ISSN 1725-2539

doi:10.3000/17252539.L_2011.122.deu

Amtsblatt

der Europäischen Union

L 122

European flag  

Ausgabe in deutscher Sprache

Rechtsvorschriften

54. Jahrgang
11. Mai 2011


Inhalt

 

II   Rechtsakte ohne Gesetzescharakter

Seite

 

 

VERORDNUNGEN

 

*

Durchführungsverordnung (EU) Nr. 443/2011 des Rates vom 5. Mai 2011 zur Ausweitung des mit der Verordnung (EG) Nr. 598/2009 eingeführten endgültigen Ausgleichszolls auf die Einfuhren von Biodiesel mit Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika auf die aus Kanada versandten Einfuhren von Biodiesel, ob als Ursprungserzeugnisse Kanadas angemeldet oder nicht, und zur Ausweitung des mit der Verordnung (EG) Nr. 598/2009 eingeführten endgültigen Ausgleichszolls auf die Einfuhren von Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT mit Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika und zur Einstellung der Untersuchung betreffend die aus Singapur versandten Einfuhren

1

 

*

Durchführungsverordnung (EU) Nr. 444/2011 des Rates vom 5. Mai 2011 zur Ausweitung des mit der Verordnung (EG) Nr. 599/2009 eingeführten endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Biodiesel mit Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika auf die aus Kanada versandten Einfuhren von Biodiesel, ob als Ursprungserzeugnisse Kanadas angemeldet oder nicht, und zur Ausweitung des mit der Verordnung (EG) Nr. 599/2009 eingeführten endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT mit Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika und zur Einstellung der Untersuchung betreffend die aus Singapur versandten Einfuhren

12

 

*

Verordnung (EU) Nr. 445/2011 der Kommission vom 10. Mai 2011 über ein System zur Zertifizierung von für die Instandhaltung von Güterwagen zuständigen Stellen und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 653/2007 ( 1 )

22

 

*

Verordnung (EU) Nr. 446/2011 der Kommission vom 10. Mai 2011 zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Fettalkohole und ihrer Gemische mit Ursprung in Indien, Indonesien und Malaysia

47

 

*

Durchführungsverordnung (EU) Nr. 447/2011 der Kommission vom 6. Mai 2011 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur

63

 

*

Durchführungsverordnung (EU) Nr. 448/2011 der Kommission vom 6. Mai 2011 zur Eintragung einer Bezeichnung in das Register der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben (Σταφίδα Ηλείας (Stafida Ilias) (g.g.A.))

65

 

*

Durchführungsverordnung (EU) Nr. 449/2011 der Kommission vom 6. Mai 2011 zur Eintragung bestimmter Bezeichnungen in das Register der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben (陕西苹果 (Shaanxi ping guo) (g.U.), 龙井茶 (Longjing Cha) (g.U.), 琯溪蜜柚 (Guanxi Mi You) (g.U.), 蠡县麻山药 (Lixian Ma Shan Yao) (g.g.A.))

67

 

 

Durchführungsverordnung (EU) Nr. 450/2011 der Kommission vom 10. Mai 2011 zur Festlegung pauschaler Einfuhrwerte für die Bestimmung der für bestimmtes Obst und Gemüse geltenden Einfuhrpreise

69

 

 

RICHTLINIEN

 

*

Richtlinie 2011/58/EU der Kommission vom 10. Mai 2011 zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates zur Erneuerung der Aufnahme des Wirkstoffs Carbendazim ( 1 )

71

 

 

BESCHLÜSSE

 

 

2011/276/EU

 

*

Beschluss der Kommission vom 26. Mai 2010 über die von Belgien gewährte staatliche Beihilfe in Form einer Vergleichsvereinbarung über eine Ermäßigung der Mehrwertsteuerschuld zugunsten der Gesellschaft Umicore S.A. (vormals Union Minière S.A.) (Beihilfe C 76/03 (ex NN 69/03)) (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2010) 2538)  ( 1 )

76

 

 

2011/277/EU

 

*

Durchführungsbeschluss der Kommission vom 10. Mai 2011 zur Änderung des Anhangs der Entscheidung 93/52/EWG hinsichtlich der Anerkennung bestimmter italienischer Regionen als amtlich frei von Brucellose (B. melitensis) sowie zur Änderung der Anhänge der Entscheidung 2003/467/EG hinsichtlich der Anerkennung bestimmter italienischer, polnischer und britischer Regionen als amtlich frei von Rindertuberkulose, Rinderbrucellose und enzootischer Rinderleukose (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2011) 3066)  ( 1 )

100

 


 

(1)   Text von Bedeutung für den EWR

DE

Bei Rechtsakten, deren Titel in magerer Schrift gedruckt sind, handelt es sich um Rechtsakte der laufenden Verwaltung im Bereich der Agrarpolitik, die normalerweise nur eine begrenzte Geltungsdauer haben.

Rechtsakte, deren Titel in fetter Schrift gedruckt sind und denen ein Sternchen vorangestellt ist, sind sonstige Rechtsakte.


II Rechtsakte ohne Gesetzescharakter

VERORDNUNGEN

11.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 122/1


DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) Nr. 443/2011 DES RATES

vom 5. Mai 2011

zur Ausweitung des mit der Verordnung (EG) Nr. 598/2009 eingeführten endgültigen Ausgleichszolls auf die Einfuhren von Biodiesel mit Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika auf die aus Kanada versandten Einfuhren von Biodiesel, ob als Ursprungserzeugnisse Kanadas angemeldet oder nicht, und zur Ausweitung des mit der Verordnung (EG) Nr. 598/2009 eingeführten endgültigen Ausgleichszolls auf die Einfuhren von Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT mit Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika und zur Einstellung der Untersuchung betreffend die aus Singapur versandten Einfuhren

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 597/2009 des Rates vom 11. Juni 2009 über den Schutz gegen subventionierte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (1) („Grundverordnung“), insbesondere auf Artikel 23 Absatz 4,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission nach Anhörung des Beratenden Ausschusses,

in Erwägung nachstehender Gründe:

1.   VERFAHREN

1.1.   Geltende Maßnahmen

(1)

Die Kommission führte mit der Verordnung (EG) Nr. 194/2009 (2) einen vorläufigen Ausgleichzoll auf die Einfuhren von Biodiesel mit Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika („Vereinigte Staaten“) ein.

(2)

Der Rat führte mit der Verordnung (EG) Nr. 598/2009 (3) („endgültige Verordnung“) einen endgültigen Ausgleichszoll zwischen 211,20 EUR und 237 EUR je Tonne auf Einfuhren von Biodiesel gemäß der Definition in Artikel 1 Absatz 1 der genannten Verordnung („betroffene Ware“) mit Ursprung in den Vereinigten Staaten ein („geltende Maßnahmen“). Die Untersuchung, die zur Annahme der endgültigen Verordnung führte, wird im Folgenden „Ausgangsuntersuchung“ genannt.

(3)

Des Weiteren ist anzumerken, dass der Rat mit der Verordnung (EG) Nr. 599/2009 (4) einen endgültigen Antidumpingzoll zwischen 0 EUR und 198 EUR je Tonne auf Einfuhren der betroffenen Ware einführte.

1.2.   Antrag

(4)

Am 30. Juni 2010 erhielt die Kommission nach Artikel 23 Absatz 4 der Grundverordnung einen Antrag auf Untersuchung der mutmaßlichen Umgehung der Ausgleichsmaßnahmen gegenüber den Einfuhren der betroffenen Ware. Der Antrag wurde vom European Biodiesel Board („EBB“) im Namen der Biodiesel-Hersteller in der Union gestellt.

(5)

In dem Antrag wurde behauptet, dass die Ausgleichsmaßnahmen gegenüber den Einfuhren der betroffenen Ware durch den Versand über Kanada und Singapur sowie durch die Ausfuhr von Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT umgangen würden.

(6)

In dem Antrag wurde ferner behauptet, dass sich das Handelsgefüge der Ausfuhren aus den Vereinigten Staaten, Kanada und Singapur nach der Einführung der Maßnahmen gegenüber der betroffenen Ware erheblich verändert habe und dass es für diese Veränderung außer der Einführung des Zolls keine hinreichende Begründung oder Rechtfertigung gebe. Diese Veränderung des Handelsgefüges gehe angeblich auf den Versand der betroffenen Ware über Kanada und Singapur zurück.

(7)

Des Weiteren wurde in dem Antrag vorgebracht, dass seit der Einführung der Maßnahmen Ausfuhren von Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT mit Ursprung in den Vereinigten Staaten in die Union gelangten, bei denen angeblich die in der Beschreibung der betroffenen Ware festgesetzte Schwelle für den Biodieselgehalt ausgenutzt werde.

(8)

Im Antrag wurde außerdem festgestellt, dass die Abhilfewirkung der für die betroffene Ware geltenden Ausgleichsmaßnahmen in Hinblick auf Menge und Preis beeinträchtigt werde. Dem Anschein nach würden anstelle von Einfuhren der betroffenen Ware bedeutende Mengen an Biodiesel in Reinform oder als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von über 20 GHT aus Kanada und Singapur sowie von Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT eingeführt. Außerdem lägen hinreichende Beweise dafür vor, dass die Preise der gestiegenen Einfuhren deutlich unter dem nicht schädigenden Preis liegen, der in der Untersuchung, die zu den geltenden Maßnahmen führte, ermittelt wurde.

(9)

Des Weiteren wurde im Antrag behauptet, dass die bereits früher ermittelte Subventionierung der Preise für die untersuchte Ware anhalte.

1.3.   Einleitung

(10)

Die Kommission kam nach Anhörung des Beratenden Ausschusses zu dem Schluss, dass hinreichende Anscheinsbeweise für die Einleitung einer Überprüfung nach Artikel 23 der Grundverordnung vorlagen; sie leitete daher nach der Verordnung (EU) Nr. 721/2010 (5) („Einleitungsverordnung“) eine Überprüfung ein. Nach Artikel 24 Absatz 5 der Grundverordnung wies die Kommission ferner gemäß der Einleitungsverordnung die Zollbehörden an, aus Kanada und Singapur versandte Einfuhren von Biodiesel sowie Einfuhren von Biodiesel mit Ursprung in den Vereinigten Staaten als Mischung mit bis zu 20 GHT von durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnenen Fettsäuremonoalkylestern und/oder paraffinischen Gasölen nichtfossilen Ursprungs zollamtlich zu erfassen.

(11)

Die Kommission leitete außerdem parallel dazu eine Untersuchung gemäß Verordnung (EU) Nr. 720/2010 (6) ein, betreffend die mutmaßliche Umgehung von Antidumpingmaßnahmen auf die Einfuhren von Biodiesel mit Ursprung in den Vereinigten Staaten durch aus Kanada und Singapur versandte Einfuhren von Biodiesel und durch die Einfuhren von Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT mit Ursprung in den Vereinigten Staaten.

1.4.   Untersuchung

(12)

Die Kommission benachrichtigte die Behörden der Vereinigten Staaten, Kanadas und Singapurs offiziell. Fragebogen wurden an die bekannten Hersteller/Ausführer in den Vereinigten Staaten, Kanada und Singapur gesandt. Die interessierten Parteien erhielten Gelegenheit, innerhalb der in der Einleitungsverordnung gesetzten Frist ihren Standpunkt schriftlich darzulegen und eine Anhörung zu beantragen.

(13)

Die folgenden Unternehmen übermittelten Fragebogen, woraufhin in ihren Betrieben Kontrollbesuche durchgeführt wurden:

 

Hersteller/Ausführer in Kanada:

BIOX Corporation

Rothsay Biodiesel

 

Händler in Singapur:

Trafigura Pte Ltd.

Wilmar Trading Pte Ltd.

 

Hersteller/Ausführer in den Vereinigten Staaten:

Archer Daniels Midland Company

BP Products North America Inc

Louis Dreyfus Corporation

 

Verbundene Einführer:

BP Oil International Limited

Cargill BV

(14)

Ferner wurden Besuche bei den zuständigen Behörden der Regierung von Kanada und der der Regierung von Singapur durchgeführt.

1.5.   Untersuchungszeitraum

(15)

Die Untersuchung betraf den Zeitraum vom 1. April 2009 bis zum 30. Juni 2010 („Untersuchungszeitraum“ oder „UZ“). Es wurden Informationen über den Zeitraum von 2008 bis zum Ende des UZ eingeholt, um die angebliche Veränderung im Handelsgefüge zu untersuchen.

2.   WARE, DIE GEGENSTAND DER UMGEHUNGSUNTERSUCHUNG IST

(16)

Bei der von der mutmaßlichen Umgehung betroffenen Ware, d. h. dieselbe Ware wie in der Ausgangsuntersuchung, handelt es sich um durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnene Fettsäuremonoalkylester und/oder paraffinische Gasöle nichtfossilen Ursprungs, gemeinhin als „Biodiesel“ bezeichnet, in Reinform oder als Mischung mit einem Gehalt an durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnenen Fettsäuremonoalkylestern und/oder paraffinischen Gasölen nichtfossilen Ursprungs von mehr als 20 GHT mit Ursprung in den Vereinigten Staaten, die derzeit unter den KN-Codes ex 1516 20 98, ex 1518 00 91, ex 1518 00 99, ex 2710 19 41, 3824 90 91, ex 3824 90 97 eingereiht werden.

(17)

Bei der Ware, die Gegenstand der Umgehungsuntersuchung ist, muss zwischen zwei Aspekten unterschieden werden: Zum Einen handelt es sich in Bezug auf die Behauptungen hinsichtlich des Versands über Kanada und Singapur, wie im vorhergehenden Absatz beschrieben, um dieselbe Ware wie in der Ausgangsuntersuchung. Zum Anderen, d. h. in Bezug auf die direkten Einfuhren aus den Vereinigten Staaten, handelt es sich bei der Ware, die Gegenstand der Umgehungsuntersuchung ist, um Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnenen Fettsäuremonoalkylestern und/oder paraffinischen Gasölen nichtfossilen Ursprungs von bis zu 20 GHT mit Ursprung in den Vereinigten Staaten.

3.   EINFUHREN VON BIODIESEL IN DIE UNION GEGENÜBER AUSFUHREN AUS DEN VEREINIGTEN STAATEN

(18)

Nach der Einführung der vorläufigen Ausgleichsmaßnahmen im März 2009 kamen die Einfuhren der betroffenen Ware praktisch zum Erliegen. Die folgende Tabelle gibt eine Zusammenfassung der Situation:

Einfuhren von Biodiesel und bestimmten Mischungen von Biodiesel in die Europäische Union

unter dem KN-Code 3824 90 91 (in Tonnen)

 

2008

Anteil

2009

Anteil

UZ

Anteil

Vereinigte Staaten

1 487 790

83,62 %

381 227

22,29 %

24

0,00 %

Kanada

1 725

0,10 %

140 043

8,19 %

197 772

9,28 %

Singapur

179

0,01 %

20 486

1,20 %

32 078

1,50 %

Quelle: Eurostat

(19)

Die aufgeführten Eurostat-Daten beziehen sich auf alle Biodieselarten mit mindestens 96,5 % Ester.

(20)

Im Vergleich dazu meldeten die Vereinigten Staaten unter dem Code HTS 3824 90 40 00 (Mischungen von Fettstoffen tierischen oder pflanzlichen Ursprungs) die folgenden Ausfuhren von Biodiesel und Biodieselmischungen:

Ausfuhren von Biodiesel und Biodieselmischungen aus den Vereinigten Staaten

unter Code HTS 3824 90 40 00 (in Tonnen)

 

2008

2009

UZ

Europäische Union

2 241 473

335 577

358 291

Kanada

967

128 233

161 841

Singapur

311

42 056

27 415

 

2 242 751

505 866

547 547

Quelle: Handelsministerium der Vereinigten Staaten

(21)

Ein Vergleich der beiden Tabellen führt zu der Schlussfolgerung, dass es sich bei den 358 291 Tonnen, die im UZ in die Union ausgeführt wurden, um Mischungen mit einem Biodiesel-Anteil von bis zu 96,5 % handelt.

4.   KANADA

4.1.   Allgemeine Erwägungen

(22)

Der Grad der Mitarbeit seitens der Hersteller/Ausführer in Kanada war hoch. Zwei Hersteller, auf die rund 90 % der kanadischen Biodieselproduktion entfallen, übermittelten einen beantworteten Fragebogen und arbeiteten umfassend an der Untersuchung mit. Des Weiteren arbeiteten der kanadische Verband für erneuerbare Kraftstoffe (Canadian Renewable Fuels Association) und die zuständigen Behörden der kanadischen Regierung an der Untersuchung mit.

(23)

Im Einklang mit Artikel 23 Absatz 3 der Grundverordnung sollte die Beurteilung, ob eine Umgehung vorliegt, so vorgenommen werden, dass schrittweise untersucht wird, ob eine Veränderung des Handelsgefüges zwischen den Vereinigten Staaten, Kanada und der Union bestand, ob diese sich aus einer Praxis, einem Fertigungsprozess oder einer Arbeit ergab, für die es außer der Einführung des Zolls keine hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung gibt, ob Beweise für eine Schädigung oder dafür vorliegen, dass die Abhilfewirkung des Zolls im Hinblick auf die Preise und/oder Mengen beeinträchtigt wurde und dass für Einfuhren der gleichartigen Ware weiterhin Subventionen gewährt werden.

4.2.   Veränderung des Handelsgefüges

4.2.1.   Einfuhren in die Union

(24)

Die Einfuhren von Biodiesel aus den Vereinigten Staaten gingen von 1 487 790 Tonnen im Jahr 2008 auf 381 227 Tonnen im Jahr 2009 und auf nahe Null im UZ zurück.

(25)

Andererseits stiegen den Eurostat-Daten zufolge die Gesamteinfuhren von Biodiesel aus Kanada in die Union zwischen 2008 und dem UZ erheblich, und zwar von 1 725 Tonnen im Jahr 2008 auf 140 043 Tonnen im Jahr 2009 und 197 772 Tonnen im UZ.

4.2.2.   US-Ausfuhren von Biodiesel nach Kanada

(26)

Es kommen keine Zölle auf Verkäufe von Biodiesel zwischen den Vereinigten Staaten und Kanada oder andere Einfuhrbeschränkungen zur Anwendung.

(27)

Den Statistiken der Vereinigten Staaten zufolge stiegen die Ausfuhren von Biodiesel aus den Vereinigten Staaten nach Kanada von 967 Tonnen im Jahr 2008 auf 128 233 Tonnen im Jahr 2009 und 161 841 Tonnen im UZ.

(28)

Bei einem Vergleich zwischen den von den Behörden der Vereinigten Staaten zur Verfügung gestellten Export-Statistiken und den von den kanadischen Behörden vor Ort zur Verfügung gestellten Einfuhrstatistiken auf Monatsbasis zeigten sich erhebliche Unterschiede. Den kanadischen Statistiken zufolge stiegen die Einfuhren von US-Biodiesel von 11 757 Tonnen im Jahr 2008 auf 18 673 Tonnen im Jahr 2009 und 174 574 Tonnen im UZ.

(29)

Die kanadischen Behörden erklärten, dass es keinen spezifischen Code zur Anmeldung von Biodiesel gebe. Sie wiesen darauf hin, dass Kanada und die Vereinigten Staaten Einfuhrdaten austauschen und diese sodann als ihre jeweiligen Ausfuhrdaten verwenden würden. Insofern sollten die kanadischen Einfuhrdaten und die Ausfuhrdaten der Vereinigten Staaten in Bezug auf den sechsstelligen Code übereinstimmen, was unter HTS 38.24.90 weitgehend der Fall ist. Bei Codes mit mehr als sechs Stellen wenden jedoch beide Länder ihre eigenen Klassifikationssysteme an. Es ist ferner zu berücksichtigen, dass die kanadischen Daten nur in Kanada zollrechtlich abgefertigte Einfuhren, nicht jedoch umgeladene Waren abdecken.

(30)

Somit steht trotz der Unterschiede zwischen den beiden Datenquellen eindeutig fest, dass die Ausfuhren von Biodiesel aus den Vereinigten Staaten nach Kanada von 2008 bis zum UZ und insbesondere seit Einführung der Ausgleichsmaßnahmen gestiegen sind. Der kanadische Markt für Biodiesel kann derzeit keine derartigen Mengen an Biodiesel aufnehmen. „Echte“ kanadische Hersteller von Biodiesel sind faktisch exportorientiert.

4.2.3.   Produktion in Kanada und Verkäufe von „echten“ kanadischen Herstellern von Biodiesel in die Union

(31)

Die beiden kooperierenden kanadischen Hersteller kauften im UZ keinen Biodiesel aus den Vereinigten Staaten oder aus anderen Quellen.

(32)

Die Produktion von Biodiesel in Kanada ist ein im Aufbau begriffener Wirtschaftszweig. Im UZ waren sechs Produktionsanlagen in Betrieb; dabei entfielen allein auf die zwei im Osten Kanadas gelegenen Anlagen, deren Eigentümer und Betreiber die beiden kooperierenden Hersteller sind, rund 90 % der Gesamtproduktion.

(33)

Ausgehend von den Produktionsmengen, die von den kooperierenden Herstellern verkauft wurden, wurden die Verkäufe ermittelt, bei denen mit Sicherheit davon ausgegangen werden konnte, dass sich die Endkunden in Nordamerika, d. h. in den Vereinigten Staaten oder Kanada, befanden. Die übrigen Verkäufe gingen an Kunden, die entweder mit den Waren handelten oder sie mit anderem Biodiesel mischten. Den beiden Unternehmen war nicht bekannt, ob die Kunden die Waren als kanadischen Biodiesel in die Union verkauften, ob sie sie mischten oder ob der Biodiesel an Endkunden in den Vereinigten Staaten oder in Kanada verkauft wurde.

(34)

Selbst wenn von dem extremen Fall ausgegangen würde, dass tatsächlich der gesamte „echte“ kanadische Biodiesel in die Union gelangt wäre, entspräche dies nur 20 % der Gesamteinfuhren aus Kanada in die Union im UZ.

4.3.   Schlussfolgerung zur Veränderung im Handelsgefüge

(35)

Der statistische Abgleich mit den von den kooperierenden Herstellern zur Verfügung gestellten Daten zeigte, dass kanadische Hersteller von Biodiesel nicht die aus Kanada in die Union ausgeführten Mengen hätten produzieren können. Dies deutet stark darauf hin, dass der massive Anstieg der Einfuhren aus Kanada in die Union mit den Ausfuhren von Biodiesel aus den Vereinigten Staaten, der von Kanada aus versandt wurde, zusammenhängt.

(36)

Somit können der Rückgang der Ausfuhren aus den Vereinigten Staaten in die Union seit 2008 und die zeitgleich erfolgte Zunahme der Ausfuhren aus Kanada in die Union sowie der Ausfuhren aus den Vereinigten Staaten nach Kanada nach Einführung der ursprünglichen Maßnahmen als eine Veränderung im Handelsgefüge betrachtet werden.

4.4.   Keine hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung außer der Einführung des Ausgleichszolls

(37)

Die Untersuchung erbrachte keine andere hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung für den Versand als die Vermeidung des geltenden Ausgleichszolls auf Biodiesel mit Ursprung in den Vereinigten Staaten.

4.5.   Untergrabung der Abhilfewirkung des Ausgleichszolls

(38)

Eurostat-Daten wurden dazu verwendet, einzuschätzen, ob im Hinblick auf die Mengen die eingeführten Waren die Abhilfewirkung der geltenden Ausgleichsmaßnahmen gegenüber Einfuhren von Biodiesel aus den Vereinigten Staaten untergraben hatten. Die Mengen und Preise der Ausfuhren aus Kanada wurden mit der in der Ausgangsuntersuchung ermittelten Schadensbeseitigungsschwelle verglichen.

(39)

Wie oben erläutert stiegen die Einfuhren aus Kanada in die Union von 1 725 Tonnen im Jahr 2008 auf 197 772 Tonnen im UZ, wobei der letztgenannte Wert einem Anteil von 9,2 % an den Einfuhren entspricht. Die Zunahme der Einfuhren aus Kanada konnte vor dem Hintergrund der in der Ausgangsuntersuchung festgestellten Größe des EU-Marktes nicht als vernachlässigbar angesehen werden. Wird das in der Ausgangsuntersuchung festgestellte nicht schädigende Preisniveau berücksichtigt, so ergibt sich, dass die kanadischen Einfuhren in die Union im UZ eine Zielpreisunterbietung von rund 50 % und eine Preisunterbietung der Verkaufspreise der Unionshersteller von rund 40 % aufwiesen.

(40)

Es wurde daher der Schluss gezogen, dass die Maßnahmen im Hinblick auf die Mengen und Preise untergraben werden.

4.6.   Beweise für das Vorliegen einer Subventionierung

(41)

In Bezug auf eine Subventionierung ist anzumerken, dass die Steuergutschrift der Vereinigten Staaten für Biodiesel, die die wichtigste in der Ausgangsuntersuchung festgestellte Subventionsregelung ist, im Dezember 2010 rückwirkend wiedereingeführt wurde. Auf dieser Grundlage wird der Schluss gezogen, dass die Einfuhren der gleichartigen Ware im UZ weiterhin subventioniert wurden.

4.7.   Schlussfolgerung

(42)

Die Untersuchung ergab, dass die endgültigen Ausgleichszölle auf die Einfuhren von Biodiesel mit Ursprung in den Vereinigten Staaten durch den Versand über Kanada im Sinne von Artikel 23 der Grundverordnung umgangen wurden.

5.   SINGAPUR

(43)

Zwei Händler mit Sitz in Singapur arbeiteten bei der Untersuchung mit. An der Mitarbeit beteiligten sich außerdem die zuständigen Behörden der Regierung von Singapur.

(44)

Die Kriterien zur Beurteilung, ob eine Umgehung vorliegt, wurden unter Randnummer 23 erläutert.

(45)

Eurostat-Daten zufolge stiegen die Gesamtausfuhren von Biodiesel aus Singapur in die Union von 179 Tonnen im Jahr 2008 auf 20 486 Tonnen im Jahr 2009 und 32 078 Tonnen im UZ. Auch die Ausfuhren aus den Vereinigten Staaten nach Singapur stiegen im gleichen Zeitraum.

(46)

Den zuständigen Behörden der Regierung von Singapur zufolge werde der im Inland hergestellte Biodiesel vorwiegend innerhalb von Singapur verkauft, um der Inlandsnachfrage gerecht zu werden. Gleichwohl stellen sie fest, dass der Wirtschaftszweig in Singapur im Wachsen begriffen sei und unlängst neue Produktionsanlagen gebaut worden seien.

(47)

Ausfuhren aus Singapur erfolgten stets auf niedrigem Niveau. Die Einfuhren von Biodiesel in die Union wurden in der Datenbank zu Artikel 14 Absatz 6 näher untersucht und mit den zuständigen nationalen Zollbehörden geprüft. Die Einfuhraktivität weist einige Spitzen auf. Aus der Analyse geht hervor, dass der Großteil dieser Einfuhren seinen Ursprung tatsächlich in Singapur hatte. Jedoch konnten nicht alle Einfuhren zugeordnet werden.

(48)

Im Vergleich mit dem in der Ausgangsuntersuchung ermittelten Unionsverbrauch wurde festgestellt, dass die nicht zuordnungsbaren Einfuhrmengen aus Singapur in die Union äußerst gering waren. Außerdem wäre ihr Anteil am Unionsverbrauch vernachlässigbar, wenn die Schätzung des EBB in Bezug auf den erheblichen Anstieg des Unionsverbrauchs seit der Ausgangsuntersuchung berücksichtigt wird.

(49)

Aufgrund des dargelegten Sachverhalts kann daher der Schluss gezogen, dass die Abhilfewirkung der Ausgleichsmaßnahmen, was die aus Singapur versandten Mengen betrifft, nicht untergraben wurde.

(50)

In Bezug auf den Güterversand ist Singapur für seine Funktion als riesiges asiatisches Güterverteilzentrum für Schiffe bekannt, in dem Schiffe regionaler Herkunft eintreffen, deren Güter dort gelöscht und später auf Schiffe verladen werden, die unter anderem nach Europa fahren. In dieser Untersuchung sind Angaben zu einem der kooperierenden Hersteller enthalten, der Biodiesel mit Ursprung in Malaysia oder Indonesien über Singapur zu einem endgültigen Bestimmungsort in der Union versandte. Im UZ führte allein dieser Händler eine erhebliche Menge an Biodiesel über Singapur in die Union aus; die Ware wurde in der Union zollrechtlich mit Ursprung in Malaysia oder Indonesien abgefertigt. Die Überprüfung ergab keine Hinweise, die es erlaubt hätten, den gemeldeten Ursprung in Indonesien oder Malaysia in Frage zu stellen.

(51)

Aufgrund des dargelegten Sachverhalts sollte die Untersuchung betreffend die mutmaßliche Umgehung der Ausgleichsmaßnahmen durch aus Singapur versandte Einfuhren von Biodiesel eingestellt werden.

6.   VEREINIGTE STAATEN

6.1.   Vorbemerkungen

(52)

Fünf Hersteller von Biodiesel oder Mischungen von Biodiesel in den Vereinigten Staaten arbeiteten an der Untersuchung mit und drei von ihnen wurden in die Stichprobe der Ausgangsuntersuchung einbezogen. Die Regierung der Vereinigten Staaten kooperierte, indem sie Ausfuhrstatistiken und ihre Auslegung dieser Statistiken zur Verfügung stellte.

(53)

Alle drei Hersteller, die in die Stichprobe der Ausgangsuntersuchung einbezogen waren, hatten die Ausfuhr von Biodiesel nach der Einführung endgültiger Maßnahmen eingestellt.

(54)

Nur eines der fünf kooperierenden Unternehmen, und zwar BP North America, das nicht in der Ausgangsuntersuchung mitgearbeitet hatte, führte im UZ Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT in die Union aus.

(55)

Der National Biodiesel Board („NBB“), die Interessenvertretung der Biodiesel-Industrie in den Vereinigten Staaten, vertrat die Auffassung, dass eine Ware, die seiner Ansicht nach ausdrücklich nicht von der Warendefinition der geltenden Maßnahmen erfasst sei, nicht ohne eine vorhergehende neue Antisubventionsuntersuchung Gegenstand von Ausgleichsmaßnahmen werden könne. Dem NBB zufolge sei in der endgültigen Verordnung ausdrücklich festgelegt, dass es sich bei „betroffener Ware“ und „gleichartiger Ware“ um Biodiesel oder Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von mehr als 20 GHT handele. Dieser Grenzwert sei nicht willkürlich festgesetzt, sondern entspräche der während der Ausgangsuntersuchung festgestellten Realität auf dem Markt. Beispielsweise sei festgestellt worden, dass der Grenzwert von 20 GHT geeignet sei für eine eindeutige Unterscheidung zwischen den verschiedenen Gemischarten, die auf dem Markt der Vereinigten Staaten angeboten werden.

(56)

Der NBB und andere interessierte Parteien stellten fest, dass durch eine Umgehungsuntersuchung Ausgleichsmaßnahmen gegenüber einer betroffenen Ware nur auf eine solche gleichartige Ware ausgedehnt werden könnten, die im Vergleich zur betroffenen Ware nur geringfügig verändert sei. Der NBB wies darauf hin, dass es der Rat selbst gewesen sei, der in der endgültigen Verordnung festgelegt habe, dass es sich bei Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT um keine gleichartige Ware handele. Laut NBB gebe es daher im Rahmen der Grundverordnung keine andere Möglichkeit, als eine neue Untersuchung einzuleiten, um festzustellen, ob diese Gemischarten Gegenstand von Maßnahmen werden sollten.

(57)

Hierzu ist zunächst festzustellen, dass es Zweck der in Artikel 23 der Grundverordnung enthaltenen Bestimmungen hinsichtlich der Umgehungsuntersuchung ist, jeglichem mutmaßlichen Versuch einer Umgehung der geltenden Maßnahmen entgegenzuwirken. Sind hinreichende Anscheinsbeweise für eine Umgehung im Sinne von Artikel 23 Absatz 3 der Grundverordnung vorhanden, so leitet die Kommission eine Untersuchung ein, um festzustellen, ob eine Umgehung stattfindet. Gemäß Artikel 23 Absatz 3 der Grundverordnung sollte die Beurteilung, ob eine Umgehung vorliegt, festgestellt werden, indem z. B. schrittweise untersucht wird, ob eine Veränderung des Handelsgefüges zwischen den Vereinigten Staaten und der Union bestand, ob diese sich aus einer Praxis, einem Fertigungsprozess oder einer Arbeit ergab, für die es außer der Einführung des Zolls keine hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung gibt, und ob Beweise für eine Schädigung oder dafür vorliegen, dass die Abhilfewirkung des Zolls im Hinblick auf die Preise und/oder Mengen untergraben wurde.

(58)

Ferner ist zu berücksichtigen, dass es sich bei einer Umgehungsuntersuchung nicht um eine Überprüfung der Warendefinition gemäß Artikel 19 der Grundverordnung handelt und weder die Definition der betroffenen Ware noch der gleichartigen Ware geändert werden. Die Bestimmungen von Artikel 23 der Grundverordnung bieten den Rechtsrahmen für eine Untersuchung, mit der festgestellt werden soll, ob eine Umgehung vorliegt in Bezug auf eine Ware, die Gegenstand von Antidumpingmaßnahmen ist.

(59)

Vor diesem Hintergrund wurde in dem gemäß Artikel 23 Absatz 4 der Grundverordnung bei der Kommission eingegangenen Antrag behauptet, dass seit der Einführung von Maßnahmen Ausfuhren von Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT mit Ursprung in den Vereinigten Staaten in die Union gelangt seien, bei denen angeblich die in der Beschreibung der betroffenen Ware und der gleichartigen Ware festgesetzte Schwelle für den Biodieselgehalt ausgenutzt werde. Mit der Untersuchung wurde geprüft, ob diese Praxis als Umgehung im Sinne von Artikel 23 der Grundverordnung angesehen werden kann. Abschließend ist anzumerken, dass mutmaßliche Umgehungspraktiken nur nach Artikel 23 der Grundverordnung untersucht werden können.

6.2.   Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von höchstens 20 GHT — Ausfuhren aus den Vereinigten Staaten in die Union

(60)

Wie unter Randnummer 20 erwähnt, enthält der HTS-Code 3824 90 40 00 der Vereinigten Staaten auch Mischungen mit einem Biodiesel-Gehalt von bis zu 96,5 GHT. Den Ausfuhrstatistiken der Vereinigten Staaten zufolge wurde im UZ eine Gesamtmenge von 358 291 Tonnen dieser Gemischart in die Union ausgeführt.

(61)

BP Products North America („BPNA“) führte im UZ einen beträchtlichen Anteil der oben genannten Menge aus.

(62)

BPNA arbeitete nicht an der Ausgangsuntersuchung mit, da es seine Geschäftstätigkeit im Bereich von Biodiesel erst Anfang 2009 in Erwartung eines künftig wachsenden Marktes für Biodiesel und als Reaktion auf staatliche Aufträge sowohl aus den Vereinigten Staaten als auch aus dem Ausland aufgenommen hatte. BPNA begann mit seinen Ausfuhren in die Union im Dezember 2009. An dieser Stelle sei erwähnt, dass endgültige Maßnahmen im Juli 2009 eingeführt wurden.

(63)

Innerhalb der Union verkaufte BP im Vereinigten Königreich, in Frankreich und den Niederlanden Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 15 GHT („B15“) mit Ursprung in den Vereinigten Staaten. In allen diesen Fällen dient die Ware als Mischungsgrundlage, um so den diesbezüglichen geltenden Rechtsvorschriften in bestimmten Mitgliedstaaten zu genügen, mit denen der Verbrauch von Biokraftstoffen an den Zapfsäulen gefördert werden soll, da diese derzeit als ökologisch nachhaltig angesehen werden.

(64)

BPNA stellte fest, dass Mischungen mit einem Gehalt an Biodiesel von weniger als 15 GHT nicht als gleichartiges Produkt in Bezug auf die betroffene Ware angesehen werden könnten. Die Unterschiede in Bezug auf die Merkmale und die Marktbedingungen seien zu groß. Die mit der Herstellung und der Einfuhr verbundene Logistik (einschließlich Versandbeschränkungen) von Mischungen mit geringerem Biodiesel-Gehalt im Vergleich zu Mischungen mit höherem Biodiesel-Gehalt unterschieden sich sehr stark. BPNA zufolge würden beim Versand von Mischungen mit einem Biodiesel-Gehalt von weniger als 15 GHT solche Waren für Versandzwecke nicht als chemische Erzeugnisse, sondern als Erdölerzeugnisse klassifiziert, was geringere Versandkosten zur Folge habe. BPNA verwies ferner auf Leistungsunterschiede von Mischungen mit geringerem Biodiesel-Gehalt im Vergleich zu Mischungen mit höherem Biodiesel-Gehalt bei der Verwendung in Dieselmotoren.

(65)

Das Ziel der Untersuchung betreffend die mutmaßliche Umgehung ist es, festzustellen, ob mit Biodiesel als Mischung mit einemGehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT die geltenden Maßnahmen umgangen wurden. Es mag durchaus zutreffen, dass ein geringerer Biodiesel-Gehalt geringere Versandkosten zur Folge hat; gleichwohl ist hier festzuhalten, dass es sich bei einer Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT im Grunde nur um eine andere Zusammensetzung der Mischung handelt im Vergleich zu dem Verfahren, mit dem Biodiesel in einer Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von mehr als 20 GHT hergestellt wird. Die Zusammensetzung einer Mischung zu ändern ist ein einfacher Vorgang. Die Herstellung einer Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT wird als eine nur geringfügige Änderung der betroffenen Ware angesehen, wobei der einzige Unterschied im Biodiesel-Gehalt der Mischung besteht. Des Weiteren ist festzustellen, dass sowohl die betroffene Ware als auch die Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT letztendlich für die selben Zwecke in der Union bestimmt sind. Mischungen von Biodiesel mit einem Gehalt an Biodiesel von sowohl bis zu 20 GHT als auch über 20 GHT haben dieselben wesentlichen Eigenschaften.

6.3.   Veränderung des Handelsgefüges

(66)

Die Einfuhren der betroffenen Ware aus den Vereinigten Staaten gingen von 1 487 790 Tonnen im Jahr 2008 auf 381 227 Tonnen im Jahr 2009 und auf nahe Null im UZ zurück.

(67)

Hier ist anzumerken, dass trotz der verbindlichen Beimischung eines Anteils von beispielsweise 5 GHT Biodiesel während der Ausgangsuntersuchung in der Union die Ausfuhren von Biodiesel mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT aus den Vereinigten Staaten in die Union erst nach der Einführung der endgültigen Maßnahmen begannen. Betrachtet man die Daten, die von den in die Stichprobe einbezogenen, kooperierenden ausführenden Herstellern zur Verfügung gestellt wurden, so wurde während der Ausgangsuntersuchung vorwiegend Biodiesel mit einem Gehalt an Biodiesel von 99,9 GHT in die Union ausgeführt. Der Grund dafür lag in der maximalen Ausschöpfung der Subventionen für die ausgeführten Waren (Steuergutschrift für Biodiesel: 1 $ pro Gallone).

(68)

Außer der Vermeidung der geltenden Ausgleichsmaßnahmen ist eine andere wirtschaftliche Rechtfertigung für den Beginn der Ausfuhr von Biodiesel mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT daher nicht erkennbar.

(69)

Der Anteil von Biodiesel in der Mischung wird nach wie vor subventioniert und der Einführer vermeidet die Zahlung des fälligen Ausgleichszolls. Diesbezüglich ist anzumerken, dass der Ausgleichszoll auf Mischungen für den Biodiesel-Gehalt an der Mischung insgesamt gilt, d. h. im Falle von Einfuhren von Biodiesel mit einem Gehalt an Biodiesel von 15 GHT würde der nicht zu zahlende Ausgleichszoll rund 35 EUR pro Tonne betragen.

6.4.   Keine hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung außer der Einführung des Ausgleichszolls

(70)

BPNA zufolge seien Mischungen von Biodiesel mit einem Gehalt an Biodiesel von weniger als 15 GHT nicht deshalb hergestellt worden, um die Zahlung von Zöllen zu umgehen. Das Unternehmen stellte fest, dass es nicht an der Ausgangsuntersuchung mitgearbeitet habe, da es seine Geschäftstätigkeit im Bereich von Biodiesel erst Anfang 2009 aufgenommen habe, weil sich infolge staatlicher Vorschriften in den Vereinigten Staaten als auch im Ausland eine Belebung des Biodieselmarkts abgezeichnet habe. Die spezifische Unternehmensstruktur, seine Tätigkeit als Mineralölunternehmen und seine logistische Präsenz in den Vereinigten Staaten seien die Gründe für die logische unternehmerische Entscheidung gewesen, Mischungen in den Vereinigten Staaten herzustellen und diese in die Europäische Union auszuführen. Die ausgeführten Mischungen hätten stets einen Gehalt an Biodiesel von höchstens 15 GHT gehabt, da dies weniger strenge Sicherheitsmaßnahmen erforderlich gemacht habe: Mischungen mit einem Gehalt an Biodiesel von höchstens 15 GHT gelten gemäß den Rechtsvorschriften für den Seeverkehr nicht als chemische Erzeugnisse.

(71)

Es ist darauf hinzuweisen, dass die Tätigkeit dieses Unternehmens in Bezug auf die Ausfuhren in die Europäische Union erst nach der Einführung von Maßnahmen begann. Es wird daher die Auffassung vertreten, dass es keine andere hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung als die Vermeidung des geltenden Ausgleichszolls auf Biodiesel mit Ursprung in den Vereinigten Staaten gibt.

6.5.   Untergrabung der Abhilfewirkung des Ausgleichszolls

(72)

Wird das in der Ausgangsuntersuchung festgestellte nicht schädigende Preisniveau berücksichtigt, so ergibt sich, dass die Einfuhren von Biodiesel mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT aus den Vereinigten Staaten in die Union im UZ sowohl eine Zielpreisunterbietung als auch eine Preisunterbietung aufwiesen. Die Einfuhren von Biodiesel mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT begannen erst nach der Einführung der endgültigen Maßnahmen und die betreffenden Mengen waren nicht unerheblich.

(73)

Es wurde daher der Schluss gezogen, dass die Maßnahmen im Hinblick auf die Mengen und Preise untergraben werden.

6.6.   Beweise für das Vorliegen einer Subventionierung

(74)

In Bezug auf Subventionierung ist anzumerken, dass die Steuergutschrift der Vereinigten Staaten für Biodiesel, die die wichtigste in der Ausgangsuntersuchung festgestellte Subventionsregelung ist, im Dezember 2010 rückwirkend wiedereingeführt wurde. Auf dieser Grundlage wird der Schluss gezogen, dass die Einfuhren der gleichartigen Ware im UZ weiterhin subventioniert wurden.

6.7.   Schlussfolgerung

(75)

Die Untersuchung ergab, dass die endgültigen Ausgleichszölle auf die Einfuhren von Biodiesel mit Ursprung in den Vereinigten Staaten durch Einfuhren von Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT in die Union umgangen wurden.

(76)

Es wurde der Schluss gezogen, dass als einzige wirtschaftliche Rechtfertigung für die Ausfuhr von Mischungen mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT einerseits die in den Vereinigten Staaten praktizierte Subventionierung und andererseits die Vermeidung der Zahlung von Ausgleichszöllen bei Einfuhren in die Europäische Union anzusehen ist.

(77)

BPNA beantragte die Befreiung von den möglichen ausgeweiteten Maßnahmen. Da jedoch die Untersuchung eindeutig ergab, dass Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT nur eingeführt wurde, um die geltenden Maßnahmen zu umgehen, kann eine solche Befreiung nicht gewährt werden. Gemäß Artikel 23 Absatz 6 der Grundverordnung können Herstellern der betroffenen Ware, die nachweislich nicht mit einem von den Maßnahmen betroffenen Hersteller verbunden sind und nicht an Umgehungspraktiken beteiligt sind, Befreiungen gewährt werden. In den Untersuchungen wurde festgestellt, dass BNPA an Umgehungspraktiken beteiligt ist, da es begann, nach der Einführung von Ausgleichs- und Antidumpingmaßnahmen Biodiesel mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT auszuführen, wofür es keine hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung außer der Einführung der Antidumpingzölle gibt. Außerdem gibt es Beweise dafür, dass die Abhilfewirkung der Maßnahmen im Hinblick auf Preise und Mengen untergraben wird und dass für Einfuhren der Ware weiterhin Subventionen gewährt werden.

(78)

Einige Hersteller von Biodiesel, die in der Ausgangsuntersuchung mitarbeiteten, beantragten Befreiungen von jeglichen ausgeweiteten Maßnahmen in Bezug auf eine Umgehung. Es wurde festgestellt, dass diese Hersteller aus den Vereinigten Staaten Biodiesel mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT weder herstellten noch verkauften. Gemäß Artikel 23 Absatz 6 der Grundverordnung können im Rahmen einer Untersuchung betreffend eine mutmaßliche Umgehung nur von Herstellern gestellte Anträge auf Befreiung berücksichtigt werden. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass Artikel 23 der Grundverordnung Bestimmungen für Neuausführer enthält.

7.   MASSNAHMEN

7.1.   Kanada

(79)

In Anbetracht der vorstehenden Gründe wurde der Schluss gezogen, dass der endgültige Ausgleichszoll auf die Einfuhren von Biodiesel mit Ursprung in den Vereinigten Staaten durch den Versand über Kanada gemäß Artikel 23 der Grundverordnung umgangen wurde.

(80)

Nach Artikel 23 Absatz 1 Satz 1 der Grundverordnung sollten die geltenden Maßnahmen gegenüber den Einfuhren von Biodiesel mit Ursprung in den Vereinigten Staaten auf die aus Kanada versandten Einfuhren der gleichen Ware ausgeweitet werden, ob als Ursprungserzeugnisse Kanadas angemeldet oder nicht.

(81)

Um eine Umgehung des Zolls durch unüberprüfbare Behauptungen zu vermeiden, wonach die in Kanada umgeladene Ware von einem in der endgültigen Verordnung mit einem unternehmensspezifischen Zollsatz belegten Unternehmen hergestellt worden sei, sollte es sich bei dem auszuweitenden Zoll um den in Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 598/2009 für „alle übrigen Unternehmen“ festgesetzten Zoll handeln, der aus einem endgültigen Ausgleichszoll von 237 EUR pro Tonne besteht.

(82)

Der Ausgleichszoll auf Mischungen gilt für den Gewichtsanteil von durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnenen Fettsäuremonoalkylestern und paraffinischen Gasölen nichtfossilen Ursprungs an der Mischung insgesamt (Biodieselgehalt).

(83)

Im Einklang mit Artikel 23 Absatz 4 und Artikel 24 Absatz 5 der Grundverordnung, nach denen etwaige ausgeweitete Maßnahmen auf Einfuhren in die Union anwendbar sein sollten, die gemäß der Einleitungsverordnung zollamtlich erfasst werden, sollten die aus Kanada versandten zollamtlich erfassten Einfuhren von Biodiesel mit Zöllen belegt werden.

7.2.   Vereinigte Staaten

(84)

In Anbetracht der vorstehenden Gründe wurde der Schluss gezogen, dass der auf die Einfuhren von Biodiesel mit Ursprung in den Vereinigten Staaten erhobene endgültige Ausgleichszoll dadurch im Sinne von Artikel 23 der Grundverordnung umgangen wurde, dass Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT in die Union eingeführt wurde.

(85)

Im Einklang mit Artikel 23 Absatz 1 Satz 1 der Grundverordnung sollten daher die geltenden Maßnahmen gegenüber den Einfuhren der betroffenen Ware mit Ursprung in den Vereinigten Staaten auf Einfuhren von Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT ausgeweitet werden.

(86)

Bei den auszuweitenden Zöllen sollte es sich um die in Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 598/2009 festgesetzten Zölle handeln.

(87)

Der ausgeweitete Ausgleichszoll auf Mischungen gilt für den Gewichtsanteil von durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnenen Fettsäuremonoalkylestern und paraffinischen Gasölen nichtfossilen Ursprungs an der Mischung insgesamt (Biodieselgehalt).

(88)

Im Einklang mit Artikel 23 Absatz 4 und Artikel 24 Absatz 5 der Grundverordnung, nach denen eine etwaige Ausweitung der Maßnahmen auf Einfuhren in die Union anwendbar sein sollte, die gemäß der Einleitungsverordnung zollamtlich erfasst werden, sollten die erfassten Einfuhren von Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT mit Ursprung in den Vereinigten Staaten mit Zöllen belegt werden.

8.   EINSTELLUNG DER UNTERSUCHUNG GEGENÜBER SINGAPUR

(89)

In Anbetracht der Ergebnisse hinsichtlich Singapurs sollten die Untersuchung betreffend die mutmaßliche Umgehung von Ausgleichsmaßnahmen durch aus Singapur versandte Einfuhren von Biodiesel und die durch die Einführungsverordnung eingeleitete Erfassung von aus Singapur versandten Einfuhren von Biodiesel eingestellt werden.

9.   ANTRAG AUF BEFREIUNG

(90)

Die beiden kooperierenden Unternehmen aus Kanada, die einen ausgefüllten Fragebogen übermittelten, beantragten die Befreiung von den möglichen ausgeweiteten Maßnahmen nach Artikel 23 Absatz 6 der Grundverordnung.

(91)

Es zeigte sich, dass die beiden kooperierenden kanadischen Hersteller nicht an den Umgehungspraktiken beteiligt waren, die Gegenstand dieser Untersuchung sind. Außerdem konnten diese Hersteller nachweisen, dass sie mit keinem Hersteller/Ausführer von Biodiesel in den Vereinigten Staaten verbunden sind. Folglich kann ihren Anträgen auf Befreiung stattgegeben werden.

(92)

Es werden besondere Vorkehrungen in diesem Fall für erforderlich gehalten, um eine ordnungsgemäße Umsetzung der Befreiungen zu gewährleisten. Zu diesen Vorkehrungen zählt insbesondere die Vorschrift, den Zollbehörden der Mitgliedstaaten eine gültige Handelsrechnung vorzulegen, die den Vorschriften im Anhang dieser Verordnung entspricht. Auf Einfuhren, für die keine solche Handelsrechnung vorgelegt wird, wird der ausgeweitete Ausgleichszoll erhoben.

(93)

Eine kooperierende Partei in den Vereinigten Staaten, die einen ausgefüllten Fragebogen übermittelte, beantragte auch die Befreiung von den möglichen ausgeweiteten Maßnahmen nach Artikel 23 Absatz 6 der Grundverordnung.

(94)

Wie unter Randnummer 77 erläutert, ergab die Untersuchung eindeutig, dass diese Partei an den Umgehungspraktiken beteiligt war, indem sie Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT einführte. Folglich kann eine solche Befreiung nicht gewährt werden.

(95)

Es ist jedoch hervorzuheben, dass in Fällen, in denen betroffene ausführende Hersteller keine Subventionen mehr in Anspruch nehmen, diese Parteien eine Überprüfung gemäß Artikel 19 der Grundverordnung beantragen können.

10.   UNTERRICHTUNG

(96)

Alle interessierten Parteien wurden über die wesentlichen Fakten und Erwägungen, die zu den vorstehenden Schlussfolgerungen geführt haben, unterrichtet und aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen. Die mündlichen und schriftlichen Stellungnahmen der Parteien wurden berücksichtigt —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

(1)   Der mit der Verordnung (EG) Nr. 598/2009 eingeführte endgültige Ausgleichszoll auf Einfuhren von durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnenen Fettsäuremonoalkylestern und/oder paraffinischen Gasölen nichtfossilen Ursprungs, gemeinhin als „Biodiesel“ bezeichnet, in Reinform oder als Mischung mit einem Gehalt an durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnenen Fettsäuremonoalkylestern und/oder paraffinischen Gasölen nichtfossilen Ursprungs von mehr als 20 GHT mit Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika wird hiermit ausgeweitet auf aus Kanada versandte Einfuhren in die Union von durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnenen Fettsäuremonoalkylestern und/oder paraffinischen Gasölen nichtfossilen Ursprungs, gemeinhin als „Biodiesel“ bezeichnet, in Reinform oder als Mischung mit einem Gehalt an durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnenen Fettsäuremonoalkylestern und/oder paraffinischen Gasölen nichtfossilen Ursprungs von mehr als 20 GHT, ob als Ursprungserzeugnisse Kanadas angemeldet oder nicht, die derzeit unter den KN-Codes ex 1516 20 98 (TARIC-Code 1516209821), ex 1518 00 91 (TARIC-Code 1518009121), ex 1518 00 99 (TARIC-Code 1518009921), ex 2710 19 41 (TARIC-Code 2710194121), ex 3824 90 91 (TARIC-Code 3824909110) und ex 3824 90 97 (TARIC-Code 3824909701) eingereiht werden, wobei die von den nachstehend aufgeführten Unternehmen hergestellten ausgenommen sind:

Land

Unternehmen

TARIC-Zusatzcode

Kanada

BIOX Corporation, Oakville, Ontario, Kanada

B107

Kanada

Rothsay Biodiesel, Guelph, Ontario, Kanada

B108

Bei dem auszuweitenden Zoll handelt es sich um den in Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 598/2009 für „alle übrigen Unternehmen“ festgesetzten Zoll, der aus einem endgültigen Ausgleichszoll von 237 EUR pro Tonne Nettogewicht besteht.

Der Ausgleichszoll auf Mischungen gilt für den Gewichtsanteil von durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnenen Fettsäuremonoalkylestern und paraffinischen Gasölen nichtfossilen Ursprungs an der Mischung insgesamt (Biodieselgehalt).

(2)   Die Anwendung von Befreiungen, die den in Absatz 1 genannten Unternehmen gewährt werden oder die von der Kommission nach Artikel 4 Absatz 2 gewährt werden, setzt voraus, dass den Zollbehörden der Mitgliedstaaten eine gültige Handelsrechnung vorgelegt wird, die den Vorgaben im Anhang entspricht. Wird keine solche Handelsrechnung vorgelegt, findet der mit Absatz 1 eingeführte Ausgleichszoll Anwendung.

(3)   Der gemäß Absatz 1 ausgeweitete Zoll wird auf die aus Kanada versandten Einfuhren erhoben, ob als Ursprungserzeugnisse Kanadas angemeldet oder nicht, die gemäß Artikel 2 der Verordnung (EU) Nr. 721/2010 und Artikel 23 Absatz 4 sowie Artikel 24 Absatz 5 der Verordnung (EG) Nr. 597/2009 zollamtlich erfasst wurden, mit Ausnahme der von den in Absatz 1 aufgeführten Unternehmen hergestellten Einfuhren.

(4)   Es finden die geltenden Zollbestimmungen Anwendung.

Artikel 2

(1)   Der mit der Verordnung (EG) Nr. 598/2009 eingeführte endgültige Ausgleichszoll auf Einfuhren von durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnenen Fettsäuremonoalkylestern und/oder paraffinischen Gasölen nichtfossilen Ursprungs, gemeinhin als „Biodiesel“ bezeichnet, in Reinform oder als Mischung mit einem Gehalt an durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnenen Fettsäuremonoalkylestern und/oder paraffinischen Gasölen nichtfossilen Ursprungs von mehr als 20 GHT mit Ursprung in den Vereinigten Staaten wird hiermit ausgeweitet auf Einfuhren von Biodiesel in die Union als Mischung mit einem Gehalt an durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnenen Fettsäuremonoalkylestern und/oder paraffinischen Gasölen nichtfossilen Ursprungs von bis zu 20 GHT mit Ursprung in den Vereinigten Staaten, die derzeit unter den KN-Codes ex 1516 20 98 (TARIC-Code 1516209830), ex 1518 00 91 (TARIC-Code 1518009130), ex 1518 00 99 (TARIC-Code 1518009930), ex 2710 19 41 (TARIC-Code 2710194130) und ex 3824 90 97 (TARIC-Code 3824909704) eingereiht werden.

Bei den auszuweitenden Zöllen handelt es sich um die in Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 598/2009 festgesetzten Zölle.

Der Ausgleichszoll auf Mischungen gilt für den Gewichtsanteil von durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnenen Fettsäuremonoalkylestern und paraffinischen Gasölen nichtfossilen Ursprungs an der Mischung insgesamt (Biodieselgehalt).

(2)   Die durch Absatz 1 ausgeweiteten Zölle werden auf Einfuhren mit Ursprung in den Vereinigten Staaten erhoben, die gemäß Artikel 2 der Verordnung (EU) Nr. 721/2010 und Artikel 23 Absatz 4 sowie Artikel 24 Absatz 5 der Verordnung (EG) Nr. 597/2009 zollamtlich erfasst wurden.

(3)   Es finden die geltenden Zollbestimmungen Anwendung.

Artikel 3

Die durch die Verordnung (EU) Nr. 721/2010 eingeleitete Untersuchung betreffend die mutmaßliche Umgehung der mit der Verordnung (EG) Nr. 598/2009 des Rates eingeführten Ausgleichsmaßnahmen gegenüber den Einfuhren von Biodiesel mit Ursprung in den Vereinigten Staaten durch aus Singapur versandte Einfuhren von Biodiesel, ob als Ursprungserzeugnisse Singapurs angemeldet oder nicht, sowie zur zollamtlichen Erfassung dieser Einfuhren, wird eingestellt.

Artikel 4

(1)   Anträge auf Befreiung von dem durch Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 2 Absatz 1 ausgeweiteten Zoll sind schriftlich in einer Amtssprache der Europäischen Union zu stellen und von einer bevollmächtigten Person des antragstellenden Unternehmens zu unterzeichnen. Der Antrag ist an folgende Dienststelle zu richten:

Europäische Kommission

Generaldirektion Handel

Direktion H

Büro: N-105 04/92

1049 Brüssel

BELGIEN

Fax +32 22956505

(2)   Nach Artikel 23 Absatz 6 der Verordnung (EG) Nr. 597/2009 kann die Kommission, nach Anhörung des Beratenden Ausschusses, auf dem Beschlussweg die Einfuhren von Unternehmen, die die mit der Verordnung (EG) Nr. 598/2009 eingeführten Ausgleichsmaßnahmen nicht umgehen, von dem mit Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 2 Absatz 1 ausgeweiteten Zoll befreien.

Artikel 5

Die Zollbehörden werden angewiesen, die zollamtliche Erfassung der Einfuhren gemäß Artikel 2 der Verordnung (EU) Nr. 721/2010 einzustellen.

Artikel 6

Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Geschehen zu Brüssel am 5. Mai 2011.

Im Namen des Rates

Der Präsident

MARTONYI J.


(1)  ABl. L 188 vom 18.7.2009, S. 93.

(2)  ABl. L 67 vom 12.3.2009, S. 50.

(3)  ABl. L 179 vom 10.7.2009, S. 1.

(4)  ABl. L 179 vom 10.7.2009, S. 26.

(5)  ABl. L 211 vom 12.8.2010, S. 6.

(6)  ABl. L 211 vom 12.8.2010, S. 1.


ANHANG

Die in Artikel 1 Absatz 2 genannte gültige Handelsrechnung muss eine Erklärung in folgender Form enthalten, die von einer dafür zuständigen Person des Unternehmens unterzeichnet wurde, das die Handelsrechnung ausgestellt hat:

1.

Name und Funktion der zuständigen Person des Unternehmens, das die Handelsrechnung ausgestellt hat.

2.

Folgende Erklärung: „Der/Die Unterzeichnete versichert, dass die auf dieser Rechnung aufgeführten und zur Ausfuhr in die Europäische Union verkauften (Mengenangabe) (betroffene Ware) von (Name und Anschrift des Unternehmens) (TARIC-Zusatzcode) in (betroffenes Land) hergestellt wurden und dass die Angaben auf dieser Rechnung vollständig und richtig sind.“

3.

Datum und Unterschrift


11.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 122/12


DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) Nr. 444/2011 DES RATES

vom 5. Mai 2011

zur Ausweitung des mit der Verordnung (EG) Nr. 599/2009 eingeführten endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Biodiesel mit Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika auf die aus Kanada versandten Einfuhren von Biodiesel, ob als Ursprungserzeugnisse Kanadas angemeldet oder nicht, und zur Ausweitung des mit der Verordnung (EG) Nr. 599/2009 eingeführten endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT mit Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika und zur Einstellung der Untersuchung betreffend die aus Singapur versandten Einfuhren

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 des Rates vom 30. November 2009 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (1) („Grundverordnung“), insbesondere auf Artikel 13 Absatz 3,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission nach Anhörung des Beratenden Ausschusses,

in Erwägung nachstehender Gründe:

1.   VERFAHREN

1.1.   Geltende Maßnahmen

(1)

Die Kommission führte mit der Verordnung (EG) Nr. 193/2009 (2) vorläufige Antidumpingzölle auf die Einfuhren von Biodiesel mit Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika („Vereinigte Staaten“) ein.

(2)

Der Rat führte mit der Verordnung (EG) Nr. 599/2009 (3) („endgültige Verordnung“) einen endgültigen Antidumpingzoll zwischen 0 EUR und 198,00 EUR je Tonne auf Einfuhren von Biodiesel gemäß der Definition in Artikel 1 Absatz 1 der genannten Verordnung („betroffene Ware“) mit Ursprung in den Vereinigten Staaten ein („geltende Maßnahmen“). Die Untersuchung, die zur Annahme der endgültigen Verordnung führte, wird im Folgenden „Ausgangsuntersuchung“ genannt.

(3)

Des Weiteren ist anzumerken, dass der Rat mit der Verordnung (EG) Nr. 598/2009 (4) einen endgültigen Ausgleichszoll zwischen 211,20 EUR und 237 EUR je Tonne auf Einfuhren der betroffenen Ware einführte.

1.2.   Antrag

(4)

Am 30. Juni 2010 erhielt die Kommission nach Artikel 13 Absatz 3 der Grundverordnung einen Antrag auf Untersuchung der mutmaßlichen Umgehung der Antidumpingmaßnahmen gegenüber den Einfuhren der betroffenen Ware. Der Antrag wurde vom European Biodiesel Board („EBB“) im Namen der Biodiesel-Hersteller in der Union gestellt.

(5)

In dem Antrag wurde behauptet, dass die Antidumpingmaßnahmen gegenüber den Einfuhren der betroffenen Ware durch den Versand über Kanada und Singapur sowie durch die Ausfuhr von Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT umgangen würden.

(6)

In dem Antrag wurde ferner behauptet, dass sich das Handelsgefüge der Ausfuhren aus den Vereinigten Staaten, Kanada und Singapur nach der Einführung der Maßnahmen gegenüber der betroffenen Ware erheblich verändert habe und dass es für diese Veränderung außer der Einführung des Zolls keine hinreichende Begründung oder Rechtfertigung gebe. Diese Veränderung des Handelsgefüges gehe angeblich auf den Versand der betroffenen Ware über Kanada und Singapur zurück.

(7)

Des Weiteren wurde in dem Antrag vorgebracht, dass seit der Einführung der Maßnahmen Ausfuhren von Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT mit Ursprung in den Vereinigten Staaten in die Union gelangten, bei denen angeblich die in der Beschreibung der betroffenen Ware festgesetzte Schwelle für den Biodieselgehalt ausgenutzt werde.

(8)

Im Antrag wurde außerdem festgestellt, dass die Abhilfewirkung der für die betroffene Ware geltenden Antidumpingmaßnahmen in Hinblick auf Menge und Preis beeinträchtigt werde. Dem Anschein nach würden anstelle von Einfuhren der betroffenen Ware bedeutende Mengen an Biodiesel in Reinform oder als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von über 20 GHT aus Kanada und Singapur sowie von Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT eingeführt. Außerdem lägen hinreichende Beweise dafür vor, dass die Preise der gestiegenen Einfuhren deutlich unter dem nicht schädigenden Preis liegen, der in der Untersuchung, die zu den geltenden Maßnahmen führte, ermittelt wurde.

(9)

Des Weiteren wurde im Antrag behauptet, dass die bereits früher ermittelte Subventionierung der Preise für die untersuchte Ware anhalte.

1.3.   Einleitung

(10)

Die Kommission kam nach Anhörung des Beratenden Ausschusses zu dem Schluss, dass hinreichende Anscheinsbeweise für die Einleitung einer Überprüfung nach Artikel 13 der Grundverordnung vorlagen; sie leitete daher nach der Verordnung (EU) Nr. 720/2010 (5) („Einleitungsverordnung“) eine Überprüfung ein. Nach Artikel 14 Absatz 5 der Grundverordnung wies die Kommission ferner gemäß der Einleitungsverordnung die Zollbehörden an, aus Kanada und Singapur versandte Einfuhren von Biodiesel sowie Einfuhren von Biodiesel mit Ursprung in den Vereinigten Staaten als Mischung mit bis zu 20 GHT von durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnenen Fettsäuremonoalkylestern und/oder paraffinischen Gasölen nichtfossilen Ursprungs zollamtlich zu erfassen.

(11)

Die Kommission leitete außerdem parallel dazu eine Untersuchung gemäß Verordnung (EU) Nr. 721/2010 (6) ein betreffend die mutmaßliche Umgehung von Ausgleichsmaßnahmen auf die Einfuhren von Biodiesel mit Ursprung in den Vereinigten Staaten durch aus Kanada und Singapur versandte Einfuhren von Biodiesel und durch die Einfuhren von Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT mit Ursprung in den Vereinigten Staaten.

1.4.   Untersuchung

(12)

Die Kommission benachrichtigte die Behörden der Vereinigten Staaten, Kanadas und Singapurs offiziell. Fragebogen wurden an die bekannten Hersteller/Ausführer in den Vereinigten Staaten, Kanada und Singapur gesandt. Die interessierten Parteien erhielten Gelegenheit, innerhalb der in der Einleitungsverordnung gesetzten Frist ihren Standpunkt schriftlich darzulegen und eine Anhörung zu beantragen.

(13)

Die folgenden Unternehmen übermittelten Fragebogen, woraufhin in ihren Betrieben Kontrollbesuche durchgeführt wurden:

 

Hersteller/Ausführer in Kanada:

BIOX Corporation

Rothsay Biodiesel

 

Händler in Singapur:

Trafigura Pte Ltd.

Wilmar Trading Pte Ltd.

 

Hersteller/Ausführer in denVereinigten Staaten:

Archer Daniels Midland Company

BP Products North America Inc.

Louis Dreyfus Corporation

 

Verbundene Einführer:

BP Oil International Limited

Cargill BV

(14)

Ferner wurden Besuche bei den zuständigen Behörden der Regierung von Kanada und der Regierung von Singapur durchgeführt.

1.5.   Untersuchungszeitraum

(15)

Die Untersuchung betraf den Zeitraum vom 1. April 2009 bis zum 30. Juni 2010 („Untersuchungszeitraum“ oder „UZ“). Es wurden Informationen über den Zeitraum von 2008 bis zum Ende des UZ eingeholt, um die angebliche Veränderung im Handelsgefüge zu untersuchen.

2.   WARE, DIE GEGENSTAND DER UMGEHUNGSUNTERSUCHUNG IST

(16)

Bei der von der mutmaßlichen Umgehung betroffenen Ware, d. h. dieselbe Ware wie in der Ausgangsuntersuchung, handelt es sich um durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnene Fettsäuremonoalkylester und/oder paraffinische Gasöle nichtfossilen Ursprungs, gemeinhin als „Biodiesel“ bezeichnet, in Reinform oder als Mischung mit einem Gehalt an durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnenen Fettsäuremonoalkylestern und/oder paraffinischen Gasölen nichtfossilen Ursprungs von mehr als 20 GHT mit Ursprung in den Vereinigten Staaten, die derzeit unter den KN-Codes ex 1516 20 98, ex 1518 00 91, ex 1518 00 99, ex 2710 19 41, 3824 90 91, ex 3824 90 97 eingereiht werden.

(17)

Bei der Ware, die Gegenstand der Umgehungsuntersuchung ist, muss zwischen zwei Aspekten unterschieden werden: Zum einen handelt es sich in Bezug auf die Behauptungen hinsichtlich des Versands über Kanada und Singapur, wie im vorhergehenden Absatz beschrieben, um dieselbe Ware wie in der Ausgangsuntersuchung. Zum anderen, d. h. in Bezug auf die direkten Einfuhren aus den Vereinigten Staaten, handelt es sich bei der Ware, die Gegenstand der Umgehungsuntersuchung ist, um Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnenen Fettsäuremonoalkylestern und/oder paraffinischen Gasölen nichtfossilen Ursprungs von bis zu 20 GHT mit Ursprung in den Vereinigten Staaten.

3.   EINFUHREN VON BIODIESEL IN DIE UNION GEGENÜBER AUSFUHREN AUS DEN VEREINIGTEN STAATEN

(18)

Nach der Einführung der vorläufigen Antidumpingmaßnahmen im März 2009 kamen die Einfuhren der betroffenen Ware praktisch zum Erliegen. Die folgende Tabelle gibt eine Zusammenfassung der Situation:

Einfuhren von Biodiesel und bestimmen Mischungen von Biodiesel in die Europäische Union

unter dem Code KN 3824 90 91 (in Tonnen)

 

2008

Anteil

2009

Anteil

UZ

Anteil

Vereinigte Staaten

1 487 790

83,62 %

381 227

22,29 %

24

0,00 %

Kanada

1 725

0,10 %

140 043

8,19 %

197 772

9,28 %

Singapur

179

0,01 %

20 486

1,20 %

32 078

1,50 %

Quelle: Eurostat.

(19)

Die aufgeführten Eurostat-Daten beziehen sich auf alle Biodieselarten mit mindestens 96,5 % Ester.

(20)

Im Vergleich dazu meldeten die Vereinigten Staaten unter dem Code HTS 3824 90 40 00 (Mischungen von Fettstoffen tierischen oder pflanzlichen Ursprungs) die folgenden Ausfuhren von Biodiesel und Biodieselmischungen:

Ausfuhren von Biodiesel und Biodieselmischungen aus den Vereinigten Staaten

unter Code HTS 3824 90 40 00 (in Tonnen)

 

2008

2009

UZ

Europäische Union

2 241 473

335 577

358 291

Kanada

967

128 233

161 841

Singapur

311

42 056

27 415

 

2 242 751

505 866

547 547

Quelle: Handelsministerium der Vereinigten Staaten.

(21)

Ein Vergleich der beiden Tabellen führt zu der Schlussfolgerung, dass es sich bei den 358 291 Tonnen, die im UZ in die Union ausgeführt wurden, um Mischungen mit einem Biodiesel-Anteil von bis zu 96,5 % handelt.

4.   KANADA

4.1.   Allgemeine Erwägungen

(22)

Der Grad der Mitarbeit seitens der Hersteller/Ausführer in Kanada war hoch. Zwei Hersteller, auf die rund 90 % der kanadischen Biodieselproduktion entfallen, übermittelten einen beantworteten Fragebogen und arbeiteten umfassend an der Untersuchung mit. Des Weiteren arbeiteten der kanadische Verband für erneuerbare Kraftstoffe (Canadian Renewable Fuels Association) und die zuständigen Behörden der kanadischen Regierung an der Untersuchung mit.

(23)

Im Einklang mit Artikel 13 Absatz 1 der Grundverordnung sollte die Beurteilung, ob eine Umgehung vorliegt, so vorgenommen werden, dass schrittweise untersucht wird, ob eine Veränderung des Handelsgefüges zwischen den Vereinigten Staaten, Kanada und der Union bestand, ob diese sich aus einer Praxis, einem Fertigungsprozess oder einer Arbeit ergab, für die es außer der Einführung des Zolls keine hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung gibt, ob Beweise für eine Schädigung oder dafür vorliegen, dass die Abhilfewirkung des Zolls im Hinblick auf die Preise und/oder Mengen der gleichartigen Ware beeinträchtigt wurde, und ob Beweise für Dumping im Verhältnis zu den Normalwerten, die für die gleichartige Ware vorher festgestellt wurden, vorliegen.

4.2.   Veränderung des Handelsgefüges

4.2.1.   Einfuhren in die Union

(24)

Die Einfuhren von Biodiesel aus den Vereinigten Staaten gingen von 1 487 790 Tonnen im Jahr 2008 auf 381 227 Tonnen im Jahr 2009 und auf nahe Null im UZ zurück.

(25)

Andererseits stiegen den Eurostat-Daten zufolge die Gesamteinfuhren von Biodiesel aus Kanada in die Union zwischen 2008 und dem UZ erheblich, und zwar von 1 725 Tonnen im Jahr 2008 auf 140 043 Tonnen im Jahr 2009 und 197 772 Tonnen im UZ.

4.2.2.   US-Ausfuhren von Biodiesel nach Kanada

(26)

Es kommen keine Zölle auf Verkäufe von Biodiesel zwischen den Vereinigten Staaten und Kanada oder andere Einfuhrbeschränkungen zur Anwendung.

(27)

Den Statistiken der Vereinigten Staaten zufolge stiegen die Ausfuhren von Biodiesel aus den Vereinigten Staaten nach Kanada von 967 Tonnen im Jahr 2008 auf 128 233 Tonnen im Jahr 2009 und 161 841 Tonnen im UZ.

(28)

Bei einem Vergleich zwischen den von den Behörden der Vereinigten Staaten zur Verfügung gestellten Export-Statistiken und den von den kanadischen Behörden vor Ort zur Verfügung gestellten Einfuhrstatistiken auf Monatsbasis zeigten sich erhebliche Unterschiede. Den kanadischen Statistiken zufolge stiegen die Einfuhren von US-Biodiesel von 11 757 Tonnen im Jahr 2008 auf 18 673 Tonnen im Jahr 2009 und 174 574 Tonnen im UZ.

(29)

Die kanadischen Behörden erklärten, dass es keinen spezifischen Code zur Anmeldung von Biodiesel gebe. Sie wiesen darauf hin, dass Kanada und die Vereinigten Staaten Einfuhrdaten austauschen und diese sodann als ihre jeweiligen Ausfuhrdaten verwenden würden. Insofern sollten die kanadischen Einfuhrdaten und die Ausfuhrdaten der Vereinigten Staaten in Bezug auf den sechsstelligen Code übereinstimmen, was unter HTS 38.24.90 weitgehend der Fall ist. Bei Codes mit mehr als sechs Stellen wenden jedoch beide Länder ihre eigenen Klassifikationssysteme an. Es ist ferner zu berücksichtigen, dass die kanadischen Daten nur in Kanada zollrechtlich abgefertigte Einfuhren, nicht jedoch umgeladene Waren abdecken.

(30)

Somit steht trotz der Unterschiede zwischen den beiden Datenquellen eindeutig fest, dass die Ausfuhren von Biodiesel aus den Vereinigten Staaten nach Kanada von 2008 bis zum UZ und insbesondere seit Einführung der Antidumpingmaßnahmen gestiegen sind. Der kanadische Markt für Biodiesel kann derzeit keine derartigen Mengen an Biodiesel aufnehmen. „Echte“ kanadische Hersteller von Biodiesel sind faktisch exportorientiert.

4.2.3.   Produktion in Kanada und Verkäufe von „echten“ kanadischen Herstellern von Biodiesel in die Union

(31)

Die beiden kooperierenden kanadischen Hersteller kauften im UZ keinen Biodiesel aus den Vereinigten Staaten oder aus anderen Quellen.

(32)

Die Produktion von Biodiesel in Kanada ist ein im Aufbau begriffener Wirtschaftszweig. Im UZ waren sechs Produktionsanlagen in Betrieb; dabei entfielen allein auf die zwei im Osten Kanadas gelegenen Anlagen, deren Eigentümer und Betreiber die beiden kooperierenden Hersteller sind, rund 90 % der Gesamtproduktion.

(33)

Ausgehend von den Produktionsmengen, die von den kooperierenden Herstellern verkauft wurden, wurden die Verkäufe ermittelt, bei denen mit Sicherheit davon ausgegangen werden konnte, dass sich die Endkunden in Nordamerika, d. h. in den Vereinigten Staaten oder Kanada, befanden. Die übrigen Verkäufe gingen an Kunden, die entweder mit den Waren handelten oder sie mit anderem Biodiesel mischten. Den beiden Unternehmen war nicht bekannt, ob die Kunden die Waren als kanadischen Biodiesel in die Union verkauften, ob sie sie mischten oder ob der Biodiesel an Endkunden in den Vereinigten Staaten oder in Kanada verkauft wurde.

(34)

Selbst wenn von dem extremen Fall ausgegangen würde, dass tatsächlich der gesamte „echte“ kanadische Biodiesel in die Union gelangt wäre, entspräche dies nur 20 % der Gesamteinfuhren aus Kanada in die Union im UZ.

4.3.   Schlussfolgerung zur Veränderung im Handelsgefüge

(35)

Der statistische Abgleich mit den von den kooperierenden Herstellern zur Verfügung gestellten Daten zeigte, dass kanadische Hersteller von Biodiesel nicht die aus Kanada in die Union ausgeführten Mengen hätten produzieren können. Dies deutet stark darauf hin, dass der massive Anstieg der Einfuhren aus Kanada in die Union mit den Ausfuhren von Biodiesel aus den Vereinigten Staaten, der von Kanada aus versandt wurde, zusammenhängt.

(36)

Somit können der Rückgang der Ausfuhren aus den Vereinigten Staaten in die Union seit 2008 und die zeitgleich erfolgte Zunahme der Ausfuhren aus Kanada in die Union sowie der Ausfuhren aus den Vereinigten Staaten nach Kanada nach Einführung der ursprünglichen Maßnahmen als eine Veränderung im Handelsgefüge betrachtet werden.

4.4.   Keine hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung außer der Einführung der Antidumpingzölle

(37)

Die Untersuchung erbrachte keine andere hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung für den Versand als die Vermeidung des geltenden Antidumpingzolls auf Biodiesel mit Ursprung in den Vereinigten Staaten.

4.5.   Untergrabung der Abhilfewirkung der Antidumpingmaßnahmen

(38)

Eurostat-Daten wurden dazu verwendet, einzuschätzen, ob im Hinblick auf die Mengen die eingeführten Waren die Abhilfewirkung der geltenden Antidumpingmaßnahmen gegenüber Einfuhren von Biodiesel aus den Vereinigten Staaten untergraben hatten. Die Mengen und Preise der Ausfuhren aus Kanada wurden mit der in der Ausgangsuntersuchung ermittelten Schadensbeseitigungsschwelle verglichen.

(39)

Wie oben erläutert stiegen die Einfuhren aus Kanada in die Union von 1 725 Tonnen im Jahr 2008 auf 197 772 Tonnen im UZ, wobei der letztgenannte Wert einem Anteil von 9,2 % an den Einfuhren entspricht. Die Zunahme der Einfuhren aus Kanada konnte vor dem Hintergrund der in der Ausgangsuntersuchung festgestellten Größe des EU-Marktes nicht als vernachlässigbar angesehen werden. Wird das in der Ausgangsuntersuchung festgestellte nicht schädigende Preisniveau berücksichtigt, so ergibt sich, dass die kanadischen Einfuhren in die Union im UZ eine Zielpreisunterbietung von rund 50 % und eine Preisunterbietung der Verkaufspreise der Unionshersteller von rund 40 % aufwiesen.

(40)

Es wurde daher der Schluss gezogen, dass die Maßnahmen im Hinblick auf die Mengen und Preise untergraben werden.

4.6.   Beweise für das Vorliegen von Dumping

(41)

Nach Artikel 13 Absätze 1 und 2 der Grundverordnung wurde untersucht, ob Beweise für Dumping im Vergleich zu dem Normalwert, der in der Ausgangsuntersuchung ermittelt wurde, vorliegen.

(42)

In der Ausgangsuntersuchung wurde der Normalwert auf der Grundlage der bei Inlandsverkäufen im normalen Geschäftsverkehr zu zahlenden Preise und der Produktionskosten ermittelt sowie eine angemessene Gewinnspanne dann berücksichtigt, wenn keine Inlandsverkäufe vorlagen oder diese nicht im normalen Geschäftsverkehr erfolgten.

(43)

Die Preise der Ausfuhren aus Kanada wurden auf der Grundlage der von Eurostat gemeldeten durchschnittlichen Preise für Einfuhren von Biodiesel im UZ ermittelt.

(44)

Im Interesse eines gerechten Vergleichs zwischen Normalwert und Ausfuhrpreis wurden nach Artikel 2 Absatz 10 der Grundverordnung für Unterschiede, die die Preise und ihre Vergleichbarkeit beeinflussten, gebührende Berichtigungen vorgenommen. Daher wurden, da keine Angaben zu einigen Kostenfaktoren vorlagen, nur die Transport- und Versicherungskosten auf der Grundlage der festgestellten durchschnittlichen Seefrachtkosten für Biodiesel aus den Vereinigten Staaten in die Union im ursprünglichen Untersuchungszeitraum aus den Eurostat-cif-Preisen herausgerechnet, um so die fob-Preise an der kanadischen Grenze zu erhalten.

(45)

Nach Artikel 2 Absätze 11 und 12 der Grundverordnung wurde die Dumpingspanne durch einen Vergleich zwischen dem in der Ausgangsuntersuchung festgestellten gewogenen durchschnittlichen Normalwert und den gewogenen durchschnittlichen Preisen für Ausfuhren im UZ berechnet und in Prozent des cif-Preises frei Grenze der Union, unverzollt, ausgedrückt.

(46)

Dieser Vergleich ergab das Vorliegen von Dumping.

4.7.   Schlussfolgerung

(47)

Die Untersuchung ergab, dass der endgültige Antidumpingzoll auf die Einfuhren von Biodiesel mit Ursprung in den Vereinigten Staaten durch den Versand über Kanada im Sinne von Artikel 13 der Grundverordnung umgangen wurde.

5.   SINGAPUR

(48)

Zwei Händler mit Sitz in Singapur arbeiteten bei der Untersuchung mit. An der Mitarbeit beteiligten sich außerdem die zuständigen Behörden der Regierung von Singapur.

(49)

Die Kriterien zur Beurteilung, ob eine Umgehung vorliegt, wurden unter Randnummer 23 erläutert.

(50)

Eurostat-Daten zufolge stiegen die Gesamtausfuhren von Biodiesel aus Singapur in die Union von 179 Tonnen im Jahr 2008 auf 20 486 Tonnen im Jahr 2009 und auf 32 078 Tonnen im UZ. Auch die Ausfuhren aus den Vereinigten Staaten nach Singapur stiegen im gleichen Zeitraum.

(51)

Den zuständigen Behörden der Regierung von Singapur zufolge wird der im Inland hergestellte Biodiesel vorwiegend innerhalb von Singapur verkauft, um der Inlandsnachfrage gerecht zu werden. Gleichwohl stellen sie fest, dass der Wirtschaftszweig in Singapur im Wachsen begriffen sei und unlängst neue Produktionsanlagen gebaut worden seien.

(52)

Ausfuhren aus Singapur erfolgten stets auf niedrigem Niveau. Die Einfuhren von Biodiesel in die Union wurden in der Datenbank zu Artikel 14 Absatz 6 näher untersucht und mit den zuständigen nationalen Zollbehörden geprüft. Die Einfuhraktivität weist einige Spitzen auf. Aus der Analyse geht hervor, dass der Großteil dieser Einfuhren seinen Ursprung tatsächlich in Singapur hatte. Jedoch konnten nicht alle Einfuhren zugeordnet werden.

(53)

Im Vergleich mit dem in der Ausgangsuntersuchung ermittelten Unionsverbrauch wurde festgestellt, dass die nicht zuordnungsbaren Einfuhrmengen aus Singapur in die Union äußerst gering waren. Außerdem wäre ihr Anteil am Unionsverbrauch vernachlässigbar, wenn die Schätzung des EBB in Bezug auf den erheblichen Anstieg des Unionsverbrauchs seit der Ausgangsuntersuchung berücksichtigt wird.

(54)

Aufgrund des dargelegten Sachverhalts kann daher der Schluss gezogen, dass die Abhilfewirkung der Antidumpingmaßnahmen, was die aus Singapur versandten Mengen betrifft, nicht untergraben wurde.

(55)

In Bezug auf den Güterversand ist Singapur für seine Funktion als riesiges asiatisches Güterverteilzentrum für Schiffe bekannt, in dem Schiffe regionaler Herkunft eintreffen, deren Güter dort gelöscht und später auf Schiffe verladen werden, die unter anderem nach Europa fahren. In dieser Untersuchung sind Angaben zu einem der kooperierenden Hersteller enthalten, der Biodiesel mit Ursprung in Malaysia oder Indonesien über Singapur zu einem endgültigen Bestimmungsort in der Union versandte. Im UZ führte allein dieser Händler eine erhebliche Menge an Biodiesel über Singapur in die Union aus; die Ware wurde in der Union zollrechtlich mit Ursprung in Malaysia oder Indonesien abgefertigt. Die Überprüfung ergab keine Hinweise, die es erlaubt hätten, den gemeldeten Ursprung in Indonesien oder Malaysia in Frage zu stellen.

(56)

Aufgrund des dargelegten Sachverhalts sollte die Untersuchung betreffend die mutmaßliche Umgehung der Antidumpingmaßnahmen durch aus Singapur versandte Einfuhren von Biodiesel eingestellt werden.

6.   VEREINIGTE STAATEN

6.1.   Vorbemerkungen

(57)

Fünf Hersteller von Biodiesel oder Mischungen von Biodiesel in den Vereinigten Staaten arbeiteten an der Untersuchung mit und drei von ihnen wurden in die Stichprobe der Ausgangsuntersuchung einbezogen. Die Regierung der Vereinigten Staaten kooperierte, indem sie Ausfuhrstatistiken und ihre Auslegung dieser Statistiken zur Verfügung stellte.

(58)

Alle drei Hersteller, die in die Stichprobe der Ausgangsuntersuchung einbezogen waren, hatten die Ausfuhr von Biodiesel nach der Einführung endgültiger Maßnahmen eingestellt.

(59)

Nur eines der fünf kooperierenden Unternehmen, und zwar BP North America, das nicht in der Ausgangsuntersuchung mitgearbeitet hatte, führte im UZ Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT in die Union aus.

(60)

Der National Biodiesel Board („NBB“), die Interessenvertretung der Biodiesel-Industrie in den Vereinigten Staaten, vertrat die Auffassung, dass eine Ware, die seiner Ansicht nach ausdrücklich nicht von der Warendefinition der geltenden Maßnahmen erfasst sei, nicht ohne eine vorhergehende neue Antidumpinguntersuchung Gegenstand von Antidumpingmaßnahmen werden könne. Dem NBB zufolge sei in der endgültigen Verordnung ausdrücklich festgelegt, dass es sich bei „betroffener Ware“ und „gleichartiger Ware“ um Biodiesel oder Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von mehr als 20 GHT handele. Dieser Grenzwert sei nicht willkürlich festgesetzt, sondern entspräche der während der Ausgangsuntersuchung festgestellten Realität auf dem Markt. Beispielsweise sei festgestellt worden, dass der Grenzwert von 20 GHT geeignet sei für eine eindeutige Unterscheidung zwischen den verschiedenen Gemischarten, die auf dem Markt der Vereinigten Staaten angeboten werden.

(61)

Der NBB und andere interessierte Parteien stellten fest, dass durch eine Umgehungsuntersuchung Antidumpingmaßnahmen gegenüber einer betroffenen Ware nur auf eine solche gleichartige Ware ausgedehnt werden könnten, die im Vergleich zur betroffenen Ware nur geringfügig verändert sei. Der NBB wies darauf hin, dass es der Rat selbst gewesen sei, der in der endgültigen Verordnung festgelegt habe, dass es sich bei Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT um keine gleichartige Ware handele. Laut NBB gebe es daher im Rahmen der Grundverordnung keine andere Möglichkeit, als eine neue Untersuchung einzuleiten, um festzustellen, ob diese Gemischarten Gegenstand von Maßnahmen werden sollten.

(62)

Hierzu ist zunächst festzustellen, dass es Zweck der in Artikel 13 der Grundverordnung enthaltenen Bestimmungen hinsichtlich der Umgehungsuntersuchung ist, jeglichem mutmaßlichen Versuch einer Umgehung der geltenden Maßnahmen entgegenzuwirken. Sind hinreichende Anscheinsbeweise für eine Umgehung im Sinne von Artikel 13 Absatz 1 der Grundverordnung vorhanden, so leitet die Kommission eine Untersuchung ein, um festzustellen, ob eine Umgehung stattfindet. Gemäß Artikel 13 Absatz 1 der Grundverordnung sollte die Beurteilung, ob eine Umgehung vorliegt, festgestellt werden, indem z. B. schrittweise untersucht wird, ob eine Veränderung des Handelsgefüges zwischen den Vereinigten Staaten und der Union bestand, ob diese sich aus einer Praxis, einem Fertigungsprozess oder einer Arbeit ergab, für die es außer der Einführung des Zolls keine hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung gibt, und ob Beweise für eine Schädigung oder dafür vorliegen, dass die Abhilfewirkung des Zolls im Hinblick auf die Preise und/oder Mengen untergraben wurde.

(63)

Ferner ist zu berücksichtigen, dass es sich bei einer Umgehungsuntersuchung nicht um eine Überprüfung der Warendefinition gemäß Artikel 11 Absatz 3 der Grundverordnung handelt und weder die Definition der betroffenen Ware noch der gleichartigen Ware geändert werden. Die Bestimmungen von Artikel 13 der Grundverordnung bieten den Rechtsrahmen für eine Untersuchung, mit der festgestellt werden soll, ob eine Umgehung vorliegt in Bezug auf eine Ware, die Gegenstand von Antidumpingmaßnahmen ist.

(64)

Vor diesem Hintergrund wurde in dem gemäß Artikel 13 Absatz 3 der Grundverordnung bei der Kommission eingegangenen Antrag behauptet, dass seit der Einführung von Maßnahmen Ausfuhren von Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT mit Ursprung in den Vereinigten Staaten in die Union gelangten, bei denen angeblich die in der Beschreibung der betroffenen Ware und der gleichartigen Ware festgesetzte Schwelle für den Biodieselgehalt ausgenutzt werde. Mit der Untersuchung wurde geprüft, ob diese Praxis als Umgehung im Sinne von Artikel 13 der Grundverordnung angesehen werden kann. Abschließend ist anzumerken, dass mutmaßliche Umgehungspraktiken nur nach Artikel 13 der Grundverordnung untersucht werden können.

6.2.   Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von höchstens 20 GHT — Ausfuhren aus den Vereinigten Staaten in die Union

(65)

Wie unter Randnummer 20 erwähnt, enthält der HTS-Code 3824 90 40 00 der Vereinigten Staaten auch Mischungen mit einem Biodiesel-Gehalt von bis zu 96,5 GHT. Den Ausfuhrstatistiken der Vereinigten Staaten zufolge wurde im UZ eine Gesamtmenge von 358 291 Tonnen dieser Gemischart in die Union ausgeführt.

(66)

BP Products North America („BPNA“) führte im UZ einen beträchtlichen Anteil der oben genannten Menge aus.

(67)

BPNA arbeitete nicht an der Ausgangsuntersuchung mit, da es seine Geschäftstätigkeit im Bereich von Biodiesel erst Anfang 2009 aufgenommen hatte, weil es infolge staatlicher Vorschriften in den Vereinigten Staaten als auch im Ausland eine Expansion des Marktes für Biodiesel erwartete. BPNA begann mit seinen Ausfuhren in die Union im Dezember 2009. An dieser Stelle sei erwähnt, dass endgültige Maßnahmen im Juli 2009 eingeführt wurden.

(68)

Innerhalb der Union verkaufte BP im Vereinigten Königreich, in Frankreich und den Niederlanden Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 15 GHT („B15“) mit Ursprung in den Vereinigten Staaten. In allen diesen Fällen dient die Ware als Mischungsgrundlage, um so den diesbezüglichen geltenden Rechtsvorschriften in bestimmten Mitgliedstaaten zu genügen, mit denen der Verbrauch von Biokraftstoffen an den Zapfsäulen gefördert werden soll, da diese derzeit als ökologisch nachhaltig angesehen werden.

(69)

BPNA stellte fest, dass Mischungen mit einem Gehalt an Biodiesel von weniger als 15 GHT nicht als gleichartiges Produkt in Bezug auf die betroffene Ware angesehen werden könnten. Die Unterschiede in Bezug auf die Merkmale und die Marktbedingungen seien zu groß. Die mit der Herstellung und der Einfuhr verbundene Logistik (einschließlich Versandbeschränkungen) von Mischungen mit geringerem Biodiesel-Gehalt im Vergleich zu Mischungen mit höherem Biodiesel-Gehalt unterschieden sich sehr stark. BPNA zufolge würden beim Versand von Mischungen mit einem Biodiesel-Gehalt von weniger als 15 GHT solche Waren für Versandzwecke nicht als chemische Erzeugnisse sondern als Erdölerzeugnisse klassifiziert, was geringere Versandkosten zur Folge habe. BPNA verwies ferner auf Leistungsunterschiede von Mischungen mit geringerem Biodiesel-Gehalt im Vergleich zu Mischungen mit höherem Biodiesel-Gehalt bei der Verwendung in Dieselmotoren.

(70)

Das Ziel der Untersuchung betreffend die mutmaßliche Umgehung ist es, festzustellen, ob mit Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT die geltenden Maßnahmen umgangen wurden. Es mag durchaus zutreffen, dass ein geringerer Biodiesel-Gehalt geringere Versandkosten zur Folge hat; gleichwohl ist hier festzuhalten, dass es sich bei einer Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT im Grunde nur um eine andere Zusammensetzung der Mischung handelt im Vergleich zu dem Verfahren, mit dem Biodiesel in einer Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von mehr als 20 GHT hergestellt wird. Die Zusammensetzung einer Mischung zu ändern ist ein einfacher Vorgang. Die Herstellung einer Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT wird als eine nur geringfügige Änderung der betroffenen Ware angesehen, wobei der einzige Unterschied im Biodiesel-Gehalt der Mischung besteht. Des Weiteren ist festzustellen, dass sowohl die betroffene Ware als auch die Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT letztendlich für dieselben Zwecke in der Union bestimmt sind. Mischungen von Biodiesel mit einem Gehalt an Biodiesel von sowohl bis zu 20 GHT als auch über 20 GHT haben dieselben wesentlichen Eigenschaften.

6.3.   Veränderung des Handelsgefüges

(71)

Die Einfuhren der betroffenen Ware aus den Vereinigten Staaten gingen von 1 487 790 Tonnen im Jahr 2008 auf 381 227 Tonnen im Jahr 2009 und auf nahe Null im UZ zurück.

(72)

Hier ist anzumerken, dass trotz der verbindlichen Beimischung eines Anteils von beispielsweise 5 GHT Biodiesel während der Ausgangsuntersuchung in der Union die Ausfuhren von Biodiesel mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT aus den Vereinigten Staaten in die Union erst nach der Einführung der endgültigen Maßnahmen begannen. Betrachtet man die von den in die Stichprobe einbezogenen, kooperierenden ausführenden Herstellern zur Verfügung gestellten Daten, so wurde während der Ausgangsuntersuchung vorwiegend Biodiesel mit einem Gehalt an Biodiesel von 99,9 GHT in die Union ausgeführt. Der Grund dafür lag in der maximalen Ausschöpfung der Subventionen für die ausgeführten Waren (Steuergutschrift für Biodiesel: 1 USD pro Gallone).

(73)

Außer der Vermeidung der geltenden Antidumpingmaßnahmen ist eine andere wirtschaftliche Rechtfertigung für den Beginn der Ausfuhr von Biodiesel mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT daher nicht erkennbar.

(74)

Der Anteil von Biodiesel in der Mischung wird nach wie vor subventioniert und der Einführer vermeidet die Zahlung des fälligen Antidumpingzolls. Diesbezüglich ist anzumerken, dass der Antidumpingzoll auf Mischungen für den Biodiesel-Gehalt an der Mischung insgesamt gilt, d. h. im Falle von Einfuhren von Biodiesel mit einem Gehalt an Biodiesel von 15 GHT würde der nicht zu zahlende Antidumpingzoll rund 26 EUR pro Tonne betragen.

6.4.   Keine hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung außer der Einführung der Antidumpingzölle

(75)

BPNA zufolge seien Mischungen von Biodiesel mit einem Gehalt an Biodiesel von weniger als 15 GHT nicht deshalb hergestellt worden, um die Zahlung von Zöllen zu umgehen. Das Unternehmen stellte fest, dass es nicht an der Ausgangsuntersuchung mitgearbeitet habe, da es seine Geschäftstätigkeit im Bereich von Biodiesel erst Anfang 2009 aufgenommen habe, weil es mit einer Belebung des Biodieselmarkts infolge staatlicher Vorschriften sowohl in den Vereinigten Staaten als auch im Ausland rechnete. Die spezifische Unternehmensstruktur, seine Tätigkeit als Mineralölunternehmen und seine logistische Präsenz in den Vereinigten Staaten seien die Gründe für die logische unternehmerische Entscheidung gewesen, Mischungen in den Vereinigten Staaten herzustellen und diese in die Europäische Union auszuführen. Die ausgeführten Mischungen hätten stets einen Gehalt an Biodiesel von höchstens 15 GHT gehabt, da dies weniger strenge Sicherheitsmaßnahmen erforderlich gemacht habe: Mischungen mit einem Gehalt an Biodiesel von höchstens 15 GHT gelten gemäß den Rechtsvorschriften für den Seeverkehr nicht als chemische Erzeugnisse.

(76)

Es ist darauf hinzuweisen, dass die Tätigkeit dieses Unternehmens in Bezug auf die Ausfuhren in die Europäische Union erst nach der Einführung von Maßnahmen begann. Es wird daher die Auffassung vertreten, dass es keine andere hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung als die Vermeidung des geltenden Ausgleichszolls auf Biodiesel mit Ursprung in den Vereinigten Staaten gibt.

6.5.   Untergrabung der Abhilfewirkung der Antidumpingmaßnahmen

(77)

Wird das in der Ausgangsuntersuchung festgestellte nicht schädigende Preisniveau berücksichtigt, so ergibt sich, dass die Einfuhren von Biodiesel mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT aus den Vereinigten Staaten in die Union im UZ sowohl eine Zielpreisunterbietung als auch eine Preisunterbietung aufwiesen. Die Einfuhren von Biodiesel mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT begannen erst nach der Einführung der endgültigen Maßnahmen und die betreffenden Mengen waren nicht unerheblich.

(78)

Es wurde daher der Schluss gezogen, dass die Maßnahmen im Hinblick auf die Mengen und Preise untergraben werden.

6.6.   Beweise für das Vorliegen von Dumping

(79)

Nach Artikel 13 Absätze 1 und 2 der Grundverordnung wurde untersucht, ob Beweise für Dumping im Vergleich zu dem Normalwert, der in der Ausgangsuntersuchung ermittelt wurde, vorliegen. Der Vergleich des gewogenen durchschnittlichen Normalwerts mit dem gewogenen durchschnittlichen Ausfuhrpreis ergab das Vorliegen von Dumping.

6.7.   Schlussfolgerung

(80)

Die Untersuchung ergab, dass der endgültige Antidumpingzoll auf die Einfuhren von Biodiesel mit Ursprung in den Vereinigten Staaten durch Einfuhren von Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT in die Union umgangen wurde.

(81)

Es wurde der Schluss gezogen, dass als einzige wirtschaftliche Rechtfertigung für die Ausfuhr von Mischungen mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT einerseits die in den Vereinigten Staaten praktizierte Subventionierung und andererseits die Vermeidung der Zahlung von Antidumpingzöllen bei Einfuhren in die Europäische Union anzusehen ist.

(82)

BPNA beantragte die Befreiung von den möglichen ausgeweiteten Maßnahmen. Da jedoch die Untersuchung eindeutig ergab, dass Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT nur eingeführt wurde, um die geltenden Maßnahmen zu umgehen, kann eine solche Befreiung nicht gewährt werden. Gemäß Artikel 13 Absatz 4 der Grundverordnung können Herstellern der betroffenen Ware, die nachweislich nicht mit einem von den Maßnahmen betroffenen Hersteller verbunden sind und nicht an Umgehungspraktiken beteiligt sind, Befreiungen gewährt werden. In den Untersuchungen wurde festgestellt, dass BNPA an Umgehungspraktiken beteiligt ist, da es begann, nach der Einführung von Ausgleichs- und Antidumpingmaßnahmen Biodiesel mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT ohne hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung außer der Einführung der Antidumpingzölle auszuführen. Des Weiteren gibt es Beweise dafür, dass die Maßnahmen im Hinblick auf die Preise und Mengen untergraben werden, und dass Dumping im Verhältnis zu den vorher festgestellten Normalwerten vorliegt.

(83)

Einige Hersteller von Biodiesel, die in der Ausgangsuntersuchung mitarbeiteten, beantragten Befreiungen von jeglichen ausgeweiteten Maßnahmen in Bezug auf eine Umgehung. Es wurde festgestellt, dass diese Hersteller aus den Vereinigten Staaten Biodiesel mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT weder herstellten noch verkauften. Gemäß Artikel 13 Absatz 4 der Grundverordnung können im Rahmen einer Untersuchung betreffend eine mutmaßliche Umgehung nur von Herstellern gestellte Anträge auf Befreiung berücksichtigt werden. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass Artikel 13 der Grundverordnung Bestimmungen für Neuausführer enthält.

7.   MASSNAHMEN

7.1.   Kanada

(84)

In Anbetracht der vorstehenden Gründe wurde der Schluss gezogen, dass der endgültige Antidumpingzoll auf die Einfuhren von Biodiesel mit Ursprung in den Vereinigten Staaten durch den Versand über Kanada gemäß Artikel 13 der Grundverordnung umgangen wurde.

(85)

Nach Artikel 13 Absatz 1 Satz 1 der Grundverordnung sollten die geltenden Antidumpingmaßnahmen gegenüber den Einfuhren von Biodiesel mit Ursprung in den Vereinigten Staaten auf die aus Kanada versandten Einfuhren der gleichen Ware ausgeweitet werden, ob als Ursprungserzeugnisse Kanadas angemeldet oder nicht.

(86)

Um eine Umgehung des Zolls durch unüberprüfbare Behauptungen zu vermeiden, wonach die in Kanada umgeladene Ware von einem in der endgültigen Verordnung mit einem unternehmensspezifischen Zollsatz belegten Unternehmen hergestellt worden sei, sollte es sich bei dem auszuweitenden Zoll um den in Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 599/2009 für „alle übrigen Unternehmen“ festgesetzten Zoll handeln, der aus einem endgültigen Antidumpingzoll von 172,20 EUR pro Tonne besteht.

(87)

Der Antidumpingzoll auf Mischungen gilt für den Gewichtsanteil von durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnenen Fettsäuremonoalkylestern und paraffinischen Gasölen nichtfossilen Ursprungs (Biodiesel) an der Mischung insgesamt.

(88)

Im Einklang mit Artikel 13 Absatz 3 und Artikel 14 Absatz 5 der Grundverordnung, nach denen etwaige ausgeweitete Maßnahmen auf Einfuhren in die Union anwendbar sein sollten, die gemäß der Einleitungsverordnung zollamtlich erfasst werden, sollten die aus Kanada versandten zollamtlich erfassten Einfuhren von Biodiesel mit Zöllen belegt werden.

7.2.   Vereinigte Staaten

(89)

In Anbetracht der vorstehenden Gründe wurde der Schluss gezogen, dass der auf die Einfuhren von Biodiesel mit Ursprung in den Vereinigten Staaten erhobene endgültige Antidumpingzoll dadurch im Sinne von Artikel 13 der Grundverordnung umgangen wurde, dass Biodiesel als Mischung mit einem Biodieselgehalt von bis zu 20 GHT in die Union eingeführt wurde.

(90)

Im Einklang mit Artikel 13 Absatz 1 Satz 1 der Grundverordnung sollten die geltenden Antidumpingmaßnahmen gegenüber den Einfuhren der betroffenen Ware mit Ursprung in den Vereinigten Staaten auf Einfuhren von Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT ausgeweitet werden.

(91)

Bei den auszuweitenden Zöllen handelt es sich um die in Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 599/2009 festgesetzten Zölle.

(92)

Der ausgeweitete Antidumpingzoll auf Mischungen gilt für den Gewichtsanteil von durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnenen Fettsäuremonoalkylestern und paraffinischen Gasölen nichtfossilen Ursprungs an der Mischung insgesamt (Biodieselgehalt).

(93)

Im Einklang mit Artikel 13 Absatz 3 und Artikel 14 Absatz 5 der Grundverordnung, nach denen eine etwaige Ausweitung der Maßnahmen auf Einfuhren in die Union anwendbar sein sollte, die gemäß der Einleitungsverordnung zollamtlich erfasst werden, sollten die erfassten Einfuhren von Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT mit Ursprung in den Vereinigten Staaten mit Zöllen belegt werden.

8.   EINSTELLUNG DER UNTERSUCHUNG GEGENÜBER SINGAPUR

(94)

In Anbetracht der Ergebnisse hinsichtlich Singapurs sollten die Untersuchung betreffend die mutmaßliche Umgehung von Antidumpingmaßnahmen durch aus Singapur versandte Einfuhren von Biodiesel und die durch die Einführungsverordnung eingeleitete Erfassung von aus Singapur versandten Einfuhren von Biodiesel eingestellt werden.

9.   ANTRAG AUF BEFREIUNG

(95)

Die beiden kooperierenden Unternehmen aus Kanada, die einen ausgefüllten Fragebogen übermittelten, beantragten die Befreiung von den möglichen ausgeweiteten Maßnahmen nach Artikel 13 Absatz 4 der Grundverordnung.

(96)

Es zeigte sich, dass die beiden kooperierenden kanadischen Hersteller nicht an den Umgehungspraktiken beteiligt waren, die Gegenstand dieser Untersuchung sind. Außerdem konnten diese Hersteller nachweisen, dass sie mit keinem Hersteller/Ausführer von Biodiesel in den Vereinigten Staaten verbunden sind. Folglich kann ihren Anträgen auf Befreiung stattgegeben werden.

(97)

Es werden besondere Vorkehrungen in diesem Fall für erforderlich gehalten, um eine ordnungsgemäße Umsetzung der Befreiungen zu gewährleisten. Zu diesen Vorkehrungen zählt insbesondere die Vorschrift, den Zollbehörden der Mitgliedstaaten eine gültige Handelsrechnung vorzulegen, die den Vorschriften im Anhang dieser Verordnung entspricht. Auf Einfuhren, für die keine solche Handelsrechnung vorgelegt wird, wird der ausgeweitete Antidumpingzoll erhoben.

(98)

Eine kooperierende Partei in den Vereinigten Staaten, die einen ausgefüllten Fragebogen übermittelte, beantragte die Befreiung von den möglichen ausgeweiteten Maßnahmen nach Artikel 13 Absatz 4 der Grundverordnung.

(99)

Wie unter Randnummer 82 erläutert, ergab die Untersuchung eindeutig, dass diese Partei an den Umgehungspraktiken beteiligt war, indem sie Biodiesel als Mischung mit einem Gehalt an Biodiesel von bis zu 20 GHT einführte. Folglich kann eine solche Befreiung nicht gewährt werden.

(100)

Es ist jedoch hervorzuheben, dass in Fällen, in denen betroffene ausführende Hersteller kein Dumping mehr vornehmen, diese Parteien eine Überprüfung gemäß Artikel 11 Absatz 3 der Grundverordnung beantragen können.

10.   UNTERRICHTUNG

(101)

Alle interessierten Parteien wurden über die wesentlichen Fakten und Erwägungen, die zu den vorstehenden Schlussfolgerungen geführt haben, unterrichtet und aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen. Die mündlichen und schriftlichen Stellungnahmen der Parteien wurden berücksichtigt —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

(1)   Der mit der Verordnung (EG) Nr. 599/2009 eingeführte endgültige Antidumpingzoll auf Einfuhren von durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnenen Fettsäuremonoalkylestern und/oder paraffinischen Gasölen nichtfossilen Ursprungs, gemeinhin als „Biodiesel“ bezeichnet, in Reinform oder als Mischung mit einem Gehalt an durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnenen Fettsäuremonoalkylestern und/oder paraffinischen Gasölen nichtfossilen Ursprungs von mehr als 20 GHT mit Ursprung in den Vereinigten Staaten wird hiermit ausgeweitet auf aus Kanada versandte Einfuhren in die Union von durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnenen Fettsäuremonoalkylestern und/oder paraffinischen Gasölen nichtfossilen Ursprungs, gemeinhin als „Biodiesel“ bezeichnet, in Reinform oder als Mischung mit einem Gehalt an durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnenen Fettsäuremonoalkylestern und/oder paraffinischen Gasölen nichtfossilen Ursprungs von mehr als 20 GHT, ob als Ursprungserzeugnisse Kanadas angemeldet oder nicht, die derzeit unter den KN-Codes ex 1516 20 98 (TARIC-Code 1516209821), ex 1518 00 91 (TARIC-Code 1518009121), ex 1518 00 99 (TARIC-Code 1518009921), ex 2710 19 41 (TARIC-Code 2710194121), ex 3824 90 91 (TARIC-Code 3824909110) und ex 3824 90 97 (TARIC-Code 3824909701) eingereiht werden, wobei die von den nachstehend aufgeführten Unternehmen hergestellten ausgenommen sind:

Land

Unternehmen

TARIC-Zusatzcode

Kanada

BIOX Corporation, Oakville, Ontario, Kanada

B107

Kanada

Rothsay Biodiesel, Guelph, Ontario, Kanada

B108

Bei dem auszuweitenden Zoll handelt es sich um den in Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 599/2009 für „alle übrigen Unternehmen“ festgesetzten Zoll, der aus einem endgültigen Antidumpingzoll von 172,20 EUR pro Tonne Nettogewicht besteht.

Der Antidumpingzoll auf Mischungen gilt für den Gewichtsanteil von durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnenen Fettsäuremonoalkylestern und paraffinischen Gasölen nichtfossilen Ursprungs an der Mischung insgesamt (Biodieselgehalt).

(2)   Die Anwendung von Befreiungen, die den in Absatz 1 genannten Unternehmen gewährt werden oder die von der Kommission nach Artikel 4 Absatz 2 gewährt werden, setzt voraus, dass den Zollbehörden der Mitgliedstaaten eine gültige Handelsrechnung vorgelegt wird, die den Vorgaben im Anhang entspricht. Wird keine solche Handelsrechnung vorgelegt, findet der mit Absatz 1 eingeführte Antidumpingzoll Anwendung.

(3)   Der gemäß Absatz 1 ausgeweitete Zoll wird auf die aus Kanada versandten Einfuhren erhoben, ob als Ursprungserzeugnisse Kanadas angemeldet oder nicht, die gemäß Artikel 2 der Verordnung (EU) Nr. 720/2010 und Artikel 13 Absatz 3 sowie Artikel 14 Absatz 5 der Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 zollamtlich erfasst wurden, mit Ausnahme der von den in Absatz 1 aufgeführten Unternehmen hergestellten Einfuhren.

(4)   Es finden die geltenden Zollbestimmungen Anwendung.

Artikel 2

(1)   Der mit der Verordnung (EG) Nr. 599/2009 eingeführte endgültige Antidumpingzoll auf Einfuhren von durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnenen Fettsäuremonoalkylestern und/oder paraffinischen Gasölen nichtfossilen Ursprungs, gemeinhin als „Biodiesel“ bezeichnet, in Reinform oder als Mischung mit einem Gehalt an durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnenen Fettsäuremonoalkylestern und/oder paraffinischen Gasölen nichtfossilen Ursprungs von mehr als 20 GHT mit Ursprung in den Vereinigten Staaten wird hiermit ausgeweitet auf Einfuhren von Biodiesel in die Union als Mischung mit einem Gehalt an durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnenen Fettsäuremonoalkylestern und/oder paraffinischen Gasölen nichtfossilen Ursprungs von bis zu 20 GHT mit Ursprung in den Vereinigten Staaten, die derzeit unter den KN-Codes ex 1516 20 98 (TARIC-Code 1516209830), ex 1518 00 91 (TARIC-Code 1518009130), ex 1518 00 99 (TARIC-Code 1518009930), ex 2710 19 41 (TARIC-Code 2710194130) und ex 3824 90 97 (TARIC-Code 3824909704) eingereiht werden.

Bei den auszuweitenden Zöllen handelt es sich um die in Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 599/2009 festgesetzten Zölle.

Der Antidumpingzoll auf Mischungen gilt für den Gewichtsanteil von durch Synthese und/oder Hydrotreating gewonnenen Fettsäuremonoalkylestern und paraffinischen Gasölen nichtfossilen Ursprungs an der Mischung insgesamt (Biodieselgehalt).

(2)   Die durch Absatz 1 ausgeweiteten Zölle werden auf Einfuhren mit Ursprung in den Vereinigten Staaten erhoben, die gemäß Artikel 2 der Verordnung (EU) Nr. 720/2010 und Artikel 13 Absatz 3 sowie Artikel 14 Absatz 5 der Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 zollamtlich erfasst wurden.

(3)   Es finden die geltenden Zollbestimmungen Anwendung.

Artikel 3

Die durch die Verordnung (EU) Nr. 720/2010 eingeleitete Untersuchung betreffend die mutmaßliche Umgehung der mit der Verordnung (EG) Nr. 599/2009 des Rates eingeführten Antidumpingmaßnahmen gegenüber den Einfuhren von Biodiesel mit Ursprung in den Vereinigten Staaten durch aus Singapur versandte Einfuhren von Biodiesel, ob als Ursprungserzeugnisse Singapurs angemeldet oder nicht, sowie zur zollamtlichen Erfassung dieser Einfuhren, wird eingestellt.

Artikel 4

(1)   Anträge auf Befreiung von dem durch Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 2 Absatz 1 ausgeweiteten Zoll sind schriftlich in einer Amtssprache der Europäischen Union zu stellen und von einer bevollmächtigten Person des antragstellenden Unternehmens zu unterzeichnen. Der Antrag ist an folgende Dienststelle zu richten:

Europäische Kommission

Generaldirektion Handel

Direktion H

Büro: N-105 04/92

1049 Brüssel

BELGIEN

Fax +32 2295 65 05

(2)   Nach Artikel 13 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 kann die Kommission, nach Anhörung des Beratenden Ausschusses, auf dem Beschlussweg die Einfuhren von Unternehmen, die die mit der Verordnung (EG) Nr. 599/2009 eingeführten Antidumpingmaßnahmen nicht umgehen, von dem mit Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 2 Absatz 1 ausgeweiteten Zoll befreien.

Artikel 5

Die Zollbehörden werden angewiesen, die zollamtliche Erfassung der Einfuhren gemäß Artikel 2 der Verordnung (EU) Nr. 720/2010 einzustellen.

Artikel 6

Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Geschehen zu Brüssel am 5. Mai 2011.

Im Namen des Rates

Der Präsident

MARTONYI J.


(1)  ABl. L 343 vom 22.12.2009, S. 51.

(2)  ABl. L 67 vom 12.3.2009, S. 22.

(3)  ABl. L 179 vom 10.7.2009, S. 26.

(4)  ABl. L 179 vom 10.7.2009, S. 1.

(5)  ABl. L 211 vom 12.8.2010, S. 1.

(6)  ABl. L 211 vom 12.8.2010, S. 6.


ANHANG

Die in Artikel 1 Absatz 2 genannte gültige Handelsrechnung muss eine Erklärung in folgender Form enthalten, die von einer dafür zuständigen Person des Unternehmens unterzeichnet wurde, das die Handelsrechnung ausgestellt hat:

1.

Name und Funktion der zuständigen Person des Unternehmens, das die Handelsrechnung ausgestellt hat.

2.

Folgende Erklärung: „Der/Die Unterzeichnete versichert, dass die auf dieser Rechnung aufgeführten und zur Ausfuhr in die Europäische Union verkauften (Mengenangabe) (betroffene Ware) von (Name und Anschrift des Unternehmens) (TARIC-Zusatzcode) in (betroffenes Land) hergestellt wurden und dass die Angaben auf dieser Rechnung vollständig und richtig sind.“

3.

Datum und Unterschrift


11.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 122/22


VERORDNUNG (EU) Nr. 445/2011 DER KOMMISSION

vom 10. Mai 2011

über ein System zur Zertifizierung von für die Instandhaltung von Güterwagen zuständigen Stellen und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 653/2007

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Richtlinie 2004/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 95/18/EG des Rates über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen und der Richtlinie 2001/14/EG über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung (1), insbesondere Artikel 14a,

gestützt auf die Empfehlung der Europäischen Eisenbahnagentur vom 8. Juli 2010 zum System der Zertifizierung von für die Instandhaltung zuständigen Stellen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Richtlinie 2004/49/EG bezweckt die Verbesserung des Zugangs zum Markt für Eisenbahnverkehrsleistungen durch die Festlegung gemeinsamer Grundsätze für das Management, die Regulierung und die Überwachung der Eisenbahnsicherheit. Die Richtlinie 2004/49/EG sieht auch einen Rahmen vor, der für gleiche Bedingungen für alle für die Instandhaltung von Güterwagen zuständigen Stellen sorgen soll, indem in der gesamten Union dieselben Zertifizierungsanforderungen angewendet werden.

(2)

Das Zertifizierungssystem bezweckt die Schaffung eines Rahmens für die Harmonisierung der Anforderungen und Methoden zur Bewertung der Fähigkeit von für die Instandhaltung zuständigen Stellen in der gesamten Union.

(3)

Unbeschadet der Zuständigkeit von Eisenbahnunternehmen und Infrastrukturbetreibern für den sicheren Zugbetrieb sollte die für die Instandhaltung zuständige Stelle mittels eines Instandhaltungssystems gewährleisten, dass die Güterwagen, für deren Instandhaltung sie zuständig ist, in einem sicheren Betriebszustand sind. In Anbetracht der sehr unterschiedlichen Auslegungs- und Instandhaltungsmethoden sollte dieses Instandhaltungssystem ein prozessorientiertes System sein.

(4)

Infrastrukturbetreiber benötigen Güterwagen, um Material für Bautätigkeiten oder für Tätigkeiten zur Instandhaltung der Infrastruktur zu befördern. Wenn Infrastrukturbetreiber Güterwagen zu einem solchen Zweck betreiben, tun sie dies in der Eigenschaft eines Eisenbahnunternehmens. Die Bewertung der Fähigkeit des Infrastrukturbetreibers, Güterwagen zu diesem Zweck zu betreiben, sollte als Teil seiner Bewertung für die Erteilung einer Sicherheitsgenehmigung nach Artikel 11 der Richtlinie 2004/49/EG erfolgen.

(5)

Inspektionen und Überwachungstätigkeiten vor Abfahrt eines Zuges oder auf der Strecke werden im Allgemeinen vom Betriebspersonal der Eisenbahnunternehmen oder Infrastrukturbetreiber gemäß den Verfahren, die in deren Sicherheitsmanagementsystem festgelegt sind, im Einklang mit Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2004/49/EG durchgeführt.

(6)

Die Eisenbahnunternehmen oder Infrastrukturbetreiber sollten mittels ihres Sicherheitsmanagementsystems die Kontrolle aller Risiken im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit, einschließlich des Einsatzes von Auftragnehmern, gewährleisten. Zu diesem Zweck sollte sich ein Eisenbahnunternehmen auf vertragliche Vereinbarungen stützen, die für die Instandhaltung zuständige Stellen für alle von ihm betriebenen Wagen betreffen. Dabei könnte es sich um einen Vertrag zwischen dem Eisenbahnunternehmen und der für die Instandhaltung zuständigen Stelle oder um eine Kette von Verträgen unter Einbeziehung anderer Partner, wie den Fahrzeughalter, handeln. Diese Verträge sollten mit den Verfahren vereinbar sein, die von einem Eisenbahnunternehmen oder Infrastrukturbetreiber in seinem Sicherheitsmanagementsystem dargelegt sind, einschließlich des Informationsaustauschs.

(7)

Im Einklang mit der Richtlinie 2004/49/EG ist die Bescheinigung einer für die Instandhaltung zuständigen Stelle (Instandhaltungsstellen-Bescheinigung) in der gesamten Union gültig. Bescheinigungen, die von Stellen in Drittländern ausgestellt sind, die nach gleichwertigen Kriterien benannt wurden und Anforderungen erfüllen, die den in dieser Verordnung enthaltenen Anforderungen gleichwertig sind, sollten in der Regel als einer in der Union ausgestellten Instandhaltungsstellen-Bescheinigung gleichwertig akzeptiert werden.

(8)

Die Bewertung eines Antrags auf Erteilung einer Instandhaltungsstellen-Bescheinigung durch eine Zertifizierungsstelle ist eine Bewertung der Fähigkeit des Antragstellers, Instandhaltungstätigkeiten zu verwalten und betriebliche Instandhaltungsfunktionen entweder selbst oder durch Verträge mit anderen Stellen wie Ausbesserungswerkstätten, die mit der Erbringung dieser Funktionen oder von Teilen davon beauftragt sind, zu erbringen.

(9)

Ein Akkreditierungssystem sollte ein Instrument für das Risikomanagement bereitstellen, indem es die Gewähr dafür bietet, dass akkreditierte Stellen über die Kompetenz zur Durchführung der von ihnen ausgeführten Arbeiten verfügen. Darüber hinaus ist die Akkreditierung als Mittel zur Gewährleistung der nationalen und internationalen Anerkennung von Instandhaltungsstellen-Bescheinigungen, die von akkreditierten Stellen erteilt wurden, anzusehen.

(10)

Um über ein System zu verfügen, das Zertifizierungsstellen die Überprüfung von zertifizierten für die Instandhaltung zuständigen Stellen in der gesamten Union ermöglicht, ist es wichtig, dass alle Stellen, die Bescheinigungen an für die Instandhaltung zuständige Stellen erteilen können (die „Zertifizierungsstellen“) untereinander zusammenarbeiten, um das Vorgehen bei der Zertifizierung zu harmonisieren. Spezifische Anforderungen an die Akkreditierung sollten entsprechend den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 ausgearbeitet und genehmigt werden (2).

(11)

Für die Bewertung des in dieser Verordnung dargelegten Zertifizierungsverfahrens ist von Bedeutung, dass die Europäische Eisenbahnagentur („die Agentur“) die Entwicklung des Zertifizierungssystems beaufsichtigt. Um diese Aufgabe wahrnehmen zu können, muss die Agentur Informationen zur Art der in diesem Bereich tätigen Zertifizierungsstellen und zur Zahl der erteilten Instandhaltungsstellen-Bescheinigungen sammeln. Wichtig ist auch, dass die Agentur die Koordinierung der Zertifizierungsstellen erleichtert.

(12)

Die Verordnung (EG) Nr. 653/2007 der Kommission vom 13. Juni 2007 zur Verwendung eines einheitlichen europäischen Formats für Sicherheitsbescheinigungen und Antragsunterlagen gemäß Artikel 10 der Richtlinie 2004/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Gültigkeit von gemäß der Richtlinie 2001/14/EG ausgestellten Sicherheitsbescheinigungen (3) schreibt das Standardformat der Sicherheitsbescheinigungen vor. Dieses Format ist zu aktualisieren, um weitere Angaben zu den für die Instandhaltung zuständigen Stellen aufzunehmen. Die Verordnung (EG) Nr. 653/2007 sollte daher entsprechend geändert werden.

(13)

Bis zur vollständigen Anwendung des in dieser Verordnung vorgesehenen Systems zur Zertifizierung der für die Instandhaltung zuständigen Stelle sollte die Gültigkeit bestehender Verfahrensweisen zur Zertifizierung von für die Instandhaltung zuständigen Stellen und Ausbesserungswerkstätten während eines Übergangszeitraums anerkannt werden, um die unterbrechungsfreie Erbringung von Güterverkehrsdiensten, insbesondere auf internationaler Ebene, zu gewährleisten. Während dieses Zeitraums sollten die nationalen Sicherheitsbehörden besonders auf die Gleichwertigkeit und Konsistenz der verschiedenen Verfahrensweisen zur Zertifizierung achten.

(14)

Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des nach Artikel 27 der Richtlinie 2004/49/EG eingesetzten Ausschusses —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Zweck

(1)   Diese Verordnung legt ein System für die Zertifizierung von für die Instandhaltung von Güterwagen zuständigen Stellen nach Artikel 14a der Richtlinie 2004/49/EG fest.

(2)   Zweck des Zertifizierungssystems ist der Nachweis, dass die für die Instandhaltung zuständige Stelle ihr Instandhaltungssystem eingerichtet hat und in der Lage ist, die in dieser Verordnung festgelegten Anforderungen zu erfüllen, die gewährleisten, dass die Güterwagen, für dessen Instandhaltung sie zuständig ist, in einem sicheren Betriebszustand sind.

Artikel 2

Anwendungsbereich

(1)   Das Zertifizierungssystem gilt für jede Stelle, die für die Instandhaltung von Güterwagen zuständig ist, welche im Eisenbahnnetz innerhalb der Union betrieben werden sollen.

(2)   Ausbesserungswerkstätten oder andere Einrichtungen, die einen Teil der in Artikel 4 genannten Funktionen ausführen, können das Zertifizierungssystem auf freiwilliger Basis nach den Grundsätzen von Artikel 8 und Anhang I anwenden.

(3)   Bezugnahmen auf einen Infrastrukturbetreiber in den Artikeln 5, 7 und 12 sind zu verstehen als Bezug auf seinen Betrieb von Güterwagen für die Beförderung von Baumaterial oder für Tätigkeiten der Infrastrukturinstandhaltung. Wenn ein Infrastrukturbetreiber Güterwagen zu einem solchen Zweck betreibt, gilt dies als Tätigkeit in der Eigenschaft eines Eisenbahnunternehmens.

Artikel 3

Begriffsbestimmungen

(1)   Für die Zwecke dieser Verordnung gelten die Begriffsbestimmungen von Artikel 3 der Richtlinie 2004/49/EG.

(2)   Darüber hinaus bezeichnet der Ausdruck:

a)

„Akkreditierung“ die Akkreditierung im Sinne von Artikel 2 Nummer 10 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008;

b)

„Instandhaltungsstellen-Bescheinigung (ECM-Bescheinigung)“ eine Bescheinigung, die einer für die Instandhaltung zuständigen Stelle für die Zwecke von Artikel 14a Absatz 4 der Richtlinie 2004/49/EG erteilt wurde;

c)

„Zertifizierungsstelle“ eine gemäß Artikel 10 benannte Stelle, die für die Zertifizierung von für die Instandhaltung zuständigen Stellen auf der Grundlage der Kriterien des Anhangs II verantwortlich ist;

d)

„Güterwagen“ ein Fahrzeug ohne Eigenantrieb, das zur Beförderung von Frachtgütern oder anderen Materialien, die für Tätigkeiten wie Bautätigkeiten oder Tätigkeiten zur Instandhaltung der Infrastruktur verwendet werden, vorgesehen ist;

e)

„Ausbesserungswerkstatt“ eine mobile oder ortsfeste Stelle, die Personal, einschließlich Personen mit Managementverantwortung, Werkzeuge und Einrichtungen umfasst und zur Erbringung der Instandhaltung von Fahrzeugen, Teilen, Komponenten oder Baugruppen von Fahrzeugen organisiert ist;

f)

„Betriebsfreigabe“ die dem Fuhrpark-Instandhaltungsmanager von der die Instandhaltung erbringenden Stelle gegebene Zusicherung, dass die Instandhaltung gemäß den Instandhaltungsaufträgen erbracht wurde;

g)

„Wiederinbetriebnahme“ die auf der Betriebsfreigabe gründende Zusicherung, die dem Nutzer, etwa einem Eisenbahnunternehmen oder Halter, von der für die Instandhaltung zuständigen Stelle gegeben wird, dass alle entsprechenden Instandhaltungsarbeiten abgeschlossen wurden und der zuvor außer Betrieb genommene Wagen sich in einem Zustand befindet, in dem er sicher genutzt werden kann, möglicherweise vorbehaltlich zeitweiliger Nutzungsbeschränkungen.

Artikel 4

Instandhaltungssystem

(1)   Das Instandhaltungssystem umfasst die folgenden Funktionen:

a)

die Managementfunktion zur Beaufsichtigung und Koordinierung der in den Buchstaben b bis d genannten Instandhaltungsfunktionen und zur Gewährleistung des sicheren Zustands der Güterwagen im Eisenbahnsystem;

b)

die Instandhaltungsentwicklungsfunktion mit Zuständigkeit für die Verwaltung der Instandhaltungsunterlagen, einschließlich des Konfigurationsmanagements, auf der Grundlage von Konstruktions- und Betriebsdaten sowie Leistung und Erfahrungen;

c)

die Fuhrpark-Instandhaltungsmanagementfunktion zur Verwaltung der Aussetzung von Güterwagen zur Instandhaltung und deren Wiederinbetriebnahme nach der Instandhaltung; und

d)

die Instandhaltungserbringungsfunktion zur Erbringung der technischen Instandhaltung eines Güterwagens oder von Teilen davon, einschließlich der Betriebsfreigabeunterlagen.

(2)   Die für die Instandhaltung zuständige Stelle gewährleistet, dass die in Absatz 1 genannten Funktionen die Anforderungen und Bewertungskriterien von Anhang III erfüllen.

(3)   Die für die Instandhaltung zuständige Stelle führt die Managementfunktion selbst aus, kann vorbehaltlich Artikel 8 die in Absatz 1 Buchstaben b bis d genannten Instandhaltungsfunktionen jedoch ganz oder in Teilen an andere Vertragsparteien untervergeben. Bei Untervergabe hat die für die Instandhaltung zuständige Stelle sicherzustellen, dass die Grundsätze von Anhang I angewendet werden.

(4)   Ungeachtet vorgenommener Vorkehrungen für die Untervergabe ist die für die Instandhaltung zuständige Stelle für das Ergebnis der von ihr verwalteten Instandhaltungstätigkeiten verantwortlich und richtet ein System zur Überwachung der Leistung für diese Tätigkeiten ein.

Artikel 5

Beziehung zwischen den am Instandhaltungsprozess Beteiligten

(1)   Jedes Eisenbahnunternehmen und jeder Infrastrukturbetreiber stellt sicher, dass für die von ihm betriebenen Güterwagen vor Abfahrt eine zertifizierte für die Instandhaltung zuständige Stelle vorhanden ist und die Nutzung des Wagens dem Geltungsbereich der Bescheinigung entspricht.

(2)   Alle am Instandhaltungsprozess Beteiligten tauschen einschlägige Informationen über die Instandhaltung im Einklang mit den in Anhang III Abschnitte I.7 und I.8 aufgeführten Kriterien aus.

(3)   Im Anschluss an vertragliche Vereinbarungen kann ein Eisenbahnunternehmen für betriebliche Zwecke Informationen über die Instandhaltung eines Güterwagens anfordern. Die für die Instandhaltung des Güterwagens zuständige Stelle beantwortet solche Anfragen entweder unmittelbar oder über andere Vertragsparteien.

(4)   Im Anschluss an vertragliche Vereinbarungen kann eine für die Instandhaltung zuständige Stelle Informationen über den Betrieb eines Güterwagens anfordern. Das Eisenbahnunternehmen oder der Infrastrukturbetreiber beantwortet solche Anfragen entweder unmittelbar oder über andere Vertragsparteien.

(5)   Alle Vertragsparteien tauschen Informationen über sicherheitsrelevante Fehlfunktionen, Unfälle, Störungen, Beinaheunfälle und andere gefährliche Vorkommnisse sowie über mögliche Einschränkungen der Nutzung von Güterwagen aus.

(6)   Die Instandhaltungsstellen-Bescheinigungen werden als Nachweis der Fähigkeit eines Eisenbahnunternehmens oder Infrastrukturbetreibers akzeptiert, die Anforderungen an die Instandhaltung und die Kontrolle von Auftragnehmern und Lieferanten gemäß Anhang II Punkte B.1, B.2, B.3 und C.1 der Verordnung (EU) Nr. 1158/2010 der Kommission vom 9. Dezember 2010 über eine gemeinsame Sicherheitsmethode für die Konformitätsbewertung in Bezug auf die Anforderungen an die Ausstellung von Eisenbahnsicherheitsbescheinigungen (4) und der Verordnung (EU) Nr. 1169/2010 der Kommission vom 10. Dezember 2010 über eine gemeinsame Sicherheitsmethode für die Konformitätsbewertung in Bezug auf die Anforderungen an die Erteilung von Eisenbahnsicherheitsgenehmigungen (5) zu erfüllen, sofern nicht die nationale Sicherheitsbehörde das Vorliegen eines erheblichen Sicherheitsrisikos nachweisen kann.

(7)   Falls eine Vertragspartei, insbesondere ein Eisenbahnunternehmen, Grund zu der Annahme hat, dass eine bestimmte für die Instandhaltung zuständige Stelle die Anforderungen von Artikel 14a Absatz 3 der Richtlinie 2004/49/EG oder die Zertifizierungsanforderungen dieser Verordnung nicht einhält, unterrichtet sie die Zertifizierungsstelle unverzüglich davon. Die Zertifizierungsstelle ergreift geeignete Maßnahmen zur Prüfung, ob die Behauptung einer Nichteinhaltung begründet ist, und unterrichtet die Beteiligten (einschließlich gegebenenfalls die zuständige nationale Sicherheitsbehörde) über die Ergebnisse ihrer Prüfung.

(8)   Bei einem Wechsel der für die Instandhaltung zuständigen Stelle unterrichtet der Inhaber der Registrierung wie in Artikel 33 Absatz 3 der Richtlinie 2008/57/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (6) angegeben die Eintragungsstelle gemäß Begriffsbestimmung von Artikel 4 Absatz 1 der Entscheidung 2007/756/EG der Kommission (7) fristgerecht, damit diese Stelle das nationale Einstellungsregister aktualisieren kann.

Die zuvor für die Instandhaltung zuständige Stelle händigt die Instandhaltungsunterlagen entweder dem Inhaber der Registrierung oder der neuen für die Instandhaltung zuständigen Stelle aus.

Die frühere für die Instandhaltung zuständige Stelle wird bei Austragung aus dem nationalen Einstellungsregister von ihren Verantwortlichkeiten entlastet. Fall zum Zeitpunkt der Austragung der früheren für die Instandhaltung zuständigen Stelle noch keine neue Stelle die Annahme des Status als für die Instandhaltung zuständige Stelle anerkannt hat, wird die Registrierung des Fahrzeugs ausgesetzt.

Artikel 6

Zertifizierungsstellen

(1)   Instandhaltungsstellen-Bescheinigungen werden von einer zuständigen Zertifizierungsstelle erteilt, die von der antragstellenden für die Instandhaltung zuständigen Stelle ausgewählt wird.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Zertifizierungsstellen die allgemeinen Kriterien und Grundsätze von Anhang II sowie etwaiger sich anschließender sektoraler Akkreditierungssysteme erfüllen.

(3)   Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um die gerichtliche Nachprüfbarkeit von Entscheidungen der Zertifizierungsstellen zu gewährleisten.

(4)   Um die Vorgehensweise bei der Bewertung von Anträgen zu harmonisieren, arbeiten die Zertifizierungsstellen sowohl innerhalb der Mitgliedstaaten als auch unionsweit untereinander zusammen.

(5)   Die Agentur organisiert und erleichtert die Zusammenarbeit zwischen den Zertifizierungsstellen.

Artikel 7

System der Zertifizierung von für die Instandhaltung zuständigen Stellen

(1)   Die Zertifizierung beruht auf einer Bewertung der Fähigkeit der für die Instandhaltung zuständigen Stelle, die einschlägigen Anforderungen von Anhang III zu erfüllen und diese durchgängig anzuwenden. Dies schließt ein System der Überwachung ein, um die fortlaufende Erfüllung der anwendbaren Anforderungen nach Erteilung der Instandhaltungsstellen-Bescheinigung sicherzustellen.

(2)   Die für die Instandhaltung zuständigen Stellen beantragen die Zertifizierung mit dem Formblatt in Anhang IV und legen Unterlagen zum Nachweis der in Anhang III festgelegten Verfahren vor. Sie legen alle von der Zertifizierungsstelle angeforderten zusätzlichen Informationen unverzüglich vor. Bei der Bewertung der Anträge legen die Zertifizierungsstellen die Anforderungen und die Bewertungskriterien von Anhang III zugrunde.

(3)   Die Zertifizierungsstelle trifft ihre Entscheidung spätestens vier Monate nachdem ihr die für die Instandhaltung zuständige Stelle, die die Bescheinigung beantragt, alle vorgeschriebenen Informationen und angeforderten zusätzlichen Informationen vorgelegt hat. Die Zertifizierungsstelle nimmt die erforderliche Bewertung an der Betriebsstätte oder den Betriebsstätten der für die Instandhaltung zuständigen Stelle vor Erteilung der Zertifizierung vor. Die Entscheidung über die Erteilung der Zertifizierung wird der für die Instandhaltung zuständigen Stelle mit dem entsprechenden Formblatt von Anhang V mitgeteilt.

(4)   Die Instandhaltungsstellen-Bescheinigung gilt für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren. Der Inhaber der Bescheinigung teilt der Zertifizierungsstelle unverzüglich alle wesentlichen Änderungen der Umstände mit, die zum Zeitpunkt der Erteilung der ursprünglichen Zertifizierung galten, um der Zertifizierungsstelle eine Entscheidung über deren Änderung, Erneuerung oder Aufhebung zu ermöglichen.

(5)   Die Zertifizierungsstelle legt die Gründe für jede von ihr getroffene Entscheidung im Einzelnen dar. Die Zertifizierungsstelle übermittelt ihre Entscheidung samt Gründen der für die Instandhaltung zuständigen Stelle mit Hinweis auf Verfahren und Fristen für die Einlegung eines Widerspruchs sowie Angabe der Anschrift der Widerspruchsstelle.

(6)   Die Zertifizierungsstelle führt mindestens einmal im Jahr an ausgewählten Betriebsstätten, die geografisch und funktionell für alle Aktivitäten derjenigen für die Instandhaltung zuständigen Stellen repräsentativ sind, die sie zertifiziert hat, eine Überwachung durch, um sich zu vergewissern, dass die Stellen weiterhin die in Anhang III genannten Kriterien erfüllen.

(7)   Stellt die Zertifizierungsstelle fest, dass eine für die Instandhaltung zuständige Stelle die Anforderungen nicht mehr erfüllt, auf deren Grundlage sie die Instandhaltungsstellen-Bescheinigung erteilt hat, vereinbart sie einen Abhilfeplan mit der für die Instandhaltung zuständigen Stelle, begrenzt den Geltungsbereich der Bescheinigung oder setzt diese aus, je nachdem, inwieweit die Anforderungen nicht erfüllt werden.

Bei dauerhafter Nichterfüllung der Zertifizierungsanforderungen oder eines etwaigen Abhilfeplans begrenzt die Zertifizierungsstelle den Geltungsbereich der Instandhaltungsstellen-Bescheinigung oder widerruft diese unter Angabe der Gründe für ihre Entscheidung und mit Hinweis auf Verfahren und Fristen für die Einlegung eines Widerspruchs sowie unter Angabe der Anschrift der Widerspruchsstelle.

(8)   Beantragt ein Eisenbahnunternehmen oder Infrastrukturbetreiber eine Sicherheitsbescheinigung oder eine Sicherheitsgenehmigung, gilt bezüglich der von ihm genutzten Güterwagen Folgendes:

a)

Werden die Güterwagen vom Antragsteller instand gehalten, fügt der Antragsteller seinem Antrag eine gültige Instandhaltungsstellen-Bescheinigung bei, sofern vorhanden, oder es erfolgt eine Bewertung seiner Fähigkeit als für die Instandhaltung zuständige Stelle im Rahmen seines Antrags auf Erteilung einer Sicherheitsbescheinigung oder einer Sicherheitsgenehmigung;

b)

werden die Güterwagen von einer anderen Partei als dem Antragsteller instandgesetzt, gewährleistet der Antragsteller mittels seines Sicherheitsmanagementsystems die Kontrolle aller Risiken, die mit seiner Tätigkeit, einschließlich der Nutzung solcher Wagen, im Zusammenhang stehen, wobei insbesondere die Bestimmungen von Artikel 5 Anwendung finden.

Zertifizierungsstellen und nationale Sicherheitsbehörden führen unter allen Umständen einen aktiven Meinungsaustausch durch, um eine doppelte Bewertung zu vermeiden.

Artikel 8

System der Zertifizierung von untervergebenen Instandhaltungsfunktionen

(1)   Entscheidet die für die Instandhaltung zuständige Stelle, eine oder mehrere der in Artikel 4 Absatz 1 Buchstaben b, c und d genannten Funktionen oder Teile davon unterzuvergeben, so begründet die freiwillige Zertifizierung des Unterauftragnehmers nach dem Zertifizierungssystem dieser Verordnung die Vermutung der Konformität der für die Instandhaltung zuständigen Stelle mit den einschlägigen Anforderungen von Anhang III, insoweit diese Anforderungen durch die freiwillige Zertifizierung des Unterauftragnehmers abgedeckt sind. Fehlt eine solche Zertifizierung, legt die für die Instandhaltung zuständige Stelle der Zertifizierungsstelle dar, wie sie alle Anforderungen von Anhang III hinsichtlich derjenigen Funktionen erfüllt, zu deren Untervergabe sie sich entschließt.

(2)   Die Zertifizierung bezüglich Instandhaltungsfunktionen oder Teilen davon, die untervergeben wurden, wird von den Zertifizierungsstellen nach denselben Verfahren von Artikel 6 und 7 sowie Artikel 10 Absatz 3 vorgenommen, die dem besonderen Fall des Antragstellers anzupassen sind. Sie ist in der gesamten Union gültig.

Bei der Bewertung von Anträgen auf Erteilung von Bescheinigungen bezüglich Instandhaltungsfunktionen oder Teilen davon, die untervergeben wurden, folgen die Zertifizierungsstellen den Grundsätzen von Anhang I.

Artikel 9

Rolle der Überwachungsregelung

Hat eine nationale Sicherheitsbehörde Grund zu der Annahme, dass eine bestimmte für die Instandhaltung zuständige Stelle die Anforderungen von Artikel 14a Absatz 3 der Richtlinie 2004/49/EG oder die Zertifizierungsanforderungen der vorliegenden Verordnung nicht erfüllt, trifft sie unverzüglich die notwendige Entscheidung und unterrichtet die Kommission, die Agentur, andere zuständige Behörden, die Zertifizierungsstelle und andere Beteiligte von dieser Entscheidung.

Artikel 10

Übermittlung von Informationen an die Kommission und die Agentur

(1)   Bis spätestens 30. November 2011 teilen die Mitgliedstaaten der Kommission mit, ob die Zertifizierungsstellen akkreditierte Stellen, anerkannte Stellen oder nationale Sicherheitsbehörden sind. Sie teilen der Kommission Änderungen dieses Sachverhalts innerhalb eines Monats mit.

(2)   Bis spätestens 31. Mai 2012 melden die Mitgliedstaaten der Agentur die anerkannten Zertifizierungsstellen. Die Akkreditierungsstellen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 melden der Agentur die akkreditierten Zertifizierungsstellen. Änderungen sind der Agentur innerhalb eines Monats zu melden.

(3)   Die Zertifizierungsstellen melden der Agentur alle ausgestellten, geänderten, erneuerten oder widerrufenen Instandhaltungsstellen-Bescheinigungen oder Bescheinigungen für bestimmte Funktionen nach Artikel 4 Absatz 1 innerhalb einer Woche ab ihrer entsprechenden Entscheidung mittels der Formblätter in Anhang V.

(4)   Die Agentur zeichnet alle nach den Absätzen 2 und 3 mitgeteilten Informationen auf und macht sie öffentlich zugänglich.

Artikel 11

Änderung der Verordnung (EG) Nr. 653/2007

Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 653/2007 erhält die Fassung von Anhang VI der vorliegenden Verordnung.

Artikel 12

Übergangsbestimmungen

(1)   Die folgenden Übergangsbestimmungen gelten unbeschadet Artikel 9.

(2)   Ab dem 31. Mai 2012 werden unbeschadet Artikel 14a Absatz 8 der Richtlinie 2004/49/EG Instandhaltungsstellen-Bescheinigungen den für die Instandhaltung von Güterwagen zuständigen Stellen gemäß den Bestimmungen dieser Verordnung erteilt.

(3)   Bescheinigungen, die von einer Zertifizierungsstelle nicht später als 31. Mai 2012 auf der Grundlage von Prinzipien und Kriterien erteilt wurden, die denen der von den Mitgliedstaaten am 14. Mai 2009 unterzeichneten Absichtserklärung zur Festlegung der Grundsätze eines gemeinsamen Systems zur Zertifizierung von für die Instandhaltung von Güterwagen zuständigen Stellen gleichwertig sind, werden für die ursprüngliche Gültigkeitsdauer bis längstens 31. Mai 2015 als den nach dieser Verordnung erteilten Instandhaltungsstellen-Bescheinigungen gleichwertig anerkannt.

(4)   Bescheinigungen, die einer für die Instandhaltung zuständigen Stelle von einer Zertifizierungsstelle nicht später als 31. Mai 2012 auf der Grundlage nationaler Rechtsvorschriften erteilt wurden, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung bestanden und dieser Verordnung, insbesondere den Artikeln 6 und 7 und den Anhängen I und III, gleichwertig sind, werden für die ursprüngliche Gültigkeitsdauer bis längstens 31. Mai 2015 als den nach dieser Verordnung erteilten Instandhaltungsstellen-Bescheinigungen gleichwertig anerkannt.

(5)   Bescheinigungen, die Ausbesserungswerkstätten nicht später als 31. Mai 2014 auf der Grundlage nationaler Rechtsvorschriften erteilt wurden, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung bestanden und dieser Verordnung gleichwertig sind, werden für die ursprüngliche Gültigkeitsdauer bis längstens 31. Mai 2017 als den nach dieser Verordnung erteilten Bescheinigungen für Ausbesserungswerkstätten, die die Instandhaltungserbringungsfunktion ausüben, gleichwertig anerkannt.

(6)   Unbeschadet der Absätze 3 bis 5 lassen sich für die Instandhaltung von Güterwagen zuständige Stellen, die nicht später als 31. Mai 2012 im nationalen Einstellungsregister eingetragen sind, nicht später als 31. Mai 2013 nach dieser Verordnung zertifizieren. Während dieses Zeitraums werden Eigenerklärungen der Konformität von für die Instandhaltung zuständigen Stellen mit den einschlägigen Anforderungen dieser Verordnung oder der Absichtserklärung zur Festlegung der Grundsätze eines gemeinsamen Systems zur Zertifizierung von für die Instandhaltung von Güterwagen zuständigen Stellen, die am 14. Mai 2009 von Mitgliedstaaten unterzeichnet wurde, als den nach dieser Verordnung erteilten Instandhaltungsstellen-Bescheinigungen gleichwertig anerkannt.

(7)   Eisenbahnunternehmen und Infrastrukturbetreiber, die nicht später als 31. Mai 2012 bereits nach Artikel 10 und 11 der Richtlinie 2004/49/EG zertifiziert sind, brauchen für die ursprüngliche Gültigkeitsdauer ihrer Bescheinigung für die Instandhaltung der Wagen, für die sie als für die Instandhaltung zuständige Stelle verantwortlich sind, keine Instandhaltungsstellen-Bescheinigung zu beantragen.

Artikel 13

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Brüssel, den 10. Mai 2011

Für die Kommission

Der Präsident

José Manuel BARROSO


(1)  ABl. L 164 vom 30.4.2004, S. 44.

(2)  ABl. L 218 vom 13.8.2008, S. 30.

(3)  ABl. L 153 vom 14.6.2007, S. 9.

(4)  ABl. L 326 vom 10.12.2010, S. 11.

(5)  ABl. L 327 vom 11.12.2010, S. 13.

(6)  ABl. L 191 vom 18.7.2008, S. 1.

(7)  ABl. L 305 vom 23.11.2007, S. 30.


ANHANG I

Anzuwendende Grundsätze für Organisationen, die eine Bescheinigung bezüglich Instandhaltungsfunktionen beantragen, die von einer für die Instandhaltung zuständigen Stelle untervergeben wurden

1.

Für die Zertifizierung einer Stelle oder Organisation, die eine oder mehrere Instandhaltungsfunktionen einer für die Instandhaltung zuständigen Stelle (Instandhaltungsentwicklung, Fuhrpark-Instandhaltungsmanagement, Instandhaltungserbringung) oder Teile davon übernehmen, gelten die folgenden Anforderungen und Bewertungskriterien von Anhang III:

a)

Anforderungen und Bewertungskriterien von Anhang III Abschnitt I, angepasst an die Art der Organisation und den Umfang der Dienstleistung;

b)

Anforderungen und Bewertungskriterien, die die spezifische Instandhaltungsfunktion oder -funktionen beschreiben.

2.

Für die Zertifizierung einer Ausbesserungswerkstätte, die die Instandhaltungserbringungsfunktion übernimmt, gelten die folgenden Anforderungen und Bewertungskriterien von Anhang III:

a)

die Anforderungen und Bewertungskriterien von Anhang III Abschnitt I, die der spezifischen Tätigkeit der Ausbesserungswerkstätte, die die Instandhaltungserbringungsfunktion ausübt, anzupassen sind;

b)

die Verfahren, die die Instandhaltungserbringungsfunktion beschreiben.


ANHANG II

Kriterien für die Akkreditierung oder Anerkennung der Zertifizierungsstellen, die an der Bewertung und Erteilung von Instandhaltungsstellen-Bescheinigungen beteiligt sind

1.   ORGANISATION

Die Zertifizierungsstelle muss ihre Organisationsstruktur dokumentieren und die Pflichten, Zuständigkeiten und Befugnisse des Managements und anderer Zertifizierungsmitarbeiter sowie etwaiger Ausschüsse darlegen. Ist die Zertifizierungsstelle ein definierter Teil einer Rechtsperson, muss die Struktur auch die Weisungsbefugnisse und Beziehungen im Verhältnis zu anderen Teilen derselben Rechtsperson umfassen.

2.   UNABHÄNGIGKEIT

Die Zertifizierungsstelle muss organisatorisch und funktional in ihrer Entscheidungsfindung von Eisenbahnunternehmen, Infrastrukturbetreibern, Haltern, Herstellern und für die Instandhaltung zuständigen Stellen unabhängig sein und darf keine ähnlichen Dienste erbringen.

Die Unabhängigkeit des mit den Zertifizierungsprüfungen beauftragten Personals muss gewährleistet sein. Die Vergütung jedes Prüfers darf sich weder nach der Zahl der von ihm durchgeführten Prüfungen noch nach den Ergebnissen dieser Prüfungen richten.

3.   KOMPETENZ

Die Zertifizierungsstelle und das von ihr eingesetzte Personal müssen über die erforderlichen beruflichen Kompetenzen verfügen, insbesondere im Zusammenhang mit der Organisation der Instandhaltung von Güterwagen und der entsprechenden Instandhaltungssysteme.

Die Zertifizierungsstelle muss folgendes nachweisen:

a)

solide Erfahrung in der Bewertung von Managementsystemen;

b)

Kenntnis der anwendbaren Anforderungen der Rechtsvorschriften.

Das für die Überwachung von für die Instandhaltung zuständigen Stellen zusammengestellte Team muss über Erfahrung in den einschlägigen Bereichen verfügen und insbesondere folgendes nachweisen:

a)

entsprechende Kenntnis und Verständnis der anwendbaren europäischen Rechtsvorschriften;

b)

einschlägige technische Kompetenz;

c)

mindestens drei Jahre einschlägige Erfahrung in der Instandhaltung allgemein;

d)

ausreichende Erfahrung in der Instandhaltung von Güterwagen oder mindestens in der Instandhaltung in gleichwertigen Industriesektoren.

4.   UNPARTEILICHKEIT

Die Entscheidungen der Zertifizierungsstelle sind auf der Grundlage objektiver, von der Zertifizierungsstelle erlangter Nachweise der Konformität oder Nichtkonformität zu treffen und dürfen keiner Beeinflussung durch andere Interessen oder andere Parteien unterliegen.

5.   VERANTWORTUNG

Die Zertifizierungsstelle ist nicht verantwortlich für die Gewährleistung der fortdauernden Konformität mit den Zertifizierungsanforderungen.

Die Zertifizierungsstelle ist verantwortlich für die Bewertung ausreichender objektiver Nachweise, auf die sich eine Zertifizierungsentscheidung gründet.

6.   OFFENHEIT

Die Zertifizierungsstelle ermöglicht den öffentlichen Zugang zu oder die Offenlegung von angemessenen und zeitnahen Informationen über ihr Auditverfahren und Zertifizierungsverfahren. Sie stellt auch Informationen über den Zertifizierungsstatus (einschließlich Erteilung, Verlängerung, Aufrechterhaltung, Erneuerung, Aussetzung, Einschränkung des Geltungsbereichs oder Widerruf der Zertifizierung) jeder Organisation bereit, um Vertrauen in die Integrität und Glaubwürdigkeit der Zertifizierung zu entwickeln. Offenheit bedeutet als Grundsatz den Zugang zu geeigneten Informationen oder deren Offenlegung.

7.   VERTRAULICHKEIT

Um privilegierten Zugang zu Informationen zu erhalten, die die Zertifizierungsstelle für die angemessene Bewertung der Konformität mit den Zertifizierungsanforderungen benötigt, behandelt die Zertifizierungsstelle alle einen Kunden betreffenden geschäftlichen Informationen als vertraulich.

8.   BESCHWERDEBEARBEITUNG

Die Zertifizierungsstelle richtet ein Verfahren für die Bearbeitung von Beschwerden über Entscheidungen und andere mit der Zertifizierung zusammenhängende Tätigkeiten ein.

9.   HAFTUNG UND FINANZIERUNG

Die Zertifizierungsstelle muss in der Lage sein nachzuweisen, dass sie die sich aus ihren Zertifizierungstätigkeiten ergebenden Risiken bewertet hat und angemessene Vorkehrungen (einschließlich Versicherungsdeckung oder Bildung von Rücklagen) getroffen hat, um Verbindlichkeiten abzudecken, die sich aus ihrer Tätigkeit in jedem ihrer Tätigkeitsbereiche und den geografischen Bereichen, in denen sie tätig ist, ergeben.


ANHANG III

Anforderungen und Bewertungskriterien für Organisationen, die eine Instandhaltungsstellen-Bescheinigung oder eine Bescheinigung bezüglich von einer für die Instandhaltung zuständigen Stelle untervergebener Instandhaltungsfunktionen beantragen

I.   Anforderungen und Bewertungskriterien bezüglich der Managementfunktion

1.   Führungsaufgabe — Engagement bezüglich Entwicklung und Umsetzung des Instandhaltungssystems der Organisation und der ständigen Steigerung der Wirksamkeit dieses Systems

Die Organisation muss über Verfahren für Folgendes verfügen:

a)

Aufstellung einer Instandhaltungspolitik, die der Art der Organisation und dem Umfang der Dienstleistung angemessen ist und vom Vorsitzenden der Geschäftsleitung oder dessen Vertreter genehmigt wurde

b)

Gewährleistung der Aufstellung von Sicherheitszielen, die mit den rechtlichen Rahmenbedingungen und Art, Umfang und einschlägigen Risiken der Organisation in Einklang stehen;

c)

Bewertung der sicherheitsbezogenen Leistung insgesamt bezogen auf die Sicherheitsziele des Unternehmens;

d)

Entwicklung von Plänen und Verfahren zur Erreichung der Sicherheitsziele;

e)

Gewährleistung der Verfügbarkeit der zur Durchführung aller Verfahren für die Einhaltung der Anforderungen dieses Anhangs erforderlichen Mittel;

f)

Ermittlung und Management der Auswirkungen anderer Managementtätigkeiten auf das Instandhaltungssystem;

g)

Gewährleistung, dass das oberste Management die Ergebnisse der Leistungsüberwachung und der Audits kennt und die Gesamtverantwortung für die Durchführung von Änderungen des Instandhaltungssystems trägt;

h)

Gewährleistung, dass das Personal und dessen Vertreter bei der Festlegung, Entwicklung, Überwachung und Überprüfung der Sicherheitsaspekte aller hiermit verbundenen Verfahren, an denen Personal beteiligt sein kann, angemessen vertreten sind und konsultiert werden.

2.   Risikobewertung — ein strukturierter Ansatz zur Bewertung von Risiken, die mit der Instandhaltung von Güterwagen verbunden sind, einschließlich Risiken, die sich unmittelbar aus betrieblichen Verfahren und der Tätigkeit anderer Organisationen oder Personen ergeben, sowie zur Ermittlung der geeigneten Verfahren zur Risikobeherrschung

2.1.

Die Organisation muss über Verfahren für Folgendes verfügen:

a)

Analyse der Risiken, die für den Umfang der von der Organisation durchgeführten Tätigkeit von Belang sind, einschließlich der Risiken, die sich aus Mängeln und nichtkonformer Bauweise oder Fehlfunktionen während der Lebensdauer ergeben;

b)

Bewertung der in Buchstabe a genannten Risiken;

c)

Entwicklung und Durchführung von Maßnahmen zur Risikobeherrschung.

2.2.

Die Organisation muss über Verfahren und Vorkehrungen verfügen, um die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit mit Haltern, Eisenbahnunternehmen, Infrastrukturbetreibern oder anderen Beteiligten zu erkennen und sich entsprechend zu engagieren.

2.3.

Die Organisation muss über Verfahren zur Risikobewertung verfügen, um Änderungen bei Ausrüstung, Verfahren, Organisation, Personal oder Schnittstellen verwalten und die Verordnung (EG) Nr. 352/2009 der Kommission (1) anwenden zu können.

2.4.

Bei der Risikobewertung muss die Organisation über Verfahren zur Berücksichtigung der Notwendigkeit verfügen, eine angemessene Arbeitsumgebung festzulegen, bereitzustellen und aufrecht zu erhalten, die den Rechtsvorschriften der Europäischen Union und den nationalen Rechtsvorschriften entspricht, insbesondere der Richtlinie 89/391/EWG des Rates (2).

3.   Überwachung — ein strukturierter Ansatz, der gewährleistet, dass Maßnahmen zur Risikobeherrschung getroffen sind, ordnungsgemäß funktionieren und die Ziele der Organisation mit ihnen erreicht werden

3.1.

Die Organisation muss über ein Verfahren für die regelmäßige Erfassung, Überwachung und Auswertung einschlägiger Sicherheitsdaten verfügen, unter anderem zu

a)

der Leistung einschlägiger Verfahren;

b)

den Ergebnissen von Prozessen (einschließlich aller untervergebenen Dienstleistungen und zugekauften Erzeugnisse);

c)

der Wirksamkeit der Vorkehrungen zur Risikobeherrschung;

d)

Informationen zu Erfahrungen, Fehlfunktionen, Mängeln und Instandsetzungen, die sich aus dem alltäglichen Betrieb und der Instandhaltung ergeben.

3.2.

Die Organisation muss über Verfahren verfügen, mit denen sichergestellt wird, dass Unfälle, Störungen, Beinaheunfälle und andere gefährliche Vorkommnisse gemeldet, aufgezeichnet, untersucht und ausgewertet werden.

3.3.

Für die periodische Überprüfung aller Verfahren muss die Organisation über ein internes Auditsystem verfügen, das unabhängig und unparteilich ist und auf transparente Art gehandhabt wird. Dieses System muss Verfahren für Folgendes umfassen:

a)

Entwicklung eines internen Auditplans, der abhängig von den Ergebnissen vorheriger Audits und der Leistungsüberwachung überarbeitet werden kann;

b)

Analyse und Evaluierung der Auditergebnisse;

c)

Ausarbeitung von Vorschlägen für spezifische Abhilfemaßnahmen und deren Durchführung;

d)

Überprüfung der Wirksamkeit vorheriger Maßnahmen.

4.   Ständige Verbesserung — ein strukturierter Ansatz für die Auswertung der durch regelmäßige Überwachung, Audits oder aus anderen einschlägigen Quellen gewonnenen Informationen und Verwendung der Ergebnisse, um daraus zu lernen und vorbeugende Maßnahmen oder Abhilfemaßnahmen zur Aufrechterhaltung oder Verbesserung des Sicherheitsniveaus zu treffen

Die Organisation muss über Verfahren verfügen, die Folgendes gewährleisten:

a)

festgestellte Mängel werden abgestellt;

b)

neue Sicherheitsentwicklungen werden umgesetzt;

c)

die Ergebnisse interner Audits werden für Verbesserungen im System verwendet;

d)

vorbeugende Maßnahmen oder Abhilfemaßnahmen werden erforderlichenfalls umgesetzt, um die Einhaltung von Standards und anderen Anforderungen durch das Eisenbahnsystem während der Lebensdauer von Ausrüstungen und Betriebsverfahren sicherzustellen;

e)

einschlägige Informationen bezüglich der Untersuchung und Ursachen von Unfällen, Störungen, Beinaheunfällen und anderen gefährlichen Vorkommnissen werden verwendet, um daraus zu lernen und nötigenfalls Maßnahmen zur Verbesserung des Sicherheitsniveaus zu treffen;

f)

einschlägige Empfehlungen der nationalen Sicherheitsbehörde, der nationalen Untersuchungsstelle und Untersuchungen der Branche oder interner Untersuchungen werden evaluiert und gegebenenfalls umgesetzt;

g)

einschlägige Berichte/Informationen von Eisenbahnunternehmen/Infrastrukturbetreibern und Haltern oder aus anderen einschlägigen Quellen werden herangezogen und berücksichtigt.

5.   Struktur und Verantwortlichkeiten — ein strukturierter Ansatz zur Festlegung der Verantwortlichkeiten von Einzelpersonen und Teams für die gesicherte Erreichung der Sicherheitsziele der Organisation

5.1.

Die Organisation muss über Verfahren verfügen, mit denen für alle einschlägigen Verfahren in der gesamten Organisation Verantwortlichkeiten zugewiesen werden.

5.2.

Die Organisation muss über Verfahren verfügen, mit denen sicherheitsbezogene Verantwortungsbereiche und die Verteilung der Verantwortlichkeiten auf bestimmte damit verbundene Funktionen sowie deren Schnittstellen eindeutig festgelegt werden. Dazu gehören die oben genannten Verfahren zwischen der Organisation und den Haltern und gegebenenfalls Eisenbahnunternehmen und Infrastrukturbetreibern.

5.3.

Die Organisation muss über Verfahren verfügen, mit denen sichergestellt wird, dass Personal mit übertragenen Verantwortlichkeiten innerhalb der Organisation über die Autorität, Kompetenz und die notwendigen Ressourcen verfügt, um seiner Funktion nachzukommen. Die Verantwortlichkeiten und Kompetenzen sollten kohärent und mit der gegebenen Rolle vereinbar sein und die Übertragung muss schriftlich erfolgen.

5.4.

Die Organisation muss über Verfahren verfügen, mit denen die Koordinierung von Tätigkeiten gewährleistet wird, die mit den einschlägigen Verfahren in der gesamten Organisation im Zusammenhang stehen.

5.5.

Die Organisation muss über Verfahren verfügen, um Personal, das mit Aufgaben des Sicherheitsmanagements betraut ist, zur Verantwortung zu ziehen.

6.   Kompetenzmanagement — ein strukturierter Ansatz, der gewährleistet, dass das Personal über die erforderliche Kompetenz verfügt, um die Ziele der Organisation unter allen Umständen sicher, wirksam und effizient zu erreichen.

6.1.

Die Organisation muss ein Kompetenzmanagementsystem einrichten, das Folgendes vorsieht:

a)

Bestimmung der Posten, die für die Durchführung aller Prozesse innerhalb des Systems verantwortlich sind, welche für die Erfüllung der Anforderungen dieses Anhangs erforderlich sind;

b)

Bestimmung der Posten, die Sicherheitsaufgaben beinhalten;

c)

Zuweisung des Personals mit den entsprechenden Kompetenzen zu entsprechenden Aufgaben.

6.2.

Innerhalb des Kompetenzmanagementsystems der Organisation müssen Verfahren für das Management der Kompetenz des Personals vorhanden sein, die mindestens Folgendes umfassen:

a)

Ermittlung der Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrung, die für sicherheitsrelevante Aufgaben entsprechend der jeweiligen Verantwortlichkeiten erforderlich sind;

b)

Auswahlkriterien, einschließlich Anforderungen an Mindestausbildungsniveau, geistige und körperliche Eignung;

c)

Erstausbildung und Qualifizierung oder Zertifizierung der erworbenen Kompetenzen und Fähigkeiten;

d)

Gewährleistung, dass sich alle Angehörigen des Personals der Relevanz und Bedeutung ihrer Tätigkeiten sowie ihres Beitrags zur Erreichung der Sicherheitsziele bewusst sind;

e)

fortlaufende Schulung und regelmäßige Aktualisierung vorhandener Kenntnisse und Fähigkeiten;

f)

gegebenenfalls regelmäßige Überprüfung der Kompetenz und der geistigen und körperlichen Eignung;

g)

gegebenenfalls besondere Maßnahmen bei Unfällen/Störungen oder längerer Abwesenheit vom Arbeitsplatz.

7.   Information — ein strukturierter Ansatz, der gewährleistet, dass wichtige Informationen denjenigen zur Verfügung stehen, die auf allen Ebenen der Organisation Beurteilungen vornehmen und Entscheidungen treffen

7.1.

Die Organisation muss über Verfahren verfügen, mit denen Berichtswege festgelegt werden, damit sichergestellt ist, dass innerhalb der Stelle selbst und in ihren Transaktionen mit anderen Akteuren einschließlich Infrastrukturbetreibern, Eisenbahnunternehmen und Haltern auf prompte und eindeutige Weise Informationen über alle einschlägigen Prozesse ordnungsgemäß ausgetauscht und der Person vorgelegt werden, die die richtige Funktion sowohl innerhalb ihrer eigenen Organisation als auch in anderen Organisation ausübt.

7.2.

Um einen angemessenen Informationsaustausch zu gewährleisten, muss die Organisation über Verfahren verfügen

a)

für die Entgegennahme und Verarbeitung spezifischer Informationen;

b)

für die Auffindung, Erzeugung und Verbreitung spezifischer Informationen;

c)

für die Bereitstellung zuverlässiger und aktueller Informationen.

7.3.

Die Organisation muss über Verfahren verfügen, die gewährleisten, dass wichtige betriebliche Informationen

a)

relevant und gültig sind;

b)

korrekt sind;

c)

vollständig sind;

d)

entsprechend aktualisiert werden;

e)

kontrolliert werden;

f)

konsistent und leicht verständlich sind (einschließlich der verwendeten Sprache);

g)

dem Personal vor Anwendung bekannt gemacht werden;

h)

dem Personal leicht zugänglich sind und gegebenenfalls in Kopie ausgehändigt werden.

7.4.

Die unter den Nummern 7.1, 7.2 und 7.3 genannten Anforderungen gelten insbesondere für die folgenden betrieblichen Informationen:

a)

Prüfung der Korrektheit und Vollständigkeit der nationalen Einstellungsregister hinsichtlich der Identifikation (einschließlich der entsprechenden Mittel) und der Registrierung der Güterwagen, die von der Organisation instand gehalten werden;

b)

Instandhaltungsunterlagen;

c)

Informationen über die Unterstützung, die Haltern und gegebenenfalls anderen Beteiligten, einschließlich Eisenbahnunternehmen/Infrastrukturbetreibern, geleistet wird;

d)

Informationen zur Qualifikation des Personals und anschließende Aufsicht bei der Instandhaltungsentwicklung;

e)

Informationen zum Betrieb (einschließlich Laufleistung, Art und Umfang der Tätigkeiten, Störungen/Unfälle) und Anfragen von Eisenbahnunternehmen, Haltern und Infrastrukturbetreibern;

f)

Aufzeichnungen über durchgeführte Instandhaltungsarbeiten einschließlich Informationen zu Mängeln, die bei Inspektionen festgestellt wurden, und Abhilfemaßnahmen der Eisenbahnunternehmen oder Infrastrukturbetreiber, wie Inspektionen und Überwachungstätigkeiten vor Abfahrt des Zuges oder auf der Strecke;

g)

Betriebsfreigabe und Wiederinbetriebnahme;

h)

Instandhaltungsaufträge;

i)

technische Informationen, die den Eisenbahnunternehmen/Infrastrukturbetreibern und Haltern bereitgestellt werden und Instandhaltungsanweisungen umfassen;

j)

dringende Informationen bezüglich Situationen, in denen der sichere Betriebszustand beeinträchtigt ist, die folgendes umfassen können:

i)

die Auferlegung von Nutzungsbeschränkungen oder spezifischen Betriebsbedingungen für die von der Organisation instand gehaltenen Güterwagen oder andere Fahrzeuge derselben Baureihe, auch wenn diese von anderen für die Instandhaltung zuständigen Stellen instand gehalten werden, wobei diese Informationen auch an alle Beteiligten weitergegeben werden sollten;

ii)

dringende Informationen zu sicherheitsbezogenen Aspekten, die bei der Instandhaltung festgestellt wurden, etwa Mängel einer Komponente, die bei mehreren Mustern oder Baureihen von Fahrzeugen Verwendung findet;

k)

alle relevanten Informationen/Daten, die zur Erstellung des jährlichen Instandhaltungsberichts an die Zertifizierungsstelle und die betreffenden Kunden (einschließlich der Halter) zu erfassen sind, wobei dieser Bericht auf Anfrage auch nationalen Sicherheitsbehörden zur Verfügung zu stellen ist.

8.   Dokumentation — ein strukturierter Ansatz, der die Nachverfolgbarkeit aller einschlägigen Informationen gewährleistet

8.1.

Die Organisation muss über angemessene Verfahren verfügen, mit denen gewährleistet wird, dass alle einschlägigen Verfahren ordnungsgemäß dokumentiert werden.

8.2.

Die Organisation muss über angemessene Verfahren für Folgendes verfügen:

a)

regelmäßige Prüfung und Aktualisierung aller einschlägigen Unterlagen;

b)

für die Formatierung, Generierung, Verteilung und Kontrolle der Änderungen sämtlicher einschlägiger Unterlagen;

c)

Entgegennahme, Erfassung und Archivierung aller einschlägigen Unterlagen.

9.   Untervergabetätigkeiten — ein strukturierter Ansatz, der gewährleistet, dass untervergebene Tätigkeiten in geeigneter Weise verwaltet werden, so dass die Ziele der Organisation erreicht werden

9.1.

Die Organisation muss über Verfahren verfügen, mit denen gewährleistet wird, dass sicherheitsrelevante Produkte und Dienstleistungen ermittelt werden.

9.2.

Wird von Auftragnehmern und/oder Lieferanten für sicherheitsrelevante Produkte und Dienstleistungen Gebrauch gemacht, muss die Organisation über Verfahren verfügen, mit denen zum Zeitpunkt der Auswahl überprüft wird, dass

a)

Auftragnehmer, Unterauftragnehmer und Lieferanten kompetent sind;

b)

Auftragnehmer, Unterauftragnehmer und Lieferanten über ein Instandhaltungs- und Managementsystem verfügen, das angemessen und dokumentiert ist.

9.3.

Die Organisation muss über ein Verfahren zur Festlegung der Anforderungen verfügen, die diese Auftragnehmer und Lieferanten zu erfüllen haben.

9.4.

Die Organisation muss über Verfahren verfügen, um zu überwachen, dass Lieferanten und/oder Auftragnehmer sich der Risiken bewusst sind, die von ihnen für den Betrieb der Organisation ausgehen.

9.5.

Ist das Instandhaltungs-/Managementsystem eines Auftragnehmers oder Lieferanten zertifiziert, kann das Überwachungsverfahren nach Nummer 3 auf die Ergebnisse der untervergebenen Betriebstätigkeiten, die in Nummer 3.1 Buchstabe b genannt sind, beschränkt werden.

9.6.

Mindestens die Grundsätze der folgenden Prozesse müssen eindeutig festgelegt, bekannt gemacht und im Vertrag zwischen den Vertragsparteien zugewiesen werden:

a)

Verantwortlichkeiten und Aufgaben bezüglich Fragen der Eisenbahnsicherheit;

b)

Pflichten bezüglich der Übermittlung einschlägiger Informationen zwischen beiden Parteien;

c)

Nachverfolgbarkeit sicherheitsrelevanter Unterlagen.

II.   Anforderungen und Bewertungskriterien für die Instandhaltungsentwicklungsfunktion

1.   Die Organisation muss über ein Verfahren verfügen, um alle Instandhaltungstätigkeiten, die die Sicherheit und sicherheitskritische Komponenten betreffen, zu ermitteln und zu verwalten.

2.   Die Organisation muss über Verfahren verfügen, um die Konformität mit den grundlegenden Interoperabilitätsanforderungen, einschließlich Aktualisierungen während der Lebensdauer, zu gewährleisten durch

a)

Gewährleistung der Einhaltung der Spezifikationen bezüglich der Interoperabilitäts-Eckwerte, die in den einschlägigen technischen Spezifikationen für die Interoperabilität (TSI) angegeben sind;

b)

Überprüfung in allen Fällen, dass die Instandhaltungsunterlagen mit der Inbetriebnahmegenehmigung (einschließlich etwaiger Anforderungen der nationalen Sicherheitsbehörden), den Erklärungen der TSI-Konformität, den Überprüfungserklärungen und den technischen Unterlagen konsistent sind;

c)

Verwaltung etwaiger im Rahmen der Instandhaltung vorgenommener Ersetzungen in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Richtlinie 2008/57/EG und der einschlägigen TSI;

d)

Ermittlung der Notwendigkeit einer Risikobewertung hinsichtlich der möglichen Auswirkungen der betreffenden Ersetzung auf die Sicherheit des Eisenbahnsystems;

e)

Verwaltung der Konfiguration aller technischen Änderungen, die die Systemintegrität des Fahrzeugs betreffen.

3.   Die Organisation muss über ein Verfahren verfügen für Auslegung und Unterstützung bei der Durchführung von Instandhaltungseinrichtungen, Ausrüstungen und Werkzeugen, die für die Instandhaltungserbringung speziell entwickelt wurden und erforderlich sind. Die Organisation muss über ein Verfahren verfügen, mit dem geprüft wird, dass diese Einrichtungen, Ausrüstungen und Werkzeuge gemäß Instandhaltungsplan und in Übereinstimmung mit ihren Instandhaltungsanforderungen verwendet, gelagert und instand gehalten werden.

4.   Bei Inbetriebnahme von Güterwagen muss die Organisation über Verfahren verfügen

a)

zur Einholung der ursprünglichen Dokumentation und Sammlung ausreichender Informationen zum geplanten Betrieb;

b)

zur Auswertung der ursprünglichen Dokumentation und Bereitstellung der ersten Instandhaltungsakte, auch unter Berücksichtigung der in etwaigen damit zusammenhängenden Garantien enthaltenen Verpflichtungen;

c)

zur Gewährleistung, dass die Umsetzung der ersten Instandhaltungsakte korrekt erfolgt.

5.   Um die Instandhaltungsakte während der Lebensdauer eines Güterwagens auf dem aktuellen Stand zu halten, muss die Organisation über Verfahren verfügen

a)

zur Erfassung zumindest der einschlägigen Informationen bezüglich

i)

Art und Umfang des tatsächlich durchgeführten Betriebs, einschließlich betrieblicher Störungen, die die Sicherheitsintegrität der Güterwagen beeinträchtigen können;

ii)

Art und Umfang des geplanten Betriebs;

iii)

der tatsächlich durchgeführten Instandhaltung;

b)

zur Bestimmung der Notwendigkeit von Aktualisierungen unter Berücksichtigung der Grenzwerte für die Interoperabilität;

c)

zur Vorlage von Vorschlägen für Aktualisierungen und zur Genehmigung von Änderungen und deren Umsetzung im Hinblick auf eine Entscheidung auf der Grundlage eindeutiger Kriterien unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Risikobewertung;

d)

zur Gewährleistung, dass Änderungen korrekt umgesetzt werden.

6.   Bei der Anwendung des Kompetenzmanagementprozesses auf die Instandhaltungsentwicklungsfunktion müssen mindestens die folgenden die Sicherheit betreffenden Tätigkeiten berücksichtigt werden:

a)

Bewertung der Auswirkungen von Änderungen auf die Instandhaltungsakte und vorgeschlagene Ersetzungen im Verlauf der Instandhaltung;

b)

technische Disziplinen, die für die Verwaltung der Erstellung und der Änderungen der Instandhaltungsakte und für die Entwicklung, Zertifizierung, Validierung und Genehmigung von Ersetzungen im Verlauf der Instandhaltung erforderlich sind;

c)

Fügetechniken (einschließlich Schweißen und Kleben), Bremssysteme, Radsätze und Zugvorrichtungen, zerstörungsfreie Prüfverfahren und Instandhaltungstätigkeiten bei spezifischen Güterwagenkomponenten für den Transport gefährlicher Güter wie Tanks und Ventile.

7.   Bei Anwendung des Dokumentationsprozesses auf die Instandhaltungsentwicklungsfunktion muss mindestens die Nachverfolgbarkeit der folgenden Elemente gewährleistet werden:

a)

Unterlagen bezüglich der Entwicklung, Bewertung, Validierung und Genehmigung einer im Verlauf der Instandhaltung vorgenommenen Ersetzung;

b)

Fahrzeugkonfiguration, einschließlich aber nicht beschränkt auf sicherheitsrelevante Komponenten;

c)

Aufzeichnungen zur durchgeführten Instandhaltung;

d)

Ergebnisse von Untersuchungen über die Auswertung von Erfahrungen;

e)

alle aufeinander folgenden Fassungen der Instandhaltungsakte einschließlich der Risikobewertung;

f)

Berichte zur Kompetenz und Beaufsichtigung der Instandhaltungserbringung und des Fuhrpark-Instandhaltungsmanagements;

g)

technische Informationen, die zur Unterstützung der Halter, Eisenbahnunternehmen und Infrastrukturbetreiber bereitzustellen sind.

III.   Anforderungen und Bewertungskriterien für die Fuhrpark-Instandhaltungsmanagementfunktion

1.   Die Organisation muss über ein Verfahren zur Prüfung der Kompetenz, Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit der für die Instandhaltungserbringung verantwortlichen Stelle verfügen, bevor Instandhaltungsaufträge erteilt werden. Dies erfordert eine ordnungsgemäße Qualifikation der Ausbesserungswerkstätten, über die Anforderungen hinsichtlich der technischen Kompetenzen in der Instandhaltungserbringungsfunktion zu entscheiden.

2.   Die Organisation muss über ein Verfahren für die Zusammensetzung des Arbeitspakets und die Erteilung und Freigabe des Instandhaltungsauftrags verfügen.

3.   Die Organisation muss über ein Verfahren verfügen, Güterwagen rechtzeitig zur Instandhaltung zu schicken.

4.   Die Organisation muss über ein Verfahren verfügen, die Aussetzung von Güterwagen aus dem Betrieb für die Instandhaltung oder bei Feststellung von Defekten zu verwalten.

5.   Die Organisation muss über ein Verfahren verfügen, die notwendigen Kontrollmaßnahmen bezüglich der erbrachten Instandhaltung und der Betriebsfreigabe der Güterwagen festzulegen.

6.   Die Organisation muss über ein Verfahren für die Ausstellung der Wiederinbetriebnahmebescheinigung unter Berücksichtigung der Betriebsfreigabeunterlagen verfügen.

7.   Bei Anwendung des Kompetenzmanagementprozesses auf die Fuhrpark-Instandhaltungsmanagementfunktion muss mindestens die Wiederinbetriebnahme berücksichtigt werden.

8.   Bei Anwendung des Informationsprozesses auf die Fuhrpark-Instandhaltungsmanagementfunktion müssen mindestens die folgenden Elemente für die Instandhaltungserbringungsfunktion bereitgestellt werden:

a)

anwendbare Vorschriften und technische Spezifikationen;

b)

der Instandhaltungsplan für jeden Güterwagen;

c)

eine Liste der Ersatzteile, einschließlich einer ausreichend detaillierten technischen Beschreibung aller Teile, um einen gleichartigen Ersatz mit derselben Garantie zu ermöglichen;

d)

eine Liste der Materialien, einschließlich einer ausreichend detaillierten Beschreibung ihrer Verwendung und der erforderlichen Arbeitssicherheits- und Gesundheitsschutzinformationen;

e)

eine Akte mit Festlegungen der Spezifikation für Tätigkeiten, die die Sicherheit betreffen, und mit Angaben zu Interventionen und Nutzungseinschränkungen für Komponenten;

f)

eine Liste der Komponenten oder Systeme, die rechtlichen Anforderungen unterliegen, und eine Liste dieser Anforderungen (einschließlich Bremsflüssigkeitsbehälter und Tanks für den Transport gefährlicher Güter);

g)

alle zusätzlichen einschlägigen Informationen mit Sicherheitsbezug gemäß der von der Organisation durchgeführten Risikobewertung.

9.   Bei Anwendung des Informationsprozesses auf die Fuhrpark-Instandhaltungsmanagementfunktion muss den Beteiligten mindestens die Wiederinbetriebnahme einschließlich für die Nutzer (Eisenbahnunternehmen und Infrastrukturbetreiber) relevanter Nutzungsbeschränkungen mitgeteilt werden.

10.   Bei Anwendung des Dokumentationsprozesses auf die Fuhrpark-Instandhaltungsmanagementfunktion müssen mindestens die folgenden Elemente aufgezeichnet werden:

a)

Instandhaltungsaufträge;

b)

Wiederinbetriebnahme einschließlich für Eisenbahnunternehmen und Infrastrukturbetreiber relevanter Nutzungsbeschränkungen.

IV.   Anforderungen und Bewertungskriterien für die Instandhaltungserbringungsfunktion

1.   Die Organisation muss über Verfahren für Folgendes verfügen:

a)

Prüfung der Vollständigkeit und Angemessenheit der Informationen, die von der Fuhrpark-Instandhaltungsmanagementfunktion bezüglich der in Auftrag gegebenen Tätigkeiten geliefert werden;

b)

Kontrolle der Nutzung der vorgeschriebenen einschlägigen Instandhaltungsunterlagen und anderer Standards, die für die Erbringung der Instandhaltungsdienstleistungen gemäß den Instandhaltungsaufträgen anzuwenden sind;

c)

Gewährleistung, dass alle einschlägigen Instandhaltungsspezifikationen in den Instandhaltungsaufträgen dem gesamten beteiligten Personal zugänglich sind (z. B. als Bestandteil der internen Arbeitsanweisungen);

d)

Gewährleistung, dass alle einschlägigen Instandhaltungsspezifikationen gemäß den anwendbaren Vorschriften und spezifizierten Standards, die in den Instandhaltungsaufträgen angegeben sind, dem gesamten beteiligten Personal zugänglich sind (z. B. als Bestandteil der internen Arbeitsanweisungen);

2.   Die Organisation muss über Verfahren verfügen, die Folgendes gewährleisten:

a)

Komponenten (einschließlich Ersatzteile) und Materialien werden gemäß den Instandhaltungsaufträgen und Unterlagen der Lieferanten verwendet;

b)

Komponenten und Materialien werden so gelagert, gehandhabt und transportiert, dass Verschleiß und Schäden vermieden werden, und wie in den Instandhaltungsaufträgen und Unterlagen der Lieferanten angegeben;

c)

alle Komponenten und Materialien, einschließlich der vom Kunden bereitgestellten, erfüllen die einschlägigen nationalen und internationalen Vorschriften sowie die Anforderungen der einschlägigen Instandhaltungsaufträge.

3.   Die Organisation muss für die Ermittlung, Identifikation, Bereitstellung, Dokumentation und Verfügbarerhaltung geeigneter und angemessener Einrichtungen, Ausrüstungen und Werkzeuge, die ihr die Erbringung der Instandhaltungsdienstleistungen gemäß den Instandhaltungsaufträgen und anderen anwendbaren Spezifikationen ermöglichen, über Verfahren verfügen, die Folgendes gewährleisten:

a)

die sichere Erbringung der Instandhaltung, einschließlich der Gewährleistung der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes des Instandhaltungspersonals,

b)

Ergonomie und Gesundheitsschutz, einschließlich der Schnittstellen zwischen Nutzern und informationstechnischen Systemen oder Diagnoseausrüstungen.

4.   Wo dies zur Gewährleistung der Gültigkeit von Ergebnissen erforderlich ist, muss die Organisation über Verfahren verfügen, die gewährleisten, dass ihre Messausrüstung

a)

in bestimmten Abständen oder vor der Verwendung gemäß internationalen, nationalen oder branchenbezogenen Messnormen kalibriert oder verifiziert wird; bestehen keine entsprechenden Normen, muss die für die Kalibrierung oder Verifizierung verwendete Grundlage verzeichnet werden;

b)

gegebenenfalls justiert oder neu justiert wird;

c)

mit ihrer Identifikation aufgeführt wird, um den Kalibrierstatus feststellen zu können;

d)

vor Justierungen geschützt wird, die zu einem ungültigen Messergebnis führen würden;

e)

bei Handhabung, Instandhaltung und Lagerung vor Beschädigung und Verschlechterung geschützt wird.

5.   Die Organisation muss über Verfahren verfügen, die gewährleisten, dass alle Einrichtungen, Ausrüstungen und Werkzeuge in Übereinstimmung mit dokumentierten Verfahren ordnungsgemäß verwendet, kalibriert, erhalten und instand gehalten werden.

6.   Die Organisation muss über Verfahren verfügen für die Prüfung, dass die durchgeführten Instandhaltungsarbeiten den Instandhaltungsaufträgen entsprechen, und für die Ausstellung der Betriebsfreigabebescheinigung mit etwaigen Nutzungseinschränkungen.

7.   Bei der Anwendung des Risikobewertungsprozesses (insbesondere Abschnitt I Nummer 2.4) auf die Instandhaltungserbringungsfunktion umfasst die Arbeitsumgebung nicht nur die Werkstätten, in denen die Instandhaltung vorgenommen wird, sondern auch die Gleise außerhalb der Werkstattgebäude und alle Orte, an denen Instandhaltungstätigkeiten durchgeführt werden.

8.   Bei der Anwendung des Kompetenzmanagementprozesses auf die Instandhaltungserbringungsfunktion müssen mindestens die folgenden die Sicherheit betreffenden Tätigkeiten berücksichtigt werden:

a)

Fügetechniken (einschließlich Schweißen und Kleben);

b)

zerstörungsfreie Prüfung;

c)

abschließende Fahrzeugprüfung und Betriebsfreigabe;

d)

Instandhaltungstätigkeiten an Bremssystemen, Radsätzen und Zugvorrichtungen und Instandhaltungstätigkeiten bei spezifischen Güterwagenkomponenten für den Transport gefährlicher Güter wie Tanks und Ventile;

e)

sonstige angegebene sicherheitsrelevante Sonderbereiche.

9.   Bei Anwendung des Informationsprozesses auf die Instandhaltungserbringungsfunktion müssen mindestens die folgenden Elemente für die Fuhrpark-Instandhaltungsmanagement- und Instandhaltungsentwicklungsfunktion bereitgestellt werden:

a)

gemäß Instandhaltungsaufträgen durchgeführte Arbeiten;

b)

mögliche Fehler oder Mängel bezüglich der Sicherheit, die von der Organisation festgestellt wurden;

c)

Betriebsfreigabe.

10.   Bei Anwendung des Dokumentationsprozesses auf die Instandhaltungserbringungsfunktion müssen mindestens die folgenden Elemente aufgezeichnet werden:

a)

eindeutige Angabe aller Einrichtungen, Ausrüstungen und Werkzeuge, die mit sicherheitsrelevanten Aktivitäten zusammenhängen;

b)

alle durchgeführten Instandhaltungsarbeiten, einschließlich des eingesetzten Personals und der verwendeten Werkzeuge, Ausrüstungen, Ersatzteile und Materialien und unter Berücksichtigung

i)

der einschlägigen nationalen Bestimmungen des Niederlassungslandes der Organisation;

ii)

der Anforderungen in den Instandhaltungsaufträgen, einschließlich der Anforderungen bezüglich Aufzeichnungen;

iii)

der abschließenden Prüfung und Entscheidung über die Betriebsfreigabe;

c)

die Kontrollmaßnahmen gemäß Anforderungen der Instandhaltungsaufträge und der Betriebsfreigabe;

d)

die Ergebnisse der Kalibrierung und Verifizierung, wobei bei Verwendung von Computersoftware zur Überwachung und Messung bestimmter Anforderungen die Eignung der Software für den beabsichtigten Einsatz vor Erstverwendung bestätigt sein und nötigenfalls erneut bestätigt werden muss;

e)

die Gültigkeit vorheriger Messergebnisse, falls festgestellt wird, dass ein Messinstrument nicht den Anforderungen entspricht.


(1)  ABl. L 108 vom 29.4.2009, S. 4.

(2)  ABl. L 183 vom 29.6.1989, S. 1.


ANHANG IV

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ANHANG V

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ANHANG VI

„ANHANG I

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11.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 122/47


VERORDNUNG (EU) Nr. 446/2011 DER KOMMISSION

vom 10. Mai 2011

zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Fettalkohole und ihrer Gemische mit Ursprung in Indien, Indonesien und Malaysia

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 des Rates vom 30. November 2009 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (1) („Grundverordnung“), insbesondere auf Artikel 7,

nach Anhörung des Beratenden Ausschusses,

in Erwägung nachstehender Gründe:

1   VERFAHREN

1.1   Einleitung

(1)

Am 13. August 2010 kündigte die Europäische Kommission („Kommission“) mit einer Bekanntmachung („Einleitungsbekanntmachung“) im Amtsblatt der Europäischen Union  (2) die Einleitung eines Antidumpingverfahrens betreffend die Einfuhren bestimmter Fettalkohole und ihrer Gemische („untersuchte Ware“) mit Ursprung in Indien, Indonesien und Malaysia („betroffene Länder“) in die Union an.

(2)

Das Antidumpingverfahren wurde am 30. Juni 2010 auf Antrag zweier Unionshersteller, Cognis GmbH und Sasol Olefins & Surfactants GmbH („Antragsteller“), eingeleitet. Beide Unternehmen sind nach deutschem Recht gegründet und verfügen über Produktionsstätten in Deutschland, Frankreich und Italien. Auf die beiden Unternehmen entfällt ein erheblicher Teil, in diesem Fall mehr als 25 %, der gesamten Produktion der untersuchten Ware in der Union. Der Antrag enthielt Anscheinsbeweise für das Vorliegen von Dumping bei der erwähnten Ware mit Ursprung in den betroffenen Ländern und für eine dadurch verursachte bedeutende Schädigung, die als ausreichend für eine Verfahrenseinleitung angesehen wurden.

1.2   Von dem Verfahren betroffene Parteien

(3)

Die Kommission unterrichtete die Antragsteller, andere ihr bekannte Unionshersteller, die bekanntermaßen betroffenen Einführer/Händler und Verwender, die bekannten ausführenden Hersteller und die Vertreter der betroffenen Ausfuhrländer offiziell über die Einleitung des Verfahrens. Die interessierten Parteien erhielten Gelegenheit, innerhalb der in der Einleitungsbekanntmachung gesetzten Frist ihren Standpunkt schriftlich darzulegen und eine Anhörung zu beantragen.

(4)

Alle interessierten Parteien, die einen entsprechenden Antrag stellten und nachwiesen, dass besondere Gründe für ihre Anhörung sprachen, wurden gehört.

(5)

Angesichts der sich aus dem Antrag ergebenden großen Zahl von Einführern wurde in der Einleitungsbekanntmachung ein Stichprobenverfahren nach Artikel 17 Absatz 1 der Grundverordnung für die Einführer ins Auge gefasst. Innerhalb der in der Einleitungsbekanntmachung gesetzten Frist legten vier Einführer die geforderten Informationen vor und erklärten sich mit der Einbeziehung in die Stichprobe einverstanden. Da sich nur so wenige Einführer meldeten, wurde entschieden, keine Stichprobe zu bilden.

(6)

Die Kommission sandte Fragebogen an die ausführenden Hersteller, die Unionshersteller und Einführer, an alle bekanntermaßen betroffenen Verwender und Lieferanten sowie an alle anderen Parteien, die innerhalb der in der Einleitungsbekanntmachung festgesetzten Fristen darum gebeten hatten.

(7)

Auf die Fragebogen gingen Antworten ein von fünf Unionsherstellern, zwei Einführern, 21 Verwendern innerhalb der Union, zwei ausführenden Herstellern in Indien, zwei ausführenden Herstellern in Indonesien und deren verbundenen Händlern sowie von drei ausführenden Herstellern in Malaysia und deren verbundenen Händlern.

(8)

Die Kommission holte alle Informationen ein, die sie für die vorläufige Ermittlung von Dumping, daraus resultierender Schädigung und dem Unionsinteresse benötigte, und prüfte sie. In den Betrieben der folgenden Unternehmen wurden Kontrollbesuche durchgeführt:

a)

Hersteller in der Union:

Cognis GmbH, Deutschland

Cognis France S.A.S., Frankreich

Sasol Olefins & Surfactants GmbH, Deutschland

b)

Einführer in der Union:

Oleo solutions Ltd, Vereinigtes Königreich

c)

Verwender in der Union:

Henkel AG & Co., Deutschland

PCC Rokita SA, Polen

Procter & Gamble International Operations SA, Schweiz

Unilever, Niederlande

Zshimmer & Schwarz italiana SpA, Italien

d)

Ausführende Hersteller in Indien:

Godrej Industries Limited, Mumbai und Taluka Valia

VVF Limited, Mumbai

e)

Ausführende Hersteller in Indonesien:

P.T. Ecogreen Oleochemicals und seine verbundenen Unternehmen, Batam, Singapur, Dessau

P.T. Musim Mas und seine verbundenen Unternehmen, Medan, Singapur, Hamburg

f)

Ausführende Hersteller in Malaysia:

Fatty Chemical Malaysia Sdn. Bhd. und seine verbundenen Unternehmen, Prai, Emmerich

KL-Kepong Oleomas Sdn. Bhd. und sein verbundenes Unternehmen, Petaling Jaya, Hamburg

Emery Oleochemicals Sdn. Bhd., Telok Panglima Garang

1.3   Untersuchungszeitraum

(9)

Die Untersuchung von Dumping und Schädigung betraf den Zeitraum vom 1. Juli 2009 bis zum 30. Juni 2010 („Untersuchungszeitraum“ oder „UZ“). Die Untersuchung der für die Schadensanalyse relevanten Entwicklungen betraf den Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum Ende des Untersuchungszeitraums („Bezugszeitraum“).

2   BETROFFENE WARE UND GLEICHARTIGE WARE

2.1   Betroffene Ware

(10)

Bei der betroffenen Ware handelt es sich um gesättigte Fettalkohole der C-Kettenlängen C8, C10, C12, C14, C16 und C18 (ohne verzweigte Isomere), einschließlich gesättigter Fettalkohole einer Fraktion (auch als „Einzelfraktionen“ oder „single cuts“ bezeichnet), sowie Fettalkoholgemische überwiegend der C-Kettenlängenbereiche C6-C8, C6-C10, C8-C10, C10-C12 (gewöhnlich als C8-C10 kategorisiert), Fettalkoholgemische überwiegend der C-Kettenlängenbereiche C12-C14, C12-C16, C12-C18, C14-C16 (gewöhnlich als C12-C14 kategorisiert) und Fettalkoholgemische überwiegend des C-Kettenlängenbereichs C16-C18 mit Ursprung in Indien, Indonesien und Malaysia („betroffene Ware“), die derzeit unter den KN-Codes ex 2905 16 85, 2905 17 00, ex 2905 19 00 und ex 3823 70 00 eingereiht werden.

(11)

Bei der untersuchten Ware handelt es sich um ein Zwischenprodukt, das aus natürlichen Grundstoffen (der Fettverarbeitungsindustrie) oder synthetischen Grundstoffen (der Petrochemie) hergestellt wird, z. B. aus natürlichen Fetten und Ölen, Rohöl, Erdgas, Flüssigerdgas und Kohle. Die untersuchte Ware geht vor allem in die Produktion von Fettalkoholsulfaten, Fettalkoholethoxylaten und Fettalkoholethersulfaten (sogenannte Surfactants) ein. Surfactants werden zur Erzeugung von Waschmitteln, Haushaltsprodukten, Reinigungs- und Körperpflegemitteln verwendet.

2.2   Gleichartige Ware

(12)

Die aus Indien, Indonesien und Malaysia in die Union ausgeführte Ware und die in diesen Ländern hergestellte und im Inland verkaufte Ware sowie die von den Unionsherstellern in der Union hergestellte und dort verkaufte Ware zeichnen sich durch dieselben grundlegenden materiellen und technischen Eigenschaften und Verwendungszwecke aus. Daher werden sie vorläufig als gleichartig im Sinne des Artikels 1 Absatz 4 der Grundverordnung angesehen.

(13)

Während der Untersuchung machten bestimmte Parteien geltend, dass einer der Antragsteller in einer seiner Produktionsstätten eine Ware herstelle, die verzweigte Isomere enthalte und nicht von der Warendefinition abgedeckt sei; diese Produktion dürfe daher nicht als gleichartige Ware angesehen werden. Es wird vorläufig festgelegt, dass dieses Vorbringen gerechtfertigt ist; die sich auf diesen Hersteller beziehenden Daten wurden deshalb in der Schadensanalyse nicht verwendet. Anzumerken ist, dass zwei weitere Unternehmen, von denen eines bei der Untersuchung mitgearbeitet hat, aus demselben Grund aus der Definition des Wirtschaftszweigs der Union ausgenommen wurden.

3   DUMPING

3.1   Indien

3.1.1   Normalwert

(14)

Zur Bestimmung des Normalwerts wurde bei jedem ausführenden Hersteller zunächst geprüft, ob seine gesamten Inlandsverkäufe der gleichartigen Ware an unabhängige Abnehmer, gemessen an seinen gesamten Ausfuhrverkäufen in die Union, repräsentativ waren. Von einer solchen Repräsentativität wird nach Artikel 2 Absatz 2 der Grundverordnung ausgegangen, wenn die insgesamt auf dem Inlandsmarkt verkaufte Menge mindestens 5 % der gesamten in die Union verkauften Menge der betroffenen Ware ausmacht. Es wurde festgestellt, dass die von den einzelnen ausführenden Herstellern getätigten Gesamtverkäufe der gleichartigen Ware auf dem Inlandsmarkt repräsentativ waren.

(15)

Anschließend wurde für die einzelnen Warentypen, die ein ausführender Hersteller auf seinem Inlandsmarkt verkaufte und die mit den zur Ausfuhr in die Union verkauften Typen direkt vergleichbar waren, geprüft, ob die Inlandsverkäufe ausreichend repräsentativ im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 der Grundverordnung waren. Die Inlandsverkäufe eines Warentyps wurden als hinreichend repräsentativ betrachtet, wenn die im UZ von dem betroffenen ausführenden Hersteller an unabhängige Abnehmer auf dem Inlandsmarkt verkaufte Gesamtmenge dieses Warentyps mindestens 5 % der von diesem Hersteller insgesamt zur Ausfuhr in die Union verkauften Menge des vergleichbaren Warentyps entsprach.

(16)

Ferner wurde geprüft, ob die Inlandsverkäufe der einzelnen Warentypen als Geschäfte im normalen Handelsverkehr im Sinne des Artikels 2 Absatz 4 der Grundverordnung angesehen werden konnten. Hierfür wurde für jeden ausgeführten Typ der betroffenen Ware der Anteil der gewinnbringenden Verkäufe an unabhängige Abnehmer auf dem Inlandsmarkt im UZ ermittelt.

(17)

Für diejenigen Warentypen, bei denen mehr als 80 % der auf dem Inlandsmarkt abgesetzten Menge über den Stückkosten verkauft wurden und bei denen der gewogene durchschnittliche Verkaufspreis mindestens den Produktionsstückkosten entsprach, wurde der Normalwert je Warentyp als gewogener Durchschnitt der tatsächlichen Preise aller Inlandsverkäufe dieses Warentyps ermittelt, unabhängig davon, ob diese Verkäufe gewinnbringend waren oder nicht.

(18)

Wenn das Volumen der gewinnbringenden Verkäufe eines Warentyps 80 % oder weniger des gesamten Verkaufsvolumens dieses Typs ausmachte oder wenn der gewogene Durchschnittspreis des betreffenden Warentyps unter den Produktionsstückkosten lag, wurde dem Normalwert der tatsächliche Inlandspreis zugrunde gelegt, der als gewogener Durchschnitt ausschließlich der gewinnbringenden Inlandsverkäufe dieses Warentyps im UZ ermittelt wurde.

3.1.2   Ausfuhrpreis

(19)

Die Ausfuhrverkäufe der betroffenen Ware beider ausführenden Hersteller in Indien gingen direkt an unabhängige Abnehmer in der Union. Die Ausfuhrpreise wurden daher nach Artikel 2 Absatz 8 der Grundverordnung anhand der von diesen unabhängigen Abnehmern für die betroffene Ware tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preise ermittelt.

3.1.3   Vergleich

(20)

Der Normalwert und der Ausfuhrpreis der ausführenden Hersteller wurden auf der Stufe ab Werk miteinander verglichen.

(21)

Im Interesse eines gerechten Vergleichs zwischen Normalwert und Ausfuhrpreis wurden nach Artikel 2 Absatz 10 der Grundverordnung für Unterschiede, die die Preise und ihre Vergleichbarkeit beeinflussten, gebührende Berichtigungen vorgenommen. Auf dieser Grundlage wurden, soweit erforderlich und gerechtfertigt, Berichtigungen für Unterschiede bei indirekten Steuern, Transport-, Versicherungs-, Bereitstellungs-, Verlade- und Nebenkosten, Verpackungskosten, Kreditkosten und Provisionen vorgenommen.

(22)

Beide ausführenden Hersteller verlangten, dass ihre während des UZ an einen der Antragsteller in der Union getätigten Verkäufe bei der Berechnung der Dumpingspanne unberücksichtigt bleiben sollten, da diese Verkäufe in erheblichen Mengen und zu hart verhandelten Preisen erfolgt seien. Es besteht jedoch kein rechtlicher Grund, warum derartige Ausfuhren der betroffenen Ware bei der Dumpingberechnung unberücksichtigt bleiben sollten. Die Anträge der beiden ausführenden Hersteller werden daher zurückgewiesen.

(23)

Beide ausführenden Hersteller beantragten eine Berichtigung für die Währungsumrechnung unter Verweis auf eine nachhaltige Aufwertung der indischen Rupie (INR) gegenüber dem Euro (EUR) ab November 2009, die die Dumpingberechnungen verzerren würde. Das Vorbringen bezog sich auf ab Januar 2010 in Euro erfolgte Verkäufe und bestand in der Forderung, dass bei der Umrechnung des Werts dieser Verkäufe in INR der Wechselkurs des Monats, in dem die Verkäufe getätigt wurden, durch den zwei Monate zuvor geltenden Wechselkurs ersetzt werden solle. In Artikel 2 Absatz 10 Buchstabe j ist in der Tat unter bestimmten Umständen eine Berichtigung für Währungsumrechungen vorgesehen. Festzuhalten ist jedoch, dass die Aufwertung der INR erst in der zweiten Hälfte des UZ erfolgte. Weiter ist anzumerken, dass beide indischen Unternehmen in diesem Zeitraum ihre Preise gegenüber ihren Hauptabnehmern in der Union gemäß einem recht regelmäßigen Muster mehrfach erhöhten und dass die in der Union von den Antragstellern geforderten Preise in der zweiten Hälfte des UZ ebenfalls kontinuierlich stiegen. Daher gibt es keine eindeutigen Belege dafür, dass sich die Aufwertung der INR nicht rechtzeitig in den Preisen niederschlug, die die indischen ausführenden Hersteller ihren Abnehmern in der EU berechneten, oder dass sie sich bei den Dumpingberechnungen über Gebühr nachteilig auswirkte. Die Vorbringen beider Unternehmen wurden deshalb abgewiesen.

3.1.4   Dumpingspanne

(24)

Die Dumpingspannen wurden nach Artikel 2 Absätze 11 und 12 der Grundverordnung für die kooperierenden indischen ausführenden Hersteller anhand eines Vergleichs des gewogenen durchschnittlichen Normalwerts mit dem gewogenen durchschnittlichen Ausfuhrpreis ermittelt.

(25)

Laut den verfügbaren Informationen aus dem Antrag und den Angaben der kooperierenden indischen ausführenden Hersteller sowie unter Berücksichtigung der verfügbaren statistischen Daten gibt es in Indien keinen anderen Hersteller der betroffenen Ware. Daher wurde die für Indien festzulegende landesweite Dumpingspanne auf derselben Höhe angesetzt wie die höchste für einen kooperierenden ausführenden Hersteller ermittelte Spanne.

(26)

Die auf dieser Grundlage ermittelten vorläufigen Dumpingspannen, ausgedrückt als Prozentsatz des cif-Preises frei Grenze der Union, unverzollt, betragen:

Unternehmen

Vorläufige Dumpingspanne

Godrej Industries Limited

9,3 %

VVF Limited

4,8 %

Alle übrigen Unternehmen

9,3 %

3.2   Indonesien

3.2.1   Normalwert

(27)

Zur Bestimmung des Normalwerts wurde bei jedem ausführenden Hersteller zunächst geprüft, ob seine gesamten Inlandsverkäufe der gleichartigen Ware an unabhängige Abnehmer, gemessen an seinen gesamten Ausfuhrverkäufen in die Union, repräsentativ waren. Von einer solchen Repräsentativität wird nach Artikel 2 Absatz 2 der Grundverordnung ausgegangen, wenn die insgesamt auf dem Inlandsmarkt verkaufte Menge mindestens 5 % der gesamten in die Union verkauften Menge der betroffenen Ware ausmacht. Es wurde festgestellt, dass die von den einzelnen ausführenden Herstellern getätigten Gesamtverkäufe der gleichartigen Ware auf dem Inlandsmarkt repräsentativ waren.

(28)

Anschließend wurde für die einzelnen Warentypen, die ein ausführender Hersteller auf seinem Inlandsmarkt verkaufte und die mit den zur Ausfuhr in die Union verkauften Typen direkt vergleichbar waren, geprüft, ob die Inlandsverkäufe ausreichend repräsentativ im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 der Grundverordnung waren. Die Inlandsverkäufe eines Warentyps wurden als hinreichend repräsentativ betrachtet, wenn die im UZ von dem betroffenen ausführenden Hersteller an unabhängige Abnehmer auf dem Inlandsmarkt verkaufte Gesamtmenge dieses Warentyps mindestens 5 % der von diesem Hersteller insgesamt zur Ausfuhr in die Union verkauften Menge des vergleichbaren Warentyps entsprach.

(29)

Ferner wurde geprüft, ob die Inlandsverkäufe der einzelnen Warentypen als Geschäfte im normalen Handelsverkehr im Sinne des Artikels 2 Absatz 4 der Grundverordnung angesehen werden konnten. Hierfür wurde für jeden ausgeführten Typ der betroffenen Ware der Anteil der gewinnbringenden Verkäufe an unabhängige Abnehmer auf dem Inlandsmarkt im UZ ermittelt.

(30)

Für diejenigen Warentypen, bei denen mehr als 80 % der auf dem Inlandsmarkt abgesetzten Menge über den Stückkosten verkauft wurden und bei denen der gewogene durchschnittliche Verkaufspreis mindestens den Produktionsstückkosten entsprach, wurde der Normalwert je Warentyp als gewogener Durchschnitt der tatsächlichen Preise aller Inlandsverkäufe dieses Warentyps ermittelt, unabhängig davon, ob diese Verkäufe gewinnbringend waren oder nicht.

(31)

Wenn das Volumen der gewinnbringenden Verkäufe eines Warentyps 80 % oder weniger des gesamten Verkaufsvolumens dieses Typs ausmachte oder wenn der gewogene Durchschnittspreis des betreffenden Warentyps unter den Produktionsstückkosten lag, wurde dem Normalwert der tatsächliche Inlandspreis zugrunde gelegt, der als gewogener Durchschnitt ausschließlich der gewinnbringenden Inlandsverkäufe dieses Warentyps im UZ ermittelt wurde.

(32)

Soweit ein ausführender Hersteller einen bestimmten Warentyp nicht im Inland verkaufte, wurde der Normalwert nach Artikel 2 Absatz 3 der Grundverordnung ermittelt.

(33)

Bei der Ermittlung des Normalwertes nach Artikel 2 Absatz 3 der Grundverordnung wurden die Beträge für Vertriebs-, Verwaltungs- und Gemeinkosten sowie für Gewinne gemäß dem Einleitungssatz von Artikel 2 Absatz 6 der Grundverordnung anhand der Zahlen festgesetzt, die der ausführende Hersteller bei der Produktion und dem Verkauf der gleichartigen Ware im normalen Handelsverkehr tatsächlich verzeichnete.

3.2.2   Ausfuhrpreis

(34)

Die Ausfuhrverkäufe der ausführenden Hersteller in die Union erfolgten entweder direkt an unabhängige Abnehmer oder über verbundene Handelsgesellschaften mit Sitz in Singapur und in der Union.

(35)

Im Falle direkter Ausfuhrverkäufe an unabhängige Abnehmer in der Union oder über verbundene Handelsgesellschaften mit Sitz in Singapur wurden die Ausfuhrpreise gemäß Artikel 2 Absatz 8 der Grundverordnung anhand der für die betroffene Ware tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preise ermittelt.

(36)

Im Falle von Ausfuhrverkäufen in die Union über verbundene Handelsgesellschaften mit Sitz in der Union wurden die Ausfuhrpreise gemäß Artikel 2 Absatz 9 der Grundverordnung anhand des Weiterverkaufspreises ermittelt, den diese verbundenen Händler dem ersten unabhängigen Abnehmer in der Union in Rechnung stellten.

3.2.3   Vergleich

(37)

Der Normalwert und der Ausfuhrpreis der ausführenden Hersteller wurden auf der Stufe ab Werk miteinander verglichen.

(38)

Im Interesse eines gerechten Vergleichs zwischen Normalwert und Ausfuhrpreis wurden nach Artikel 2 Absatz 10 der Grundverordnung für Unterschiede, die die Preise und ihre Vergleichbarkeit beeinflussten, gebührende Berichtigungen vorgenommen. Auf dieser Grundlage wurden, soweit erforderlich und gerechtfertigt, Berichtigungen für Unterschiede bei indirekten Steuern, Transport-, Versicherungs-, Bereitstellungs-, Verlade- und Nebenkosten, Verpackungskosten, Kreditkosten und Provisionen vorgenommen.

(39)

Ein Unternehmen forderte eine Berichtigung für Unterschiede bei den materiellen Eigenschaften mit der Begründung, es exportiere die untersuchte Ware sowohl in flüssiger als auch in fester Form in die EU, verkaufe sie auf dem Inlandsmarkt jedoch nur in fester Form, und die Preise für die untersuchte Ware in flüssiger Form seien niedriger als die für die feste Form. Das Unternehmen machte jedoch keine Angaben zum Umfang einer solchen Berichtigung. Auf der Grundlage eines bloßen Vergleichs von Ausfuhrpreisen für die untersuchte Ware in fester und flüssiger Form kann eine Berichtigung für Unterschiede bei den materiellen Eigenschaften nicht vorgenommen werden. Darüber hinaus gestattet das Buchführungssystem des Unternehmens keine ordnungsgemäße Trennung der Kostenunterschiede zwischen der festen und der flüssigen Ware. Somit gab es keine zuverlässige Methode zur Berechnung einer möglichen Berichtigung und das Vorbringen musste zurückgewiesen werden.

(40)

Die Antragsteller machten geltend, die Energiekosten in Indonesien seien aufgrund äußerst günstiger, subventionierter Energiepreise verzerrt. Sie legten jedoch keinerlei stichhaltige Informationen zu der Frage vor, wie diese Verzerrung der für die Inlands- und die Ausfuhrproduktion aufgewandten Energiekosten die Dumpingberechnung beeinflussen würde. Das Vorbringen wurde daher zurückgewiesen.

3.2.4   Dumpingspanne

(41)

Die Dumpingspannen wurden nach Artikel 2 Absätze 11 und 12 der Grundverordnung für die kooperierenden indonesischen ausführenden Hersteller anhand eines Vergleichs des gewogenen durchschnittlichen Normalwerts mit dem gewogenen durchschnittlichen Ausfuhrpreis ermittelt.

(42)

Laut den verfügbaren Informationen aus dem Antrag und den Angaben der kooperierenden indonesischen ausführenden Hersteller sowie unter Berücksichtigung der verfügbaren statistischen Daten gibt es in Indonesien keinen anderen Hersteller der betroffenen Ware. Daher wurde die für Indonesien festzulegende landesweite Dumpingspanne auf derselben Höhe angesetzt wie die höchste für einen kooperierenden ausführenden Hersteller ermittelte Spanne.

(43)

Die auf dieser Grundlage ermittelten vorläufigen Dumpingspannen, ausgedrückt als Prozentsatz des cif-Preises frei Grenze der Union, unverzollt, betragen:

Unternehmen

Vorläufige Dumpingspanne

P.T. Ecogreen Oleochemicals

6,3 %

P.T. Musim Mas

7,6 %

Alle übrigen Unternehmen

7,6 %

3.3   Malaysia

3.3.1   Normalwert

(44)

Zur Bestimmung des Normalwerts wurde bei jedem ausführenden Hersteller zunächst geprüft, ob seine gesamten Inlandsverkäufe der gleichartigen Ware an unabhängige Abnehmer, gemessen an seinen gesamten Ausfuhrverkäufen in die Union, repräsentativ waren. Von einer solchen Repräsentativität wird nach Artikel 2 Absatz 2 der Grundverordnung ausgegangen, wenn die insgesamt auf dem Inlandsmarkt verkaufte Menge mindestens 5 % der gesamten in die Union verkauften Menge der betroffenen Ware ausmacht. Es wurde festgestellt, dass die von zweien der kooperierenden ausführenden Hersteller getätigten Gesamtverkäufe der gleichartigen Ware auf dem Inlandsmarkt repräsentativ waren. Bezüglich der übrigen kooperierenden ausführenden Hersteller wurden keine Verkäufe an unabhängige Abnehmer auf dem Inlandsmarkt im UZ ermittelt.

(45)

Anschließend wurde für die einzelnen Warentypen, die ein ausführender Hersteller auf seinem Inlandsmarkt verkaufte und die mit den zur Ausfuhr in die Union verkauften Typen direkt vergleichbar waren, geprüft, ob die Inlandsverkäufe ausreichend repräsentativ im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 der Grundverordnung waren. Die Inlandsverkäufe eines Warentyps wurden als hinreichend repräsentativ betrachtet, wenn die im UZ von dem betroffenen ausführenden Hersteller an unabhängige Abnehmer auf dem Inlandsmarkt verkaufte Gesamtmenge dieses Warentyps mindestens 5 % der von diesem Hersteller insgesamt zur Ausfuhr in die Union verkauften Menge des vergleichbaren Warentyps entsprach.

(46)

Ferner wurde geprüft, ob die Inlandsverkäufe der einzelnen Warentypen als Geschäfte im normalen Handelsverkehr im Sinne des Artikels 2 Absatz 4 der Grundverordnung angesehen werden konnten. Hierfür wurde für jeden ausgeführten Typ der betroffenen Ware der Anteil der gewinnbringenden Verkäufe an unabhängige Abnehmer auf dem Inlandsmarkt im UZ ermittelt.

(47)

Für diejenigen Warentypen, bei denen mehr als 80 % der auf dem Inlandsmarkt abgesetzten Menge über den Stückkosten verkauft wurden und bei denen der gewogene durchschnittliche Verkaufspreis mindestens den Produktionsstückkosten entsprach, wurde der Normalwert je Warentyp als gewogener Durchschnitt der tatsächlichen Preise aller Inlandsverkäufe dieses Warentyps ermittelt, unabhängig davon, ob diese Verkäufe gewinnbringend waren oder nicht.

(48)

Wenn das Volumen der gewinnbringenden Verkäufe eines Warentyps 80 % oder weniger des gesamten Verkaufsvolumens dieses Typs ausmachte oder wenn der gewogene Durchschnittspreis des betreffenden Warentyps unter den Produktionsstückkosten lag, wurde dem Normalwert der tatsächliche Inlandspreis zugrunde gelegt, der als gewogener Durchschnitt ausschließlich der gewinnbringenden Inlandsverkäufe dieses Warentyps im UZ ermittelt wurde.

(49)

Soweit ein ausführender Hersteller einen bestimmten Warentyp nicht im Inland verkaufte, wurde der Normalwert nach Artikel 2 Absatz 3 der Grundverordnung ermittelt.

(50)

Bei der Ermittlung des Normalwertes nach Artikel 2 Absatz 3 der Grundverordnung wurden die Beträge für Vertriebs-, Verwaltungs- und Gemeinkosten sowie für Gewinne gemäß dem Einleitungssatz von Artikel 2 Absatz 6 der Grundverordnung anhand der Zahlen festgesetzt, die der ausführende Hersteller bei der Produktion und dem Verkauf der gleichartigen Ware im normalen Handelsverkehr tatsächlich verzeichnete.

(51)

Für den ausführenden Hersteller ohne Inlandsverkäufe im UZ wurden die Beträge für Vertriebs-, Verwaltungs- und Gemeinkosten sowie für Gewinne nach Artikel 2 Absatz 6 Buchstabe a der Grundverordnung anhand des gewogenen Durchschnitts der tatsächlichen Beträge festgesetzt, die für die anderen beiden untersuchten ausführenden Hersteller bei der Produktion und dem Verkauf der gleichartigen Ware auf dem malaysischen Markt ermittelt wurden.

3.3.2   Ausfuhrpreis

(52)

Die ausführenden Hersteller verkauften entweder direkt an unabhängige Abnehmer in der Union oder über verbundene Unternehmen mit Sitz in der Union.

(53)

Im Falle direkter Ausfuhrverkäufe an unabhängige Abnehmer in der Union wurden die Ausfuhrpreise nach Artikel 2 Absatz 8 der Grundverordnung anhand der für die betroffene Ware tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preise ermittelt.

(54)

Im Falle von Ausfuhrverkäufen in die Union über verbundene Unternehmen mit Sitz in der Union wurden die Ausfuhrpreise gemäß Artikel 2 Absatz 9 der Grundverordnung anhand des Weiterverkaufspreises ermittelt, den diese verbundenen Unternehmen dem ersten unabhängigen Abnehmer in der Union in Rechnung stellten.

3.3.3   Vergleich

(55)

Der Normalwert und der Ausfuhrpreis der ausführenden Hersteller wurden auf der Stufe ab Werk miteinander verglichen.

(56)

Im Interesse eines gerechten Vergleichs zwischen Normalwert und Ausfuhrpreis wurden nach Artikel 2 Absatz 10 der Grundverordnung für Unterschiede, die die Preise und ihre Vergleichbarkeit beeinflussten, gebührende Berichtigungen vorgenommen. Auf dieser Grundlage wurden, soweit erforderlich und gerechtfertigt, Berichtigungen für Transport-, Versicherungs-, Bereitstellungs-, Verlade- und Nebenkosten, Verpackungskosten sowie Kreditkosten vorgenommen.

(57)

Ein malaysischer ausführender Hersteller brachte vor, dass es sich bei seinem verbundenen Unternehmen in der Union tatsächlich um die Ausfuhrabteilung des Herstellers handele. Auf dieser Grundlage argumentierte das Unternehmen, es käme bei der Festsetzung des Preises ab Werk zu überhöhten Abzügen, wenn Berichtigungen für die Beträge für Vertriebs-, Verwaltungs- und Gemeinkosten sowie für Gewinne nach Artikel 2 Absatz 9 der Grundverordnung in vollem Umfang vorgenommen würden. In diesem Zusammenhang wurde festgestellt, dass das verbundene Unternehmen Abnehmern in der Union Rechnungen ausstellte und von solchen Abnehmern auch Zahlungen entgegennahm. Außerdem wurden für die Verkäufe dieses verbundenen Unternehmens Aufschläge abgerechnet. Darüber hinaus ging aus der Finanzbuchhaltung des Händlers hervor, dass zwischen Einfuhr und Wiederverkauf normale Vertriebs-, Verwaltungs- und Gemeinkosten ausgewiesen wurden. Demnach scheint das verbundene Unternehmen sehr wohl die typischen Funktionen eines Einführers auszuüben. Der Einwand wurde daher zurückgewiesen.

(58)

Die Antragsteller brachten im Hinblick auf Malaysia dieselbe Argumentation bezüglich der Energiekosten vor, wie unter Randnummer 40 für Indonesien erwähnt vor. Diese Argumentation wurde aus denselben Gründen ebenfalls zurückgewiesen.

3.3.4   Dumpingspanne

(59)

Die Dumpingspannen wurden nach Artikel 2 Absätze 11 und 12 der Grundverordnung für die kooperierenden malaysischen ausführenden Hersteller anhand eines Vergleichs des gewogenen durchschnittlichen Normalwerts mit dem gewogenen durchschnittlichen Ausfuhrpreis ermittelt.

(60)

Laut den verfügbaren Informationen aus dem Antrag und den Angaben der kooperierenden malaysischen ausführenden Hersteller sowie unter Berücksichtigung der verfügbaren statistischen Daten gibt es in Malaysia keinen anderen Hersteller der betroffenen Ware. Daher wurde die für Malaysia festzulegende landesweite Dumpingspanne auf derselben Höhe angesetzt wie die höchste für einen kooperierenden ausführenden Hersteller ermittelte Spanne.

(61)

Die auf dieser Grundlage ermittelten vorläufigen Dumpingspannen, ausgedrückt als Prozentsatz des cif-Preises frei Grenze der Union, unverzollt, betragen:

Unternehmen

Vorläufige Dumpingspanne

Fatty Chemical Malaysia Sdn. Bhd.

13,8 %

KL-Kepong Oleomas Sdn. Bhd.

5,0 %

Emery Oleochemicals Sdn. Bhd.

5,3 %

Alle übrigen Unternehmen

13,8 %

4   SCHÄDIGUNG

4.1   Definition des Wirtschaftszweigs der Union und der EU-Produktion

(62)

Im UZ wurde die gleichartige Ware von zwei bekannten und einigen sehr kleinen Herstellern in der Union gefertigt. Zur Ermittlung der Gesamtproduktion der Union wurden alle verfügbaren Informationen über Unionshersteller, einschließlich im Antrag enthaltener Informationen und Daten, die vor und nach der Einleitung der Untersuchung bei Herstellern in der Union eingeholt wurden, herangezogen. Auf dieser Grundlage wurde die Gesamtproduktion der Union im UZ auf 400 000 bis 500 000 Tonnen geschätzt. Die Unionshersteller, auf die die EU-Gesamtproduktion entfällt, bilden den Wirtschaftszweig der Union im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 der Grundverordnung.

(63)

Einige interessierte Parteien wandten ein, einer der Antragsteller sei nicht als zum Wirtschaftszweig der Union gehörig zu betrachten, da dieses Unternehmen während des UZ die betroffene Ware eingeführt habe. Eine Überprüfung ergab jedoch, dass der prozentuale Anteil der Ware, der von dem Unternehmen im UZ aus den betroffenen Ländern eingeführt worden war, relativ gering und deshalb im Vergleich zur Produktion der gleichartigen Ware durch das Unternehmen nicht erheblich war. Darüber hinaus erfolgten diese Einfuhren hauptsächlich vorübergehend. Daher kann bestätigt werden, dass die Kernaktivität dieses Unternehmens in Herstellung und Verkauf der untersuchten Ware in der EU besteht und sein Hauptinteresse das eines Unionsherstellers ist. Infolgedessen wird vorläufig festgestellt, dass dieses Vorbringen nicht gerechtfertigt ist.

4.2   Unionsverbrauch

(64)

Der Verbrauch wurde ermittelt auf Grundlage der Gesamtverkäufe des Wirtschaftszweigs der Union auf dem Unionsmarkt, der Eigenbedarfsproduktion und der Gesamteinfuhren anhand von Eurostat-Daten. Da in den Eurostat-Daten auch einige andere Waren als die betroffene enthalten sind, wurden angemessene Berichtigungen vorgenommen. Die Angaben erfolgen in Form von Indexwerten (2007 = 100), um die Vertraulichkeit zu wahren.

Unionsverbrauch

2007

2008

2009

UZ

Tonnen

100

102

97

102

Jährlicher Durchschnitt in %

 

2,2 %

–4,8 %

4,6 %

Quelle: Eurostat, Daten aus dem Antrag und aus den Fragebogen.

(65)

Der EU-Verbrauch erhöhte sich im Bezugszeitraum geringfügig um 2 %. Von 2007 bis 2008 zog der Verbrauch zunächst um 2,2 % an und sank dann von 2008 bis 2009 um 4,8 %. Von 2009 bis zum Ende des UZ stieg der Verbrauch wieder um 4,6 %.

(66)

Der Wirtschaftsabschwung trug zum Rückgang des Verbrauchs ab 2008 bei; in dieser Zeit verzeichneten die Verwender der betroffenen Ware einen Nachfragerückgang bei ihren Erzeugnissen. Am Anfang des UZ begann sich die Marktsituation leicht zu verbessern, was sich als Nachfrageanstieg bei der betroffenen Ware gegenüber dem ersten Halbjahr 2009 bemerkbar machte.

4.3   Einfuhren aus den betroffenen Ländern in die Union

4.3.1   Kumulierung

(67)

Die Kommission prüfte anhand der Kriterien nach Artikel 3 Absatz 4 der Grundverordnung, ob die Auswirkungen der gedumpten Einfuhren aus den betroffenen Ländern kumulativ beurteilt werden sollten. Gemäß diesem Artikel sind die Auswirkungen von Einfuhren aus mehr als einem Land, die gleichzeitig Gegenstand von Antidumpinguntersuchungen sind, nur dann kumulativ zu beurteilen, wenn festgestellt wird, dass a) die ermittelte Dumpingspanne für die Einfuhren aus jedem einzelnen Land den in Artikel 9 Absatz 3 genannten Mindestprozentsatz übersteigt und das Volumen der Einfuhren aus jedem einzelnen Land nicht unerheblich ist und b) eine kumulative Beurteilung der Auswirkungen der Einfuhren angesichts des Wettbewerbs zwischen den eingeführten Waren untereinander sowie des Wettbewerbs zwischen den eingeführten Waren und der gleichartigen Ware aus der Gemeinschaft angemessen ist.

(68)

Die ermittelten Dumpingspannen für die Einfuhren aus jedem einzelnen betroffenen Land übersteigt den in Artikel 9 Absatz 3 der Grundverordnung genannten Mindestprozentsatz, d. h. 2 % des Ausfuhrpreises, und das Volumen der Einfuhren aus jedem einzelnen betroffenen Land liegt über der in Artikel 5 Absatz 7 der Grundverordnung festgelegten Schwelle eines Marktanteils von 1 %.

(69)

Die Untersuchung zeigte ferner, dass die Bedingungen des Wettbewerbs zwischen den gedumpten Einfuhren untereinander wie auch zwischen den gedumpten Einfuhren und der gleichartigen Ware vergleichbar waren. Es wurde festgestellt, dass die Durchschnittspreise der Einfuhren aus allen betroffenen Ländern im Bezugszeitraum zurückgingen und demselben Trend folgten. Die aus den betroffenen Ländern eingeführte untersuchte Ware war ferner in jeder Hinsicht gleichartig: Sie war austauschbar und wurde in der Union über vergleichbare Vertriebskanäle und unter ähnlichen Geschäftsbedingungen vertrieben und stand somit mit der in der Union hergestellten untersuchten Ware im Wettbewerb.

(70)

Daraus wird vorläufig geschlossen, dass alle Voraussetzungen für eine Kumulierung erfüllt sind und folglich die Auswirkungen der gedumpten Einfuhren mit Ursprung in den betroffenen Ländern für die Zwecke der Schadensanalyse zusammen beurteilt werden sollten.

4.3.2   Volumen, Preis und Marktanteil der gedumpten Einfuhren aus den betroffenen Ländern

Einfuhren aus den betroffenen Ländern

2007

2008

2009

UZ

Tonnen

112 523

177 286

165 386

176 279

Index: 2007 = 100

100

158

147

157

Jährlicher Durchschnitt in %

 

57,6 %

–6,7 %

6,6 %

Marktanteil

2007

2008

2009

UZ

Index: 2007 = 100

100

154

151

154

Jährlicher Durchschnitt in %

 

54,2 %

–2,0 %

1,9 %

Durchschnittspreis in Euro/Tonne

942

1 017

837

882

Index: 2007 = 100

100

108

89

94

Jährlicher Durchschnitt in %

 

8 %

–18 %

5 %

Quelle: Eurostat-Daten und Fragebogenantworten.

(71)

Das Volumen der Einfuhren aus den betroffenen Ländern erhöhte sich im Bezugszeitraum beträchtlich, nämlich um 57 %. Der stärkste Anstieg war von 2007 bis 2008 zu verzeichnen; in diesem Zeitraum nahmen die Einfuhren um 58 % zu. 2009 gingen die Einfuhren dann leicht zurück, um während des UZ wieder auf das Niveau von 2008 zu steigen.

(72)

Die Durchschnittspreise der Einfuhren aus den betroffenen Ländern schwankten im Bezugszeitraum erheblich; insgesamt gingen sie um 6 % zurück. Über den ganzen Bezugszeitraum hinweg lagen die Durchschnittspreise der Einfuhren aus den betroffenen Ländern stets unter den von der übrigen Welt und dem Wirtschaftszweig der Union festgelegten Preisen, was zu einem Anstieg des Marktanteils der betroffenen Länder führte.

(73)

Der Marktanteil der betroffenen Länder erhöhte sich im Bezugszeitraum beträchtlich, nämlich um 54 %. Dieser Anstieg war von 2007 bis 2008 am stärksten ausgeprägt. Während der Wirtschaftskrise gingen die Einfuhren leicht zurück, wodurch sich der Marktanteil der betroffenen Länder von 2008 bis 2009 um 2 % verringerte; doch bis zum Ende des Bezugszeitraums eroberten diese Länder diesen Anteil wieder zurück.

4.3.2.1   Preisunterbietung

(74)

Für die Zwecke der Preisunterbietungsanalyse wurden je Warentyp die auf die Stufe ab Werk gebrachten gewogenen durchschnittlichen Verkaufspreise, die der Wirtschaftszweig der Union unabhängigen Abnehmern auf dem Unionsmarkt in Rechnung stellte, verglichen mit den entsprechenden gewogenen Durchschnittspreisen der Einfuhren aus den betroffenen Ländern, die dem ersten unabhängigen Kunden auf dem EU-Markt in Rechnung gestellt wurden, und zwar auf cif-Stufe nach gebührender Berichtigung für Zölle und nach der Einfuhr angefallene Kosten. Dieser Preisvergleich wurde für Geschäftsvorgänge auf derselben Handelsstufe nach gegebenenfalls erforderlichen Berichtigungen und unter Abzug von Rabatten und Preisnachlässen vorgenommen. Der Vergleich ergab erhebliche Preisunterbietungsspannen (bis zu 16 %), ausgedrückt als Prozentsatz der Verkaufspreise des Wirtschaftszweigs der Union im UZ. Anhand dieser Preisunterbietungsspannen wird der von den Einfuhren aus den betroffenen Ländern in die Union ausgeübte Preisdruck deutlich.

(75)

Für die betroffenen Länder wurden die folgenden Preisunterbietungsspannen ermittelt:

Land

Preisunterbietungsspanne

Indien

von – 0,5 % bis 16 %

Indonesien

von – 2,1 % bis – 3,2 %

Malaysia

von – 10,4 % bis 15,1 %

4.4   Wirtschaftliche Lage des Wirtschaftszweigs der Union  (3)

4.4.1   Vorbemerkungen

(76)

Nach Artikel 3 Absatz 5 der Grundverordnung umfasste die Prüfung der Auswirkungen der gedumpten Einfuhren auf den Wirtschaftszweig der Union eine Beurteilung aller relevanten Wirtschaftsindikatoren, die die Lage des Wirtschaftszweigs der Union von 2007 bis zum Ende des UZ beeinflussten.

4.4.2   Produktion, Produktionskapazität und Kapazitätsauslastung

Produktion des Wirtschaftszweigs der Union

2007

2008

2009

UZ

Index: 2007 = 100

100

90

77

83

Kapazität des Wirtschaftszweigs der Union

2007

2008

2009

UZ

Index: 2007 = 100

100

109

103

98

Kapazitätsauslastung

2007

2008

2009

UZ

Index: 2007 = 100

100

83

75

85

Quelle: Fragebogenantworten.

(77)

Von 2007 bis 2009 sank die EU-Produktion erheblich, nämlich um 23 %; von 2009 bis zum Ende des UZ erhöhte sie sich leicht, sodass sich im Bezugszeitraum insgesamt ein Rückgang von 17 % ergab. Anzumerken ist, dass sich der EU-Verbrauch zwischen 2008 und 2009 zwar um rund 5 % verringerte, die Produktion des Wirtschaftszweigs der Union aber viel stärker zurückging — um 15 % —, und dass die Branche nicht von der im UZ verzeichneten Erholung des EU-Verbrauchs profitieren konnte.

(78)

Die Produktionskapazität des Wirtschaftszweigs der Union sank im Bezugszeitraum um rund 2 %. Nach einer Ausweitung um rund 9 % im Jahr 2008 wurde die Kapazität in den folgenden Jahren zurückgefahren, sodass sich im Bezugszeitraum insgesamt ein Rückgang von 2 % ergab.

(79)

Im Zuge des rückläufigen Produktionsvolumen nahm allerdings die Auslastung der verfügbaren Kapazität im Bezugszeitraum um 15 % ab. Dieser Rückgang wurde hauptsächlich im Jahr 2009 während der allgemeinen Wirtschaftskrise verzeichnet; im UZ verbesserte sich die Auslastung geringfügig.

4.4.3   Verkäufe und Marktanteil

(80)

Die in der nachfolgenden Tabelle angeführten Verkaufszahlen beziehen sich auf die in Volumen und Wert gemessenen Verkäufe an den ersten unabhängigen Abnehmer auf dem Unionsmarkt.

Verkäufe (Volumen) an unabhängige Abnehmer in der EU

2007

2008

2009

UZ

Index: 2007 = 100

100

85

79

82

Jährlicher Durchschnitt in %

 

–15,4 %

–6,5 %

4,3 %

Verkäufe (Wert) an unabhängige Abnehmer in der EU (in Euro)

2007

2008

2009

UZ

Index: 2007 = 100

100

102

85

88

Jährlicher Durchschnitt in %

 

1,6 %

–16,6 %

3,9 %

Marktanteil Wirtschaftszweig der Union

2007

2008

2009

UZ

Index: 2007 = 100

100

88

87

88

Quelle: Eurostat-Daten und Fragebogenantworten.

(81)

Verkaufsmengen und Marktanteil gingen zwischen 2007 und dem UZ um 18 % bzw. 12 % zurück. Zu Beginn des Bezugszeitraums, von 2007 bis 2008, nahmen die Verkaufsmengen des Wirtschaftszweigs der Union trotz eines Anstiegs beim EU-Verbrauch um 15 % ab; der Marktanteil der Branche verringerte sich um 12 %. 2009 schrumpfte der EU-Verbrauch, was zu einem weiteren Rückgang der Verkaufsmenge des Wirtschaftszweigs der Union um 6,5 % führte. Im UZ erhöhten sich die EU-Verkäufe parallel zum Anstieg des EU-Verbrauchs geringfügig. Der Marktanteil blieb jedoch von 2008 bis zum Ende des UZ stabil.

4.4.4   Durchschnittliche Stückpreise des Wirtschaftszweigs der Union

Preis je Einheit, Verkäufe an unabhängige Abnehmer in der EU

2007

2008

2009

UZ

Index: 2007 = 100

100

120

107

107

Jährlicher Durchschnitt in %

 

20,1 %

 

–0,4 %

Quelle: Fragebogenantworten.

(82)

Mit einem Anstieg um 20 % erhöhten sich die Preise von 2007 bis 2008 erheblich. Dabei ist festzuhalten, dass auch die ausführenden Hersteller ihre Preise in diesem Zeitraum erhöhten, allerdings in deutlich geringerem Maß als der Wirtschaftszweig der Union.

(83)

2009 musste die Branche angesichts des Drucks der erhöhten Einfuhren aus den betroffenen Ländern die Preise senken. 2008 hatte die Einfuhr aus diesen Ländern um 57 % zugenommen, und die entsprechenden Preise lagen beträchtlich unter denen des Wirtschaftszweigs der Union. Die Branche konnte jedoch ihre Preise nicht bis auf das Preisniveau der ausführenden Hersteller absenken.

(84)

Im UZ behielt der Wirtschaftszweig der Union das Preisniveau von 2009 bei, was im Bezugszeitraum insgesamt zu einem Preisanstieg von 7 % führte.

4.4.5   Lagerbestände

(85)

Die Lagerbestände im Wirtschaftszweig der Union sanken im Bezugszeitraum um 33 %. Vor allem zwischen 2008 und dem UZ nahmen die Lagerbestände mit einem Minus von 51 % erheblich ab.

Schlussbestände Wirtschaftszweig der Union

2007

2008

2009

UZ

Index: 2007 = 100

100

128

86

67

Jährlicher Durchschnitt in %

 

27,7 %

–33,0 %

–21,1 %

Lagerbestand im Verhältnis zur Produktion

5,0 %

7,1 %

5,6 %

4,1 %

Quelle: Fragebogenantworten.

4.4.6   Beschäftigung, Löhne und Produktivität

Erwerbstätige Wirtschaftszweig der Union

2007

2008

2009

UZ

Gesamtzahl Beschäftigte betroffene Ware (einschließlich nicht reagierende Hersteller)

Index: 2007 = 100

100

97

91

87

Durchschnittslohn je Beschäftigten (in Euro)

Index: 2007 = 100

100

102

101

106

Produktivität (Stück/Beschäftigten)

Index: 2007 = 100

100

93

85

96

Quelle: Fragebogenantworten.

(86)

Aufgrund der Rationalisierungen im Wirtschaftszweig der Union sank die Zahl der Beschäftigten im Bezugszeitraum um 13 %. Die Arbeitskosten je Beschäftigten erhöhten sich im Bezugszeitraum geringfügig um 6 %. Dieser Anstieg liegt unter der Inflationsrate im Bezugszeitraum und wird als natürlicher Anstieg gewertet.

4.4.7   Rentabilität, Cashflow, Investitionen, Kapitalrendite und Kapitalbeschaffungsmöglichkeit

Rentabilität der Verkäufe des Wirtschaftszweigs der Union an unabhängige Abnehmer

2007

2008

2009

UZ

Verhältnis Nettoverlust/Umsatz in %

Index: 2007 = 100

100

76

408

236

Negativer Cashflow des Wirtschaftszweigs derUnion (in Euro)

Index: 2007 = 100

100

– 249

1 178

439

Cashflow in % der Verkäufe des Wirtschaftszweigs der Union an unabhängige Abnehmer

–1,3 %

3,7 %

–24,5 %

–7,9 %

Index: 2007 = 100

100

– 285

1 899

609

Investitionen des Wirtschaftszweigs der Union (in Euro)

Index: 2007 = 100

100

56

68

65

Jährlicher Durchschnitt in %

 

–43,8 %

20,6 %

–4,2 %

Negative Kapitalrendite des Wirtschaftszweigs der Union

Index: 2007 = 100

100

136

510

320

Quelle: Fragebogenantworten.

(87)

Die Rentabilität des Wirtschaftszweigs der Union wurde als (in diesem Fall negativer) Nettogewinn vor Steuern aus den Verkäufen der gleichartigen Ware in Prozent des mit diesen Verkäufen erzielten Umsatzes ermittelt. Es wurde festgestellt, dass die Rentabilität des Wirtschaftszweigs der Union seit Beginn des betreffenden Zeitraums im Jahr 2007 negativ war und sich die Einbußen während des Bezugszeitraums beträchtlich verschärften. Nachdem sich diese Rentabilitätsverluste 2008 verringert hatten, nahmen sie 2009 während der allgemeinen Wirtschaftskrise erneut erheblich zu. Die wirtschaftliche Erholung, die sich im UZ bemerkbar machte, gestattete es dem Wirtschaftszweig der Union zwar, seine Umsatzverluste abzubauen, doch war die Branche von einer Rückkehr zu einer positiven Gewinnsituation nach wie vor weit entfernt.

(88)

Die Entwicklung des Cashflows, also der Möglichkeit des Wirtschaftszweigs, seine Tätigkeit selbst zu finanzieren, spiegelt weitgehend den Rentabilitätstrend wider. Der Cashflow war 2007 negativ und wies im Bezugszeitraum einen beträchtlichen Rückgang auf. Gleiches kann über die Kapitalrendite gesagt werden, die sich im Bezugszeitraum ähnlich negativ entwickelte wie die Geschäftsergebnisse des Wirtschaftszweigs der Union.

(89)

Aus den vorstehenden Gründen war der Wirtschaftszweig der Union nur noch begrenzt in der Lage zu investieren; der Cashflow war im Bezugszeitraum stark rückläufig. Infolgedessen gingen die Investitionen im Bezugszeitraum um rund 35 % zurück.

4.4.8   Wachstum

(90)

Der EU-Verbrauch blieb während des Bezugszeitraums recht stabil. Die Verkaufsmenge und der Marktanteil des Wirtschaftszweigs der Union nahmen in diesem Zeitraum jedoch um 18 % bzw. 12 % ab.

4.4.9   Höhe der tatsächlichen Dumpingspanne

(91)

Angesichts der Menge, des Marktanteils und der Preise der gedumpten Einfuhren aus den betroffenen Ländern können die Auswirkungen der tatsächlichen Dumpingspannen auf den Wirtschaftszweig der Union nicht als unerheblich angesehen werden.

4.5   Schlussfolgerung zur Schädigung

(92)

Die Untersuchung ergab, dass sich die meisten Schadensindikatoren wie die Produktion (– 17 %), die Kapazitätsauslastung (– 13 %), die Verkaufsmenge (– 18 %), der Marktanteil (– 12 %) und die Beschäftigung (– 14 %) im Bezugszeitraum verschlechterten. Außerdem entwickelten sich die Schadensindikatoren im Zusammenhang mit dem Geschäftsergebnis des Wirtschaftszweigs der Union, z. B. der Cashflow und die Rentabilität, deutlich negativ. Dadurch wurden die Kapitalbeschaffungsmöglichkeiten des Wirtschaftszweigs der Union insbesondere im UZ eingeschränkt.

(93)

Aus dieser Analyse zog die Kommission den Schluss, dass der Wirtschaftszweig der Union eine bedeutende Schädigung im Sinne des Artikels 3 Absatz 5 der Grundverordnung erlitt.

5   SCHADENSURSACHE

5.1   Vorbemerkungen

(94)

Nach Artikel 3 Absätze 6 und 7 der Grundverordnung wurde geprüft, ob die gedumpten Einfuhren der betroffenen Ware mit Ursprung in den betroffenen Ländern den Wirtschaftszweig der Union in einem solchen Ausmaß schädigten, dass diese Schädigung als bedeutend bezeichnet werden kann. Andere bekannte Faktoren als die gedumpten Einfuhren, die den Wirtschaftszweig der Union möglicherweise zur gleichen Zeit geschädigt haben, wurden ebenfalls geprüft, um sicherzustellen, dass eine etwaige durch diese anderen Faktoren verursachte Schädigung nicht den gedumpten Einfuhren zugerechnet wurde.

5.2   Auswirkungen der gedumpten Einfuhren

(95)

Wie die Untersuchung ergab, blieb der EU-Verbrauch im Bezugszeitraum recht stabil, während sich die gedumpten Einfuhren aus den betroffenen Ländern mit einem Zuwachs von 57 % mengenmäßig beträchtlich erhöhten.

(96)

Die gedumpten Einfuhren aus den betroffenen Ländern setzten den Wirtschaftszweig der Union unter Druck; dies gilt besonders für das Jahr 2008, in dem diese Einfuhren um 58 % zunahmen. Im genannten Jahr lagen die aus den betroffenen Ländern verlangten Preise laut Eurostat-Daten erheblich unter den Preisen des Wirtschaftszweigs der Union. Dadurch büßte der Wirtschaftszweig der Union rund 12 % seines Marktanteils ein, während die betroffenen Länder ihren Marktanteil um 54 % steigerten.

(97)

Als Reaktion auf diesen Druck senkte der Wirtschaftszweig der Union 2009 seine Preise. Obwohl das Volumen der Einfuhren aus den betroffenen Ländern parallel mit dem Wirtschaftsabschwung und der Schrumpfung des EU-Markts zurückging (– 6,7 %), sank der Einfuhrpreis stärker als der Preis des Wirtschaftszweigs der Union, wodurch die Branche den verlorenen Marktanteil nicht wiedergewinnen konnte.

(98)

Während des UZ musste der Wirtschaftszweig der Union seine Preise weiter verringern; die Unterbietung aus den betroffenen Ländern betrug dabei überprüften Ausfuhrangaben zufolge immer noch 3 %. Die Verkäufe des Wirtschaftszweigs der Union erholten sich nach Menge (+ 4,3 %) und Wert (+ 3,9 %) geringfügig, doch die Branche konnte trotz der verringerten Differenz zum Einfuhrpreis der betroffenen Länder nicht von der Belebung des Verbrauchs profitieren; der Marktanteil des Wirtschaftszweigs der Union blieb unverändert. Derweil wurde bei den Einfuhren aus den betroffenen Ländern im UZ ein weiterer Anstieg des Volumens (6,6 %) und des Marktanteils (2 %) verzeichnet.

5.3   Auswirkungen anderer Faktoren

(99)

Die weiteren im Zusammenhang mit der Schadensursache untersuchten Faktoren sind die Einfuhren aus anderen Ländern, die Ausfuhrleistung des Wirtschaftszweigs der Union und die Auswirkung der Wirtschaftskrise.

5.3.1   Einfuhren aus anderen Ländern (übrige Welt)

Menge der Einfuhren übrige Welt (Eurostat)

2007

2008

2009

UZ

Tonnen

32 874

31 446

38 295

30 495

Index: 2007 = 100

100

96

116

93

Jährlicher Durchschnitt in %

 

–4,3 %

21,8 %

–20,4 %

Marktanteil übrige Welt

2007

2008

2009

UZ

Index: 2007 = 100

100

94

120

91

Jährlicher Durchschnitt in %

 

–6,4 %

27,9 %

–23,9 %

Durchschnittspreis in Euro/Tonne übrige Welt (Eurostat)

1 217

1 358

1 129

1 122

Index: 2007 = 100

100

112

93

92

Jährlicher Durchschnitt in %

 

12 %

–17 %

–1 %

Quelle: Eurostat.

(100)

Laut Eurostat-Daten gingen die Mengen der Einfuhren der untersuchten Ware mit Ursprung in Drittländern, die nicht von dieser Untersuchung betroffen sind, im Bezugszeitraum um 7 % zurück. Auch der entsprechende Marktanteil dieser Länder schrumpfte, und zwar um 9 %.

(101)

Die Durchschnittspreise für diese Einfuhren lagen über den Preisen der ausführenden Hersteller in den betroffenen Ländern und über denen des Wirtschaftszweigs der Union.

(102)

In Anbetracht der vorstehenden Erläuterungen wird vorläufig der Schluss gezogen, dass die Einfuhren aus diesen Drittländern nicht zur bedeutenden Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union beitrugen.

5.3.2   Ausfuhrleistung des Wirtschaftszweigs der Union

Ausfuhrverkäufe an unabhängige Abnehmer (Volumen)

2007

2008

2009

UZ

Index: 2007 = 100

100

38

52

45

Jährlicher Durchschnitt in %

 

–62,4 %

38,0 %

–14,0 %

Ausfuhrverkäufe an unabhängige Abnehmer (Wert)

2007

2008

2009

UZ

Index: 2007 = 100

100

78

74

76

Jährlicher Durchschnitt in %

 

–21,6 %

–5,9 %

3,5 %

Preis je Einheit, Ausfuhrverkäufe an unabhängige Abnehmer

2007

2008

2009

UZ

Index: 2007 = 100

100

208

142

171

Jährlicher Durchschnitt in %

 

108,4 %

–31,9 %

20,3 %

(103)

Im Bezugszeitraum gingen die Ausfuhrverkäufe des Wirtschaftszweigs der Union mengenmäßig um 55 % zurück. Die Auswirkungen dieses Rückgangs wurden jedoch teilweise dadurch ausgeglichen, dass sich der durchschnittliche Verkaufspreis je Einheit im selben Zeitraum um 71 % erhöhte, was den Rückgang des Werts der Ausfuhrverkäufe auf 24 % begrenzte. Dieser Aspekt führte in Verbindung mit der Tatsache, dass die Ausfuhrverkäufe lediglich 5 % der Gesamtverkäufe des Wirtschaftszweigs der Union im UZ ausmachten, zu der vorläufigen Schlussfolgerung, dass der ursächliche Zusammenhang zwischen der Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union und den Einfuhren aus den betroffenen Ländern trotz der Ausfuhrleistung weiterhin besteht.

5.3.3   Auswirkungen der Wirtschaftskrise

(104)

Die Wirtschaftskrise trug zum Verbrauchsrückgang in der Union und zum Preisdruck bei. Die verringerte Nachfrage nach der untersuchten Ware führte zum Produktionsrückgang im Wirtschaftszweig der Union und übte zum Teil auch Druck auf die Verkaufspreise aus.

(105)

Unter normalen wirtschaftlichen Bedingungen und ohne den starken Preisdruck und die gestiegenen Einfuhrmengen durch die gedumpten Einfuhren hätte der Wirtschaftszweig der Union möglicherweise zwar gewisse Schwierigkeiten gehabt, mit dem Verbrauchsrückgang und dem Anstieg der fixen Stückkosten aufgrund der gesunkenen Kapazitätsauslastung von 2007 bis zum UZ fertig zu werden. Die gedumpten Einfuhren haben die Folgen des Wirtschaftsabschwungs aber verstärkt und es unmöglich gemacht, die Ware wenigstens zum Herstellungspreis abzusetzen.

(106)

Aus dem dargelegten Sachverhalt geht hervor, dass der mit der Wirtschaftskrise verbundene Rückgang der EU-Nachfrage zwar zur Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union beigetragen hat. Die Kommission vertritt jedoch die Auffassung, dass dies den bezüglich der gedumpten Niedrigpreiseinfuhren aus den betroffenen Ländern festgestellten ursächlichen Zusammenhang nicht aufhebt.

5.4   Schlussfolgerung zur Schadensursache

(107)

Die vorstehende Analyse hat gezeigt, dass im Bezugszeitraum Volumen und Marktanteil der gedumpten Niedrigpreiseinfuhren mit Ursprung in den betroffenen Ländern deutlich zunahmen. Zudem wurde festgestellt, dass die Preise dieser Einfuhren, welche unter den Preisen lagen, die vom Wirtschaftszweig der Union auf dem Unionsmarkt für gleichartige Warentypen berechnet wurden, gedumpt waren.

(108)

Diese Steigerung der Menge und des Marktanteils der gedumpten Niedrigpreiseinfuhren aus den betroffenen Ländern erfolgte zeitgleich mit einem allgemeinen, kontinuierlichen Rückgang des Verbrauchs in der Union im selben Zeitraum und dem Verlust von Marktanteilen des Wirtschaftszweigs der Union. Hinzu kommt, dass es den Ausführern aus den betroffenen Ländern ab 2008 im Zuge des allgemeinen Wirtschaftsabschwungs und des rückläufigen EU-Verbrauchs gelang, ihren Marktanteil zu behaupten, indem sie die Preise senkten und dabei weiterhin den EU-Preis unterboten. Gleichzeitig war zu beobachten, dass sich der Marktanteil des Wirtschaftszweigs der Union und die Hauptindikatoren für dessen wirtschaftliche Lage weiter negativ entwickelten. Der enorme Anstieg der gedumpten Niedrigpreiseinfuhren aus Indien, Indonesien und Malaysia, mit denen die Preise des Wirtschaftszweigs der Union ständig unterboten wurden, führte de facto zu einem Rentabilitätsverlust des Wirtschaftszweigs der Union, was im UZ gravierende Verluste verursachte.

(109)

Die Prüfung der anderen bekannten Faktoren, die den Wirtschaftszweig der Union geschädigt haben könnten, ergab, dass sie den ursächlichen Zusammenhang zwischen den gedumpten Einfuhren aus den betroffenen Ländern und der Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union nicht entkräften.

(110)

Die vorstehende Analyse, bei der die Auswirkungen aller bekannten Faktoren auf die Lage des Wirtschaftszweigs der Union ordnungsgemäß von den schädigenden Auswirkungen der gedumpten Einfuhren abgegrenzt wurden, führte vorläufig zu dem Schluss, dass die gedumpten Einfuhren aus Indien, Indonesien und Malaysia eine bedeutende Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union im Sinne des Artikels 3 Absatz 6 der Grundverordnung verursachten.

6   UNIONSINTERESSE

6.1   Vorbemerkungen

(111)

Nach Artikel 21 der Grundverordnung wurde untersucht, ob trotz der vorläufigen Schlussfolgerung zum schädigenden Dumping zwingende Gründe dafür sprachen, dass die Einführung vorläufiger Antidumpingmaßnahmen in diesem Fall dem Interesse der Union zuwiderlaufen würde. Dabei wurden die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt, einschließlich derjenigen des Wirtschaftszweigs der Union, der Einführer und der Verwender der betroffenen Ware.

6.2   Wirtschaftszweig der Union

(112)

Der Wirtschaftszweig der Union hat durch die gedumpten Einfuhren aus Indien, Indonesien und Malaysia eine bedeutende Schädigung erlitten. Es wird daran erinnert, dass die meisten Schadensindikatoren im Bezugszeitraum eine negative Entwicklung aufwiesen. Vor allem die Schadensindikatoren im Zusammenhang mit dem Geschäftsergebnis des Wirtschaftszweigs der Union wie der Cashflow, die Kapitalrendite und die Rentabilität entwickelten sich deutlich negativ. Werden keine Maßnahmen getroffen, dürfte sich die wirtschaftliche Lage des Wirtschaftszweigs der Union weiter verschlechtern.

(113)

Es steht zu erwarten, dass durch die Einführung vorläufiger Antidumpingzölle auf dem Unionsmarkt wieder faire Handelsbedingungen hergestellt werden und dass der Wirtschaftszweig der Union seine Preise für die untersuchte Ware dann so gestalten kann, dass sie die verschiedenen Kostenparameter und die Marktbedingungen widerspiegeln. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Einführung vorläufiger Maßnahmen den Wirtschaftszweig der Union in die Lage versetzen wird, zumindest einen Teil des im Bezugszeitraum verlorenen Marktanteils zurückzugewinnen, was weitere positive Auswirkungen auf seine Finanzlage und Rentabilität haben wird.

(114)

Es wird daher der Schluss gezogen, dass die Einführung vorläufiger Antidumpingmaßnahmen gegenüber den Einfuhren der untersuchten Ware aus Indien, Indonesien und Malaysia im Interesse des Wirtschaftszweigs der Union läge.

6.3   Einführer

(115)

Es wurden Fragebogen an 21 Einführer in der Union verschickt. Nur zwei Einführer, beide mit Sitz im Vereinigten Königreich, auf die im UZ zusammen 0,3 % der gesamten Einfuhren aus den betroffenen Ländern entfielen, arbeiteten an der Untersuchung mit. Nur der größere der beiden Einführer wurde aufgesucht. Vor Ort verweigerte dieser Einführer jedoch die Einsicht in seine Bücher, so dass relevante Informationen nicht überprüft werden konnten. Es war allerdings klar, dass die Einführung von Antidumpingmaßnahmen für dieses Unternehmen zwar höhere Kosten bedeuten, aber für seine Geschäftstätigkeit keine wirklich gravierenden Probleme darstellen würde, selbst wenn es dieselben Abnehmer bedienen oder notfalls das Geschäftsfeld wechseln würde.

(116)

Ausgehend von den verfügbaren Informationen wurde daher der Schluss gezogen, dass sich die Einführung vorläufiger Antidumpingmaßnahmen zwar negativ auf den obengenannten Einführer auswirken würde, dieser aber auch in der Lage wäre, die Kostensteigerung wenigstens teilweise an seine Abnehmer weiterzugeben und/oder zu anderen Bezugsquellen zu wechseln. Die Einführung vorläufiger Maßnahmen dürfte sich daher auf die Einführer nicht sehr negativ auswirken.

6.4   Verwender

(117)

Die Verwender der untersuchten Ware zeigten großes Interesse an diesem Fall. Es wurde Kontakt zu 97 Verwendern aufgenommen, wovon 21 an der Untersuchung mitarbeiteten. Auf diese kooperierenden Verwender entfielen im UZ rund 25 % der Einfuhren der betroffenen Ware in die EU. Diese Unternehmen sind überall in der Union niedergelassen und in den Bereichen Körperpflegemittel sowie häusliche und industrielle Reinigungsmittel tätig.

(118)

Von den 21 Unternehmen wurden fünf aufgesucht; auf diese entfielen im UZ 18 % der gesamten EU-Einfuhren der untersuchten Ware aus den betroffenen Ländern. Gestützt auf die überprüften Informationen lässt sich erkennen, dass der Anteil der untersuchten Ware an den Produktionskostenstrukturen dieser Unternehmen bedeutend ist; er bewegt sich je nach Endprodukt zwischen 10 % und 20 %.

(119)

Bei drei der fünf besuchten Unternehmen arbeiten rund 15 % der Gesamtzahl der Beschäftigten in Bereichen, in denen die betroffene Ware verwendet wird; in einer Firma beläuft sich dieser Prozentsatz auf 70 %, während bei dem anderen Unternehmen wegen der komplexen Unternehmensstruktur und der Vielzahl der Produkte diese Angabe nicht möglich war.

(120)

Im UZ kam der die untersuchte Ware verwendende Teilbereich auf einen Anteil am Gesamtgeschäft der aufgesuchten Unternehmen von durchschnittlich 22 %, während die durchschnittliche Gewinnspanne dieses Geschäftszweigs rund 6 % betrug. Auf dieser Basis und angesichts der relativ geringen Höhe der vorgeschlagenen Maßnahmen wurden die Auswirkungen vorläufiger auf die Einfuhren aus den betroffenen Ländern erhobener Antidumpingzölle als insgesamt recht begrenzt eingeschätzt. Einige Verwender brachten vor, die Einführung von Antidumpingmaßnahmen würde zu Schwierigkeiten bei der Verfügbarkeit der untersuchten Ware in der EU führen, da es nur zwei große Hersteller in der Union gebe und die Nachfrage nach der untersuchten Ware immer stärker anziehe. Es sei jedoch daran erinnert, dass der relativ geringe Umfang der vorgeschlagenen Maßnahmen die Möglichkeit nicht ausschließt, die untersuchte Ware aus den betroffenen Ländern einzuführen. Außerdem war die Produktionskapazität der beiden Unionshersteller im Bezugszeitraum nicht ausgelastet. Darüber hinaus sind Einfuhren auch aus anderen, keinen Maßnahmen unterliegenden Drittländern jederzeit möglich. Daher wurde dieses Vorbringen zurückgewiesen.

(121)

Berücksichtigt man das oben Ausgeführte, dürften die Auswirkungen insgesamt begrenzt bleiben, selbst wenn die meisten Verwender die Maßnahmen gegenüber den Einfuhren aus den betroffenen Ländern spüren dürften. Auf der Grundlage der verfügbaren Informationen wurde daher vorläufig der Schluss gezogen, dass Antidumpingmaßnahmen gegenüber den Einfuhren der untersuchten Ware aus den betroffenen Ländern keine bedeutenden negativen Auswirkungen für die Verwender der betroffenen Ware haben werden.

6.5   Schlussfolgerung zum Unionsinteresse

(122)

Aufgrund des vorstehenden Sachverhalts wurde der vorläufige Schluss gezogen, dass auf Basis der vorliegenden Informationen zum Unionsinteresse insgesamt keine zwingenden Gründe gegen die Einführung vorläufiger Maßnahmen gegenüber den Einfuhren der untersuchten Ware aus den betroffenen Ländern sprechen.

7   VORLÄUFIGE ANTIDUMPINGMASSNAHMEN

(123)

In Anbetracht der Schlussfolgerungen zu Dumping, Schädigung, Schadensursache und Unionsinteresse sollten vorläufige Antidumpingmaßnahmen eingeführt werden, um eine weitere Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union durch die gedumpten Einfuhren zu verhindern.

7.1   Schadensbeseitigungsschwelle

(124)

Bei der Festsetzung der Höhe dieser Maßnahmen wurden die festgestellten Dumpingspannen und der Zollsatz berücksichtigt, der zur Beseitigung der Schädigung des Wirtschaftszweigs der Union erforderlich ist.

(125)

Bei der Ermittlung des Zollsatzes, der zur Beseitigung der Auswirkungen des schädigenden Dumpings erforderlich ist, wurde berücksichtigt, dass etwaige Maßnahmen es dem Wirtschaftszweig der Union ermöglichen sollten, seine Produktionskosten zu decken und einen angemessenen Gewinn vor Steuern zu erzielen, der in einer solchen Branche unter normalen Wettbewerbsbedingungen, d. h. ohne gedumpte Einfuhren, beim Verkauf der gleichartigen Ware in der Union erwirtschaftet werden könnte.

(126)

Daher wurde die Schadensbeseitigungsschwelle gestützt auf einen Vergleich zwischen dem Durchschnittspreis der gedumpten Einfuhren und dem Zielpreis des Wirtschaftszweigs der Union berechnet. Der Zielpreis wurde ermittelt, indem der Verkaufspreis des Wirtschaftszweigs der Union auf Kostendeckungsbasis (wegen der im UZ verzeichneten Verluste der Branche) berechnet und zu diesem Verkaufspreis eine Zielgewinnspanne addiert wurde. Der Wirtschaftszweig der Union machte geltend, 15 % seien als Zielgewinnspanne angemessen, konnte dies aber nicht belegen. Deshalb wurde die Zielgewinnspanne vorläufig auf 7,7 % festgesetzt; dies entspricht der letzten Gewinnspanne, die einer der Antragsteller im letzten rentabel abgeschlossenen Jahr vor dem Bezugszeitraum erzielte.

(127)

Die durchschnittliche Preisunterbietungsspanne wurde auf 24,2 % für Indien, 9,1 % für Indonesien und 25,7 % für Malaysia festgelegt.

7.2   Vorläufige Maßnahmen

(128)

Aus den dargelegten Gründen sollte ein vorläufiger Antidumpingzoll gegenüber den Einfuhren der betroffenen Ware mit Ursprung in Indien, Indonesien und Malaysia nach Artikel 7 Absatz 2 der Grundverordnung (Regel des niedrigeren Zolls) in Höhe der Dumpingspanne oder der Schadensspanne, je nachdem, welche niedriger ist, festgesetzt werden. Mit einer Ausnahme basieren sämtliche vorläufigen Antidumpingzollsätze auf der Dumpingspanne.

(129)

Auf dieser Grundlage werden folgende vorläufige Antidumpingzölle vorgeschlagen, und zwar auf der Basis des cif-Preises frei Grenze der Union, unverzollt:

Land

Unternehmen

Vorläufiger Antidumpingzoll in %

Indien

VVF Limited

4,8

Alle übrigen Unternehmen

9,3

Indonesien

P.T. Ecogreen Oleochemicals

6,3

P.T. Musim Mas

4,3

Alle übrigen Unternehmen

7,6

Malaysia

KL-Kepong Oleomas (KLK)

5,0

Emery

5,3

Alle übrigen Unternehmen

13,8

(130)

Die in dieser Verordnung aufgeführten unternehmensspezifischen Antidumpingzollsätze wurden anhand der Feststellungen dieser Untersuchung festgesetzt. Mithin spiegeln sie die Lage der betroffenen Unternehmen während dieser Untersuchung wider. Im Gegensatz zu den landesweiten Zollsätzen für „alle übrigen Unternehmen“ gelten diese Zollsätze daher ausschließlich für die Einfuhren der Waren, die ihren Ursprung in den betroffenen Ländern haben und von den namentlich genannten juristischen Personen hergestellt werden. Eingeführte Waren, die von anderen, nicht mit Name und Anschrift im verfügenden Teil dieser Verordnung genannten Unternehmen (einschließlich der mit den ausdrücklich genannten Unternehmen verbundenen Unternehmen) hergestellt werden, unterliegen nicht diesen unternehmensspezifischen Zollsätzen, sondern dem für „alle übrigen Unternehmen“ geltenden Zollsatz.

(131)

Etwaige Anträge auf Anwendung dieser unternehmensspezifischen Zollsätze (z. B. infolge einer Namensänderung des betreffenden Unternehmens oder nach Gründung neuer Produktions- oder Verkaufseinheiten) sind umgehend unter Beifügung aller relevanten Informationen an die Kommission zu richten (4); beizufügen sind insbesondere Informationen über etwaige Änderungen der Unternehmenstätigkeit in den Bereichen Produktion, Inlandsverkäufe, Ausfuhrverkäufe im Zusammenhang mit z. B. der Namensänderung oder der Gründung von Produktions- und Verkaufseinheiten. Sofern erforderlich, wird die Verordnung entsprechend geändert und die Liste der Unternehmen, für die unternehmensspezifische Zollsätze gelten, aktualisiert.

(132)

Damit die ordnungsgemäße Anwendung des Antidumpingzolls gewährleistet ist, sollte der residuale Zollsatz nicht nur für die nicht mitarbeitenden ausführenden Hersteller, sondern auch für jene Hersteller gelten, die im UZ keine Ausfuhren in die Union getätigt haben.

(133)

Im Interesse einer ordnungsgemäßen Verwaltung sollte eine Frist festgesetzt werden, innerhalb derer die interessierten Parteien, die sich innerhalb der in der Einleitungsbekanntmachung gesetzten Frist meldeten, ihren Standpunkt schriftlich darlegen und eine Anhörung beantragen können. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Feststellungen zur Einführung von Zöllen im Rahmen dieser Verordnung vorläufig sind und im Hinblick auf etwaige endgültige Maßnahmen möglicherweise überprüft werden müssen —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

(1)   Es wird ein vorläufiger Antidumpingzoll eingeführt auf die Einfuhren von gesättigten Fettalkoholen der C-Kettenlängen C8, C10, C12, C14, C16 und C18 (ohne verzweigte Isomere), einschließlich gesättigter Fettalkohole einer Fraktion (auch als „Einzelfraktionen“ oder „single cuts“ bezeichnet), sowie Fettalkoholgemischen überwiegend der C-Kettenlängenbereiche C6-C8, C6-C10, C8-C10, C10-C12 (gewöhnlich als C8-C10 kategorisiert), Fettalkoholgemischen überwiegend der C-Kettenlängenbereiche C12-C14, C12-C16, C12-C18, C14-C16 (gewöhnlich als C12-C14 kategorisiert) und Fettalkoholgemischen überwiegend des C-Kettenlängenbereichs C16-C18 mit Ursprung in Indien, Indonesien und Malaysia, die derzeit unter den KN-Codes ex 2905 16 85, 2905 17 00, ex 2905 19 00 und ex 3823 70 00 (TARIC-Codes 2905168510, 2905190060, 3823700011 und 3823700091) eingereiht werden.

(2)   Für die in Absatz 1 beschriebene und von den nachstehend aufgeführten Unternehmen hergestellte Ware gelten folgende vorläufige Antidumpingzollsätze auf den Nettopreis frei Grenze der Union, unverzollt:

Land

Unternehmen

Vorläufiger Antidumpingzoll in %

TARIC-Zusatzcode

Indien

VVF Limited, Sion (East), Mumbai

4,8

B110

Alle übrigen Unternehmen

9,3

B999

Indonesien

PT. Ecogreen Oleochemicals, Kabil, Batam

6,3

B111

P.T. Musim Mas, Tanjung Mulia, Medan, Sumatera Utara

4,3

B112

Alle übrigen Unternehmen

7,6

B999

Malaysia

KL-Kepong Oleomas Sdn Bhd, Petaling Jaya, Selangor Darul Ehsan

5,0

B113

Emery Oleochemicals (M) Sdn. Bhd., Kuala Langat, Selangor

5,3

B114

Alle übrigen Unternehmen

13,8

B999

(3)   Die Überführung der in Absatz 1 genannten Ware in den zollrechtlich freien Verkehr in der Europäischen Union ist von der Leistung einer Sicherheit in Höhe des vorläufigen Zolls abhängig.

(4)   Sofern nichts anderes bestimmt ist, finden die geltenden Zollvorschriften Anwendung.

Artikel 2

Unbeschadet des Artikels 20 der Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 des Rates können interessierte Parteien innerhalb eines Monats nach Inkrafttreten dieser Verordnung eine Unterrichtung über die wesentlichen Fakten und Erwägungen beantragen, auf deren Grundlage diese Verordnung erlassen wurde, ihren Standpunkt schriftlich darlegen und eine Anhörung durch die Kommission beantragen.

Nach Artikel 21 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 des Rates können die betroffenen Parteien innerhalb eines Monats nach Inkrafttreten dieser Verordnung Anmerkungen zu deren Anwendung vorbringen.

Artikel 3

Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Artikel 1 gilt für einen Zeitraum von sechs Monaten.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Brüssel, den 10. Mai 2011

Für die Kommission

Der Präsident

José Manuel BARROSO


(1)  ABl. L 343 vom 22.12.2009, S. 51.

(2)  ABl. C 219 vom 13.8.2010, S. 12.

(3)  Die Informationen beruhen auf den überprüften Daten, die vom Wirtschaftszweig der Union in seiner Beantwortung des Fragebogens vorgelegt wurden, und werden in Form von Indexwerten (2007 = 100) oder von Zahlenspannen angegeben, wenn die Vertraulichkeit gewahrt werden muss.

(4)  Europäische Kommission, Generaldirektion Handel, Direktion H, Büro Nerv – 105, 1049 Brüssel, BELGIEN.


11.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 122/63


DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) Nr. 447/2011 DER KOMMISSION

vom 6. Mai 2011

zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (1), insbesondere auf Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Um die einheitliche Anwendung der Kombinierten Nomenklatur im Anhang der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 zu gewährleisten, sind Vorschriften für die Einreihung der im Anhang dieser Verordnung aufgeführten Waren zu erlassen.

(2)

In der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 sind allgemeine Vorschriften für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur festgelegt. Diese Vorschriften gelten auch für die Auslegung jeder anderen Nomenklatur, die die Kombinierte Nomenklatur — auch nur teilweise oder unter etwaiger Hinzufügung von Unterteilungen — übernimmt und die aufgrund besonderer Regelungen der Union aufgestellt wurde, um tarifliche oder sonstige Maßnahmen im Rahmen des Warenverkehrs anzuwenden.

(3)

In Anwendung dieser allgemeinen Vorschriften sind die in Spalte 1 der Tabelle im Anhang dieser Verordnung genannten Waren mit den in Spalte 3 genannten Begründungen in die in Spalte 2 der Tabelle angegebenen KN-Codes einzureihen.

(4)

Es ist angemessen, dass die von den Zollbehörden der Mitgliedstaaten erteilten verbindlichen Zolltarifauskünfte, die die Einreihung von Waren in die Kombinierte Nomenklatur betreffen und die mit dieser Verordnung nicht übereinstimmen, während eines Zeitraums von drei Monaten von dem Berechtigten gemäß den Bestimmungen des Artikels 12 Absatz 6 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (2) weiterverwendet werden können.

(5)

Die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Ausschusses für den Zollkodex —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Die in Spalte 1 der Tabelle im Anhang beschriebenen Waren werden in die Kombinierte Nomenklatur unter die in Spalte 2 der Tabelle genannten KN-Codes eingereiht.

Artikel 2

Die von den Zollbehörden der Mitgliedstaaten erteilten verbindlichen Zolltarifauskünfte, die mit dieser Verordnung nicht übereinstimmen, können gemäß Artikel 12 Absatz 6 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 noch drei Monate weiterverwendet werden.

Artikel 3

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Brüssel, den 6. Mai 2011

Für die Kommission, im Namen des Präsidenten,

Algirdas ŠEMETA

Mitglied der Kommission


(1)  ABl. L 256 vom 7.9.1987, S. 1.

(2)  ABl. L 302 vom 19.10.1992, S. 1.


ANHANG

Warenbezeichnung

Einreihung

(KN-Code)

Begründung

(1)

(2)

(3)

Gefüllte Weinblätter in Dosen, verzehrfertig. Die Ware besteht aus einer Mischung aus Reis, Zwiebeln, Sojaöl, Salz, Zitronensäure, schwarzem Pfeffer, Minze und Dill, eingehüllt in Weinblätter.

Zusammensetzung (in Gewichtshundertteilen/GHT):

Reis: ca. 50

Weinblätter: ca. 15

Zwiebeln: ca. 9

Andere Zutaten: Öl, Salz, Gewürze und Wasser

1904 90 10

Die Einreihung erfolgt gemäß den Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur 1, 3b und 6 sowie nach dem Wortlaut der KN-Codes 1904, 1904 90 und 1904 90 10.

Der Bestandteil, der der Warenzusammenstellung ihren wesentlichen Charakter verleiht, ist der Reis.

Aufgrund ihrer Merkmale ist die Ware daher gemäß der Allgemeinen Vorschrift 3b in die Position 1904 einzureihen.


11.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 122/65


DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) Nr. 448/2011 DER KOMMISSION

vom 6. Mai 2011

zur Eintragung einer Bezeichnung in das Register der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben (Σταφίδα Ηλείας (Stafida Ilias) (g.g.A.))

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 510/2006 des Rates vom 20. März 2006 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (1), insbesondere auf Artikel 7 Absatz 4 Unterabsatz 1,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Der Antrag Griechenlands auf Eintragung der Bezeichnung „Σταφίδα Ηλείας (Stafida Ilias)“ wurde gemäß Artikel 6 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 510/2006 im Amtsblatt der Europäischen Union  (2) veröffentlicht.

(2)

Da bei der Kommission kein Einspruch gemäß Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 510/2006 eingegangen ist, sollte diese Bezeichnung eingetragen werden —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Die im Anhang dieser Verordnung genannte Bezeichnung wird eingetragen.

Artikel 2

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Brüssel, den 6. Mai 2011

Für die Kommission, im Namen des Präsidenten,

Dacian CIOLOŞ

Mitglied der Kommission


(1)  ABl. L 93 vom 31.3.2006, S. 12.

(2)  ABl. C 233 vom 28.8.2010, S. 20.


ANHANG

Für den menschlichen Verzehr bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse gemäß Anhang I AEU-Vertrag:

Klasse 1.6.   Obst, Gemüse und Getreide, unverarbeitet oder verarbeitet

GRIECHENLAND

Σταφίδα Ηλείας (Stafida Ilias) (g.g.A.)


11.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 122/67


DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) Nr. 449/2011 DER KOMMISSION

vom 6. Mai 2011

zur Eintragung bestimmter Bezeichnungen in das Register der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben (Image (Shaanxi ping guo) (g.U.), Image (Longjing Cha) (g.U.), Image (Guanxi Mi You) (g.U.), Image (Lixian Ma Shan Yao) (g.g.A.))

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 510/2006 des Rates vom 20. März 2006 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (1), insbesondere auf Artikel 7 Absatz 4 Unterabsatz 1,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Anträge der Volksrepublik China auf Eintragung der Bezeichnungen „

Image

(Shaanxi ping guo)“, „

Image

(Longjing Cha)“, „

Image

(Guanxi Mi You)“ und „

Image

(Lixian Ma Shan Yao)“ wurden gemäß Artikel 6 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 510/2006 im Amtsblatt der Europäischen Union  (2) veröffentlicht.

(2)

Da bei der Kommission kein Einspruch gemäß Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 510/2006 eingegangen ist, sollten diese Bezeichnungen eingetragen werden —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Die im Anhang dieser Verordnung genannten Bezeichnungen werden eingetragen.

Artikel 2

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Brüssel, den 6. Mai 2011

Für die Kommission, im Namen des Präsidenten,

Dacian CIOLOŞ

Mitglied der Kommission


(1)  ABl. L 93 vom 31.3.2006, S. 12.

(2)  ABl. C 252 vom 18.9.2010, S. 16; ABl. C 254 vom 22.9.2010, S. 6; ABl. C 257 vom 24.9.2010, S. 3; ABl. C 257 vom 24.9.2010, S. 7.


ANHANG

Für den menschlichen Verzehr bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse gemäß Anhang I des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union:

Klasse 1.6.   Obst, Gemüse und Getreide, unverarbeitet oder verarbeitet

VOLKSREPUBLIK CHINA

 

Image (Guanxi Mi You) (g.U.)

 

Image (Lixian Ma Shan Yao) (g.g.A.)

 

Image (Shaanxi ping guo) (g.U.)

Klasse 1.8.   Andere unter Anhang I des Vertrags fallende Erzeugnisse (Gewürze usw.)

VOLKSREPUBLIK CHINA

Image (Longjing Cha) (g.U.)


11.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 122/69


DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) Nr. 450/2011 DER KOMMISSION

vom 10. Mai 2011

zur Festlegung pauschaler Einfuhrwerte für die Bestimmung der für bestimmtes Obst und Gemüse geltenden Einfuhrpreise

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates vom 22. Oktober 2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (Verordnung über die einheitliche GMO) (1),

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1580/2007 der Kommission vom 21. Dezember 2007 mit Durchführungsbestimmungen zu den Verordnungen (EG) Nr. 2200/96, (EG) Nr. 2201/96 und (EG) Nr. 1182/2007 des Rates im Sektor Obst und Gemüse (2), insbesondere auf Artikel 138 Absatz 1,

in Erwägung nachstehenden Grundes:

Die in Anwendung der Ergebnisse der multilateralen Handelsverhandlungen der Uruguay-Runde von der Kommission festzulegenden, zur Bestimmung der pauschalen Einfuhrwerte zu berücksichtigenden Kriterien sind in der Verordnung (EG) Nr. 1580/2007 für die in ihrem Anhang XV Teil A aufgeführten Erzeugnisse und Zeiträume festgelegt —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Artikel 1

Die in Artikel 138 der Verordnung (EG) Nr. 1580/2007 genannten pauschalen Einfuhrwerte sind in der Tabelle im Anhang zur vorliegenden Verordnung festgesetzt.

Artikel 2

Diese Verordnung tritt am 11. Mai 2011 in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Brüssel, den 10. Mai 2011

Für die Kommission, im Namen des Präsidenten,

José Manuel SILVA RODRÍGUEZ

Generaldirektor für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung


(1)  ABl. L 299 vom 16.11.2007, S. 1.

(2)  ABl. L 350 vom 31.12.2007, S. 1.


ANHANG

Pauschale Einfuhrwerte für die Bestimmung der für bestimmtes Obst und Gemüse geltenden Einfuhrpreise

(EUR/100 kg)

KN-Code

Drittland-Code (1)

Pauschaler Einfuhrwert

0702 00 00

JO

78,3

MA

46,2

TN

107,9

TR

82,0

ZZ

78,6

0707 00 05

TR

76,8

ZZ

76,8

0709 90 70

MA

86,8

TR

123,0

ZZ

104,9

0709 90 80

EC

27,0

ZZ

27,0

0805 10 20

EG

51,1

IL

59,9

MA

47,9

TN

54,9

TR

72,0

ZZ

57,2

0805 50 10

TR

49,8

ZZ

49,8

0808 10 80

AR

68,7

BR

72,9

CA

107,1

CL

82,9

CN

102,2

NZ

116,8

US

143,8

UY

71,0

ZA

76,2

ZZ

93,5


(1)  Nomenklatur der Länder gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1833/2006 der Kommission (ABl. L 354 vom 14.12.2006, S. 19). Der Code „ZZ“ steht für „Andere Ursprünge“.


RICHTLINIEN

11.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 122/71


RICHTLINIE 2011/58/EU DER KOMMISSION

vom 10. Mai 2011

zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates zur Erneuerung der Aufnahme des Wirkstoffs Carbendazim

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (1), insbesondere auf Artikel 6 Absatz 1,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Der Zeitraum, für den Carbendazim in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG geführt wird, läuft am 13. Juni 2011 aus.

(2)

Die Aufnahme eines Wirkstoffs kann auf Antrag für einen Zeitraum von höchstens zehn Jahren erneuert werden. Am 6. August 2007 hat die Kommission vom Antragsteller einen entsprechenden Antrag auf Erneuerung der Aufnahme dieses Wirkstoffs erhalten.

(3)

Am 10. Januar 2008 legte der Antragsteller dem berichterstattenden Mitgliedstaat Deutschland Daten zur Unterstützung seines Antrags auf Erneuerung der Aufnahme von Carbendazim vor.

(4)

Der berichterstattende Mitgliedstaat erstellte einen Entwurf eines Neubewertungsberichts, zu dem der Antragsteller am 13. Mai 2009 Stellung nahm und der nach Fertigstellung am 24. Juli 2009 dem Antragsteller und der Kommission vorgelegt wurde. Zusätzlich zur Bewertung des Stoffes enthält der Bericht eine Liste der Studien, auf die sich der berichterstattende Mitgliedstaat bei seiner Bewertung stützte.

(5)

Die Kommission übermittelte der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (nachstehend: die Behörde) und den Mitgliedstaaten am 28. Juli 2009 den Entwurf eines Neubewertungsberichts mit der Bitte um Stellungnahme.

(6)

Auf Ersuchen der Kommission wurde der Entwurf des Neubewertungsberichts einem Peer-Review durch die Mitgliedstaaten und die Behörde unterzogen; am 14. Dezember 2009 nahm der Antragsteller dazu Stellung. Die Behörde stellte der Kommission am 30. April 2010 ihre Schlussfolgerung zum Peer-Review der Risikobewertung für Carbendazim (2) vor. Nachdem der Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme hatte und unter Berücksichtigung seiner Stellungnahme vom 31. Mai 2010 wurden der Entwurf des Neubewertungsberichts und die Schlussfolgerung der Behörde im Rahmen des Ständigen Ausschusses für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit von den Mitgliedstaaten und der Kommission geprüft und am 23. November 2010 in Form des Beurteilungsberichts der Kommission für Carbendazim abgeschlossen.

(7)

Den verschiedenen Untersuchungen zufolge kann davon ausgegangen werden, dass Carbendazim enthaltende Pflanzenschutzmittel auch weiterhin im Allgemeinen die Anforderungen gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a und b der Richtlinie 91/414/EWG erfüllen, insbesondere hinsichtlich der geprüften und in dem Beurteilungsbericht der Kommission genannten Anwendungen. Daher sollte die Aufnahme von Carbendazim in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG erneuert werden, damit sichergestellt ist, dass Pflanzenschutzmittel mit diesem Wirkstoff weiterhin zugelassen werden können, sofern sie der genannten Richtlinie entsprechen. Zusätzlich zu den bei der ersten Aufnahme genannten Anwendungen befürwortet der Antragsteller in seinen Unterlagen für die Erneuerung der Aufnahme die Anwendung auf Futterrüben. Unter Berücksichtigung der vom Antragsteller zusätzlich vorgelegten Daten sollte die Anwendung auf Futterrüben in die Liste der Anwendungen, die zugelassen werden dürfen, aufgenommen werden.

(8)

Nach Artikel 5 Absatz 4 der Richtlinie 91/414/EWG kann die Aufnahme eines Stoffs in Anhang I an Beschränkungen geknüpft sein. Damit dem in der Union angestrebten hohen Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt in angemessener Weise Rechnung getragen wird, müssen die Anwendungen von Carbendazim auf diejenigen beschränkt werden, die tatsächlich bewertet wurden und bei denen davon ausgegangen wird, dass sie die Bedingungen von Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 91/414/EWG erfüllen. Dies bedeutet, dass Anwendungen, die nicht in der Liste der Anwendungen in Anhang I der genannten Richtlinie aufgeführt sind, erst dann zugelassen werden dürfen, wenn sie in die Liste aufgenommen sind. Für die beiden relevanten Verunreinigungen 2-amino-3-Hydroxyphenazin (AHP) und 2,3-Diaminophenazin (DAP) in gewerbsmäßig hergestelltem Carbendazim sollten Höchstgehalte festgelegt werden.

(9)

Unbeschadet der in Erwägungsgrund 8 genannten Schlussfolgerung sollten zu bestimmten Punkten weitere Informationen eingeholt werden. Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 91/414/EWG sieht vor, dass die Aufnahme eines Stoffes in Anhang I an Bedingungen geknüpft sein kann. Daher sollte verlangt werden, dass der Antragsteller weitere Informationen über den aeroben Abbau im Boden, das Langzeitrisiko für Vögel und die Bedeutung einer dritten Verunreinigung (aus Vertraulichkeitsgründen als AEF037197 bezeichnet) vorlegt. Außerdem sollte der Antragsteller aufgefordert werden, die in der Liste des Entwurfs des Neubewertungsberichts vom 16. Juli 2009 (Band 1, Stufe 4 „Weitere Informationen“, S. 155-157) aufgeführten Studien zu prüfen.

(10)

Mehrere Mitgliedstaaten äußerten Bedenken hinsichtlich des Gefahrenprofils dieses Stoffs. Ähnliche Bedenken wurden bei der ersten Aufnahme vorgebracht. Die Unterlagen zur Erneuerung der Aufnahme basieren teilweise auf Toxizitätsdaten, die bei der Bewertung der für die ursprüngliche Aufnahme dieses Stoffs vorgelegten Unterlagen verwendet wurden. Die ursprüngliche Aufnahme war auf einen Zeitraum von drei Jahren begrenzt (3). Berücksichtigt werden sollte außerdem das zunehmende Verständnis dafür, dass ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie der nachhaltige Schutz der Umwelt sicherzustellen sind. Daher sollte der Zeitraum für die erneute Aufnahme auf 3,5 Jahre beschränkt werden.

(11)

Wie bei allen in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG aufgeführten Stoffen könnte der Status von Carbendazim gemäß Artikel 5 Absatz 5 der genannten Richtlinie angesichts neuer Erkenntnisse, wie etwa aus seiner derzeit laufenden Beurteilung im Rahmen der Richtlinie 98/8/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten (4) und aus der Prüfung der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur, überprüft werden.

(12)

Vor der erneuten Aufnahme eines Wirkstoffs in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG sollte eine angemessene Frist eingeräumt werden, um es den Mitgliedstaaten und den Betroffenen zu ermöglichen, sich auf die sich daraus ergebenden neuen Anforderungen vorzubereiten.

(13)

Unbeschadet der in der Richtlinie 91/414/EWG festgelegten Verpflichtungen, die sich aus der erneuten Aufnahme eines Wirkstoffs in Anhang I ergeben, sollte nach der erneuten Aufnahme den Mitgliedstaaten ein Zeitraum von sechs Monaten eingeräumt werden, damit sie die geltenden Zulassungen von Carbendazim enthaltenden Pflanzenschutzmitteln überprüfen können, sodass gewährleistet ist, dass die in der Richtlinie 91/414/EWG, insbesondere in Artikel 13, festgelegten Anforderungen sowie die in Anhang I der genannten Richtlinie enthaltenen relevanten Bedingungen auch weiterhin erfüllt sind. Entsprechend sollten die Mitgliedstaaten Zulassungen erneuern, gegebenenfalls mit Änderungen, oder die Erneuerung ablehnen. Abweichend von der oben genannten Frist sollte für die Übermittlung und Bewertung der aktualisierten vollständigen Unterlagen nach Anhang III für jedes Pflanzenschutzmittel und für jede vorgesehene Anwendung gemäß den in der Richtlinie 91/414/EWG festgelegten einheitlichen Grundsätzen ein längerer Zeitraum vorgesehen werden.

(14)

Daher ist es angezeigt, die Richtlinie 91/414/EWG entsprechend zu ändern.

(15)

Der Ständige Ausschuss für die Lebensmittelkette und die Tiergesundheit hat innerhalb der von seinem Vorsitz festgelegten Frist keine Stellungnahme abgegeben, weshalb die Kommission dem Rat einen Vorschlag über diese Maßnahmen vorlegte. Da der Rat bis zum Ablauf der in Artikel 19 Absatz 2 der Richtlinie 91/414/EWG festgelegten Frist die vorgeschlagenen Maßnahmen weder erlassen noch sich dagegen ausgesprochen hat, werden die Maßnahmen von der Kommission erlassen —

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Artikel 1

Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG wird entsprechend dem Anhang der vorliegenden Richtlinie geändert.

Artikel 2

Die Mitgliedstaaten erlassen und veröffentlichen bis spätestens 30. November 2011 die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie nachzukommen. Sie teilen der Kommission unverzüglich den Wortlaut dieser Rechtsvorschriften mit und fügen eine Tabelle der Entsprechungen zwischen der Richtlinie und diesen innerstaatlichen Rechtsvorschriften bei.

Sie wenden diese Rechtsvorschriften ab dem 1. Dezember 2011 an.

Bei Erlass dieser Vorschriften nehmen die Mitgliedstaaten in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme.

Artikel 3

(1)   Falls erforderlich, ändern oder widerrufen die Mitgliedstaaten gemäß der Richtlinie 91/414/EWG bis zum 1. Dezember 2011 geltende Zulassungen für Pflanzenschutzmittel, die Carbendazim als Wirkstoff enthalten.

Bis zu diesem Datum prüfen sie insbesondere, ob die Bedingungen des Anhangs I der genannten Richtlinie in Bezug auf Carbendazim erfüllt sind, mit Ausnahme der Bedingungen in Teil B des Eintrags zu diesem Wirkstoff, und ob der Zulassungsinhaber Unterlagen besitzt, die gemäß Artikel 13 den Anforderungen des Anhangs II der genannten Richtlinie entsprechen, oder ob er Zugang zu solchen Unterlagen hat.

(2)   Abweichend von Absatz 1 unterziehen die Mitgliedstaaten jedes zugelassene Pflanzenschutzmittel, das Carbendazim entweder als einzigen Wirkstoff oder als einen von mehreren Wirkstoffen enthält, wobei diese Wirkstoffe sämtlich spätestens am 1. Juni 2011 in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG aufgeführt sein mussten, erforderlichenfalls einer Neubewertung nach den einheitlichen Grundsätzen gemäß Anhang VI der Richtlinie 91/414/EWG, um Weiterentwicklungen der wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse Rechnung zu tragen; dabei stützen sie sich auf Unterlagen, die den Anforderungen des Anhangs III der genannten Richtlinie genügen, und berücksichtigen den Eintrag in Anhang I Teil B der genannten Richtlinie in Bezug auf Carbendazim. Sie entscheiden auf der Grundlage dieser Bewertung, ob das Pflanzenschutzmittel die Bedingungen gemäß Artikel 4 Absatz 1 Buchstaben b, c, d und e der Richtlinie 91/414/EWG nach wie vor erfüllt. Nach dieser Bewertung ändern oder widerrufen die Mitgliedstaaten die Zulassung erforderlichenfalls bis spätestens 1. Dezember 2013.

Artikel 4

Diese Richtlinie tritt am 1. Juni 2011 in Kraft.

Artikel 5

Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Brüssel, den 10. Mai 2011

Für die Kommission

Der Präsident

José Manuel BARROSO


(1)  ABl. L 230 vom 19.8.1991, S. 1.

(2)  European Food Safety Authority; Conclusion on the peer review of the pesticide risk assessment of the active substance carbendazim EFSA Journal 2010; 8(5):1598.

(3)  Richtlinie 2006/135/EG der Kommission vom 11. Dezember 2006 zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates zwecks Aufnahme des Wirkstoffs Carbendazim (ABl. L 349 vom 12.12.2006, S. 37).

(4)  ABl. L 123 vom 24.4.1998, S. 1.


ANHANG

In Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG erhält Zeile Nr. 149 folgende Fassung:

Nr.

Gebräuchliche Bezeichnung, Kennnummern

IUPAC-Bezeichnung

Reinheit (1)

Inkrafttreten

Befristung der Eintragung

Sonderbestimmungen

„149

Carbendazim

CAS-Nr. 10605-21-7

CIPAC-Nr. 263

Methyl benzimidazol-2-ylcarbamate

≥ 980 g/kg

Relevante Verunreinigungen

 

2-amino-3-Hydroxyphenazin (AHP): höchstens 0,0005 g/kg

 

2,3-Diaminophenazin (DAP): höchstens 0,003 g/kg

1. Juni 2011

30. November 2014

TEIL A

Nur Anwendungen als Fungizid auf folgenden Kulturen dürfen zugelassen werden:

Getreide

Rapssamen

Zucker- und Futterrüben

Mais

in Dosierungen von höchstens:

0,25 kg Wirkstoff/Hektar je Ausbringung bei Getreide und Rapssamen;

0,075 kg Wirkstoff/Hektar je Ausbringung bei Zucker- und Futterrüben;

0,1 kg Wirkstoff/Hektar je Ausbringung bei Mais.

Folgende Anwendungen dürfen nicht zugelassen werden:

Ausbringung aus der Luft;

Ausbringung mit tragbaren Rücken- und Handgeräten, weder durch Amateur- noch durch professionelle Anwender;

Anwendungen in Haus- und Kleingärten.

Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass alle geeigneten Maßnahmen zur Risikobegrenzung angewandt werden. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei dem Schutz von

Wasserorganismen. Es sind geeignete Maßnahmen zur Begrenzung der Drift zu treffen, damit die Exposition von Oberflächenwasserkörpern auf ein Minimum beschränkt wird. Dazu muss zwischen behandelten Flächen und Oberflächenwasserkörpern ein Abstand gehalten bzw. müssen zusätzlich driftreduzierende Techniken oder Vorrichtungen verwendet werden;

Regenwürmern und anderen Bodenmakroorganismen. Die Zulassungsbedingungen umfassen Maßnahmen zur Risikobegrenzung, die u. a. die Auswahl der am besten geeigneten Kombination von Anzahl und Zeitpunkt der Ausbringungen und erforderlichenfalls den Grad der Konzentration des Wirkstoffs betreffen;

Vögeln (Langzeitrisiko). Abhängig von den Ergebnissen der Risikobewertung bei besonderen Anwendungen können gezielte Maßnahmen zur Risikobegrenzung erforderlich werden, um die Exposition auf ein Minimum zu beschränken;

Anwendern, die geeignete Schutzkleidung tragen müssen. Dazu gehören insbesondere Handschuhe, Overall, Gummistiefel und Gesichtsschutz oder Schutzbrille beim Mischen, Verladen und Ausbringen sowie beim Reinigen der Ausrüstung, sofern die Exposition gegenüber dem Stoff nicht durch Design und Konstruktion der Ausrüstung selbst oder durch Anbringung von Schutzvorrichtungen an der Ausrüstung hinreichend verhindert wird.

TEIL B

Bei der Anwendung der einheitlichen Grundsätze gemäß Anhang VI sind die Schlussfolgerungen des Beurteilungsberichts über Carbendazim und insbesondere dessen Anlagen I und II zu berücksichtigen.

Die betroffenen Mitgliedstaaten verlangen vom Antragsteller die Vorlage folgender Unterlagen bei der Kommission:

bis spätestens 1. Dezember 2011: Informationen über die toxikologische und ökotoxikologische Relevanz der Verunreinigung AEF037197;

bis spätestens 1. Juni 2012: die Prüfung der in der Liste des Entwurfs des Neubewertungsberichts vom 16. Juli 2009 (Band 1, Stufe 4 ‚Weitere Informationen‘, S. 155-157) aufgeführten Studien;

bis spätestens 1. Juni 2013: Informationen über Verbleib und Verhalten (aerober Abbauweg im Boden) und das Langzeitrisiko für Vögel.“


(1)  Weitere Einzelheiten hinsichtlich der Identität und Spezifikation des Wirkstoffs sind dem Beurteilungsbericht zu entnehmen.


BESCHLÜSSE

11.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 122/76


BESCHLUSS DER KOMMISSION

vom 26. Mai 2010

über die von Belgien gewährte staatliche Beihilfe in Form einer Vergleichsvereinbarung über eine Ermäßigung der Mehrwertsteuerschuld zugunsten der Gesellschaft Umicore S.A. (vormals Union Minière S.A.) (Beihilfe C 76/03 (ex NN 69/03))

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2010) 2538)

(Nur der französische und der niederländische Text sind verbindlich)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2011/276/EU)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), insbesondere auf Artikel 108 Absatz 2 erster Unterabsatz,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, insbesondere auf Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a,

nach Aufforderung der Beteiligten zur Äußerung (1) gemäß den genannten Artikeln und unter Berücksichtigung ihrer Stellungnahmen,

in Erwägung nachstehender Gründe:

I.   VERFAHREN

(1)

Die Kommission teilte mit Schreiben vom 11. Februar 2002 den belgischen Behörden mit, dass sie von einer Vereinbarung zwischen der belgischen Steuerbehörde (Inspection Spéciale des Impôts (ISI)) und der belgischen Umicore S.A. (Umicore, vormals Union Minière S.A.) über eine Ermäßigung der Mehrwertsteuerschuld Kenntnis erhalten hatte. In dem Schreiben forderte die Kommission die belgischen Behörden auf, ihr sämtliche zur Würdigung der Vereinbarung nach Artikel 107 und 108 AEUV erforderlichen Angaben vorzulegen (2).

(2)

Die Antwort der belgischen Regierung ging mit Schreiben vom 7. Mai 2002 ein.

(3)

Die Kommission bat mit Schreiben vom 9. August 2002 um weitere Informationen zur Würdigung der Maßnahme. Diese wurden von der belgischen Regierung mit Schreiben vom 18. September 2002 vorgelegt.

(4)

Am 21. Oktober 2003 bat die Kommission die belgischen Behörden um ergänzende Angaben zur Haltung der belgischen Steuerbehörde in Bezug auf die Vereinbarung mit Umicore.

(5)

Am 31. Oktober 2003 informierten die belgischen Behörden die Kommission von der Beschlagnahme der Umicore-Steuerakte sowie sämtlicher die Vereinbarung betreffenden Unterlagen durch die Brüsseler Staatsanwaltschaft, da der zuständige Untersuchungsrichter Lugentz ein Ermittlungsverfahren gegen X in Zusammenhang mit der zwischen der ISI und Umicore geschlossenen Vereinbarung eingeleitet hatte.

(6)

Die Kommission setzte mit Schreiben vom 10. Dezember 2003 Belgien von ihrem Beschluss in Kenntnis, wegen dieser Beihilfe das Verfahren nach Artikel 108 Absatz 2 AEUV einzuleiten.

(7)

Der Beschluss der Kommission über die Eröffnung des Verfahrens wurde im Amtsblatt der Europäischen Union  (3) vom 7. September 2004 veröffentlicht. Die Kommission fordere alle Interessierten zur Äußerung zu der betreffenden Beihilfe auf.

(8)

Da der am 7. September 2004 veröffentlichte Text einen Fehler enthielt, wurde der Beschluss nochmals am 17. November 2004 (4) im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

(9)

Umicore äußerte sich in ihrem Schreiben an die Kommission vom 7. Oktober und 13. Dezember 2004 zur Sache, eine weitere schriftliche Äußerung von einem anonymen Dritten ging am 4. Oktober 2004 bei der Kommission ein.

(10)

Nach der erneuten Veröffentlichung des Beschlusses nahm Belgien mit Schreiben vom 15. Dezember 2004 Stellung.

(11)

Die Stellungnahmen der anderen Beteiligten leitete die Kommission Belgien am 13. Mai 2005 zu. Belgien antwortete darauf am 13. Juni 2005.

(12)

Mit Schreiben vom 12. Dezember 2005 unterrichtete die Kommission Belgien von ihrem Beschluss, die Untersuchungen der Maßnahme auszusetzen, bis eine Entscheidung der Justizbehörden in dem laufenden Verfahren ergangen sei.

(13)

Am 19. Januar 2006 bestätigte Belgien, dass tatsächlich Durchsuchungen in den Räumen der Verwaltung durchgeführt und die gesamte Steuerakte beschlagnahmt worden war, und sagte außerdem zu, die Kommission zu unterrichten, sobald die Entscheidungen der Justizbehörden an die betreffende Verwaltung ergangen seien.

(14)

Mit Schreiben vom 31. März 2008 erbat die Kommission Auskunft über den Stand des Gerichtsverfahrens und ob bzw. wann mit der Rückgabe der beschlagnahmten Unterlagen gerechnet werden könne.

(15)

Belgien antwortete der Kommission mit Schreiben vom 16. Juni 2008 und bestätigte, dass das Gerichtsverfahrens am 13. November 2007 abgeschlossen worden war.

(16)

Am 28. Juli 2008 fand eine Sitzung zwischen den Vertretern der ISI und der Kommission statt; im Anschluss daran wurde den belgischen Behörden eine Fragenliste zu den von den Vertretern der Kommission in der Sitzung aufgeworfenen Punkten per E-Mail zugesandt. Die Antwort der belgischen Behörden ging mit Schreiben vom 9. September 2008 ein.

(17)

Am 17. Oktober 2008 ermahnte die Kommission Belgien ausdrücklich zur Pflicht, bei der Beantwortung der Fragen der Kommission mitzuwirken, und auch die Rückgabe der beschlagnahmten Unterlagen zu verlangen. Gleichzeitig wies die Kommission Belgien in diesem Schreiben darauf hin, dass sie von ihrer Möglichkeit, ein formelles Auskunftsverlangen an Belgien zu richten, Gebrauch machen könne, da ihre vorausgehenden Ersuchen bislang ergebnislos geblieben waren.

(18)

Am 21. Januar 2009 erinnerte die Kommission die belgischen Behörden in einer E-Mail an die noch ausstehende Antwort auf ihr Schreiben vom 17. Oktober 2008. In ihrem Antwortschreiben vom 29. Januar 2009 teilte Belgien mit, dass die ISI entsprechende Schritte eingeleitet habe, um die von der Kommission erbetenen Auskünfte vorzulegen.

(19)

Am 7. Mai 2009 informierte Belgien die Kommission schriftlich, dass die beschlagnahmten Unterlagen der belgischen Steuerbehörde nunmehr wieder vorlägen und derzeit im Hinblick auf die von der Kommission erbetenen Auskünfte geprüft würden.

(20)

Am 6. August 2009 beantwortete Belgien das Auskunftsersuchen der Kommission vom 17. Oktober 2008.

(21)

Auf Verlangen der Kommission übersandte Belgien mit E-Mail vom 22. September 2009 ergänzende Informationen zu einigen geltenden Verwaltungsvorschriften.

II.   AUSFÜHRLICHE BESCHREIBUNG DER BEIHILFE

II.1.   Allgemeiner Hintergrund der Vereinbarung zwischen der ISI und Umicore vom 21. Dezember 2000

(22)

Im Rahmen von Steuerprüfungen, die in verschiedenen Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit Edelmetallgeschäften durchgeführt wurden, nahm die belgische Steuerbehörde, Regionaldirektion Brüssel, eine Kontrolle des Edelmetallverkäufe von Umicore S.A. im Zeitraum 1995 bis 1999 vor. Im Anschluss daran übersandte die ISI Umicore die beiden Steuerbescheide vom 30. November 1998 bzw. 30. April 1999, in denen sie eine fehlerhafte Anwendung der Mehrwertsteuerbefreiung im Zusammenhang mit den Silberverkäufen von Belgien an in Italien, Spanien und der Schweiz niedergelassene Gesellschaften feststellte.

(23)

Die beiden Bescheide beinhalteten insbesondere die vorläufige Festsetzung des Mehrwertsteuerbetrags, den Umicore aufgrund von unrechtmäßigen Mehrwertsteuerbefreiungen schuldete, die Höhe der Steuerstrafe sowie die rechtmäßig seit Entstehung der Mehrwertsteuerschuld angefallenen Verzugszinsen. Beide Bescheide forderten die Steuerpflichtige auf, der ISI innerhalb von 20 Tagen entweder schriftlich die so festgesetzten Steuerbeträge zu bestätigen oder entsprechend begründete Einwände mitzuteilen.

(24)

Daraufhin teilte Umicore der ISI im Juni 1999 in zwei Schreiben ihre Einwände zu den Feststellungen der ISI mit und machte die Rechtmäßigkeit der angewandten Mehrwertsteuerbefreiung geltend. Mit Schreiben vom 23. Dezember 1999 nahm die ISI zu den beiden Schreiben von Umicore Stellung und bekräftigte die Richtigkeit der Feststellungen in den beiden Steuerbescheiden. Die ISI forderte daher das Unternehmen auf, entweder schriftlich die festgesetzte Steuerschuld zu akzeptieren oder neue Aspekte zu ihrer Herabsetzung oder Aufhebung vorzubringen, und gegebenenfalls seinen Verzicht auf die Geltendmachung der bereits verstrichenen Verjährungszeit zur Unterbrechung der Verjährung wegen Beitreibung der Steuerschuld, der Verzugszinsen und Steuerstrafen zu erklären. Am 30. März 2000 legte Umicore ergänzende Argumente vor und wies die Forderungen der ISI wiederum zurück.

(25)

Am 21. Dezember akzeptierte die ISI einen Vereinbarungsvorschlag („Vergleichsvereinbarung“) von Umicore zu den beiden Steuerbescheiden und zur Anwendung der Mehrwertsteuer für den gesamten von der ISI geprüften Zeitraum. Diese Vereinbarung sieht eine erhebliche Verringerung der von Umicore zu zahlenden Steuerschuld gegenüber den in den vorgenannten Steuerbescheiden genannten Beträgen vor.

II.2.   Steuerliche Regelung für innergemeinschaftliche Lieferungen und Ausfuhren von Gütern

(26)

Die MwSt.-Regelung für innergemeinschaftliche Lieferungen und Ausfuhren von Gütern, auf die sich die Vergleichsvereinbarung für die Jahre 1995 bis 1998 stützt, entspricht der Durchführung der Richtlinie 91/680/EWG des Rates (5) im belgischen MwSt.-Recht. Diese Richtlinie sah in Bezug auf die Mehrwertsteuer eine Übergangsregelung und eine Änderung der sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie (6) im Hinblick auf die Beseitigung der Steuergrenzen in der Europäischen Union vor.

1.   Besteuerung der Lieferungen von Gütern

(27)

Artikel 2 Absatz 1 des belgischen Mehrwertsteuergesetzbuches (MwSt.GB) bestimmt: „Die Lieferungen von Gütern und Erbringung von Dienstleistungen, die gegen Entgelt in Belgien von einem Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, bewirkt werden, unterliegen der Steuer.“

(28)

Außerdem heißt es in Artikel 10 MwSt.GB:

„Als Lieferung eines Gutes gilt die Übertragung beziehungsweise der Übergang der Befähigung, wie ein Eigentümer über ein Gut zu verfügen. Es betrifft unter anderem die Zur-Verfügung-Stellung eines Gutes an den Erwerber oder Zessionar in Ausführung eines Übertragungs- oder Feststellungsvertrags.“

(29)

Weiterhin heißt es in Artikel 15 MwStGB:

„§ 1 —   Eine Lieferung von Gütern erfolgt in Belgien, wenn der gemäß den Paragraphen 2 bis 6 bestimmte Ort in Belgien liegt.

§ 2 —   Als Ort einer Lieferung von Gütern gilt der Ort, an dem das Gut dem Erwerber oder dem Zessionar zur Verfügung gestellt wird.

Als Ort der Lieferung gilt jedoch:

1.

der Ort, an dem der Versand oder die Beförderung an den Erwerber beginnt, wenn das Gut vom Lieferer, vom Erwerber oder von einer Drittperson versandt oder befördert wird;

(…)

§ 7 —   Außer bei Beweis des Gegenteils gilt für die Lieferung eines beweglichen Gutes, dass sie in Belgien erfolgt, wenn eine der von der Lieferung betroffenen Parteien zum Zeitpunkt der Lieferung dort den Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Wohnort hat.“

(30)

Eine Lieferung von Gütern (deren Beförderung in Belgien beginnt) unterliegt daher grundsätzlich in Belgien der Steuer. Ist eine der an der Transaktion beteiligten Parteien in Belgien ansässig, führt das Gesetz eine Rechtsvermutung ein und geht von der Lieferung in Belgien aus.

2.   Mehrwertsteuerschuld

(31)

Nach Artikel 51 Absatz 1 MwStGB wird die Steuer von dem Steuerpflichtigen geschuldet, der in Belgien eine steuerpflichtige Lieferung von Gütern oder eine steuerpflichtige Dienstleistung bewirkt.

3.   Ausfuhren

(32)

Artikel 39 Absatz 1 MwStGB sieht eine Mehrwertsteuerbefreiung für Ausfuhren vor und legt fest: „Steuerfrei sind: 1. Lieferungen von Gütern, die vom Verkäufer oder für dessen Rechnung nach Orten außerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden; 2. Lieferungen von Gütern, die von einem nicht in Belgien ansässigen Käufer oder für dessen Rechnung nach Orten außerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden (….).“

(33)

Nach Artikel 39 Absatz 3 MwStGB hat der Königliche Erlass Nr. 18 vom 29. Dezember 1992 (K. E. Nr. 18) im belgischen Recht die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung bei der Ausfuhr von Gütern aus Belgien nach Orten außerhalb der Gemeinschaft (7) festgelegt.

4.   Innergemeinschaftliche Lieferungen

(34)

Artikel 39bis MwStGB sieht ab dem 1. Januar 1993 vor: „Steuerfrei sind: 1. Lieferungen von Gütern, die vom Verkäufer, (…), vom Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb Belgiens, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen beziehungsweise an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, die als solche in einem anderen Mitgliedstaat handeln und die verpflichtet sind ihre innergemeinschaftlichen Erwerbe von Gütern dort der Steuer zu unterwerfen (…).“

(35)

Nach dem belgischen Steuerrecht müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein, um die in Artikel 39bis MwStGB vorgesehene Steuerbefreiung rechtmäßig anzuwenden. Artikel 1 des Königlichen Erlasses Nr. 52 vom 29. Dezember 1992 (K. E. Nr. 52) bestimmt, dass die in Artikel 39 MwStGB vorgesehenen Steuerbefreiungen dem Nachweis unterliegen, dass die Güter nach Orte außerhalb von Belgien aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert wurden („Les exemptions de la taxe prévues par l’article 39 bis du Code sont subordonnées à la preuve que les biens ont été expédiés ou transportées en dehors de la Belgique mais à l’intérieur de la Communauté...“). Artikel 2 K. E. Nr. 52 sieht als weitere Voraussetzung für die Steuerbefreiung vor, dass die Lieferung an einen Steuerpflichtigen erfolgt, der in einem anderen Mitgliedstaat mehrwertsteuerpflichtig registriert ist („(elle) est en outre subordonnée à la preuve que la livraison est effectuée pour un assujetti … identifié à la taxe sur la valeur ajoutée dans un autre état membre“). Und Artikel 3 Absatz 1 K. E. Nr. 52 bestimmt, dass der Veräußerer immer im Besitz aller Dokumente zum Nachweis für die tatsächliche Ausfuhr oder Beförderung der Güter sein muss („Le vendeur doit être à tout moment en possession de tous les documents justifiant la réalité de l’expédition ou du transport des biens ….“). In diesem Zusammenhang weist die auszugsweise im Belgischen Staatsblatt Nr. 36 vom 20. Februar 1993 veröffentlichte Pressemitteilung die Abgabenpflichtigen darauf hin, dass die Beförderung durch den Verkäufer, den Erwerber oder für ihre Rechnung erfolgen muss. Dies bedeutet, dass bei einer Beförderung durch einen Abnehmer oder für dessen Rechnung (zum Beispiel bei sog. Kettenverkäufen, wo die Beförderung durch den Endabnehmer erfolgt) keine Befreiung für die Lieferungen, die der Lieferung an diesen Endabnehmer vorausgehen, möglich ist („“… le transport doit être effectué par le vendeur, par l’acquéreur ou pour leur compte. Ceci a pour conséquence qu’un transport effectué par ou pour compte d’un client subséquent (par exemple lors de ventes en chaîne où le transport est effectué par le client final) ne permettra pas d’exonérer les livraisons précédant la livraison à ce dernier client.“)

(36)

Die Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung setzt voraus, dass der Steuerpflichtige unter anderem nachweist, dass die Beförderung durch den Verkäufer, den Erwerber oder für ihre Rechnung bewirkt wurde (8).

(37)

Werden die Voraussetzungen für die Steuerbefreiungen im Sinne der Artikel 39 und 39bis MwStGB nicht erfüllt, müssen die Güter in Belgien versteuert werden und die Steuerschuld entsteht allein durch den Eintritt der Lieferung (9). Die belgische Steuerverwaltung ist jedoch bereit, nach dem Grundsatz eines fairen Verfahrens gegenüber dem Steuerpflichtigen auch dann die Steuerbefreiung im Sinne dieser Artikel anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige nicht in der Lage ist, alle Nachweise für die Einhaltung der Voraussetzungen für die Steuerbefreiung zu erbringen, die Steuerverwaltung aber selbst über diese Nachweise zum Beispiel im Rahmen der Amtshilfe zwischen Mitgliedstaaten oder Drittländern verfügt.

5.   Sachverhaltsgerechte Besteuerung

(38)

Nach ständiger Rechtsprechung des belgischen Kassationshofes (Cour de Cassation/Hof van Cassatie) ist die Steuer (so auch die Mehrwertsteuer) auf der Grundlage des Sachverhalts festzusetzen (10). Entsprechend diesem Grundsatz ist die Verwaltung gehalten, der Besteuerung nicht das vom Abgabenpflichtigen dargelegte Scheingeschäft, sondern das tatsächliche (von den Beteiligten beabsichtigte) Geschäft zugrunde zulegen.

6.   Verfahren

(39)

Beanstandet die Verwaltung die Mehrwertsteuerbefreiungen für die betreffenden Lieferungen, sendet sie dem Steuerpflichtigen einen im Allgemeinen mit einer Geldbuße belegten Steuerbescheid (11) zu.

7.   Vergleichsvereinbarung mit dem Steuerpflichtigen

(40)

Artikel 84 Absatz 2 MwStGB sieht vor, dass der Minister der Finanzen mit den Steuerschuldnern Vergleiche schließt, insofern dies nicht eine Steuerbefreiung oder Steuerermäßigung zur Folge hat. Diese Vergleiche können sich demnach nur auf Sachfragen, jedoch nicht auf Rechtsfragen beziehen. Vergleichsvereinbarungen kommen im Allgemeinen nur in Betracht, wenn beide Parteien gleichermaßen Zugeständnisse (12) (nicht in Bezug auf die sich möglicherweise aus den Feststellungen ergebende Steuerhöhe, sondern auf Sachfragen, die Verhängung der Geldbußen usw.) machen.

(41)

Der Minister der Finanzen hat entsprechende Befugnisse auf die Generaldirektionen der Mehrwertsteuerverwaltung und die ISI übertragen.

8.   Verhängung von administrativen Geldbußen

(42)

Die Verhängung von Geldbußen, wenn das Recht auf Steuerbefreiung nicht nachgewiesen wurde, wird durch Artikel 70 Absatz 1 MwStGB bestimmt. Demnach wird jeder Verstoß gegen die Verpflichtung zur Zahlung der Mehrwertsteuer mit einer gestaffelten Geldbuße in Höhe des Doppelten der verspätet gezahlten oder hinterzogenen Steuer geahndet. Allerdings sieht der Königliche Erlass Nr. 41 vom 30. Januar 1987 (K. E. 41) eine Verringerungstabelle für die gestaffelten Geldbußen bei steuerrechtlichen Verstößen vor. Nach Artikel 1 Absatz 1 K. E. Nr. 41 verringert sich bei Verstößen gegen die Artikel 39bis MwStGB (unrechtmäßige Befreiung oder nicht nachgewiesenes Recht auf Steuerbefreiung) diese Geldbuße auf 10 % der geschuldeten Steuer (Tabelle G der Anlage). Dieselbe gestaffelte Geldbuße wird für gleichgeartete Verstöße bei der Anwendung von Artikel 39 MwStGB verhängt.

(43)

Auch sieht Artikel 70 Absatz 2 MwStGB eine Geldbuße vor, die dem Doppelten der auf diesen Umsatz geschuldeten Steuer entspricht, wenn die Rechnung nicht ausgestellt worden ist oder sie fehlerhafte Angaben in Bezug auf Mehrwertsteueridentifikationsnummer, Name oder Anschrift der am Umsatz beteiligten Personen enthält. Nach Artikel 70 Absatz 2 Unterabsatz 2 wird die Geldbuße jedoch nicht angewandt, wenn Unregelmäßigkeiten als rein gelegentlich anzusehen sind (13), oder wenn der Lieferer keine schwerwiegenden Gründe hatte, an der Eigenschaft des Vertragspartners als Nichtsteuerpflichtiger zu zweifeln (14).

(44)

K. E. Nr. 41 (15) sieht im Fall von fehlerhaften Angaben auf der Rechnung eine Verringerung der Geldbuße auf 100 % der auf die Umsätze geschuldeten Steuer vor. Artikel 3 desselben gewährt vollständigen Erlass der Geldbußen, wenn ein Steuerschuldner seine Lage spontan in Ordnung bringt, bevor eine Steuerverwaltung eingreift.

9.   Verhältnismäßigkeit der Geldbußen

(45)

In einem Urteil vom 24. Februar 1999 (16) entschied der belgische Schiedsgerichtshof (Cour d’Arbitrage) (17), dass der Richter nachprüfen können muss, „ob eine Verwaltungsentscheidung mit Bestrafungscharakter de jure und de facto gerechtfertigt ist und ob sie die durch die Verwaltung zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen und allgemeinen Grundsätze, zu denen auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gehört, respektiert.“ Diesbezüglich war der Hof auch der Ansicht, dass Geldbußen im Bereich Mehrwertsteuer Bestrafungscharakter haben.

(46)

In einer jüngeren Rechtsprechung hat der belgische Kassationshof (18) außerdem bestätigt, dass sowohl die zuständige Steuerverwaltung als auch der Richter gehalten sind, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf die Höhe der Geldbußen anzuwenden, auch dann, wenn dadurch von festen Sätzen abgewichen wird.

10.   Möglichkeit der Herabsetzung oder des Erlasses der Geldbußen durch die Verwaltung

(47)

Nach Inkrafttreten des Gesetzes vom 15. März 1999 über steuerrechtliche Streitsachen entfielen die Bestimmungen des MwSt.-Gesetzbuches (19), die dem Minister der Finanzen die Befugnis zum Erlass von Geldbußen verliehen. Allerdings bleibt auf der Grundlage von Artikel 9 des Erlasses des Regenten vom 18. März 1831 (20) die Befugnis des Ministers der Finanzen oder des von ihm hierzu beauftragten Beamten zur Ermäßigung oder zum Erlass der Geldbuße gewahrt. Der Minister hat diese Befugnis dem Generaldirektor und den Regionaldirektoren (21) der Mehrwertsteuerverwaltung übertragen (22).

(48)

Nach dieser Bestimmung hat die Verwaltung grundsätzlich die Möglichkeit, bei der Verhängung einer Geldbuße im Bereich der Mehrwertsteuer von den gesetzlich vorgegebenen Bemessungsstufen der Tabelle, wie sie Artikel 70 Absatz 2 MwStGB und K. E. Nr. 41 vorsehen, abzuweichen, insbesondere wenn die strenge Anwendung dieser Bemessungsstufen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit widerspricht.

(49)

Kommt eine Verringerung der Geldbuße in Betracht, wäre es im Falle einer gütlichen Vereinbarung zwischen der Steuerverwaltung und dem Steuerschuldner normal, auch die Geldbuße und entsprechende Verhandlungen in diese Vereinbarung einzubeziehen.

11.   Verzugszinsen

(50)

Nach Artikel 91 Absatz 1 MwStGB wird für verspätet eingehende Steuerzahlungen ein Zinssatz von 0,8 % der geschuldeten Steuer pro Monat Verspätung berechnet. Artikel 84bis MwStGB bestimmt, dass in besonderen Fällen der zuständige Regionaldirektor unter den von ihm bestimmten Bedingungen eine vollständige oder teilweise Befreiung von den Zinsen nach Artikel 91 Absätze 1 und 2 MwStGB bewilligen darf.

(51)

Aus den administrativen Kommentaren zum MwSt.-Gesetzbuch (23) geht allerdings hervor, dass eine solche teilweise oder vollständige Befreiung von den Verzugszinsen nur dann bewilligt werden kann, wenn der Steuerpflichtige sich in einer von seinem Einfluss unabhängigen schwierigen finanziellen Situation befindet. Diese Haltung bestätigt Belgien in seinem Schreiben vom 13. Juni 2005 in Bezug auf die Bemerkungen von Drittpersonen und führt aus, dass die Regionaldirektoren der ISI zu keiner Zeit in einer Steuersache vollständige oder teilweise Befreiung von den Verzugszinsen bewilligt haben und außerdem eine solche Bewilligung nur den Steuerschuldnern gewährt werde, die sich in einer schwierigen finanziellen Situation befinden (“… les directeurs régionaux de l’ISI n’ont jamais pour aucun dossier accordé la remise totale ou partielle des intérêts de retard. En outre, cette remise n’est accordée qu’aux redevables qui se trouvent dans une situation financière difficile (…)“).

12.   Erstattung

(52)

Artikel 77 Absatz 1 Ziffer 7o MwStGB bestimmt, dass die Steuer auf Lieferungen von Gütern (oder Dienstleistungen) bei Verlust der gesamten oder eines Teils der Preisforderung im Verhältnis zu dem entsprechenden Betrags erstattet wird.

(53)

Das Rundschreiben Nr. 78 zu den Erstattungen im Bereich der Mehrwertsteuer (24) weist darauf hin, dass eine Erstattung nicht nur im Fall von Verlust der Preisforderung durch Konkurs oder Liquidation vorgesehen ist, sondern auch in allen Fällen, in denen der Lieferer nachweist, dass die Rechnung teilweise oder insgesamt nicht bezahlt wurde und er alle Mittel des Rechtswegs ausgeschöpft hat. Die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Verlust als sicher gelten kann, hängt von den tatsächlichen Umständen des jeweiligen Falls ab (25).

(54)

Wird die Rechnung nur teilweise beglichen, weil beispielsweise der Rechnungsbetrag vom Erwerber ohne Mehrwertsteuer bezahlt und gleichzeitig ein der Mehrwertsteuer entsprechender Betrag nicht entrichtet wurde, kann die Mehrwertsteuer nur anteilsmäßig im Verhältnis zu dem nicht bezahlten Betrag (26) erstattet werden (27).

13.   Absetzbarkeit der Mehrwertsteuer bei der Körperschaftsteuerveranlagung

(55)

Artikel 53 des Einkommensteuergesetzbuches 1992 (EStGB 1992/CIR 92) schließt die Absetzbarkeit bei der Berechnung der Besteuerungsgrundlage für die Einkommensteuer (einschließlich Körperschaftsteuer) für bestimmte Steuern aus. Die Mehrwertsteuer wird darunter jedoch nicht genannt.

(56)

Nach den administrativen Anweisungen zur Einkommensteuer (28) ist die vom Abgabenpflichtigen an das Finanzamt entrichtete oder geschuldete Mehrwertsteuer, die nicht als Mehrwertsteuer an den Kunden weitergegeben wurde, als Betriebskosten zu betrachten.

14.   Absetzbarkeit der Geldbußen bei der Körperschaftsteuerveranlagung

(57)

Wie es der belgische Kassationshof in ständiger Rechtssprechung und die administrativen Kommentare (29) bestätigen, können die Geldbußen im Bereich der Mehrwertsteuer bei der Körperschaftsteuerveranlagung in Abzug gebracht werden.

15.   Befugnis der ISI

(58)

Nach Artikel 87 des Gesetzes vom 8. August 1980 verfügen die ISI und ihre Regionaldirektoren über dieselben Befugnisse wie die Verwaltung der Mehrwertsteuer.

II.3.   Die Begünstigte

(59)

Umicore S.A. ist eine Aktiengesellschaft belgischen Rechts und spezialisiert auf die Gewinnung und den Vertrieb von Edel- und Sondermetallen, unter anderem Silbergranulat, auf dem Unionsmarkt und dem internationalen Markt. Insbesondere zählen ihre Silber-Raffineriekapazitäten zu den größten weltweit.

(60)

Das von Umicore gewonnene Silber wird von anderen Werkstoffen, überwiegend industriellen Abfällen, getrennt, die das Unternehmen im Lohnveredelungsgeschäft zur Wiedergewinnung von Edel- und Sondermetallen (Silber, Gold, Platin, Palladium, Rhodium, Iridium, Kobalt, Kupfer, Blei usw.) aufbereitet bzw. der Entsorgung zuführt. Das Hauptgeschäft von Umicore ist die Gewinnung von Silbergranulat, das im Allgemeinen an den Großhandel der Schmuckfertigung oder an die Industrie vertrieben wird.

(61)

Im Rahmen ihrer Silberverkaufsgeschäfte beliefert Umicore insbesondere andere Mitgliedstaaten. Die der belgischen Steuerverwaltung vorliegenden Informationen von Umicore belegen, dass das Silberabsatzvolumen zur Zeit des Sachverhalts weltweit etwa 26 000 Tonnen pro Jahr betrug und Italien mit etwa 2 000 Tonnen jährlich der größte Abnehmer in Europa und unter den Hauptmärkten war.

II.4.   Kontrollen und Steuerbescheide der ISI

(62)

Die Regionaldirektion Brüssel der ISI hatte nach einer Kontrolle des Edelmetallvertriebs von Umicore von 1995 bis 1999 dem Unternehmen am 30. November 1998 und am 30. April 1999 einen Steuerbescheid zugesandt. In beiden Steuerbescheiden beanstandete sie die unrechtmäßige Anwendung von Steuerbefreiungen im Sinne von Artikel 39bis MwStGB (und in einigen Fällen im Sinne von Artikel 39 MwStGB betreffend die Befreiung von Ausfuhren von Gütern nach Orten außerhalb der Europäischen Union) im Zusammenhang mit Lieferungen von Silbergranulat nach Italien für italienische, spanische und schweizerische Abnehmer. Die von den zuständigen nationalen Dienststellen durchgeführten Untersuchungen brachten zudem ans Licht, dass es sich bei einigen ausländischen Abnehmern von Umicore um Scheinunternehmen handelte, die im Rahmen eines Karusselbetrugssystems die Mehrwertsteuerzahlungen zu umgehen suchten.

(63)

Die von der ISI festgestellten Unregelmäßigkeiten verletzen insbesondere die Artikel 39 und 39bis MwStGB sowie die Artikel 1 bis 3 K. E. Nr. 52 und betreffen die von Umicore auf einige innergemeinschaftliche Lieferungen und Ausfuhren angewandte Befreiungen. Die Verwaltung war insbesondere der Ansicht, dass der Steuerpflichtige für diese Lieferungen nicht den Nachweis für die Erfüllung der Voraussetzung für die Anwendung der Steuerbefreiung im Sinne der Artikel 39 und 39bis MwStGB erbringen konnte. Die ISI ging daher vorläufig davon aus, dass Umicore unberechtigterweise bestimmte innergemeinschaftliche Lieferungen bzw. Ausfuhren von der Mehrwertsteuer befreit hatte.

(64)

Was speziell bestimmte Verkäufe an verschiedene italienische und spanische Steuerpflichtige (im Zeitraum 1995-1996) betrifft, kam die ISI zu dem (vorläufigen) Schluss, dass die Beförderung der Ware weder von Umicore noch von dem auf der Rechnung angegebenen Erwerber, noch für ihre Rechnung vorgenommen worden war, sondern von einem Abnehmer in der Absatzkette auf dem italienischen Markt. Nach Auffassung der ISI erfüllten die betreffenden Lieferungen demnach nicht die Voraussetzungen von Artikel 39bis MwStGB für die Befreiung von innergemeinschaftlichen Lieferungen von Gütern.

(65)

Auch was bestimmte Verkäufe an in der Schweiz niedergelassene Unternehmen betrifft, gelangte die ISI zu der Auffassung, dass die in Artikel 39 MwStGB vorgesehene Befreiung für Ausfuhren von Gütern außerhalb des Unionsgebiets ebenfalls nicht anwendbar war, da die Lieferungen der Güter nach Italien erfolgten und somit das Hoheitsgebiet der Union nicht verlassen hatten.

(66)

Die ISI kam demzufolge in ihrem Bescheid vom 30. November 1998 vorläufig zu dem Ergebnis, dass Umicore dem belgischen Staat für die Jahre 1995 und 1996 folgende Beträge schuldete:

MwSt.: 708 211 924 BEF, das entspricht etwa 17 556 115 EUR;

verringerte Steuerstrafe (nach Tabelle G der Anlage zu K. E. Nr. 41): 70 820 000 BEF, das entspricht etwa 1 755 582 EUR;

Verzugszinsen: 0,8 % pro Monat Verspätung ab dem 21. Januar 1997, gerechnet auf den Betrag der geschuldeten MwSt.

(67)

In dem Bescheid vom 30. April 1999 kam die ISI zudem vorläufig zu dem Ergebnis, dass Umicore dem belgischen Staat für die Jahre 1997-1998 die folgenden Beträge schuldete:

MwSt.: 274 966 597 BEF, das entspricht etwa 6 816 243 EUR;

verringerte Steuerstrafe (nach Tabelle G der Anlage zu K. E. Nr. 41): 27 496 000 BEF, das entspricht etwa 681 608 EUR;

Verzugszinsen in Höhe von 0,8 % pro Monat Verspätung ab dem 21. Januar 1999, gerechnet auf den Betrag der geschuldeten Mehrwertsteuer.

(68)

Die Beträge, die Umicore dem belgischen Staat laut den beiden Steuerbescheiden insgesamt schuldete, beliefen sich folglich auf 24 372 358 EUR an Mehrwertsteuer und 2 437 235 EUR an Steuerstrafe.

(69)

Mit ihren Schreiben vom 11., 18. Juni 1999 und 31. März 2000 erhob Umicore Einspruch gegen die beiden Bescheide. Umicore erklärte insbesondere, nichts mit den Unregelmäßigkeiten auf Seiten seiner Kunden zu tun zu haben. Das Unternehmen führte zu seiner Verteidigung aus, dass es als Großhändler auf dem Silbergranulatmarkt nicht zwangsläufig die Namen der Kunden seiner Abnehmer kenne, da die Verkaufsgeschäfte für Silber immer „ab Werk“ erfolgten, um Transportrisiken auszuschließen. Umicore machte außerdem geltend, dass alle ihre Abnehmer während des Zeitraums, in dem die Umsätze getätigt wurden, in anderen Mitgliedstaaten mehrwertsteuerpflichtig registriert waren, dass Umicore in ihren Quartalsmeldungen zu den innergemeinschaftlichen Lieferungen immer alle betreffenden Lieferungen entsprechend dem belgischen MwSt.-Gesetz angegeben hatte, dass die Rechnungen von Umicore immer nach den Geschäftbedingungen auf den Namen der mehrwertsteuerpflichtig registrierten Empfänger lauteten, dass die Transporte tatsächlich von Spezialspeditionen durchgeführt worden waren, die Ware tatsächlich das belgische Hoheitsgebiet verlassen hatte und nach Italien geliefert worden war. Demzufolge war Umicore der Auffassung, dass die Mehrwertsteuerbefreiung nach Artikel 39bis MwSt.GB zu Recht auf die betreffenden Umsätze angewandt worden war.

(70)

Des Weiteren hatte Umicore betont, dass einige Staaten lediglich den Nachweis für eine Beförderung der Güter in einen anderen Mitgliedstaat als den Ausgangsstaat verlangten. Belgien dagegen fordere den Nachweis für die Beförderung durch oder auf Rechnung des Verkäufers oder Erwerbers, was dem Unionsrecht widerspreche und schwere Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil von Umicore und anderen belgischen Unternehmen zur Folge habe, die gleichartige innergemeinschaftliche Lieferungen durchführten. Umicore habe also in gutem Glauben keine Mehrwertsteuer auf die fraglichen Umsätze erhoben.

II.5.   Begründung der Vergleichsvereinbarung vom 21. Dezember 2000

(71)

Am 21. Dezember 2000 akzeptierte die ISI einen Vergleichsvorschlag von Umicore in Bezug auf deren Mehrwertsteuerschuld der Jahre 1995 bis 1998. In der Vereinbarung heißt es, dass Umicore den von der ISI geforderten Berichtigungen widerspricht, aber den vorgeschlagenen Vergleich im Sinne eines Kompromisses akzeptiert.

(72)

Danach sollte Umicore einen Betrag von 423 000 000 BEF (ca. 10 485 896 EUR) zahlen womit sämtliche Forderungen im Zusammenhang mit den Mehrwertsteuerkonten von Umicore von 1995 bis einschließlich 1999 als beglichen gegolten hätten. Weiterhin weist die Vereinbarung darauf hin, dass dieser Betrag nicht bei der Körperschaftsteuerveranlagung absetzbar ist.

(73)

Wie von Belgien bereits in der Voruntersuchungsphase vor Eröffnung des Verfahrens vorgetragen hatte, ist die Steuerverwaltung der Ansicht, dass der Vergleichsbetrag einer nach Artikel 70 Absatz 2 MwSt.GB festgesetzten und nach Artikel 84 MwStGB verringerten Geldbuße entspricht. Artikel 70 Absatz 2 insbesondere besagt, dass bei fehlerhaften Angaben auf der vom Steuerpflichtigen erstellten Rechnung „in Bezug auf Mehrwertsteueridentifikationsnummer, Name oder Adresse der am Umsatz beteiligten Parteien, in Bezug auf Art oder Menge der gelieferten Güter oder der erbrachten Dienstleistungen oder in Bezug auf Preis oder Nebenkosten“ eine Geldbuße verwirkt wird, die dem Doppelten der auf diesen Umsatz geschuldeten Steuer entspricht. Die Geldbuße wird jedoch entsprechend Artikel 1 Absatz 3 K. E. Nr. 41 (Tabelle C der Anlage zu K. E. 41) auf 100 % der geschuldeten Steuer verringert.

(74)

Weiterhin behauptet Belgien, dass der von Umicore und der ISI festgesetzte Vergleichsbetrag nach dem belgischen Recht absolut legitim und gerechtfertigt sei und sich insbesondere aus der folgenden Berechnung ergebe:

grundsätzlich geschuldete Steuer (theoretische Berechnung) auf die fraglichen Umsätze: 708 Mio. BEF;

gesetzliche Geldbuße: 708 Mio. BEF × 200 % = 1 416 Mio. BEF (Anwendung von Art. 70 Abs. 2 MwStGB);

Verringerung auf 100 %, nach K. E. Nr. 41 (Tabelle C) zur Festsetzung der Geldbußen im Bereich der Mehrwertsteuer, bei Verstößen, bei denen keine Absicht im Hinblick auf eine Steuerumgehung bzw. eine Möglichkeit der Steuerumgehung vorliegt: 708 Mio. BEF;

Berücksichtigung der Nicht-Absetzbarkeit der Geldbuße als Geschäftskosten (708-40,17 % von 708): 423 Mio. BEF, ergibt ca. 10 485 896 EUR.

(75)

Nach Auffassung Belgiens ist eine solche Vereinbarung gerechtfertigt, weil die Steuerbescheide lediglich den ersten Schritt in einem komplexen Verwaltungsverfahren zur Festsetzung der Steuerschuld einer mehrwertsteuerpflichtigen Person darstellen. Eine genauere Prüfung der Angaben und Argumente von Umicore, das im Übrigen jeglichen Betrugsvorwurf zurückweise, habe die ISI davon überzeugt, dass im vorliegenden Fall keine Steuer hätte eingefordert werden dürfen. Aus den vorliegenden Angaben, insbesondere auch aus den von Umicore und der italienischen Verwaltung übermittelten Unterlagen, gehe — so die ISI — hervor, dass — entgegen dem Tenor der Bescheide — die Voraussetzungen für die Mehrwertsteuerbefreiung erfüllt waren. Da kein Steuerbetrag festgesetzt worden sei, habe auch keine Herabsetzung der MwSt.-Schuld stattgefunden.

III.   GRÜNDE, DIE ZUR ERÖFFNUNG DES VERFAHRENS GEFÜHRT HABEN

(76)

In ihrem Verfahrenseröffnungsbeschluss äußerte die Kommission Zweifel an der rechtmäßigen Anwendung der Mehrwertsteuerbefreiung auf die in den Steuerbescheiden der ISI gegenständlichen Lieferungen. Nach Auffassung der Kommission vergrößere eine unrechtmäßig angewandte Mehrwertsteuerbefreiung die Gewinnspanne des Lieferers auf die betreffenden Absätze.

(77)

Die Kommission wies darauf hin, dass folgende beiden Voraussetzungen gegeben sein müssen, um eine — grundsätzlich in Belgien steuerpflichtige — innergemeinschaftliche Lieferung von Gütern von der Steuer zu befreien:

Die Versendung oder Beförderung der Güter muss durch den Verkäufer oder Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orte erfolgen, die außerhalb des Hoheitsgebiets des Mitgliedstaats des Beginns der Versendung oder Beförderung jedoch innerhalb der Union liegen, und

die Lieferung von Gütern muss für eine andere steuerpflichtige Person erfolgen, die als solche der Steuerpflicht in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns der Versendung oder Beförderung unterworfen ist.

(78)

Nach Kenntnis der Kommission konnte Umicore bei den Kontrollen der ISI nicht nachweisen, dass diese Voraussetzungen erfüllt waren. Folglich und entsprechend den Vorschriften über die Anwendung der Mehrwertsteuer auf Lieferungen in Belgien entstand eine Steuerschuld, da steuerpflichtige Umsätze eingetreten waren.

(79)

Nach Auffassung der Kommission gewährt die betreffende Vereinbarung Umicore anscheinend einen Vorteil, der in der Verringerung von Finanzlasten besteht, die das Unternehmen normalerweise selbst hätte tragen müssen:

(80)

Die Kommission hob außerdem hervor, dass es unlogisch und ungerechtfertigt sei, einerseits eine Geldbuße entsprechend der nicht bezahlten Mehrwertsteuer zu verhängen und andererseits die Mehrwertsteuer selbst nicht zu verlangen.

(81)

Die Kommission ist der Auffassung, dass die mutmaßlich fehlende betrügerische Absicht seitens Umicore nicht rechtfertige, anstatt der Steuer eine Geldbuße anzuwenden.

(82)

Weiterhin hob die Kommission hervor, dass der bei der Berechnung der gestaffelten Geldbuße zugrunde gelegte Mehrwertsteuerbetrag (708 Mio. BEF) nur einen Teil der ursprünglich in den Steuerbescheiden festgesetzten Schuld (983 Mio. BEF) ausmacht. Aus den Angaben der belgischen Behörden zur Berechnung des Vergleichsbetrags geht hervor, dass die in dem Steuerbescheid vom 30. April 1999 festgestellte Mehrwertsteuerschuld für die Jahre 1997-1998 anscheinend nicht berücksichtigt wurde.

(83)

Die Kommission äußerte auch Zweifel an der Rechtmäßigkeit der nachträglichen Herabsetzung der fraglichen Steuerschuld unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Geldbuße bei der Körperschaftsteuerveranlagung nicht als Geschäftskosten abgesetzt werden kann.

(84)

Auch äußerte die Kommission Zweifel hinsichtlich der Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung. So stelle der Umstand, dass der Vergleichsvorschlag weder einen Verweis auf seine Rechtsgrundlage noch eine förmliche juristische Begründung enthält, eine Abweichung von dem in Belgien üblichen Verfahren zur Festsetzung und Erhebung einer Mehrwertsteuerschuld nach einer Feststellung von Unregelmäßigkeiten dar. Wenn die Verwaltung die vom Steuerpflichtigen angewandte Mehrwertsteuerbefreiung beanstande, werde ihm ein im Allgemeinen mit einer Geldbuße belegter Steuerbescheid zugesandt. Erhebe der Betreffende Einwände gegen die von der Verwaltung festgesetzte Besteuerung und können seine Einwände die betreffende Dienststelle nicht überzeugen, müsse die Verwaltung grundsätzlich eine Zwangsbeitreibung mit einer um 50 % erhöhten Geldbuße bescheiden.

(85)

Hinsichtlich des Kriteriums der Selektivität der Maßnahme wies die Kommission darauf hin, dass Ermessensmaßnahmen der Steuerbehörden zu Vorteilen führen können, die unter Artikel 107 Absatz 107 AEUV (30) fallen.

(86)

Die Kommission gelangte folglich zur Auffassung, dass ein — wie im Falle von Umicore — gütlicher Vergleich über die Herabsetzung von Mehrwertsteuerschuld, Geldbußen und Zinsen im Allgemeinen nicht allen Steuerpflichtigen gleichermaßen zugänglich sei, selbst wenn man davon ausginge, sie würden die Berechtigung der ihnen gegebenenfalls angelasteten Verstöße bestreiten. Daher sei im vorliegenden Fall das Kriterium der Selektivität erfüllt.

(87)

Nach Auffassung der Kommission falle daher die fragliche Beihilfe nicht unter die in Artikel 107 AEUV vorgesehenen Ausnahmen.

IV.   STELLUNGNAHME BELGIENS

(88)

Belgien betont, dass das Mehrwertsteuergesetzbuch keine Angaben zu einem formellen Verfahren im Hinblick auf die Steuerberichtigungen durch den Steuerschuldner enthält. Allerdings wird nach üblicher Praxis der Steuerschuldner zunächst von der anstehenden Berichtigung durch die Verwaltung in Kenntnis gesetzt und aufgefordert, seine möglichen Einwände gegen den Steuerbescheid vorzubringen. Diese Praxis entspreche den Grundsätzen der guten Verwaltung und des Verteidigungsrechts. So gesehen sei der Steuerbescheid lediglich ein Vorschlag der Verwaltung, der die Grundlage für eine Erörterung mit dem Steuerpflichtigen darstelle, ohne Begründung einer Rechtswirkung für diesen oder einer Forderung seitens des Staates. Der Steuerbescheid ermögliche demnach in erster Linie dem Steuerschuldner, Einwände gegen die vorläufige Bescheidung der Verwaltung und Angaben zur Stützung seiner Argumentation vorzubringen.

(89)

Wie Belgien ausführt, kann es vorkommen, dass nach Prüfung der Argumente des Steuerschuldners gegen den Steuerbescheid, der erste Bescheid geändert oder sogar von einer Besteuerung ganz abgesehen werden muss.

(90)

Belgien führt weiter aus, dass der Steuerbescheid nicht die Entstehung einer Schuld bewirkt. Erst mit der — vollstreckbaren — Zwangsbeitreibung sei ein Titel erwirkt, mit dem der Staat seine Mehrwertsteuerforderung geltend machen könne (31). Umicore sei zu keiner Zeit eine Zwangsbeitreibung im Rahmen der fraglichen Sache zugestellt worden. Es sei falsch von einer „Herabsetzung der Mehrwertsteuerschuld“ zu sprechen.

(91)

Zum Nachweis, dass das in der Umicore-Steuerakte angewandte Verfahren auch bei der Behandlung von Akten anderer Steuerschuldner gilt, legt Belgien die Kopie einer im Jahr 2000 mit einem Steuerpflichtigen getroffenen Vergleichsvereinbarung vor; die betreffende Vergleichssumme beläuft sich auf 6 Mio. BEF, während ein dieselben Umsätze betreffendes Protokoll aus dem Jahr 1995 demselben Steuerschuldner noch eine Steuerschuld in Höhe von 14 Mio. BEF bescheinigte.

(92)

Was den Verfahrensablauf bei der steuerpflichtigen Partei betrifft, fügt Belgien hinzu, dass steuerliche Vereinbarungen zu den grundlegenden Instrumentarien im Bereich der Mehrwertsteuer zählen, und weitgehend sowohl in der Lehrmeinung als auch in der Rechtsprechung als übliche Praxis gelten und ausdrücklich in Artikel 84 MwStGB vorgesehen sind. Der Vergleich ist demnach untrennbarer Bestandteil des Verfahrens selbst und ist ausnahmslos allen Steuerpflichtigen zugänglich.

(93)

In Bezug auf die fehlende Rechtsgrundlage der Vereinbarung gibt Belgien an, dass Artikel 84 MwStGB weder eine bestimmte Form noch einen bestimmten Inhalt für die steuerlichen Vereinbarungen im Bereich der Mehrwertsteuer vorschreibt. Folglich muss die Vereinbarung auch keine Rechtsgrundlage oder formelle Rechtfertigung enthalten.

(94)

Die belgischen Behörden verweisen auf die Rüge, die die Kommission Belgien im Jahr 1999 erteilt hatte, weil die belgische Verwaltung die Belege, die die Steuerschuldner zum Nachweis ihrer innergemeinschaftlichen Lieferungen vorgelegt hatten, außergewöhnlich streng beurteilte. Diesbezüglich beziehen sich die belgischen Behörden auf eine Korrespondenz zwischen der Kommission und dem belgischen Minister der Finanzen über die für die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen erforderlichen Nachweisvoraussetzungen (32).

(95)

Belgien weist auch darauf hin, dass weder das Unionsrecht noch das belgische Recht formelle Modalitäten vorsehen, wie die Steuerschuldner den Nachweis für ihr Recht auf Steuerbefreiung unter allen Umständen erbringen könnten oder sollten. Vielmehr obliegt es zunächst der Verwaltung und, gegebenenfalls, danach dem Gericht von Fall zu Fall zu beurteilen, ob die Elemente zum Nachweis für die Erfüllung aller Voraussetzungen der Befreiung genügen oder nicht. In diesem Zusammenhang übersendet Belgien auch Kopien mehrerer Urteile, in denen das Gericht erster Instanz und der Gerichtshof in dieser Frage zu gegenteiligen Entscheidungen gelangt sind.

(96)

Zum ersten Steuerbescheid für die Jahre 1995 und 1996 führt Belgien aus, dass folgende Punkte für die Aufhebung der ursprünglich festgesetzten Besteuerung berücksichtigt wurden:

fehlende Mitwirkung von Umicore im Betrugssystem;

die Bezahlung der Waren war vor Abholung durch die von den Erwerbern beauftragten Speditionsfirmen erfolgt;

der Beweis für die Beförderung der Waren nach Italien wurde erbracht, wenn auch nicht in erster Linie von Umicore sondern von den italienischen Behörden selbst (33).

(97)

Belgien führt jedoch aus, dass die ISI, nachdem sie Verfehlungen auf Seiten von Umicore in Bezug auf die Identifizierung der tatsächlichen Abnehmer feststellen musste, zur Auffassung gelangte, dass die Steuerpflichtige mit einer hohen Geldbuße zu belegen sei. In diesem Zusammenhang habe die Verwaltung dann lediglich einen Kompromiss in Bezug auf die Höhe der Geldbuße geschlossen, was durch die Verbuchung der Zahlung des Steuerschuldners als Geldbuße bei der Staatskasse nachgewiesen sei.

(98)

Zum zweiten Steuerbescheid für die Jahre 1997 und 1998 führt Belgien aus, dass die Aufhebung der ursprünglich festgesetzten Besteuerung gerechtfertigt sei, denn es habe sich herausgestellt, dass die Voraussetzungen für die Befreiung tatsächlich erfüllt waren. Die Waren seien nämlich in einen anderen Mitgliedstaat (Italien) versandt worden, und die Lieferung war für einen Steuerpflichtigen erfolgt, der in einem anderen Mitgliedstaat (Vereinigtes Königreich) mehrwertsteuerpflichtig registriert war (34).

(99)

Belgien gibt außerdem an, dass die Änderung in der Beurteilung sich aus dem Umstand ergibt, dass sämtliche einschlägigen Unterlagen in den Jahren 1998 und 1999 noch nicht vorlagen. Nachdem man diese dann erhalten hatte, musste die Verwaltung anhand aller ihr vorliegenden Informationen prüfen, ob sie die Befreiung ablehnen und ob sie diese Ablehnung mit guten Chancen auf Erfolg auf dem Rechtsweg verteidigen könnte. Weiterhin habe die ISI, nachdem sie eine Risikoeinschätzung analog zu der eines privaten Gläubigers vorgenommen habe, einem sofortigen, reellen und unstrittigen Ergebnis gegenüber einem langen und kostenintensiven Rechtstreit mit eher ungewissem Ergebnis den Vorzug gegeben.

(100)

Belgien weist darauf hin, dass die Beamten bei der Abfassung der Steuerbescheide automatisch die für die voraussichtliche Besteuerung geltenden gesetzlichen Bestimmungen angewandt hätten. Bei einer unrechtmäßig angewandten oder beanspruchten Steuerbefreiung ohne betrügerische Absicht sehen Artikel 70 Absatz 1 MwStGB und Tabelle G (Ziffer VII, 2, A) K. E. 41 eine Geldbuße in Höhe von 10 % der geschuldeten Steuer vor. Belgien betont diesbezüglich, dass die Verwaltungsbeamten dabei zwangsläufig davon ausgegangen waren, dass Umicore keine betrügerische Absicht nachgewiesen werden könne.

(101)

Nach Auffassung Belgiens unterscheide sich die Grundlage für die in der Vereinbarung vom 21. Dezember 2000 akzeptierte Geldbuße radikal von der für die Geldbuße aus den Steuerbescheiden. Nachdem die Richtigkeit der innergemeinschaftlichen Lieferungen rechtlich hinreichend nachgewiesen worden war, wäre, so Belgien, die Verhängung einer Geldbuße nach Artikel 70 Absatz 1 MwStGB völlig unlogisch gewesen, weil die Befreiung nach Artikel 39bis MwStGB zu Unrecht beansprucht worden wäre.

(102)

In seinen weiteren Ausführungen hebt Belgien hervor, dass, auch wenn nachgewiesen war, dass es sich tatsächlich um innergemeinschaftliche Lieferungen handelte, die von Umicore vorgelegten Rechnungen dennoch schwerwiegende Fahrlässigkeiten in Bezug auf die Identifizierung der eigentlichen Abnehmer der Silberlieferungen in Italien aufwiesen. Bei der Beurteilung der Schwere dieser Fahrlässigkeit habe man die Größe, Bedeutung und Präsenz von Umicore als Teilnehmer auf dem internationalen und damit auf dem europäischen Markt berücksichtigt. Auf der Grundlage einer Vermutung war man zu dem Schluss gelangt, dass es den Führungskräften des Unternehmens nicht entgangen sein konnte, dass ihre Fakturierung Mängel hinsichtlich der Empfängerangabe aufwies und damit nicht zu 100 % im Einklang mit den belgischen Vorschriften stand. Mangels anderer belastender Elemente war diese Vermutung jedoch nicht hinreichend, um Umicore eine betrügerische Absicht nachzuweisen.

(103)

In Bezug auf die Art und Weise, wie der Vergleichsbetrag der Geldbuße festgesetzt wurde, gibt Belgien an, dass die Verhängung einer Geldbuße, wenn keine Mehrwertsteuer gefordert wird, keinen Widerspruch zu den geltenden Rechtsvorschriften darstelle. Ist ein Umsatz grundsätzlich steuerbar (35), erlaubt das Gesetz die — ausschließlich — spätere Befreiung bestimmter Umsätze, darunter auch die innergemeinschaftlichen Lieferungen, von der Steuer in Belgien. Daraus ergibt sich, dass eine Geldbuße auf die Höhe der grundsätzlich auf die betreffenden Umsätze geschuldeten Steuer angewandt werden kann, selbst wenn die Befreiung von der Steuer später erfolgt (36).

(104)

Belgien folgert daraus, dass, unabhängig von der auf die betreffenden Umsätze anzuwendenden Mehrwertsteuerregelung, die Geldbuße nach Artikel 70 Absatz 2 MwStGB fehlerhafte Angaben auf den Rechnungen sanktioniere. Somit sei die Verhängung einer Geldbuße nur dann nicht möglich, wenn die Umsätze nach Artikel 2 MwStGB nicht besteuert werden können. Außerdem sanktioniere Artikel 70 Absatz 2 MwStGB nicht den Verstoß gegen die Pflicht zur Zahlung der Steuer — dieser würde mit Artikel 70 Absatz 1 MwStGB sanktioniert — sondern die Tatsache, dass die Steuerhinterziehung in der anschließenden Vertriebskette ermöglicht wurde. Durch die Verschleierung der tatsächlichen Identität des Empfängers würde der Staat die Spur der Waren verlieren und könne weder die Mehrwertsteuer und noch nicht einmal die direkten Steuern, die aufgrund der anschließenden Umsätze mit den gelieferten Waren geschuldet würden, erheben. Der Kommentar zum Mehrwertsteuergesetzbuch enthalte hierzu klare Angaben (37).

(105)

Was die Festsetzung der gestaffelten Geldbuße betrifft, führt Belgien aus, dass eine Herabsetzung von 200 % — wie sie Artikel 70 Absatz 2 MwStGB vorsieht — auf 100 % in jedem Fall rechtmäßig ist, da eine solche Verringerung der Höhe der Geldbußen entspricht, die die Tabelle C im Anhang zu K. E. Nr. 41 für die Fälle nennt, in denen keine betrügerische Absicht vorliegt.

(106)

Schließlich unterstreicht Belgien, dass nach ständiger Rechtsprechung des Kassationshofes die Geldbußen im Bereich der Mehrwertsteuer von der Besteuerungsgrundlage für die Körperschaftsteuer absetzbar sind (38). In Anbetracht der Tatsache, dass die Gesellschaft Umicore diesen Abzug gewissermaßen vorwegzunehmen wünschte, um ihre Streitigkeiten mit der ISI vor Ende des Geschäftsjahrs 2000 beizulegen, habe die Verwaltung diese Vorwegnahme daher im Rahmen des Vergleichs vom 21. Dezember 2000 berücksichtigt. Belgien führt weiter aus, dass die Berücksichtigung dieses Antrags voll und ganz unter die ministerielle Zuständigkeit für Herabsetzungen oder Erlasse von Steuerstrafen fiel. Außerdem habe Umicore seine Zusage eingehalten und den Betrag von 423 Mio. BEF tatsächlich vor dem 31. Dezember 2000 bezahlt.

(107)

Belgien bestreitet, Umicore eine Beihilfe gewährt zu haben. Es betont außerdem, dass die fragliche Beihilfe weder eine Besonderheit noch einen Vorteil für Umicore darstelle, und es damit die Stellung des Unternehmens gegenüber anderen Wettbewerbern im innergemeinschaftlichen Handel nicht gestärkt habe. Umicore habe auch keinerlei Sonderbehandlung erfahren, vielmehr sei gegenüber dem Unternehmen in einem konkreten Fall ein im Übrigen vielfach eingesetztes grundlegendes Instrument angewandt worden.

(108)

Solche Vergleichsvereinbarungen seien, so Belgien, nicht nur in Belgien üblich, sondern aus erklärlichen Gründen (zur Vermeidung langer und kostspieliger Rechtstreitigkeiten mit unsicherem Ausgang) auch bei Verwaltungen vieler anderer Mitgliedstaaten. In diesem Zusammenhang verweist Belgien darauf, dass die Kommission selbst von einer solchen Vergleichsvereinbarung mit Philip Morris International Gebrauch gemacht habe, als es um den Ausfall von Zoll- und Mehrwertsteuereinnahmen ging, die bei legaler Einfuhr (39) hätten entrichtet werden müssen.

(109)

Außerdem, wenn auf die fraglichen Umsätze die Mehrwertsteuer angewandt worden wäre, hätte die Steuerverwaltung diese Mehrwertsteuer den Abnehmern von Umicore erstatten müssen, da diese in ihrer Eigenschaft als Mehrwertsteuerpflichtige ihr Recht auf Vorsteuerabzug ausüben könnten. Infolgedessen habe sich somit für die belgische Finanzkasse eine kostenneutrale Buchung, ohne Transfer staatlicher Mittel, ergeben.

(110)

In Bezug auf das Kriterium der Selektivität ist Belgien der Auffassung, dass, anders als von der Kommission in ihrem Eröffnungsbeschluss dargelegt, der einfache Umstand, dass die Vereinbarung nur Umicore betrifft, nicht darauf schließen lasse, dass das Kriterium der Selektivität erfüllt sei (40). Für die Feststellung, ob ein besonderer Vorteil vorliegt, müsse die Maßnahme in Bezug auf die Behandlung beurteilt werden, die Unternehmen zuteil wird, die sich in gleicher sachlicher und rechtlicher Situation wie das angeblich begünstigte Unternehmen befinden (41).

(111)

Wenn, so führt Belgien aus, wie im vorliegenden Fall, jeder Mehrwertsteuerpflichtige Einspruch gegen einen Steuerbescheid erheben kann, bei den Behörden seine Argumente vorbringen und eine Vereinbarung über seinen speziellen Fall mit der Verwaltung schließen kann, und wenn diese Vereinbarung keine Ausnahmeregelung von den gesetzlichen Vorschriften enthält und nur — auf der Grundlage der vorgelegten Beweise — die Stichhaltigkeit der vom Steuerpflichtigen vorgetragenen Tatsachen akzeptiert, dann handele es sich um eine allgemeine Maßnahme und nicht um eine Beihilfe im Sinne von Artikel 107 AEUV. Nach Auffassung Belgiens stehe somit das bei Umicore angewandte Verfahren auch anderen Unternehmen offen und werde in ähnlicher Weise auf alle fraglichen Fälle angewandt.

(112)

Belgien betont diesbezüglich, dass die Verwaltung im vorliegenden Fall bei der Anwendung des Mehrwertsteuergesetzes weder nach Ermessen noch willkürlich verfügt oder gehandelt habe.

(113)

Weiterhin sei die fragliche Maßnahme zudem durch die Natur oder den inneren Aufbau des belgischen Steuersystems gerechtfertigt. Es sei nämlich im Sinne eines jeden Verwaltungsverfahrens, möglichst schnell ein gerechtes der Rechtssicherheit dienendes Ergebnis unter strenger Beachtung der Verfahrensökonomie zu erzielen und gleichzeitig die Einziehung der Steuer wirksam zu gewährleisten. Vereinbarungen mit den Abgabenpflichtigen wie im Fall von Umicore dienten schließlich dazu, den Risiken langer Rechtsstreitigkeiten mit unsicherem Ausgang vorzubeugen.

(114)

Belgien hebt hervor, dass nach seinem Kenntnisstand europäische Wettbewerber von Umicore an dieselben italienischen Abnehmer wie Umicore unter denselben Bedingungen Feingold geliefert haben und dass die Besteuerungssituation dieser Hersteller im Hinblick auf die Mehrwertsteuer von den jeweiligen nationalen Behörden nicht beanstandet worden sei, weil das Betrugsvergehen in Italien und nicht bei den Herstellern eingetreten war. Indem Umicore eine hohe Geldbuße akzeptierte, während andererseits ihre Wettbewerber weder Mehrwertsteuer noch Geldbuße zahlten, sei ihre Wettbewerbsstellung auf dem betreffenden Markt beeinträchtigt worden. Und wenn der Handel beeinträchtigt wurde, dann zum Nachteil von Umicore; von der Gewährung einer Beihilfe könne daher auf keinen Fall die Rede sein.

(115)

Infolgedessen ist Belgien der Meinung, dass die Maßnahme nicht die Voraussetzungen für den Nachweis einer staatlichen Beihilfe im Sinne des AEUV erfüllt. Es habe nämlich im vorliegenden Fall weder Zuwendung von Mitteln, noch Begünstigung, Selektivität oder Beeinträchtigung des Wettbewerbs oder des Handels zwischen den Mitgliedstaaten gegeben.

(116)

Schließlich kommt Belgien zu dem Schluss, dass, sollte die Kommission beabsichtigen, künftig das immerhin weit verbreitete System der steuerlichen Vergleiche, das eine wesentliche Rolle für das reibungslose Funktionieren der Steuererhebung durch die Steuerverwaltung spiele, als solches in Frage zu stellen, müsse sie sich selbst in jedem Fall an die Stelle des nationalen Gerichts, quasi als „Rekursinstanz“ gegen die Entscheidungen der nationalen Verwaltung, setzen, um über die sachliche Anwendung des Rechts zu entscheiden.

V.   BEMERKUNGEN DER BETEILIGTEN

V.1.   Umicore

(117)

Umicore weist zunächst darauf hin, dass nach üblicher Praxis im internationalen Edelmetallhandel Lieferungen ab Werk („ex works“) erfolgen, das heißt, dass der Käufer die Beförderung der Waren übernimmt. Diese Lieferbedingung erweise sich im Rahmen der neuen Mehrwertsteuerregelung für innergemeinschaftliche Lieferungen als äußerst problematisch. Dass die Beförderung tatsächlich stattfindet, müsse nämlich vom Verkäufer nachgewiesen werden, während in diesem Fall aber der Käufer die Dokumente zum Nachweis der Beförderung in Händen habe (wobei seit 1993 der Beförderungsnachweis par excellence für innergemeinschaftliche Lieferungen, nämlich das Zollsiegel auf dem Ausfuhrdokument, nicht mehr existiert).

(118)

Insbesondere in Bezug auf den Nachweis der Warenbeförderung betont Umicore, dass sie der ISI sehr umfangreiche Belege für diese Beförderung übergeben habe.

(119)

Umicore beruft sich hinsichtlich der fraglichen Umsätze im Übrigen auf ihre Gutgläubigkeit; diese sieht sie dadurch nachgewiesen, dass die Steuerbescheide einen Aufschlag von 10 % als Geldbuße vorsehen, was für die Fälle gilt, in denen von der Gutgläubigkeit des Steuerpflichtigen ausgegangen wird. In diesem Zusammenhang erklärt Umicore außerdem, sie habe spontan mit den italienischen Justizbehörden zusammengearbeitet, die, von Umicores Gutgläubigkeit überzeugt, im Übrigen von rechtlichen Schritten gegen das Unternehmen abgesehen haben.

(120)

Außerdem betont Umicore, dass nach ihrem Dafürhalten die Verantwortlichkeit bei den italienischen Behörden liege, insofern als Italien die Mehrwertidentifikationsnummer italienischer Scheingesellschaften nicht umgehend nach der Aufdeckung schwerwiegender Unregelmäßigkeiten entzogen hat.

(121)

Außerdem behauptet das Unternehmen, dass verschiedene in anderen Mitgliedstaaten ansässige konkurrierende Silberproduzenten an dieselben italienischen und schweizerischen Zwischenhändler unter denselben Umständen und Bedingungen geliefert haben wie es selbst, ohne dass jene Lieferungen von den jeweiligen Steuerverwaltungen beanstandet worden seien. Daher sei es unannehmbar, wenn Umicore, nachdem sie einen Betrag von 423 Mio. BEF (10 485 896 EUR) bezahlt hat, als Begünstigte einer staatlichen Beihilfe angesehen werde, während es für die anderen Wettbewerber keinerlei rechtliche Folgen gäbe.

(122)

Schließlich schließt sich Umicore der Auffassung Belgiens an, wonach durch einen Steuerbescheid — anders als bei einer Zwangsbeitreibung — keine Mehrwertsteuerschuld nach belgischem Recht entstehe.

(123)

In Bezug auf die Rechtmäßigkeit und Gültigkeit der Vereinbarungen zwischen Verwaltung und Steuerpflichtigen im Bereich der Mehrwertsteuer bringt Umicore ähnliche Argumente wie Belgien vor. Die Betroffene weist darauf hin, dass sich solche Vereinbarungen nur auf Sachfragen, wie den Beförderungsnachweis für innergemeinschaftliche Lieferungen (und die sich daraus ergebende Besteuerungsgrundlage) beziehen können. Umicore trägt in diesem Zusammenhang vor, dass solche Vereinbarungen sehr häufig geschlossen werden, auch bei den Dienststellen der ISI (42).

(124)

Die Rechtsprechung (43), so führt die Betroffene weiter aus, bestätige die Gültigkeit und Rechtmäßigkeit der Verringerungen von Geldbußen nach einer Vergleichsvereinbarung mit dem Abgabenpflichtigen über die Höhe des Betrages.

(125)

Zur Berücksichtigung der steuerlichen Absetzbarkeit des zu zahlenden Betrages hebt Umicore Folgendes hervor:

In die Zuständigkeit der ISI fallen nicht nur alle Mehrwertsteuer relevanten Belange, sondern auch die Einkommensteuer;

anstatt von Umicore die Zahlung eines Bruttobetrages vor Einkommensteuer zu verlangen, der steuerlich absetzbar sei, habe die ISI die Zahlung eines Nettobetrages nach Steuern akzeptiert, natürlich unter der in der Vereinbarung enthaltenen Bedingung, dass dieser (Netto-) Betrag selbst nicht steuerlich abgesetzt werden könne. Im Gegenzug habe Umicore akzeptiert, die Zahlung des (Netto-) Betrags zeitnah (innerhalb einer Woche) vorzunehmen, was gegen keine Rechtsvorschrift in diesem Bereich verstoße.

(126)

Umicore ist der Auffassung, dass der Betrag von 423 Mio. BEF dem für die Jahre 1995-1996 geschuldeten Mehrwertsteuerbetrag entspricht und dass die ISI Umicore die Zahlung der Verzugszinsen nach Artikel 84bis MwStGB sowie die gestaffelte Geldbuße (10 %) nach Artikel 9 des Erlasses des Regenten erlassen habe.

(127)

In Bezug auf die Herabsetzung des geschuldeten Mehrwertsteuerbetrags von 708 Mio. BEF auf 423 Mio. BEF, führt Umicore an, dass diese Herabsetzung deshalb gerechtfertigt sei, weil die Mehrwertsteuerforderung aus der Rechnung von Umicore an die italienischen und schweizerischen Abnehmer, nicht realisierbar und infolgedessen von der Steuer absetzbar sei.

(128)

In Bezug auf die Jahre 1997-1998 gibt Umicore an, dass der Steuerbescheid vom 30. April 1999 keine weiteren Folgen hatte, da der Steuerpflichtige ordnungsgemäß nachgewiesen hatte, dass die betreffenden Umsätze auf der Grundlage von Artikel 39bis MwStGB befreit werden konnten.

(129)

Umicore vertritt die Auffassung, dass eine steuerliche Vereinbarung wie die fragliche keinen Vorteil im Sinne des AEUV darstelle und daher die in Frage stehende Maßnahme nicht unter den Begriff der staatlichen Beihilfe falle. Insbesondere widerspricht Umicore der Behauptung der Kommission, dass ihr die fragliche steuerliche Vereinbarung einen finanziellen Vorteil gegenüber anderen Abgabenpflichtigen verschafft habe.

(130)

Erstens, führt Umicore aus, sei in Wirklichkeit die ISI zur Überzeugung gelangt, dass die steuerlichen Vereinbarung für die Finanzkasse vorteilhafter sei als ein gerichtliches Verfahren mit einem möglicherweise weniger günstigen Endergebnis.

(131)

Zweitens stelle die Möglichkeit, eine steuerliche Vergleichsvereinbarung zu schließen, für sich keinen besonderen Vorteil für Umicore dar, denn solche Vereinbarungen sind allen Steuerpflichtigen allgemein zugänglich und übliche und normale Praxis im Bereich der Mehrwertsteuer.

(132)

Drittens verschaffe eine Vergleichsvereinbarung ihrem Wesen nach keinen Vorteil, der die Regelung für staatliche Beihilfen berühre. Definitionsgemäß beinhalte jede Kompromissvereinbarung eine Risikoabwägung durch jede der beteiligten Parteien und die Wahl zwischen einer sicheren und sofortigen Zahlung einerseits und dem vermuteten oder möglichen Ergebnis am Ende eines Rechtsstreits andererseits.

(133)

Infolgedessen sei es irreführend, so Umicore, die Bedingungen eines Vergleichs als „Vorteil“ zu bezeichnen, abgesehen von den Ausnahmesituationen, in denen eine Partei aus dem Vergleich ein eindeutig besseres Ergebnis erzielt als das, das sie am Ende eines Rechtsstreits hätte erreichen können.

(134)

Nach Auffassung von Umicore geht die Kommission davon aus, dass bei einem Rechtsmittel gegen die Verwaltungsentscheidung das mit der steuerrechtlichen Auseinandersetzung befasste belgische Gericht Umicore zwangsläufig zu einem höheren Betrag als den zwischen ISI und Umicore vereinbarten Vergleichsbetrag verurteilt hätte. Um jedoch zu einem solchen Schluss zu gelangen, müsste die Kommission folglich die Beurteilung der nationalen Verwaltung oder, gegebenenfalls, sogar des nationalen Gerichts durch ihre eigene Beurteilung ersetzen.

(135)

Viertens verweist Umicore auf die Rechtssache Déménagements-Manutention Transport SA (44) („DMT“), in der der Gerichtshof die Auffassung vertreten habe, dass das ONSS (45), das dem betreffenden Unternehmen Zahlungserleichterungen gewährt hatte, sich dadurch wie ein öffentlicher Gläubiger verhalten habe, der ebenso wie ein privater Gläubiger die Bezahlung der ihm von einem Schuldner, der sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet, geschuldeten Beträge zu erlangen sucht. Der Hof habe dann entschieden, dass es Sache des nationalen Gerichts sei, festzustellen, ob diese Zahlungserleichterungen offensichtlich größer waren als diejenigen, die ein privater Gläubiger dieser Gesellschaft gewährt hätte.

(136)

Umicore folgt der Argumentation des Hofes und vertritt im vorliegenden Fall die Auffassung, dass die ISI als öffentlicher Gläubiger, der wie ein privater Gläubiger die Bezahlung der ihm geschuldeten Beträge zu erlangen sucht, sich für die sofortige Bezahlung eines Nettobetrags anstelle eines Bruttobetrags entschieden habe, was ihr eine sichere und extrem schnelle Einziehung der Steuer ermöglichte. Dieses Verhalten sei wirtschaftlich rational und umsichtig und vergleichbar mit dem eines hypothetischen privaten Gläubiger in derselben Situation.

(137)

In Bezug auf den vorliegenden Fall ist Umicore der Auffassung, dass das Kriterium der Selektivität hier eindeutig nicht erfüllt ist, insofern als die fragliche steuerliche Vereinbarung gegenüber dem Steuerpflichtigen nur eine besondere Ausgestaltung einer allen Abgabenpflichtigen in derselben Situation zugänglichen allgemeinen Regelung darstelle und die ISI, wenn sie einen Vergleich abschließt, über kein Ermessen verfüge.

(138)

Selbst wenn die fragliche Maßnahme als selektiv angesehen würde, sei sie dennoch durch das Wesen und den Aufbau des Steuersystems gerechtfertigt. Nach Auffassung von Umicore sei nämlich selbst eine selektive steuerliche Maßnahme als keinen Vorteil verschaffend anzusehen, wenn sie nachweislich zur Effizienz der Steuererhebung beiträgt (46). In dem vorliegenden Fall geht Umicore davon aus, dass die Maßnahme durch das Wesen und den Aufbau des Steuersystems gerechtfertigt sei, da die getroffene Vereinbarung zur Effizienz der Steuererhebung beigetragen habe (47).

(139)

Umicore behauptet, dass die Kommission, wenn sie in die Auslegung des Begriffs der staatlichen Beihilfe eine steuerliche Vereinbarung, wie sie mit der ISI geschlossen wurde, einschließe, zwangsläufig ihre Zuständigkeit überschreite. Denn sie maße sich so eine Kompetenz im Bereich der Steuereinziehung an, über die sie selbst nicht verfüge. Damit berühre sie die Rechte der nationalen Gerichte, die allein für Entscheidungen über Steuerstreitigkeiten zuständig seien.

(140)

Umicore gibt an, einen großen Betrag an die ISI bezahlt zu haben, während verschiedene in anderen Mitgliedstaaten ansässige konkurrierende Silberlieferanten weder Mehrwertsteuer, noch Geldbußen oder Zinsen für Lieferungen unter gleichen Umständen und Bedingungen bezahlt haben.

(141)

In diesem Zusammenhang ist Umicore der Auffassung, dass die fragliche Maßnahme zweifellos ihre Wettbewerbsstellung auf dem betreffenden Markt, also dem Vertrieb von Silber in Kornform, nicht habe stärken können. Demzufolge gelangt Umicore zu dem Schluss, dass die mit der ISI geschlossene Vereinbarung weder den Wettbewerb noch den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtige und folglich die Anwendung von Artikel 107 Absatz 1 AEUV im vorliegenden Fall ausgeschlossen sei.

V.2.   Kommentar des anonymen Dritten

(142)

Ein anonymer Sender hat der Kommission die Kopie eines Schreibens an den belgischen Minister der Finanzen vom 15. Februar 2002 mit einer rechtlichen Analyse der Vereinbarung mit Umicore und der betreffenden Umsätze zugeleitet.

(143)

In seinem Schreiben legte der anonyme Dritte dar, dass a) die Vereinbarung zwischen der ISI und Umicore eine Mehrwertsteuerschuld in eine Geldbuße umqualifiziert habe und damit gegen die Artikel 10 und 172 der belgischen Verfassung und Artikel 84 MwStGB verstoße; b) die Berücksichtigung der Auswirkung der Körperschaftsteuer bei der Bestimmung des geschuldeten Mehrwertsteuerbetrags oder der Geldbuße rechtswidrig und c) die Verhängung einer Geldbuße (auf den Mehrwertsteuerbetrag) ohne Forderung der Mehrwertsteuer selbst widersinnig sei.

VI.   STELLUNGNAHME BELGIENS ZU DEN BEMERKUNGEN DER BETEILIGTEN

(144)

Belgien ist der Auffassung, dass die Haltung von Umicore im Allgemeinen die Haltung der belgischen Behörden zu den betreffenden Verfahren bestätige, insbesondere was die Nichtexistenz eines förmlichen Verfahrens der Mehrwertsteuerberichtigung, die fehlende Rechtsverbindlichkeit eines Steuerbescheides ohne Zustimmung des Steuerschuldners, die Rechtmäßigkeit der steuerlichen Vereinbarungen und ihre Zugänglichkeit für alle Steuerschuldner, und allgemeiner das Fehlen von Merkmalen, die eine staatliche Beihilfe begründen, betrifft.

(145)

In Bezug auf das anonyme Schreiben vom 1. Oktober 2004 ist Belgien der Meinung, dass dieses Schreiben keine spezifische Bemerkung zum Verfahren der staatlichen Beihilfe enthält und deshalb unerheblich sei.

VII.   VON BELGIEN ÜBERSANDTE ERGÄNZENDE INFORMATIONEN

(146)

Nach der Rückgabe der von den Justizbehörden beschlagnahmten Unterlagen übersandte Belgien der Kommission eine Reihe von Informationen und Unterlagen zu den verfahrensrelevanten Umsätzen.

(147)

Was die Lieferungen an die in Italien ansässigen Abnehmer betrifft, übersandte Belgien Unterlagen, auf Grund derer die in Artikel 39bis MwStGB genannte Steuerbefreiung bewilligt worden war. Die betreffenden Unterlagen umfassen insbesondere von Umicore ausgestellte Rechnungen, Speditionsrechnungen und verschiedene Versandpapiere.

(148)

Was die Lieferungen an in der Schweiz ansässige Abnehmer betrifft, übersandte Belgien ebenfalls eine Reihe von Unterlagen zum Nachweis, dass die Waren direkt nach Italien befördert wurden. Belgien führt dazu aus, dass die schweizerischen Gesellschaften lediglich finanziell an den Verkäufen und Beförderungen beteiligt gewesen waren.

(149)

Zu den Lieferungen im Zeitraum 1997-1998 erklärte Belgien, dass die für die Jahre 1995-1996 festgesetzte Berichtigung für die Folgejahre übernommen worden war und dass die Inspektoren der ISI selbst schnell zur Aufhebung der Berichtigung für diesen Zeitraum gelangt waren. Hierzu übermittelte Belgien auch die Kopie der internen Aktenvermerke, die belegen, dass die betreffenden Inspektoren die veranschlagte Besteuerung tatsächlich aufgehoben hatten.

VIII.   WÜRDIGUNG DER BEIHILFE

(150)

Nach Artikel 107 Absatz 1 AEUV sind „staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.“

(151)

Eine Maßnahme stellt eine staatliche Beihilfe dar, wenn sie die folgenden kumulativen Voraussetzungen erfüllt: 1. Die Maßnahme verschafft einen Vorteil durch die Bereitstellung staatlicher Mittel; 2. dieser Vorteil ist selektiv; 3. die Maßnahme verfälscht den Wettbewerb oder droht ihn zu verfälschen und beeinträchtigt den Handel zwischen Mitgliedstaaten.

(152)

Auch muss darauf hingewiesen werden, dass nach ständiger Rechtsprechung der Begriff der Beihilfe nicht nur positive Leistungen umfasst, sondern auch Eingriffe, die in unterschiedlichen Formen die Belastungen, die normalerweise für den Haushalt eines Unternehmens bestehen, wie Steuerbefreiungen und -erleichterungen, verringern (48).

VIII.1.   Vorbemerkungen

(153)

Zunächst ist festzustellen, dass Vergleichsvereinbarungen mit den Abgabenpflichtigen übliche Praxis der belgischen Steuerverwaltung und im Bereich der Mehrwertsteuer ausdrücklich in Artikel 84 MwStGB vorgesehen sind. Die Zweckmäßigkeit solcher Vereinbarungen, durch die zahlreiche Rechtsstreitigkeiten vermieden werden können, wird im Übrigen durch den vorliegenden Beschluss nicht in Frage gestellt.

(154)

Es ist darauf hinzuweisen, dass die betreffenden belgischen administrativen Anweisungen vorsehen, dass ein Vergleichsabschluss mit dem Steuerschuldner im Allgemeinen beidseitige Zugeständnisse beinhaltet. Allerdings sind nach Artikel 84 MwStGB Vergleiche nur möglich, insofern diese nicht eine Steuerbefreiung oder -ermäßigung zur Folge haben. In Anwendung dieses Grundsatzes kann sich ein Vergleich also nicht auf den sich aus den Feststellungen ergebenden Steuerbetrag, jedoch sehr wohl auf Sachfragen beziehen.

(155)

In diesem Zusammenhang ist die Kommission der Meinung, dass eine Vergleichsvereinbarung zwischen einem Mehrwertsteuerschuldner und der belgischen Steuerverwaltung nur unter folgenden Bedingungen das Vorliegen eines wirtschaftlichen Vorteils begründen kann:

wenn die Zugeständnisse der Verwaltung in Anbetracht der Umstände offensichtlich unverhältnismäßig im Vergleich zu den Zugeständnissen des Steuerpflichtigen sind und sich herausstellt, dass die Verwaltung offensichtlich den anderen Abgabenpflichtigen in einer vergleichbaren Situation nicht dieselbe bevorzugte Behandlung gewährt;

wenn die Rechtmäßigkeit der Vereinbarung in Frage gestellt werden muss, beispielsweise wenn der geschuldete Steuerbetrag entgegen Artikel 84 MwStGB verringert worden wäre (Steuerbefreiung oder -ermäßigung bei einer Rechtsfrage).

(156)

Daher gilt es zu prüfen, ob die Vereinbarung zwischen der ISI und Umicore die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt.

VIII.2.   Zum Vorliegen eines Vorteils

(157)

Zunächst ist zu prüfen, ob die Maßnahme dem Begünstigten einen Vorteil verschafft, der Belastungen, die normalerweise für seinen Haushalt bestehen, verringert (49). Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass festzustellen ist, ob der fragliche Vergleich rechtswidrig oder auf der Grundlage von unverhältnismäßigen Zugeständnissen der Steuerverwaltung geschlossen wurde.

VIII.2.1.   Zur Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens

(158)

In ihrem Eröffnungsbeschluss äußerte die Kommission die Auffassung, dass das von den Steuerbehörden praktizierte Verfahren eine Abweichung vom üblichen Verfahren zur Festsetzung und Begleichung einer Mehrwertsteuerschuld darstellen könne, insofern die Vereinbarung keinen Verweis auf seine Rechtsgrundlage enthält und, da eine Zustimmung des Steuerpflichtigen nicht vorlag, die Verwaltung eine Zwangsbeitreibung mit einer um 50 % erhöhten Geldbuße hätte bescheiden müssen.

(159)

Wie in Erwägungsgrund 39 dargelegt, ist die Versendung eines Steuerbescheides zur Wahrung gewisser Grundsätze wie das Verteidigungsrecht übliche Praxis der belgischen Steuerbehörden im Bereich der Mehrwertsteuer. Demzufolge müssen die beiden an Umicore versandten Steuerbescheide der ISI als vorläufige Bescheide der Steuerbehörden und nicht als den Mehrwertsteueranspruch begründenden Steuertatbestand angesehen werden.

(160)

Im Übrigen ist die Möglichkeit der Vergleichsvereinbarungen mit den Steuerpflichtigen ausdrücklich im belgischen Mehrwertsteuergesetz vorgesehen und muss als normale Praxis der belgischen Steuerbehörden angesehen werden. Letztere müssen allerdings den Grundsatz respektieren, dass Vergleiche keine Steuerbefreiung oder -ermäßigung zur Folge haben. Solche Vergleiche werden daher grundsätzlich in den Situationen geschlossen, wo die Steuerbehörden einen Rechtsstreit mit dem Steuerpflichtigen über einen nicht eindeutigen Sachverhalt vermeiden wollen.

(161)

Im Übrigen ist festzustellen, dass die Steuerbehörden zur Zustellung einer Zwangsbeitreibung nicht verpflichtet sind, wenn die Verwaltung nicht die Zustimmung des Steuerpflichtigen zu der im Steuerbescheid festgesetzten Steuerhöhe erhalten konnte. Dagegen haben die zuständigen Behörden in den Fällen, wo Zweifel an dem betreffenden Sachverhalt besteht, immer die Möglichkeit, eine Vereinbarung mit dem Steuerpflichtigen suchen.

(162)

Schließlich ergibt sich auch aus der Analyse der Rechtsvorschriften. dass keine Bestimmung die belgischen Steuerbehörden dazu verpflichtet, in die betreffenden Vereinbarungen einen ausdrücklichen Verweis auf die Rechtsgrundlage einzuschließen.

(163)

Die Kommission muss daher auf der Grundlage des im vorliegenden Beschluss beschriebenen Rechtskontextes zu dem Schluss kommen, dass das von den Steuerbehörden gegenüber Umicore angewandte Verfahren entsprechend den geltenden Regeln und Praktiken erfolgte und keine Abweichung vom normalen Verfahrensablauf darstellt.

(164)

Anschließend gilt es, die fraglichen Umsätze unter Berücksichtigung der Vorbemerkungen im Hinblick auf die mögliche Existenz eines Vorteils zu analysieren. Die nun folgenden Ausführungen stützen sich auf die Untersuchung von zwei getrennten Zeiträumen, nämlich auf den ersten Zeitraum, der die Jahre 1995 und 1996 umfasst und den ersten Steuerbescheid der Steuerbehörden betrifft und den zweiten Zeitraum mit den Jahre 1997 und 1998, für den die Besteuerung vollständig zurückgenommen wurde.

VIII.2.2.   Jahre 1995-1996

(165)

In Bezug auf den Zeitraum 1995-1996 sind im Hinblick auf die mögliche Existenz eines Vorteils drei unterschiedliche Umsatzarten im Rahmen des vorläufigen Steuerbescheids an Umicore vom 30. November 1998 zu analysieren. Die Analyse soll für jeden Umsatztyp die Mindestbeträge für Mehrwertsteuer, Geldbußen und Verzugszinsen ermitteln, die auf der Grundlage einer angemessenen Auslegung des Sachverhalts von den belgischen Steuerbehörden ohne unverhältnismäßige Zugeständnisse ihrerseits oder unregelmäßige Anwendung der Mehrwertsteuervorschriften hätten festgesetzt werden müssen.

1.   Lieferungen von Gütern an in Italien niedergelassene Unternehmen

(166)

In diesem ersten Fallbeispiel handelt es sich um Reinsilberlieferungen „ab Werk“, die zwischen Februar 1995 und Februar 1996 nach dem folgenden System abgewickelt wurden:

Image

(167)

Umicore hatte die Waren einem in Italien niedergelassenen und dort mehrwertsteuerpflichtig registrierten Unternehmen B (50) in Rechnung gestellt. Dieses stellte wiederum die Waren einem ebenfalls in Italien ansässigen mehrwertsteuerpflichtigen Abnehmer C in Rechnung. Die Beförderung der Waren erfolgte im Auftrag des Steuerpflichtigen C direkt vom belgischen Herstellerwerk nach Italien. Die Rechnungen von Umicore an ihren Kunden B wurden größtenteils vom Steuerpflichtigen C beglichen.

(168)

Die von Umicore an B gestellten Rechnungen wurden nach Artikel 39bis MwStGB von der Steuer befreit. Aus den Proforma-Rechnungen, die im Rahmen der Amtshilfe mit den italienischen Steuerbehörden geprüft wurden, geht hervor, dass der Steuerpflichtige C Empfänger der Waren war.

(169)

In ihrem Steuerbescheid vom 30. November 1998 hatte die ISI zunächst festgestellt, dass das Beförderungskriterium für die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen nicht erfüllt sei, insofern die Beförderung für Rechnung eines Zwischenabnehmers (und nicht durch oder für Rechnung des Verkäufers oder Erwerbers wie in Artikel 39bis MwStGB vorgeschrieben) erfolgt war. Bei dieser Voraussetzung gelangte die Verwaltung daher zu dem Schluss, dass die Transaktion zwischen Umicore und dem Kunden B eine Lieferung von Gütern ohne Warenbewegung darstellte und demzufolge nicht nach Artikel 39bis MwStGB befreit werden konnte.

(170)

Die Informationen, die die Kommission von Belgien und Umicore erhalten hat, scheinen jedoch zu belegen, dass die belgischen Steuerbehörden begründeten Zweifel daran haben konnten, dass die Transaktion zwischen Umicore und dem Unternehmen B tatsächlich durchgeführt worden war. Diesbezüglich ist nämlich anzumerken, dass:

die von den italienischen Steuerbehörden übermittelten Informationen darauf hindeuteten, dass die Gesellschaft B möglicherweise als ein „Missing Trader“ fungierte, dessen Aufgabe allein darin bestand, Rechnungen mit Mehrwertsteuer auszustellen, und danach unterzutauchen, ohne seinen steuerlichen Verpflichtungen, wie die Entrichtung der Mehrwertsteuer an die italienische Steuerbehörde, nachzukommen;

die von denselben italienischen Steuerbehörden übermittelten Informationen weiterhin ergaben, dass der einzige Geschäftsführer der Gesellschaft B in den amtlichen Registern nicht verzeichnet war;

zwei Auskunftsersuchen der belgischen Steuerbehörden an ihre italienischen Amtskollegen vom 26. August 1998 bzw. 1. April 1999 zudem belegen, dass die belgische Steuerverwaltung ernsthaft bezweifelte, dass die Gesellschaft B vor Abschluss der Vereinbarung tatsächlich existiert hatte;

die Beförderung der Waren nach Italien für Rechnung des Steuerpflichtigen C erfolgte;

die Waren direkt vom Produktionsstandort in Belgien zu einem italienischen Zwischenlager wurden, wo sie C zur Verfügung gestellt wurden;

die meisten der von Umicore an die Gesellschaft B ausgestellten Rechnungen von der Gesellschaft C bezahlt wurden;

auf der Grundlage der in einem Protokoll erfassten Angaben der Umicore-Manager, die auszugsweise in dem Steuerbescheid enthalten sind, hervorgeht, dass zwischen Umicore und der Gesellschaft B kein Rahmenvertrag bestand;

dagegen die tatsächliche Existenz der Gesellschaft C von den italienischen Steuerbehörden, die im Rahmen einer Nachprüfung uneingeschränkte Einsicht in die Buchhaltung dieser Gesellschaft erhalten hatten, anscheinend zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt wurde.

(171)

Für sich allein genommen ist wahrscheinlich keine dieser Feststellung ausreichend, um den Scheincharakter der Verkäufe zwischen Umicore und der Gesellschaft B nachzuweisen. In der Gesamtschau lassen jedoch dieselben Feststellungen berechtigten Zweifel an der tatsächlichen Existenz der Verkäufe zwischen Umicore und der Gesellschaft B. Die belgischen Steuerbehörden, die Kenntnis von den Zweifeln an der tatsächlichen Existenz der Geschäftstätigkeit von B vor dem Zustandkommen der Vergleichsvereinbarung mit der Gesellschaft Umicore am 21. Dezember 2000 hatten, verfügten daher über einen großen Spielraum, um die tatsächliche Existenz der Transaktionen und eine mögliche Umqualifizierung zu beurteilen.

(172)

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass nach ständiger Rechtsprechung des belgischen Kassationshofs die Besteuerung sachverhaltsgerecht erfolgen muss (51). Demzufolge ist die belgische Steuerbehörde grundsätzlich verpflichtet, den Steuerpflichtigen nicht nach den scheinbaren von ihm zur Rechtfertigung einer möglichen Steuerbefreiung vorgelegten Transaktionen zu veranlagen, sondern nach den von den Beteiligten beabsichtigten tatsächlichen Transaktionen.

(173)

Wenn aus den Informationen, die den belgischen Steuerbehörden vorliegen, hervorgeht, dass es sich bei dem Verkaufsgeschäft zwischen A und B um ein Scheingeschäft handelt und der tatsächliche Verkauf (mit Übergang der Befähigung über das Gut zu verfügen) eigentlich im Rahmen der Geschäftsbeziehung zwischen A und C stattfand, haben diese Behörden folglich die Lieferung von Gütern zwischen A und B zu Recht zu einer Lieferung zwischen A und C umqualifiziert und auf eine solche umqualifizierte Transaktion die Mehrwertsteuerregelung angewandt.

(174)

Der Umstand, dass es in Italien durch Zwischenschaltung eines Missing Trader zu einem Betrugsgeschäft kam, lässt es nicht zu, das Umicore zustehende Recht auf Steuerbefreiung in Frage zu stellen, insofern als dessen Gutgläubigkeit von der belgischen Verwaltung nicht angezweifelt wurde.

(175)

Demnach konnten die belgischen Steuerbehörden rechtmäßig die betreffenden Transaktionen zu innergemeinschaftlichen Lieferungen zwischen Umicore und der Gesellschaft C umqualifizieren, ohne dass eine solche Umqualifizierung ein unverhältnismäßiges Zugeständnis der Verwaltung oder eine unrechtmäßige Anwendung der Mehrwertsteuerregelung darstellt. Auch konnten sie die Mehrwertsteuerbefreiung auf die umqualifizierten Umsätze gewähren, da alle Voraussetzungen für eine Befreiung erfüllt waren (auch die Beförderung durch oder für Rechnung des Erwerbers).

(176)

Es ist daher zu prüfen, i) ob die Verhängung einer Geldbuße nach Artikel 70 Absatz 2 MwStGB wegen fehlerhaften Angaben auf den Rechnungen zu Recht durch die belgischen Behörden erfolgte, und wenn ja, ii) in welcher Höhe diese Geldbuße hätte festgesetzt werden müssen und iii) ob Umicore durch unverhältnismäßige Zugeständnisse oder die unrechtmäßige Anwendung der gesetzlichen Vorschriften durch die Steuerverwaltung begünstigt wurde.

(177)

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass fehlerhafte Angaben auf einer Rechnung für innergemeinschaftliche Lieferungen nach K. E. Nr. 41 mit einer Geldbuße in Höhe von 100 % der auf die betreffenden Umsätze geschuldeten Steuer belegt werden. Die Verhängung einer administrativen Geldbuße unterliegt jedoch, wie in den Erwägungsgründen 45 und 46 dargelegt, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, und die Verwaltung ist nach Artikel 9 des Erlasses des Regenten vom 18. März 1831 befugt, von den im K. E. Nr. 41 vorgesehenen Staffelungen für Geldbußen abzuweichen.

(178)

Im vorliegenden Fall ist nicht auszuschließen, dass eine Geldbuße von 100 % angesichts der Gutgläubigkeit des Steuerpflichtigen, die von der Verwaltung nicht angezweifelt wurde, unverhältnismäßig gewesen wäre. Es ist auch nicht auszuschließen, dass die belgische Steuerverwaltung im Zusammenhang mit der Rechtsstreitigkeit mit Umicore, die größtmöglichen Einnahmen zu erzielen versucht hätte, so wie ein Gläubiger bei der Eintreibung seiner Forderung das bestmögliche Ergebnis zu erzielen sucht. Diesbezüglich ist daran zu erinnern, dass eine solche Praxis nicht unter Artikel 107 AEUV fällt, insofern als sie keine unverhältnismäßigen oder unrechtmäßigen Zugeständnisse durch die Verwaltung zur Folge hat.

(179)

In Anbetracht des Ermessensspielraum, den die Verwaltung in diesem Zusammenhang hat, darf man wohl davon ausgehen, dass die Verwaltung im Rahmen einer Vergleichsvereinbarung die Geldbuße auf einen Betrag zwischen 10 % und 15 % hätte festsetzen müssen. Einerseits kann ein Aufschlag von 10 % als akzeptabel betrachtet werden, wenn man die 10 % aus Tabelle G (Anhang zu K. E. 41) für die in Artikel 70 Absatz 1 MwStGB vorgesehenen Verstöße und die Geldbuße in Höhe von 10 % im Steuerbescheid vom 30. November 1998 berücksichtigt. Andererseits könnte ein Betrag in Höhe von 50 % als anwendbarer Höchstbetrag angesehen werden, wenn man den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und die Umstände einer Vergleichsvereinbarung berücksichtigt. Die Verhängung einer Geldbuße von 50 % scheint im Übrigen durch die jüngere Rechtsprechung des belgischen Kassationshofes bestätigt (52). Unter Berücksichtigung des strafrechtlichen Kontextes, auf den sich letzteres Urteil bezieht ist daher davon auszugehen, dass im vorliegenden Fall, da Umicore keine Betrugsabsicht nachgewiesen wurde, der Höchstsatz bei 50 % festzulegen ist.

(180)

Demnach ist unter Berücksichtigung der Umstände im vorliegenden Fall davon ausgehen, dass die Geldbuße hierfür durchaus auf einen Betrag zwischen 33 238 698 BEF (10 % × 332 386 976) und 166 193 488 BEF (50 % × 332 386 976) festgesetzt werden konnte.

(181)

Soweit sich ein besonderer Vorteil nur aus unverhältnismäßigen Zugeständnissen der Steuerverwaltung hätte ergeben können, ist nur der Mindestbetrag, das heißt 33 238 698 BEF, für die Berechnung eines möglichen Vorteils heranzuziehen. Dieser Betrag kann grundsätzlich von der Besteuerungsgrundlage für die Körperschaftsteuer abgesetzt werden (53).

2.   Lieferungen von Gütern an in der Schweiz niedergelassene Unternehmen

(182)

Im zweiten Fallbeispiel wurden die fraglichen Transaktionen mit den schweizerischen Unternehmen nach dem folgenden System abgewickelt:

Image

(183)

Zwischen Februar 1996 und Oktober 1996 stellte Umicore einer in der Schweiz niedergelassenen, in keinem Mitgliedstaat mehrwertsteuerpflichtig registrierten Gesellschaft (54) die Waren in Rechnung. Die schweizerische Gesellschaft stellte danach wiederum die Waren einem in Italien ansässigen und dort mehrwertsteuerpflichtig registrierten Kunden C in Rechnung. Die Waren wurden direkt vom belgischen Produktionsstandort nach Italien befördert. Aus den von Belgien übermittelten Unterlagen geht hervor, dass die Beförderungskosten anscheinend von der Gesellschaft C getragen wurden. Im Übrigen wurde in einigen Fällen anscheinend der Warenpreis von C direkt an Umicore bezahlt, während in anderen Fällen die Zahlung durch die Gesellschaft B erfolgte. Weiterhin ist zu bemerken, dass es sich nach Erkenntnissen der italienischen und spanischen Steuerbehörden bei C in Wirklichkeit um Scheingesellschaften handelt (55).

(184)

Die Rechnungen, die Umicore der schweizerischen Gesellschaft B zwischen Februar und Oktober 1996 stellte, betreffen Reinsilberverkäufe „ab Werk Hoboken“ („ex usines Hoboken“) und enthalten die Angaben „Ausfuhr — MwSt.-Befreiung nach Artikel 39 MwStGB“ („Exportation — Exemption de TVA en vertu de l’article 39 du code“).

(185)

Obgleich Umicore die betreffenden Lieferungen nach Artikel 39 MwStGB mehrwertsteuerfrei vorgenommen hatte, ging aus den Informationen, die die ISI vom Steuerpflichtigen und der belgischen Zollverwaltung erhielt, hervor, dass die Waren nach Italien geliefert worden waren, ohne dass es zu einer Ausfuhr gekommen war.

(186)

Da keine Ausfuhr und folglich kein Recht auf Steuerbefreiung nach Artikel 39 MwStGB vorliegt, stellt sich erneut die Frage, ob die belgischen Steuerbehörden zu dem Schluss hätten kommen können, dass es sich bei den Transaktionen zwischen Umicore und dem schweizerischen Abnehmer um Scheingeschäfte handelte, dass die wirklichen Transaktionen zwischen Umicore und C stattfanden und diese nach Artikel 39bis MwStGB von der Steuer befreit werden konnten.

(187)

In ihrem Steuerbescheid vom 30. November 1998 war die ISI der Auffassung, dass die Voraussetzung für eine Befreiung nach Artikel 39 MwStGB (Ausfuhren) nicht erfüllt war, da kein Nachweis für die tatsächliche Durchführung der Ausfuhren, insbesondere keine Ausfuhrerklärung vorgelegt werden konnte.

(188)

Auf dieser Grundlage war die Verwaltung daher zu der Auffassung gelangt, dass die Transaktionen zwischen Umicore und den schweizerischen Abnehmern nicht nach Artikel 39 MwStGB von der Steuer befreit werden konnten und sie als Lieferungen innerhalb Belgiens nach Artikel 15 Absatz 7 MwStGB zu betrachten und folglich der belgischen Mehrwertsteuerpflicht nach Artikel 2 MwStGB zu unterwerfen waren. Sie gelangte daher zu dem Schluss, dass Umicore dem belgischen Staat Mehrwertsteuer in Höhe von 312 608 393 BEF (56) (7 749 359 EUR) sowie eine Geldbuße in Höhe von 10 % dieses Betrages schuldete.

(189)

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 30. März 2000 zu den Steuerbescheiden behauptet Umicore, dass es nunmehr erwiesen sei, dass das errichtete System Scheincharakter hatte, von dem die Verkaufsabteilung von Umicore nicht Kenntnis hatte haben können. Es habe zu keinem Zeitpunkt Einfuhren in die Schweiz gegeben, und daher sei es wichtig, hervorzuheben, dass in diesen Fällen ebenso wie in den anderen die tatsächliche Durchführung der Lieferungen nach Italien nicht angezweifelt werde („… il est maintenant établi que le mécanisme mis en place avait un caractère fictif, dont le service commercial d’Umicore ne pouvait avoir connaissance. Les importations en Suisse n’ont jamais eu lieu et il est donc essentiel de souligner que, dans ces dossiers comme dans les autres, la réalité des livraisons en Italie n’est pas mise en doute“).

(190)

Die Proforma-Rechnungen von Umicore an seine schweizerischen Abnehmer belegen im Übrigen, dass der steuerpflichtige italienische Empfänger der Waren ausdrücklich namentlich genannt ist und der Name dieses Empfängers durch die Frachtbriefe der Spedition bestätigt wird.

(191)

Eine Umqualifizierung der betreffenden Transaktionen zu innergemeinschaftlichen Lieferungen zwischen Umicore und der Gesellschaft C kommt aus den folgenden Gründen nicht in Betracht:

Zu dem Zeitpunkt, als die Vereinbarung geschlossen wurde, war die belgische Verwaltung bereits darüber informiert, dass es sich bei C in Wirklichkeit um Unternehmen handelte, die von den italienischen und spanischen Steuerbehörden als Scheingesellschaften angesehen wurden;

zu keinem Zeitpunkt wurde die tatsächliche Existenz der schweizerischen Gesellschaft weder von den belgischen oder italienischen Steuerbehörden noch von Umicore in Frage gestellt;

der Gesellschaft Umicore muss bewusst gewesen sein, dass sie, da keine Warenausfuhr stattfand, auch nicht zur Steuerbefreiung nach Artikel 39 MwStGB (Mehrwertsteuerbefreiung für Ausfuhren) berechtigt war.

(192)

Daher konnten die betreffenden Transaktionen weder nach Artikel 39 MwStGB (denn es lag keine Ausfuhr vor) noch nach Artikel 39bis MwStGB von der Mehrwertsteuer befreit werden. Die betreffenden Transaktionen mussten in diesem Fall als Lieferungen ohne Warenbewegung angesehen werden, die folglich auch nicht von der Mehrwertsteuer befreit werden konnten. Somit ergibt sich aus der Anwendung von Artikel 15 Absatz 2 und Artikel 7 MwStGB sowie Artikel 2 MwStGB, dass Umicore Mehrwertsteuer in Höhe von 312 608 393 BEF (7 749 359 EUR) schuldete. Zudem war auch eine Geldbuße in Höhe von 10 %, das heißt 31 260 839 BEF, auf diesen Betrag nach Artikel 70 Absatz 1 MwStGB und Artikel 1 Absatz 1 K. E. Nr. 41 anzuwenden. In den Akten findet sich kein Hinweis dafür, der der Kommission Grund zur Annahme gäbe, dass der Aufschlag von 10 % im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes problematisch sein könnte (57).

(193)

Die geltende Steuerregelung sieht vor, dass der vom Steuerpflichtigen geschuldete zusätzliche Mehrwertsteuerbetrag, der dem Kunden nicht in Rechnung gestellt wurde, als eine für die Berechnung der Besteuerungsgrundlage bei der Körperschaftsteuer abzugsfähige Ausgabe anzusehen ist. Auch der Betrag der administrativen Geldbuße ist bei der Körperschaftsteuer absetzbar.

3.   Lieferungen von Gütern an in Italien und Spanien niedergelassene Unternehmen

(194)

Zwischen Oktober und Dezember 1996 stellt sich der Ablauf der fraglichen Transaktionen mit diesen Kunden schematisch wie folgt dar:

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(195)

Umicore stellte die Waren den in Italien bzw. Spanien niedergelassenen und dort mehrwertsteuerpflichtig registrierten Gesellschaften B in Rechnung. Die betreffenden Rechnungen bezogen sich auf Reinsilberverkäufe „ab Werk“ und wurden ohne Mehrwertsteuer nach Artikel 39 MwStGB (Ausfuhren) bzw. nach Artikel 39bis MwStGB (innergemeinschaftliche Lieferungen) ausgestellt. Die Waren wurden direkt vom belgischen Produktionsstandort nach Italien befördert. Die Rechnungen wurden zum überwiegenden Teil von der schweizerischen Gesellschaft C (58) beglichen, die auch die Kosten für die Beförderung trug (59).

(196)

Schließlich deuten die Informationen, die von den spanischen und italienischen Steuerbehörden an die belgische Verwaltung vor Abschluss der Vergleichsvereinbarung übermittelt wurden, auf eine Scheinexistenz der Gesellschaften B hin.

(197)

Die belgische Steuerverwaltung vertrat in ihrem Steuerbescheid vom 30. November 1998 den Standpunkt, dass die Erwerber auf den Verkaufsrechnungen falsch angegeben und die eigentlichen Erwerber der Waren die schweizerischen Gesellschaften C waren. Da keine Ausfuhr aus dem Hoheitsgebiet der Union erfolgt war, gab die belgische Verwaltung in ihrem Steuerbescheid an, dass die Befreiung nach Artikel 39 MwStGB nicht möglich sei und die betreffenden Umsätze als nach Artikel 15 Absätze 2 und 7 MwStGB und Artikel 2 MwStGB in Belgien mehrwertsteuerpflichtig umqualifiziert werden müssten. Folglich kam die Verwaltung zu dem Schluss, dass Umicore Mehrwertsteuer in Höhe von 63 216 555 BEF (60) (1 567 097,46 EUR) sowie eine administrative Geldbuße in Höhe von 10 % dieses Betrags schulde.

(198)

Im Rahmen des Korrespondenzwechsels mit der ISI gab Umicore an, dass die schweizerischen Gesellschaften von den Gesellschaften B mit der Organisation der Warenbeförderung beauftragt waren und zudem als Finanzmakler für diese Gesellschaften handelten.

(199)

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Akte keinen Hinweis enthält, dass die schweizerischen Gesellschaften als Bevollmächtigte handelten und die Warenbeförderung für Rechnung der italienischen und spanischen Gesellschaften organisierten. Dagegen deuten die der Kommission übermittelten Unterlagen in der Gesamtschau vielmehr darauf hin, dass die Beförderung der Waren für Rechnung der schweizerischen Gesellschaften erfolgte und diese in Wirklichkeit die Nutznießer und Eigentümer der betreffenden Lieferungen waren.

(200)

Die Kommission ist daher der Meinung, dass die belgischen Steuerbehörden zu Recht die fraglichen Umsätze in ihrem Steuerbescheid in Lieferungen an die schweizerischen Gesellschaften umqualifiziert haben. Diese Lieferungen unterlagen demnach der belgischen Mehrwertsteuer nach Artikel 15 Absätze 2 und 7 MwStGB und Artikel 2 MwStGB und können nicht auf der Grundlage von Artikel 39 oder 39bis MwStGB von der Steuer befreit werden.

(201)

Selbst wenn die Steuerbehörden die Richtigkeit der Transaktionen mit den italienischen und spanischen Gesellschaften rechtmäßig hätten anerkennen können, hätte eine Steuerbefreiung nach Artikel 39bis MwStGB verwehrt werden müssen, da keine Beförderung durch oder für Rechnung des Veräußerers (Umicore) oder des Erwerbers (B) stattfand.

(202)

Daher schuldete Umicore Mehrwertsteuer in Höhe von 63 216 555 BEF (1 567 097,46 EUR) und eine Geldbuße in Höhe von 6 321 655 BEF (10 % der geschuldeten Mehrwertsteuer) nach Artikel 70 Absatz 1 MwStGB und Artikel 1 Absatz 1 K. E. Nr. 41.

(203)

Der Betrag von 63 216 555 BEF und die Geldbuße können grundsätzlich bei der der Körperschaftsteuer in Abzug gebracht werden.

4.   Berücksichtigung der Nichtabsetzbarkeit des Vergleichsbetrags

(204)

Die Verfahrensweise, wonach eine grundsätzlich (von der Besteuerungsgrundlage) bei der Körperschaftsteuer absetzbare administrative Geldbuße als nicht absetzbar betrachtet und diese Geldbuße anschließend im Hinblick auf ihre Nichtabsetzbarkeit verringert wird (Ausgleich oder „Netting“), entspricht weder den Vorschriften noch der Verwaltungspraxis in diesem Bereich (61). Daher muss ein Vergleich des sich aus dieser Verfahrensweise ergebenden Vorteils bzw. Nachteils im Hinblick auf einen Fall angestellt werden, in dem ein solcher Ausgleich nicht von der Verwaltung angewandt worden wäre.

(205)

Derselbe Ansatz gilt in Bezug auf die Mehrwertsteuerbeträge, die grundsätzlich bei der Körperschaftsteuer absetzbar sind und für die dasselbe Ausgleichsprinzip angewandt worden wären.

(206)

Von den in den vorstehenden Erwägungsgründen ermittelten Beträgen müssen die folgenden als absetzbar betrachtet werden:

33 238 698 + 312 608 393 + 31 260 839 + 63 216 555 + 6 321 655 = 446 646 140 BEF.

(207)

Für Umicore lassen sich die negativen Auswirkungen der Nichtabsetzbarkeit dieser Beträge grundsätzlich wie folgt beziffern:

446 646 140 × 40,17 % (62) = 179 417 754 BEF.

(208)

Da jedoch Umicore für die steuerpflichtigen Einkünfte im Jahr 2000 einen steuerlichen Verlust auswies, wirkte sich die Nichtabsetzbarkeit der betreffenden Beträge in Wirklichkeit nur für den nachfolgenden Steuerzeitraum (Einkünfte 2001), im Verlauf dessen Umicore tatsächlich den gesamten vortragsfähigen Steuerverlust angerechnet hatte, negativ aus. Demnach hatte die von der belgischen Verwaltung vorgenommene Ausgleichsmaßnahme einen Aufschub der Steuerzahlung bzw. der Geldbuße auf den folgenden Steuerzeitraum zur Folge.

(209)

Wenn im Übrigen die belgische Körperschaftsteuer grundsätzlich durch Vorauszahlungen des Abgabenpflichtigen während des Steuerjahres erhoben wird, um Steuererhöhungen zu vermeiden (63), kann davon ausgegangen werden, dass Umicore ohne Anwendung eines Ausgleichs die betreffenden Zahlungen Mitte des Jahres 2001 hätte vornehmen müssen, was praktisch bedeutet, dass Umicore für den Betrag von 179 417 754 BEF von einem sechsmonatigen Zahlungsaufschub profitierte.

(210)

Der Vorteil der Nichtabsetzbarkeit lässt sich demnach für Umicore auf folgenden Betrag beziffern:

179 417 754 BEF × 0,8 % (64) × 6 Monate = 8 612 052 BEF.

5.   Verzugszinsen

(211)

Auf die vorstehend berechneten Mehrwertsteuerbeträge sind Verzugszinsen in Höhe von monatlich 0,8 % ab dem 21. Januar 1997 (65) bis zur tatsächlichen Zahlung Ende Dezember 2000 zu berechnen:

37,6 % (66) × (312 608 393 + 63 216 555) = 141 310 180 BEF.

6.   Aufstellung der für den Zeitraum 1995-1996 geschuldeten Beträge

(212)

Die von Umicore geschuldeten Mindestbeträge für den Zeitraum 1995-1996 sind in der nachstehenden Tabelle aufgeführt:

(in BEF)

BESCHREIBUNG

GESCHULDETE BETRÄGE

1.

Erster Transaktionstyp

 

Administrative Geldbuße

33 238 698

2.

Zweiter Transaktionstyp

 

Geschuldete MwSt.

312 608 393

Administrative Geldbuße (10 %)

31 260 839

3.

Dritter Transaktionstyp

 

Geschuldete MwSt.

63 216 555

Administrative Geldbuße (10 %)

6 321 655

Zwischensumme

446 646 140 BEF

4.

Verzugszinsen

141 310 180

Grundsätzlich geschuldete Gesamtsumme (MwSt. + Zinsen)

587 956 320 BEF

5.

Auswirkung der Nichtabsetzbarkeit:

 

– Nachteil aus Nichtabsetzbarkeit

– 179 417 754

+ Vorteil aus Zahlungsaufschub

+8 612 052

SUMME

417 150 618 BEF

(213)

Aus der vorstehenden Berechnung geht hervor, dass sich der Mindestbetrag, den Umicore für die Jahre 1995 und 1996 im Rahmen einer Vergleichsvereinbarung mit der Steuerverwaltung schuldete, auf 587 956 320 BEF (14 575 056,46 EUR) beläuft. Bevor jedoch dieser Betrag mit dem Vergleichsbetrag verglichen werden kann, ist die Nichtabsetzbarkeit zu berücksichtigen, wodurch sich der errechnete Betrag auf 417 150 618 BEF (10 340 893,71 EUR) verringert.

VIII.2.3.   Die Jahre 1997-1998

(214)

Im Zeitraum 1997-1998 wurden die im Steuerbescheid vom 30. April 1999 beanstandeten Transaktionen nach dem folgenden System abgewickelt:

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(215)

In diesem letzten Szenario handelt es sich bei dem Umicore-Kunden B um die Niederlassung eines schweizerischen Unternehmens im Vereinigten Königreich, das dort mehrwertsteuerpflichtig registriert ist. Der Abnehmer ist ein in Italien ansässiger Mehrwertsteuerpflichtiger C. Die Waren wurden direkt vom belgischen Produktionsstandort nach Italien befördert. Die Warenrechnungen von Umicore wurden vom Steuerpflichtigen B bezahlt.

(216)

Die Steuerbehörde gab in ihrem Steuerbescheid vom 30. April 1999 an, dass der Steuerpflichtige B kein Recht auf Beanspruchung der Mehrwertsteuerbefreiung nach Artikel 39bis MwSt.GB habe, weil er keine gültige MwSt.-Identifikationsnummer in Italien hatte. Hilfsweise begründete sie die Auffassung, dass selbst wenn man eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen B, die ihm Steuerpflichtigeneigenschaft verleihe, unterstelle, müssten die betreffenden Transaktionen als innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte gelten. In diesem Fallbeispiel wäre das erste Veräußerungsgeschäft als ein in Belgien mehrwertsteuerpflichtiges Inlandsgeschäft ohne Warenbewegung zu verstehen, für das keine Steuerbefreiung möglich ist, da die Beförderung für Rechnung der italienischen Abnehmer erfolgt wäre.

(217)

Vorab ist anzumerken werden, dass, anders als für den Zeitraum 1995-1996, die Inspektoren der ISI später selbst zu der Auffassung gelangten, dass eine Ablehnung der Steuerbefreiung nicht hinreichend begründet werden könne. Dies geht eindeutig aus den internen Mitteilungen der Inspektoren an ihren Dienstleiter aus der Zeit vor und nach Abschluss der Vereinbarung hervor.

(218)

Zweitens belegen die der Kommission von Belgien am 6. August 2009 übermittelten Unterlagen, dass die Beförderung tatsächlich für Rechnung des Steuerpflichtigen B (und nicht für Rechnung eines möglichen Abnehmers) erfolgte. Eine weitere Bestätigung hierfür ergibt sich offensichtlich aus den von Umicore an die ISI am 11. Juni 1999 übersandten Kopien von Unterlagen, die belegen, dass der Steuerpflichtige B Umicore für jede Lieferung eine Bestätigung per Fax mit dem Namen der Spedition, des Fahrers und des Kennzeichens des LKWs übersandte.

(219)

Zudem erscheint der Umstand, dass der Steuerpflichtige B in Italien keine gültige MwSt.-Identifikationsnummer führte, wie es die belgische Verwaltung in ihrem Steuerbescheid vom 30. April 1999 vorträgt, unerheblich, wenn ein Steuerpflichtiger nicht zur mehrwertsteuerpflichtigen Registrierung in dem Mitgliedstaat, in den die Waren versendet werden, verpflichtet ist. Im Übrigen ist festzustellen, dass die britische Steuerverwaltung, die der belgischen Verwaltung auf deren Ersuchen Informationen übersandte, die tatsächliche Existenz der Geschäftstätigkeit des Steuerpflichtigen B im Vereinigten Königreich in keiner Weise in Frage stellte.

(220)

Schließlich ist festzustellen, dass die belgische Steuerverwaltung keinen Zweifel daran hatte, dass die Waren das belgische Hoheitsgebiet tatsächlich verlassen haben und in einen anderen Mitgliedstaat befördert wurden.

(221)

Diese Erwägungen scheinen hinreichend darauf hinzuweisen, dass die ISI nicht über Anhaltspunkte verfügte, die ihr eine Verweigerung der von Umicore angewandten MwSt.-Befreiung ermöglicht hätte. Hieraus ist zu folgern dass, Umicore für den Zeitraum 1997-1998 keine zusätzliche Mehrwertsteuer, Geldbuße oder Zinsen schuldete.

VIII.2.4.   Schlussfolgerungen zum Vorliegen eines wirtschaftlichen Vorteils

(222)

Auf der Grundlage der vorstehenden Würdigung ist davon auszugehen, dass sich der Mindestbetrag, den Umicore im Rahmen der Vergleichsvereinbarung mit der Steuerverwaltung für die Jahre 1995 bis 1998 schuldete, auf insgesamt 417 150 618 BEF (10 340 893,71 EUR) belief.

(223)

Da dieser Betrag geringer als der von Umicore auf der Grundlage der Vereinbarung vom 21. Dezember 2000 bezahlte Betrag ist, kann nicht von unverhältnismäßigen Zugeständnissen seitens der belgischen Steuerbehörden ausgegangen werden. Die Vereinbarung weicht von der Regelung und von der administrativen Praxis lediglich hinsichtlich der Ausgleichsmaßnahme ab, durch die der geschuldete Betrag unter Berücksichtigung der Nichtabsetzbarkeit bei der Körperschaftsteuer verringert wurde. Die wirtschaftliche Auswirkung dieser Maßnahme wurde jedoch bei der betreffenden Bewertung angemessen berücksichtigt.

(224)

Die Kommission ist daher der Meinung, dass die belgischen Steuerbehörden der Gesellschaft Umicore keinen wirtschaftlichen oder finanziellen Vorteil im Rahmen der Vergleichsvereinbarung vom 21. Dezember 2000 gewährt haben.

IX.   SCHLUSSFOLGERUNG

(225)

Die Kommission stellt fest, dass die Vergleichsvereinbarung zwischen den belgischen Steuerbehörden und der Gesellschaft Umicore vom 21. Dezember 2000 letzterer keinen Vorteil verschafft hat und damit keine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV darstellt —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Die Vergleichsvereinbarung zwischen dem belgischen Staat und der Gesellschaft Umicore S.A. (vormals Union Minière S.A.) über einen Betrag in Höhe von 423 Mio. BEF stellt keine Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union dar.

Artikel 2

Dieser Beschluss ist an das Königreich Belgien gerichtet.

Brüssel, den 26. Mai 2010

Für die Kommission

Joaquín ALMUNIA

Vizepräsident


(1)  ABl. C 280 vom 17.11.2004, S. 10.

(2)  Mit Wirkung vom 1. Dezember 2009 sind an die Stelle der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag die Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) getreten. Die Artikel 87 und 88 EG-Vertrag und die Artikel 107 und 108 AEUV sind im Wesentlichen identisch. Im Rahmen dieses Beschlusses sind Bezugnahmen auf die Artikel 107 und 108 AEUV als Bezugnahmen auf die Artikel 87 und 88 EG-Vertrag zu verstehen, wo dies angebracht ist. Mit dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union wurden einige Begriffe geändert. So wurde zum Beispiel „Gemeinschaft“ durch „Union“ und „Gemeinsamer Markt“ durch „Binnenmarkt“ ersetzt.

(3)  ABl. C 223 vom 7.9.2004, S. 2.

(4)  Siehe Fußnote 1.

(5)  ABl. L 376 vom 31.12.1991, S. 1.

(6)  Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern — Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage („Sechste Mehrwertsteuer-Richtlinie“) (ABl. L 145 vom 13.6.1977, S. 1).

(7)  In Artikel 5 Absatz 2 K. E. Nr. 18 heißt es, dass der nicht in Belgien ansässige Erwerber, der selbst Besitz von den Gütern in Belgien nimmt, verpflichtet ist bei der Besitzübernahme dem in Belgien ansässigen Veräußerer den Empfang der Güter zu bescheinigen. Die dem Veräußerer auszuhändigende Empfangsbescheinigung muss das Datum der Übernahme, die Beschreibung und das Bestimmungsland der Güter enthalten. Dieselbe Bescheinigung ist dem Veräußerer zu übergeben, wenn die Besitzübernahme in Belgien durch einen Dritten, der für Rechnung des nicht in Belgien ansässigen Erwerbers handelt, erfolgt. In diesem Fall ist die Bescheinigung von diesem Dritten auszuhändigen, der bestätigt, dass er für Rechnung seines Auftraggebers handelt („l’acheteur non établi en Belgique, qui prend lui-même possessions des biens en Belgique, doit délivrer, lors de la prise de possession, un accusé de réception à son vendeur établi en Belgique. L’accusé de réception à livrer au vendeur doit mentionner la date de la remise des biens, la description de ceux-ci et le pays de destination. Le même document doit être délivré au vendeur lorsque la prise de possession des biens en Belgique est réalisée par une tierce personne, qui agit pour le compte de l’acheteur qui n’est pas établi en Belgique. Dans ce cas, le document doit être délivré par ladite tierce personne, qui y déclare agir pour le compte de son donneur d’ordre“). Nach Artikel 6 K. E. Nr. 18 muss der Ausfuhrnachweis vom Veräußerer, unabhängig von dem unter Artikel 5 Absatz 2 vorgeschriebenen Dokument, erbracht werden („La preuve de l’exportation doit être fournie par le vendeur (…) indépendamment du document prescrit par l’article 5, § 2“). Artikel 3 K. E. Nr. 18 bestimmt weiter, dass der Veräußerer immer im Besitz aller Dokumente zum Nachweis für die tatsächliche Ausfuhr der Güter sein muss und verpflichtet ist, sie auf Verlangen der Kontrollbeamten vorzulegen. Diese Dokumente umfassen insbesondere Auftragsscheine, Beförderungspapiere, Rechnungsunterlagen sowie die Ausfuhrerklärung gemäß Artikel 2 („Le vendeur doit être à tout moment en possession de tous les documents justifiant la réalité de l’exportation et produire ceux-ci à toute demande des agents chargés du contrôle. Ces documents comprennent notamment les bons de commande, les documents de transport, les documents de paiement, ainsi que la déclaration d’exportation visée à l’article 2“); dieser bestimmt, dass eine Kopie der Verkaufsrechnung oder ersatzweise eine Versandbestätigung mit allen Angaben, die eine Verkaufsrechnung enthalten muss, bei der Zollstelle vorzulegen ist, bei der die Ausfuhrerklärung entsprechend den Zollbestimmungen für die Ausfuhr erfolgt („Une copie de la facture de vente ou, à défaut de facture de vente, une note d’envoi contenant toutes les mentions que doit porter une facture de vente, doit être remise au bureau de douane où conformément à la réglementation douanière en matière d’exportation, une déclaration d’exportation doit être déposée.“).

(8)  In einem Auszug der Antwort des belgischen Ministers der Finanzen auf die parlamentarische Frage Nr. 248 vom 23. Januar 1996 (Fragen und Antworten, Kammer, ordentliche Sitzungsperiode 1995-1996, Nr. 26 vom 18.3.1996) heißt es, dass eine in Belgien begonnene innergemeinschaftliche Lieferung demnach grundsätzlich in Belgien mehrwertsteuerpflichtig ist, wenn sie von einem Steuerpflichtigen, der als ein solcher handelt, vorgenommen wird. Das Recht auf Steuerbefreiung müsse selbstverständlich vom Lieferer, der sie beansprucht, nachgewiesen werden. Diesem obliege daher die Beweispflicht dafür, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Steuerbefreiung erfüllt sind. („Une livraison intracommunautaire au départ de la Belgique constitue dès lors une opération qui rend la TVA en principe exigible en Belgique lorsqu‘elle est effectuée par un assujetti agissant en tant que tel. Le droit au bénéfice de cette exemption doit bien entendu être prouvé par le fournisseur qui l’invoque. C’est donc à lui qu’incombe la charge de la preuve que les conditions d’application de l’exemption sont remplies.“)

(9)  Artikel 16 MwStGB bestimmt, dass die Lieferung zu dem Zeitpunkt erfolgt, an dem das Gut dem Erwerber oder Zessionar zur Verfügung gestellt wird, und Artikel 17 MwStGB, dass der Steuertatbestand und der Steueranspruch zu dem Zeitpunkt eintreten, zu dem die Lieferung des Gutes erfolgt.

(10)  Kassationshof, Urteil vom 21.5.1982, Pas. I, 1982, S. 1106.

(11)  Obgleich das Mehrwertsteuergesetz dieses Verfahren nicht ausdrücklich vorsieht, entspricht es der üblichen Praxis der Steuerverwaltung zur Wahrung verschiedener Grundsätze, zu denen das Verteidigungsrecht und der Grundsatz der guten Verwaltung zählen.

(12)  Kommentar (Commentaire) Nr. 84/91 MwStGB.

(13)  Insbesondere aufgrund der Zahl und der Höhe der Umsätze für die kein reguläres Dokument ausgestellt worden ist, im Vergleich zur Zahl und zur Höhe der Umsätze, die Gegenstand regulärer Dokumente waren.

(14)  Der Kommentar Nr. 70/67 sieht die Anwendung dieser Bestimmung dann vor, wenn der Steuerpflichtige ohne Rechnung an einen sich als Privatperson ausweisenden Abnehmer verkauft und wenn der Steuerpflichtige keine schwerwiegenden Gründe hatte, an der Eigenschaft seiner Vertragspartner als Nichtsteuerpflichtige zu zweifeln.

(15)  Siehe Tabelle C.

(16)  Schiedsgerichtshof, Entscheid vom 24. Februar 1999, Sache 22/99.

(17)  Nunmehr Verfassungsgerichtshof (Cour Constitutionnelle).

(18)  Kassationshof, Urteil vom 12. Februar 2009, Sache C.07.0507.N, nicht veröffentlicht; Kassationshof, Urteil vom 13. Februar 2009, Sache F.06.0107.N, nicht veröffentlicht; Kassationshof, Urteil vom 12. Februar 2009, Sache F.06.0108.N.

(19)  Siehe vormaligen Artikel 84 MwStGB.

(20)  Artikel 9 des Erlasses des Regenten überträgt dem Minister der Finanzen die Befugnis, über den Erlass von Geldbußen und die Anhebung von Gebühren zur Erwirkung einer Geldbuße in den Fällen, wo keine gerichtliche Entscheidung erfolgt, zu entscheiden.

(21)  Die Regionaldirektoren (directeurs régionaux) der ISI verfügen über dieselben Befugnisse nach Artikel 95 des Gesetzes vom 15. März 1999, der Artikel 87 des Gesetzes vom 8. August 1980 ersetzt.

(22)  Kommentar Nr. 84/59 MwStGB.

(23)  Kommentar Nr. 84 bis/4ff. MwStGB.

(24)  Rundschreiben Nr. 78 zur MwSt. vom 15. Dezember 1970, Punkt 9.

(25)  Handbuch zur Mehrwertsteuer (Manuel TVA), veröffentlicht von der Verwaltung der Mehrwertsteuer, S. 1116, Punkt 530.

(26)  Stellt ein Steuerpflichtiger ursprünglich einen Betrag von 100, zuzüglich einer Mehrwertsteuer von 21, also insgesamt 121 in Rechnung und bezahlt der Erwerber nur einen Betrag von 100, so beläuft sich der Erstattungsbetrag nicht auf 21, sondern auf 21 × (21/121) = 3,64.

(27)  Es gibt keine genauen Vorgaben zur Berechnungsweise der Erstattung bei teilweisem Verlust der Preisforderung. Allerdings steht der Anwendung einer Erstattung nichts im Wege, wenn der Mehrwertsteuerbetrag im Nachhinein vom Steuerpflichtigen (auch mehrere Jahre nach dem Steuertatbestand) in Rechnung gestellt wird.

(28)  Kommentar Nr. 53/88 EStGB (Com. IR 1992).

(29)  Kommentar Nr. 53/97 und Nr. 53/97 EStGB.

(30)  Siehe insbesondere EuGH, Urteil vom 26. September 1996, Frankreich/Kommission, Rechtssache C-241/94, Slg. 1996, I-4551; EuG, Urteil vom 6. März 2002, verbundene Rechtssachen T-127/99, T-129/99 und T-148/99: Diputación Foral de Álava,, Comunidad Autónoma del País Vasco et Gasteizko Industria Lurra und Daewoo Electronics Manufacturing España, Slg. 2002, II-1275, Randnrn. 151 und 154.

(31)  Artikel 85 MwStGB.

(32)  In diesem Schreiben (SG (99) 3364) der Kommission vom 10.5.1999 heißt es, dass die Kommission trotz der anscheinenden Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit der belgischen Vorschriften mehrfach Beschwerden erhalten habe, wonach insbesondere in den Fällen, wo das erworbene Gut vom Erwerber selbst befördert werde, die Verwaltung Dokumente, vor allem die Frachtdokumente, verlange, die der Verkäufer nicht vorlegen könne.

(33)  Diesbezüglich verweist Belgien auf die belgische Rechtsprechung, wonach die Steuer sachverhaltsgerecht begründet werden muss, und auf den Grundsatz der guten Verwaltung. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze sieht sich die Verwaltung in der Pflicht, Beweise, die von den Behörden eines anderen Landes vorgelegt werden, im Hinblick auf die mögliche Bewilligung der Mehrwertsteuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen zu berücksichtigen.

(34)  Im vorliegenden Fall hatte die erwerbende schweizerische Gesellschaft einen verantwortlichen Vertreter im Vereinigten Königreich bestellen lassen, der dort selbst mehrwertsteuerpflichtig registriert war und seinen steuerlichen Verpflichtungen nachkam.

(35)  Nach Artikel 2 MwStGB unterliegt die Lieferung von Gütern und Erbringung von Dienstleistungen, die gegen Entgelt in Belgien von einem Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, bewirkt werden, der Steuer. Nach Artikel 53 Absatz 2 MwStGB ist für alle Lieferungen oder Dienstleistungen eine Rechnung auszustellen, unabhängig davon ob sie tatsächlich in Belgien besteuert werden oder nicht.

(36)  Artikel 70 Absatz 2 MwStGB käme im Übrigen zur Anwendung, wenn die Rechnungen, deren Ausstellung in den Artikeln 53, 53g Absatz 2 und 54 MwStGB vorgeschrieben ist, nicht oder nicht richtig ausgestellt wurden.

(37)  Kommentare Nr. 70/60 bis 70/62 MwStGB.

(38)  Kommentar Nr. 53/97 und Nr. 53/97.1 EStGB.

(39)  Pressemitteilung IP/04/882 vom 9. Juli 2004.

(40)  Erwägungsgrund 55 des Eröffnungsbeschlusses.

(41)  Schlussanträge des Generalanwalts, Rechtssache C-353/95 P, Slg. 1997, I-7007, Randnr. 30.

(42)  Umicore zitiert die Statistik der ISI, die belegt, dass 22 % der Nachzahlungen im Bereich der MwSt., die auf eine Umsatzerhöhung im Zeitraum 2000-2002 zurückzuführen sind, nach einer Vereinbarung mit dem Steuerschuldner festgesetzt wurden.

(43)  Gericht Namur, 10.1.91, FJ.F, 91/204: „L’administration fiscale et le contribuable peuvent valablement transiger sur la base imposable en matière de T.V.A. Les dispositions légales et réglementaires applicables prévoient qu’en marquant son accord sur la transaction relative à la base imposable, le contribuable sollicite également le bénéfice de la réduction des amendes. L’opération répond ainsi, de par sa nature même, à la définition de la transaction dont la caractéristique essentielle est l’existence de concessions réciproques que se font les parties. La concession du contribuable consiste, en l’espèce, en l’accord qu’il marque sur la base imposable résultant du relevé de régularisation après contrôle. La concession de l’administration fiscale consiste en la réduction des amendes légales liées à l’accord relatif à la détermination de la base imposable“. (Die Steuerverwaltung und der Abgabenpflichtige können rechtmäßig einen Vergleich über die Besteuerungsgrundlage im Bereich der Mehrwertsteuer schließen. Die geltenden Rechtsvorschriften und Bestimmungen sehen vor, dass der Abgabenpflichtige, indem der dem Vergleich in Bezug auf die Besteuerungsgrundlage zustimmt, auch Anspruch auf eine Verringerung der Geldbußen hat. Die Maßnahme entspricht daher ihrem Wesen nach der Definition des Vergleichs, dessen Hauptmerkmal das Vorliegen von gegenseitigen Zugeständnissen der Parteien ist. Das Zugeständnis der Steuerverwaltung besteht in der Verringerung der gesetzlichen Geldbußen in Verbindung mit der Vereinbarung über die Höhe der Besteuerungsgrundlage.)

(44)  EuGH, Urteil vom 29.6.1999, DM Transport, Rechtssache C-256/97, Slg.1999, I-3913. Die DM Transport schuldete dem Office national de sécurité sociale belge („ONSS“) insgesamt 18,1 Mio. BEF an Steuern, Gehältern und Sozialversicherungsbeiträgen. Nach belgischem Recht haben Arbeitgeber, die die Beiträge nicht fristgemäß zahlen, einen Beitragszuschlag und Verzugszinsen zu entrichten. Allerdings kann das ONSS Arbeitgebern in eigener Verantwortung Nachfristen setzen. In der Annahme, dass diese Zahlungserleichterungen zu einer künstlichen Aufrechterhaltung der Tätigkeit eines zahlungsunfähigen Unternehmens beigetragen haben, hat das Tribunal de Commerce Brüssel dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung zur Feststellung vorgelegt, ob Maßnahmen in Form von Zahlungserleichterungen als staatliche Beihilfen anzusehen sind.

(45)  Office national de sécurité social — die belgische Sozialversicherungsanstalt..

(46)  EuGH, Urteil vom 6.3.2002, Diputación Forai de Álava u. a., Rechtssache T-127/99, Slg. 2002, II-1275, Randnrn. 164-166.

(47)  Umicore verweist diesbezüglich auf Punkt 26 der Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmenssteuerung (ABl. C 384 vom 10.12.1998, S. 3), wonach der eigentliche Zweck des Steuersystems „in der Erzielung von Einnahmen zur Finanzierung der Staatsausgaben“ bestehe.

(48)  Vgl. insbesondere EuGH, Urteil vom 15. März 1994, Banco Exterior de España, Rechtssache C-387/92, Slg. 1994, I-877, Randnr. 13; EuGH, Urteil vom 8. November 2001, Adria Wien Pipeline GmbH, Rechtssache C-143/99, Slg. 2001, I-8365, Randnr. 38; EuGH, Urteil vom 22. November 2001, Ferring, Rechtssache C-53/00, Slg. 2001, I-9067, Randnr. 15; EuGH, Urteil vom 3. März 2005, Heiser, Rechtssache C-172/03, Slg. 2005, I-1627, Randnr. 36; EuGH, Urteil vom 22. Juni 2006, verbundene Rechtssachen C-182/03 und C-217/03, Forum 187 ASBL, Slg. 2003, I-6887, Randnr. 86.

(49)  Siehe Punkt 9 der in Fußnote 46 erwähnten Mitteilung der Kommission von 1998.

(50)  Bei B handelt es sich in Wirklichkeit um zwei verschiedene italienische Gesellschaften.

(51)  Vgl. Abschnitt II.2.

(52)  Kassationshof, o.g. Urteile vom 12.9.2009. Der Hof bestätigte die Unverhältnismäßigkeit einer Geldbuße von 200 % unter Berücksichtigung der Umstände und die Rechtmäßigkeit der Herabsetzung der Geldbuße durch das Berufungsgericht auf 50 %.

(53)  Vgl. Abschnitt II.2.

(54)  Bei B handelt es sich in Wirklichkeit um zwei in der Schweiz niedergelassene Gesellschaften.

(55)  Bei C handelt es sich in Wirklichkeit um dieselben Gesellschaften wie bei B im nachstehend beschriebenen dritten Fallbeispiel.

(56)  1 488 611 396 BEF × 21 % = 31 608 393 BEF.

(57)  Bei Anwendung von Artikel 70 Absatz 1 entspräche der Aufschlag von 10 % dem von den Steuerbehörden anzuwendende Mindestsatz.

(58)  Bei C handelt es sich in Wirklichkeit um dieselben schweizerischen Gesellschaften wie im zweiten Beispielfall.

(59)  Auf den Proforma-Rechnungen von Umicore wird in Zusammenhang mit der Warenbezeichnung der Name der Gesellschaft C als „Eigentümer“ genannt. Die Frachtdokumente sind in erster Linie an die schweizerische Gesellschaft C adressiert und geben im Allgemeinen an, dass die Waren für Rechnung der schweizerischen Gesellschaft C zur Beförderung nach Italien bestimmt sind.

(60)  21 % der in Rechnung gestellten Beträge: (29 595 944 + 34 744 972 + 32 355 113 + 73 803 950 + 130 531 237) × 21 % = 63 216 555 BEF.

(61)  Vgl. Abschnitt II.2

(62)  Gültiger Körperschaftsteuersatz zum Zeitpunkt der Vereinbarung.

(63)  Vgl. Artikel 218 EStGB 92 in Verbindung mit den Artikeln 157-168 EStGB 92.

(64)  Zinssatz der belgischen Steuerverwaltung für die Berechnung der Verzugszinsen.

(65)  Datum im Steuerbescheid, festgesetzt auf der Grundlage der üblichen Praxis der Steuerverwaltung.

(66)  (3 × 12 Monate) + 11 Monate = 47 Monate × 0,8 % = 37,6 %.


11.5.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 122/100


DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS DER KOMMISSION

vom 10. Mai 2011

zur Änderung des Anhangs der Entscheidung 93/52/EWG hinsichtlich der Anerkennung bestimmter italienischer Regionen als amtlich frei von Brucellose (B. melitensis) sowie zur Änderung der Anhänge der Entscheidung 2003/467/EG hinsichtlich der Anerkennung bestimmter italienischer, polnischer und britischer Regionen als amtlich frei von Rindertuberkulose, Rinderbrucellose und enzootischer Rinderleukose

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2011) 3066)

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2011/277/EU)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Richtlinie 64/432/EWG des Rates vom 26. Juni 1964 zur Regelung viehseuchenrechtlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Rindern und Schweinen (1), insbesondere auf Anhang A Kapitel I Nummer 4, Anhang A Kapitel II Nummer 7 und Anhang D Kapitel I Abschnitt E,

gestützt auf die Richtlinie 91/68/EWG des Rates vom 28. Januar 1991 zur Regelung tierseuchenrechtlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Schafen und Ziegen (2), insbesondere auf Anhang A Kapitel 1 Abschnitt II,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Mit der Richtlinie 91/68/EWG sind tierseuchenrechtliche Fragen beim Handelsverkehr mit Schafen und Ziegen innerhalb der Union geregelt worden. Die genannte Richtlinie legt fest, unter welchen Bedingungen Mitgliedstaaten oder Regionen von Mitgliedstaaten als amtlich brucellosefrei anerkannt werden können.

(2)

Die Entscheidung 93/52/EWG der Kommission vom 21. Dezember 1992 zur Feststellung, dass bestimmte Mitgliedstaaten oder Gebiete die Bedingungen betreffend die Brucellose (B. melitensis) eingehalten haben, und zur Anerkennung dieser Mitgliedstaaten oder Gebiete als amtlich brucellosefrei (3) enthält in Anhang II die Verzeichnisse der Regionen von Mitgliedstaaten, die gemäß der Richtlinie 91/68/EWG als amtlich frei von Brucellose (B. melitensis) anerkannt sind.

(3)

Italien hat der Kommission Unterlagen übermittelt, aus denen hervorgeht, dass in den Regionen Emilia-Romagna und Aostatal die Bedingungen der Richtlinie 91/68/EWG erfüllt sind, damit diese italienischen Regionen als amtlich frei von Brucellose (B. melitensis) anerkannt werden. Im Anschluss an die Auswertung der von Italien vorgelegten Unterlagen sollten die Regionen Emilia-Romagna und Aostatal daher als amtlich frei von dieser Seuche anerkannt werden.

(4)

Der Eintrag für Italien in Anhang II der Entscheidung 93/52/EWG sollte daher entsprechend geändert werden.

(5)

Die Richtlinie 64/432/EWG regelt den Handelsverkehr mit Rindern und Schweinen innerhalb der Union. Sie legt fest, unter welchen Bedingungen Mitgliedstaaten bzw. Regionen von Mitgliedstaaten in Bezug auf die Rinderbestände als amtlich frei von Tuberkulose, Brucellose und enzootischer Rinderleukose anerkannt werden können.

(6)

Zwar ist die Insel Man als autonomer Besitz der britischen Krone nicht Teil der Union, hat aber eine spezielle begrenzte Beziehung zur Union. Daher sieht die Verordnung (EWG) Nr. 706/73 des Rates vom 12. März 1973 über die gemeinschaftliche Regelung im Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen für die Kanalinseln und die Insel Man (4) vor, dass zum Zweck der Anwendung von Vorschriften wie, unter anderen, solchen über die Tiergesundheit, das Vereinigte Königreich und die Insel Man als ein einziger Mitgliedstaat zu behandeln sind.

(7)

Die Anhänge der Entscheidung 2003/467/EG der Kommission vom 23. Juni 2003 zur Feststellung des amtlich anerkannt tuberkulose-, brucellose- und rinderleukosefreien Status bestimmter Mitgliedstaaten und Regionen von Mitgliedstaaten in Bezug auf die Rinderbestände (5) enthält Verzeichnisse der Mitgliedstaaten und ihrer Regionen, die nach dieser Entscheidung als amtlich frei von Tuberkulose, Brucellose und enzootischer Rinderleukose anerkannt sind.

(8)

Italien hat der Kommission Unterlagen übermittelt, aus denen hervorgeht, dass die Bedingungen für den amtlich anerkannten Status als tuberkulosefrei gemäß der Richtlinie 64/432/EWG hinsichtlich der Provinzen Rieti und Viterbo in der Region Latium erfüllt sind.

(9)

Im Anschluss an die Auswertung der von Italien vorgelegten Unterlagen sollten die Provinzen Rieti und Viterbo in der Region Latium als amtlich tuberkulosefreie Regionen Italiens anerkannt werden.

(10)

Italien und das Vereinigte Königreich haben der Kommission außerdem Unterlagen übermittelt, aus denen hervorgeht, dass die Bedingungen für den amtlich anerkannten Status als brucellosefrei gemäß der Richtlinie 64/432/EWG hinsichtlich der Provinzen Frosinone, Latina und Viterbo in der Region Latium in Italien und der Insel Man im Vereinigten Königreich erfüllt sind.

(11)

Im Anschluss an die Auswertung der von Italien und dem Vereinigten Königreich vorgelegten Unterlagen sollten die Provinzen Frosinone, Latina und Viterbo in der Region Latium in Italien und die Insel Man im Vereinigten Königreich als amtlich brucellosefrei anerkannt werden.

(12)

Italien, Polen und das Vereinigte Königreich haben der Kommission außerdem Unterlagen übermittelt, aus denen hervorgeht, dass die Bedingungen der Richtlinie 64/432/EWG hinsichtlich der Provinz Viterbo in der Region Latium in Italien, 44 Verwaltungsbezirken (powiaty) innerhalb der größeren Verwaltungseinheiten (Wojewodschaften) Lubuskie, Kujawslo-Pomorskie, Mazowieckie, Poslaskie, Warmi’nsko-Mazurskie und Wielkopolskie in Polen sowie der Insel Man im Vereinigten Königreich erfüllt sind, so dass diese Regionen als frei von enzootischer Rinderleukose amtlich anerkannt werden können.

(13)

Im Anschluss an die Auswertung der von Italien, Polen und dem Vereinigten Königreich vorgelegten Unterlagen sollten die betreffenden Regionen als frei von enzootisch Rinderleukose amtlich anerkannt werden.

(14)

Die Anhänge der Entscheidung 2003/467/EG sollten daher entsprechend geändert werden.

(15)

Die in diesem Beschluss vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Ständigen Ausschusses für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Anhang II der Entscheidung 93/52/EWG wird gemäß Anhang I des vorliegenden Beschlusses geändert.

Artikel 2

Die Anhänge der Entscheidung 2003/467/EG werden gemäß Anhang II des vorliegenden Beschlusses geändert.

Artikel 3

Dieser Beschluss ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Brüssel, den 10. Mai 2011

Für die Kommission

John DALLI

Mitglied der Kommission


(1)  ABl. L 121 vom 29.7.1964, S. 1977/64.

(2)  ABl. L 46 vom 19.2.1991, S. 19.

(3)  ABl. L 13 vom 21.1.1993, S. 14.

(4)  ABl. L 68 vom 15.3.1973, S. 1.

(5)  ABl. L 156 vom 25.6.2003, S. 74.


ANHANG I

In Anhang II der Entscheidung 93/52/EWG erhält der Eintrag für Italien folgende Fassung:

„In Italien:

Region Abruzzen: Provinz Pescara,

Provinz Bozen,

Region Emilia-Romagna,

Region Friaul-Julisch-Venetien,

Region Latium: Provinzen Latina, Rieti, Rom und Viterbo,

Region Ligurien: Provinz Savona,

Region Lombardei,

Region Marken,

Region Molise,

Region Piemont,

Region Sardinien,

Region Toskana,

Provinz Trient,

Region Umbrien,

Region Aostatal,

Region Venetien.“


ANHANG II

Die Anhänge I, II und III der Entscheidung 2003/467/EG werden wie folgt geändert:

1.

In Anhang I Kapitel 2 erhält der Eintrag für Italien folgende Fassung:

„In Italien:

Region Abruzzen: Provinz Pescara,

Provinz Bozen,

Region Emilia-Romagna,

Region Friaul-Julisch Venetien,

Region Latium: Provinzen Rieti, Viterbo,

Region Lombardei,

Region Marken: Provinz Ascoli Piceno,

Region Piemont: Provinzen Novara, Verbania und Vercelli,

Region Sardinien: Provinzen Cagliari, Medio-Campidano, Ogliastra, Olbia-Tempio und Oristano,

Region Toskana,

Provinz Trient,

Region Venetien.“

2.

Anhang II Kapitel 2 wird wie folgt geändert:

a)

Der Eintrag für Italien erhält folgende Fassung:

„In Italien:

Region Abruzzen: Provinz Pescara,

Provinz Bozen,

Region Emilia-Romagna,

Region Friaul-Julisch Venetien,

Region Latium: Provinzen Frosinone, Latina, Rieti, Viterbo,

Region Ligurien: Provinzen Imperia und Savona,

Region Lombardei,

Region Marken,

Region Molise: Provinz Campobasso,

Region Piemont,

Region Apulien: Provinz Brindisi,

Region Sardinien,

Region Toskana,

Provinz Trient,

Region Umbrien,

Region Venetien.“

b)

Der Eintrag für das Vereinigte Königreich erhält folgende Fassung:

„Im Vereinigten Königreich:

Großbritannien: England, Schottland, Wales;

Insel Man.“

3.

Anhang III Kapitel 2 wird wie folgt geändert:

a)

Der Eintrag für Italien erhält folgende Fassung:

„In Italien:

Region Abruzzen: Provinz Pescara,

Provinz Bozen,

Region Kampanien: Provinz Neapel,

Region Emilia-Romagna,

Region Friaul-Julisch Venetien,

Region Latium: Provinzen Frosinone und Rieti,

Region Ligurien: Provinzen Imperia und Savona,

Region Lombardei,

Region Marken,

Region Molise,

Region Piemont,

Region Apulien: Provinz Brindisi,

Region Sardinien,

Region Sizilien: Provinzen Agrigent, Caltanissetta, Syrakus und Trapani,

Region Toskana,

Provinz Trient,

Region Umbrien,

Region Aostatal,

Region Venetien.“

b)

Der Eintrag für Polen erhält folgende Fassung:

„In Polen:

Wojewodschaft Dolnośląskie

Powiaty:

bolesławiecki, dzierżoniowski, głogowski, górowski, jaworski, jeleniogórski, Jelenia Góra, kamiennogórski, kłodzki, legnicki, Legnica, lubański, lubiński, lwówecki, milicki, oleśnicki, oławski, polkowicki, strzeliński, średzki, świdnicki, trzebnicki, wałbrzyski, Wałbrzych, wołowski, wrocławski, Wrocław, ząbkowicki, zgorzelecki, złotoryjski.

Wojewodschaft Lublin

Powiaty:

bialski, Biała Podlaska, biłgorajski, chełmski, Chełm, hrubieszowski, janowski, krasnostawski, kraśnicki, lubartowski, lubelski, Lublin, łęczyński, łukowski, opolski, parczewski, puławski, radzyński, rycki, świdnicki, tomaszowski, włodawski, zamojski, Zamość.

Wojewodschaft Lubuskie

Powiaty:

gorzowski, Gorzów Wielkopolski, krośnieńsko-odrzański, międzyrzecki, nowosolski, słubicki, strzelecko—drezdenecki, sulęciński, świebodziński, Zielona Góra, zielonogórski, żagański, żarski, wschowski.

Wojewodschaft Kujawsko-pomorskie

Powiaty:

aleksandrowski, brodnicki, bydgoski, Bydgoszcz, chełmiński, golubsko-dobrzyński, grudziądzki, inowrocławski, lipnowski, Grudziądz, radziejowski, rypiński, sępoleński, świecki, toruński, Toruń, tucholski, wąbrzeski, Włocławek, włocławski.

Wojewodschaft Lodsch

Powiaty:

bełchatowski, brzeziński, kutnowski, łaski, łęczycki, łowicki, łódzki, Lodsch, opoczyński, pabianicki, pajęczański, piotrkowski, Piotrków Trybunalski, poddębicki, radomszczański, rawski, sieradzki, skierniewicki, Skierniewice, tomaszowski, wieluński, wieruszowski, zduńskowolski, zgierski.

Wojewodschaft Małopolskie

Powiaty:

brzeski, bocheński, chrzanowski, dąbrowski, gorlicki, krakowski, Krakau, limanowski, miechowski, myślenicki, nowosądecki, nowotarski, Nowy Sącz, oświęcimski, olkuski, proszowicki, suski, tarnowski, Tarnów, tatrzański, wadowicki, wielicki.

Wojewodschaft Mazowieckie

Powiaty:

białobrzeski, ciechanowski, garwoliński, grójecki, gostyniński, grodziski, kozienicki, legionowski, lipski, łosicki, makowski, miński, mławski, nowodworski, ostrołęcki, Ostrołęka, ostrowski, otwocki, piaseczyński, Płock, płocki, płoński, pruszkowski, przasnyski, przysuski, pułtuski, Radom, radomski, Siedlce, siedlecki, sierpecki, sochaczewski, sokołowski, szydłowiecki, Warszawa, warszawski zachodni, węgrowski, wołomiński, wyszkowski, zwoleński, żuromiński, żyrardowski.

Wojewodschaft Opolskie

Powiaty:

brzeski, głubczycki, kędzierzyńsko-kozielski, kluczborski, krapkowicki, namysłowski, nyski, oleski, opolski, Opole, prudnicki, strzelecki.

Wojewodschaft Podkarpackie

Powiaty:

bieszczadzki, brzozowski, dębicki, jarosławski, jasielski, kolbuszowski, krośnieński, Krosno, leski, leżajski, lubaczowski, łańcucki, mielecki, niżański, przemyski, Przemyśl, przeworski, ropczycko-sędziszowski, rzeszowski, Rzeszów, sanocki, stalowowolski, strzyżowski, Tarnobrzeg, tarnobrzeski.

Wojewodschaft Podlaskie

Powiaty:

augustowski, białostocki, Białystok, bielski, grajewski, hajnowski, kolneński, łomżyński, Łomża, moniecki, sejneński, siemiatycki, sokólski, suwalski, Suwałki, wysokomazowiecki, zambrowski.

Wojewodschaft Pomorskie

Powiaty:

Danzig, gdański, Gdynia, lęborski, Sopot, wejherowski.

Wojewodschaft Sląskie

Powiaty:

będziński, bielski, Bielsko-Biała, bieruńsko-lędziński, Bytom, Chorzów, cieszyński, częstochowski, Częstochowa, Dąbrowa Górnicza, gliwicki, Gliwice, Jastrzębie Zdrój, Jaworzno, Katowice, kłobucki, lubliniecki, mikołowski, Mysłowice, myszkowski, Piekary Śląskie, pszczyński, raciborski, Ruda Śląska, rybnicki, Rybnik, Siemianowice Śląskie, Sosnowiec, Świętochłowice, tarnogórski, Tychy, wodzisławski, Zabrze, zawierciański, Żory, żywiecki.

Wojewodschaft Swiętokrzyskie

Powiaty:

buski, jędrzejowski, kazimierski, kielecki, Kielce, konecki, opatowski, ostrowiecki, pińczowski, sandomierski, skarżyski, starachowicki, staszowski, włoszczowski.

Wojewodschaft Warmińsko-mazurskie

Powiaty:

Elbląg, elbląski, ełcki, giżycki, gołdapski, kętrzyński, lidzbarski, olecki, piski, szczycieński, węgorzewski.

Wojewodschaft Wielkopolskie

Powiaty:

jarociński, kaliski, Kalisz, kępiński, kolski, koniński, Konin, krotoszyński, międzychodzki, nowotomyski, ostrowski, ostrzeszowski, pleszewski, słupecki, średzki, śremski, turecki, wolsztyński, wrzesiński.“

c)

Der folgende Eintrag für das Vereinigte Königreich wird hinzugefügt:

„Im Vereinigten Königreich:

die Insel Man.“