BEGRÜNDUNG
Diese Verordnung ist Teil einer umfassenderen Initiative der Kommission zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung. Sie schafft die Grundlage für einen EU-Rahmen, der Nachhaltigkeitsaspekte ins Zentrum des Finanzsystems rückt, um die Umformung der europäischen Wirtschaft zu einem umweltfreundlicheren, widerstandsfähigeren und stärker kreislauforientierten System zu unterstützen, ganz wie es den Zielen des europäischen Grünen Deals entspricht.
Nach der Annahme des Pariser Klimaschutzübereinkommens von 2016 und der Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung kündigte die Kommission in ihrem Aktionsplan „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ ihre Absicht an, dafür zu sorgen, dass der Aspekt der Nachhaltigkeit in die Finanzberatung einbezogen und in den sektoralen Rechtsvorschriften Klarheit über die „treuhänderischen Pflichten“ in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte geschaffen wird. In der Mitteilung über den europäischen Grünen Deal wird bekräftigt, dass langfristige Signale erforderlich sind, um Finanz- und Kapitalströme in umweltfreundliche Investitionen zu lenken und „verlorene Vermögenswerte“ zu vermeiden. Die vorliegende delegierte Verordnung wird zu diesem Ziel beitragen.
Mit der Delegierten Verordnung (EU) 2017/2358 der Kommission wird die Richtlinie (EU) 2016/97des Europäischen Parlaments und des Rates („Versicherungsvertriebsrichtlinie“, kurz: IDD) durch weitere Präzisierung der Aufsichts- und Lenkungsanforderungen für Versicherungsunternehmen und Versicherungsvertreiber ergänzt, während die Delegierte Verordnung (EU) 2017/2359 der Kommission die Richtlinie (EU) 2016/97 in Bezug auf die für den Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten geltenden Informationspflichten und Wohlverhaltensregeln ergänzt. Mit der vorliegenden Verordnung werden die Delegierten Verordnungen (EU) 2017/2358 und (EU) 2017/2359 in zweifacher Hinsicht geändert.
Erstens wird als Ergänzung der Eignungsbeurteilung die Berücksichtigung der Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden vorgeschrieben. Im bestehenden IDD-Rahmen müssen Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen, die Versicherungsanlageprodukte vertreiben, die erforderlichen Informationen über die Kenntnisse und Erfahrungen der Kunden im Anlagebereich, ihre finanziellen Verhältnisse, einschließlich ihrer Fähigkeit, Verluste zu tragen, und ihre Ziele, auch hinsichtlich ihrer Risikotoleranz, einholen, damit sie die für den Kunden geeigneten Versicherungsanlageprodukte empfehlen können (Eignungsbeurteilung). Die Informationen über die Investitionsziele umfassen auch Angaben zu den Risikopräferenzen, zum Risikoprofil und zum Zweck der Investition. Allerdings beziehen sich die Informationen über die Investitionsziele generell auf die finanziellen Ziele, während andere nichtfinanzielle Ziele des Kunden, etwa seine Nachhaltigkeitspräferenzen, in der Regel nicht angesprochen werden. Die üblichen Eignungsbeurteilungen beinhalten normalerweise keine Fragen zu den Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden, und die Mehrheit der Kunden spricht den Nachhaltigkeitsaspekt von sich aus nicht an. Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen, die Versicherungsanlageprodukte vertreiben, könnten Nachhaltigkeitsfaktoren im Auswahlprozess also durchweg angemessener berücksichtigen.
Gemäß der Verordnung (EU) 2019/2088 des Europäischen Parlaments und des Rates (SFDR) muss in der Dokumentation zu einem Finanzprodukt erläutert werden, wie die erklärte Nachhaltigkeit bzw. die erklärten Nachhaltigkeitsziele erreicht werden oder erreicht werden sollen. Da es hier nicht um eine Kennzeichnungsregelung geht, können durchaus unterschiedliche Nachhaltigkeitsziele beschrieben werden. Während die in Artikel 9 SFDR genannten Finanzprodukte mit dem Grundsatz der Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen in Einklang stehende nachhaltige Investitionen im Sinne von Artikel 2 Nummer 17 der SFDR zum Ziel haben müssen, könnten die unter Artikel 8 SFDR fallenden Finanzprodukte verschiedene Strategien beinhalten, darunter auch solche, die zwar den Anspruch erheben, auf ökologische, soziale und Governance-Faktoren (ESG-Faktoren), auf sozial verantwortliches Investieren (SRI) oder auf Nachhaltigkeit ausgerichtet zu sein, die aber keine ausreichende nachhaltigkeitsbezogene Wesentlichkeit aufweisen könnten. In Anbetracht dessen und der unterschiedlichen Produktbereiche von IDD, SFDR und der Verordnung (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates (Taxonomie-Verordnung) wird mit dem vorliegenden Verordnungsentwurf sichergestellt, dass Finanzinstrumente, die einen bestimmten Grad an nachhaltigkeitsbezogener Wesentlichkeit aufweisen, gegenüber Kunden oder potenziellen Kunden, die eindeutige Nachhaltigkeitspräferenzen zum Ausdruck bringen, empfohlen werden dürfen. Das Konzept der Nachhaltigkeitspräferenzen beinhaltet somit Finanzinstrumente, die entweder – zumindest bis zu einem gewissen Grad – der Anlage in taxonomiekonforme Tätigkeiten im Sinne der Taxonomie-Verordnung oder in nachhaltige Investitionen im Sinne von Artikel 2 Nummer 17 SFDR dienen, die unter anderem auch taxonomiekonforme Tätigkeiten umfassen oder die bezogen auf die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren negative externe Effekte von Investitionen auf die Umwelt oder die Gesellschaft berücksichtigen. Die Vorschriften über Nachhaltigkeitspräferenzen befördern und stärken das politische Ziel, „Greenwashing“ und unlautere Verkaufspraktiken einzudämmen und den Wandel des Finanzsystems voranzutreiben, damit Unternehmen auf ihrem Weg zur Nachhaltigkeit echte Unterstützung erhalten und bereits nachhaltige Unternehmen weiter unterstützt werden.
Die Vorschriften über Nachhaltigkeitspräferenzen stellen die Kohärenz mit der SFDR und der Taxonomie-Verordnung sicher und stärken die Wirksamkeit nachhaltigkeitsbezogener Offenlegungen im Rahmen dieser Verordnungen in erheblichem Maße. Gemäß Taxonomie-Verordnung muss offengelegt werden, inwieweit Investitionen mit der EU-Taxonomie in Einklang stehen.
Für die operative Ebene bedeutet das: Um die internen Abläufe und insbesondere die Ausarbeitung von Empfehlungen für Kunden oder potenzielle Kunden aufgrund einer zuvor angestellten Analyse der Finanzinstrumente zu erleichtern, könnten Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen, die Versicherungsanlageprodukte vertreiben, solche Produkte beispielsweise vorab in eine Rangfolge bringen und zu Gruppen zusammenfassen, wofür sie den Anteil der Investitionen in Wirtschaftstätigkeiten, die als ökologisch nachhaltig eingestuft werden können, den Anteil nachhaltiger Investitionen oder die Berücksichtigung der wichtigsten nachteiligen Auswirkungen zugrunde legen könnten, z. B. anhand von Kategorien der wichtigsten nachteiligen Auswirkungen, Arten von Verpflichtungen und qualitativen oder quantitativen Indikatoren. Da die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren bei den mit Versicherungsanlageprodukten verfolgten Investitionen unterschiedlich sein könnten, sollten Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen den Kunden oder potenziellen Kunden erklären, dass die Elemente, mit denen die Berücksichtigung der wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren nachgewiesen wird, für verschiedene Umwelt-, Sozial-, Arbeitnehmer- oder Governance-Faktoren relevant sein könnten, dass sie den Nachweis dieser Berücksichtigung und der betreffenden Verpflichtung zur Beseitigung der wichtigsten nachteiligen Auswirkungen im Zeitverlauf ermöglichen sollten und dass sie durch qualitative oder quantitative Indikatoren dargestellt werden können, darunter auch, aber nicht nur SFDR-konforme Indikatoren.
Zweitens sorgt diese Verordnung dafür, dass Nachhaltigkeitsrisiken Eingang in die Aufsichts- und Lenkungsanforderungen und in die Bestimmungen über Interessenkonflikte finden. Nach dem bestehenden IDD-Rahmen haben Versicherungsunternehmen und -vermittler, die Versicherungsprodukte für den Verkauf an Kunden herstellen, ein Verfahren für die Genehmigung jedes einzelnen Versicherungsprodukts und jeder wesentlichen Anpassung bestehender Versicherungsprodukte zu unterhalten, zu betreiben und zu überprüfen, bevor das betreffende Produkt an Kunden vermarktet oder vertrieben wird. Im Produktgenehmigungsverfahren wird für jedes Versicherungsprodukt ein bestimmter Zielmarkt ermittelt und sichergestellt, dass alle relevanten Risiken für diesen bestimmten Zielmarkt bewertet werden und die beabsichtigte Vertriebsstrategie mit dem ermittelten Zielmarkt in Einklang steht. In der Delegierten Verordnung (EU) 2017/2358 werden weitere Einzelheiten zum Aufsichts- und Lenkungsprozess festgelegt.
Die Bedingungen, die in der nach Artikel 25 Absatz 2 IDD erlassenen Delegierten Verordnung 2017/2358 für die Ermittlung eines Zielmarkts festgelegt sind, regeln nicht ausdrücklich, wie Nachhaltigkeitsfaktoren und Nachhaltigkeitsziele von Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittlern, die als Hersteller oder Vertreiber von Versicherungsprodukten auftreten, zu berücksichtigen sind. Mit der vorliegenden Verordnung wird klargestellt, dass Nachhaltigkeitsfaktoren und Nachhaltigkeitsziele beim Aufsichts- und Lenkungsprozess für Versicherungsprodukte berücksichtigt werden sollten.
Der Teil zum Thema Nachhaltigkeitsrisiken stützt sich auf die technische Empfehlung der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken und -faktoren in die delegierten Rechtsakte im Rahmen von Solvabilität II und IDD. Die technische Empfehlung kommt zu dem Schluss, dass in den Delegierten Verordnungen (EU) 2017/2358 und (EU) 2017/2359 im Hinblick auf die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken und Nachhaltigkeitsfaktoren größere Klarheit geschaffen werden muss, wobei auf einzelne Bestimmungen hingewiesen wird.
Mit dieser Verordnung und anderen, gleichzeitig angenommenen sektorspezifischen delegierten Rechtsakten zur Anpassung der Vorschriften über treuhänderische Pflichten werden auch die SFDR, die Verordnung (EU) 2019/2089 des Europäischen Parlaments und des Rates und die Taxonomie-Verordnung gestärkt. Mit diesen Vorschriften werden Nachhaltigkeitserwägungen über die verschiedenen Sparten hinweg übereinstimmend in den Investitions-, Beratungs- und Offenlegungsprozess einbezogen. Damit werden Umwelt-, Sozial- und Governance- (Nachhaltigkeits-)erwägungen ins Zentrum des Finanzsystems gerückt, um so zur Wandlung der europäischen Wirtschaft in ein umweltfreundlicheres, CO2-armes, widerstandsfähigeres, ressourcenschonendes und kreislauforientiertes System beizutragen.
Die vorliegende Verordnung stützt sich auf die Befugnisübertragung nach Artikel 25 Absatz 2, Artikel 28 Absatz 4 und Artikel 30 Absatz 6 IDD.
2.KONSULTATIONEN VOR ANNAHME DES RECHTSAKTS
Im Dezember 2016 setzte die Kommission eine hochrangige Sachverständigengruppe für ein nachhaltiges Finanzwesen (HLEG) ein, die Empfehlungen für eine EU-Strategie für ein nachhaltiges Finanzwesen erarbeiten sollte. Mitte Juli 2017 veröffentlichte die Gruppe einen Zwischenbericht mit dem Titel „Financing a Sustainable European Economy“ und stellte auf einer Veranstaltung mit Interessenträgern am 18. Juli 2017 ihren Abschlussbericht vor, dem ein Fragenkatalog zur Konsultation folgte.
Am 31. Januar 2018 wurde zusammen mit dem HLEG-Abschlussbericht „Financing a Sustainable European Economy“ ein Feedback-Statement veröffentlicht, in dem die Antworten der Konsultationsteilnehmer zusammengefasst wurden. Die HLEG empfiehlt in ihrem Abschlussbericht, dass „Vermögensberater verpflichtet werden sollten, Kleinanleger bei Finanzberatungen routinemäßig nach ihren Präferenzen hinsichtlich der Nachhaltigkeit ihrer Anlagen zu befragen und diesen Präferenzen zu entsprechen“. Außerdem wurde empfohlen, „die für die Berücksichtigung von Langfrist- und Nachhaltigkeitsrisiken geltenden Governance-Regelungen zu erörtern“.
Im März 2018 leitete die Kommission eine gezielte Umfrage über die Einbeziehung von Umwelt, Soziales oder Governance betreffenden Erwägungen in die Eignungsbeurteilung ein. Die Konsultation ergab, dass die wenigsten Kunden ESG-Faktoren bei der Beratung von sich aus ansprechen. Dies liegt unter anderem daran, dass i) die verfügbaren Informationen über nachhaltigkeitsbezogene Finanzprodukte nicht transparent sind; ii) bei der bestehenden Dokumentation ein hohes Risiko besteht, dass Anlagen ein „grüner“ Anstrich verliehen wird; und es iii) an Kenntnissen über die Auswirkungen auf das Risiko und die Wertentwicklung fehlt. Offenbar werden Faktoren der Nachhaltigkeit von Kunden bei der Beratung nur selten systematisch zur Sprache gebracht.
Außerdem wurde ein Entwurf für eine delegierte Verordnung zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsaspekten in die Anlageberatung für Versicherungsanlageprodukte entsprechend den Leitlinien für eine bessere Rechtsetzung vom 24. Mai bis zum 21. Juni 2018 öffentlich zur Konsultation gestellt. Bei der Kommission gingen 20 Rückmeldungen zu dieser delegierten Verordnung zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/2359 ein. Interessenträger aus unterschiedlichen Bereichen (z. B. NRO, Verbände der Finanzwirtschaft, öffentliche Stellen) äußerten sich zu verschiedenen Aspekten dieser delegierten Verordnung. Auch wenn der Vorschlag, nichtfinanzielle Ziele beim Anlageprozess stärker in den Fokus zu rücken, allgemein große Unterstützung fand, äußerten sich einige Interessenträger widerstrebend, die im Rahmen der IDD neu eingeführten Prozesse wieder zu ändern. Wie oben erläutert, ist die Kommission nicht nur überzeugt, dass ihre Agenda für ein nachhaltiges Finanzwesen dringend vorangetrieben werden muss, sondern sie ist auch der Auffassung, dass der neu eingeführte Verweis auf die SFDR und der vorgeschlagene Geltungsbeginn dieses delegierten Rechtsakts (12 Monate nach Inkrafttreten) ausreichende Flexibilität bieten.
Bei einigen Zielen der Eignungsbeurteilung hat die Kommission gewisse Änderungen vorgenommen, um die notwendige Unterscheidung zwischen Investitionszielen auf der einen und Nachhaltigkeitspräferenzen auf der anderen Seite zu ermöglichen. Diese Differenzierung ist wichtig, um unlautere Verkaufspraktiken zu vermeiden. Nachhaltigkeitsfaktoren sollten nicht über die persönlichen Anlageziele eines Kunden gestellt werden. Bei der Eignungsfeststellung sollten Nachhaltigkeitspräferenzen erst dann angesprochen werden, wenn Klarheit über das Anlageziel des Kunden besteht. Mit den Regelungen zu den Nachhaltigkeitspräferenzen sollen Kunden und potenzielle Kunden stärker dafür sensibilisiert werden, dass nachhaltigkeitsorientierte Versicherungsanlageprodukte erhältlich sind. Angesichts der Regelungen zu den Nachhaltigkeitspräferenzen brauchen Versicherungsanlageprodukte mit unterschiedlich hohem Nachhaltigkeitsanspruch nicht angepasst zu werden. Diese Versicherungsanlageprodukte werden entweder unter die Regelungen zu den Nachhaltigkeitspräferenzen fallen oder werden weiterhin empfohlen werden dürfen, nur nicht als Versicherungsanlageprodukt, das den Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden oder potenziellen Kunden im Sinne der vorliegenden Verordnung entspricht. In operativer Hinsicht bedeutet dies: Die Nachhaltigkeitsmerkmale von Versicherungsanlageprodukten sollten transparent dargestellt werden, damit Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen, die Versicherungsanlageprodukte vertreiben, mit den Kunden oder potenziellen Kunden ein Gespräch führen und so ein ausreichend detailliertes Verständnis der individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden erlangen können. Bei Bestandskunden, bei denen bereits eine Eignungsbeurteilung durchgeführt wurde, sollten Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen, die Versicherungsanlageprodukte vertreiben, die Möglichkeit haben, die individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen des betreffenden Kunden erst bei der nächsten regelmäßigen Aktualisierung der bestehenden Eignungsbeurteilung in Erfahrung zu bringen.
Die Regelungen zu den Nachhaltigkeitspräferenzen stärken die Verwendung der EU-Taxonomie für nachhaltige Tätigkeiten, d. h. Wirtschaftstätigkeiten, die nach Artikel 3 der Taxonomie-Verordnung als ökologisch nachhaltig gelten, und die Betreibung nachhaltiger Investitionen im Sinne von Artikel 2 Nummer 17 SFDR und umfassen auch Investitionen in die oben genannten Wirtschaftstätigkeiten, die als ökologisch nachhaltig gelten. Außerdem schaffen diese Regelungen Anreize dafür, Finanzinstrumente zu empfehlen, bei denen wesentliche negative externe Effekte der entsprechenden Investitionen, d. h. die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen, berücksichtigt und verringert werden.
Die Kommission ersuchte die EIOPA um eine technische Empfehlung zu möglichen Änderungen der nach Maßgabe der IDD zu erlassenden delegierten Rechtsakte im Hinblick auf die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken und -faktoren in die Bereiche organisatorische Anforderungen sowie Produktüberwachung und Kontrollstrukturen.
Am 30. April 2019 legte die EIOPA ihre Empfehlung vor („Technical Advice on the integration of sustainability risks and factors in the delegated acts under Solvency II and IDD“). Die Empfehlung trägt den von den Interessenträgern bei der öffentlichen Konsultation im Zeitraum vom 28. November 2018 bis 28. Februar 2019 geäußerten Ansichten Rechnung. Sie enthält auch eine Kosten-Nutzen-Analyse. In der Empfehlung wird auf die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken und -faktoren in die Aufsichts- und Lenkungsanforderungen und die Bestimmungen über Interessenkonflikte eingegangen. Die von der EIOPA ausgearbeiteten und zur öffentlichen Konsultation gestellten Empfehlungen sind in diese delegierte Verordnung eingeflossen.
Im Einklang mit den Grundsätzen der besseren Rechtsetzung wurde dieser Vorschlagsentwurf vom 8. Juni 2020 bis zum 6. Juli 2020 ein zweites Mal zur öffentlichen Konsultation gestellt. Nach gebührender Berücksichtigung der eingegangenen Rückmeldungen wurden weitere Änderungen am Wortlaut vorgenommen.
3.RECHTLICHE ASPEKTE DES DELEGIERTEN RECHTSAKTS
Rechtsgrundlage für diese Verordnung sind Artikel 25 Absatz 2, Artikel 28 Absatz 4 und Artikel 30 Absatz 6 der Richtlinie (EU) 2016/97.
Die vorliegende Verordnung enthält folgende Änderungen an den Verordnungen (EU) 2017/2358 und (EU) 2017/2359:
Mit Artikel 1 soll klargestellt werden, dass Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler, die Versicherungsprodukte herstellen, die Kunden zum Verkauf angeboten werden, Nachhaltigkeitsziele gebührend berücksichtigen sollten, wenn sie die Kundengruppen ermitteln, deren Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen das Versicherungsprodukt entspricht. Bei der Bewertung des Zielmarkts, die unter Berücksichtigung des Risiko-/Renditeprofils und der Merkmale des jeweiligen Produkts vorgenommen wird, sollte auch die Zielsetzung des Produkts im Hinblick auf nachhaltige Investitionen oder ökologische oder soziale Merkmale bedacht werden. Im Rahmen dieser Überprüfung sollten Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler, die Versicherungsprodukte herstellen, ausdrücklich auch die Nachhaltigkeitsziele der zum Zielmarkt gehörenden Kunden berücksichtigen.
Darüber hinaus sollten Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler, die Versicherungsprodukte herstellen, die Nachhaltigkeitsfaktoren ihrer Produkte transparent offenlegen, sodass Versicherungsvertreiber mit Kunden oder potenziellen Kunden ein Gespräch führen können, um die individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden im Sinne der Delegierten Verordnung (EU) 2017/2358 der Kommission in ausreichender Detailtiefe zu verstehen. Ein negativer Zielmarkt braucht für nachhaltige Investitionen nicht ermittelt zu werden.
Mit Artikel 2 soll klargestellt werden, dass Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen, die Versicherungsanlageprodukte vertreiben, etwaigen Interessenkonflikten, die im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsfaktoren auftreten können, Rechnung tragen müssen. Darüber hinaus sollten Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen verpflichtet sein, im Rahmen der Beratung über Versicherungsanlageprodukte die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden und potenziellen Kunden zu beurteilen. Diese Nachhaltigkeitspräferenzen sollten sie bei der Auswahl der Versicherungsanlageprodukte, die diesen Kunden empfohlen werden, berücksichtigen. Drei Kategorien von Versicherungsanlageprodukten sollten integraler Bestandteil der Nachhaltigkeitspräferenzen sein, nämlich Produkte, die einen Mindestanteil an nachhaltigen Investitionen in Wirtschaftstätigkeiten beinhalten, die gemäß Artikel 3 der Taxonomie-Verordnung als ökologisch nachhaltig gelten, oder Produkte, die einen Mindestanteil an nachhaltigen Investitionen im Sinne von Artikel 2 Nummer 17 SFDR beinhalten, wobei der Mindestanteil vom Kunden oder potenziellen Kunden bestimmt wird. Die dritte Kategorie von Versicherungsanlageprodukten, die für individuelle Nachhaltigkeitspräferenzen in Frage kommt, sind Produkte, bei denen die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt werden, wobei vom Kunden oder potenziellen Kunden bestimmt wird, mit welchen Elementen diese Berücksichtigung nachgewiesen wird.
So umfassen „Versicherungsanlageprodukte, die einen Mindestanteil an nachhaltigen Investitionen beinhalten“ beispielsweise stets die in Artikel 9 SFDR und die in Artikel 8 SFDR genannten Finanzprodukte, sofern damit zumindest in gewissem Umfang nachhaltige Investitionen angestrebt werden. Dieser Mindestumfang wird von den Kunden oder potenziellen Kunden bestimmt, sodass deren Nachhaltigkeitszielen mit den Regelungen zu den Nachhaltigkeitspräferenzen in vollem Umfang Rechnung getragen wird. Zu weiteren Beispielen gehören Versicherungsanlageprodukte mit ökologischen oder sozialen Merkmalen, die unter anderem auf einer Ausschlussstrategie beruhen und unter die Nachhaltigkeitspräferenzen fallen könnten, wenn mit ihnen zumindest bis zu einem gewissen Grade nachhaltige Investitionen angestrebt werden oder wenn dabei nachweislich die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen berücksichtigt und angegangen oder abgemildert werden und dies im Einklang mit den Mindestanteilen für entsprechende Investitionen bzw. den Nachweiselementen für die Berücksichtigung der wichtigsten nachteiligen Auswirkungen in Einklang steht, die vom Kunden bzw. potenziellen Kunden bestimmt wurden. Dies bedeutet auch, dass Versicherungsanlageprodukte, bei denen ökologische oder soziale Merkmale beworben werden, ohne dass ein Anteil an nachhaltigen Investitionen oder an Investitionen in taxonomiekonforme Tätigkeiten vorgesehen ist, oder bei denen die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen nicht berücksichtigt werden, den Kunden oder potenziellen Kunden auf Basis ihrer individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen nicht empfohlen werden dürfen. Allerdings könnten derartige Versicherungsanlageprodukte nach wie vor im Rahmen der Eignungsprüfung empfohlen werden, jedoch nicht als Produkte, die den individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen entsprechen.
In Artikel 3 der Verordnung wird der Geltungsbeginn der vorgeschlagenen Verordnung so festgelegt, dass sich eine Übergangszeit von 12 Monaten ergibt.
DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) .../... DER KOMMISSION
vom 21.4.2021
zur Änderung der Delegierten Verordnungen (EU) 2017/2358 und (EU) 2017/2359 im Hinblick auf die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsfaktoren, -risiken und -präferenzen in die Aufsichts- und Lenkungsanforderungen an Versicherungsunternehmen und Versicherungsvertreiber sowie in die für den Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten geltenden Informationspflichten und Wohlverhaltensregeln
(Text von Bedeutung für den EWR)
DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
gestützt auf die Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb, insbesondere auf Artikel 25 Absatz 2, Artikel 28 Absatz 4 und Artikel 30 Absatz 6,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1)Der Übergang zu einer CO2-armen, nachhaltigeren und ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft entsprechend den Zielen für nachhaltige Entwicklung ist von entscheidender Bedeutung, um die Wirtschaft der Union langfristig wettbewerbsfähig zu halten. Im Jahr 2016 hat die Union das Übereinkommen von Paris geschlossen. Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c des Übereinkommens gibt das Ziel vor, entschlossener gegen Klimaänderungen vorzugehen, unter anderem indem die Finanzmittelflüsse in Einklang gebracht werden mit einem Weg hin zu einer hinsichtlich der Treibhausgase emissionsarmen und gegenüber Klimaänderungen widerstandsfähigen Entwicklung.
(2)Um diese Herausforderung anzugehen, stellte die Kommission im Dezember 2019 den europäischen Grünen Deal vor. Der Grüne Deal ist eine neue Wachstumsstrategie, mit der die Union zu einer fairen und wohlhabenden Gesellschaft mit einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft werden soll, in der ab dem Jahr 2050 keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr freigesetzt werden und das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung abgekoppelt ist. Dieses Ziel erfordert auch klare Signale an die Anleger in Bezug auf ihre Investitionen, um verlorene Vermögenswerte zu vermeiden und nachhaltige Finanzmittel zu mobilisieren.
(3)Im März 2018 veröffentlichte die Kommission ihren Aktionsplan „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“, mit dem eine ehrgeizige und umfassende Strategie für ein nachhaltiges Finanzwesen auf den Weg gebracht wurde. Eines der im Aktionsplan genannten Ziele besteht darin, die Kapitalflüsse in nachhaltige Investitionen umzulenken, um ein nachhaltiges und inklusives Wachstum zu erreichen.
(4)Die ordnungsgemäße Umsetzung des Aktionsplans fördert die Nachfrage der Anleger nach nachhaltigen Investitionen. Daher muss klargestellt werden, dass Nachhaltigkeitsfaktoren und Nachhaltigkeitsziele im Rahmen der Lenkungsanforderungen der Delegierten Verordnung (EU) 2017/2358 der Kommission berücksichtigt werden sollten.
(5)Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler, die Versicherungsprodukte herstellen, sollten Nachhaltigkeitsfaktoren bei jedem Versicherungsprodukt im Produktzulassungsverfahren und bei jedem Versicherungsprodukt, das an nachhaltigkeitsinteressierte Kunden vertrieben werden soll, im Rahmen der übrigen Aufsichts- und Lenkungsvorkehrungen berücksichtigen.
(6)Da der Zielmarkt in ausreichender Detailtiefe festgelegt werden sollte, sollte eine allgemeine Erklärung, dass ein Versicherungsprodukt ein nachhaltigkeitsbezogenes Profil aufweist, nicht genügen. Vielmehr sollte von dem Versicherungsunternehmen oder dem Versicherungsvermittler, von dem das Versicherungsprodukt hergestellt wird, präzisiert werden, an welche Gruppe von Kunden mit spezifischen Nachhaltigkeitszielen das Versicherungsprodukt vertrieben werden soll.
(7)Um sicherzustellen, dass Versicherungsprodukte mit Nachhaltigkeitsfaktoren auch für Kunden, die keine Nachhaltigkeitspräferenzen haben, leicht zugänglich bleiben, sollten Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler, die Versicherungsprodukte herstellen, nicht verpflichtet werden, Kundengruppen zu ermitteln, deren Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen ein Versicherungsprodukt mit Nachhaltigkeitsfaktoren nicht entspricht.
(8)Die Nachhaltigkeitsfaktoren eines Versicherungsprodukts sollten transparent dargestellt werden, damit Versicherungsvertreiber ihren Kunden oder potenziellen Kunden die einschlägigen Informationen zur Verfügung stellen können.
(9)Die im Mai 2018 veröffentlichte Folgenabschätzung zu anschließenden Gesetzgebungsinitiativen ergab, dass Klarheit darüber geschaffen werden muss, dass Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen, die Versicherungsanlageprodukte vertreiben, Nachhaltigkeitsfaktoren im Rahmen ihrer Pflichten gegenüber den Kunden und potenziellen Kunden zu berücksichtigen haben.
(10)Damit ein hoher Anlegerschutz aufrechterhalten wird, sollten Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen, die Versicherungsanlageprodukte vertreiben, sicherstellen, dass sie bei der Ermittlung der Arten von Interessenkonflikten, deren Vorliegen den Interessen eines Kunden oder potenziellen Kunden schaden kann, auch solche Arten von Interessenkonflikten berücksichtigen, die sich aus der Integration der Nachhaltigkeitspräferenzen eines Kunden ergeben können. Bei Bestandskunden, bei denen bereits eine Eignungsbeurteilung durchgeführt wurde, sollten Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen die Möglichkeit haben, die individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen des betreffenden Kunden erst bei der nächsten regelmäßigen Aktualisierung der bestehenden Eignungsbeurteilung in Erfahrung zu bringen.
(11)Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen, die Beratung zu Versicherungsanlageprodukten anbieten, sollten ihren Kunden oder potenziellen Kunden geeignete Versicherungsanlageprodukte empfehlen können und sollten daher in der Lage sein, die individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen eines Kunden abzufragen. Da Vertriebstätigkeiten im bestmöglichen Interesse der Kunden erfolgen müssen, sollten Empfehlungen für Kunden oder potenzielle Kunden sowohl die finanziellen Ziele als auch etwaige von diesen Kunden geäußerte Nachhaltigkeitspräferenzen widerspiegeln. Daher muss klargestellt werden, dass die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsfaktoren in den Beratungsprozess nicht zu unlauteren Verkaufspraktiken oder zur fälschlichen Darstellung von Versicherungsanlageprodukten als nachhaltigkeitspräferenzkonform führen darf. Um solche Praktiken oder Falschdarstellungen zu vermeiden, sollten Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen, die Beratung zu Versicherungsanlageprodukten anbieten, zunächst die sonstigen Anlageziele und persönlichen Umstände des jeweiligen Kunden oder potenziellen Kunden beurteilen, bevor sie dessen etwaige Nachhaltigkeitspräferenzen abfragen.
(12)Schon heute existieren Versicherungsanlageprodukte mit unterschiedlich hohem Nachhaltigkeitsanspruch. Damit die Kunden oder potenziellen Kunden die verschiedenen Nachhaltigkeitsgrade verstehen und mit Blick auf die Nachhaltigkeit fundierte Anlageentscheidungen treffen können, sollten Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen, die Versicherungsanlageprodukte vertreiben, erklären, wie sich Versicherungsanlageprodukte, mit denen ganz oder teilweise nachhaltige Investitionen in Wirtschaftstätigkeiten angestrebt werden, die nach der Verordnung (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates als nachhaltig gelten, oder die nachhaltige Investitionen im Sinne von Artikel 2 Nummer 17 der Verordnung (EU) 2019/2088 des Europäischen Parlament und des Rates beinhalten, sowie Versicherungsanlageprodukte, bei denen die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt werden und die für eine Empfehlung als den individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden entsprechend infrage kommen könnten, von Versicherungsanlageprodukten unterscheiden, die diese besonderen Merkmale nicht aufweisen und nicht dafür infrage kommen sollten, Kunden oder potenziellen Kunden mit individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen empfohlen zu werden.
(13)Es gilt Bedenken auszuräumen in Bezug auf „Greenwashing“, d. h. insbesondere die Praxis, durch die Empfehlung eines Versicherungsanlageprodukts als umweltfreundlich oder nachhaltig einen unfairen Wettbewerbsvorteil zu erlangen, obwohl das Versicherungsanlageprodukt grundlegenden Umwelt- oder sonstigen Nachhaltigkeitsstandards nicht entspricht. Um unlautere Verkaufspraktiken und Greenwashing zu verhindern, sollten Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen, die Versicherungsanlageprodukte vertreiben, Versicherungsanlageprodukte nicht als den individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen entsprechend empfehlen, wenn die betreffenden Produkte diesen Präferenzen nicht entsprechen. Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen, die Versicherungsanlageprodukte vertreiben, sollten ihren Kunden oder potenziellen Kunden erklären, aus welchen Gründen sie dies nicht tun, und die Begründung aufzeichnen.
(14)Es muss klargestellt werden, dass Versicherungsanlageprodukte, die nicht für die individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen infrage kommen, von Versicherungsvermittlern und Versicherungsunternehmen, die Versicherungsanlageprodukte vertreiben, weiterhin empfohlen werden dürfen, jedoch nicht als Produkt, das individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen entspricht. Um weitere Empfehlungen an Kunden oder potenzielle Kunden auch dann zu ermöglichen, wenn Versicherungsanlageprodukte den Nachhaltigkeitspräferenzen eines Kunden nicht entsprechen, sollte der Kunde die Möglichkeit haben, die Angaben zu seinen Nachhaltigkeitspräferenzen anzupassen. Um unlautere Verkaufspraktiken und Greenwashing zu verhindern, sollten Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen, die Versicherungsanlageprodukte vertreiben, Aufzeichnungen über die Entscheidung des Kunden sowie die Erklärung des Kunden zur Anpassung seiner Angaben führen.
(15)Die Bestimmungen dieser Verordnung sind eng miteinander und mit den Bestimmungen der Verordnung (EU) 2019/2088 verknüpft, denn sie schaffen eine umfassende Offenlegungsregelung für Nachhaltigkeitsaspekte. Um eine kohärente Auslegung und Anwendung dieser Bestimmungen zu ermöglichen und sicherzustellen, dass den Marktteilnehmern, den zuständigen Behörden und den Anlegern ein umfassendes Verständnis dieser Bestimmungen und ein einfacher Zugang zu ihnen ermöglicht werden, ist es wünschenswert, sie in einem einzigen Rechtsakt zusammenzufassen.
(16)Die Delegierten Verordnungen (EU) 2017/2358 und (EU) 2017/2359 sollten deshalb entsprechend geändert werden.
(17)Die zuständigen Behörden sowie die Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen sollten ausreichend Zeit erhalten, um sich an die neuen Anforderungen dieser Verordnung anzupassen. Deren Geltungsbeginn sollte daher zurückgestellt werden —
HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
Artikel 1
Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2017/2358
Die Delegierte Verordnung (EU) 2017/2358 wird wie folgt geändert:
1.
Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a Ziffer i erhält folgende Fassung:
„i)
sie tragen den Zielen, Interessen und Merkmalen der Kunden, einschließlich etwaiger Nachhaltigkeitsziele, Rechnung;“
2.
Die Artikel 5 und 6 erhalten folgende Fassung:
„Artikel 5
Zielmarkt
(1)
Im Wege des Produktgenehmigungsverfahrens werden für jedes Versicherungsprodukt der Zielmarkt und die Gruppe geeigneter Kunden ermittelt. Der Zielmarkt wird in ausreichender Detailtiefe und unter Berücksichtigung der Merkmale, des Risikoprofils, der Komplexität und der Art des Versicherungsprodukts sowie seiner Nachhaltigkeitsfaktoren im Sinne von Artikel 2 Nummer 24 der Verordnung (EU) 2019/2088 des Europäischen Parlaments und des Rates* ermittelt.
(2)
Die Hersteller können, insbesondere in Bezug auf Versicherungsanlageprodukte, Gruppen von Kunden ermitteln, deren Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen das Versicherungsprodukt generell nicht entspricht, außer wenn Versicherungsprodukte die in Absatz 1 genannten Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigen.
(3)
Von den Herstellern konzipiert und vermarktet werden lediglich Versicherungsprodukte, die den Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen, einschließlich etwaiger Nachhaltigkeitsziele, der zum Zielmarkt gehörenden Kunden entsprechen. Bei der Beurteilung, ob ein Versicherungsprodukt für einen Zielmarkt geeignet ist, tragen die Hersteller dem Maß an Informationen, die den zum jeweiligen Zielmarkt gehörenden Kunden zugänglich sind, sowie der Finanzkompetenz dieser Kunden Rechnung.
(4)
Die Hersteller stellen sicher, dass die an der Konzeption und Herstellung von Versicherungsprodukten beteiligten Mitarbeiter über die notwendigen Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, um die verkauften Versicherungsprodukte sowie die Interessen, Ziele, einschließlich etwaiger nachhaltigkeitsbezogener Ziele, und Merkmale der zum Zielmarkt gehörenden Kunden richtig zu verstehen.
Artikel 6
Produktprüfung
(1)
Die Hersteller führen eine angemessene Prüfung ihrer jeweiligen Versicherungsprodukte durch, darunter gegebenenfalls auch Szenarioanalysen, bevor das Produkt auf den Markt gebracht oder erheblich angepasst wird oder falls sich der Zielmarkt beträchtlich ändert. Im Wege dieser Produktprüfung wird beurteilt, ob das Versicherungsprodukt über seine gesamte Lebensdauer den ermittelten Bedürfnissen, Zielen, einschließlich etwaiger Nachhaltigkeitsziele, und Merkmalen der zum Zielmarkt gehörenden Kunden entspricht. Die Hersteller unterziehen ihre Versicherungsprodukte einer qualitativen und je nach Art und Charakter des Versicherungsprodukts und des verbundenen Risikos der Benachteiligung des Kunden einer quantitativen Prüfung.
(2)
Die Hersteller bringen Versicherungsprodukte nicht auf den Markt, wenn sich aus der Produktprüfung ergibt, dass diese den ermittelten Bedürfnissen, Zielen, einschließlich etwaiger Nachhaltigkeitsziele, und Merkmalen des Zielmarkts nicht entsprechen.
_____________________
*
Verordnung (EU) 2019/2088 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (ABl. L 317 vom 9.12.2019, S. 1).“
3.
In Artikel 7 erhält Absatz 1 folgende Fassung:
„(1)
Die Hersteller überwachen kontinuierlich und überprüfen regelmäßig die von ihnen auf den Markt gebrachten Versicherungsprodukte, um Ereignisse zu ermitteln, die sich erheblich auf die wesentlichen Merkmale, den Risikoschutz oder die Garantien der Produkte auswirken können. Sie beurteilen die Versicherungsprodukte dahin gehend, ob sie weiterhin den Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen, einschließlich etwaiger Nachhaltigkeitsziele, des ermittelten Zielmarkts entsprechen und ob sie an den Zielmarkt oder an Kunden außerhalb des Zielmarkts vertrieben werden.“
4.
In Artikel 8 erhält Absatz 3 folgende Fassung:
„(3)
Die Informationen, auf die in Absatz 2 Bezug genommen wird, ermöglichen es den Versicherungsvertreibern,
a)
das Versicherungsprodukt zu verstehen;
b)
den ermittelten Zielmarkt für die Versicherungsprodukte zu verstehen;
c)
die Kunden zu ermitteln, deren Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen, einschließlich etwaiger Nachhaltigkeitsziele, das Versicherungsprodukt nicht entspricht;
d)
gemäß Artikel 17 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2016/97 Vertriebstätigkeiten im Zusammenhang mit dem betreffenden Versicherungsprodukt im bestmöglichen Interesse des Kunden auszuführen.“
5.
In Artikel 10 erhält Absatz 2 folgende Fassung:
„(2)
Diese Produktvertriebsvorkehrungen
a)
zielen darauf ab, eine Benachteiligung des Kunden zu verhindern beziehungsweise zu mindern;
b)
unterstützen einen ordnungsgemäßen Umgang mit Interessenkonflikten;
c)
stellen sicher, dass den Zielen, Interessen und Merkmalen der Kunden, einschließlich etwaiger Nachhaltigkeitsziele, gebührend Rechnung getragen wird.“
6.
Artikel 11 erhält folgende Fassung:
„Artikel 11
Unterrichtung des Herstellers
Erkennt ein Versicherungsvertreiber, dass ein Versicherungsprodukt nicht im Einklang mit den Interessen, Zielen und Merkmalen, einschließlich etwaiger Nachhaltigkeitsziele, der zum jeweiligen ermittelten Zielmarkt gehörenden Kunden steht, oder werden ihm sonstige produktbezogene Umstände bekannt, die nachteilige Auswirkungen auf den Kunden haben können, unterrichtet er unverzüglich den Hersteller und ändert gegebenenfalls seine Vertriebsstrategie für das betreffende Versicherungsprodukt.“
Artikel 2
Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2017/2359
Die Delegierte Verordnung (EU) 2017/2359 wird wie folgt geändert:
1.
In Artikel 2 werden die folgenden Nummern 4 und 5 angefügt:
„4.
‚Nachhaltigkeitspräferenzen‘ die Entscheidung eines Kunden oder potenziellen Kunden darüber, ob und, wenn ja, inwieweit eines der folgenden Finanzprodukte in seine Anlage einbezogen werden sollte:
a)
ein Versicherungsanlageprodukt, bei dem der Kunde oder potenzielle Kunde bestimmt, dass ein Mindestanteil in ökologisch nachhaltige Investitionen im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates** angelegt werden soll;
b)
ein Versicherungsanlageprodukt, bei dem der Kunde oder potenzielle Kunde bestimmt, dass ein Mindestanteil in nachhaltige Investitionen im Sinne von Artikel 2 Nummer 17 der Verordnung (EU) 2019/2088 des Europäischen Parlaments und des Rates*** angelegt werden soll;
c)
ein Versicherungsanlageprodukt, bei dem die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt werden, wobei die qualitativen oder quantitativen Elemente, mit denen diese Berücksichtigung nachgewiesen werden, vom Kunden oder potenziellen Kunden bestimmt werden;
5.
‚Nachhaltigkeitsfaktoren‘ Nachhaltigkeitsfaktoren im Sinne von Artikel 2 Nummer 24 der Verordnung (EU) 2019/2088;
_______________________________________________________________
**
Verordnung (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2020 über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/2088 (ABl. L 198 vom 22.6.2020, S. 13).
***
Verordnung (EU) 2019/2088 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (ABl. L 317 vom 9.12.2019, S. 1).“
2.
In Artikel 3 erhält Absatz 1 folgende Fassung:
„(1)
Zum Zwecke der Ermittlung der Arten von Interessenkonflikten gemäß Artikel 28 der Richtlinie (EU) 2016/97, die bei der Durchführung von Versicherungsvertriebstätigkeiten im Zusammenhang mit Versicherungsanlageprodukten auftreten und den Interessen eines Kunden, einschließlich seiner Nachhaltigkeitspräferenzen, schaden können, beurteilen die Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen, ob für sie selbst, eine relevante Person oder eine Person, die direkt oder indirekt durch Kontrolle mit ihnen verbunden ist, ein Interesse am Ergebnis der Versicherungsvertriebstätigkeiten besteht, das die folgenden Kriterien erfüllt:
a)
Es stimmt nicht mit dem Interesse des Kunden bzw. potenziellen Kunden am Ergebnis der Versicherungsvertriebstätigkeiten überein;
b)
es kann das Ergebnis der Versicherungsvertriebstätigkeiten zum Nachteil des Kunden beeinflussen.
Die Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen verfahren auf die gleiche Weise, um Interessenkonflikte zwischen ihren Kunden zu ermitteln.“
3.
Artikel 9 wird wie folgt geändert:
a)
Absatz 2 Buchstabe a erhält folgende Fassung:
„a)
Sie entsprechen den Anlagezielen des betreffenden Kunden bzw. potenziellen Kunden, auch hinsichtlich seiner Risikobereitschaft und etwaigen Nachhaltigkeitspräferenzen;“
b)
Absatz 4 erhält folgende Fassung:
„(4)
Die Informationen über die Anlageziele des Kunden bzw. potenziellen Kunden umfassen – soweit relevant – Informationen über den Zeitraum, in dem er die Anlage zu halten gedenkt, seine Präferenzen hinsichtlich des einzugehenden Risikos, das Risikoprofil und den Zweck der Anlage sowie zusätzlich seine Nachhaltigkeitspräferenzen. Die Menge der gesammelten Informationen muss dem speziellen Typ des in Betracht gezogenen Produkts bzw. der in Betracht gezogenen Dienstleistung angemessen sein.“
c)
Absatz 6 erhält folgende Fassung:
„(6)
Ist keines der Produkte für den Kunden bzw. potenziellen Kunden geeignet, gibt der Versicherungsvermittler bzw. das Versicherungsunternehmen bei der Erbringung von Beratung über ein Versicherungsanlageprodukt gemäß Artikel 30 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2016/97 keine Empfehlung ab.
Ein Versicherungsvermittler oder Versicherungsunternehmen empfiehlt Versicherungsanlageprodukte nicht als den Nachhaltigkeitspräferenzen eines Kunden oder potenziellen Kunden entsprechend, wenn diese Versicherungsanlageprodukte diesen Präferenzen nicht entsprechen. Der Versicherungsvermittler oder das Versicherungsunternehmen erklären ihren Kunden oder potenziellen Kunden, aus welchen Gründen sie dies nicht tun, und zeichnen die Begründung auf.
Entspricht kein Versicherungsanlageprodukt den Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden oder potenziellen Kunden und entscheidet sich der Kunde, seine Nachhaltigkeitspräferenzen anzupassen, so wird diese Kundenentscheidung einschließlich ihrer Begründung vom Versicherungsvermittler oder vom Versicherungsunternehmen aufgezeichnet.“
4.
Artikel 14 wird wie folgt geändert:
a)
Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i erhält folgende Fassung:
„i)den Anlagezielen des Kunden, auch hinsichtlich seiner Risikobereitschaft und hinsichtlich der Frage, ob die Anlageziele des Kunden erreicht werden, indem seine Nachhaltigkeitspräferenzen berücksichtigt werden;“
b)in Absatz 4 wird folgender Unterabsatz angefügt:
„Die Anforderungen in Bezug auf die Nachhaltigkeitspräferenzen von Kunden oder potenziellen Kunden lassen die in Unterabsatz 1 festgelegten Bedingungen unberührt.“
Artikel 3
Inkrafttreten und Anwendung
Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Sie gilt ab dem [Amt für Veröffentlichungen: Bitte Datum einfügen – zwölf Monate nach Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union].
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.
Brüssel, den 21.4.2021
Für die Kommission
Die Präsidentin
Ursula VON DER LEYEN