der Populationen der betreffenden Art nicht schade. Bei einer zu hoch angesetzten Zahl werde diese Bedingung allerdings eindeutig nicht eingehalten.
Im vorliegenden Fall seien im Jagdjahr 2015/2016 mehr als 14 % der gesamten Wolfspopulation Finnlands (43 oder 44 von 275 bis 310 Tieren) auf der Grundlage von Ausnahmegenehmigungen getötet worden, darunter zahlreiche sich fortpflanzende Individuen. Zu diesen seien darüber hinaus noch etwa 30 rechtswidrig getötete Wölfe pro Jahr hinzugekommen (Schätzung laut Bestandspflegeplan). Es sei offensichtlich, dass die Ausnahmegenehmigungen die Zahl der insgesamt getöteten Wölfe erhöht hätten, was zu einer negativen Nettowirkung auf die Wolfspopulation geführt habe.
In Bezug auf die Auswirkungen des ungünstigen Erhaltungszustands einer Art auf die Möglichkeit, Ausnahmen gemäß Artikel 16 Absatz 1 zuzulassen, erinnert der Gerichtshof daran, dass solche Ausnahmen ausnahmsweise weiterhin zulässig seien, wenn hinreichend nachgewiesen sei, dass sie nicht geeignet seien, den ungünstigen Erhaltungszustand dieser Populationen zu verschlechtern oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands zu behindern. Solche Ausnahmeregelungen müssten daher für die betreffende Art neutral sein (Kommission/Finnland, C‑342/05, EU:C:2007:341, Rn. 29).
Der Gerichtshof verwies darauf, dass der Mitgliedstaat gemäß dem Vorsorgegrundsatz von dem Erlass oder der Durchführung einer solchen Ausnahmeregelung absehen müsse, wenn nach der Prüfung der besten verfügbaren wissenschaftlichen Daten eine Ungewissheit darüber bestehen bleibe, ob der günstige Erhaltungszustand der Populationen einer vom Aussterben bedrohten Art trotz dieser Ausnahmeregelung gewahrt oder wiederhergestellt werden könne.
3.2.2
KRITERIUM 2: Fehlen einer anderweitigen zufriedenstellenden Lösung
Für das zweite Kriterium ist zu prüfen, ob es eine zufriedenstellende Alternative zu der beantragten Ausnahme gibt, d. h. ob sich das Problem, mit dem die Behörde konfrontiert ist, ohne eine Ausnahmegenehmigung lösen lässt.
(3-49)
Gemäß Artikel 16 Absatz 1 müssen die Mitgliedstaaten sicher sein, dass es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt, bevor sie eine Ausnahme genehmigen. Dies ist eine übergreifende Bedingung, die für alle Ausnahmen gilt. Es obliegt den zuständigen nationalen Behörden, die erforderlichen Vergleiche vorzunehmen und Alternativlösungen zu bewerten. Dieser Ermessensspielraum unterliegt jedoch bestimmten Einschränkungen.
(3-50)
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu der vergleichbaren Bestimmung in Artikel 9 der Richtlinie 79/409/EWG (Vogelschutzrichtlinie)
, insbesondere in der Rechtssache C-10/96, besteht die Analyse, ob es „keine anderweitige zufriedenstellende Lösung“ gibt, aus drei Schritten: Welches Problem oder welche spezifische Situation muss bewältigt werden? Gibt es andere Lösungen? Wenn ja, sind diese geeignet, um das Problem oder die spezifische Situation zu bewältigen, für das bzw. die die Ausnahme beantragt wird? Die folgenden Ausführungen stützen sich auf die Rechtsprechung des EuGH zu der vergleichbaren Bestimmung zu Ausnahmen in Artikel 9 der Vogelschutzrichtlinie und können analog auf Artikel 16 angewendet werden.
(3-51)
Die Prüfung der Frage, ob es „keine anderweitige zufriedenstellende Lösung“ gibt, setzt voraus, dass ein bestimmtes Problem oder eine bestimmte Situation besteht, für das bzw. die eine Lösung gefunden werden muss. Die zuständigen nationalen Behörden sind aufgefordert, dieses Problem oder diese Situation zu bewältigen, indem sie aus den möglichen Alternativen die auswählen, die am ehesten geeignet ist, den optimalen Schutz für die betreffende Art sicherzustellen und gleichzeitig das Problem bzw. die Situation zu lösen. Um einen strengen Artenschutz zu gewährleisten, müssen die Alternativlösungen vor dem Hintergrund der in Artikel 12 formulierten Verbote bewertet werden. Denkbar wären zum Beispiel abweichende Projektstandorte, andere Entwicklungsmaßstäbe oder -konzepte oder auch alternative Aktivitäten, Verfahren oder Methoden.
Wenn beispielsweise geprüft wird, ob es „zufriedenstellende“ Alternativen zu den Maßnahmen nach Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe b gibt, mit denen ernste Schäden an Kulturen und in der Tierhaltung sowie an Wäldern, Fischgründen und Gewässern oder sonstigen Formen von Eigentum vermieden werden können, müssen zunächst mit Artikel 12 vereinbare nicht tödliche vorbeugende Mittel angewendet oder zumindest ernsthaft geprüft werden. In den meisten Fällen können vorbeugende Maßnahmen zur Prävention von Schäden an Kulturen und in der Tierhaltung (z. B. der Einsatz von geeigneten Zäunen, von Geräten zur Abschreckung von Wildtieren oder von Herdenschutzhunden, Beaufsichtigung oder geänderte Tierhaltungspraxis sowie Förderung der Verbesserung der Lebensraumbedingungen oder der Beutetierpopulationen der betreffenden Arten) eine zufriedenstellende Alternative zu Ausnahmeregelungen gemäß Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe b darstellen. Auch andere vorbeugende Maßnahmen wie die Verbreitung wissenschaftlich fundierter Informationen zu Zwecken der Konfliktreduzierung (z. B. über Haltungsmethoden oder menschliches Verhalten) können zu den zufriedenstellenden Lösungen gehören, die Alternativen zu kontrollierten Tötungen im Rahmen von Ausnahmeregelungen sowohl nach Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe b als auch nach Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe c bieten.
(3-52)
Wenn geprüft wird, ob es für eine bestimmte Situation eine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt, sollten alle ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Vor- und Nachteile in Betracht gezogen werden, um die optimale Alternative für einen konkreten Fall zu ermitteln. Bei dieser Analyse der Vor- und Nachteile sollten sowohl die potenziellen negativen Auswirkungen der möglichen Lösungen als auch Optionen und Instrumente zur Aufhebung oder Minimierung negativer Auswirkungen berücksichtigt werden. Das Nettoergebnis, d. h. die Lösung des Problems bei gleichzeitiger Vermeidung oder Minimierung von Nebenwirkungen, sollte dann gegen die Auswirkungen einer Ausnahmeregelung abgewogen werden, wobei stets das übergeordnete Ziel der Richtlinie zu beachten ist.
(3-53)
Bei der Genehmigung von Ausnahmen müssen die zuständigen nationalen Behörden, wie bereits erwähnt, unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse sowie der Umstände des konkreten Falls prüfen, ob es keine anderweitigen zufriedenstellenden Lösungen gibt, um das verfolgte Ziel unter Beachtung der in der FFH-Richtlinie niedergelegten Verbote zu erreichen.
(3-54)
Beispielsweise befand der EuGH in der Rechtssache C-674/17, dass das bloße Bestehen einer illegalen Aktivität wie der Wilderei oder die Schwierigkeiten, denen bei der Umsetzung der Kontrolle dieser Aktivität begegnet werde, nicht genügen könnten, um einen Mitgliedstaat von seiner Pflicht zu entbinden, den Schutz der gemäß Anhang IV der FFH-Richtlinie geschützten Arten zu gewährleisten. In einer solchen Situation habe der Mitgliedstaat vielmehr einer strengen und wirksamen Kontrolle dieser illegalen Aktivität sowie der Ergreifung von Maßnahmen, die den in Artikel 12 bis 14 sowie Artikel 15 Buchstaben a und b dieser Richtlinie aufgestellten Verboten entsprechen, Vorrang einzuräumen.
(3-55)
Nur wenn hinreichend nachgewiesen wird, dass potenzielle Alternativen nicht zufriedenstellend sind, weil sie entweder das spezifische Problem nicht lösen können oder technisch nicht durchführbar sind, ist die Anwendung einer Ausnahmeregelung gerechtfertigt, sofern die übrigen Bedingungen ebenfalls erfüllt sind.
Ist eine Maßnahme allerdings teilweise zufriedenstellend, da das Problem durch sie zwar nicht hinreichend bewältigt, aber immerhin reduziert oder eingedämmt werden kann, sollte zunächst diese Maßnahmen umgesetzt werden. Bezüglich des Restproblems können Ausnahmen für tödliche Interventionsmaßnahmen nur dann gerechtfertigt sein, wenn andere Lösungen nicht möglich sind; die Ausnahmen müssen jedoch in einem angemessenen Verhältnis zu dem Problem stehen, das nach nicht tödlichen Maßnahmen verbleibt.
(3-56)
Das Verfahren zur Feststellung, ob eine Alternativlösung nicht zufriedenstellend ist, sollte auf der Grundlage der besten verfügbaren Fakten und Daten erfolgen und auf einer gut dokumentierten Bewertung aller möglichen verfügbaren Optionen beruhen, auch hinsichtlich ihrer Wirksamkeit. Die Alternativen müssen im Lichte des übergeordneten Ziels, den günstigen Erhaltungszustand der betreffenden Art von gemeinschaftlichem Interesse aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, bewertet werden (daher müssen der Erhaltungszustand, die Auswirkungen zusätzlicher unbeabsichtigter oder illegaler Entnahmen von Exemplaren und die Zukunftsaussichten der betreffenden Population berücksichtigt werden). Auch die Verhältnismäßigkeit der Kosten kann in die Bewertung einfließen. Allerdings dürfen wirtschaftliche Kosten nicht der alleinige entscheidende Faktor bei der Analyse alternativer Lösungen sein. Insbesondere können anderweitige zufriedenstellende Lösungen nicht von vornherein mit der Begründung abgelehnt werden, dass sie zu teuer wären.
(3-57)
In jedem Fall kann die Gewährung einer Ausnahmeregelung nach Artikel 16 nur ein letzter Ausweg sein.
Das wesentliche gemeinsame Merkmal von Ausnahmeregelungen ist, dass sie im Interesse der Erhaltung natürlicher Lebensräume sowie wild lebender Tiere und Pflanzen anderen in der Richtlinie festgelegten Erfordernissen untergeordnet sind.
(3-58)
Der gleiche Ansatz gilt für die Auslegung des Begriffs „zufriedenstellend“. Angesichts des Ausnahmecharakters von Ausnahmeregelungen und der in Artikel 4 Absatz 3 EUV verankerten Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Union bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen, wäre eine Abweichung nur dann gerechtfertigt, wenn objektiv nachgewiesen würde, dass es keine andere zufriedenstellende Lösung gibt.
(3-59)
In der Rechtssache C-342/05 erläuterte die Generalanwältin den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wonach
„die Maßnahme nicht durchgeführt werden [darf], wenn ihr Ziel mit weniger einschneidenden Mitteln erreicht werden kann, also durch eine anderweitige zufrieden stellende Lösung im Sinne von Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie“. „Zufrieden stellend ist eine andere Lösung […] nicht nur, wenn sie die Ziele der Ausnahme genauso gut erreichen würde, sondern auch, wenn die verursachten Nachteile der Ausnahme außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen würden und die andere Lösung ein angemessenes Verhältnis gewährleisten würde.“
(3-60)
Die Feststellung, ob eine Alternativlösung in einer bestimmten Situation zufriedenstellend ist, muss auf objektiv überprüfbare Umstände, wie etwa auf wissenschaftliche und technische Erwägungen gestützt werden. Angesichts des außergewöhnlichen Charakters von Ausnahmeregelungen wäre eine Abweichung nur aufgrund einer objektiven Darlegung der Gründe zu rechtfertigen, aus denen andere, auf den ersten Blick zufriedenstellende Lösungen nicht möglich sind.
Es ist offensichtlich, dass die ernsthafte Prüfung anderweitiger Lösungen von zentraler Bedeutung ist. Die Mitgliedstaaten verfügen nur über einen begrenzten Ermessensspielraum, und wenn es eine andere Lösung gibt, müssen alle Argumente, warum sie diese für nicht zufriedenstellend halten, überzeugend sein. Das Urteil in der Rechtssache C-182/02 ist ein Beispiel für die strenge Haltung des Gerichtshofs in Bezug auf Ausnahmeregelungen im Rahmen der Vogelschutzrichtlinie. Um festzustellen, ob es eine andere zufriedenstellende Lösung gab, hat der Gerichtshof sowohl die Notwendigkeit als auch den Zweck der Ausnahme geprüft.
Dieses Urteil bestätigt, dass es des Nachweises triftiger Gründe bedarf, um eine Ausnahmeregelung zu rechtfertigen.
Eine andere Lösung kann nicht nur deswegen als nicht zufriedenstellend angesehen werden, weil sie für die Begünstigten der Ausnahmegenehmigung größere Umstände verursacht oder ihnen ein anderes Verhalten abverlangt. In diesem Zusammenhang wurde festgestellt, dass die Argumente, die auf die „tief verwurzelte Tradition“ oder die „historische und kulturelle Tradition“ einer bestimmten jagdlichen Praxis verweisen, nicht ausreichen, um die Notwendigkeit einer Ausnahme von der Vogelschutzrichtlinie zu rechtfertigen.
Dieselbe Logik lässt sich auf Ausnahmeregelungen im Rahmen der FFH-Richtlinie anwenden.
(3-61)
Darüber hinaus ist die letztlich gewählte Lösung, selbst wenn sie eine Ausnahmeregelung beinhaltet, auf das Maß zu beschränken, das objektiv nötig ist, um dem betreffenden Problem oder der betreffenden Situation abzuhelfen.
Das bedeutet, dass Ausnahmen zeitlich, örtlich, hinsichtlich der Anzahl der betroffenen Exemplare, der spezifischen Exemplare, der befugten Personen usw. begrenzt sein müssen. Die Notwendigkeit, eine Ausnahmeregelung auf das zur Lösung des Problems erforderliche Maß zu beschränken, wurde in der Rechtssache C-10/96 zu der vergleichbaren Bestimmung des Artikels 9 der Vogelschutzrichtlinie erneut bestätigt.
Nach Auffassung des Gerichtshofs ist die Anzahl der Exemplare, auf die sich die Ausnahme bezieht, „in einer Höhe festzusetzen, die zur Vermeidung dieser Nachteile objektiv notwendig ist“. Diese Beschränkung unterscheidet sich von der „begrenzten Anzahl“ gemäß Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e, bei der es sich um einen „übergeordneten Begriff“ bei der Anwendung dieser besonderen Ausnahme handelt.
3.2.3
KRITERIUM 3: Auswirkungen einer Ausnahmeregelung auf den Erhaltungszustand
Im Einklang mit dem in Artikel 17 der Richtlinie vorgesehenen harmonisierten Rahmen für die Berichterstattung wird der Gesamterhaltungszustand einer Art in einem Mitgliedstaat auf biogeografischer Ebene innerhalb des einzelnen Mitgliedstaats bewertet. Wenn es allerdings darum geht, die Auswirkungen einer bestimmten Ausnahmeregelung zu bewerten, sollte dies auf einer niedrigeren Stufe (z. B. auf der Ebene eines Standorts oder einer Population) erfolgen, um im spezifischen Kontext der Ausnahmeregelung eine höhere Aussagekraft zu erzielen.
(3-62)
Gemäß Artikel 16 Absatz 1 muss gewährleistet sein, dass „die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen“. Um diese Bestimmung umzusetzen, sollte eine zweistufige Bewertung erfolgen: zunächst eine Beurteilung des Erhaltungszustands der jeweiligen Populationen einer Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet innerhalb des betreffenden Mitgliedstaats (wenn die Populationen über mehrere benachbarte Länder verteilt sind, möglichst über die nationalen Grenzen hinaus), und anschließend eine Bewertung der Auswirkungen der Ausnahmeregelung auf den Erhaltungszustand der jeweils betroffenen Population oder Populationen. Der Klarheit halber ist „Population” hier definiert als eine Gruppe von Individuen derselben Art, die zur selben Zeit in einem definierten Gebiet leben und sich miteinander fortpflanzen (können) (d. h. einen gemeinsamen Genpool besitzen).
3.2.3a
Bewertungsmaßstab
(3-63)
Es stellt sich dann die Frage, in welcher Größenordnung eine Bewertung zu erfolgen hat, wenn es zu ermitteln gilt, ob die Auswirkungen einer Ausnahmeregelung schädlich, neutral oder eventuell sogar positiv für den Erhaltungszustand einer Art sind. Gemäß Artikel 1 Buchstabe i muss der Erhaltungszustand einer Art letztlich in ihrem gesamten natürlichen Verbreitungsgebiet betrachtet werden. In Gesprächen mit dem Habitatausschuss wurde daher vereinbart, den Erhaltungszustand für die Zwecke der Berichterstattung gemäß Artikel 17 (in Verbindung mit Artikel 11) in jedem Mitgliedstaat auf biogeografischer Ebene zu bewerten. Auf diese Weise ließen sich letztendlich für komplette biogeografische Regionen in der EU die Daten aggregieren. Der Erhaltungszustand einer Art in der jeweiligen biogeografischen Region in einem Mitgliedstaat ist daher bei der Prüfung einer Ausnahmeregelung von hoher Relevanz.
(3-64)
In den meisten Fällen wird eine Bewertung der Auswirkungen einer bestimmten Ausnahmeregelung aber auf einer niedrigeren Ebene als auf der Stufe der biogeografischen Region erfolgen müssen, damit sie aus ökologischer Sicht aussagekräftig ist. Sinnvoll wäre etwa die Ebene der (lokalen) Population. Der Wortlaut von Artikel 16, der auf „Populationen der betroffenen Art“ verweist, bestätigt diese Auslegung.
Natürlich muss der Ansatz an die jeweilige Tierart angepasst werden: Die kumulierten Auswirkungen der Tötung von Exemplaren einer Großraubtierart mit weitem Aktionsradius müssen auf Populationsebene (gegebenenfalls grenzüberschreitend
) bewertet werden, während die Auswirkungen der Zerstörung einer Fortpflanzungsstätte in einem eher zerstückelten Amphibienlebensraum besser an einem einzelnen Standort oder auf der Ebene der Metapopulation
zu bewerten sind.
Nach ständiger Rechtsprechung sind Ausnahmeregelungen angemessen anzuwenden, um konkreten Anforderungen und besonderen Situationen gerecht zu werden.
Hieraus folgt, dass Bewertungen auf einer niedrigeren Ebene normalerweise unerlässlich sind, da Ausnahmeregelungen für spezifische Probleme getroffen werden und zu passenden Lösungen führen müssen. Daher müssen Ausnahmeregelungen für einen bestimmten Ort gewährt werden, da sie sich in erster Linie auf lokaler Ebene auswirken. Anschließend müsste die auf einer niedrigeren Ebene vorgenommene Bewertung mit der Situation verglichen werden, wie sie sich in einem größeren Maßstab (z. B. biogeografisch, grenzüberschreitend oder national) darstellt, um ein Gesamtbild der Situation zu erhalten.
In seinem Urteil in der Rechtssache C-674/17 zu Ausnahmeregelungen für Wölfe folgte der EuGH dieser Argumentation, indem er darauf hinwies, dass die nationalen Behörden vor dem Erlass von Ausnahmegenehmigungen den Erhaltungszustand der betreffenden Population und die voraussichtlichen Auswirkungen der in Betracht gezogenen Ausnahmen bewerten müssten, und zwar sowohl auf lokaler Ebene als auch bezogen auf das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats oder gegebenenfalls bezogen auf die betreffende biogeografische Region, wenn sich die Grenzen des Mitgliedstaats mit mehreren biogeografischen Regionen überschneiden oder das natürliche Verbreitungsgebiet der Art dies erfordert, und – soweit möglich – grenzüberschreitend. Der EuGH stellte Folgendes klar: „[D]ie Bewertung der Auswirkung einer Ausnahme bezogen auf das Gebiet einer lokalen Population [ist] im Allgemeinen erforderlich, um ihre Auswirkung auf den Erhaltungszustand der in Rede stehenden Population in einem größeren Rahmen zu bestimmen. […] [I]hre Folgen [werden sich] in der Regel am unmittelbarsten in dem von ihr betroffenen lokalen Gebiet bemerkbar machen. […] [Außerdem] hängt der Erhaltungszustand einer Population auf nationaler oder biogeografischer Ebene außerdem von der kumulierten Auswirkung der verschiedenen, die lokalen Gebiete betreffenden Ausnahmen ab.“
„Somit kann eine solche Ausnahmeregelung nicht erlassen werden, ohne dass der Erhaltungszustand der betreffenden Art sowie die möglichen Auswirkungen der in Betracht gezogenen Ausnahmeregelung auf den Erhaltungszustand bezogen auf das lokale Gebiet und auf das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats oder gegebenenfalls auf die betreffende biogeografische Region, wenn sich die Grenzen dieses Mitgliedstaats mit mehreren biogeografischen Regionen überschneiden oder wenn das natürliche Verbreitungsgebiet der Art dies erfordert, und soweit möglich grenzüberschreitend beurteilt worden sind.“
„Dagegen kann […] der Teil des natürlichen Verbreitungsgebiets der betreffenden Population, der sich auf Teile des Hoheitsgebiets eines Drittstaats erstreckt, der nicht an die Verpflichtungen zum strengen Schutz der Arten von Interesse für die Europäische Union gebunden ist, bei dieser Beurteilung nicht berücksichtigt werden.“
(3-65)
Wird die Befugnis zur Gewährung von Ausnahmen auf subnationaler Ebene (z. B. durch die Regionalverwaltung) erteilt, so müssen Ausnahmegenehmigungen auf der Ebene der Mitgliedstaaten (und bei grenzüberschreitenden Populationen auch über die nationalen Grenzen hinaus) koordiniert, überschaut und überwacht werden, um nicht zu riskieren, dass die Summe der Ausnahmen den Erhaltungszustand der Populationen der betreffenden Arten in ihrem (nationalen) natürlichen Verbreitungsgebiet beeinträchtigt (siehe auch Abschnitt 3.1.2).
3.2.3b
Ausnahmeregelungen und die Auswirkungen auf den Erhaltungszustand
Das Nettoergebnis einer Ausnahmeregelung sollte neutral oder positiv für den Erhaltungszustand einer Art sein. Ausgleichsmaßnahmen können unter bestimmten Umständen Kompensationszwecken dienen, z. B. wenn sich eine Ausnahmeregelung auf Fortpflanzungs- und Ruhestätten auswirkt; sie können jedoch das Erfordernis, alle drei Kriterien zu erfüllen, weder außer Kraft setzen noch einschränken. Artenschutzpläne sind nicht vorgeschrieben, werden aber empfohlen, da sie dazu beitragen, dass Ausnahmen im Einklang mit den Zielen der Richtlinie gewährt werden.
(3-66)
Wie in der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH ausgeführt, ist „[n]ach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie […] der günstige Erhaltungszustand dieser Populationen in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet eine unabdingbare Voraussetzung für die Zulassung der in ihm vorgesehenen Ausnahmen“.
Weder die Gewährung von Ausnahmen für Arten, die sich in einem ungünstigen Erhaltungszustand befinden, noch die Anwendung von Ausgleichsmaßnahmen sind in der Richtlinie ausdrücklich vorgesehen. Wird aber die Bestimmung in Artikel 16 Absatz 1 so ausgelegt und umgesetzt, dass der Schwerpunkt auf der Erreichung des übergeordneten Ziels eines günstigen Erhaltungszustands liegt, können die beiden Konzepte in die Auslegung einbezogen werden, sofern die Erreichung dieses Ziels nicht in irgendeiner Weise beeinträchtigt wird.
(3-67)
Der günstige Erhaltungszustand der Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet ist grundsätzlich eine notwendige Bedingung für die Gewährung einer Ausnahme.
In der Rechtssache C-342/05 befand der Gerichtshof jedoch, nachdem er festgestellt hatte, dass in Finnland der Erhaltungszustand des Wolfes nicht günstig sei, dass Ausnahmen für die Tötung einzelner Exemplare „unter außergewöhnlichen Umständen“ weiterhin zulässig seien, „wenn hinreichend nachgewiesen ist, dass sie den ungünstigen Erhaltungszustand dieser Populationen nicht verschlechtern oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht behindern können“.
Die Auswirkung der Tötung einer begrenzten Anzahl von Exemplaren auf das in Artikel 16 Absatz 1 der FFH-Richtlinie genannte Ziel der Bewahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der Wolfspopulation innerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets wäre möglicherweise vernachlässigbar. Eine Ausnahme wäre in einem solchen Fall daher für die betreffende Art möglicherweise neutral. Wenn also der Erhaltungszustand der betroffenen Art nicht günstig ist, kann eine Ausnahme nur gewährt werden, wenn sie unter außergewöhnlichen Umständen gerechtfertigt ist, und nur dann, wenn sich der Erhaltungszustand nicht verschlechtert und die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht verhindert wird (neutrale Wirkung), und sofern alle übrigen notwendigen Bedingungen des Artikels 16 ebenfalls erfüllt sind. In der Rechtssache C-342/05 stellte der Gerichtshof fest, dass die zuständigen nationalen Behörden zwar Ausnahmen gewährt hätten, „ihrer Entscheidung jedoch keine Beurteilung des Erhaltungszustands der Art zugrunde gelegt haben, keine genaue und angemessene Begründung für ihre Annahme geliefert haben, dass es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gab, und nicht genau die Wölfe bestimmt haben, die ernste Schäden verursachen und geschossen werden durften“. Der Gerichtshof befand ferner, dass Ausnahmen, „denen keine Beurteilung der Auswirkungen zugrunde liegt, die der mit ihnen genehmigte Abschuss der Wölfe auf die Bewahrung eines günstigen Erhaltungszustands dieser Population in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet haben kann, und die keine genaue und angemessene Begründung für die Annahme enthalten, dass es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt, […] gegen Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie [verstoßen]“.
In der Rechtssache C-674/17 betonte der EuGH, dass die oben erwähnte Bewertung der Wirkung der geplanten Ausnahmen auf den günstigen Erhaltungszustand im Licht des Vorsorgeprinzips erfolgen müsse.
Mit anderen Worten müsse der betreffende Mitgliedstaat „von dem Erlass oder der Durchführung einer solchen Ausnahmeregelung absehen […], wenn nach der Prüfung der besten verfügbaren wissenschaftlichen Daten eine Ungewissheit darüber bestehen bleibt, ob der günstige Erhaltungszustand der Populationen einer vom Aussterben bedrohten Art trotz dieser Ausnahmeregelung gewahrt oder wiederhergestellt werden kann“.
Ein ähnlicher Ansatz sollte gewählt werden, wenn der Erhaltungszustand der betroffenen Art nicht bekannt ist. In diesem Fall wäre es unmöglich, die Auswirkungen der Ausnahme auf den Erhaltungszustand festzustellen, sodass die Ausnahme nicht gewährt werden könnte.
(3-68)
Je ungünstiger der Erhaltungszustand und die Entwicklungstendenzen sind, desto unwahrscheinlicher ist es, dass eine Ausnahmeregelung gerechtfertigt werden kann, es sei denn, es liegen besonders außergewöhnliche Umstände vor.
Außerdem ist klar, dass der beschriebene Ansatz für Ausnahmegenehmigungen idealerweise in einen klaren und gut ausgearbeiteten Rahmen von Artenschutzmaßnahmen eingebettet sein sollte. Auch hier ist (ebenso wie bei Schutzmaßnahmen) der Erhaltungszustand einer Art der zentrale Aspekt, wenn es um die Bewertung und Rechtfertigung der Anwendung von Ausnahmeregelungen geht. Daher ist es wichtig, nicht nur den aktuellen Erhaltungszustand zu betrachten, sondern auch zu untersuchen, wie dieser sich verändert.
(3-69)
Was den jeweiligen aktuellen Erhaltungszustand der betroffenen Art angeht, so kann der Zustand der lokalen Population einer Art in einem bestimmten geografischen Gebiet durchaus vom Gesamterhaltungszustand von Populationen in der biogeografischen Region des Mitgliedstaats (oder sogar des natürlichen Verbreitungsgebiets) abweichen. Daher sollte der Erhaltungszustand auf allen Ebenen bekannt sein und ordnungsgemäß bewertet werden, bevor über die Gewährung einer Ausnahme entschieden wird.
(3-70)
Eine Ausnahme, die den Erhaltungszustand oder die Erreichung eines günstigen Erhaltungszustands einer Art beeinträchtigt, kann auf keiner Ebene gewährt werden. Das heißt, wenn eine Ausnahme voraussichtlich erhebliche negative Auswirkungen auf die betroffene Population (oder die Zukunftsperspektiven dieser Population) oder sogar auf eine lokale Population in einem Mitgliedstaat hat, sollte die zuständige Behörde sie nicht genehmigen. Das Nettoergebnis einer Ausnahmeregelung sollte für die jeweiligen Populationen der Art neutral oder positiv sein.
(3-71)
Wenn die Daten nicht belastbar und zuverlässig genug sind, um nachzuweisen, dass der Erhaltungszustand günstig ist, bzw. um sicherzustellen, dass die Ausnahmeregelung den Erhaltungszustand nicht beeinträchtigt, sollte das Vorsorgeprinzip (das besagt, dass bei bestehender Ungewissheit die Erhaltungsziele Vorrang haben müssen) zur Anwendung kommen und sollten keine Ausnahmen gewährt werden. Wie der EuGH in seinem Urteil in der Rechtssache C-674/17 ausgeführt hat, „ist auch hervorzuheben, dass der Mitgliedstaat gemäß dem in Art. 191 Abs. 2 AEUV verankerten Vorsorgegrundsatz von dem Erlass oder der Durchführung einer solchen Ausnahmeregelung absehen muss, wenn nach der Prüfung der besten verfügbaren wissenschaftlichen Daten eine Ungewissheit darüber bestehen bleibt, ob der günstige Erhaltungszustand der Populationen einer vom Aussterben bedrohten Art trotz dieser Ausnahmeregelung gewahrt oder wiederhergestellt werden kann“.
(3-72)
Ist der Zustand der Art auf den verschiedenen geografischen Ebenen unterschiedlich, sollten bei der Bewertung zunächst die Ebene der lokalen Population und danach die Auswirkungen der Ausnahmeregelung auf die Population in der biogeografischen Region untersucht werden, wobei auch die kumulierte Wirkung anderer Ausnahmeregelungen für diese Art in dieser biogeografischen Region zu berücksichtigen ist.
3.3
Zusätzliche Erwägungen
(3-73)
Bei der Prüfung, ob eine Ausnahmeregelung nachteilig dafür sein könnte, dass Populationen der betroffenen Art in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen, sollte insbesondere geprüft werden,
a) ob die notwendigen (geeigneten, wirksamen und überprüfbaren) Maßnahmen für eine Art in einem Mitgliedstaat festgelegt, durchgeführt und wirksam durchgesetzt werden, um für diese Art einen strengen Schutz und das Erreichen eines günstigen Erhaltungszustands sicherzustellen,
b) dass die Ausnahmeregelung den notwendigen Maßnahmen nicht entgegenwirkt oder sie unwirksam macht oder neutralisiert,
c) dass die Auswirkungen (einschließlich der kumulierten Auswirkungen) von Ausnahmeregelungen sorgfältig überwacht und Lehren für die Zukunft gezogen werden.
3.3.1
Die Rolle von Artenaktionsplänen
(3-74)
Eine Möglichkeit, eine angemessene Nutzung von Ausnahmeregelungen als Teil eines strengen Schutzsystems zu gewährleisten, wäre die Aufstellung und Umsetzung umfassender Artenaktionspläne oder Artenschutz- und -managementpläne, auch wenn diese in der Richtlinie nicht vorgeschrieben sind. Diese Pläne sollten darauf abzielen, die Art zu schützen und ihren günstigen Erhaltungszustand wiederherzustellen oder aufrechtzuerhalten. In den Plänen sollten nicht nur die notwendigen Maßnahmen nach Artikel 12 enthalten sein, sondern auch Maßnahmen zur Unterstützung oder Wiederherstellung der Überlebensfähigkeit der Population, ihres natürlichen Verbreitungsgebiets und der Lebensräume der Art. Die Pläne könnten dann eine nützliche Grundlage und einen Orientierungsrahmen für die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen bieten, vorausgesetzt, dass diese nach wie vor auf Einzelfallbasis gewährt werden, dass alle übrigen Bedingungen des Artikels 16 erfüllt sind und dass nachgewiesen wurde, dass die Ausnahmeregelung sich nicht nachteilig darauf auswirkt, dass die Populationen der betroffenen Art in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen.
(3-75)
Beispielsweise sind Ausnahmeregelungen zur Verhütung ernster Schäden an Kulturen und Eigentum langfristig möglicherweise weniger wirksam für die Lösung des Problems, wenn sie unabhängig von sonstigen Maßnahmen für die Art getroffen werden. Wenn sie jedoch im Rahmen eines Artenschutz- und -managementplans und als Teil eines strengen Schutzsystems von einer Reihe weiterer Maßnahmen (z. B. nicht tödliche Maßnahmen, vorbeugende Maßnahmen, Anreize, Ausgleichszahlungen usw.) flankiert würden, könnten die Ausnahmeregelungen wesentlich wirksamer gestaltet werden. Unter diesen Bedingungen könnte ein Artenschutz- und -managementplan bei ordnungsgemäßer Umsetzung einen geeigneten Rahmen für die Gewährung von Ausnahmen im Einklang mit den Zielen der Richtlinie bieten. Solche Pläne müssten natürlich im Lichte von Wissensfortschritt und Überwachungsergebnissen regelmäßig aktualisiert werden.
(3-76)
Um einen geeigneten Rahmen für die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen zu schaffen, sollten die Artenschutz- und -managementpläne auf soliden und aktuellen wissenschaftlichen Informationen über den Erhaltungszustand und die Entwicklungstendenzen der Population der Art beruhen und das Hauptziel darin bestehen, die Art in einem günstigen Erhaltungszustand zu erhalten oder diesen wiederherzustellen (unter Nennung der für dieses Ziel zu erfüllenden Bedingungen). Die Pläne sollten eine solide und umfassende Bewertung aller relevanten Bedrohungen und Belastungen der Art sowie eine Analyse der Sterblichkeitsraten und deren Ursachen – natürliche Ursachen oder menschliche Faktoren wie illegale Tötungen (Wilderei) oder unbeabsichtigtes Fangen und Töten – umfassen.
(3-77)
Auf der Grundlage der besten verfügbaren Informationen und fundierter wissenschaftlicher Bewertungen und Überwachungssysteme könnte in den Artenschutz- und -managementplänen ein kohärentes Spektrum von Maßnahmen festgelegt werden, die durchgeführt und überwacht werden müssen, um sicherzustellen, dass der günstige Erhaltungszustand der betroffenen Population erreicht oder aufrechterhalten wird. Nur unter diesen Umständen könnten die Artenschutz- und -managementpläne einen geeigneten Rahmen für die Gewährung von Ausnahmen darstellen, was wiederum zu einer Vereinfachung des Verfahrens für die Gewährung der einzelnen Ausnahmen beitragen kann, sofern alle notwendigen Bedingungen des Artikels 16 ebenfalls erfüllt sind.
3.3.2
Verträglichkeitsprüfung für Pläne oder Projekte und Artenschutz
(3-78)
Die besonderen Bestimmungen und Verfahren gemäß Artikel 16 müssen auch bei Plänen oder Projekten eingehalten werden, die sich auf eine in der EU geschützte Art auswirken könnten und den Prüfungsverfahren gemäß Artikel 6 Absatz 3 der FFH-Richtlinie oder der UVP- oder SUP-Richtlinie unterliegen. In diesem Fall können die für Pläne und Projekte durchgeführten Verträglichkeitsprüfungen herangezogen werden, um die Auswirkungen auf die Anforderungen nach Artikel 12 zu bewerten und um zu überprüfen, ob die Bedingungen für eine Ausnahme nach Artikel 16 erfüllt sind.
Dies wäre beispielsweise dann relevant, wenn die Errichtung und/oder der Betrieb eines Projekts voraussichtlich zu einer Beschädigung oder Vernichtung von Fortpflanzungs- oder Ruhestätten oder zu Störungen der in Anhang IV Buchstabe a aufgeführten Arten im Projektgebiet führen würde.
Unter diesen Umständen ist zu prüfen,
-
ob eine der in Anhang IV Buchstabe a der FFH-Richtlinie aufgeführten Arten im Projektgebiet vorkommt,
-
ob Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der in Anhang IV Buchstabe a der FFH-Richtlinie aufgeführten Arten im Projektgebiet vorhanden sind,
-
ob eine dieser Arten und/oder deren Fortpflanzungs- oder Ruhestätten durch den Bau und/oder den Betrieb des Projekts beeinträchtigt (getötet, gestört, beschädigt usw.) werden,
-
ob die in Artikel 16 genannten Bedingungen erfüllt sind.
(3-79)
Erst nach Durchführung der oben genannten Kontrollen kann eine Ausnahme nach Artikel 16 gewährt und das Projekt rechtmäßig durchgeführt werden (nach Erhalt der Genehmigung). Wenn beispielsweise eine Fortpflanzungsstätte einer in Anhang IV Buchstabe a aufgeführten Art vorhanden ist, die durch den Bau oder den Betrieb des Projekts vernichtet würde, wäre die Genehmigung des Projekts ein Verstoß gegen Artikel 12, es sei denn, es würde eine Ausnahme nach Artikel 16 gewährt und die Voraussetzungen für die Erteilung der Ausnahmegenehmigung wären erfüllt.
(3-80)
Projekte, die voraussichtlich einzeln oder in Kombination mit anderen Plänen oder Projekten erhebliche Auswirkungen auf Natura-2000-Gebiete haben würden, werden einer Verträglichkeitsprüfung gemäß Artikel 6 Absatz 3 der Richtlinie unterzogen, die auch die in der oben genannten Auflistung genannten Kontrollen umfassen und gegebenenfalls Folgemaßnahmen auslösen würde.
Bei Projekten, die nicht unter Artikel 6 Absatz 3 fallen, weil sie weder einzeln noch in Verbindung mit anderen Plänen oder Projekten erhebliche Auswirkungen auf Natura-2000-Gebiete haben dürften, können die Mitgliedstaaten vorhandene Verfahren so anpassen, dass sie die Anforderungen der Artikel 12 und 16 erfüllen. Das bedeutet, dass die in der vorstehenden Liste genannten Kontrollen in die Bewertungen eingebunden werden können, die Bestandteil der Entscheidungsprozesse auf den verschiedenen einzelstaatlichen Ebenen sind, etwa bei Entscheidungen über die Flächennutzung oder Umweltverträglichkeitsprüfungen für Programme, Pläne und Projekte.
Der Zweck des Ganzen besteht darin, die Auswirkungen eines Projekts, einschließlich seiner Auswirkungen auf die in Anhang IV Buchstabe a der FFH-Richtlinie aufgeführten geschützten Arten und deren Lebensräume, korrekt und unverzüglich zu ermitteln, bevor das Projekt durchgeführt wird. Das UVP-Verfahren ist ein mögliches Instrument dafür.
(3-81)
Durch die Koordinierung rechtlicher Verfahren können juristische Komplikationen vermieden werden. Idealerweise wird nach Eingang des Antrags auf Genehmigung eines Projekts, das in den Anwendungsbereich der UVP-Richtlinie fällt, eine Umweltverträglichkeitsprüfung eingeleitet (zumindest die Screening-Phase), damit alle potenziellen Auswirkungen ermittelt werden können. Auf diese Weise kann die Notwendigkeit einer Ausnahmeregelung unverzüglich festgestellt werden, und es kann geprüft werden, ob die Anforderungen in Artikel 16 der FFH-Richtlinie erfüllt wären. Ist dies der Fall, könnte die Genehmigung zusammen mit der Ausnahme gewährt werden. Wenn das Projekt aufgrund der Ergebnisse der UVP modifiziert werden muss, kann die Ausnahme auf das geänderte Projekt bezogen werden.
Idealerweise erstreckt sich die UVP, die im Anschluss an die Beantragung einer kombinierten Genehmigung durchgeführt wird, auf alle relevanten Umweltauswirkungen (einschließlich der Auswirkungen auf die in Anhang IV Buchstabe a der FFH-Richtlinie aufgeführten Arten und ihre Fortpflanzungs- oder Ruhestätten), die im Laufe des Genehmigungsverfahrens überprüft werden können. Dies kann beispielsweise geschehen, indem Bedingungen festgelegt werden, die die negativen Auswirkungen reduzieren, und/oder indem Ausnahmen von bestimmten im Gesetz verankerten Verboten gewährt werden, wenn sie die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen.
(3-82)
Auch wenn es nach den Artikeln 12 und 16 der FFH-Richtlinie nicht verpflichtend ist, die oben genannten Kontrollen im Rahmen einer Verträglichkeitsprüfung gemäß Artikel 6 Absatz 3 der FFH-Richtlinie oder im Rahmen des UVP-Verfahrens durchzuführen, ist dies der beste Weg, um die Einhaltung der Artikel 12 und 16 der FFH-Richtlinie sicherzustellen. Im Rahmen des UVP-Verfahrens können die in Verbindung mit einem Projekt stehenden Auswirkungen auf in Anhang IV der FFH-Richtlinie genannte Arten sowie die möglichen Folgen des Projekts, die zu einem Verstoß gegen eines der Verbote in Artikel 12 der FFH-Richtlinie führen würden, ermittelt werden. Die Durchführung der Verträglichkeitsprüfung einschließlich der verschiedenen erforderlichen Konsultationen vor der Gewährung einer Ausnahme und der Erschließung ist der beste Weg, da auf diese Weise eine koordinierte Entscheidungsfindung erleichtert wird.
3.3.3
Die Rolle von Ausgleichsmaßnahmen (Ausnahmen von Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d)
(3-83)
Für gerechtfertigte Ausnahmen von Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe d, d. h. im Falle einer Beschädigung oder Vernichtung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten, können Ausgleichsmaßnahmen in Erwägung gezogen werden. In Abhängigkeit von der Biologie, der Ökologie und dem Verhalten der jeweiligen Art können sich derartige Maßnahmen bei einigen Arten durchaus lohnen, bei anderen hingegen nicht.
Anders als Schadensbegrenzungsmaßnahmen sind Ausgleichsmaßnahmen unabhängig von der Tätigkeit, die zur Beeinträchtigung oder Vernichtung einer Fortpflanzungs- oder Ruhestätte führt. Solche Maßnahmen dienen dem Ausgleich spezifischer negativer Auswirkungen auf eine Fortpflanzungs- oder Ruhestätte, die sich in keinem Fall nachteilig auf den Erhaltungszustand der betreffenden Art auswirken. Im Idealfall sollten Ausgleichsmaßnahmen den negativen Auswirkungen auf die Fortpflanzungs- oder Ruhestätte angemessen sein und bereits vor Eintritt der negativen Auswirkungen eingeführt und wirksam sein.
(3-84)
Ausgleichsmaßnahmen werden in Artikel 16 nicht erwähnt und sind daher nicht verpflichtend. Auch einen Verstoß gegen Artikel 12 können sie weder rechtfertigen noch ausgleichen, doch sie können eine Option sein, um sicherzustellen, dass die Anforderung in Artikel 16 Absatz 1, die betroffene Art in einem günstigen Erhaltungszustand zu bewahren, erfüllt wird.
Im Idealfall würden Ausgleichsmaßnahmen
I)die negativen Auswirkungen ausgleichen, die die Tätigkeit unter den spezifischen Umständen auf die Fortpflanzungs- und Ruhestätten der Art hätte (auf der Ebene der lokalen Population),
II)gute Erfolgsaussichten haben und auf bewährten Verfahren beruhen,
III)die Aussichten einer Art auf Erreichung eines günstigen Erhaltungszustands verbessern,
IV)schon vor oder spätestens bei Beginn der Beschädigung oder Vernichtung einer Fortpflanzungs- oder Ruhestätte Wirkung zeigen.
(3-85)
Auf diese Weise könnten die Ausgleichsmaßnahmen gewährleisten, dass es weder auf Populationsebene noch auf biogeografischer Ebene zu nachteiligen Gesamtauswirkungen auf die Fortpflanzungs- und Ruhestätten der Arten kommt. Das Erfordernis, dass Ausnahmeregelungen gemäß Artikel 16 die drei oben genannten Kriterien erfüllen müssen, wird dadurch jedoch weder außer Kraft gesetzt noch eingeschränkt. Dies bedeutet, dass ein Ausgleichssystem nicht dazu verwendet werden kann, die Notwendigkeit einer Ausnahmeregelung und die Erfüllung aller drei in Abschnitt 3.2 beschriebenen Kriterien zu umgehen.
3.3.4
Mehrere Arten betreffende Ausnahmen
(3-86)
Manche Projekte (z. B. große Infrastrukturprojekte von öffentlichem Interesse, etwa Verkehrsnetze) können sich auf eine ganze Reihe von in Anhang IV genannten Arten auswirken. In solchen Fällen sollten die Auswirkungen auf jede der betroffenen Arten geprüft werden, und anhand dieser Informationen sollte ein Überblick über die Gesamtauswirkungen erstellt werden, um die am besten geeigneten Lösungen zu wählen. Auch diese Lösungen müssen alle drei Kriterien erfüllen. Es reicht nicht aus, lediglich die Zahl der potenziell gefährdeten Arten aufzulisten, ohne in einem weiteren Schritt die Größenordnung der Probleme zu bewerten und darzulegen, wie diese vermieden werden können.
3.3.5
„Temporäre Natur“: Umgang mit der Besiedlung von neu erschlossenem Bauland durch in Anhang IV aufgeführte Arten
(3-87)
In einigen Fällen werden bereits genehmigte Erschließungsmaßnahmen (z. B. für den Bau neuer Infrastrukturen wie Straßen, Häuser usw. oder fortdauernde Abbautätigkeiten in Steinbrüchen) dazu führen, dass neue, günstige Lebensräume geschaffen und von in Anhang IV der Richtlinie aufgeführten Arten besiedelt werden. So können beispielsweise an Abbaustätten Naturelemente wie neue Teiche (vorteilhaft für Amphibien und Libellen), Areale mit offenem Boden, Sand- und Kiesgruben (die Insekten und Vögel anlocken), Pionierrasen (attraktiv für Insekten und Vögel), Abbruchkanten (günstig für Vögel und Solitärbienen) und Bereiche mit Unterschlüpfen (für Reptilien, Amphibien und Insekten) entstehen.
Da in den strengen Artenschutzregelungen nach Artikel 12 nicht zwischen temporären (z. B. auf 5–10 Jahre begrenzten) oder dauerhaften sowie zwischen künstlich angelegten oder natürlich entstandenen Umgebungen unterschieden wird, ist davon auszugehen, dass die in Anhang IV aufgeführten geschützten Tier- oder Pflanzenarten auch dann in vollem Umfang unter die Schutzbestimmungen des Artikels 12 fallen, wenn sie infolge genehmigter Erschließungsmaßnahmen einen neuen Standort zu besiedeln beginnen.
(3-88)
Die Anwendung der strengen Artenschutzregelungen nach Artikel 12 auf solche Fälle kann eine erhebliche Herausforderung für Projektentwickler und Landeigentümer darstellen, die aufgrund der Art der Tätigkeiten möglicherweise diese „temporären“ Lebensräume entfernen müssen, um ihre Arbeiten so, wie sie genehmigt wurden, fortzuführen. Das Beseitigen der Lebensräume – während einer Vorbereitungs-, Betriebs- oder Stilllegungsphase eines Projekts – erfordert eine Ausnahmeregelung gemäß Artikel 16 Absatz 1, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind (siehe unten).
Ohne Rechtssicherheit, dass das fragliche Gebiet rechtmäßig und wie geplant für den genehmigten Zweck genutzt werden kann, würden Landeigentümer oder Projektentwickler möglicherweise versuchen, das Eindringen geschützter Arten in der Übergangszeit, in der die Flächen noch nicht aktiv erschlossen werden, zu verhindern (z. B. durch Pestizide oder Pflügen), um zusätzliche Belastungen, Restriktionen oder Beschränkungen im Zusammenhang mit dem Vorkommen geschützter Arten, die ursprünglich auf ihren Grundstücken nicht beheimatet waren, zu vermeiden. Dadurch könnten Chancen verloren gehen, da alle zusätzlichen temporären Lebensräume, die ansonsten in dem betreffenden Gebiet nicht entstanden wären, unter bestimmten Bedingungen einen positiven Beitrag zu den Zielen der Richtlinie darstellen könnten.
(3-89)
Um diese Rechtssicherheit zu schaffen und auf diese Weise einen Anreiz zu bieten, temporäre Naturstätten zu schaffen oder aufrechtzuerhalten, können Erschließungsgesellschaften in einem frühen Stadium des Planungsprozesses eine Ausnahmeregelung gemäß Artikel 16 beantragen, also zu einem Zeitpunkt, an dem die geschützten Arten den Standort noch nicht besiedelt haben, eine solche Besiedlung jedoch mit einiger Sicherheit zu erwarten ist (dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn eine entsprechende Art in den umliegenden Gebieten bereits vorkommt). Diese Form der vorab genehmigten Ausnahme würde es ermöglichen, temporäre Naturelemente entsprechend den Erfordernissen der Projektentwicklung nach und nach zu beseitigen. Die rechtlichen Standards für solche Ausnahmen dürfen jedoch nicht niedriger sein als für Ausnahmen für bereits vorkommende geschützte Arten und deren Lebensräume, und sie müssen ebenfalls alle in Artikel 16 genannten Bedingungen erfüllen. Unter anderem bedeutet dies, dass in Entscheidungen über Ausnahmen, die vor dem tatsächlichen Auftreten der kolonisierenden Art oder ihres Lebensraums ergehen, die mit der Ausnahmeregelung geltend gemachten Ziele klar und genau festgelegt sein müssen.
(3-90)
Daher ist es von zentraler Bedeutung, dass Anträgen auf Ausnahmegenehmigungen nach Artikel 16 eine vollständige Zustandserhebung vorausgeht, die darauf abzielt, alle geschützten Arten zu ermitteln, und zwar nicht nur innerhalb des Projektgebiets, sondern auch in den umliegenden Gebieten. Dadurch wird sichergestellt, dass alle „vorhersehbaren“ in Anhang IV aufgeführten Arten ermittelt werden, ebenso wie ihre Abundanz und die Wahrscheinlichkeit, dass sie das Projektgebiet besiedeln werden. Die Entscheidung über eine Ausnahme nach Artikel 16 kann dann herangezogen werden, um Bedingungen für die Aufrechterhaltung der ökologischen Funktionalität des Lebensraums der Art festzulegen, falls der neue besiedelte Lebensraum innerhalb des Projektgebiets für die Zwecke des genehmigten Projekts bzw. der genehmigten Tätigkeit beseitigt werden muss. Eine solche Bedingung könnte beispielsweise die Schaffung und der Schutz ähnlicher Lebensräume außerhalb des Projektgebiets und die Umsiedlung der Art innerhalb des Projektgebiets in diese Lebensräume sein, unterstützt durch eine Langzeitüberwachung. Wie bei allen Ausnahmeregelungen muss die korrekte Umsetzung ebenfalls überprüft und dokumentiert werden.
(3-91)
Ausnahmen, die sich auf die oben beschriebenen temporären Szenarien beziehen, müssen aus einem der in Artikel 16 Absatz 1 genannten Gründe objektiv gerechtfertigt sein. Eine Möglichkeit besteht darin, die Ausnahmeregelung auf die in Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe a genannten Gründe zu stützen, die eine Ausnahme „zum Schutz der wildlebenden Tiere und Pflanzen und zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume“ rechtfertigen. Der Wortlaut der Bestimmung beschränkt sich nicht auf Ausnahmen, die zum Schutz einer Pflanzen- oder Tierart vor anderen, konkurrierenden geschützten Arten gewährt werden. Der Wortlaut kann vielmehr so ausgelegt werden, dass eine Ausnahme von den strengen Schutzregelungen für eine geschützte Art auch zu deren eigenem Vorteil zulässig ist. Die Formulierung in der Vorschrift legt nahe, dass die Ausnahme einen Mehrwert für die betreffende Art erbringen muss. Dies würde bedeuten, dass Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe a anwendbar wäre, wenn nachgewiesen werden kann, dass für die betreffende Art ein Nettonutzen besteht, der erst durch die Gewährung der Ausnahme ermöglicht wurde.
(3-92)
Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe c sieht die Möglichkeit vor, eine Ausnahme „aus […] zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder positiver Folgen für die Umwelt“, zu gewähren. Der Hinweis auf „positive Folgen für die Umwelt“ könnte in ähnlicher Weise ausgelegt werden wie die oben erwähnte Bezugnahme auf den „Schutz der wildlebenden Tiere und Pflanzen und [die] Erhaltung der natürlichen Lebensräume“ gemäß Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe a, d. h. es kann davon ausgegangen werden, dass eine Ausnahme von den strengen Schutzregelungen für eine Art auch zu deren eigenem Vorteil gewährt werden könnte. Der Mehrwert müsste jedoch „positiv“ sein, sodass hier ein höherer Schwellenwert als in Bezug auf Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe a angesetzt wird.
(3-93)
Die Möglichkeit, Ausnahmeregelungen für temporäre Naturstätten in Anspruch zu nehmen, sollte in der Projektplanungsphase sorgfältig geprüft werden und eine eingehende wissenschaftliche Bewertung der Frage umfassen, wo sich geschützte Arten in den verschiedenen Phasen des Projekts ansiedeln könnten. Bereits in der Planungsphase sollte bewertet werden, auf welche Weise die Arten, die die temporären Lebensräume besiedelt haben, während und nach dem Projekt möglichst erhalten bleiben können, z. B. durch geeignete Schadensbegrenzungsmaßnahmen und unterstützende Umsiedlungen.
(3-94)
Die Entscheidung über eine Ausnahmeregelung muss dennoch alle anderen in Artikel 16 genannten Kriterien erfüllen (Fehlen von Alternativlösungen, keine Beeinträchtigung des Erhaltungszustands) und sollte schon im Vorfeld strenge Kontroll- und Überwachungsverpflichtungen definieren.
Dadurch würde sichergestellt, dass die Erschließung der temporären Naturstätte so vonstattengeht, dass dem voraussichtlichen Auftreten bzw. Vorkommen geschützter Arten an diesem Ort Rechnung getragen wird. Diese Überwachungsarbeit würde auch die Nachweise liefern, die erforderlich sind, um eine weitere Ausnahme für neue Vorkommen zu beantragen, die nicht bereits von Anfang an vorhersehbar waren.
25 – Beispiel für bewährte Verfahren: LIFE-Projekt „Life in Quarries“ in Belgien: dynamisches Management der biologischen Vielfalt im Bereich aktiver Steinbrüche
Ziel des LIFE-Projekts „Life in Quarries“ (Leben in Steinbrüchen) [LIFE14 NAT/BE/000364] ist die Entwicklung von Methoden zur Optimierung des Biodiversitätspotenzials beim Betrieb von Abbaustätten. Im Rahmen von steinbruchspezifischen Plänen zum Management der biologischen Vielfalt wurden für dieses Projekt wissenschaftliche und rechtliche Ansätze zur Unterstützung temporärer Lebensräume (z. B. temporärer Teiche oder Sandbänke) untersucht, die durch die Abbauaktivitäten entstehen und davon abhängig sind und in denen geschützte Arten beheimatet sein können (z. B. Uferschwalben, Eidechsen, Mauereidechsen, Kreuzkröten oder Algen, die für nährstoffarme Umgebungen typisch sind). Dieses dynamische Management der biologischen Vielfalt zur Pflege bereits vorhandener und/oder neuer Arten, abgestimmt auf die Steinbruchtätigkeit (sowohl bestehende als auch zusätzliche vorübergehende Tätigkeiten), kann mit den voraussichtlichen Maßnahmen zur Wiederherstellung dauerhafter Lebensräume während und nach der Abbauphase kombiniert werden, um nach Abschluss des Projekts mehr stabile Ökosysteme mit großer biologischer Vielfalt zu haben (zusätzliche dauerhafte Natur).
3.4
Überwachung und Berichterstattung in Bezug auf Ausnahmeregelungen
Die zuständigen nationalen Behörden müssen nicht nur sicherstellen, dass alle Bedingungen für Ausnahmeregelungen erfüllt sind, bevor eine Ausnahme gewährt wird (d. h. die drei Kriterien müssen erfüllt sein), sondern sie müssen auch die Auswirkungen der Ausnahmeregelung (und die Wirksamkeit etwaiger Ausgleichsmaßnahmen) nach deren Umsetzung überwachen. Die Berichte über Ausnahmeregelungen sollten vollständig sein und Informationen enthalten, anhand deren die Kommission beurteilen kann, ob die Ausnahmeregelung nach Artikel 16 ordnungsgemäß angewendet wurde.
3.4.1
Überwachung der Auswirkungen von Ausnahmeregelungen
(3-95)
Die zuständigen nationalen Behörden müssen nicht nur sicherstellen, dass alle Bedingungen für Ausnahmeregelungen erfüllt sind, bevor eine Ausnahme gewährt wird, sondern auch die Auswirkungen der Ausnahmeregelungen (und die Wirksamkeit etwaiger Ausgleichsmaßnahmen) nach deren Umsetzung überwachen.
Nach Artikel 16 Absatz 3 Buchstabe e müssen in den Berichten über Ausnahmeregelungen, die die Mitgliedstaaten vorlegen, „die angewandten Kontrollmaßnahmen und die erzielten Ergebnisse“ angegeben werden. Dies bedeutet, dass sie die Umsetzung der gewährten Ausnahmen kontrollieren und überwachen müssen.
Die Auswirkungen von Ausnahmeregelungen müssen auch überwacht werden, um – anhand wissenschaftlich abgesicherter Belege – zu überprüfen, ob die Ausnahmeregelungen ordnungsgemäß umgesetzt wurden und ob sie ihr Ziel erreicht haben, und um erforderlichenfalls Abhilfemaßnahmen ergreifen zu können. Damit würde sichergestellt, dass auch unabsichtliche Gefährdungen oder Schädigungen der Tierart, die auf die Anwendung der Ausnahmeregelung zurückgehen, erkannt werden. Ein angemessener Umgang mit dem System für Ausnahmeregelungen setzt voraus, dass die Rahmenbedingungen so gestaltet sind, dass dieses Konzept nicht zu unerwünschten Wirkungen führt. Für diese Zielsetzung ist die Überwachung ein ausschlaggebender Faktor.
(3-96)
Nach der Umsetzung von Ausnahmeregelungen müssen die nationalen Behörden auch die kumulierten Auswirkungen aller in ihrem Hoheitsgebiet gewährten Ausnahmen – unabhängig von den jeweiligen Gründen für die Gewährung – überwachen, und zwar für jede unter die Ausnahmeregelungen fallende Art, und die anfängliche Einschätzung bestätigen, dass die Ausnahmen die Aufrechterhaltung eines günstigen Erhaltungszustands der Populationen der betroffenen Arten nicht beeinträchtigen. Die Ergebnisse dieser Überwachung sollten bei künftigen Entscheidungen über die Gewährung von Ausnahmen selbstverständlich berücksichtigt werden.
(3-97)
Diese Überwachung könnte auch unter die allgemeine Überwachungspflicht nach Artikel 11 der Richtlinie fallen. Es wäre angebracht, bei einer solchen Überwachung besonders auf die Auswirkungen (einschließlich kumulierter Auswirkungen und Auswirkungen von Ausgleichsmaßnahmen) von Ausnahmen zu achten, die für Arten umgesetzt werden, für die immer wieder Ausnahmegenehmigungen erteilt werden oder die sich in einem ungünstigen Erhaltungszustand befinden (und dennoch im Ausnahmefall Gegenstand von Ausnahmegenehmigungen sind). Darüber hinaus wäre es sinnvoll, die Überwachung auf weitere Faktoren auszudehnen, die sich negativ auf den Erhaltungszustand bestimmter Arten auswirken können (z. B. illegale Tötungen). Die entsprechenden Daten können bei der Bewertung des Erhaltungszustands der Arten verwendet werden.
3.4.2
Berichtspflichten nach Artikel 16 Absatz 2 und Artikel 16 Absatz 3
(3-98)
Die Ausnahmen müssen auch den in Artikel 16 Absätze 2 und 3 vorgesehenen formalen Vorgaben entsprechen. Nach den Worten des Gerichtshofs in seinem Urteil in der Rechtssache C-118/94 (betreffend die Vogelschutzrichtlinie) sollen diese Formkriterien „die Abweichungen auf das unbedingt Notwendige beschränken und ihre Überwachung durch die Kommission ermöglichen“.
(3-99)
Die Mitgliedstaaten sind zwar nicht verpflichtet, vor der Genehmigung von Ausnahmen die Kommission zu konsultieren, aber sie müssen der Kommission alle zwei Jahre einen Bericht über die Anwendung von Artikel 16 vorlegen. Der genaue Inhalt dieser Berichte wird in Artikel 16 Absatz 2 nicht festgelegt. Es versteht sich jedoch, dass die Informationen vollständig und sachlich richtig sein und alle in Artikel 16 Absatz 3 genannten Punkte abdecken müssen. Anhand der in den Berichten über die genehmigten Ausnahmen enthaltenen Informationen muss die Kommission in der Lage sein, die Anwendung von Artikel 16 in den Mitgliedstaaten zu überwachen und ihre Vereinbarkeit mit der Richtlinie zu überprüfen. In Fällen, in denen die Kommission zu dem Schluss gelangt, dass die Inanspruchnahme von Ausnahmeregelungen gegen die Anforderungen der Richtlinie verstößt, kann sie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen den betreffenden Mitgliedstaat einleiten.
(3-100) Das derzeitige Format für Berichte über genehmigte Ausnahmen erfasst auch alle Berichterstattungspflichten nach Artikel 9 des Übereinkommens über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume (Berner Konvention)
und zielt darauf ab, die Effizienz und Nutzbarkeit der Berichterstattung auf regionaler, nationaler und EU-Ebene zu verbessern. Derzeit verwenden die Kommission und die Mitgliedstaaten das neue Berichtsformat und ein neues IT-Instrument, das Habitats and Birds Directives Derogation System+ (HaBiDeS+, Informationssystem+ zu Ausnahmen von der FFH- und der Vogelschutzrichtlinie).
(3-101) Das neue Format trägt den formalen Vorgaben gemäß Artikel 16 Absatz 3 Rechnung, die für jede genehmigte Ausnahme erfüllt sein müssen, und umfasst darüber hinaus zusätzliche Angaben (z. B. nähere Einzelheiten zu den Gründen, Mitteln und Methoden, Belege zu den spezifischen Anforderungen gemäß Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e, Hinweise auf abgelehnte Alternativlösungen, Nachweise dafür, dass die Ausnahme dem Erhaltungszustand der Population nicht abträglich ist), um die Argumentation der zuständigen Behörden bei der Anwendung der Ausnahmeregelung gemäß Artikel 16 zu erläutern.
Anhänge:
Anhang I:
Verweise auf Rechtssachen
Anhang II:
Verzeichnis der in den Anhängen II, IV und V aufgeführten Tierarten
Anhang III:
Die Umsetzung von Artikel 12 der FFH-Richtlinie am Beispiel des Wolfes
ANHANG I
Verweise auf Rechtssachen
Artenschutzbestimmungen der FFH-Richtlinie
Urteil des Gerichtshofs vom 12. November 1969, Stauder/Stadt Ulm, C-29/69, ECLI:EU:C:1969:57
Urteil des Gerichtshofs vom 27. Oktober 1977, Regina/Bouchereau, C-30/77, ECLI:EU:C:1977:172
Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juli 1979, Koschniske/Raad van Arbeid, C-9/79, ECLI:EU:C:1979:201
Urteil des Gerichtshofs vom 23. Mai 1985, Kommission/Deutschland, C-29/84, ECLI:EU:C:1985:229
Urteil des Gerichtshofs vom 9. April 1987, Kommission/Italien, C-363/85, ECLI:EU:C:1987:196
Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juli 1987, Kommission/Belgien, C-247/85, ECLI:EU:C:1987:339
Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juli 1987, Kommission/Italien, C-262/85, ECLI:EU:C:1987:340
Urteil des Gerichtshofs vom 23. Februar 1988, Kommission/Italien, C-429/85, ECLI:EU:C:1988:83
Urteil des Gerichtshofs vom 27. April 1988, Kommission/Frankreich, C-252/85, ECLI:EU:C:1988:202
Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juli 1988, Moksel/BALM, C-55/87, ECLI:EU:C:1988:377
Urteil des Gerichtshofs vom 15. März 1990, Kommission/Niederlande, C-339/87, ECLI:EU:C:1990:119
Urteil des Gerichtshofs vom 28. März 1990, Strafverfahren gegen G. Vessoso und G. Zanetti, verbundene Rechtssachen C-206/88 und C-207/88, ECLI:EU:C:1990:145
Urteil des Gerichtshofs vom 17. Januar 1991, Kommission/Italien, C-157/89, ECLI:EU:C:1991:22
Urteil des Gerichtshofs vom 28. Februar 1991, Kommission/Deutschland, C-57/89, ECLI:EU:C:1991:89
Urteil des Gerichtshofs vom 28. Februar 1991, Kommission/Deutschland, C-131/88, ECLI:EU:C:1991:87
Urteil des Gerichtshofs vom 30. Mai 1991, Kommission/Deutschland, C-59/89, ECLI:EU:C:1991:225
Urteil des Gerichtshofs vom 2. August 1993, Kommission/Spanien, C-355/90, ECLI:EU:C:1993:331
Urteil des Gerichtshofs vom 7. März 1996, WWF Italia/Regione Veneto, C-118/94, ECLI:EU:C:1996:86
Urteil des Gerichtshofs vom 19. September 1996, Kommission/Griechenland, C-236/95, ECLI:EU:C:1996:341
Urteil des Gerichtshofs vom 12. Dezember 1996, Ligue royale belge pour la protection des oiseaux und Société d’études ornithologiques/Région Wallonne, C-10/96, ECLI:EU:C:1996:504
Urteil des Gerichtshofs vom 19. Mai 1999, Kommission/Frankreich, C-225/97, ECLI:EU:C:1999:252
Urteil des Gerichtshofs vom 11. November 1999, Kommission/Italien, C-315/98, ECLI:EU:C:1999:551
Urteil des Gerichtshofs vom 7. November 2000, First Cooperate Shipping, C-371/98, ECLI:EU:C:2000:600
Urteil des Gerichtshofs vom 10. Mai 2001, Kommission/Niederlande, C-144/99, ECLI:EU:C:2001:257
Urteil des Gerichtshofs vom 17. Mai 2001, Kommission/Italien, C-159/99, ECLI:EU:C:2001:278
Urteil des Gerichtshofs vom 30. Januar 2002, Kommission/Griechenland, C-103/00, ECLI:EU:C:2002:60
Urteil des Gerichtshofs vom 13. Februar 2003, Kommission/Luxemburg, C-75/01, ECLI:EU:C:2003:95
Urteil des Gerichtshofs vom 16. Oktober 2003, Ligue pour la protection des oiseaux u. a./Premier ministre und Ministre de l'Aménagement du territoire et de l'Environnement, C-182/02, Slg. S. 12105
Urteil des Gerichtshofs vom 6. November 2003, Kommission/Vereinigtes Königreich, C-434/01, ECLI:EU:C:2003:601
Urteil des Gerichtshofs vom 20. Oktober 2005, Kommission/Vereinigtes Königreich, C-6/04, ECLI:EU:C:2005:626
Urteil des Gerichtshofs vom 15. Dezember 2005, Kommission/Finnland, C-344/03, ECLI:EU:C:2005:770
Urteil des Gerichtshofs vom 10. Januar 2006, Kommission/Deutschland, C-98/03, ECLI:EU:C:2006:3
Urteil des Gerichtshofs vom 16. März 2006, Kommission/Griechenland, C-518/04, ECLI:EU:C:2006:183
Urteil des Gerichtshofs vom 18. Mai 2006, Kommission/Spanien, C-221/04, ECLI:EU:C:2006:329
Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juni 2006, Kommission/Italien, C-60/05, ECLI:EU:C:2006:378
Urteil des Gerichtshofs vom 19. Dezember 2006, Kommission/Italien, C-503/06, ECLI:EU:C:2008:279
Urteil des Gerichtshofs vom 11. Januar 2007, Kommission/Irland, C-183/05, ECLI:EU:C:2007:14
Urteil des Gerichtshofs vom 10. Mai 2007, Kommission/Österreich, C-508/04, ECLI:EU:C:2007:274
Urteil des Gerichtshofs vom 14. Juni 2007, Kommission/Finnland, C-342/05, ECLI:EU:C:2007:341
Urteil des Gerichtshofs vom 20. Mai 2010, Kommission/Spanien, C-308/08, ECLI:EU:C:2010:281
Urteil des Gerichtshofs vom 9. Juni 2011, Kommission/Frankreich, C-383/09, ECLI:EU:C:2011:369
Urteil des Gerichtshofs vom 26. Januar 2012, Kommission/Polen, C-192/11, ECLI:EU:C:2012:44
Urteil des Gerichtshofs vom 15. März 2012, Kommission/Zypern, C-340/10, ECLI:EU:C:2012:143
Urteil des Gerichtshofs vom 15. März 2012, Kommission/Polen, C-46/11, ECLI:EU:C:2012:146
Urteil des Gerichtshofs vom 10. November 2016, Kommission/Griechenland, C-504/14, ECLI:EU:C:2016:847
Urteil des Gerichtshofs vom 17. April 2018, Kommission/Polen, C-441/17, ECLI:EU:C:2018:255
Urteil des Gerichtshofs vom 10. Oktober 2019, Vorabentscheidung, C-674/17, ECLI:EU:C:2019:851
Urteil des Gerichtshofs vom 11. Juni 2020, Vorabentscheidung, C‑88/19, ECLI:EU:C:2020:458
Urteil des Gerichtshofs vom 4. März 2021, Föreningen Skydda Skogen, verbundene Rechtssachen C-473/19 und C-474/19, ECLI:EU:C:2021:166
Anhängige Rechtssache C-477/19, Magistrat Stadt Wien
ANHANG II
Verzeichnis der in den Anhängen II, IV und V
der Richtlinie 92/43/EWG (FFH-Richtlinie) aufgeführten Tierarten
Haftungsausschluss: Die nachstehende Tabelle ist eine von der GD Umwelt erstellte konsolidierte Tabelle. Sie soll lediglich einen Überblick geben. Für den Inhalt wird keine Haftung übernommen. Rechtsverbindlich sind die in den jeweiligen Rechtsakten amtlich veröffentlichten Fassungen der Anhänge. Die letzte Fassung dieser Anhänge, auf die sich die Tabelle stützt, ist in der Richtlinie 2013/17/EU des Rates vom 13. Mai 2013 zur Anpassung bestimmter Richtlinien im Bereich Umwelt anlässlich des Beitritts der Republik Kroatien
veröffentlicht.
Die in diesem Anhang aufgeführten Arten sind angegeben
Ømit dem Namen der Art oder Unterart (in Fett- und Kursivdruck) oder
Ømit allen Arten, die zu einem höheren Taxon oder einem bestimmten Teil dieses Taxons gehören. Durch die hinter der Bezeichnung einer Familie oder einer Gattung stehende Abkürzung „spp.“ sollen alle Arten bezeichnet werden, die dieser Familie oder dieser Gattung angehören.
Ein vor der Artenbezeichnung stehendes Zeichen „*“ bedeutet, dass diese Art eine prioritäre Art des Anhangs II ist (in den Anhängen IV und V wird nicht zwischen prioritären und nicht prioritären Arten unterschieden).
In der Tabelle wurden folgende Anhänge konsolidiert:
ANHANG II: ARTEN VON GEMEINSCHAFTLICHEM INTERESSE, FÜR DEREN ERHALTUNG BESONDERE SCHUTZGEBIETE AUSGEWIESEN WERDEN MÜSSEN
ANHANG IV: STRENG ZU SCHÜTZENDE ARTEN VON GEMEINSCHAFTLICHEM INTERESSE
ANHANG V: ARTEN VON GEMEINSCHAFTLICHEM INTERESSE, DEREN ENTNAHME AUS DER NATUR UND NUTZUNG GEGENSTAND VON VERWALTUNGSMASSNAHMEN SEIN KÖNNEN
Name der Art
|
Anhang
|
Geografische Einschränkungen
|
|
II
|
IV
|
V
|
|
TIERE
|
WIRBELTIERE
|
|
|
|
|
SÄUGETIERE
|
|
|
|
|
INSECTIVORA
|
|
|
|
|
Erinaceidae
|
|
|
|
|
Erinaceus algirus
|
|
X
|
|
|
Soricidae
|
|
|
|
|
Crocidura canariensis
|
|
X
|
|
|
Crocidura sicula
|
|
X
|
|
|
Talpidae
|
|
|
|
|
Galemys pyrenaicus
|
X
|
X
|
|
|
|
|
|
|
|
CHIROPTERA
|
|
|
|
|
Microchiroptera
|
|
|
|
|
Rhinolophidae
|
|
|
|
|
Rhinolophus blasii
|
X
|
X
|
|
|
Rhinolophus euryale
|
X
|
X
|
|
|
Rhinolophus ferrumequinum
|
X
|
X
|
|
|
Rhinolophus hipposideros
|
X
|
X
|
|
|
Rhinolophus mehelyi
|
X
|
X
|
|
|
Vespertilionidae
|
|
|
|
|
Barbastella barbastellus
|
X
|
X
|
|
|
Miniopterus schreibersi
|
X
|
X
|
|
|
Myotis bechsteini
|
X
|
X
|
|
|
Myotis blythii
|
X
|
X
|
|
|
Myotis capaccinii
|
X
|
X
|
|
|
Myotis dasycneme
|
X
|
X
|
|
|
Myotis emarginatus
|
X
|
X
|
|
|
Myotis myotis
|
X
|
X
|
|
|
alle übrigen Microchiroptera
|
|
X
|
|
|
Megachiroptera
|
|
|
|
|
Pteropodidae
|
|
|
|
|
Rousettus aegiptiacus
|
X
|
X
|
|
|
|
|
|
|
|
RODENTIA
|
|
|
|
|
Gliridae
|
|
|
|
|
alle Arten außer Glis glis und Eliomys quercinus
|
|
X
|
|
|
Myomimus roachi
|
X
|
X
|
|
|
Sciuridae
|
|
|
|
|
* Marmota marmota latirostris
|
X
|
X
|
|
|
* Pteromys volans (Sciuropterus russicus)
|
X
|
X
|
|
|
Spermophilus citellus (Citellus citellus)
|
X
|
X
|
|
|
* Spermophilus suslicus (Citellus suslicus)
|
X
|
X
|
|
|
Sciurus anomalus
|
|
X
|
|
|
Castoridae
|
|
|
|
|
Castor fiber
|
X
|
X
|
X
|
Anhang II: ausgenommen die estnischen, lettischen, litauischen, finnischen und schwedischen Populationen
Anhang IV: ausgenommen die estnischen, lettischen, litauischen, polnischen, finnischen und schwedischen Populationen
Anhang V: die finnischen, schwedischen, lettischen, litauischen, estnischen und polnischen Populationen
|
Cricetidae
|
|
|
|
|
Cricetus cricetus
|
|
X
|
X
|
Anhang IV: ausgenommen die ungarischen Populationen
Anhang V: die ungarischen Populationen
|
Mesocricetus newtoni
|
X
|
X
|
|
|
Microtidae
|
|
|
|
|
Dinaromys bogdanovi
|
X
|
X
|
|
|
Microtus cabrerae
|
X
|
X
|
|
|
* Microtus oeconomus arenicola
|
X
|
X
|
|
|
* Microtus oeconomus mehelyi
|
X
|
X
|
|
|
Microtus tatricus
|
X
|
X
|
|
|
Zapodidae
|
|
|
|
|
Sicista betulina
|
|
X
|
|
|
Sicista subtilis
|
X
|
X
|
|
|
Schnepfen
|
|
|
|
|
Hystrix cristata
|
|
X
|
|
|
|
|
|
|
|
CARNIVORA
|
|
|
|
|
Canidae
|
|
|
|
|
* Alopex lagopus
|
X
|
X
|
|
|
Canis aureus
|
|
|
X
|
|
* Canis lupus
|
X
|
X
|
X
|
Anhang II: ausgenommen die estnische Population; griechische Populationen: nur die Populationen südlich des 39. Breitengrades; spanische Populationen: nur die Populationen südlich des Duero; die lettischen, litauischen und finnischen Populationen
Anhang IV: ausgenommen die griechischen Populationen nördlich des 39. Breitengrades; die estnischen Populationen, die spanischen Populationen nördlich des Duero; die lettischen, litauischen, polnischen, slowakischen und bulgarischen Populationen und die finnischen Populationen innerhalb des Rentierhaltungsareals im Sinne des Paragrafen 2 des finnischen Gesetzes Nr. 848/90 vom 14. September 1990 über die Rentierhaltung
Anhang V: die spanischen Populationen nördlich des Duero, die griechischen Populationen nördlich des 39. Breitengrades, die finnischen Populationen innerhalb des Rentierhaltungsareals im Sinne des Paragrafen 2 des finnischen Gesetzes Nr. 848/90 vom 14. September 1990 über die Rentierhaltung, die bulgarischen, lettischen, litauischen, estnischen, polnischen und slowakischen Populationen
|
Ursidae
|
|
|
|
|
* Ursus arctos
|
X
|
X
|
|
Anhang II: ausgenommen die estnischen, finnischen und schwedischen Populationen
|
Mustelidae
|
|
|
|
|
* Gulo gulo
|
X
|
|
|
|
Lutra lutra
|
X
|
X
|
|
|
Martes martes
|
|
|
X
|
|
Mustela eversmanii
|
X
|
X
|
|
|
Mustela putorius
|
|
|
X
|
|
* Mustela lutreola
|
X
|
X
|
|
|
Vormela peregusna
|
X
|
X
|
|
|
Felidae
|
|
|
|
|
Felis silvestris
|
|
X
|
|
|
Lynx lynx
|
X
|
X
|
X
|
Anhang II: ausgenommen die estnischen, lettischen und finnischen Populationen
Anhang IV: ausgenommen die estnische Population
Anhang V: die estnische Population
|
* Lynx pardinus
|
X
|
X
|
|
|
Phocidae
|
|
|
|
|
Halichoerus grypus
|
X
|
|
X
|
|
* Monachus monachus
|
X
|
X
|
|
|
Phoca hispida bottnica
|
X
|
|
X
|
|
* Phoca hispida saimensis
|
X
|
X
|
|
|
Phoca vitulina
|
X
|
|
X
|
|
alle übrigen Phocidae
|
|
|
X
|
|
Viverridae
|
|
|
|
|
Genetta genetta
|
|
|
X
|
|
Herpestes ichneumon
|
|
|
X
|
|
|
|
|
|
|
DUPLICIDENTATA
|
|
|
|
|
Leporidae
|
|
|
|
|
Lepus timidus
|
|
|
X
|
|
|
|
|
|
|
ARTIODACTYLA
|
|
|
|
|
Cervidae
|
|
|
|
|
* Cervus elaphus corsicanus
|
X
|
X
|
|
|
Rangifer tarandus fennicus
|
X
|
|
|
|
Bovidae
|
|
|
|
|
* Bison bonasus
|
X
|
X
|
|
|
Capra aegagrus (natürliche Populationen)
|
X
|
X
|
|
|
Capra ibex
|
|
|
X
|
|
Capra pyrenaica (ausgenommen Capra pyrenaica pyrenaica)
|
|
|
X
|
|
* Capra pyrenaica pyrenaica
|
X
|
X
|
|
|
Ovis gmelini musimon (Ovis ammon musimon) (natürliche Populationen – Korsika und Sardinien)
|
X
|
X
|
|
|
Ovis orientalis ophion (Ovis gmelini ophion)
|
X
|
X
|
|
|
* Rupicapra pyrenaica ornata (Rupicapra rupicapra ornata)
|
X
|
X
|
|
|
Rupicapra rupicapra (ausgenommen Rupicapra rupicapra balcanica, Rupicapra rupicapra ornata und Rupicapra rupicapra tatrica)
|
|
|
X
|
|
Rupicapra rupicapra balcanica
|
X
|
X
|
|
|
* Rupicapra rupicapra tatrica
|
X
|
X
|
|
|
|
|
|
|
|
CETACEA
|
|
|
|
|
Phocoena phocoena
|
X
|
X
|
|
|
Tursiops truncatus
|
X
|
X
|
|
|
alle übrigen Cetacea
|
|
X
|
|
|
|
|
|
|
|
REPTILIEN
|
|
|
|
|
CHELONIA (TESTUDINES)
|
|
|
|
|
Testudinidae
|
|
|
|
|
Testudo graeca
|
X
|
X
|
|
|
Testudo hermanni
|
X
|
X
|
|
|
Testudo marginata
|
X
|
X
|
|
|
Cheloniidae
|
|
|
|
|
* Caretta caretta
|
X
|
X
|
|
|
* Chelonia mydas
|
X
|
X
|
|
|
Lepidochelys kempii
|
|
X
|
|
|
Eretmochelys imbricata
|
|
X
|
|
|
Dermochelyidae
|
|
|
|
|
Dermochelys coriacea
|
|
X
|
|
|
Emydidae
|
|
|
|
|
Emys orbicularis
|
X
|
X
|
|
|
Mauremys caspica
|
X
|
X
|
|
|
Mauremys leprosa
|
X
|
X
|
|
|
|
|
|
|
|
SAURIA
|
|
|
|
|
Lacertidae
|
|
|
|
|
Algyroides fitzingeri
|
|
X
|
|
|
Algyroides marchi
|
|
X
|
|
|
Algyroides moreoticus
|
|
X
|
|
|
Algyroides nigropunctatus
|
|
X
|
|
|
Dalmatolacertaoxycephala
|
|
X
|
|
|
Dinarolacerta mosorensis
|
X
|
X
|
|
|
Gallotia atlantica
|
|
X
|
|
|
Gallotia galloti
|
|
X
|
|
|
Gallotia galloti insulanagae
|
X
|
X
|
|
|
* Gallotia simonyi
|
X
|
X
|
|
|
Gallotia stehlini
|
|
X
|
|
|
Lacerta agilis
|
|
X
|
|
|
Lacerta bedriagae
|
|
X
|
|
|
Lacerta bonnali (Lacerta monticola)
|
X
|
X
|
|
|
Lacerta monticola
|
X
|
X
|
|
|
Lacerta danfordi
|
|
X
|
|
|
Lacerta dugesi
|
|
X
|
|
|
Lacerta graeca
|
|
X
|
|
|
Lacerta horvathi
|
|
X
|
|
|
Lacerta schreiberi
|
X
|
X
|
|
|
Lacerta trilineata
|
|
X
|
|
|
Lacerta viridis
|
|
X
|
|
|
Lacerta vivipara pannonica
|
|
X
|
|
|
Ophisops elegans
|
|
X
|
|
|
Podarcis erhardii
|
|
X
|
|
|
Podarcis fifolensis
|
|
X
|
|
|
Podarcis hispanica atrata
|
|
X
|
|
|
Podarcis lilfordi
|
X
|
X
|
|
|
Podarcis melisellensis
|
|
X
|
|
|
Podarcis milensis
|
|
X
|
|
|
Podarcis muralis
|
|
X
|
|
|
Podarcis peloponnesiaca
|
|
X
|
|
|
Podarcis pityusensis
|
X
|
X
|
|
|
Podarcis sicula
|
|
X
|
|
|
Podarcis taurica
|
|
X
|
|
|
Podarcis tiliguerta
|
|
X
|
|
|
Podarcis wagleriana
|
|
X
|
|
|
Scincidae
|
|
|
|
|
Ablepharus kitaibelli
|
|
X
|
|
|
Chalcides bedriagai
|
|
X
|
|
|
Chalcides ocellatus
|
|
X
|
|
|
Chalcides sexlineatus
|
|
X
|
|
|
Chalcides simonyi (Chalcides occidentalis)
|
X
|
X
|
|
|
Chalcides viridianus
|
|
X
|
|
|
Ophiomorus punctatissimus
|
|
X
|
|
|
Gekkonidae
|
|
|
|
|
Cyrtopodion kotschyi
|
|
X
|
|
|
Phyllodactylus europaeus
|
X
|
X
|
|
|
Tarentola angustimentalis
|
|
X
|
|
|
Tarentola boettgeri
|
|
X
|
|
|
Tarentola delalandii
|
|
X
|
|
|
Tarentola gomerensis
|
|
X
|
|
|
Agamidae
|
|
|
|
|
Stellio stellio
|
|
X
|
|
|
Chamaeleontidae
|
|
|
|
|
Chamaeleo chamaeleon
|
|
X
|
|
|
Anguidae
|
|
|
|
|
Ophisaurus apodus
|
|
X
|
|
|
|
|
|
|
|
OPHIDIA (SERPENTES)
|
|
|
|
|
Colubridae
|
|
|
|
|
Coluber caspius
|
|
X
|
|
|
* Coluber cypriensis
|
X
|
X
|
|
|
Coluber hippocrepis
|
|
X
|
|
|
Coluber jugularis
|
|
X
|
|
|
Coluber laurenti
|
|
X
|
|
|
Coluber najadum
|
|
X
|
|
|
Coluber nummifer
|
|
X
|
|
|
Coluber viridiflavus
|
|
X
|
|
|
Coronella austriaca
|
|
X
|
|
|
Eirenis modesta
|
|
X
|
|
|
Elaphe longissima
|
|
X
|
|
|
Elaphe quatuorlineata
|
X
|
X
|
|
|
Elaphe situla
|
X
|
X
|
|
|
Natrix natrix cetti
|
|
X
|
|
|
Natrix natrix corsa
|
|
X
|
|
|
* Natrix natrix cypriaca
|
X
|
X
|
|
|
Natrix tessellata
|
|
X
|
|
|
Telescopus falax
|
|
X
|
|
|
Viperidae
|
|
|
|
|
Vipera ammodytes
|
|
X
|
|
|
* Macrovipera schweizeri (Vipera lebetina schweizeri)
|
X
|
X
|
|
|
Vipera seoanni
|
|
X
|
|
Anhang IV: ausgenommen die spanischen Populationen
|
Vipera ursinii (ausgenommen Vipera ursinii rakosiensis und Vipera ursinii macrops)
|
X
|
X
|
|
|
* Vipera ursinii macrops
|
X
|
X
|
|
|
* Vipera ursinii rakosiensis
|
X
|
X
|
|
|
Vipera xanthina
|
|
X
|
|
|
Boidae
|
|
|
|
|
Eryx jaculus
|
|
X
|
|
|
|
|
|
|
|
AMPHIBIEN
|
|
|
|
|
CAUDATA
|
|
|
|
|
Salamandridae
|
|
|
|
|
Chioglossa lusitanica
|
X
|
X
|
|
|
Euproctus asper
|
|
X
|
|
|
Euproctus montanus
|
|
X
|
|
|
Euproctus platycephalus
|
|
X
|
|
|
Mertensiella luschani (Salamandra luschani)
|
X
|
X
|
|
|
Salamandra atra
|
|
X
|
|
|
* Salamandra aurorae (Salamandra atra aurorae)
|
X
|
X
|
|
|
Salamandra lanzai
|
|
X
|
|
|
Salamandrina terdigitata
|
X
|
X
|
|
|
Triturus carnifex (Triturus cristatus carnifex)
|
X
|
X
|
|
|
Triturus cristatus (Triturus cristatus cristatus)
|
X
|
X
|
|
|
Triturus dobrogicus (Triturus cristatus dobrogicus)
|
X
|
|
|
|
Triturus italicus
|
|
X
|
|
|
Triturus karelinii (Triturus cristatus karelinii)
|
X
|
X
|
|
|
Triturus marmoratus
|
|
X
|
|
|
Triturus montandoni
|
X
|
X
|
|
|
Triturus vulgaris ampelensis
|
X
|
X
|
|
|
Proteidae
|
|
|
|
|
* Proteus anguinus
|
X
|
X
|
|
|
Plethodontidae
|
|
|
|
|
Hydromantes (Speleomantes) ambrosii
|
X
|
X
|
|
|
Hydromantes (Speleomantes) flavus
|
X
|
X
|
|
|
Hydromantes (Speleomantes) genei
|
X
|
X
|
|
|
Hydromantes (Speleomantes) imperialis
|
X
|
X
|
|
|
Hydromantes (Speleomantes) strinatii
|
X
|
X
|
|
|
Hydromantes (Speleomantes) supramontis
|
X
|
X
|
|
|
|
|
|
|
|
ANURA
|
|
|
|
|
Discoglossidae
|
|
|
|
|
Alytes cisternasii
|
|
X
|
|
|
* Alytes muletensis
|
X
|
X
|
|
|
Alytes obstetricans
|
|
X
|
|
|
Bombina bombina
|
X
|
X
|
|
|
Bombina variegata
|
X
|
X
|
|
|
Discoglossus galganoi (einschließlich Discoglossus „jeanneae“)
|
X
|
X
|
|
|
Discoglossus montalentii
|
X
|
X
|
|
|
Discoglossus pictus
|
|
X
|
|
|
Discoglossus sardus
|
X
|
X
|
|
|
Ranidae
|
|
|
|
|
Rana arvalis
|
|
X
|
|
|
Rana dalmatina
|
|
X
|
|
|
Rana esculenta
|
|
|
X
|
|
Rana graeca
|
|
X
|
|
|
Rana iberica
|
|
X
|
|
|
Rana italica
|
|
X
|
|
|
Rana latastei
|
X
|
X
|
|
|
Rana lessonae
|
|
X
|
|
|
Rana perezi
|
|
|
X
|
|
Rana ridibunda
|
|
|
X
|
|
Rana temporaria
|
|
|
X
|
|
Pelobatidae
|
|
|
|
|
Pelobates cultripes
|
|
X
|
|
|
Pelobates fuscus
|
|
X
|
|
|
* Pelobates fuscus insubricus
|
X
|
X
|
|
|
Pelobates syriacus
|
|
X
|
|
|
Bufonidae
|
|
|
|
|
Bufo calamita
|
|
X
|
|
|
Bufo viridis
|
|
X
|
|
|
Hylidae
|
|
|
|
|
Hyla arborea
|
|
X
|
|
|
Hyla meridionalis
|
|
X
|
|
|
Hyla sarda
|
|
X
|
|
|
|
|
|
|
|
FISCHE
|
|
|
|
|
PETROMYZONIFORMES
|
|
|
|
|
Petromyzonidae
|
|
|
|
|
Eudontomyzon spp.
|
X
|
|
|
|
Lampetra fluviatilis
|
X
|
|
X
|
Anhang II: ausgenommen die finnischen und schwedischen Populationen
|
Lampetra planeri
|
X
|
|
|
Anhang II: ausgenommen die estnischen, finnischen und schwedischen Populationen
|
Lethenteron zanandreai
|
X
|
|
X
|
|
Petromyzon marinus
|
X
|
|
|
Anhang II: ausgenommen die schwedischen Populationen
|
|
|
|
|
|
ACIPENSERIFORMES
|
|
|
|
|
Acipenseridae
|
|
|
|
|
* Acipenser naccarii
|
X
|
X
|
|
|
* Acipenser sturio
|
X
|
X
|
|
|
alle übrigen Acipenseridae-Arten
|
|
|
X
|
|
|
|
|
|
|
CLUPEIFORMES
|
|
|
|
|
Clupeidae
|
|
|
|
|
Alosa spp.
|
X
|
|
X
|
|
|
|
|
|
|
SALMONIFORMES
|
|
|
|
|
Salmonidae/Coregonidae
|
|
|
|
|
Coregonus spp. (ausgenommen Coregonus oxyrhynchus – anadrome Populationen in bestimmten Gebieten der Nordsee)
|
|
|
X
|
|
* Coregonus oxyrhynchus (anadrome Populationen in bestimmten Gebieten der Nordsee)
|
X
|
X
|
|
|
Hucho hucho (natürliche Populationen)
|
X
|
|
X
|
|
Salmo macrostigma
|
X
|
|
|
|
Salmo marmoratus
|
X
|
|
|
|
Salmo salar (nur in Süßwasser)
|
X
|
|
X
|
Anhang II: ausgenommen die finnischen Populationen
|
Salmothymus obtusirostris
|
X
|
|
|
|
Thymallus thymallus
|
|
|
X
|
|
Umbridae
|
|
|
|
|
Umbra krameri
|
X
|
|
|
|
|
|
|
|
|
CYPRINIFORMES
|
|
|
|
|
Cyprinidae
|
|
|
|
|
Alburnus albidus (Alburnus vulturius)
|
X
|
|
|
|
Anaecypris hispanica
|
X
|
X
|
|
|
Aspius aspius
|
X
|
|
X
|
Anhang II: ausgenommen die finnischen Populationen
|
Aulopyge huegelii
|
X
|
|
|
|
Barbus spp.
|
|
|
X
|
|
Barbus comiza
|
X
|
|
X
|
|
Barbus meridionalis
|
X
|
|
X
|
|
Barbus plebejus
|
X
|
|
X
|
|
Chalcalburnus chalcoides
|
X
|
|
|
|
Chondrostoma genei
|
X
|
|
|
|
Chondrostoma knerii
|
X
|
|
|
|
Chondrostoma lusitanicum
|
X
|
|
|
|
Chondrostoma phoxinus
|
X
|
|
|
|
Chondrostoma polylepis (einschließlich C. willkommi)
|
X
|
|
|
|
Chondrostoma soetta
|
X
|
|
|
|
Chondrostoma toxostoma
|
X
|
|
|
|
Gobio albipinnatus
|
X
|
|
|
|
Gobio kessleri
|
X
|
|
|
|
Gobio uranoscopus
|
X
|
|
|
|
Iberocypris palaciosi
|
X
|
|
|
|
* Ladigesocypris ghigii
|
X
|
|
|
|
Leuciscus lucumonis
|
X
|
|
|
|
Leuciscus souffia
|
X
|
|
|
|
Pelecus cultratus
|
X
|
|
X
|
|
Phoxinellus spp.
|
X
|
|
|
|
* Phoxinus percnurus
|
X
|
X
|
|
|
Rhodeus sericeus amarus
|
X
|
|
|
|
Rutilus alburnoides
|
X
|
|
|
|
Rutilus arcasii
|
X
|
|
|
|
Rutilus frisii meidingeri
|
X
|
|
X
|
|
Rutilus lemmingii
|
X
|
|
|
|
Rutilus pigus
|
X
|
|
X
|
|
Rutilus rubilio
|
X
|
|
|
|
Rutilus macrolepidotus
|
X
|
|
|
|
Scardinius graecus
|
X
|
|
|
|
Squalius microlepis
|
X
|
|
|
|
Squalius svallize
|
X
|
|
|
|
Cobitidae
|
|
|
|
|
Cobitis elongata
|
X
|
|
|
|
Cobitis taenia
|
X
|
|
|
Anhang II: ausgenommen die finnischen Populationen
|
Cobitis trichonica
|
X
|
|
|
|
Misgurnus fossilis
|
X
|
|
|
|
Sabanejewia aurata
|
X
|
|
|
|
Sabanejewia larvata (Cobitis larvata und Cobitis conspersa)
|
X
|
|
|
|
|
|
|
|
|
SILURIFORMES
|
|
|
|
|
Siluridae
|
|
|
|
|
Silurus aristotelis
|
X
|
|
X
|
|
|
|
|
|
|
ATHERINIFORMES
|
|
|
|
|
Cyprinodontidae
|
|
|
|
|
Aphanius iberus
|
X
|
|
|
|
Aphanius fasciatus
|
X
|
|
|
|
* Valencia hispanica
|
X
|
X
|
|
|
* Valencia letourneuxi (Valencia hispanica)
|
X
|
|
|
|
|
|
|
|
|
PERCIFORMES
|
|
|
|
|
Percidae
|
|
|
|
|
Gymnocephalus baloni
|
X
|
X
|
|
|
Gymnocephalus schraetzer
|
X
|
|
X
|
|
* Romanichthys valsanicola
|
X
|
X
|
|
|
Zingel spp. (ausgenommen Zingel asper und Zingel zingel)
|
X
|
|
|
|
Zingel asper
|
X
|
X
|
|
|
Zingel zingel
|
X
|
|
X
|
|
Gobiidae
|
|
|
|
|
Knipowitschia croatica
|
X
|
|
|
|
Knipowitschia (Padogobius) panizzae
|
X
|
|
|
|
Padogobius nigricans
|
X
|
|
|
|
Pomatoschistus canestrini
|
X
|
|
|
|
|
|
|
|
|
SCORPAENIFORMES
|
|
|
|
|
Cottidae
|
|
|
|
|
Cottus gobio
|
X
|
|
|
Anhang II: ausgenommen die finnischen Populationen
|
Cottus petiti
|
X
|
|
|
|
WIRBELLOSE TIERE
|
|
|
|
|
ANNELIDA
|
|
|
|
HIRUDINOIDEA – ARHYNCHOBDELLAE
|
|
|
|
Hirudinidae
|
|
|
|
Hirudo medicinalis
|
|
|
X
|
|
|
|
|
GLIEDERFÜSSLER
|
|
|
|
CRUSTACEA
|
|
|
|
Decapoda
|
|
|
|
Astacus astacus
|
|
|
X
|
Austropotamobius pallipes
|
X
|
|
X
|
* Austropotamobius torrentium
|
X
|
|
X
|
Scyllarides latus
|
|
|
X
|
Isopoda
|
|
|
|
* Armadillidium ghardalamensis
|
X
|
X
|
|
|
|
|
|
INSECTA
|
|
|
|
Coleoptera
|
|
|
|
Agathidium pulchellum
|
X
|
|
|
Bolbelasmus unicornis
|
X
|
X
|
|
Boros schneideri
|
X
|
|
|
Buprestis splendens
|
X
|
X
|
|
Carabus hampei
|
X
|
X
|
|
Carabus hungaricus
|
X
|
X
|
|
* Carabus menetriesi pacholei
|
X
|
|
|
* Carabus olympiae
|
X
|
X
|
|
Carabus variolosus
|
X
|
X
|
|
Carabus zawadszkii
|
X
|
X
|
|
Cerambyx cerdo
|
X
|
X
|
|
Corticaria planula
|
X
|
|
|
Cucujus cinnaberinus
|
X
|
X
|
|
Dorcadion fulvum cervae
|
X
|
X
|
|
Duvalius gebhardti
|
X
|
X
|
|
Duvalius hungaricus
|
X
|
X
|
|
Dytiscus latissimus
|
X
|
X
|
|
Grafoderus bilineatus
|
X
|
X
|
|
Leptodirus hochenwarti
|
X
|
X
|
|
Limoniscus violaceus
|
X
|
|
|
Lucanus cervus
|
X
|
|
|
Macroplea pubipennis
|
X
|
|
|
Mesosa myops
|
X
|
|
|
Morimus funereus
|
X
|
|
|
* Osmoderma eremita
|
X
|
X
|
|
Oxyporus mannerheimii
|
X
|
|
|
Pilemia tigrina
|
X
|
X
|
|
* Phryganophilus ruficollis
|
X
|
X
|
|
Probaticus subrugosus
|
X
|
X
|
|
Propomacrus cypriacus
|
X
|
X
|
|
* Pseudogaurotina excellens
|
X
|
X
|
|
Pseudoseriscius cameroni
|
X
|
X
|
|
Pytho kolwensis
|
X
|
X
|
|
Rhysodes sulcatus
|
X
|
|
|
* Rosalia alpina
|
X
|
X
|
|
Stephanopachys linearis
|
X
|
|
|
Stephanopachys substriatus
|
X
|
|
|
Xyletinus tremulicola
|
X
|
|
|
Hemiptera
|
|
|
|
Aradus angularis
|
X
|
|
|
Lepidoptera
|
|
|
|
Agriades glandon aquilo
|
X
|
|
|
Apatura metis
|
|
X
|
|
Arytrura musculus
|
X
|
X
|
|
* Callimorpha (Euplagia, Panaxia) quadripunctaria
|
X
|
|
|
Catopta thrips
|
X
|
X
|
|
Chondrosoma fiduciarium
|
X
|
X
|
|
Clossiana improba
|
X
|
|
|
Coenonympha hero
|
|
X
|
|
Coenonympha oedippus
|
X
|
X
|
|
Colias myrmidone
|
X
|
X
|
|
Cucullia mixta
|
X
|
X
|
|
Dioszeghyana schmidtii
|
X
|
X
|
|
Erannis ankeraria
|
X
|
X
|
|
Erebia calcaria
|
X
|
X
|
|
Erebia christi
|
X
|
X
|
|
Erebia medusa polaris
|
X
|
|
|
Erebia sudetica
|
|
X
|
|
Eriogaster catax
|
X
|
X
|
|
Euphydryas (Eurodryas, Hypodryas) aurinia
|
X
|
|
|
Fabriciana elisa
|
|
X
|
|
Glyphipterix loricatella
|
X
|
X
|
|
Gortyna borelii lunata
|
X
|
X
|
|
Graellsia isabellae
|
X
|
|
X
|
Hesperia comma catena
|
X
|
|
|
Hypodryas maturna
|
X
|
X
|
|
Hyles hippophaes
|
|
X
|
|
Leptidea morsei
|
X
|
X
|
|
Lignyoptera fumidaria
|
X
|
X
|
|
Lopinga achine
|
|
X
|
|
Lycaena dispar
|
X
|
X
|
|
Lycaena helle
|
X
|
X
|
|
Maculinea arion
|
|
X
|
|
Maculinea nausithous
|
X
|
X
|
|
Maculinea teleius
|
X
|
X
|
|
Melanargia arge
|
X
|
X
|
|
* Nymphalis vaualbum
|
X
|
X
|
|
Papilio alexanor
|
|
X
|
|
Papilio hospiton
|
X
|
X
|
|
Parnassius apollo
|
|
X
|
|
Parnassius mnemosyne
|
|
X
|
|
Phyllometra culminaria
|
X
|
X
|
|
Plebicula golgus
|
X
|
X
|
|
Polymixis rufocincta isolata
|
X
|
X
|
|
Polyommatus eroides
|
X
|
X
|
|
Proterebia afra dalmata
|
X
|
X
|
|
Proserpinus proserpina
|
|
X
|
|
Pseudophilotes bavius
|
X
|
X
|
|
Xestia borealis
|
X
|
|
|
Xestia brunneopicta
|
X
|
|
|
* Xylomoia strix
|
X
|
X
|
|
Zerynthia polyxena
|
|
X
|
|
Mantodea
|
|
|
|
Apteromantis aptera
|
X
|
X
|
|
Odonata
|
|
|
|
Aeshna viridis
|
|
X
|
|
Coenagrion hylas
|
X
|
|
|
Coenagrion mercuriale
|
X
|
|
|
Coenagrion ornatum
|
X
|
|
|
Cordulegaster heros
|
X
|
X
|
|
Cordulegaster trinacriae
|
X
|
X
|
|
Gomphus graslinii
|
X
|
X
|
|
Leucorrhina albifrons
|
|
X
|
|
Leucorrhina caudalis
|
|
X
|
|
Leucorrhinia pectoralis
|
X
|
X
|
|
Lindenia tetraphylla
|
X
|
X
|
|
Macromia splendens
|
X
|
X
|
|
Ophiogomphus cecilia
|
X
|
X
|
|
Oxygastra curtisii
|
X
|
X
|
|
Stylurus flavipes
|
|
X
|
|
Sympecma braueri
|
|
X
|
|
Orthoptera
|
|
|
|
Baetica ustulata
|
X
|
X
|
|
Brachytrupes megacephalus
|
X
|
X
|
|
Isophya costata
|
X
|
X
|
|
Isophya harzi
|
X
|
X
|
|
Isophya stysi
|
X
|
X
|
|
Myrmecophilus baronii
|
X
|
X
|
|
Odontopodisma rubripes
|
X
|
X
|
|
Paracaloptenus caloptenoides
|
X
|
X
|
|
Pholidoptera transsylvanica
|
X
|
X
|
|
Saga pedo
|
|
X
|
|
Stenobothrus (Stenobothrodes) eurasius
|
X
|
X
|
|
|
|
|
|
ARACHNIDA
|
|
|
|
Araneae
|
|
|
|
Macrothele calpeiana
|
|
X
|
|
Pseudoscorpiones
|
|
|
|
Anthrenochernes stellae
|
X
|
|
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COELENTERATA
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Cnidaria
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Corallium rubrum
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WEICHTIERE
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GASTROPODA
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Anisus vorticulus
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Caseolus calculus
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Caseolus commixta
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Caseolus sphaerula
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Chilostoma banaticum
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Discula leacockiana
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Discula tabellata
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Discula testudinalis
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Discula turricula
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Discus defloratus
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Discus guerinianus
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Elona quimperiana
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Geomalacus maculosus
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Geomitra moniziana
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Gibbula nivosa
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* Helicopsis striata austriaca
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Helix pomatia
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Hygromia kovacsi
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Idiomela (Helix) subplicata
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Lampedusa imitatrix
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* Lampedusa melitensis
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Leiostyla abbreviata
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Leiostyla cassida
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Leiostyla corneocostata
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Leiostyla gibba
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Leiostyla lamellosa
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* Paladilhia hungarica
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Patella feruginea
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Sadleriana pannonica
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Theodoxus prevostianus
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Theodoxus transversalis
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Vertigo angustior
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Vertigo genesii
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Vertigo geyeri
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Vertigo moulinsiana
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BIVALVIA
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Anisomyaria
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Lithophaga lithophaga
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Pinna nobilis
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Unionoida
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Margaritifera auricularia
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Margaritifera durrovensis (Margaritifera margaritifera)
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Margaritifera margaritifera
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Microcondylaea compressa
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Unio crassus
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Unio elongatulus
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Dreissenidae
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Congeria kusceri
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ECHINODERMATA
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Echinoidea
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Centrostephanus longispinus
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ANHANG III
Die Umsetzung von Artikel 12 der FFH-Richtlinie
am Beispiel des Wolfes
1. Hintergrund – Einleitung
Der Wolf gehört zur einheimischen Fauna Europas und ist ein fester Bestandteil unserer biologischen Vielfalt und unseres Naturerbes. Als Spitzenprädator spielt der Wolf eine bedeutende Rolle für die Umwelt und trägt zum Gleichgewicht und Funktionieren der Ökosysteme bei. Er hilft insbesondere, die Dichte seiner Beutetiere zu regulieren
(typischerweise Schalenwild wie Rehe, Rotwild und Wildschweine sowie in einigen Regionen auch Gemsen und Elche) und den Gesundheitszustand dieser Arten durch selektive Prädation zu verbessern. Der Wolf kam einst in ganz Kontinentaleuropa vor, war aber bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den meisten Regionen und Ländern ausgerottet.
In dem Bericht „State of Nature in the EU“ von 2020 über den Zustand der Natur in der EU
, der sich auf von den Mitgliedstaaten gemeldete Daten stützt, wird bestätigt, dass sich die Wolfspopulationen in der EU generell erholen (d. h. konstant bleiben oder wachsen) und in Teilen ihrer ursprünglichen Lebensräume wieder ansiedeln, wenngleich sie nur in einigen Mitgliedstaaten einen günstigen Erhaltungszustand erreicht haben
. Die Rückkehr des Wolfes ist ein großer Erfolg des Artenschutzes
und wurde durch rechtliche Schutzmaßnahmen, eine positivere Einstellung der Öffentlichkeit sowie die Erholung der Bestände seiner Beutetierarten (z. B. Rehe und Wildschweine) und der Bewaldung (nach der Stilllegung landwirtschaftlicher Flächen) ermöglicht.
Zugleich stellt die Rückkehr des Wolfes die Mitgliedstaaten in Regionen, in denen er jahrzehntelang oder länger nicht mehr vorgekommen war, vor große Herausforderungen, weil Wölfe oftmals mit verschiedenen Konflikten in Verbindung stehen und daher heftige soziale Proteste und Reaktionen bei der betroffenen Landbevölkerung auslösen können.
Wie andere Großraubtiere brauchen auch Wölfe sehr viel Raum, da Individuen und Rudel Hunderttausende Quadratkilometer für ihre Territorien beanspruchen. Dementsprechend treten sie in sehr geringer Dichte auf, und ihre Populationen breiten sich über sehr große Gebiete aus, die sich meist über viele Verwaltungsgrenzen hinweg sowohl innerhalb eines Landes als auch länderübergreifend erstrecken. Aus biologischer Sicht wird daher empfohlen, Erhaltungs- und Managementmaßnahmen so koordiniert und kohärent wie möglich zu gestalten. Es bedarf also einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, beispielsweise durch die Anwendung kohärenter und koordinierter Konzepte auf der Ebene der Wolfspopulationen. Weitere Orientierung bieten die für die Europäische Kommission entwickelten „Guidelines for Population Level Management Plans for Large Carnivores“ (Leitlinien für auf Populationsebene basierende Managementpläne für Großraubtiere in Europa, Linnell et al., 2008).
Der Wolf ist in Anhang IV der FFH-Richtlinie für die meisten Mitgliedstaaten und Regionen aufgeführt und unterliegt daher den strengen Schutzvorschriften des Artikels 12 der FFH-Richtlinie, einschließlich des Verbots aller absichtlichen Formen des Fangs oder der Tötung von aus der Natur entnommenen Einzeltieren.
Für bestimmte Mitgliedstaaten und Regionen ist der Wolf in Anhang V als Art, „deren Entnahme aus der Natur und Nutzung Gegenstand von Verwaltungsmaßnahmen sein können“, aufgeführt. Für die meisten Mitgliedstaaten und Regionen ist der Wolf auch in Anhang II als prioritäre Art gelistet, für deren Erhaltung besondere Schutzgebiete ausgewiesen und geeignete Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen. Tabelle 1 zeigt auf, welche Populationen in welchem Anhang der FFH-Richtlinie aufgeführt sind.
TABELLE 1. Nennung des Wolfes in den Anhängen der FFH-Richtlinie
Anhang II (Ausweisung besonderer Schutzgebiete erforderlich): „* Canis lupus (ausgenommen die estnischen, lettischen, litauischen und finnischen Populationen, die griechischen Populationen nördlich des 39. Breitengrades und die spanischen Populationen nördlich des Duero)“
Anhang IV (strenges Schutzsystem): „Canis lupus (ausgenommen die estnischen, bulgarischen, lettischen, litauischen, polnischen und slowakischen Populationen, die griechischen Populationen nördlich des 39. Breitengrades, die spanischen Populationen nördlich des Duero und die finnischen Populationen innerhalb des Rentierhaltungsareals im Sinne von Paragraf 2 des finnischen Gesetzes Nr. 848/90 vom 14. September 1990 über die Rentierhaltung)“
Anhang V (Arten können Gegenstand von Verwaltungsmaßnahmen sein): „Canis lupus (spanische Populationen nördlich des Duero, griechische Populationen nördlich des 39. Breitengrades; finnische Populationen innerhalb des Rentierhaltungsareals im Sinne von Paragraf 2 des finnischen Gesetzes Nr. 848/90 vom 14. September 1990 über die Rentierhaltung, bulgarische, lettische, litauische, estnische, polnische und slowakische Populationen)“
Wie bereits erwähnt, ist der Wolf in vielen Mitgliedstaaten und Regionen noch nicht in einem günstigen Erhaltungszustand.
In einer 2018 vom Europäischen Parlament in Auftrag gegebenen Studie
wurde der Bedrohungsgrad einzelner Wolfspopulationen anhand der Kriterien der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN (International Union for Conservation of Nature) bewertet. Von neun (überwiegend grenzüberschreitenden) Wolfspopulationen wurden drei als „nicht gefährdet“ (least concern), drei als „potenziell gefährdet“ (near threatened) und drei als „gefährdet“ (vulnerable) eingestuft. Eine Wolfspopulation (die iberische Population, Spanien-Sierra Morena) ist ausgestorben. Die Verfasser der Studie betonten auch, dass die Harmonisierung der Daten aus dem Wolfsmonitoring problematisch ist, unter anderem aufgrund unterschiedlicher Monitoringmethoden und -ansätze (unterschiedlicher Zählmethoden oder -zeiträume), der Verwendung von Durchschnittswerten einerseits und Maximal-/Minimalpopulationen andererseits, fehlender Daten aus einigen Ländern, in denen der Wolf jedoch vorkommt, oder aufgrund unterschiedlicher Datenqualität.
Obwohl sich mehrere Wolfspopulationen in ganz Europa zu erholen und auszubreiten scheinen, ist die Art noch immer durch verschiedene Bedrohungen und Probleme bei der Bestandserhaltung gefährdet, insbesondere durch Wilderei (die oftmals unentdeckt bleibt, aber einen sehr großen Anteil an der Gesamtsterblichkeit haben dürfte). In dem von der Europäischen Kommission finanzierten Bericht „Key actions for Large Carnivore populations in Europe“ (Boitani et al., 2015) sind die spezifischen Bedrohungen für jede Wolfspopulation mit den möglichen Abhilfemaßnahmen dargelegt.
2. Rechtliche Vorschriften zum Schutz einzelner Wölfe
Der Wolf ist in allen in Anhang IV der FFH-Richtlinie aufgeführten Regionen streng geschützt. Ziel der Richtlinie ist es, dass die aufgeführten Arten einen günstigen Erhaltungszustand erreichen. Der den in diesem Anhang aufgeführten Arten gemäß Artikel 12 der FFH-Richtlinie gewährte Schutz hat vorbeugenden Charakter, und die Mitgliedstaaten müssen nach Artikel 12 Situationen vorbeugen, die negative Auswirkungen auf die Arten haben könnten.
Die formale Umsetzung des Artikels 12 in innerstaatliches Recht ist durch weitere Durchführungsmaßnahmen zu ergänzen, die den spezifischen Problemen und Bedrohungen im jeweiligen Kontext Rechnung tragen. Es wird nicht nur ein Verbot der in Artikel 12 genannten Tätigkeiten verlangt, sondern die Behörden müssen auch alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um eine Missachtung der Verbote in der Praxis zu verhindern. Dies bedeutet beispielsweise, dass die Behörden verpflichtet sind, alle erforderlichen Maßnahmen zur Verhinderung der (illegalen) Tötung von Wölfen zu treffen und die Areale zu schützen, die den Tieren als Ruhe- oder Fortpflanzungsstätten dienen, wie etwa ihre Baue und „Treffpunkte“.
Wie der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entschied, erlegt Artikel 12 Absatz 1 der FFH-Richtlinie „den Mitgliedstaaten nicht nur die Schaffung eines vollständigen gesetzlichen Rahmens auf, sondern auch die Durchführung konkreter besonderer Schutzmaßnahmen“; zugleich setzt die Bestimmung „den Erlass kohärenter und koordinierter vorbeugender Maßnahmen voraus“ (Urteil des Gerichtshofes vom 11. Januar 2007, Kommission/Irland, C‑183/05). Dieser Standpunkt wurde durch das Urteil des Gerichtshofs vom 10. Oktober 2019 bestätigt (Vorabentscheidung in der Rechtssache C‑674/17): „Um dieser Verpflichtung nachzukommen, müssen die Mitgliedstaaten nicht nur einen vollständigen gesetzlichen Rahmen schaffen, sondern auch konkrete besondere Schutzmaßnahmen durchführen. Desgleichen setzt das strenge Schutzsystem den Erlass kohärenter und koordinierter vorbeugender Maßnahmen voraus. Ein solches strenges Schutzsystem muss also imstande sein, tatsächlich absichtliche Formen des Fangs oder der Tötung von aus der Natur entnommenen Exemplaren und die Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der in Anhang IV Buchst. a der Habitatrichtlinie genannten Tierarten zu verhindern.“
Als Beispiel für eine Maßnahme zur wirksamen Durchsetzung der Artenschutzbestimmungen ist die Einrichtung wirksamer Einheiten zur Bekämpfung der Wilderei zu nennen, die mit Spürhunden zum Auffinden von Giftködern arbeiten. Wilderei, Fallen und Giftköder stellen nämlich in vielen Gebieten eine große Gefahr für Wölfe dar. Das Vergiften ist besonders problematisch, weil es auch anderen Arten schadet, insbesondere Raubvögeln. Um Abhilfe zu schaffen, wurden in Süd- und Osteuropa (Spanien, Italien, Portugal, Griechenland, Bulgarien und Rumänien) im Rahmen mehrerer aus dem LIFE-Programm finanzierter Projekte
gezielte Maßnahmen zur wirksamen Unterstützung des strengen Artenschutzsystems gefördert, unter anderem die Schaffung von Einheiten mit Giftspürhunden, die Schulung von Personal (Ranger, Forstwarte, örtliche Polizeibehörden, Tierärzte) und der Kapazitätsaufbau in Behörden; gefördert wurden auch Sensibilisierungsmaßnahmen, die sich an Viehzüchter, Jäger, Reiseveranstalter, Schulkinder und die Öffentlichkeit richten.
Pläne für die Erhaltung und das Management der Wölfe können, wenn sie im Einklang mit Artikel 12 festgelegt und ordnungsgemäß durchgeführt werden, einen wirksamen Rahmen für die Umsetzung strenger Vorschriften zum Schutz der in Anhang IV aufgeführten Wolfspopulationen bilden und zum Aufbau eines umfassenden Systems der Koexistenz beitragen, das darauf abzielt, einen günstigen Erhaltungszustand sicherzustellen und gleichzeitig die Konflikte mit den Tätigkeiten des Menschen abzubauen.
Solche Pläne könnten unter anderem Folgendes umfassen: i) Unterstützung vorbeugender Maßnahmen (durch Investitionshilfen, Aufklärung, Schulung und technische Hilfe), ii) Entschädigung für durch Wölfe verursachte wirtschaftliche Schäden, iii) Verbesserung des Monitorings der betroffenen Wolfspopulation und der entsprechenden Wissensgrundlage, iv) Überwachung, Bewertung und Verbesserung der Wirksamkeit von Herdenschutzmaßnahmen, v) Förderung der Beteiligung von und des Dialogs mit bzw. zwischen Interessenträgern (z. B. über entsprechende Plattformen), vi) Verbesserung der Durchsetzungsmaßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Tötung von Wölfen, vii) Schutz von Lebensräumen und Verbesserung der Futterbedingungen (gegebenenfalls unter anderem durch die Wiederherstellung des Beutetierbestands), viii) Entwicklung von Ökotourismus-Angeboten im Zusammenhang mit Wölfen, ix) Werbe‑ bzw. Marketingmaßnahmen zur Förderung landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus Wolfsgebieten und x) Aufklärung, Bildung und Sensibilisierung. Die Pläne können es den zuständigen Behörden auch erlauben, durch Rückgriff auf Ausnahmeregelungen gemäß den in der Richtlinie festgelegten Bedingungen in begrenztem Maße die Entnahme von Exemplaren durch Tötung zu genehmigen. Dabei gilt jedoch zu beachten, dass Pläne, die ein adaptives Entnahmemanagement vorsehen (im Sinne der Pläne für bejagbare Arten nach Anhang V der FFH-Richtlinie), nicht mit den strengen Schutzbestimmungen vereinbar wären, die für die in Anhang IV aufgeführten Arten gelten.
Die Pläne sollten sich auf die besten über den Erhaltungszustand und die Entwicklung der Art sowie über alle einschlägigen Bedrohungen und Belastungen vorliegenden Informationen stützen. Die Beteiligung oder Konsultation aller relevanten Interessenträger, insbesondere der von der Art oder den geplanten Erhaltungsmaßnahmen Betroffenen, ist entscheidend, um alle wichtigen Aspekte in den Plänen zu berücksichtigen und eine möglichst breite gesellschaftliche Akzeptanz zu erzielen.
Beispiel für die Beteiligung von Interessenträgern an der Ausarbeitung eines Managementplans
Der Wolfsmanagementplan Kroatiens für die Jahre 2010 bis 2015 (kroatisches Kultusministerium, 2010) war das Ergebnis eines zweijährigen Prozesses, an dem Vertreter aller Interessengruppen (die zuständigen Ministerien, Mitglieder des Ausschusses für die Überwachung von Großraubtierpopulationen, Wissenschaftler, Förster, nichtstaatliche Verbände usw.) mitgewirkt hatten. In einem detaillierten Aktionsplan sind die Maßnahmen erläutert, die Kroatien umsetzen sollte, um die Wolfspopulation des Landes in einem möglichst harmonischen Zusammenleben mit dem Menschen zu erhalten.
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Pläne für die Erhaltung und das Management der Wölfe können also einen geeigneten Rahmen bieten, um alle relevanten Probleme und Konflikte zu bewerten, durch die Wolfspopulationen gefährdet sind, sodass schließlich ein günstiger Erhaltungszustand erreicht werden kann.
Sie können daher auch Themen wie die Hybridisierung von Wolf und Hund umfassen, die für alle neun europäischen Wolfspopulationen und aus 21 europäischen Ländern gemeldet wird.
In manchen Gebieten stellt dies eine große Bedrohung für die Erhaltung des Wolfes dar
, und unter Umständen müssen – wie in der Empfehlung Nr. 173 (2014) zur Berner Konvention (Europarat, 2014) ausgeführt – gezielte vorbeugende, proaktive und reaktive Maßnahmen zur Eindämmung des Problems ergriffen werden. Da allerdings die Hybridisierung von Wolf und Hund ein komplexes Thema ist, wird dringend empfohlen, auf nationaler und auf Populationsebene einen klar definierten Managementplan zu erstellen, der sich auf aktuellste und zuverlässigste Feld-, Labor- und Statistikverfahren stützt (siehe Kasten).
Wolf-Hund-Hybriden
Im Laufe der Domestizierung des Hundes ist es wahrscheinlich immer wieder zur Kreuzung zwischen dem Wolf und seiner domestizierten Art, dem Hund, gekommen; auch heute noch ist sie in unterschiedlicher Intensität in verschiedenen Teilen des Verbreitungsgebiets von Wölfen zu beobachten. Die Hybridisierung von Wolf und Hund ist kein natürlicher Evolutionsprozess, sondern eine Form der vom Menschen verursachten Hybridisierung. Die Hybriden sollten daher nicht Gegenstand von Erhaltungsmaßnahmen sein. Vielmehr stellt die Hybridisierung von Wolf und Hund eine Bedrohung der genetischen Integrität der Wolfspopulationen und somit ein großes Problem für ihre Erhaltung dar, das durch geeignete Managementpläne und Instrumente eingedämmt werden sollte.
In Europa wird die Hybridisierung in mehreren Ländern verzeichnet, unter anderem in Norwegen, Lettland, Estland, Bulgarien, Italien, Spanien, Portugal, Deutschland, Griechenland, Slowenien und Serbien. Allerdings liegen den Schätzungen zur Introgression der Gene von Hunden in die frei lebende Wolfspopulation unterschiedliche Ansätze und zugehörige Versuchsprotokolle zugrunde. Während die Verpaarung in einigen Fällen nur einen oder wenige Würfe von Hybriden in begrenzten Gebieten hervorbrachte, wurde in anderen Fällen eine großflächige Introgression der Gene von Hunden in die frei lebende Wolfspopulation beobachtet, wenn auch in unterschiedlichem Maße (von 5,6 % in Galicien in Spanien bis zu über 60 % in der Provinz Grosseto in Italien). Desgleichen wurden im nördlichen Appenin hohe Introgressionsraten verzeichnet, während in der alpinen Wolfspopulation (von Frankreich bis zu den Zentralen Ostalpen) nur wenige Fälle von Hybriden vorgefunden wurden. In anderen Gebieten dagegen liegt die gemeldete Hybridisierungsrate bei etwa 5 bis 10 % (Leonard et al., 2011). Die Hybridisierung erfolgt hauptsächlich durch Verpaarung männlicher Hunde mit weiblichen Wölfen. In seltenen Fällen kann es auch umgekehrt vorkommen. Aufgrund der großen Zahl frei lebender Hunde insbesondere im Mittelmeerraum sind Begegnungen zwischen Wölfen und Hunden sehr wahrscheinlich. Zwar ist noch wenig über die Ökologie frei lebender Wolf-Hund-Hybriden bekannt, doch gibt es keine Hinweise darauf, dass Gesundheit, Ausbreitung, Fortpflanzungserfolg, Verhaltensänderungen oder Lebensfähigkeit der Populationen bei Hybriden beeinträchtigt sind.
Der Umgang mit der Hybridisierung von Wolf und Hund stellt die Behörden vor Schwierigkeiten, weil sie mehrere große Herausforderungen mit sich bringt.
a)Der taxonomische Status des Hybrids
Der Hund stammt durch Domestizierung vom Wolf ab. Beide gehören zur selben taxonomischen Einheit, der Art Canis lupus. Hunde werden mitunter auch als Unterart Canis lupus familiaris bezeichnet. Es bestehen kaum Zweifel, dass auch Hybriden unter den Artnamen Canis lupus fallen. Der rechtliche Status von Hybriden
b)Der rechtliche Status von Hybriden
Im Gegensatz zu Hunden, deren Überleben normalerweise von der Betreuung und Versorgung durch den Menschen abhängt, führen Hybriden ein eigenständiges Leben als Wildtiere. Als solche wären sie in vielen nationalen Rechtsordnungen mit wild lebenden Tieren gleichgestellt und würden nach denselben Vorschriften behandelt. Würden Hybriden mit Hunden gleichgestellt, dann fielen sie unter die nationalen Rechtsvorschriften über Haustiere. In jedem Fall erscheint es angebracht, Wolf-Hund-Hybriden gegenüber Jägern und der Öffentlichkeit denselben Rechtsstatus wie Wölfen zuzuweisen, um eine mögliche Gesetzeslücke für die illegale Tötung von Wölfen zu schließen (vgl. „Policy Support Statement on Hybridisation“, erstellt von der Large Carnivore Initiative for Europe, im Anhang zu den Guidelines for population-level management plans of large carnivores, Linnell et al., 2008). Würden Hybriden in der nationalen Rechtsordnung als rechtlich ungeschützt angesehen, könnte dies in der Tat zu einer vermehrten versehentlichen Tötung von Wölfen führen, da es schwer ist, Hybriden allein aufgrund morphologischer Merkmale von genetisch „reinen“ Wölfen zu unterscheiden. Nicht nur die versehentliche, sondern auch die absichtliche Tötung könnte zunehmen, da der ungeschützte Status von Hybriden als Vorwand für die Tötung echter Wölfe genutzt werden könnte. Es wird empfohlen, dass die für das Management zuständigen Behörden Hybriden in den nationalen Rechtsvorschriften klar und eindeutig entweder als Wildfauna oder als Haustiere einstufen.
c)Mögliche Managementmaßnahmen
Welche Managementmaßnahme am besten geeignet ist, wird vom geschätzten allgemeinen Introgressionsgrad sowie von der Frage abhängen, ob sich die Introgression auf bestimmte Gebiete und wenige Rudel beschränkt oder ob sie weitverbreitet ist und/oder den Großteil der Rudel betrifft. Eine begrenzte Introgression stellt unter Umständen keine große Gefahr dar, wenn sie über mehrere Generationen hinweg konstant geblieben ist. Eine starke und großflächig verbreitete Hybridisierung (Hybridschwarm) ist zwar möglicherweise nicht zu beseitigen, dennoch kann es wünschenswert sein, den derzeitigen und künftigen Fluss von Haustiergenen in die Wolfspopulationen zu reduzieren. Bei einem hohen, aber lokal begrenzten Vorkommen könnte die Vermehrung von Hybriden durch gezielte Maßnahmen (durch physische Entnahme oder Sterilisierung) eingedämmt werden. Obwohl verschiedentlich Bedenken hinsichtlich der Machbarkeit und Wirksamkeit der Entnahme von Hybriden zur Eindämmung einer geringfügigen großflächigen Introgression geäußert wurden, kann diese Form der Intervention angebracht sein, wenn die Hybridisierung nicht großflächig verbreitet ist und die Entnahme durch angewandte Forschung, Monitoring und einen adaptiven Managementrahmen begleitet wird.
Es gibt unterschiedlichste Managementinstrumente, deren Eignung von dem im Einzelfall verfolgten Ziel abhängt. Es wird nachdrücklich empfohlen, das Problem der Hybridisierung mithilfe eines gezielten Plans auf nationaler Ebene – oder gegebenenfalls auf Populationsebene – anzugehen, in dem die entsprechenden Ziele, Protokolle und Kriterien ausführlich beschrieben und begründet werden. Dabei müssen verschiedene vorbeugende, proaktive und reaktive Maßnahmen festgelegt und beschrieben werden. Der Plan sollte folgende Punkte umfassen:
1)Aufbau einer internationalen Zusammenarbeit unter Beteiligung aller gentechnischen Labore, um sich auf ein gemeinsames Konzept zur Festlegung von Grenzwerten und Verfahren zur Erkennung von Hybriden zu verständigen und um Allelhäufigkeiten von Referenzpopulationen auszutauschen
2)Verabschiedung von Leitfäden zur Untersuchung und Überwachung des Vorkommens und der Häufigkeit der Hybridisierung und der Introgression der Gene von Hunden in die Wolfspopulation
3)Bestimmung der Gebiete, in denen je nach Ausmaß und Muster der Verbreitung von Hybriden verschiedene Managementinstrumente geeignet sind, vom Verzicht auf Interventionen bis hin zur aktiven Entnahme hybrider Individuen, wobei letztlich auch der gesellschaftliche Kontext Einfluss auf die Auswahl der Managementgebiete und -maßnahmen haben könnte
4)Aufbau von Notfallteams, die dafür zuständig sind, Wolf-Hund-Hybriden gegebenenfalls aus dem wild lebenden Bestand zu entnehmen oder sie zu fangen, zu sterilisieren bzw. freizusetzen, sowie Einführung entsprechender Verfahren. Die Empfehlung Nr. 173 (2014) der Berner Konvention wird von der Europäischen Kommission uneingeschränkt unterstützt und besagt unter anderem Folgendes: „Im Interesse einer wirksamen Erhaltung der Wölfe sollte sichergestellt werden, dass die Entnahme bestätigter Wolf-Hund-Hybriden ausschließlich im Rahmen staatlich kontrollierter Verfahren erfolgt.“ Dies lässt sich offenbar nur durch ein im nationalen Recht verankertes Verbot der Tötung von Hybriden erreichen, wobei Ausnahmen nur für staatliche Stellen oder deren Beauftragte zugelassen werden. In der Empfehlung werden die Parteien aufgefordert, „sicherzustellen, dass die staatlich kontrollierte Entnahme von Wolf-Hund-Hybriden erfolgt, nachdem Beamte und/oder die von den Regierungen zu diesem Zweck beauftragten Stellen und/oder Wissenschaftler anhand genetischer und/oder morphologischer Merkmale bestätigt haben, dass es sich um einen Hybrid handelt“. Weiter heißt es: „Die Entnahme sollte nur von Stellen ausgeführt werden, die von den zuständigen Behörden mit dieser Aufgabe betraut wurden; dabei ist sicherzustellen, dass der Erhaltungszustand der Wölfe durch die Entnahme nicht beeinträchtigt wird.“ Außerdem sollten die Parteien „die erforderlichen Maßnahmen treffen, um zu verhindern, dass Wölfe absichtlich oder versehentlich als Wolf-Hund-Hybriden getötet werden“, wobei „die umsichtige, staatlich kontrollierte Entnahme bestätigter Wolf-Hund-Hybriden aus der freien Wildbahn durch die von den zuständigen Behörden mit dieser Aufgabe betrauten Stellen hiervon unberührt bleibt“.
5)Verabschiedung eines nationalen Plans zur Kontrolle frei laufender Hunde (d. h. verwildert, herrenlos oder im Besitz von Menschen, die sie frei umherstreunen lassen) sowie zum Verbot der Haustierhaltung von Wölfen und Wolf-Hund-Hybriden; Sensibilisierungskampagnen zur Unterstützung der Kontrolle verwilderter und frei laufender Hunde in Wolfsgebieten
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3. Mit dem Wolf verbundene Konflikte
Der Wolf ist seit jeher mit unterschiedlichen sozioökonomischen Konflikten mit dem Menschen verbunden. In der Vergangenheit hatten diese Konflikte die Ausrottung oder einen starken Rückgang der Wolfspopulationen in einem Großteil des europäischen Verbreitungsgebiets der Tiere zur Folge. Auch heute noch ist in vielen Gebieten die Verfolgung des Wolfes ebenso wie eine massive Wilderei zu beobachten. Zurzeit bestehen Konflikte insbesondere in folgenden Bereichen:
·Nutztierschäden: Die Gefährdung von Nutztieren durch den Wolf betrifft hauptsächlich Schafe. Den Berechnungen von Linnell und Cretois (2018) zufolge wurden von 2012 bis 2016 in der EU jährlich durchschnittlich 19 500 Schafe durch Wölfe gerissen (wobei aus Polen, Rumänien, Spanien, Bulgarien, Österreich und Teilen Italiens keine Daten vorlagen). Diese Zahl ist aktuell der beste verfügbare Näherungswert für die Auswirkungen des Beuteverhaltens von Wölfen in der EU.
Während hauptsächlich Schafe den Wolfsangriffen zum Opfer fallen, sind – in geringem Maße – auch andere Nutztiere (Ziegen, Rinder, Pferde) und halb domestizierte Rentiere betroffen. Das Ausmaß der Schädigung variiert sehr und hängt stark von der Haltungsform, der Art der Bewirtschaftung und dem Grad der Überwachung ab, d. h. davon, ob die Nutztiere – insbesondere nachts – eingezäunt sind bzw. gehütet werden. So wurden beispielsweise 2019 in Frankreich (80 Wolfsrudel) rund 11 000 Schafe, Rinder und Ziegen gerissen und Entschädigungen dafür gezahlt (Dreal, 2019), wohingegen diese Zahl 2019 in Deutschland (128 Wolfsrudel) unter 3000 lag (DBBW, 2019) und in Schweden (31 Wolfsrudel) im Jahr 2018 nur 161 Schafe gerissen wurden (Viltskadestatistik 2018, SLU
).
Wie Linnell und Cretois (2018) betonen, ist es schwer, europaweit kohärente und zuverlässige Daten über die Schädigung von Nutztierbeständen durch Wölfe zu erheben. Nutztiere können aus vielen Gründen sterben oder verloren gehen, und ihr Verlust lässt sich nicht immer mit Großraubtieren in Zusammenhang bringen. Die Qualität der Meldungen durch Landwirte und Verwalter von Viehbeständen hängt wesentlich vom geltenden Entschädigungssystem ab, beispielsweise von der Höhe der Entschädigung (vollständig oder teilweise), der Dauer des entsprechenden Verwaltungsverfahrens und dem damit verbundenen Aufwand sowie davon, ob vor Ort geprüft wird, ob der Schaden tatsächlich durch ein Großraubtier verursacht wurde. Wölfe können gelegentlich auch Hunde angreifen und töten, zum Beispiel in Wolfsgebieten in Schweden oder Finnland bei der Jagd auf Elche mit nicht angeleinten Hunden. Der Verlust von Nutztieren und Hunden hat über die unmittelbaren und mittelbaren wirtschaftlichen Schäden hinaus natürlich auch beträchtliche emotionale Auswirkungen. Zwar sind die Folgen der Schädigung von Nutztieren durch Wölfe für die Viehwirtschaft in der EU insgesamt zu vernachlässigen, doch kann der Schaden, den ein Wolf durch den Raub ungeschützt grasender Schafe dem landwirtschaftlichen Betrieb zufügt, im Einzelfall erheblich sein und die betroffenen Landwirte in diesem ohnehin bereits unter zahlreichen sozioökonomischen Zwängen leidenden Sektor zusätzlich belasten.
·Wahrgenommenes Risiko für den Menschen: Für Wölfe ist der Mensch keine potenzielle Beute, sondern eher eine Bedrohung, die er meidet. Auch wenn in der Vergangenheit tödliche Angriffe von Wölfen auf Menschen gemeldet wurden (oftmals verbunden mit tollwütigen Exemplaren oder solchen, die von Menschen angefüttert, provoziert, verletzt oder gefangen wurden), gilt die tatsächliche Gefahr von Wolfsangriffen auf den Menschen unter den gegenwärtigen ökologischen und sozialen Bedingungen in Europa als äußerst gering (Linnell et al., 2002; Linnell und Alleau, 2016; KORA, 2016; Linnell et al., 2021). Trotzdem haben viele Menschen noch immer Angst vor Wölfen, vor allem in den Ländern und Regionen, in denen sie sich erst vor Kurzem wieder angesiedelt haben oder wo sie durch ihre zunehmende Verbreitung in Gegenden sichtbarer werden, in denen sie zuvor kaum auftraten. Es wurde von Fällen berichtet, in denen sich Wölfe dem Menschen näherten und sich ungewöhnlich verhielten („dreiste“ oder „zutrauliche“ Wölfe), und zwar insbesondere dann, wenn die Wölfe futterkonditioniert waren oder Hunde anwesend waren (Reinhardt, 2018). Es gibt keine Hinweise darauf, dass Wolf-Hund-Hybriden dreister oder gefährlicher sind als Wölfe, dennoch stellt in manchen Gebieten Europas auch die Angst vor Hybriden ein besonderes Problem dar. Diese Wahrnehmungen und Einstellungen sind unbedingt ernst zu nehmen und gebührend zu berücksichtigen. Hilfreiche – aber nicht immer ausreichende – Maßnahmen sind die Förderung von Bildungsmaßnahmen, Aufklärungsarbeit und die Widerlegung von Falschmeldungen durch Faktenchecks (wie von einigen kommunalen und regionalen Behörden oder im Rahmen von LIFE-Projekten durchgeführt). Darüber hinaus gilt es klarzustellen, dass im unwahrscheinlichen Fall einer objektiven Gefahr zum Beispiel durch einen tollwütigen oder aggressiven Wolf, oder durch einen futterkonditionierten oder an den Menschen gewöhnten Wolf, die gezielte Entnahme des betreffenden Tieres nach der FFH-Richtlinie absolut legitim ist (siehe den Abschnitt über Ausnahmen nach Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe c in Abschnitt 6).
·Einfluss auf Schalenwildarten: Mitunter jagen Wölfe und menschliche Jäger die gleiche Beute, nämlich Schalenwild. Wenn Großraubtiere zurückkehren, fürchten Jäger oft, dass die Konkurrenz ihre Tätigkeiten beeinträchtigen könnte, was einen erheblichen Konflikt verursachen kann. Die Anwesenheit des Wolfes hat je nach Art und den Umständen vor Ort sehr unterschiedliche und komplexe Auswirkungen auf den Bestand und das Verhalten von Schalenwild. Im Allgemeinen entnehmen Wölfe jedes Jahr nur einen kleinen Prozentsatz aus dem Schalenwildbestand – wesentlich weniger als Jäger – und scheinen keinen negativen Einfluss auf die gegenwärtige (generell steigende) Entwicklung der Schalenwildpopulation in Europa
zu haben (Bassi, E. et al., 2020; Gtowaciflski, Z. und Profus, P., 1997). In jedem Fall dürfen Angriffe von einheimischen Raubtieren auf Schalenwild – im Gegensatz zu Angriffen auf Nutztiere – nicht verhindert oder eingeschränkt werden, da sie zu den natürlichen Prozessen gehören, die im Sinne der Biodiversitätspolitik wiederhergestellt und erhalten werden sollen. Hierin liegt für europäische Jäger eine große Herausforderung, da die Rückkehr von Großraubtieren bei der Jagdplanung und der Festlegung von Quoten für Schalenwild berücksichtigt werden muss. Schließlich muss anerkannt werden, dass der Wolf auch zur Regulierung der Dichte des Huftierbestands (Ripple, W. J. und Beschta, R. L., 2012) beiträgt und dass damit Vorteile, unter anderem im Hinblick auf den Rückgang von Schäden an Wald- und Agrarpflanzen, verbunden sind.
·Wertebezogene Konflikte (konkurrierende Vorstellungen über europäische Landschaften): Bei mit dem Wolf verbundenen Konflikten geht es nicht immer um die unmittelbaren wirtschaftlichen Folgen für bestimmte Akteure im ländlichen Raum. Wölfe haben hohen Symbolwert für eine Reihe umfassenderer Themen, und die Konflikte spiegeln oftmals tiefere gesellschaftliche Gegensätze wider, z. B. zwischen ländlichen und städtischen Gebieten, zwischen modernen und traditionellen Wertvorstellungen oder zwischen verschiedenen sozialen und wirtschaftlichen Schichten (Linnell, 2013). Wölfe sind häufig Anlass für Grundsatzdebatten über die künftige Gestaltung europäischer Landschaften (Linnell, 2014) zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, die gegensätzliche Ansichten und Vorstellungen darüber haben, wie die natürliche Tier- und Pflanzenwelt erhalten, verwendet oder bewirtschaftet werden sollte.
Dies erklärt, weshalb es selten eine eindeutige Korrelation zwischen dem Grad der direkten wirtschaftlichen Auswirkungen von Großraubtieren und dem Ausmaß der dadurch verursachten gesellschaftlichen Konflikte gibt (Linnell und Cretois, 2018).
4. Maßnahmen zur Verbesserung der Koexistenz von Mensch und Wolf
Seit der Verabschiedung der FFH-Richtlinie hat sich die Kommission für das Konzept der Koexistenz eingesetzt, das darauf abzielt, den günstigen Erhaltungszustand der Großraubtierpopulationen wiederherzustellen und, mit Blick auf eine gemeinsame Nutzung multifunktionaler Landschaften, gleichzeitig die Konflikte mit den legitimen Tätigkeiten des Menschen zu bewältigen und zu entschärfen. Im Rahmen des LIFE-Programms wurden mehr als 40 Projekte im Zusammenhang mit der Erhaltung des Wolfes und dem Zusammenleben mit dem Wolf finanziert, die im Sinne dieser Zielsetzung zur Erarbeitung und Erprobung bewährter Verfahrensweisen beigetragen haben.
Die EU-Plattform zur Koexistenz von Menschen und Großraubtieren, eine Gruppe von Organisationen, die verschiedene Interessengruppen vertreten und sich auf eine gemeinsame Mission zur Förderung von Koexistenzlösungen verständigt haben
, hat zahlreiche Beispiele und Fallstudien zur Koexistenz von Mensch und Wolf zusammengestellt. Die Fallstudien sind in fünf Kategorien gegliedert: 1) Beratungsangebote/Sensibilisierung, 2) Bereitstellung praktischer Hilfe, 3) Verstehen von Standpunkten, 4) innovative Finanzierung, und 5) Monitoring
(EU-Plattform zur Koexistenz von Menschen und Großraubtieren, 2019).
In einer vom Europäischen Parlament 2018 in Auftrag gegebenen Studie
wurden Empfehlungen und Beispiele aus mehreren Mitgliedstaaten für praktische Maßnahmen zur Koexistenz mit Wölfen und anderen Großraubtieren vorgestellt.
Auf europäischer Ebene gibt es somit eine breite Grundlage für den Austausch von Wissen und wertvollen Erfahrungen. Im Folgenden werden die am weitesten verbreiteten Ansätze zur Konfliktentschärfung beschrieben.
·Ausgleichszahlungen
Ein auch in vielen EU-Ländern häufig genutzter Ansatz, mit dem sich die wirtschaftlichen Folgen von Wolfsschäden abmildern und die Akzeptanz der geschützten Art stärken lassen, sind Ausgleichszahlungen. Sie können in vielen Fällen zweckmäßig sein, allerdings sollten die Vorschriften für die Anspruchsberechtigung klar definiert und verschiedene Faktoren dabei berücksichtigt werden. So sollte etwa geprüft werden, ob der Nutztierschaden tatsächlich durch einen Wolf verursacht wurde, und gewährleistet sein, dass die Entschädigung angemessen ist und zeitnah an den Anspruchsberechtigten ausgezahlt wird.
In vielen Ländern beschweren sich Landwirte über komplizierte und kostspielige Entschädigungsverfahren oder über verspätete oder unzureichende Zahlungen. Ausgleichszahlungen werden in der Regel von den nationalen oder regionalen Regierungen gemäß den einschlägigen EU-Vorschriften über staatliche Beihilfen
(die eine 100%ige Entschädigung für direkte und indirekte Kosten erlauben) finanziert. Ausgleichszahlungen allein reichen nicht immer aus, um Probleme im Zusammenhang mit der Koexistenz zu bewältigen, da Wolfsangriffe oder andere Konflikte dadurch nicht verringert bzw. entschärft werden. Außerdem sind Ausgleichszahlungen oftmals keine langfristige Lösung, es sei denn, sie werden in angemessener Weise mit anderen Maßnahmen kombiniert.
·Vorbeugende Maßnahmen und technische Hilfe
Vorbeugende Maßnahmen sind zentraler Bestandteil eines umfassenden Koexistenzsystems. Die unter anderem im Rahmen von LIFE-Projekten und Programmen zur Entwicklung des ländlichen Raums gewonnene Erfahrung zeigt, wie wichtig und wirksam verschiedene Herdenschutzmaßnahmen sind, wie etwa bestimmte Zaunsysteme, Behirtung, Herdenschutzhunde, Zusammentreiben der Nutztiere zur Nacht und visuelle oder akustische Abschreckvorrichtungen (Fernández-Gil et al., 2018; siehe auch Carnivore Damage Prevention News, 2018). Insbesondere die Anwesenheit von Hirten kann die Wirksamkeit anderer Herdenschutzmaßnahmen erheblich steigern und wirkt an sich schon abschreckend auf Raubtiere. In einem von der EU-Plattform zur Koexistenz von Menschen und Großraubtieren erarbeiteten Bericht werden erfolgreiche Praxisbeispiele und bewährte Verfahren beschrieben (Hovardas et al., 2017). Vorbeugende Maßnahmen müssen individuell gestaltet und an die regionalen Besonderheiten (einschließlich Nutztierart, Herdengröße, Topografie usw.) angepasst sein.
Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen hängt wesentlich davon ab, dass sie vom jeweiligen Betreiber korrekt umgesetzt werden, dass ausreichende Mittel zur Verfügung stehen und dass ihre Umsetzung vor Ort durch eine technische Beratung unterstützt wird (z. B. van Eeden et al., 2018). Keine Einzelmaßnahme kann zu 100 % erfolgreich sein, doch geeignete technische Lösungen (oft in Kombination eingesetzt) können Nutztierschäden durch Raubtiere erheblich reduzieren. Die zuständigen Behörden und die Betroffenen müssen die vorbeugenden Maßnahmen so gestalten, dass sie an unterschiedliche Situationen angepasst werden können. Sie müssen sie außerdem korrekt anwenden (und aufrechterhalten), ihre Wirksamkeit überwachen und gegebenenfalls erforderliche Anpassungen vornehmen. Schulung, Aufklärung, Betreuung und technische Hilfe für die jeweiligen Betreiber sind unerlässlich und sollten in angemessenem Umfang staatlich unterstützt werden, auch zur Instandhaltung der Schutzvorkehrungen und zur Bewältigung des Zusatzaufwands.
·Informationen, Beratung und Sensibilisierung
Die Vermittlung sachlicher Informationen über Wölfe und über Möglichkeiten zur Begrenzung ihrer Auswirkungen kann wirksam zur Konfliktentschärfung beitragen (EU-Plattform zur Koexistenz von Menschen und Großraubtieren, 2019). So dient beispielsweise der Newsletter „Carnivore Damage Prevention News“
, der im Rahmen verschiedener LIFE-Projekte gefördert wurde, der Verbreitung von Informationen über den Herdenschutz in der EU und auf internationaler Ebene. Die italienische Website „Proteggi il tuo bestiame“ (2019) zum Thema Herdenschutz enthält ausführliche Empfehlungen zu Herdenschutzmaßnahmen und Informationen über Förderangebote der italienischen Regionen. Die Website des spanischen Ministeriums für den ökologischen Wandel enthält einen Katalog empfehlenswerter Schutzmaßnahmen, die helfen, Berührungspunkte zwischen geschützten Arten und land- und viehwirtschaftlichen Betrieben zu vermeiden oder zu minimieren.
Ein weiteres Beispiel für diesen Ansatz ist das LIFE-Projekt WOLFALPS. Es ist gezielt auf die Jägerschaft ausgerichtet und umfasst unter anderem den Austausch von Daten und Informationen über die Populationsdynamik der Schalenwildarten in den Alpen und über die Auswirkungen der Rückkehr des Wolfes auf seine Beutetiere und auf jagdliche Tätigkeiten.
Einen umfassenderen Ansatz verfolgen das Kontaktbüro „Wölfe in Sachsen“ (2019) und das Wolfskompetenzzentrum in Sachsen-Anhalt. Hier stellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort Bildungsmaterialien zur Verfügung, führen Exkursionen durch und stehen den Menschen bei Fragen und Sorgen zur Verfügung.
·Monitoring
Ein Monitoring von Großraubtierpopulationen ist unerlässlich, um zuverlässige Informationen zu liefern, Erkenntnisse über die für ihr Überleben notwendige Populationsdynamik zu gewinnen, Managementmaßnahmen an veränderte Situationen anzupassen und den Verpflichtungen aus der FFH-Richtlinie nachzukommen. Zugleich ist es ein sehr anspruchsvolles Unterfangen, da große geografische Gebiete erfasst werden müssen, die sich oftmals über Landesgrenzen hinweg erstrecken, und weil Großraubtiere eine geringe Populationsdichte aufweisen und scheu sind (Policy Support Statement der Large Carnivore Initiative for Europe, im Anhang zu Linnell et al., 2008). Alle Managemententscheidungen (auch solche über die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen) sollten auf einer soliden Datengrundlage über die betroffene Wolfspopulation beruhen. Das Monitoring sollte auch die Durchführung aller vorbeugenden Maßnahmen (Einsatz, Ergebnisse und Wirksamkeit) sowie die Ermittlung des Verursachers von Nutztierschäden umfassen, um zwischen Wölfen und Hunden zu unterscheiden (z. B. Echegaray und Vilà, 2010; Sundqvist et al., 2008) und um einzuschätzen, ob das System angepasst oder verbessert werden muss.
Da die Uneinigkeit über Größe und Zustand von Raubtierpopulationen in ganz Europa häufig zu Konflikten führt, kann die Einbindung von Interessenträgern – einschließlich der Jägerschaft – nicht nur sinnvoll sein, um mehr Personen an der Datensammlung zu beteiligen, sondern auch helfen, die Beziehungen zwischen den Betroffenen zu verbessern und Konflikte zu entschärfen.
Für eine angemessene Entscheidungsfindung im Wolfsschutz und im Wolfsmanagement werden fundierte Monitoringdaten benötigt. Daher sollte unbedingt in ein angemessenes Monitoringsystem investiert werden, das genaue und aktuelle Erkenntnisse über die Wolfspopulation in einem betroffenen Gebiet liefert. Als gutes Beispiel ist hier das französische Monitoringsystem zu nennen.
Beispiele für die Beteiligung von Interessenträgern am Monitoring:
Im Rahmen einer von der Kommission unterstützten Pilotaktion in der Slowakei wurde unter Beteiligung unterschiedlichster Interessenträger (Umweltschützer, Förster, Personal von Schutzgebieten und Jäger) eine wissenschaftlich gestützte Zählung der Wölfe durchgeführt. Die Beteiligten sollten in einem Untersuchungsgebiet Kot- und Urinproben sammeln. Ihre Einbindung und der Einsatz spitzentechnologischer Analysemethoden führte dazu, dass mehr Einigkeit über die Größe der örtlichen Wolfspopulation erzielt wurde (Rigg et al., 2014).
Ein weiteres Beispiel ist das Large Carnivore Observer Network in Finnland – eine Gruppe von rund 2100 aktiven Freiwilligen, die von lokalen Wildmanagementverbänden ernannt werden. Dieses Netzwerk aus geschulten Beobachtern (hauptsächlich ortsansässige Jäger) ist dafür zuständig, die von der Bevölkerung gemeldeten Spuren von Großraubtieren und andere Zeichen zu überprüfen. Die Freiwilligen geben die Beobachtungsdaten in eine nationale Datenbank ein („TASSU“ – finnisch für „Pfote“), die von Luke (Natural Resources Institute Finland) betrieben wird. Aus dieser Datenbank, die von Wildmanagementbeamten und Wildhütern genutzt wird, werden u. a. Schätzungen zu den Populationen von Großraubtieren auf nationaler und regionaler Ebene erzeugt. Das Netzwerk, die Datenbank und deren Steuerung werden ständig weiterentwickelt und angepasst, um die Vertrauensbildung und Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Einrichtungen und Interessengruppen beim Austausch, bei der Verwendung und beim Zugang zu den Daten über diese empfindlichen Arten zu fördern. So zielt etwa das von 2019 bis 2025 laufende LIFE-Projekt BOREALWOLF darauf ab, das Large Carnivore Observer Network durch Schulungen für die aktuell beteiligten Freiwilligen und durch die Rekrutierung neuer, nicht aus der Jägerschaft stammender Kräfte zu stärken.
In Schweden und Norwegen wurde mit Skandobs eine ähnliche Initiative gestartet: das skandinavische System zur Ortung von Großraubtieren (Luchsen, Vielfraßen, Braunbären und Wölfen). In diese Datenbank kann jeder seine Beobachtungen von Spuren, Zeichen oder Sichtungen von Großraubtieren eingeben. Durch die vermehrte Meldung von Beobachtungen werden zusätzliche Erkenntnisse über das Vorkommen und die Verteilung dieser Arten gewonnen. Alle Nutzer des Systems können auf die in der Datenbank erfassten Beobachtungen zugreifen. Mithilfe der Skandobs-App lassen sich Beobachtungen auch teilen. So können die Nutzer „Skandobs-Touch“ aus dem App Store oder Google Play herunterladen, um Raubtiere oder Spuren direkt aus dem Gelände zu melden. Die Datenbank wird alle 15 Minuten aktualisiert. Sie wird von Rovdata betrieben, einer unabhängigen Stelle des Norwegian Institute for Nature Research (Norwegisches Institut für Naturforschung, NINA).
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·Dialog mit und Beteiligung von Interessenträgern
Vor dem Hintergrund der kulturellen und gesellschaftlichen Aspekte der Konflikte um Wölfe gelten partizipative Prozesse als besonders geeignetes Instrument zur Konfliktentschärfung, insbesondere da sie zur Vertrauensbildung zwischen den Interessenträgern beitragen (Young et al., 2016). Ein Beispiel für diesen Ansatz ist die EU-Plattform zur Koexistenz von Menschen und Großraubtieren (siehe Fallstudie 9 in Anhang IV der Leitlinien). Solche Konzepte kommen auch auf regionaler und nationaler Ebene zum Einsatz. Viele Mitgliedstaaten haben nationale Plattformen eingerichtet. Im Rahmen eines Pilotprojekts unterstützen zudem die Organe der EU die Einrichtung regionaler Plattformen in Italien, Rumänien, Spanien, Frankreich, Deutschland und Schweden (regionale Plattformen zu Großraubtieren, 2019). Ferner werden im Rahmen des LIFE-Projekts Euro Large Carnivores (2019) die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch zwischen wichtigen Großraubtier-Hotspots in Europa gefördert.
Ein weiteres positives Beispiel für die Beteiligung von Interessenträgern ist die Denkfabrik Grupo Camp Grande (GCG). Diese spanische landesweit tätige Einrichtung setzt sich aus Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund und aus Organisationen zusammen, die vom Konflikt zwischen der extensiven Tierhaltung und dem iberischen Wolf betroffen sind. Die Gruppe wurde 2016 im Rahmen einer Mediationsinitiative von der Fundación Entretantos ins Leben gerufen, die sich mit dem Konflikt im Zusammenhang mit der Koexistenz von iberischem Wolf und Extensivhaltung befasst. Die Teilnehmer haben eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet und setzen sich zusammen dafür ein, dass andere ihr Modell übernehmen (GCG, 2018).
·Bejagung/Abschuss von Wölfen
In der Vergangenheit war die Bejagung bzw. der Abschuss von Wölfen ein gängiges Mittel, um Wölfe loszuwerden und alle damit zusammenhängenden Folgen und Konflikte zu beseitigen. Diese Praxis hat in einem Großteil seines europäischen Verbreitungsgebiets zur Ausrottung des Wolfes geführt. Heutzutage greifen mehrere europäische Länder – darunter auch EU-Mitgliedstaaten, für die die Art in Anhang IV der Richtlinie (strenges Schutzsystem) aufgeführt ist – mit dem Argument, den Nutztierbestand schützen und die Akzeptanz des Wolfes in der Bevölkerung verbessern zu wollen, nach wie vor auf bestimmte Methoden und Abstufungen der Bejagung zurück.
Gleichwohl dürfen die mit der Erhaltung der Wölfe und anderer geschützter Großraubtiere in den multifunktionalen Landschaften Europas verbundenen Konflikte nach der geltenden Politik und den entsprechenden Rechtsvorschriften nicht allein oder hauptsächlich durch den Abschuss von Wölfen angegangen werden. Der Rückgriff auf Ausnahmebestimmungen zur Genehmigung des Wolfsabschusses ist ein mögliches und legitimes Mittel, das die Mitgliedstaaten unter Einhaltung aller in Artikel 16 Absatz 1 der FFH-Richtlinie genannten Bedingungen in Ergänzung der anderen oben genannten Maßnahmen zur Konfliktbewältigung in Betracht ziehen können (siehe Abschnitt 5).
Es scheint keine gesicherten Erkenntnisse darüber zu geben, dass Nutztierrisse durch das Abschießen von Wölfen wirksam eingedämmt werden. Einige Studien kommen zu dem Ergebnis, dass die Bejagung bzw. der Abschuss von Wölfen offenbar weniger Wirkung zeigt als Herdenschutzmaßnahmen (van Eeden et al., 2018; Santiago-Avila et al., 2018) und sogar eine Zunahme von Nutztierrissen und Konflikten zur Folge haben könnte (Wielgus und Peebles, 2014; Fernández-Gil et al., 2016), was mit einer Störung der Rudelstrukturen durch den Abschuss zusammenhängen könnte.
Darüber hinaus ist die Bejagung bzw. der Abschuss einer geschützten Art – im Gegensatz zu den bereits erwähnten nicht tödlichen Maßnahmen – unter Artenschutzexperten umstritten (Lute et al., 2018) und wird auch in weiten Teilen der Gesellschaft zunehmend kritisch gesehen
. Vor diesem Hintergrund und angesichts der empirischen Daten ist unklar, ob der Abschuss von Wölfen zur Zunahme oder zum Abbau gesellschaftlicher Konflikte beiträgt.
Im Ergebnis scheinen nicht tödliche Maßnahmen, einschließlich Herdenmanagement- und Herdenschutzmaßnahmen, wirksamer, nachhaltiger und weniger anfällig für Rechtsstreitigkeiten zu sein und dürften (von den meisten Menschen) als Mittel zur Eindämmung der Gefahren für Nutztiere und zur Konfliktentschärfung eher akzeptiert werden.
Die zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten sollten all diesen Punkten bei ihren Entscheidungen über Managementmaßnahmen und deren Umsetzung Rechnung tragen.
Umfassende Pläne für die Erhaltung und das Management des Wolfes
Die Mitgliedstaaten sollten am besten mehrere der oben beschriebenen Maßnahmen kombinieren, um den passenden Grad der Koexistenz zu fördern, und sie entsprechend der Gegebenheiten vor Ort ausgestalten. Außerdem sollten sie alle verfügbaren Instrumente und Finanzierungsquellen in ihren umfassenden und kohärenten Plänen für die Erhaltung und das Management der Wölfe nutzen. In diesen Plänen sollten alle Bedrohungen, Konflikte, Chancen und Bedürfnisse berücksichtigt werden, die im jeweiligen Mitgliedstaat im Zusammenhang mit dem Wolf zum Tragen kommen; im Falle benachbarter Mitgliedstaaten, in denen sich die gleichen Wolfspopulationen aufhalten, sollten die Pläne idealerweise grenzüberschreitend angelegt sein (Linnell et al., 2008). Das wäre der beste Weg, um für den Wolf in seinem gesamten natürlichen Verbreitungsgebiet einen günstigen Erhaltungszustand zu erreichen und gleichzeitig innerhalb der durch die Richtlinie gesetzten Grenzen die erforderliche Flexibilität im Wolfsmanagement zu gewährleisten sowie die Akzeptanz des Wolfes in der Bevölkerung (die „gesellschaftliche Tragfähigkeit“) zu erhalten bzw. zu verbessern.
5. Förderung von Koexistenzmaßnahmen
Zur Unterstützung der Lösung von mit dem Wolfsschutz verbundenen Konflikten können EU-Mittel – insbesondere aus dem LIFE-Programm und dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) – sowie nationale Fördermittel (staatliche Beihilfen) bereitgestellt werden.
·Aus dem LIFE-Programm können auf der Grundlage wettbewerbsorientierter Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen Fördermittel für Demonstrationstätigkeiten und die Erprobung innovativer Lösungen in den Bereichen Herdenschutzmaßnahmen, Einschätzung des Prädationsrisikos, Einrichtung von Entschädigungsmechanismen sowie Schulungen für ortsansässige Forstbeamte und Tierärzte zu Methoden für die Begutachtung von Nutztierschäden beantragt werden. Ferner sind aus dem LIFE-Programm auch gezielte Maßnahmen der Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit förderfähig, die zur Bewältigung von Konflikten zwischen Mensch und Wolf beitragen. Wiederkehrende Verwaltungsmaßnahmen werden aus dem LIFE-Programm nicht finanziert.
·Der ELER kann für Präventionsmaßnahmen wie die Anschaffung von Schutzzäunen oder Herdenschutzhunden in Anspruch genommen werden (als nichtproduktive Investitionen bis zu 100 % finanzierbar). Zusätzliche Arbeitskosten für Landwirte zur Kontrolle und Instandhaltung oder Verlegung von Schutzzäunen sowie Futter- und Tierarztkosten für Herdenschutzhunde können unter Agrarumwelt- und Klimazahlungen fallen. Der ELER wird in mehreren Mitgliedstaaten (z. B. in Griechenland, Bulgarien, Slowenien, Italien und Frankreich) zur Finanzierung von Herdenschutzmaßnahmen in Anspruch genommen, etwa für Zusatzkosten für Behirtung, Umzäunung und Herdenschutzhunde. Die EU-Plattform zur Koexistenz von Menschen und Großraubtieren (siehe unten) hat einen Überblick darüber erstellt, wo Programme zur Entwicklung des ländlichen Raums zurzeit genutzt werden und künftig zum Einsatz kommen könnten (Marsden et al., 2016).
Im Rahmen der zukünftigen Gemeinsamen Agrarpolitik könnten auch Präventionsmaßnahmen und Hütesysteme durch die neuen Öko-Regelungen unterstützt werden.
·Aus dem Instrument „Interreg“ des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) können Projekte zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bei der Erhaltung und dem Management von Großraubtieren unterstützt werden, unter anderem im Zusammenhang mit der Vernetzung von Lebensräumen, dem Wissenstransfer, Herdenschutzmaßnahmen und anderen Koexistenzmaßnahmen.
·Aus nationalen Mitteln (staatlichen Beihilfen) können bis zu 100 % der Kosten für Präventionsmaßnahmen, für die Wiederherstellung von zerstörtem landwirtschaftlichem Potenzial (z. B. für den Ersatz von durch Wölfe gerissenen Nutztieren) und als Ausgleich für durch Wölfe verursachte Schäden (z. B. gerissene Tiere und Sachschäden am Betriebsvermögen oder Tierarztkosten sowie mit der Suche nach vermissten Tieren verbundene Kosten) getragen werden.
Die einzelnen Mitgliedstaaten sollten über ein umfassendes Konzept für Finanzierungs- und Unterstützungsmaßnahmen zum Abbau von mit dem Wolf verbundenen Konflikten verfügen, das im Falle benachbarter Mitgliedstaaten, in denen sich dieselben Wolfspopulationen aufhalten, idealerweise grenzüberschreitend angelegt ist.
Die Mitgliedstaaten sollten in ihren prioritären Aktionsrahmen (Prioritised Action Frameworks – PAF) die wichtigsten Probleme und Konflikte berücksichtigen, die sich im Zusammenhang mit dem Wolf stellen, entsprechende Prioritäten und den Finanzierungsbedarf bestimmen und darlegen, wie diese Zielvorgaben erfüllt werden sollen. Das aktualisierte Format für den PAF
umfasst einen eigenen Abschnitt (E.3.2) über prioritäre Maßnahmen und die damit verbundenen Kosten für die Vermeidung, Verminderung oder den Ausgleich von Schäden, die durch Arten verursacht wurden, die durch die EU-Vogelschutz- und die Habitatrichtlinie geschützt sind.
Darüber hinaus werden in ganz Europa mehrere innovativere Wege zur Finanzierung und Förderung der Koexistenz genutzt.
Beispiele für innovative Finanzierungslösungen
Ein originelles und erfolgreiches Beispiel einer innovativen Finanzierungslösung zur Förderung der Koexistenz ist die schwedische Initiative „Zahlungen für Artenschutzleistungen“ für den Vielfraß. Die Zahlungen sind an die erfolgreiche Fortpflanzung des Vielfraßes geknüpft und werden nicht als Ausgleich für den Verlust von Rentieren geleistet. Sie werden unabhängig vom Prädationsdruck auf Basis der Zahl der im betroffenen Bezirk dokumentierten Fortpflanzungen des Vielfraßes geleistet. Fünf Jahre nach Einführung des Programms wurde eine Zunahme der Vielfraßpopulation verzeichnet. Die Zahl der registrierten Fortpflanzungen stieg von 57 im Jahr 2002 auf 125 im Jahr 2012, wobei sich die Population in Gebiete ausbreitete, in denen der Vielfraß zuvor nicht präsent war (Persson, 2015).
Ein weiteres erfolgreiches innovatives Finanzierungssystem ist das Golden-Eagle-Programm, bei dem die samische Rentierzüchtergemeinschaft im finnischen Teil Lapplands Prämien für die erfolgreiche Schaffung von Steinadlerhorsten und -revieren erhält (Europäische Kommission, 2017). Seit Einführung des Programms durch die finnische Regierung im Jahr 1998 wurde eine deutliche Veränderung der Einstellung der Züchter gegenüber dem Steinadler verzeichnet: Sie betrachten ihn inzwischen als Ressource und nicht als Plage.
Durch einen naturnahen Ökotourismus generierte Einkommens- und Beschäftigungschancen können ebenfalls zu einer größeren Akzeptanz des Wolfes und einer besseren Koexistenz mit der betroffenen Landbevölkerung beitragen. In Spanien hat sich die Region nordwestlich von Zamora (die Sierra de la Culebra) zu einer wichtigen Tourismusregion für die Beobachtung von Wölfen entwickelt, die eine bedeutende Einkommensquelle darstellt und jedes Jahr Tausende von Touristen anzieht. Bei solchen Tourismusinitiativen muss allerdings darauf geachtet werden, dass die Erhaltung des Wolfes nicht beeinträchtigt wird (indem z. B. Störungen der Tiere und ihrer Fortpflanzungsstätten vermieden werden). Zudem sollten die Interessen anderer Betroffener berücksichtigt werden (indem z. B. darauf geachtet wird, dass Großraubtiere nicht in die Nähe von Weidegebieten gelockt werden und dass Großraubtiere den Menschen nicht mit Futter assoziieren).
Eine andere Finanzierungsmöglichkeit wurde (im Rahmen des LIFE-Projekts WOLFALPS) in Italien in der Region Piemont entwickelt. Ein lokales Gütezeichen („Terre di Lupi“ – „Land des Wolfes“) wurde eingeführt und es wurden mehrere Werbekampagnen für Käse und andere landwirtschaftliche Produkte ins Leben gerufen, deren Erzeuger von der Verbreitung des Wolfes betroffen sind und Präventivmaßnahmen zur Ermöglichung einer Koexistenz umsetzen.
Gewinner des Natura-2000-Preises in der Kategorie „Sozioökonomische Vorteile“ war im Jahr 2020 das Projekt „Pro-Biodiversidad: Hirten als Schützer der biologischen Vielfalt im Natura-2000-Netz“. Es zeigte, wie Landwirte und Naturschützer so zusammenarbeiten können, dass der Naturschutz für die Gemeinschaften vor Ort Ressourcen und Vorteile bringt und nicht nur Probleme bereitet. Weite Teile des Picos de Europa-Gebirgszugs leiden wirtschaftlich unter Landflucht, einem Rückgang an Weideflächen, einem Verlust an Nahrungsquellen für Aasfresser und unter Brandgefahr. Die Fundación para la Conservación del Quebrantahuesos beschloss, diesem Problem durch die Einführung eines besonderen Zertifikats – Pro-Biodiversidad (Pro-Biodiversität) – entgegenzuwirken, um die Extensivhaltung von Schafen zu unterstützen, die Landflucht zu stoppen und die Bedingungen für die biologische Vielfalt zu verbessern. Die Regelung sieht vor, dass die Begünstigten einen höheren Preis für Schaffleisch erhalten, das von Landwirten erzeugt wird, die eine Koexistenz mit dem Wolf eingehen.
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6. Artikel 16: Ausnahmen vom strengen Schutz der Wolfspopulationen gemäß Anhang IV
Grundsätzlich gilt, dass alle in Anhang IV der FFH-Richtlinie aufgeführten Wolfspopulationen streng geschützt sind und dass die Exemplare in ihren natürlichen Verbreitungsgebieten nicht absichtlich gefangen, getötet oder gestört werden dürfen. Zudem ist die Beschädigung oder Vernichtung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten untersagt. Dieser Schutz gilt sowohl innerhalb als auch außerhalb der Natura-2000-Gebiete.
Dennoch kann es in bestimmten Ausnahmefällen gerechtfertigt sein, den Fang oder das Töten einzelner Exemplare zuzulassen, beispielsweise um ernste Schäden in der Tierhaltung zu verhindern, um Wölfe zu Forschungs-, Monitoring- und Managementzwecken zu besendern oder um futterkonditionierte oder auffällige und potenziell gefährliche Exemplare zu entnehmen.
Artikel 16 der FFH-Richtlinie sieht die nötige Flexibilität vor, um diesen Situationen Rechnung zu tragen, und erlaubt es den Mitgliedstaaten, Ausnahmen von den allgemeinen strengen Schutzvorschriften zu erlassen und die genannten Maßnahmen durchzuführen (die folgenden Absätze sollten in Verbindung mit Kapitel 3 des Leitfadens gelesen werden).
Bedingungen für die Genehmigung einer Ausnahme
In Artikel 16 sind drei Kriterien genannt, die alle erfüllt sein müssen, damit eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden kann. Die zuständigen einzelstaatlichen Behörden müssen nachweisen,
-dass einer oder mehrere der in Artikel 16 Absatz 1 Buchstaben a bis e genannten Gründe vorliegen, und diese hinreichend belegen,
-dass es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt (d. h. dass es nicht möglich ist, das Problem ohne Anwendung einer Ausnahmeregelung – also mit nicht tödlichen Mitteln – zu lösen)
-und dass die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen.
Im Folgenden wird die Anwendung dieser Vorschriften am Beispiel des Wolfes erläutert. Es wird daran erinnert, dass es Sache der zuständigen einzelstaatlichen Behörden ist, bei der Umsetzung dieser Vorschriften angemessen zu begründen und nachzuweisen, dass alle in Artikel 16 Absatz 1 genannten Kriterien erfüllt sind. Desgleichen ist es vornehmlich Sache der einzelstaatlichen Justizbehörden, zu überprüfen und zu gewährleisten, dass die Vorschriften im jeweiligen Kontext und im Einzelfall eingehalten werden.
1)Nachweis des Vorliegens eines oder mehrerer der in Artikel 16 Absatz 1 Buchstaben a bis e genannten Gründe
Gemäß Artikel 16 Absatz 1 können aus folgenden Gründen Ausnahmen gewährt werden:
„a) zum Schutz der wildlebenden Tiere und Pflanzen und zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume;
b) zur Verhütung ernster Schäden insbesondere an Kulturen und in der Tierhaltung sowie an Wäldern, Fischgründen und Gewässern sowie an sonstigen Formen von Eigentum;
c) im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder positiver Folgen für die Umwelt;
d) zu Zwecken der Forschung und des Unterrichts, der Bestandsauffüllung und Wiederansiedlung und der für diese Zwecke erforderlichen Aufzucht, einschließlich der künstlichen Vermehrung von Pflanzen;
e) um unter strenger Kontrolle, selektiv und in beschränktem Ausmaß die Entnahme oder Haltung einer begrenzten und von den zuständigen einzelstaatlichen Behörden spezifizierten Anzahl von Exemplaren bestimmter Tier- und Pflanzenarten des Anhangs IV zu erlauben.“
Beispiele für die Rechtfertigung von Ausnahmen für Wölfe:
·Rechtfertigung a) Diese Rechtfertigung dürfte nur selten zum Tragen kommen. Sie könnte geltend gemacht werden, wenn beispielsweise eine geschützte wild lebende Beutetierart durch den Wolf gefährdet ist. Dennoch gilt es zu beachten, dass die Jagd einer heimischen Art auf eine andere heimische Art ein natürlicher Vorgang ist und zur Funktionsweise von Ökosystemen gehört. Bevor eine Ausnahmeregelung in Betracht gezogen wird, sollten außerdem in jedem Fall die anderen Bedrohungen und begrenzenden Faktoren für die Beutetierart ermittelt und wirksam angegangen werden (z. B. Verschlechterung des Lebensraums, menschlicher Einfluss, Überjagung, Konkurrenz durch heimische Arten usw.).
·Rechtfertigung b) Im Falle des Wolfes gewähren die Mitgliedstaaten Ausnahmen oftmals, um ernste Nutztierschäden zu verhindern. Da mit dieser Bestimmung gegen ernste Schäden vorgebeugt werden soll, muss der Schaden nicht bereits eingetreten sein. Allerdings muss die Wahrscheinlichkeit eines ernsten, über das normale Betriebsrisiko hinausgehenden Schadens nachgewiesen werden; außerdem ist hinreichend zu belegen, dass der im Rahmen der Ausnahmeregelung genehmigte Einsatz einer tödlichen Abhilfemaßnahme wirksam, verhältnismäßig und nachhaltig zur Verhütung oder Eindämmung des ernsten Schadens beiträgt. Diese Rechtfertigung könnte herangezogen werden, um Wölfe zu entnehmen, die trotz angemessener Umsetzung geeigneter vorbeugender Maßnahmen (wie wolfsabweisende Elektrozäune und Herdenschutzhunde) wahrscheinlich große Nutztierschäden anrichten würden.
·Rechtfertigung c) Mit dem Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder positiver Folgen für die Umwelt, könnte zum Beispiel der Einsatz von Methoden zur Abschreckung futterkonditionierter, zutraulicher oder dreister Wölfe, die sich wiederholt dem Menschen nähern, oder zur Abschreckung anderer Exemplare oder Wolfsrudel gerechtfertigt werden, die ein unerwünschtes und gefährliches Verhalten zeigen.
Beispiele für im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit getroffene Maßnahmen:
Die deutsche Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) hat Leitlinien verabschiedet, die den für das Wolfsmanagement zuständigen nationalen Behörden beim Umgang mit dreisten oder verhaltensauffälligen Wölfen als Hilfestellung dienen sollen (Reinhardt et al., 2018). Mithilfe dieser Leitlinien können die Behörden eine Ersteinschätzung in Bezug auf die tatsächliche Verhaltensauffälligkeit eines Wolfes vornehmen. Scheint sich ein Wolf in der Tat von Menschen oder Hunden angezogen zu fühlen, wird anschließend je nach Schwere der beobachteten Vorfälle eine mehrstufige Vorgehensweise empfohlen, vom Entfernen von Anreizen (z. B. Nahrung) und negativer Konditionierung bis hin zur Entnahme des Wolfes (durch tödliche und nicht tödliche Maßnahmen) in besonders schwerwiegenden Fällen.
Die wissenschaftlichen Gutachter der LCIE (Large Carnivore Initiative for Europe, eine Fachgruppe der Species Survival Commission der Weltnaturschutzunion) haben in einem ähnlichen Sinne eine Erklärung zum Management auffälliger Wölfe erstellt, in der empfohlene Maßnahmen zum Umgang mit unterschiedlichen Wolfsverhaltensweisen und Forschungsschwerpunkte beschrieben werden (LCIE, 2019).
Einschätzung verschiedener Wolfsverhaltensweisen in Bezug auf die Gefährlichkeit für den Menschen mit Handlungsempfehlungen (LCIE, 2019)
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Verhalten
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Einschätzung
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Handlungsempfehlung
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Wolf läuft in der Dunkelheit an Ortschaften entlang.
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Ungefährlich
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Kein Handlungsbedarf
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Wolf läuft im Hellen in Sichtweite von Ortschaften/verstreut liegenden Häusern entlang.
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Ungefährlich
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Kein Handlungsbedarf
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Wolf flüchtet nicht sofort beim Anblick von Autos oder Menschen. Bleibt stehen und beobachtet seinerseits.
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Ungefährlich
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Kein Handlungsbedarf
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Wolf wird über mehrere Tage unter 30 m entfernt von bewohnten Häusern gesehen (mehrere Ereignisse über einen längeren Zeitraum).
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Verlangt Aufmerksamkeit;
Mögliches Problem mit starker Habituierung oder positiver Konditionierung
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Situation untersuchen;
Suche nach und Entfernen von Anreizen;
eventuell negative Konditionierung
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Wolf toleriert mehrfach die Annäherung von Menschen auf unter 30 m.
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Verlangt Aufmerksamkeit;
Anzeichen für starke Habituierung;
Mögliches Problem mit positiver Konditionierung
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Situation untersuchen;
eventuell negative Konditionierung
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Wolf nähert sich aus eigenem Antrieb mehrfach Menschen auf unter 30 m. Ist offenbar an Menschen interessiert.
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Verlangt Aufmerksamkeit/kritische Situation;
positive Konditionierung und starke Habituierung können zu einem immer dreisteren Verhalten führen;
Verletzungsgefahr
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eventuell negative Konditionierung
Entnahme des Wolfes, falls negative Konditionierung erfolglos bleibt oder nicht praktikabel ist
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Wolf attackiert oder verletzt Menschen unprovoziert.
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Gefährlich
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Entnahme
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·Rechtfertigung d) – Die Rechtfertigung zu Zwecken der Forschung, des Unterrichts und der Wiederansiedlung könnte beispielsweise angewandt werden, wenn Wölfe vorübergehend gefangen werden, um sie zu Forschungs- oder Monitoringzwecken oder im Rahmen von Artenschutzmaßnahmen für eine Umsiedlung zu besendern.
Beispiel für das Fangen von Wölfen zu Forschungs- und Monitoringzwecken
2018 kam die Kommission mit den deutschen Behörden im Wege eines Schriftwechsels darin überein, dass die Verordnung (EWG) Nr. 3254/91 über Tellereisen unter bestimmten Umständen so ausgelegt werden kann, dass Soft-Catch-Fallen von dem in dieser Verordnung ausgesprochenen Verbot ausgenommen sind. Bei Soft-Catch-Fallen sind die Fangbügel nicht mit Eisenzähnen versehen, sondern mit Gummi gepolstert, um die Verletzungsgefahr für das Tier beim Fang so gering wie möglich zu halten. Sie gelten zurzeit als beste Möglichkeit, Wölfe zu Monitoring- und Forschungszwecken lebend zu fangen, weil sie zuverlässiger funktionieren und die Verletzungsgefahr geringer ist.
Nach Auffassung der Kommission stünde es dem Erhaltungsziel der Verordnung (EWG) Nr. 3254/91 entgegen, Soft-Catch-Fallen in das Verwendungsverbot der Verordnung einzuschließen, wenn sich ihr Einsatz zu Forschungs- und Monitoringzwecken als notwendig erweist, um den Erhaltungszustand der betroffenen Art zu verbessern. Folglich käme der Einsatz von Soft-Catch-Fallen ausschließlich zu Erhaltungszwecken in Betracht, sofern i) es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt, ii) der günstige Erhaltungszustand der betroffenen Art dadurch nicht beeinträchtigt wird und iii) alle Vorkehrungen getroffen werden, damit das Tier nicht verletzt wird und möglichst wenig Stress erleidet.
In der Praxis sollten Soft-Catch-Fallen über einen Sender verfügen, der den Fang eines Tieres sofort an die zuständigen Behörden meldet. Die zuständigen Behörden sollten innerhalb von 30 Minuten nach Eingang der Meldung eingreifen, damit das Tier nur möglichst kurz unter Stress leidet und sich nicht selbst verletzt. Das Tier muss von einem Tierarzt narkotisiert, mit einem Sender versehen und dann sofort wieder freigelassen werden.
Ausnahmen gemäß Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e können – wie in Abschnitt 3.2.1 erläutert – in Ausnahmefällen angewandt werden, um die Entnahme oder Haltung von Exemplaren bestimmter Wölfe zu erlauben, wobei mehrere zusätzliche strenge Bedingungen eingehalten werden müssen. Wie der EuGH in der Rechtssache C‑674/17 bestätigt hat, ist der Begriff „Entnahme“ so zu verstehen, dass er sowohl den Fang als auch die Tötung von Exemplaren umfasst.
Das Ziel einer auf Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e gestützten Ausnahme kann sich insofern grundsätzlich nicht mit den Zielen der auf Artikel 16 Absatz 1 Buchstaben a bis d der Richtlinie gestützten Ausnahmen überschneiden, als die erstgenannte Bestimmung nur dann als Grundlage für den Erlass einer Ausnahmeregelung dienen kann, wenn die letztgenannten Bestimmungen nicht einschlägig sind.
Fällt das Ziel einer Ausnahme unter einen der Buchstaben a bis d des Artikels 16, so muss sich die Ausnahmeregelung auf einen (oder mehrere) dieser Buchstaben stützen. Die Ausnahmeregelungen und die Gründe für deren Anwendung müssen transparent sein. Besteht beispielsweise das Hauptziel darin, ernste Schäden an Nutztieren oder Eigentum abzuwenden, sollte Buchstabe b angewandt werden. Zeigt ein habituierter Wolf gefährliche Verhaltensweisen, so ist Buchstabe c anzuwenden. Buchstabe e ist also keine Auffangbestimmung, die für jede Form der Tötung herangezogen werden kann.
Wie bei allen Ausnahmeregelungen gemäß Artikel 16 sollten einzelstaatliche Entscheidungen zur Genehmigung der Tötung von Wölfen zu außergewöhnlichen, spezifischen und eindeutigen Zwecken erlassen werden, die mit den Zielen der Richtlinie (Artikel 2) vereinbar und angemessen begründet sind.
Der EuGH akzeptierte in der Rechtssache C‑674/17, dass die Bekämpfung der illegalen Jagd auf Wölfe (Wilderei) grundsätzlich ein Ziel darstellen könnte, das mit der Ausnahmegenehmigung nach Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e verfolgt wird, sofern sie zur Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet beitragen kann. In diesem Fall muss die einzelstaatliche Genehmigungsbehörde die Ausnahme durch fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse untermauern, gegebenenfalls auch anhand von Vergleichsdaten zu den Folgen einer solchen Ausnahmeregelung für den Erhaltungszustand der Art. Im Falle einer Ausnahmeregelung zur Bekämpfung der Wilderei muss die Behörde auch die jüngsten Schätzungen über den Umfang der Wilderei und die Sterblichkeit auf der Grundlage aller genehmigten Ausnahmen berücksichtigen. Zwecks Bekämpfung der Wilderei genehmigte Ausnahmen sollten daher die durch Wilderei bedingte Sterblichkeit der betroffenen Population verringern können, und zwar in einem solchen Maß, dass sie eine positive Nettoauswirkung auf den Erhaltungszustand der Wolfspopulation hätten.
Darüber hinaus müssen auf der Grundlage von Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e genehmigte Ausnahmen im Vergleich zu den in Artikel 16 Absatz 1 Buchstaben a bis d genannten Ausnahmen zusätzliche einschränkende Bedingungen erfüllen. Die Anwendung dieser Ausnahme ist nur unter strenger Kontrolle, mit klaren Auflagen in Bezug auf Ort, Zeit und Anzahl sowie mit der Pflicht zu strengen territorialen, zeitlichen und persönlichen Kontrollen zulässig, um eine wirksame Durchsetzung zu gewährleisten. Darüber hinaus darf sie nur selektiv und in beschränktem Ausmaß sowie für eine begrenzte Zahl von Exemplaren erteilt werden.
In Bezug auf die Selektivität muss sich die Ausnahme auf unter Berücksichtigung des mit ihr verfolgten Ziels möglichst spezifisch und sachgerecht festgelegte Exemplare beziehen. Daher kann es, wie der EuGH in der Rechtssache C‑674/17 betont hat, erforderlich sein, nicht nur festzulegen, welche Art oder welche Typen oder Gruppen von Exemplaren unter die Ausnahme fallen, sondern auch einzeln identifizierte Exemplare festzulegen.
Was die „begrenzte Zahl“ anbelangt, so wird diese Anzahl in jedem Fall von der Größe der Population (Zahl der Individuen), ihrem Erhaltungszustand und ihren biologischen Merkmalen abhängig sein. Die „begrenzte Zahl“ soll anhand fundierter wissenschaftlicher Daten in Bezug auf Geografie, Klima, Umwelt und Biologie sowie anhand von Daten über Fortpflanzungsraten und die Gesamtsterblichkeit aufgrund natürlicher Ursachen bestimmt werden. Die Zahl ist in den Entscheidungen über Ausnahmen klar zu bezeichnen.
2)Fehlen einer anderweitigen zufriedenstellenden Lösung
Die zweite Voraussetzung lautet, dass es „keine anderweitige zufriedenstellende Lösung“ geben darf. Das bedeutet, dass vorbeugende und nicht tödliche Methoden stets als erste Option in Betracht gezogen werden sollten (Ausnahmen sind der letzte Ausweg). Mögliche Alternativlösungen hängen vom Kontext und den spezifischen Zielen der zu prüfenden Ausnahme ab; zudem sollte der im jeweiligen Einzelfall verfügbare beste Wissens- und Erfahrungsstand berücksichtigt werden.
So müssen etwa im Falle von Nutztierschäden vor der Genehmigung einer Ausnahme nicht tödliche Alternativlösungen Vorrang haben und angemessene und sinnvolle vorbeugende Maßnahmen zur Eindämmung von Nutztierschäden – z. B. Beaufsichtigung durch Hirten, Einsatz von Herdenschutzhunden, Errichtung von Schutzzäunen oder alternatives Herdenmanagement (z. B. Abkalbe-/Ablammkontrolle) – ordnungsgemäß umgesetzt werden. Nur wenn solche Alternativlösungen umgesetzt wurden und keine oder nur teilweise Wirkung zeigten oder wenn solche Alternativlösungen im konkreten Einzelfall nicht praktikabel sind, darf zur Beseitigung des (verbleibenden) Problems eine Ausnahme genehmigt werden.
Im Falle dreister bzw. verhaltensauffälliger Wölfe oder im Falle futterkonditionierter Wölfe sollten in einem ersten Schritt die spezifischen Ursachen (z. B. Anreize durch Nahrung aufgrund einer schlechten Abfallbewirtschaftung) beseitigt und eine negative Konditionierung durchgeführt werden, um die Tiere zu vergrämen (z. B. durch verschiedene Formen der Abschreckung und nicht tödliche Methoden) und möglichst eine Verhaltensänderung herbeizuführen, damit sie Menschen aus dem Weg gehen (Reinhardt et al., 2018). Wenn solche Alternativlösungen geprüft und sich als nicht zufriedenstellend oder im konkreten Fall als nicht praktikabel erwiesen haben, kann eine Ausnahme genehmigt werden.
In Bezug auf die oben genannten Ausnahmen zur Bekämpfung der Wilderei hat der EuGH (in der Rechtssache C‑674/17, Randnummern 48, 49 und 50) klargestellt, dass das bloße Bestehen einer illegalen Aktivität wie der Wilderei oder die Schwierigkeiten, denen bei der Umsetzung der Kontrolle dieser Aktivität begegnet wird, nicht genügen können, um einen Mitgliedstaat von seiner Pflicht zu entbinden, den Schutz der gemäß Anhang IV der FFH-Richtlinie geschützten Arten zu gewährleisten. In einer solchen Situation hat er vielmehr einer strengen und wirksamen Kontrolle dieser illegalen Aktivität sowie der Durchführung von Maßnahmen Vorrang einzuräumen, die den in Artikel 12 bis 14 sowie Artikel 15 Buchstaben a und b dieser Richtlinie aufgestellten Verboten Rechnung tragen. Zur Stützung einer Ausnahmegenehmigung sollten die Mitgliedstaaten eine genaue und angemessene Begründung hinsichtlich des Fehlens einer zufriedenstellenden Lösung zur Erreichung der Ziele darlegen, wobei anzugeben ist, dass es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt, oder auf die in diesem Zusammenhang relevanten technischen, rechtlichen und wissenschaftlichen Berichte zu verweisen ist.
3)Wahrung eines günstigen Erhaltungszustands der Population
Gemäß der dritten Bedingung muss gewährleistet sein, „dass die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen“.
Gemäß Artikel 1 Buchstabe i der FFH-Richtlinie bezeichnet der Begriff „Erhaltungszustand einer Art“ die Gesamtheit der Einflüsse, die sich langfristig auf die Verbreitung und die Größe der Populationen der betreffenden Arten im Gebiet der Mitgliedstaaten auswirken können. Der Erhaltungszustand einer Art gilt als günstig, wenn i) die Population „ein lebensfähiges Element des natürlichen Lebensraumes, dem sie angehört, bildet und langfristig weiterhin bilden wird“, ii) „das natürliche Verbreitungsgebiet dieser Art weder abnimmt noch in absehbarer Zeit vermutlich abnehmen wird“ und iii) „ein genügend großer Lebensraum vorhanden ist und wahrscheinlich weiterhin vorhanden sein wird, um langfristig ein Überleben der Populationen dieser Art zu sichern“. Weitere Informationen sind den in Artikel 17 der FFH-Richtlinie dargelegten Leitlinien über die Berichterstattung zu entnehmen.
Damit diese Bedingung (Populationen der betroffenen Tierart können in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahme ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen) zutrifft, muss eine Einschätzung der möglichen Auswirkungen der Ausnahmeregelung sowohl auf die betroffene Population als auch auf den Erhaltungszustand der Art im Gebiet des Mitgliedstaats vorgenommen werden.
Die Entscheidungen über die Nutzung von Ausnahmeregelungen und die Einschätzung ihrer möglichen Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der betroffenen Population müssen auf genauen Kenntnissen über die betreffende Wolfspopulation und ihre Entwicklung basieren. Auch die zusätzlichen und kumulierten Auswirkungen der Ausnahmeregelungen sollten sorgfältig bewertet werden, wobei etwaige andere direkte oder indirekte negative Einflüsse menschlicher Tätigkeiten (einschließlich der unbeabsichtigten und rechtswidrigen Tötung) zu berücksichtigen sind. Damit wird sichergestellt, dass der Erhaltungszustand der Population durch die Entscheidung nicht beeinträchtigt wird.
Der EuGH hat in der Rechtssache C‑674/17 (Randnummern 57–61) betont, dass sich eine Ausnahmeregelung gemäß Artikel 16 Absatz 1 auf Kriterien stützen muss, die die Erhaltung der Populationsdynamik und -stabilität der betreffenden Art langfristig sicherstellen. Folglich sollten die kumulierten demografischen und geografischen Auswirkungen sämtlicher Ausnahmeregelungen auf die betroffene Population sorgfältig und in Verbindung mit der natürlichen oder vom Menschen verursachten Sterblichkeit bewertet werden.
Die Bewertung ist „bezogen auf das lokale Gebiet und auf das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats oder gegebenenfalls auf die betreffende biogeografische Region, wenn sich die Grenzen dieses Mitgliedstaats mit mehreren biogeografischen Regionen überschneiden oder wenn das natürliche Verbreitungsgebiet der Art dies erfordert, und soweit möglich grenzüberschreitend“ vorzunehmen. Dabei sollte jedoch „der Teil des natürlichen Verbreitungsgebiets der betreffenden Population, der sich auf Teile des Hoheitsgebiets eines Drittstaats erstreckt, der nicht an die Verpflichtungen zum strengen Schutz der Arten von Interesse für die Europäische Union gebunden ist“, nicht berücksichtigt werden.
In der Rechtssache C‑342/05 stellte der EuGH fest, dass Ausnahmen, die Populationen mit ungünstigem Erhaltungszustand betreffen, „ausnahmsweise“ zulässig sein können, „wenn hinreichend nachgewiesen ist, dass sie nicht geeignet sind, den ungünstigen Erhaltungszustand dieser Populationen zu verschlechtern oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands zu behindern“. Der Gerichtshof kam zu folgendem Schluss: „[Es kann] nicht ausgeschlossen werden, dass die Tötung einer Reihe von Exemplaren sich auf das in Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie genannte Ziel der Bewahrung eines günstigen Erhaltungszustands der Wolfspopulation innerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets nicht auswirkt. Eine Ausnahme wäre in einem solchen Fall daher für die betreffende Art neutral.“
Der EuGH hat diese Feststellung in der Rechtssache C‑674/17 (Randnummern 66–69) bestätigt und zusätzlich auf den Vorsorgegrundsatz verwiesen: „[Der Gerichtshof hat] in Bezug auf die Auswirkungen des ungünstigen Erhaltungszustands einer Art auf die Möglichkeit, Ausnahmen gemäß Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie zuzulassen, bereits entschieden, dass solche Ausnahmen ausnahmsweise weiterhin zulässig sind, wenn hinreichend nachgewiesen ist, dass sie nicht geeignet sind, den ungünstigen Erhaltungszustand dieser Populationen zu verschlechtern oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands zu behindern.“ Wenn allerdings „die Prüfung der besten verfügbaren wissenschaftlichen Daten eine erhebliche Unsicherheit bestehen lässt, ob eine Ausnahme die Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der Populationen der betroffenen Art beeinträchtigen wird oder nicht, [hat] der Mitgliedstaat von ihrem Erlass oder ihrer Umsetzung Abstand zu nehmen“.
Folglich können im Einzelfall Ausnahmen zur Tötung von wenigen Exemplaren auch dann genehmigt werden, wenn der Erhaltungszustand der Art (noch) nicht günstig ist, vorausgesetzt, dass die Ausnahmeregelung im Hinblick auf den Erhaltungszustand neutral ist, d. h. dass die Ausnahmeregelung das Ziel der Wiederherstellung bzw. Wahrung eines günstigen Erhaltungszustands der Wolfspopulation in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet nicht gefährdet. Die Folgewirkungen einer Ausnahmeregelung insgesamt für die Populationsdynamik, das Verbreitungsgebiet, die Populationsstruktur und den Gesundheitszustand (einschließlich genetischer Aspekte) oder für die Vernetzungsbedürfnisse der betroffenen Wolfspopulation dürfen daher nicht negativ ausfallen.
Je ungünstiger also der Erhaltungszustand und dessen Entwicklung ist, desto unwahrscheinlicher ist es – abgesehen von extremen Ausnahmefällen –, dass diese dritte Bedingung erfüllt werden kann und die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gerechtfertigt wäre. Der Erhaltungszustand und die Entwicklung der Art (auf biogeografischer und auf Populationsebene), ermittelt anhand genauer Erkenntnisse und Daten, sind daher entscheidende Aspekte bei der Prüfung der Frage, ob die dritte Bedingung erfüllt ist.
Ausnahmen und die Rolle von Plänen zum günstigen Erhaltungszustand und zum Artenschutz
Ein angemessener und umfassender Plan für die Erhaltung und das Management des Wolfes kann einen geeigneten Gesamtrahmen für die Umsetzung aller erforderlichen Instrumente und Maßnahmen einschließlich der Anwendung eventueller Ausnahmen bilden. Wo solche Pläne ordnungsgemäß umgesetzt werden und nachweislich zu einem günstigen Erhaltungszustand beitragen, sieht Artikel 16 der FFH-Richtlinie durch die Anwendung von Ausnahmen die notwendige Flexibilität vor.
Ausnahmen vom strengen Schutz der Wölfe sind leichter zu rechtfertigen, wenn in einem Mitgliedstaat ein umfassendes Bündel an angemessenen, wirksamen und überprüfbaren Maßnahmen eingeführt und korrekt umgesetzt wurde, die einen wirksamen Schutz gewährleisten und dazu dienen, den günstigen Erhaltungszustand der Art zu erreichen oder zu wahren.
Dies wäre dann gegeben, wenn
-ein angemessener Plan für die Erhaltung und Erholung des Wolfsbestands vorhanden ist, der vollständig und korrekt umgesetzt und sorgfältig überwacht wird mit dem Ziel, einen günstigen Erhaltungszustand zu gewährleisten und sozioökonomische Konflikte zu entschärfen,
-der Plan auf den besten verfügbaren wissenschaftlichen Daten und einem soliden System für das Monitoring der Wolfspopulation fußt,
-alle erforderlichen Präventions- und Ausgleichsmaßnahmen durchgeführt werden,
-geeignete Maßnahmen zur wirksamen Bekämpfung der Wilderei (zum Beispiel Einstufung als Straftatbestand, Vollstreckungsmaßnahmen und Sensibilisierung) sowie zur Beseitigung anderer vom Menschen verursachter Sterblichkeitsfaktoren (z. B. durch Unfälle im Straßenverkehr) umgesetzt werden,
-alle anderen Bedrohungen für die Erhaltung der Wölfe im betroffenen Gebiet (z. B. durch Hybridisierung) erfolgreich angegangen werden,
-die anderen Ursachen für die Sterblichkeit von Herdentieren (z. B. frei laufende Hunde) in angemessener Weise behoben werden,
-die Ziele und Bedingungen für die Anwendung von Ausnahmen klar festgelegt und hinreichend wissenschaftlich begründet und belegt sind, es nachweislich keine zufriedenstellenden anderweitigen Lösungen gibt und die Verhinderung oder Eindämmung des ernsten Schadens bzw. die Erreichung der anderen Ziele der Ausnahmeregelungen nur durch die in der Ausnahmeregelung vorgesehene tödliche Methode möglich ist, Ausnahmen auf Einzelfallbasis geprüft und genehmigt werden,
-der Erhaltungszustand der Population durch die vorgesehene Ausnahmeregelung weder auf der Ebene der Population noch auf der Ebene des natürlichen Verbreitungsgebiets der Art beeinträchtigt wird.
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