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Amtsblatt |
DE Serie C |
C/2023/859 |
8.12.2023 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Aufbau- und Resilienzfazilität und Kohäsionspolitik: Auf dem Weg zur Kohäsionspolitik 2.0“
(Sondierungsstellungnahme)
(C/2023/859)
Berichterstatterin: |
María del Carmen BARRERA CHAMORRO |
Ko-Berichterstatter: |
David SVENTEK |
Befassung |
Rat — spanischer Ratsvorsitz, 18.4.2023 Schreiben von Mercedes CABALLERO FERNÁNDEZ, Generalsekretärin, Ministerium für öffentliche Finanzen und den öffentlichen Dienst |
Rechtsgrundlage |
Artikel 34 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union |
Zuständige Fachgruppe |
Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt |
Annahme in der Fachgruppe |
8.9.2023 |
Verabschiedung im Plenum |
20.9.2023 |
Plenartagung Nr. |
581 |
Ergebnis der Abstimmung (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen) |
163/0/1 |
1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen
1.1. |
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) betont, dass das Grundprinzip, niemanden zurückzulassen, in der Kohäsionspolitik nach wie vor uneingeschränkte Gültigkeit hat und die zivilgesellschaftlichen Partner bereit sind, ihre Arbeit im Sinne dieses Grundsatzes durch eine starke Investitionspolitik der EU fortzusetzen. Dieser Grundsatz der Politik muss trotz deren Unzulänglichkeiten bestehen bleiben. |
1.2. |
Der EWSA unterstreicht, dass sich ungleiche Chancen langfristig nachteilig auf das Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit auf regionaler, nationaler und EU-Ebene auswirken können. Die Kohäsionspolitik muss daher stärker diversifiziert und flexibler gestaltet werden, damit den Menschen, insbesondere den schutzbedürftigsten, mehr Aufmerksamkeit geschenkt und die Chancenungleichheit, der viele ausgesetzt sind, besser bekämpft werden kann. |
1.3. |
Nach Ansicht des EWSA sollte das Spektrum an Instrumenten und Ansätzen zur Entwicklung einer starken, wirkungsvollen, flexiblen und erneuerten Kohäsionspolitik erweitert, modernisiert oder überarbeitet werden. Der Schwerpunkt sollte dabei — über eine reine Investitionstätigkeit hinaus — deutlicher auf Kapazitäten, Beziehungen zwischen den Regionen, Wirksamkeit der Ergebnisse und Chancen für die Begünstigten liegen. Dazu ist Folgendes notwendig:
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1.4. |
Zur Verwirklichung der Kohäsionsziele muss die Wechselwirkung zwischen den horizontalen Politikbereichen der EU und der Kohäsionspolitik gefördert werden, damit durch gebietsbezogene Maßnahmen, die mit den grundlegenden Zielen der Europäischen Union in Einklang stehen, wirksamere Bemühungen um regionale Konvergenz unternommen werden können. Zudem muss die Interaktion zwischen nationaler Politik und Kohäsionspolitik sichergestellt werden. |
1.5. |
Nach Ansicht des EWSA sollten die Diversifizierung und Spezialisierung durch eine stärkere Differenzierung bei der finanziellen Unterstützung, den Unterstützungsmodalitäten, der Haushaltsführung sowie den Zielen und Investitionen zum Ausdruck kommen. Um eine größere Spezialisierung der Kohäsionspolitik zu erreichen, müssen die Sozialpartner und die Organisationen der Zivilgesellschaft in den Mitgliedstaaten auf allen Ebenen einbezogen werden; dazu sollten geeignete Kooperationsvereinbarungen als wirkungsvolles Instrument zur Gestaltung der Maßnahmen und Mittel und ihrer Anpassung an die lokalen und regionalen Gegebenheiten genutzt werden. |
1.6. |
Die Mitgliedstaaten und Regionen der EU sollten aufgefordert werden, die Sozialpartner und sonstige Organisationen der Zivilgesellschaft so umfassend und wirksam wie möglich an der Gestaltung der Kohäsionspolitik und der Überwachung ihrer Auswirkungen zu beteiligen. Ihre Beteiligung kann dazu beitragen, dem Druck auf die Demokratie entgegenzuwirken, indem die Akzeptanz der EU-Politik verbessert wird. Vor diesem Hintergrund begrüßt der EWSA das Ersuchen der spanischen Regierung, in einer Sondierungsstellungnahme zu untersuchen, wie ein wirksameres Instrument geschaffen und damit die Kohäsionspolitik verbessert und die Konvergenz der europäischen Regionen erreicht werden können. |
1.7. |
Nach Ansicht des EWSA muss die Kohäsionspolitik die wichtigste Investitionspolitik der EU bleiben, damit die europäische Regionalpolitik bei der Anpassung an die Klimaziele unterstützt wird. Das Ziel ist dabei eine CO2-neutrale Gesellschaft und ein Übergang, der die Schaffung stabiler und hochwertiger Arbeitsplätze begünstigt. Durch das Instrument NextGenerationEU konnten die finanziellen Möglichkeiten der EU deutlich aufgestockt werden (um etwa 0,7 % ihres BIP). Dadurch können innovative Maßnahmen, wie unter anderem die Initiative für interregionale Innovationsinvestitionen (I-3), der gerechte Übergang und ein stärker entwickelter, ortsbezogener Ansatz für integrierte territoriale Investitionen, ausgebaut werden. Es wird dringend empfohlen, die künftige Kohäsionspolitik in diesen Bereichen einzusetzen. |
1.8. |
Der EWSA ist der Auffassung, dass mit der Kohäsionspolitik die Investitionen in bestehende Programme im Bereich Digitalisierung erhöht werden sollten, um die digitale Kluft zu überwinden. Der digitale Wandel kann soziale und territoriale Ungleichheiten hervorrufen, und Automatisierung und künstliche Intelligenz, ein ungleicher Zugang zu digitalen Diensten und unterschiedliche digitale Kompetenzen der Arbeitnehmer und der Unternehmen können sich auf den Arbeitsmarkt auswirken. |
1.9. |
Mit der Kohäsionspolitik muss nach Ansicht des Ausschusses eine effiziente und gerechte Verteilung des Nutzens der Digitalisierung garantiert werden, da neue und aufkommende Technologien den Arbeitnehmern und einer alternden Bevölkerung mehr Kompetenzen abverlangen und so ihre Teilhabe am Arbeitsmarkt erschweren. Der Zugang zu Aus- und Weiterbildung sowie Umschulung muss gewährleistet werden, damit sich die Regionen weiterentwickeln können. |
1.10. |
Die Kohäsionspolitik muss aus Sicht der Begünstigten durch die Vereinfachung und Flexibilität bei der Umsetzung der Fonds, die zur Verwirklichung der kohäsionspolitischen Ziele beitragen sollen, optimiert werden. Für die im Wege der geteilten Mittelverwaltung ausgeführten Mittel der Mitgliedstaaten und der EU müssen klare und einfache Regeln im Rahmen einer einzigen Verordnung festgelegt werden; darüber hinaus muss die Verwaltungskapazität der regionalen, lokalen und zivilgesellschaftlichen Akteure verbessert werden. |
2. Allgemeiner Hintergrund
2.1. |
Der soziale, wirtschaftliche und territoriale Zusammenhalt ist im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankert und gehört zu den Zielen der Kohäsionspolitik. Die Verwirklichung dieser Ziele wurde durch die Pandemiekrise erschwert, deren Auswirkungen noch nicht überwunden sind; sie hat die größte Rezession seit 1945 verursacht, zu der nun die Inflationskrise hinzukommt; in der Folge hat sich das Konvergenztempo verlangsamt, da die negativen Konsequenzen in den weniger entwickelten Regionen stärker zu spüren waren. Diese nachteiligen Folgen für den Zusammenhalt haben sich durch die Krise, die der Krieg in der Ukraine ausgelöst hat, und die Herausforderung des Klimanotstands noch verschärft. |
2.2. |
Der EWSA begrüßt die Mitteilung der Kommission zum 8. Kohäsionsbericht: Kohäsion in Europa bis 2050 (1). Im Bericht heißt es, dass die Investitionen auf die Chancen ausgerichtet werden sollten, die der grüne und der digitale Wandel für das Wachstum bieten, um das Entstehen neuer Ungleichheiten zu vermeiden. |
2.3. |
Der EWSA begrüßt die Einsetzung der Hochrangigen Gruppe zur Zukunft der Kohäsionspolitik und stellt fest, dass die Zivilgesellschaft bei den Arbeiten der Hochrangigen Gruppe unterrepräsentiert ist; er fordert die Kommission auf, für eine stärkere Beteiligung der Zivilgesellschaft zu sorgen. |
2.4. |
Der EWSA betont, dass das Grundprinzip, niemanden zurückzulassen, in der Kohäsionspolitik nach wie uneingeschränkte Gültigkeit hat und die zivilgesellschaftlichen Partner bereit sind, ihre Arbeit im Sinne dieses Grundsatzes fortzusetzen. |
2.5. |
Es ist sicherlich richtig, dass die Kohäsionspolitik zuweilen als Umverteilungspolitik wahrgenommen wird und ihre Ergebnisse nicht immer klar erkennbar sind. Dazu tragen auch fortbestehende Ungleichheiten, Schwierigkeiten bei der Unterstützung bestimmter, sich in einer Entwicklungsfalle befindender Regionen und die Unfähigkeit einiger Regionen bei, den Rückstand selbst mit Unterstützung der Kohäsionspolitik aufzuholen. |
2.6. |
Zur Verwirklichung der Kohäsionsziele muss die Wechselwirkung zwischen den horizontalen Politikbereichen der EU und der Kohäsionspolitik gefördert werden, damit durch gebietsbezogene Maßnahmen, die mit den grundlegenden Zielen der Europäischen Union in Einklang stehen, wirksamere Bemühungen um regionale Konvergenz unternommen werden können. Zudem muss die Interaktion zwischen nationaler Politik und Kohäsionspolitik sichergestellt werden. Um vor Ort Erfolge mit den Entwicklungsstrategien erzielen zu können, ist es wichtig, wie die Prioritäten der EU auf der regionalen und lokalen Ebene heruntergebrochen werden. |
2.7. |
Da Mittel aus der Kohäsionspolitik in der jüngsten Zeit für Krisenmaßnahmen verwendet und damit flexibler eingesetzt wurden, stellt sich die Frage, wie ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den kurz- und langfristigen Zielen der Politik erreicht werden kann. Die nationale Politik kann die Aufgabe, die regionale Entwicklung und die nationale Konvergenz zu fördern, nicht allein der Kohäsionspolitik übertragen. |
2.8. |
Es muss nach Wegen gesucht werden, die Kohäsionspolitik im Rahmen des europäischen Wachstumsmodells und unter Berücksichtigung aktueller und entstehender Herausforderungen neu aufzustellen, da sie als zunehmend komplex wahrgenommen wird und dadurch schwieriger umzusetzen ist. Zu den wichtigsten Herausforderungen zählen der Übergang zu Klimaneutralität, die Inflationskrise, der demografische Wandel, die soziale Resilienz, Digitalisierung und Innovation sowie die Konsolidierung einer wettbewerbsfähigen europäischen Wirtschaft unter Berücksichtigung der strategischen Autonomie, die die derzeitige geopolitische Lage erfordert. |
3. Allgemeine Bemerkungen
3.1. |
Obwohl die Kohäsionspolitik in ihrer derzeitigen Form einen positiven und sichtbaren Beitrag leistet, verläuft der Prozess der regionalen Konvergenz nach wie vor recht zögerlich. Nach Ansicht des EWSA sollte die künftige Kohäsionspolitik den Erfordernissen, regionale Ungleichheiten abzubauen und Wachstums- und Entwicklungsimpulse zu beschleunigen, die auch für die EU als Ganzes insgesamt und im Vergleich gesehen wichtig sind, in ausgewogener Weise Rechnung tragen. Daher müssen die Leistungskriterien der Kohäsionspolitik weiter verschärft werden, indem der Schwerpunkt stärker auf die Prioritäten der regionalen Entwicklung, die Einhaltung der festgelegten Kriterien und die verstärkte Nutzung von Formen der leistungsabhängigen Unterstützung (Finanzierungsinstrumente) gelegt wird. Der EWSA empfiehlt, die Etappenziele und Zielwerte zu berücksichtigen, die derzeit im Rahmen der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne der ARF festgelegt sind. |
3.2. |
Im Hinblick auf den sozialen Zusammenhalt stellen sich immer drängendere Herausforderungen, insbesondere vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung, des ökologischen und des digitalen Wandels und des daraus resultierenden Bedarfs an neuen oder angepassten Kompetenzen. Ein großer Teil der EU-Bevölkerung ist von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht, häufig in ärmeren Regionen, aber auch in wohlhabenderen städtischen Ballungsräumen und deren Umgebung. Darüber hinaus sind die Jugendarbeitslosigkeit und die Kinderarmut in der gesamten EU nach wie vor hoch. |
3.3. |
Der EWSA unterstreicht, dass ungleiche Chancen langfristig nachteilige Folgen für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit auf regionaler, nationaler und EU-Ebene haben können. Im Einklang mit dem Bestreben der Union, mehr Bürgernähe zu schaffen und niemanden zurückzulassen, muss den Menschen und der fehlenden Chancengleichheit, unter der viele von ihnen leiden, daher mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. |
3.4. |
Dies erfordert einen weiter reichenden und auf die Gesellschaft ausgerichteten Ansatz der Kohäsionspolitik, mit dem die territorialen, wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten und Herausforderungen gezielter angegangen werden. Dazu gehören nicht nur Disparitäten zwischen den Mitgliedstaaten und ihren Regionen, sondern auch die Gefälle zwischen Regionen, Städten, bestimmten Gebieten dieser Regionen und Städte sowie ländlichen Gebieten. Die Kohäsionspolitik sollte stärker auf bestimmte Arten von Gebieten unterhalb der NUTS-2-Ebene ausgerichtet sein und vorrangig alle Mitgliedstaaten und Regionen umfassen, wobei besonderes Augenmerk auf die Mitgliedstaaten oder Regionen zu legen ist, in denen das Gefälle am größten ist. Der EWSA ist ferner der Ansicht, dass der Schwerpunkt der Kohäsionspolitik stärker auf den Bedürfnissen und Chancen bestimmter Personen und gesellschaftlicher Gruppen liegen sollte. |
3.4.1. |
Diese größere Diversifizierung und Spezialisierung sollte sich in einer stärkeren Differenzierung bei der finanziellen Unterstützung, den Unterstützungsmodalitäten, der Haushaltsführung sowie den Zielen und Investitionen niederschlagen. Gleichzeitig sollte bei den Mitteln der Kohäsionspolitik systematisch derselbe Ansatz verfolgt werden und sie sollten angesichts dieser verstärkten Spezialisierung weiter differenziert werden. |
3.5. |
Der EWSA hält es für besonders wichtig, die Mitgliedstaaten und Regionen der EU aufzufordern, die Sozialpartner und sonstige Organisationen der Zivilgesellschaft möglichst umfassend und wirkungsvoll in die Gestaltung der Kohäsionspolitik und die Überwachung ihrer Auswirkungen einzubeziehen. Durch eine derartige Einbeziehung könnte auch leichter gemessen werden, inwieweit die kohäsionspolitischen Ziele verwirklicht wurden. Dabei sollten nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Indikatoren herangezogen werden, die nicht nur das Wachstum, sondern auch die Entwicklung messen. |
4. Besondere Bemerkungen
4.1. |
Im 8. Kohäsionsbericht wird hervorgehoben, dass Klimawandel, digitaler und technologischer Wandel, Druck auf die Demokratie, Veränderungen in der Weltwirtschaft und demografische Entwicklungen wichtige, miteinander verknüpfte Herausforderungen sind, die den sozialen, wirtschaftlichen und territorialen Zusammenhalt der EU beeinträchtigen. Die Kohäsionspolitik muss sicherstellen, dass der digitale und ökologische Übergang für die Menschen und alle Regionen fair und gerecht ist. |
4.2. |
Der EWSA stimmt der Empfehlung des Rates zur Sicherstellung eines gerechten Übergangs zur Klimaneutralität zu, in der es heißt, dass die Schaffung neuer hochwertiger Arbeitsplätze, die Aufrechterhaltung guter Arbeitsbedingungen und ein inklusiver Zugang zu allgemeiner und beruflicher Bildung und lebenslangem Lernen im Bereich grüner Kompetenzen entscheidend dazu beitragen werden, einen sozial gerechten und wirtschaftlich erfolgreichen Übergang für alle Gebiete zu gewährleisten. |
4.3. |
Der Schwerpunkt der Kohäsionspolitik sollte auf der weiteren Unterstützung von Investitionen in nachhaltige Energie, die Umwelt, Ressourceneffizienz, Anpassung an den Klimawandel und Abschwächung seiner Folgen sowie nachhaltige städtische Mobilität liegen, um eine CO2-neutrale Gesellschaft zu verwirklichen. Viele dieser Bereiche wurden aus dem Aufbau- und Resilienzfonds finanziert. Es ist wichtig, diese Investitionen fortzusetzen und dabei alle möglichen Programme und Strategien, wie z. B. makroregionale und interregionale Strategien, zu nutzen. |
4.4. |
Nach Ansicht des EWSA müssen die Synergien innerhalb des gesamten Mechanismus für einen gerechten Übergang künftig verstärkt werden. Daher muss die Kohäsionspolitik auch weiterhin die wichtigste Investitionspolitik der EU sein, mit der die europäische Regionalpolitik bei der Anpassung an die Klimaziele unterstützt wird. Durch den Grundsatz der „Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen“ sollte sichergestellt werden, dass die Investitionen den Zielen des Grünen Deals entsprechen. |
4.5. |
Die Sozialpartner werden in den meisten Mitgliedstaaten nur in sehr geringem Umfang in die territorialen Pläne für einen gerechten Übergang einbezogen, wie der EWSA in seiner Stellungnahme SOC/718 „Energiepolitik und Arbeitsmarkt: beschäftigungspolitische Folgen der Energiewende für die betroffenen Regionen“ (2) festgestellt hat; dort heißt es ferner, dass die Mitgliedstaaten die Beteiligung fördern sollten, und dass die Ergebnisse der Pläne und die Finanzierung von der Schaffung stabiler und hochwertiger Arbeitsplätze in den jeweiligen Gebieten abhängig sein sollten. Der EWSA unterstützt das Partnerschaftsprinzip bei der Programmplanung und Umsetzung der Kohäsionspolitik; dabei muss die demokratische Eigenverantwortung, die für die Verbesserung der Qualität von Investitionen äußerst wichtig ist, in Zukunft noch stärker gefördert werden. |
4.6. |
Mit der Kohäsionspolitik sollten die Investitionen in bestehende Programme im Bereich der Digitalisierung erhöht werden, um die digitale Kluft zu überwinden. Der digitale Wandel kann soziale und territoriale Ungleichheiten hervorrufen, und Automatisierung und künstliche Intelligenz, ein ungleicher Zugang zu digitalen Diensten und unterschiedliche digitale Kompetenzen der Arbeitnehmer können sich auf den Arbeitsmarkt auswirken. Für Unternehmen, den öffentlichen Sektor und die Menschen muss eine neue Generation von Technologien bereitgestellt werden. |
4.7. |
Insbesondere sollte die Digitalisierung in Unternehmen und im öffentlichen Sektor stärker unterstützt werden, indem der Zugang zu elektronischen Behördendiensten und elektronischen Gesundheitsdiensten verbessert, die digitalen Kompetenzen der Bevölkerung erweitert und die Entwicklung von Breitbandnetzen in abgelegenen und ländlichen Regionen gefördert werden, damit keine Region der EU zurückgelassen wird. |
4.8. |
Die Kohäsionspolitik muss nach Ansicht des Ausschusses eine effiziente und gerechte Verteilung des Nutzens der Digitalisierung ermöglichen, da neue und aufkommende Technologien den Arbeitnehmern und einer alternden Bevölkerung mehr Kompetenzen abverlangen und so ihre Teilhabe am Arbeitsmarkt erschweren. Der Zugang zu Ausbildung und Umschulung für neu geschaffene Arbeitsplätze und Aufgaben wird entscheidend dazu beitragen, dass sich die Regionen im Einklang mit dem technologischen Wandel weiterentwickeln und die damit verbundenen Vorteile nutzen können. |
4.9. |
In diesem Zusammenhang hält es der EWSA für wesentlich, Innovationsökosysteme, Start-up-Unternehmen und das Unternehmensumfeld zu fördern und zu stärken, Kompetenzen in den Bereichen Forschung und Innovation aufzubauen und die Entwicklung und Übernahme von Innovationen über die Grenzen hinweg sicherzustellen. Bei der Innovationsleistung der Regionen gibt es erhebliche Unterschiede, weniger entwickelte Regionen weisen gegenüber stärker entwickelten Regionen eine deutlich niedrigere Leistung auf, dies beeinträchtigt ihr Konvergenzpotenzial. Darüber hinaus betont der EWSA, dass einige Regionen mit mittlerem Einkommen derzeit in einer Entwicklungsfalle gefangen sind und keine Kenntnisse und Fähigkeiten entwickeln können, um im globalen Wettbewerb zu bestehen. |
4.10. |
Besonderes Augenmerk sollte den Bevölkerungsgruppen mit niedrigeren Beschäftigungsquoten (Frauen, jungen Menschen, Migranten, Menschen mit geringem Bildungsniveau) gelten, für die vor Ort spezielle Ausbildungs-, Umschulungs- und Unterstützungsprogramme angeboten werden müssen. Für diese Kategorien von Arbeitnehmern sollten ebenfalls Innovationsanstrengungen unter Berücksichtigung der neuen Technologien und ihrer Besonderheiten unternommen werden. |
4.11. |
Was den menschlichen und sozialen Aspekt der Kohäsionspolitik angeht, legt der EWSA den Schwerpunkt auf die Unterstützung von Talenten. Es ist wichtig, Talente in den Regionen zu fördern, zumal die EU einen tiefgreifenden demografischen Wandel durchläuft. Dies gilt insbesondere für Regionen, in denen die Erwerbsbevölkerung abnimmt und der Anteil der Personen mit Hochschulbildung niedrig ist, sowie in Regionen, aus denen die Jugend abwandert. Hier sollten mit der Kohäsionspolitik Investitionen in die soziale Infrastruktur unterstützt werden. |
4.12. |
In der Mehrzahl der Regionen und insbesondere in ländlichen und weniger entwickelten Regionen wird sich die Frage der Bevölkerungsalterung und des Bevölkerungsrückgangs stellen. Bis 2050 wird die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter um rund 35 Mio. Menschen zurückgehen. Regionen, in denen die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter abnimmt, müssen die Erwerbsbeteiligung unterrepräsentierter Gruppen erhöhen und die Produktivität durch Investitionen und Reformen auf dem Arbeitsmarkt und im Bildungssystem steigern. |
4.13. |
Um die Innovationsfähigkeit zu verbessern, müssen die Qualifikationen und Kompetenzen der Arbeitnehmer dem Bedarf der sich wandelnden Volkswirtschaften entsprechen. Reformen der Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung müssen mit Investitionen auf allen Ebenen und einem gleichberechtigten Zugang zu hochwertiger allgemeiner und beruflicher Bildung, einschließlich Weiterbildung, Umschulung und lebenslangem Lernen für alle, einhergehen. Der EWSA ist ferner der Ansicht, dass Investitionen in Kinder und Jugendliche für ein langfristiges Wachstum äußerst wichtig sein werden. Die Kohäsionspolitik sollte entscheidend dazu beitragen, Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau auf regionaler und subregionaler Ebene zu fördern und umzusetzen. |
4.14. |
Vor diesem Hintergrund muss das Potenzial der grenzüberschreitenden Arbeitsmärkte, die aufgrund rechtlicher und administrativer Hindernisse stark unterentwickelt sind, ausgebaut werden. Dazu muss die grenzüberschreitende Zusammenarbeit auf allen Regierungs- und Verwaltungsebenen verbessert werden. Die Kohäsionspolitik muss sicherstellen, dass alle Regionen den Fachkräftemangel bewältigen können. |
4.15. |
Nach Ansicht des EWSA muss die grenzübergreifende und interregionale Zusammenarbeit gestärkt werden, insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung einer klimafreundlichen Eisenbahninfrastruktur in Grenzgebieten und die durchgängige Offenhaltung der Grenzen zwischen den Mitgliedstaaten. Die Bedeutung des Binnenmarkts muss mit allen Mitteln gewahrt werden, da er im Zentrum des europäischen Projekts steht. |
5. Für eine Kohäsionspolitik, die konkreten Bedürfnissen Rechnung trägt
5.1. |
Der EWSA ist der Auffassung, dass die Kohäsionspolitik zwar Möglichkeiten bietet, den Investitionen über die geteilte Mittelverwaltung, das Partnerschaftsprinzip, die Programmplanung und verschiedene territoriale Instrumente eine bestimmte Richtung zu geben, die territoriale Ebene sowie spezifische Bedürfnisse und Gruppen jedoch noch gezielter unterstützt werden müssen. Bei der Finanzierung müssen ortsbezogene Ansätze stärker zum Tragen kommen, damit die Unterstützung angepasst und auf die besonderen Entwicklungsbedürfnisse der Menschen und der lokalen Ebene sowie auf die Auswirkungen des ökologischen und des digitalen Wandels, des demografischen Wandels und anderer Verwerfungen abgestimmt werden kann. |
5.2. |
Der EWSA ist ferner der Ansicht, dass das Spektrum an Instrumenten und Ansätzen erweitert, modernisiert oder überarbeitet werden muss. Dabei sollte der Schwerpunkt — über eine reine Investitionstätigkeit hinaus — deutlicher auf Kapazitäten, Beziehungen zwischen den Regionen und Chancen für die Bürgerinnen und Bürger liegen. Dazu muss Folgendes unternommen werden:
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5.3. |
Nach Ansicht des EWSA muss die Kohäsionspolitik im derzeitigen Kontext dazu beitragen, die Kluft zwischen Stadt und Land zu überwinden, indem die zwischen diesen Gebieten bestehenden Verbindungen verstärkt und die Rolle kleinerer Städte und Dörfer aufgewertet wird. Dazu muss die Rolle von Großstädten und ihren Metropolregionen sowie von mittelgroßen Städten als Motoren der wirtschaftlichen Entwicklung auf regionaler und nationaler Ebene überprüft werden. Zu diesem Zweck sollten die Investitionen in das auf regionaler und lokaler Ebene vorhandene Humankapital erhöht werden. |
5.4. |
Nach Ansicht des EWSA wird Konvergenz nur erreicht werden, wenn alle unter Artikel 174 AEUV fallenden Regionen — und nicht nur die weniger entwickelten Regionen und Regionen in Randlage — durch eine zukunftsfähige Diversifizierung ihrer Wirtschaft widerstandsfähiger werden. Dies bedeutet, dass die Anliegen der Gebiete in äußerster Randlage und der grenzüberschreitenden funktionalen Gebiete stärker in alle kohäsionspolitischen Maßnahmen einbezogen werden müssen. |
5.5. |
Nach Ansicht des EWSA muss eine Kohäsionspolitik 2.0 zentrale Aspekte wie die geteilte Mittelverwaltung, einen regionalen Ansatz, Vorfinanzierung und Kofinanzierungssätze umfassen. Investitionen allein reichen nicht aus. Jede Region benötigt starke Governance-Strukturen und den richtigen Maßnahmen-Mix, bei dem die Synergien mit allen Interessenträgern genutzt werden. Gebraucht wird ein Bottom-up-Ansatz. Die Investitionen müssen dabei oft mit geeigneten Reformen und einer bürgerfreundlichen Politik einhergehen. |
5.6. |
Der EWSA hält es für wichtig, die Sozialpartner, die Zivilgesellschaft und alle Akteure auf lokaler Ebene stärker einzubeziehen, um dem Partnerschaftsprinzip und dem Grundsatz der Multi-Level-Governance in der Kohäsionspolitik mehr Wirksamkeit zu verleihen. Dies kann dazu beitragen, dem Druck auf die Demokratie entgegenzuwirken, indem die Akzeptanz der EU-Politik verbessert wird. |
5.7. |
Die Kohäsionspolitik sollte durch eine aus Sicht der Begünstigten vereinfachte und flexiblere Umsetzung der Fonds, die zur Verwirklichung der kohäsionspolitischen Ziele beitragen sollen, optimiert werden. Klare und einfache Regeln für im Wege der geteilten und dezentralen Mittelverwaltung ausgeführte Mittel der Mitgliedstaaten und der EU müssen in einer einzigen Verordnung festgelegt werden. Zur Verwirklichung dieser Ziele müssen die Verwaltungskapazitäten der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften und der Akteure der Zivilgesellschaft ausgebaut werden, damit die Kohäsionsfondsmittel effizient und mit einem Mehrwert eingesetzt werden. |
5.8. |
Nach Ansicht des EWSA sollten bewährte Verfahren, wirkungsvolle politische Maßnahmen und eine gezielte Finanzierung, wie sie derzeit mit der Aufbau- und Resilienzfazilität zur Verfügung gestellt wird, auch im Rahmen der neuen Kohäsionspolitik genutzt werden. Zudem sollte die Finanzierung der großen Unternehmen als wichtiger Faktor für die Konvergenz betrachtet werden. |
Brüssel, den 20. September 2023
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Oliver RÖPKE
(1) COM(2022) 34 final.
(2) Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Energiepolitik und Arbeitsmarkt: beschäftigungspolitische Folgen der Energiewende für die betroffenen Regionen“ (Initiativstellungnahme) (ABl. C 146 vom 27.4.2023, S. 4).
ELI: http://data.europa.eu/eli/C/2023/859/oj
ISSN 1977-088X (electronic edition)