ISSN 1977-088X

Amtsblatt

der Europäischen Union

C 126

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Ausgabe in deutscher Sprache

Mitteilungen und Bekanntmachungen

63. Jahrgang
17. April 2020


Inhalt

Seite

 

II   Mitteilungen

 

MITTEILUNGEN DER ORGANE, EINRICHTUNGEN UND SONSTIGEN STELLEN DER EUROPÄISCHEN UNION

 

Europäische Kommission

2020/C 126/01

Gemeinsamer europäischer Fahrplan für die Aufhebung der Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19

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2020/C 126/02

Mitteilung der Kommission COVID-19: Hinweise zur Umsetzung der einschlägigen EU-Bestimmungen im Bereich der Asyl- und Rückführungsverfahren und zur Neuansiedlung

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DE

 


II Mitteilungen

MITTEILUNGEN DER ORGANE, EINRICHTUNGEN UND SONSTIGEN STELLEN DER EUROPÄISCHEN UNION

Europäische Kommission

17.4.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 126/1


Gemeinsamer europäischer Fahrplan für die Aufhebung der Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19

(2020/C 126/01)

Bei Ihrem Treffen am 26. März 2020 (1) haben die Mitglieder des Europäischen Rates zugesagt, alles Notwendige zu unternehmen, um die Bürgerinnen und Bürger der EU zu schützen und die Krise zu überwinden und zugleich die europäischen Werte und die europäische Lebensweise zu wahren. Die Mitglieder des Europäischen Rates riefen dazu auf, die durch das Coronavirus ausgelöste Pandemie und ihre unmittelbaren Folgen zu bekämpfen und darüber hinaus schon jetzt mit der Vorbereitung der Maßnahmen zu beginnen, die erforderlich sind, um zu einem normalen Funktionieren der Gesellschaften und Volkswirtschaften in Europa und zu nachhaltigem Wachstum zurückzukehren, wobei auch der Übergang zu einer grünen Wirtschaft und der digitale Wandel einbezogen und die Lehren aus der Krise gezogen werden sollten.

Mit der vorliegenden Mitteilung kommen die Präsidentin der Europäischen Kommission und der Präsident des Europäischen Rates der Bitte der Mitglieder des Europäischen Rates nach, eine mit den Mitgliedstaaten abgestimmte Strategie für die Zeit nach der Krise zu entwickeln, die den Weg für einen umfassenden Erholungsplan und für beispiellose Investitionen ebnet.

1.   Einleitung

Die rasche Ausbreitung der COVID-19-Pandemie und die vielen Unbekannten, die mit einem neuen Virus und der dadurch verursachten Erkrankung einhergehen, haben die Gesundheitssysteme vor beispiellose Herausforderungen gestellt und in Europa und dem Rest der Welt zu dramatischen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verwerfungen geführt. Schon jetzt hat die Krise Tausende Menschen das Leben gekostet und die Gesundheitssysteme enormen Belastungen ausgesetzt. Im wirtschaftlichen wie sozialen Bereich wurden außergewöhnliche Maßnahmen in bislang nicht gekanntem Umfang getroffen.

In allen Mitgliedstaaten sind öffentliche Zusammenkünfte untersagt, Schulen (ganz oder teilweise) geschlossen und Grenzübertritte/Reisen nur beschränkt möglich. Mehr als die Hälfte der EU-Mitgliedstaaten haben den Notstand ausgerufen.

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All diese Beschränkungen waren nötig, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, und haben bereits Zehntausende Leben gerettet. (2) Doch der soziale und wirtschaftliche Preis dieser Maßnahmen ist hoch. Sie belasten die Psyche und zwingen die Bürgerinnen und Bürger zu einer radikalen Änderung ihrer täglichen Gewohnheiten. Sie haben riesige wirtschaftliche Schocks verursacht und das Funktionieren des Binnenmarkts schwer beeinträchtigt: Ganze Wirtschaftszweige liegen brach, die Verbindungen sind stark eingeschränkt und die internationalen Lieferketten und der freie Personenverkehr gestört. Dies hat öffentliche Interventionen zur Abfederung der sozio-ökonomischen Auswirkungen sowohl auf EU-Ebene als auch auf Ebene der Mitgliedstaaten erforderlich gemacht. (3) Doch trotz der getroffenen Maßnahmen werden die wirtschaftlichen und sozialen Folgen schwerwiegend sein, wie es die Stimmung am Markt und der dramatische Anstieg der Kurzarbeit drastisch vor Augen führen.

Auch wenn der Weg zurück zur Normalität sehr lang sein wird, ist klar, dass die außergewöhnlichen Einschränkungen nicht ewig andauern können. Mit zunehmendem Wissen über das Virus und die dadurch verursachte Erkrankung muss kontinuierlich beurteilt werden, ob sie noch verhältnismäßig sind. Wir müssen schon jetzt für die Zeit planen, in der die Mitgliedstaaten das wirtschaftliche und soziale Leben wieder anlaufen lassen können, wobei die Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen so gering wie möglich zu halten sind und die Gesundheitssysteme nicht überlastet werden dürfen. Dies wird ein gut abgestimmtes Vorgehen in der EU und zwischen allen Mitgliedstaaten erfordern.

Ein solches Vorgehen wird im vorliegenden Fahrplan skizziert. Er stützt sich auf die Expertise und die Ratschläge des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und des COVID-19-Beraterstabs der Kommission und trägt den Erfahrungen und Aussichten einer Reihe von Mitgliedstaaten sowie den Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Rechnung. Der Fahrplan enthält Empfehlungen an die Mitgliedstaaten und verfolgt das Ziel, die öffentliche Gesundheit zu schützen, gleichzeitig aber die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus schrittweise aufzuheben, um das gesellschaftliche Leben und die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Er soll nicht als Signal zur sofortigen Aufhebung der Maßnahmen verstanden werden, sondern den Mitgliedstaaten eine Hilfe sein und einen Rahmen bieten, der eine EU-weite und grenzübergreifende Koordinierung gewährleistet, wobei anerkannt wird, dass die Verhältnisse von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich sind. Die besondere epidemiologische Lage, die territoriale Gliederung des Staates, die Organisation des Gesundheitswesens, die Bevölkerungsverteilung oder die wirtschaftliche Dynamik sind nur einige der Faktoren, die die Mitgliedstaaten in ihrer Entscheidung beeinflussen könnten, wo, wann und wie die Maßnahmen aufgehoben werden. Auch die Lage in der Nachbarschaft der EU muss aufmerksam verfolgt werden.

2.   Zeitplan

Die restriktiven Maßnahmen der Mitgliedstaaten waren notwendig, um die Ausbreitung der Epidemie zu verzögern und den Druck auf die Gesundheitssysteme zu verringern („Abflachung der Kurve“). Sie beruhten auf den verfügbaren Informationen über die epidemiologischen Merkmale der Krankheit und folgten dem Ansatz der Vorsorge. So konnte wertvolle Zeit gewonnen werden, um die Gesundheitssysteme der Mitgliedstaaten vorzubereiten, grundlegende Produkte wie persönliche Schutz- und Laborausrüstung sowie Beatmungsgeräte (auch auf EU-Ebene) zu beschaffen und mit der Entwicklung von Impfstoffen und möglichen Behandlungen zu beginnen.

Nach der vorherrschenden wissenschaftlichen Einschätzung sind solche Maßnahmen von entscheidender Bedeutung, und die verfügbaren Daten zeigen, dass eine Kombination strenger Eindämmungsmaßnahmen zu einer Verringerung der Übertragungs- und Sterblichkeitsraten führt. (4)

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Quelle: Dienststellen der Kommission. Die Zahl der positiven Fälle entspricht der Gesamtzahl der bestätigten Fälle abzüglich genesener und verstorbener Personen.

Um die Wirkung der Maßnahmen umfassend zu bewerten, wird mehr Zeit benötigt, wobei verschiedene Faktoren zu berücksichtigen sind wie die Inkubationszeit des Virus, die Dauer der Erkrankung und der Krankenhausaufenthalte, die erforderlichen Meldungen, die unterschiedliche Testintensität und die mögliche weitere Ausbreitung während der Phase der Ausgangsbeschränkungen, z. B. innerhalb einer Familie.

Da die Ausgangsbeschränkungen nunmehr seit Wochen gelten, stellt sich natürlich die Frage, wann und wie sie gelockert werden können.

Die Epidemiologen sind sich weitgehend darüber einig, dass das Virus trotz der Kontaktbeschränkungen weiter zirkuliert und dass jede schrittweise Lockerung unweigerlich zu einer entsprechenden Zunahme neuer Fälle führen wird. Daher ist eine ständige, detaillierte Überwachung erforderlich und müssen erforderlichenfalls auch Maßnahmen angepasst bzw. neue Maßnahmen eingeführt werden. Bis ein Impfstoff oder eine Behandlung gefunden ist, werden die Gesellschaften offensichtlich mit dem Virus leben müssen. In dieser Hinsicht sind Transparenz und eine klare und rechtzeitige Kommunikation gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern von entscheidender Bedeutung. Auch ein ständiger Dialog mit den Sozialpartnern wird hier sehr wichtig sein.

Die Bedingungen und Kriterien für eine Aufhebung der Eindämmungsmaßnahmen hängen weitgehend von den Daten ab, die im Laufe der Zeit zusammengetragen werden, insbesondere vom Grad der Übertragung des Virus in den betroffenen Regionen, der Entwicklung und Dauer der Immunität der Bevölkerung und der Art und Weise, wie verschiedene Altersgruppen von der Krankheit betroffen sind. Zuverlässige Daten minimieren das Risiko von Entscheidungen, die auf falschen Annahmen oder unvollständigen Informationen beruhen, weil beispielsweise Meldungen mit Verzögerung erfolgen oder infizierte Personen, die keine oder nur schwache Symptome aufweisen, nicht getestet werden. Die Empfehlungen dieses Fahrplans beruhen auf den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Sobald neue Erkenntnisse vorliegen, die nationalen Daten besser vergleichbar und die Messmethoden stärker harmonisiert sind, sollten sie überarbeitet werden.

3.   Kriterien

Die Frage, wann die Zeit gekommen ist, um die Eindämmungsmaßnahmen zu lockern, wird anhand von dreierlei Kriterien bewertet:

1.

Epidemiologische Kriterien, die zeigen, dass sich das Virus deutlich langsamer verbreitet und sich die Ausbreitung über einen längeren Zeitraum stabilisiert hat. Dies kann beispielsweise an einem anhaltenden Rückgang der Neuinfektionen, der Krankenhauseinweisungen und der Patienten in Intensivpflege abgelesen werden.

2.

Ausreichende Kapazitäten der Gesundheitssysteme‚ z. B. in Bezug auf die Belegungsrate der Intensivstationen, eine ausreichende Zahl von Krankenhausbetten, die Verfügbarkeit von Arzneimitteln für die Intensivpflege, die Fähigkeit zum Auffüllen der Ausrüstungsbestände, den Zugang zur Versorgung insbesondere für vulnerable Gruppen, die Verfügbarkeit einer Primärversorgung sowie eine ausreichende Menge an Personal, das über die erforderlichen Kompetenzen verfügt, um Personen, die aus dem Krankenhaus entlassen werden oder zu Hause bleiben müssen, zu betreuen und zu tun, was nötig ist, um die Kontaktbeschränkungen aufheben zu können (z. B. Durchführung von Tests). Dieses Kriterium ist von entscheidender Bedeutung, weil es Aussagen darüber zulässt, ob die nationalen Gesundheitssysteme eine künftige Zunahme von Fällen nach Aufhebung der Eindämmungsmaßnahmen bewältigen können. Gleichzeitig wird es immer wahrscheinlicher, dass die Krankenhäuser einen Rückstau elektiver Eingriffe bewältigen müssen, die während des Höhepunkts der Pandemie aufgeschoben wurden. Deshalb sollten die Gesundheitssysteme der Mitgliedstaaten nicht nur im Zusammenhang mit COVID-19, sondern generell wieder ausreichende Kapazitäten erreicht haben.

3.

Angemessene Überwachungskapazitäten, einschließlich umfassender Testkapazitäten zur Ermittlung und Überwachung der Ausbreitung des Virus mit der Möglichkeit der Rückverfolgung von Kontaktpersonen und Möglichkeiten zur Isolierung von Personen im Falle eines erneuten Ausbruchs und einer weiteren Ausbreitung der Infektionen. Kapazitäten zum Nachweis von Antikörpern bei Bestätigung von COVID-19 werden zusätzliche Daten über den Anteil der Bevölkerung, der die Krankheit erfolgreich überwunden hat, liefern und es eventuell ermöglichen, die erworbene Immunität zu messen.

Es ist Sache der Mitgliedstaaten, unter Berücksichtigung der vorhandenen Strukturen zu entscheiden, auf welcher Ebene die Einhaltung der oben genannten Kriterien bewertet werden sollte.

4.   Grundprinzipien

Es ist von gemeinsamem europäischem Interesse, dass die infolge des COVID-19-Ausbruchs getroffenen Maßnahmen in koordinierter Weise aufgehoben werden. Alle Mitgliedstaaten sind betroffen, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Die Ausbreitung des Virus kann nicht innerhalb von Landesgrenzen eingedämmt werden, und isolierte Maßnahmen sind zwangsläufig weniger wirksam. Die Eindämmungsmaßnahmen und ihre schrittweise Lockerung wirken sich nicht nur auf die öffentliche Gesundheit aus, sondern auch auf stark integrierte Wertschöpfungsketten sowie auf die nationalen und grenzüberschreitenden Verkehrssysteme, die für den freien Personen-, Waren- und Dienstleistungsverkehr erforderlich sind. Deshalb sollte bei der Aufhebung dieser Maßnahmen berücksichtigt werden, dass der Binnenmarkt ein integrierter Markt ist. Auch wenn der Zeitplan und die spezifischen Modalitäten von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich sein werden, ist ein gemeinsamer Rahmen von wesentlicher Bedeutung.

In diesem Zusammenhang sollten sich die EU und ihre Mitgliedstaaten von drei Grundprinzipien leiten lassen:

1.

Ihr Handeln sollte sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützen und den Schutz der öffentlichen Gesundheit in den Mittelpunkt stellen: Bei der Entscheidung, restriktive Maßnahmen wieder aufzuheben, handelt es sich um eine mehrdimensionale politische Entscheidung, bei der die Vorteile für die öffentliche Gesundheit und andere soziale und wirtschaftliche Auswirkungen gegeneinander abgewogen werden müssen. Gleichzeitig sollten die Entscheidungen der Mitgliedstaaten weiterhin vorrangig darauf ausgerichtet sein, die öffentliche Gesundheit kurz- und langfristig zu schützen. Die verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse müssen so weit wie möglich in die Entscheidungen der Mitgliedstaaten einfließen, und die Mitgliedstaaten sollten bereit sein, ihre Ansätze bei etwaigen neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu ändern.

2.

Die Maßnahmen sollten zwischen den Mitgliedstaaten abgestimmt werden: Eine unzureichende Koordinierung bei der Aufhebung restriktiver Maßnahmen könnte sich negativ auf alle Mitgliedstaaten auswirken und zu politischen Spannungen führen. Zwar gibt es kein allgemeingültiges Konzept, doch sollten die Mitgliedstaaten, bevor sie die Aufhebung von Maßnahmen ankündigen, einander sowie die Kommission über den Gesundheitssicherheitsausschuss zumindest rechtzeitig davon in Kenntnis setzen und deren Standpunkte berücksichtigen. Die entsprechende Kommunikation und Diskussion sollte im Rahmen der Integrierten EU-Regelung für die politische Reaktion auf Krisen (IPCR) erfolgen.

3.

Respekt und Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten sind nach wie vor von wesentlicher Bedeutung: Ein entscheidender Erfolgsfaktor in dieser Phase besteht darin, auf den Stärken der jeweils anderen aufzubauen. Nicht alle Gesundheitssysteme stehen gleichermaßen unter Druck. Wir verfügen über ein reiches Wissen, das Fachleute und Mitgliedstaaten untereinander weitergeben können, und die gegenseitige Unterstützung spielt in Krisenzeiten eine zentrale Rolle. Obwohl die Koordinierung und Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten zu Beginn der Pandemie infrage gestellt wurden, sehen wir in den letzten Wochen EU-weit immer mehr Beispiele für Solidarität wie die Behandlung von Intensivpatienten in anderen Mitgliedstaaten, die Entsendung von Ärzten und Krankenpflegepersonal und die Bereitstellung von Schutzanzügen und -masken sowie Beatmungsgeräten für andere Länder. Bisher haben 17 Mitgliedstaaten Flüge organisiert, um im Ausland festsitzende europäische Bürgerinnen und Bürger aller Nationalitäten zurück nach Hause zu bringen; viele dieser Flüge wurden im Rahmen des Katastrophenschutzverfahrens der Union ermöglicht und finanziert. Ärzte tauschen über eine von der EU eigens dafür eingerichtete Online-Plattform ihre Erfahrungen mit der Behandlung von COVID-19-Patienten aus. Dieser Ansatz ist richtig und sollte fortgesetzt werden. (5) Er soll auf EU-Ebene den Weg für weitere Solidaritätsmaßnahmen zur Unterstützung einiger Mitgliedstaaten und Regionen ebnen, die diese zur Bewältigung der Pandemie benötigen oder die von der dadurch verursachten Wirtschaftskrise noch stärker betroffen sind als andere. (6)

5.   Begleitmaßnahmen

Zur erfolgreichen Koordinierung der schrittweisen Aufhebung bestehender Eindämmungsmaßnahmen ist eine Kombination verschiedener flankierender Maßnahmen erforderlich, die für alle Mitgliedstaaten von Relevanz sind. Die EU unternimmt Schritte, um einschlägige Maßnahmen zu unterstützen.

1.

Erhebung von Daten und Entwicklung eines robusten Meldesystems: Für ein besseres Vorgehen bei der Aufhebung der Maßnahmen ist es von entscheidender Bedeutung, dass Daten über die Ausbreitung des Virus, die Merkmale infizierter und genesener Personen sowie ihre potenziellen direkten Kontakte durch die Gesundheitsbehörden auf nationaler und subnationaler Ebene in harmonischer Form erhoben und weitergegeben werden. Da es immer mehr Anzeichen dafür gibt, dass viele Personen asymptomatische Träger von COVID-19 sein oder nur geringe Symptome aufweisen könnten, bilden die Informationen über die den Gesundheitsbehörden gemeldeten Fälle möglicherweise nur die Spitze des Eisbergs ab. Vieles ist nach wie vor nicht bekannt. Aus diesem Grund werden mathematische Modelle verwendet, um die Ausbreitung von COVID-19 zu verstehen und die potenziellen Auswirkungen der verschiedenen Eindämmungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten abzuschätzen und zu bewerten. Betreiber von sozialen Medien und Mobilfunknetzen können eine große Menge von Daten über Mobilität und soziale Interaktionen sowie freiwillige Berichte über milde Krankheitsverläufe (z. B. durch partizipative Überwachung) und/oder indirekte frühe Anzeichen für die Ausbreitung der Krankheit (z. B. Suchanfragen/Posts zu ungewöhnlichen Symptomen im Internet) bereitstellen. Solche Daten könnten im Einklang mit den EU-Vorschriften zum Schutz von Daten und der Privatsphäre gesammelt und in anonymisierter, aggregierter Form verwendet werden und so auf EU-Ebene zu einer besseren Qualität der Modellierungen und Prognosen in Bezug auf die Pandemie beitragen. Über die Gemeinsame Forschungsstelle (JRC) und das ECDC können die Datenerfassung und die Modellierung zentralisiert erfolgen.

2.

Schaffung eines Rahmens für die Ermittlung von Kontaktpersonen und die Abgabe von Warnungen mithilfe mobiler Apps unter Wahrung des Datenschutzes: Mobile Anwendungen, die Bürgerinnen und Bürger nach einem etwaigen Kontakt zu einer positiv auf COVID-19 getesteten Person auf ein erhöhtes Risiko hinweisen, sind in der Phase der Aufhebung von Eindämmungsmaßnahmen besonders wichtig, da das Infektionsrisiko mit den zunehmenden Kontakten zwischen Personen wieder steigt. Die Erfahrungen anderer von der COVID-19-Pandemie betroffener Länder zeigen, dass solche Anwendungen dazu beitragen können, Infektionsketten zu unterbrechen und das Risiko einer weiteren Übertragung des Virus zu verringern. Sie sollten daher einen wichtigen Bestandteil der von den Mitgliedstaaten verfolgten Strategien darstellen und weitere Maßnahmen wie den Ausbau der Testkapazitäten ergänzen. Die Nutzung solcher mobilen Anwendungen sollte durch Einzelpersonen freiwillig, mit Einwilligung der Nutzer und unter uneingeschränkter Achtung der europäischen Vorschriften zum Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten erfolgen. Bei der Verwendung mobiler Apps zur Nachverfolgung von Kontakten sollten die Nutzer stets die Kontrolle über ihre Daten behalten. Die nationalen Gesundheitsbehörden sollten an der Gestaltung eines solchen Systems beteiligt sein. Die Nachverfolgung geringerer Abstände zwischen mobilen Geräten sollte nur in anonymisierter, aggregierter Form erlaubt sein. Die Nachverfolgung von Personen und die Offenlegung von Namen möglicherweise infizierter Personen gegenüber anderen Nutzern sollte dagegen verhindert werden. Mobile Nachverfolgungs- und Warnanwendungen sollten strengen Transparenzanforderungen unterliegen und nach Ende der COVID-19-Krise sofort deaktiviert werden. Sämtliche verbleibende Daten sollten dann gelöscht werden. Angesichts möglicher Netzeffekte würde die flächendeckende Nutzung einer EU-weiten Referenz-App oder zumindest die Interoperabilität und der Austausch von Ergebnissen zwischen solchen Apps es ermöglichen, betroffene Personen wirksamer zu warnen und effizientere gesundheitspolitische Folgemaßnahme zu treffen. Die Kommission hat am 8. April 2020 eine Empfehlung (7) angenommen, mit der ein Prozess für die Entwicklung eines gemeinsamen Konzepts („Instrumentarium“) für den Einsatz digitaler Mittel eingeführt wird, damit die Bürger wirksame und gezieltere Vorkehrungen zur sozialen Distanzierung treffen können. (8) Dieses gemeinsame Konzept wird durch Leitlinien der Kommission ergänzt, in denen die relevanten Grundsätze hinsichtlich Privatsphäre und Datenschutz dargelegt werden. Für den Erfolg und die Wirksamkeit dieser Anwendungen ist es von entscheidender Bedeutung, dass sie vertrauenswürdig sind und die Grundsätze hinsichtlich Privatsphäre und Datenschutz einhalten.

3.

Ausweitung der Testkapazitäten und Harmonisierung der Testverfahren: Solange es keinen Impfstoff gibt, muss die Bevölkerung so weit wie möglich vor einer Infektion geschützt werden. Deshalb sind breit angelegte Tests, die schnelle und verlässliche Ergebnisse liefern können, für die Bewältigung der Pandemie von entscheidender Bedeutung. Sie sind darüber hinaus eine Voraussetzung für die künftige Aufhebung der Maßnahmen zur räumlichen Distanzierung (und auch wichtig für die Wirksamkeit von Apps zur Kontaktnachverfolgung, wie oben dargelegt).

Zur Verbesserung der Tests in den Mitgliedstaaten ist ein dreigliedriger Ansatz erforderlich:

a)

Entwicklung und Ausweitung dauerhafter COVID-19-Diagnosekapazitäten in Krankenhäusern sowie in primären und gemeinschaftlichen Versorgungsstrukturen und dezentralen Testeinrichtungen, die für alle Risikogruppen, für Betreuer schutzbedürftiger Personen sowie für Personen mit Symptomen und Personen, die in engem Kontakt mit bestätigten COVID-19-Erkrankten stehen, zugänglich sind;

b)

Aufstellung geeigneter Testprogramme, in denen festgelegt wird, welche (Kombinationen von) Tests in welcher Phase durchgeführt werden sollten, und wer beim Testen Vorrang hat (z. B. Gesundheitspersonal, Personen, die an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, ältere Menschen in Pflegeheimen usw.). Die Tests müssen eine akzeptable Qualität aufweisen und so durchgeführt werden, dass die Testdaten innerhalb und zwischen den Mitgliedstaaten gegenseitig anerkannt werden können. Die Einführung serologischer Tests zur Abschätzung der erworbenen Immunität in der Bevölkerung ist ebenfalls Teil einer solchen Strategie.

c)

Die Einführung von Selbsttestkits könnte in Erwägung gezogen werden, sobald solche Kits ordnungsgemäß validiert worden sind und ihre Zuverlässigkeit gewährleistet ist. Eine öffentliche Referenzstelle für Personen mit COVID-19-Symptomen, die Hinweise zur Verwendung der Selbsttests gibt und für die Nachverfolgung der Testergebnisse sorgt, wird ein individuelles Testen von Personen mit COVID-Symptomen ermöglichen und gleichzeitig die Ansteckung anderer verhindern. Diese Maßnahmen würden das Gesundheitswesen entlasten.

Die Angleichung der Testverfahren ist ein entscheidender Bestandteil dieses Ansatzes und erfordert einen Erfahrungsaustausch, damit EU-weit und in den Regionen der Mitgliedstaaten vergleichbare Ergebnisse erzielt werden. Auf der Grundlage von Konsultationen mit dem ECDC, das sich in seiner regelmäßig aktualisierten Risikobewertung mit den Tests befasst hat, legt die Kommission Leitlinien für verschiedene COVID-19-Tests und deren Leistungsfähigkeit vor. Die Arbeiten zur Angleichung des Herangehens an die Aussagekraft solcher Tests werden auf EU-Ebene fortgesetzt. Die Kommission wird das Zusammentragen aller einschlägigen wissenschaftlichen Untersuchungen erleichtern und als zentrale Anlaufstelle dienen, um den Mitgliedstaaten und den Forschern die neuen Daten und Ergebnisse zugänglich zu machen. Sie wird in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und in Abstimmung mit dem ECDC ein Netz von COVID-19-Referenzlaboratorien in der gesamten Union sowie eine unterstützende Plattform einrichten.

4.

Ausbau der Kapazitäten und der Krisenfestigkeit der nationalen Gesundheitssysteme: Die schrittweise Lockerung bestimmter Kontaktbeschränkungen wird unweigerlich zu Neuinfektionen führen. Daher ist es wichtig, dass neue COVID-19-Patienten gesundheitlich und erforderlichenfalls vor allem in Krankenhäusern angemessen versorgt werden können. Ausreichende Krankenhauskapazitäten und eine solide Grundversorgung, der Schutz der Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens, gut ausgebildete und erholte medizinische Fach- und Pflegekräfte und ein garantierter Zugang zur Gesundheitsversorgung für alle werden entscheidend dafür sein, dass das Gesundheitswesen der Belastung während des Übergangs standhält. Die Kommission hat EU-Haushaltsinstrumente zur Bereitstellung zusätzlicher Ressourcen – einschließlich Personal – mobilisiert (9), um die Gesundheitssysteme bei der Bekämpfung der COVID-19-Krise zu unterstützen und auf diese Weise Menschenleben zu retten.

5.

Weiterer Ausbau der Kapazitäten für die Bereitstellung medizinischer und persönlicher Schutzausrüstungen: Die COVID-19-Krise hat zu einem massiven Anstieg der Nachfrage nach medizinischen und persönlichen Schutzausrüstungen sowie nach Beatmungsgeräten, Testkits und Schutzmasken geführt. Dieser Nachfrage steht jedoch nicht immer ein ausreichendes Angebot gegenüber. Die ersten Wochen der Krise waren daher gekennzeichnet von miteinander konkurrierenden Beschaffungsbemühungen auf nationaler, regionaler und EU-Ebene, von gestörten Lieferketten und Ausfuhrbeschränkungen sowie von mangelnden Informationen über die Bedürfnisse der einzelnen Mitgliedstaaten. Wichtige Produkte kamen nicht oder nur mit großer Verspätung an ihren Bestimmungsorten an. Außerdem hat die Konkurrenz zwischen Mitgliedstaaten und internationalen Partnern zu einem erheblichen Preisanstieg geführt. All dies hat verdeutlicht, wie wichtig Koordinierung ist, um eine angemessene Versorgung in der gesamten EU sicherzustellen. Dementsprechend geht die Kommission nun gemeinsam mit den Mitgliedstaaten vor. (10) Über den möglichst wirksamen Einsatz der verfügbaren persönlichen Schutzausrüstungen sollte nach dem sich entwickelnden Wissen und den neuesten Empfehlungen entschieden werden. (11)

Medizinische Geräte – wie Beatmungsgeräte – werden normalerweise im Rahmen einer Konformitätsbewertung von einer auf nationaler Ebene benannten Stelle bewertet und zertifiziert oder einer Selbstzertifizierung unterworfen. Dies kann mehrere Monate dauern. Die Kommission ruft die benannten Stellen auf, wichtige medizinische Ausrüstungen für die Bekämpfung von COVID-19 auf der Grundlage einer mit den Mitgliedstaaten zu vereinbarenden Liste vorrangig zu behandeln.

Im Hinblick auf die Bewertung der Sicherheit und Leistungsfähigkeit von Medizinprodukten und persönlichen Schutzausrüstungen sollten die nationalen Behörden bewährte Verfahren miteinander austauschen und gegebenenfalls mit Unterstützung der benannten Stellen einen Konsens über gemeinsame Konzepte anstreben. Die Mitgliedstaaten sollten eine einzige Kontaktstelle für alle Fragen im Zusammenhang mit persönlichen Schutzausrüstungen und Medizinprodukten einrichten, damit ihre Prüfstellen und die zuständigen Marktüberwachungsbehörden an einem Strang ziehen.

Um eine ausreichende Versorgung mit Ausrüstungen und Arzneimitteln in einem Maß zu sichern, das eine Aufhebung von Kontaktbeschränkungen möglich macht, kann es in einigen Ökosystemen erforderlich sein, dass bestimmte Unternehmen – auch Wettbewerber – enger als normalerweise zulässig zusammenarbeiten. Soweit erforderlich, gibt die Kommission kartellrechtliche Orientierungen und Zusicherungen für die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen in bestimmten Ökosystemen, um Engpässe bei Waren und Dienstleistungen zu beseitigen, die für die schrittweise Lockerung von Eindämmungsmaßnahmen erforderlich sind. Die Kommission und die nationalen Wettbewerbsbehörden werden über das Europäische Wettbewerbsnetz (ECN) zudem für eine einheitliche Anwendung dieser Orientierungen in ihren jeweiligen Durchsetzungsmaßnahmen sorgen.

6.

Die Entwicklung eines sicheren und wirksamen Impfstoffs ist äußerst wichtig, um die COVID-19-Pandemie zu beenden. Seine Entwicklung und beschleunigte Einführung sind deshalb von entscheidender Bedeutung. Die Kommission mobilisiert zusätzliche Mittel, um die Forschung mit Blick auf einen solchen Impfstoff zu fördern. Ausgehend von den derzeit vorliegenden Informationen und den Erfahrungen mit der für die Entwicklung eines Impfstoffs benötigten Zeit schätzt die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA), dass es ein Jahr dauern könnte, bis ein Impfstoff gegen COVID-19 zulassungsreif ist und in ausreichender Menge für eine sichere Nutzung in großem Maßstab zur Verfügung steht. Die Kommission arbeitet mit der EMA an der Straffung der erforderlichen regulatorischen Schritte, von den klinischen Prüfungen bis hin zu den Marktzulassungen, um das Verfahren zu beschleunigen und gleichzeitig die Sicherheit zu gewährleisten. Sie wird die Forschergemeinschaft und die Industrie dazu anregen, ihre Kräfte in großangelegten klinischen Prüfungen zu bündeln, und sondieren, wie sie eine Steigerung der Herstellung von Impfstoffen auf mittlere Sicht fördern kann. Die gemeinsame Auftragsvergabe und der gleichberechtigte Zugang zu Impfstoffen werden im Zentrum des Handelns der Kommission stehen. Sie wird die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene unterstützen, insbesondere um den Zugang zum Impfstoff zu fördern.

7.

Gleichzeitig könnte die Entwicklung sicherer und wirksamer Behandlungen und Arzneimittel – auch durch Nutzung vorhandener Arzneimittel, die derzeit für andere Krankheiten oder Gesundheitsprobleme zugelassen sind – die Auswirkungen des Virus auf die Gesundheit der Bevölkerung in den kommenden Monaten begrenzen und eine schnellere Erholung der Wirtschaft und Gesellschaft ermöglichen. Die EU finanziert den Zugang zu Hochleistungsrechnern und dem für die Nutzung künstlicher Intelligenz erforderlichen Know-how, um die Ermittlung möglicher wirksamer Moleküle der vorhandenen Arzneimittel und Wirkstoffe zu beschleunigen. Für diese Behandlungsansätze wurden bereits klinische Prüfungen eingeleitet und die Kommission arbeitet, wie bei den Impfstoffen, gemeinsam mit der EMA an einer Straffung der regulatorischen Schritte von den klinischen Prüfungen bis zur Marktzulassung. Hier muss der Durchführung großer, möglichst europaweiter klinischer Prüfungen Vorrang eingeräumt werden, um die benötigten aussagekräftigen Daten zu gewinnen. Die Vorbereitungen für die gemeinsame Auftragsvergabe, um mögliche COVID-19-Therapien in großem Maßstab zu kaufen, sind bereits weit fortgeschritten.

6.   Empfehlungen

Auf der Grundlage der wissenschaftlichen Beratung des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und des Beraterstabs zu COVID-19 hat die Kommission eine Reihe von Empfehlungen für die Mitgliedstaaten für die allmähliche Aufhebung der Eindämmungsmaßnahmen erarbeitet:

1.

Die Mitgliedstaaten sollten schrittweise vorgehen und die Maßnahmen in mehreren Schritten in ausreichendem zeitlichen Abstand (z. B. von einem Monat) aufheben, da die Wirkung der Aufhebung nur im Laufe der Zeit gemessen werden kann.

2.

Allgemeine Maßnahmen sollten nach und nach durch gezielte Maßnahmen ersetzt werden. Ein solcher Ansatz würde der Gesellschaft eine allmähliche Rückkehr zur Normalität ermöglichen und gleichzeitig die EU-Bevölkerung weiterhin vor dem Virus schützen. Dies könnte wie folgt geschehen:

a)

Die am stärksten gefährdeten Gruppen sollten länger geschützt werden: Auch wenn noch keine umfassenden Daten vorliegen, zeigt sich doch, dass ältere Menschen und Personen mit chronischen Erkrankungen stärker gefährdet sind. Eine weitere mögliche Risikogruppe sind Menschen mit psychischen Erkrankungen. Für den Schutz dieser Gruppen sollten weiterhin Maßnahmen in Betracht gezogen werden, wenngleich die Beschränkungen für andere Gruppen aufgehoben werden.

b)

Personen mit einer nachgewiesenen COVID-19-Erkrankung oder leichten Symptomen sollten in Quarantäne bleiben und angemessen behandelt werden: So können wir die Übertragungsketten durchbrechen und die Ausbreitung der Krankheit eindämmen. Die Kommission wird das ECDC beauftragen, seine Erläuterungen der Kriterien für die Beendigung der Quarantäne regelmäßig zu aktualisieren (12)

c)

Sichere Alternativen sollten bestehende allgemeine Verbote ersetzen: So kann gezielt auf Gefahrenquellen reagiert und die Wiederaufnahme der notwendigen Wirtschaftstätigkeiten erleichtert werden (beispielsweise könnten anstatt eines vollständigen Verbots von Dienstleistungen die verstärkte regelmäßige Reinigung und Desinfektion von Verkehrsknotenpunkten und Fahrzeugen, Geschäften und Arbeitsplätzen vorgesehen werden und für den Schutz der Arbeitnehmer und Kunden geeignete Maßnahmen getroffen oder entsprechende Ausrüstungen bereitgestellt werden).

d)

Allgemeine Notstandsregelungen, die außergewöhnliche Notstandsbefugnisse für nationale Regierungen vorsehen, sollten im Einklang mit ihrem verfassungsrechtlichen Rahmen schrittweise durch gezieltere staatliche Maßnahmen ersetzt werden. Dies wird die demokratische Rechenschaftspflicht, die Transparenz der getroffenen Maßnahmen und deren breite öffentliche Akzeptanz gewährleisten und die Wahrung der Grundrechte und die Achtung der Rechtsstaatlichkeit sicherstellen.

3.

Zunächst sollten die Maßnahmen mit lokalen Auswirkungen aufgehoben werden; anschließend sollte schrittweise zur Aufhebung von Maßnahmen mit größerer geografischer Reichweite übergegangen werden, wobei den jeweiligen nationalen Besonderheiten Rechnung zu tragen ist. So könnten wirksamere Maßnahmen getroffen werden, die bei Bedarf auf die lokalen Bedingungen zugeschnitten werden, und bei Auftreten vieler neuer Fälle könnten gegebenenfalls wieder Beschränkungen verhängt werden (z. B. durch Einführung eines Sperrgürtels). Bei dieser Vorgehensweise könnten erste Lockerungsmaßnahmen getroffen werden, die das Leben der Menschen unmittelbar betreffen. Die Mitgliedstaaten könnten zudem stärker auf regionale Unterschiede bei der COVID-19-Verbreitung in ihrem Staatsgebiet eingehen.

4.

Für die Öffnung unserer Binnen- und Außengrenzen ist ein abgestuftes Konzept erforderlich, bis schließlich der Schengen-Raum wieder normal funktionieren kann.

a)

Kontrollen an den Binnengrenzen sollten in koordinierter Weise aufgehoben werden. Die Kommission arbeitet kontinuierlich mit den Mitgliedstaaten zusammen, um die Auswirkungen der Wiedereinführung der Kontrollen an den Binnengrenzen auf das Funktionieren des Binnenmarktes und den freien Verkehr zu begrenzen. (13) Ferner unternimmt sie alles in ihrer Macht stehende, um die Auswirkungen der derzeitigen Lage auf den Verkehrssektor – Verkehrsunternehmen und Fahr- bzw. Fluggäste – zu minimieren. (14)Die derzeitigen Reisebeschränkungen und Grenzkontrollen sollten aufgehoben werden, sobald die epidemiologische Lage in den Grenzregionen hinlänglich vergleichbar ist und die Regeln für die soziale Distanzierung weithin verantwortungsbewusst befolgt werden. Wenn die Grenzen nach und nach wieder geöffnet werden, sollten Grenzgänger und Saisonarbeitskräfte Priorität erhalten und eine Diskriminierung mobiler Arbeitskräfte in der EU vermieden werden. Benachbarte Mitgliedstaaten sollten in engem Kontakt bleiben, um dies in enger Abstimmung mit der Kommission zu erleichtern. In der Übergangsphase sollten die Anstrengungen zur Aufrechterhaltung eines ungehinderten Warenverkehrs und zur Sicherung der Lieferketten verstärkt werden. Die Reisebeschränkungen sollten zunächst zwischen Gebieten mit einer vergleichsweise geringen Viruszirkulation gelockert werden. Das ECDC wird in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten eine Liste solcher Gebiete erstellen. Die Kommission wird nähere Orientierungen dazu geben, wie die Verkehrsdienste, die Vernetzung und die Freizügigkeit, sobald es die Gesundheitslage erlaubt, nach und nach wiederhergestellt werden können. Dies geschieht auch mit Blick auf die Planung von Urlaubsreisen im Sommer.

b)

Die Öffnung der Außengrenzen und die Einreise nicht in der EU ansässiger Personen in die EU sollten in einer zweiten Phase erfolgen, wobei die Ausbreitung des Virus außerhalb der EU und das Risiko der Wiedereinschleppung des Virus zu berücksichtigen sind. Zur Wahrung der von den EU-Mitgliedstaaten und den assoziierten Schengen-Ländern getroffenen Maßnahmen zur sozialen Distanzierung muss kontinuierlich überprüft werden, ob die Beschränkungen in Bezug auf nicht unbedingt notwendige Reisen noch erforderlich sind. (15)

5.

Die Wirtschaft sollte schrittweise hochgefahren werden‚ damit sich Behörden und Unternehmen unter Beachtung der Sicherheitsvorkehrungen in geeigneter Weise auf eine Zunahme der Wirtschaftstätigkeit einstellen können. Infrage kommen mehrere Möglichkeiten (Tätigkeiten mit geringem zwischenmenschlichem Kontakt, für Telearbeit geeignete Tätigkeiten, Tätigkeiten von wirtschaftlicher Bedeutung, Arbeit in Schichten usw.), aber es sollte nicht die gesamte Bevölkerung gleichzeitig an den Arbeitsplatz zurückkehren. Der Schwerpunkt sollte zunächst auf weniger gefährdeten Gruppen und Sektoren liegen, die für die Förderung der Wirtschaftstätigkeit von wesentlicher Bedeutung sind (z. B. Verkehr). Da es geboten ist, die Kontaktbeschränkungen weitgehend beizubehalten, sollte Telearbeit weiterhin gefördert werden. Am Arbeitsplatz sollten die durch die Pandemie bedingten Regeln für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz eingehalten werden.

Die Kommission wird für Störungen der Liefer- und Wertschöpfungskette eine Schnellwarnfunktion einrichten. Dabei wird sie sich unter anderem auf bestehende Netze wie das Enterprise Europe Network (EEN), andere Netze, Handelskammern und Handelsverbände, KMU-Beauftragte sowie andere Akteure wie die europäischen Sozialpartner stützen. Es gilt, die bestmöglichen Lösungen zu finden, um diese Störungen zu beheben, die durch eine asymmetrische Aufhebung der Eindämmungsmaßnahmen (innerhalb oder außerhalb der EU), den Konkurs von Unternehmen oder die Einmischung von Akteuren aus Drittländern verursacht werden können.

6.

Nach und nach sollten auch Personenansammlungen erlaubt werden. Bei ihren Überlegungen zur optimalen zeitlichen Abfolge sollten die Mitgliedstaaten auf die Besonderheiten der verschiedenen Tätigkeitskategorien achten, z. B.:

a)

Schulen und Universitäten (mit besonderen Maßnahmen wie unterschiedlichen Mittagszeiten, häufigerer Reinigung, kleineren Klassen, verstärkter Nutzung von E-Learning usw.);

b)

Geschäfte (Einzelhandel) mit möglicher Abstufung (z B. Höchstzahl der im Verkaufsraum zugelassenen Personen usw.);

c)

soziale Aktivitäten (Restaurants, Cafes usw.) mit möglicher Abstufung (z B. Beschränkung der Öffnungszeiten, Höchstzahl der im Lokal zugelassenen Personen usw.);

d)

Massenveranstaltungen (z. B. Festivals, Konzerte usw).

Die schrittweise Wiedereinführung von Verkehrsdiensten sollte der schrittweisen Aufhebung von Reisebeschränkungen und der schrittweisen Wiederzulassung bestimmter Arten von Tätigkeiten angepasst werden, wobei dem Risikoniveau in den betreffenden Gebieten Rechnung zu tragen ist. Individualverkehr mit einem geringeren Risiko (z. B. Pkw) sollte so schnell wie möglich erlaubt werden, während kollektive Verkehrsmittel schrittweise im Verbund mit den notwendigen Gesundheitsschutz-Maßnahmen freigegeben werden sollten (z. B. Verringerung der Fahrgastdichte in Fahrzeugen, häufigere Reinigung, Ausgabe persönlicher Schutzausrüstungen für das Personal und/oder die Fahrgäste, Verwendung von Schutzbarrieren, Bereitstellung von Desinfektionsmitteln an Verkehrsknotenpunkten und in Fahrzeugen usw.).

7.

Die Bemühungen zur Verhinderung der Ausbreitung des Virus sollten beibehalten werden: Die Sensibilisierungskampagnen sollten fortgesetzt werden, um die Bevölkerung darin zu bestärken, die guten Hygienegewohnheiten (Verwendung von Handdesinfektionsmitteln, Händewaschen, Hustenetikette, Reinigung von häufig benutzten Oberflächen usw.) beizubehalten. Die Leitlinien für die Abstandswahrung sollten weiterhin gelten. Die Bürger sollten umfassend über die Lage informiert werden, damit sie durch individuelle Maßnahmen und verantwortliches Verhalten zur Eindämmung des Virus beitragen können. Aus den jüngsten Leitlinien des ECDC (16) geht hervor, dass die Verwendung nichtmedizinischer Gesichtsmasken in der Öffentlichkeit nützlich sein könnte. Die Nutzung von Gesichtsmasken im öffentlichen Raum könnte in Betracht gezogen werden, insbesondere bei Besuchen von stark frequentierten, geschlossenen Räumen wie Lebensmittelgeschäften, Einkaufszentren oder bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Die Verwendung nichtmedizinischer Gesichtsmasken aus verschiedenen Textilien könnte in Betracht gezogen werden, insbesondere wenn medizinische Gesichtsmasken aufgrund von Lieferengpässen und der vorrangigen Nutzung durch Angehörige der Gesundheitsberufe der Allgemeinheit nicht zur Verfügung stehen. Die Verwendung von Gesichtsmasken im öffentlichen Raum sollte jedoch nur als ergänzende Maßnahme und nicht als Ersatz für bewährte Präventivmaßnahmen wie Abstandswahrung, Atemwegsetiquette, sorgfältige Handhygiene und Vermeidung des Berührens von Gesicht, Nase, Augen und Mund betrachtet werden. Der Einsatz medizinischer Gesichtsmasken durch Angehörige der Gesundheitsberufe muss stets Vorrang vor ihrer sonstigen Verwendung im öffentlichen Raum haben. Bei Empfehlungen zur Nutzung von Gesichtsmasken im öffentlichen Raum sollten die Erkenntnislage, die Versorgungslage und mögliche negative Nebenwirkungen sorgfältig berücksichtigt werden.

8.

Die Maßnahmen sollten kontinuierlich überwacht werden. Es sollte Vorsorge getroffen werden für die Rückkehr zu strengeren Eindämmungsmaßnahmen im Falle eines übermäßigen Anstiegs der Infektionsraten – auch auf internationaler Ebene. Entscheidungen darüber, ob oder wann strengere Maßnahmen wieder eingeführt werden, sollten auf der Grundlage eines dezidierten Plans und expliziter Kriterien getroffen werden. Zu den Vorsorgemaßnahmen sollte die Stärkung des Gesundheitswesens gehören, damit es in der Lage ist, mögliche künftige Ausbrüche des Virus zu bewältigen. Die Kommission wird das ECDC im Hinblick auf ein etwaiges Wiederaufflammen der Epidemie mit der Ausarbeitung von Vorschlägen für ein gemeinsames EU-Konzept für künftige Ausgangsbeschränkungen beauftragen, das den bisherigen Erfahrungen Rechnung trägt.

7.   Fazit

Wissenschaftlicher Sachverstand, abgestimmtes Vorgehen und europäische Solidarität sind die wichtigsten Voraussetzungen, auf deren Grundlage die Mitgliedstaaten die derzeitigen Eindämmungsmaßnahmen erfolgreich aufheben können.

Notwendig ist ein sorgfältig austariertes, abgestimmtes und schrittweises Vorgehen. Um zu einer solchen Phase überzugehen, müssen mehrere flankierende Maßnahmen einsatzfähig sein. Die Kommission hat Instrumente und Leitlinien auf EU-Ebene sowohl für die öffentliche Gesundheit als auch für die wirtschaftliche Krisenreaktion bereitgestellt und wird dies auch weiter tun. Wichtig ist, dass die Mitgliedstaaten die auf EU-Ebene verfügbaren Instrumente unterstützen und nutzen.

Die Kommission wird die Verhältnismäßigkeit der von den Mitgliedstaaten zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie ergriffenen Maßnahmen im Zuge der Entwicklung der Lage weiter prüfen und die Aufhebung von Maßnahmen anmahnen, die sie als unverhältnismäßig ansieht, insbesondere wenn diese Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben.

Im Interesse einer Bündelung der Koordinierungsbemühungen wird die Kommission erforderlichenfalls oder auf Anfrage weitere Orientierungshilfen ausarbeiten, um die schrittweise Aufhebung der allgemeinen Beschränkungen zu gewährleisten. Je intensiver dieser Ausstieg auf EU-Ebene koordiniert wird, desto mehr werden einerseits negative Ausstrahlungseffekte zwischen den Mitgliedstaaten vermieden und können die Maßnahmen in den verschiedenen Mitgliedstaaten sich gegenseitig in ihrer Wirkung verstärken. Die EU wird in ihren Leitlinien der Entwicklung der gesundheitlichen Notlage und den Auswirkungen auf den Binnenmarkt Rechnung tragen. Sie wird sich dabei auf die Arbeiten des Gesundheitssicherheitsausschusses stützen und den Beratungen im Rahmen der integrierten EU-Regelung für die politische Reaktion auf Krisen Rechnung tragen.

Die Kommission wird auch mit den Mitgliedstaaten Maßnahmen und Initiativen erörtern, die im Rahmen des Soforthilfeinstruments (17) finanziert werden sollen‚ und den Mitgliedstaaten die Möglichkeit bieten, Anträge einzureichen. Auf diese Weise wird das Soforthilfeinstrument einen finanziellen Beitrag der EU zur schrittweisen Überwindung der Krise leisten.

Eine erfolgreiche EU-weite Koordinierung bei der Aufhebung der Eindämmungsmaßnahmen wird sich auch positiv auf die wirtschaftliche Erholung der EU auswirken. Es ist notwendig, den Aufschwung strategisch zu planen, sodass er den Bedürfnissen der Bürger Rechnung trägt und die Wirtschaft wieder Tempo aufnehmen und auf einen Pfad nachhaltigen Wachstums zurückkehren kann. Dabei müssen der Übergang zu einer umweltgerechten und digitalen Wirtschaft integriert und alle Lehren aus der derzeitigen Krise für das Reaktionsvermögen und die Widerstandsfähigkeit der EU gezogen werden.


(1)  https://www.consilium.europa.eu/media/43085/26-vc-euco-statement-de.pdf

(2)  Kommissionsdienststellen; Seth Flaxman, Swapnil Mishra, Axel Gandy et al. Estimating the number of infections and the impact of non-pharmaceutical interventions on COVID-19 in 11 European countries. Imperial College London 2020.

(3)  Zusätzlich zu den auf nationaler Ebene getroffenen Maßnahmen hat die Kommission rasch Schritte eingeleitet, um den Mitgliedstaaten öffentliche Ausgaben zu erleichtern und beispielsweise einen befristeten Rahmen für staatliche Beihilfen erlassen. Auch die Aktivierung der allgemeinen Ausweichklausel des EU-Fiskalrahmens wird den Mitgliedstaaten Konjunkturmaßnahmen ermöglichen. Auf EU-Ebene hat die Kommission wirtschaftliche und finanzielle Unterstützung aus dem EU-Haushalt bereitgestellt, während die Europäische Zentralbank geldpolitische Unterstützung geleistet hat. Einen Überblick über die Koordinierte wirtschaftliche Reaktion auf die COVID-19-Pandemie liefern auch die Mitteilungen der Kommission COM(2020) 112 final vom 13. März 2020 und COM(2020) 143 final vom 2. April 2020.

(4)  Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) „Coronavirus disease 2019 (COVID-19) in the EU/EEA and the UK – achte Aktualisierung“, 8. April 2020, https://www.ecdc.europa.eu/sites/default/files/documents/covid-19-rapid-risk-assessment-coronavirus-disease-2019-eighth-update-8-april-2020.pdf

(5)  In diesem Zusammenhang hat die Kommission am 3. April Leitlinien für die EU-Soforthilfe im Bereich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Gesundheitswesen angenommen (C(2020) 2153 final). Diese Leitlinien sollen es den Mitgliedstaaten erleichtern, bei der Betreuung von Patienten, die Intensivpflege benötigen, durch die Bereitstellung verfügbarer Krankenhausbetten (und Gesundheitsfachkräfte) zusammenzuarbeiten, um überlastete Gesundheitseinrichtungen in besonders betroffenen Mitgliedstaaten zu entlasten, wobei das Funktionieren ihrer eigenen Gesundheitssysteme nicht gefährdet werden darf.

(6)  Beispielsweise wird die von der Kommission am 2. April vorgeschlagene europäische Arbeitslosenrückversicherungsregelung (COM(2020) 139 final) Erwerbstätige unterstützen, Personen, die in der Coronakrise ihren Arbeitsplatz verloren haben, schützen und gleichzeitig den angesichts der derzeitigen Umstände herrschenden Druck auf die öffentlichen Finanzen der Mitgliedstaaten verringern.

(7)  Empfehlung der Kommission vom 8. April 2020 für ein gemeinsames Instrumentarium der Union für den Einsatz von Technik und Daten zur Bekämpfung und Überwindung der COVID-19-Krise, insbesondere im Hinblick auf Mobil-Apps und die Verwendung anonymisierter Mobilitätsdaten (C(2020) 2296 final).

(8)  Der Kommission sind Lösungen europäischer Konsortien, wie z. B. die europaweite Abstandsnachverfolgung unter Wahrung der Privatsphäre (Pan-European Privacy-Preserving Proximity Tracing https://www.pepp-pt.org/) bekannt.

(9)  In diesem Zusammenhang hat die Kommission das Soforthilfeinstrument mobilisiert. Hierbei handelt es sich um das allgemeine EU-Instrument zur Krisenbekämpfung, das auf dem Grundsatz der Solidarität beruht und eine beispiellos schnelle, flexible und direkte Unterstützung ermöglicht. Darüber hinaus bietet die Investitionsinitiative zur Bewältigung der Coronakrise (CRII) den Mitgliedstaaten finanzielle Unterstützung für deren Maßnahmen zur Entlastung ihres Gesundheitswesens und zur Steigerung der Belastbarkeit, um die einschlägigen Krisenreaktionskapazitäten zu verbessern.

(10)  Die Kommission arbeitet mit den Mitgliedstaaten zusammen, um Ausfuhrverbote oder ‐beschränkungen innerhalb der EU im Einklang mit der Schlussfolgerung des Europäischen Rates aufzuheben, wonach die Annahme des Beschlusses über die Genehmigung der Ausfuhr persönlicher Schutzausrüstungen die vollständige und effektive Aufhebung interner Verbote oder Beschränkungen jeglicher Art ermöglichen sollte. Sie hat dazu eine „Clearingstelle für medizinisches Gerät“ eingerichtet, die den Mitgliedstaaten hilft, die vorhandenen Bestände, einschließlich Testkits, zu ermitteln und dem Bedarf zuzuführen. Dies umfasst auch die Zusammenarbeit mit der Industrie, um die Produktion der vorhandenen Hersteller zu steigern, Einfuhren zu erleichtern und Alternativen für die Herstellung von Ausrüstung zu mobilisieren. Ferner wird die Kommission ein Meldesystem mit geografischer Zuordnung einrichten, damit die Mitgliedstaaten ihren Bedarf an medizinischen Ausrüstungen angeben können. Die Kommission unterstützt auch neue Marktteilnehmer im Bereich der Schutzausrüstungen mit speziellen Leitfäden. Informationen über das Bestehen und die Kapazitäten von Konformitätsbewertungsstellen werden an die Marktteilnehmer weitergegeben. Darüber hinaus zentralisiert die Kommission über rescEU die Anlage von Notvorräten an medizinischen Ausrüstungen. Gemeinsam mit den Mitgliedstaaten unternimmt die Kommission bereits verstärkte Bemühungen und hat gemeinsame Beschaffungsmaßnahmen für verschiedene medizinische Güter, einschließlich Testkits, eingeleitet. Ferner hat sie am 1. April 2020 Leitlinien zu den Optionen und Flexibilitätsmöglichkeiten innerhalb des EU-Rahmens für die Vergabe öffentlicher Aufträge herausgegeben, die für die Beschaffung der zur Bewältigung der Krise erforderlichen Lieferungen, Dienstleistungen und Arbeiten zur Verfügung stehen (C(2020) 2078). Überdies hat sie am 8. April 2020 einen befristeten Rahmen für die Prüfung kartellrechtlicher Fragen der Zusammenarbeit von Unternehmen in durch den derzeitigen COVID-19-Ausbruch verursachten Notsituationen angenommen, um die Bereitstellung und angemessene Verteilung wichtiger knapper Produkte und Dienstleistungen während des COVID-19-Ausbruchs zu gewährleisten (C(2020) 3200). Am gleichen Tag hat sie auch Leitlinien für die optimale und rationalisierte Versorgung mit Arzneimitteln zur Vermeidung von Engpässen während des COVID-19-Ausbruchs (C(2020) 2272 final) angenommen.

(11)  In diesem Zusammenhang gab das ECDC am 8. April 2020 eine Empfehlung zur Verringerung der COVID-19-Übertragung von potenziell asymptomatischen oder präsymptomatischen Personen durch die Verwendung von Gesichtsmasken ab: https://www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/using-face-masks-community-reducing-covid-19-transmission.

(12)  ECDC, Guidance for discharge and ending isolation in the context of widespread community transmission of COVID-19 – erste Aktualisierung, 8. April 2020, https://www.ecdc.europa.eu/sites/default/files/documents/covid-19-guidance-discharge-and-ending-isolation-first%20update.pdf

(13)  Die Kommission hat Leitlinien zur Ausübung der Freizügigkeit der Arbeitskräfte während des COVID-19-Ausbruchs erstellt (C(2020) 2051 final).

(14)  Die Kommission hat bereits eine flexiblere Anwendung der bestehenden Vorschriften für Nutzung der Zeitnischen für Luftfahrtunternehmen (Verordnung (EU) 2020/459 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. März 2020 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates über gemeinsame Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen in der Gemeinschaft) vorgeschlagen und Leitlinien für „Green Lanes“ (C(2020) 1897 final) und zum Luftfrachtbetrieb zur Erleichterung des freien Warenverkehrs in der EU (C(2020) 2010 final) angenommen. Zudem hat die Kommission Leitlinien zu Passagierrechten (C(2020) 1830 final) und zu Seeleuten, Fahrgästen und anderen Personen an Bord von Schiffen (C(2020) 3100 final) angenommen.

(15)  Die Kommission hat am 30. März Hinweise zur Umsetzung der vorübergehenden Beschränkung nicht unbedingt notwendiger Reisen in die EU (C(2020) 2050 final) angenommen. Am 8. April hat sie eine Mitteilung an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat und den Rat über die Bewertung der Anwendung der vorübergehenden Beschränkung von nicht unbedingt notwendigen Reisen in der EU (COM(2020) 148) veröffentlicht.

(16)  https://www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/using-face-masks-community-reducing-covid-19-transmission

(17)  Verordnung (EU) 2016/369 (ABl. L 70 vom 16.3.2016, S. 1).


17.4.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 126/12


MITTEILUNG DER KOMMISSION

COVID-19: Hinweise zur Umsetzung der einschlägigen EU-Bestimmungen im Bereich der Asyl- und Rückführungsverfahren und zur Neuansiedlung

(2020/C 126/02)

Das COVID-19-Virus hat sich auf der ganzen Welt ausgebreitet und zu verschiedenen Maßnahmen geführt, mit denen das Ansteckungstempo begrenzt werden soll. Am 10. März 2020 unterstrichen die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Notwendigkeit eines gemeinsamen europäischen Ansatzes und einer engen Abstimmung mit der Kommission. (1) Insbesondere wurden die Ministerinnen und Minister für Gesundheit und für Inneres aufgefordert, eine angemessene Koordinierung zu gewährleisten und gemeinsame europäische Leitlinien herauszuarbeiten.

Das Ausmaß der Bedrohung, mit der die Welt derzeit konfrontiert ist, macht deutlich, dass es unbedingt einer Koordinierung durch die EU bedarf, um die potenzielle Wirkung der auf nationaler Ebene ergriffenen Maßnahmen zu maximieren.

Vor diesem Hintergrund verabschiedete die Kommission am 16. März 2020 eine Mitteilung an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat und den Rat, in der sie angesichts von COVID-19 eine vorübergehende Beschränkung nicht unbedingt notwendiger Reisen in die EU forderte. (2) Ausnahmen von diesen vorübergehenden Beschränkungen gelten für Personen, die internationalen Schutz benötigen oder die aus anderen humanitären Gründen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aufgenommen werden müssen. Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Eindämmung und Begrenzung der weiteren Ausbreitung von COVID-19 sollten auf Risikobewertungen und wissenschaftlicher Beratung beruhen und müssen verhältnismäßig bleiben. Beschränkungen im Bereich Asyl, Rückführung und Neuansiedlung müssen verhältnismäßig sein, diskriminierungsfrei umgesetzt werden und dem Grundsatz der Nichtzurückweisung sowie den völkerrechtlichen Verpflichtungen Rechnung tragen.

Die Pandemie wirkt sich unmittelbar darauf aus, wie die Asyl- und Rückführungsvorschriften der EU von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden, und zieht einschneidende Folgen für die Neuansiedlung nach sich. Die Kommission ist sich voll und ganz der Schwierigkeiten bewusst, denen die Mitgliedstaaten unter den derzeitigen Umständen bei der Umsetzung der einschlägigen EU-Vorschriften gegenüberstehen. Maßnahmen im Bereich Asyl, Neuansiedlung und Rückführung sollten auch den Gesundheitsschutzmaßnahmen, die die Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet eingeführt haben, um die Ausbreitung von COVID-19 zu verhindern und einzudämmen, in vollem Umfang Rechnung tragen.

In diesem Zusammenhang hat die Kommission diese Hinweise unter Mitwirkung des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) und der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) als Orientierungshilfe für die Mitgliedstaaten ausgearbeitet – unbeschadet des Grundsatzes, dass nur der Europäische Gerichtshof zu einer verbindlichen Auslegung des Unionsrechts befugt ist.

In diesen Hinweisen wird erläutert, wie die Kontinuität der Verfahren so weit wie möglich gewahrt und dabei der Schutz der Gesundheit und der Grundrechte der Menschen im Einklang mit der EU-Grundrechtecharta uneingeschränkt sichergestellt werden kann. Gleichzeitig wird an die Grundprinzipien erinnert, die weiterhin gelten müssen, damit der Zugang zum Asylverfahren während der COVID-19-Pandemie in größtmöglichem Umfang bestehen bleibt. Insbesondere müssen alle Anträge auf internationalen Schutz registriert und bearbeitet werden, auch wenn es dabei zu Verzögerungen kommt. Für die Notfallversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten, auch COVID-19, muss gesorgt werden.

Zu diesem Zweck enthalten die Hinweise auch praktische Ratschläge und beschreiben geeignete Instrumente, insbesondere unter Verweis auf sich in den Mitgliedstaaten herausbildende vorbildliche Vorgehensweisen für die Durchführung von Asyl- und Rückführungsverfahren und die Fortsetzung von Neuansiedlungsmaßnahmen unter den derzeitigen Umständen, da die spezifischen Folgen, die eine Pandemie nach sich zieht, in den geltenden Rechtsvorschriften nicht vorhergesehen worden sind.

Um die Ausbreitung von COVID-19 zu verhindern und einzudämmen, sollten bei Drittstaatsangehörigen, einschließlich Personen, die internationalen Schutz beantragen, neu angesiedelten Personen oder illegal in der Union aufhältigen Drittstaatsangehörigen, erforderlichenfalls Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit wie Screening, soziale Distanzierung, Quarantäne und Isolation angewendet werden, sofern diese Maßnahmen sinnvoll, verhältnismäßig und diskriminierungsfrei sind.

Die in der gesamten Mitteilung gegebenen praktischen Hinweise sollen Beispiele dafür liefern, was innerhalb der Grenzen des Besitzstands möglich ist, den jeder Mitgliedstaat unter Berücksichtigung der bestehenden nationalen Praxis und der verfügbaren Ressourcen in geeigneter Weise nutzen kann.

Die Hinweise behandeln insbesondere folgende Themen:

Asyl: Registrierung und Einreichung von Anträgen, Modalitäten für Anhörungen und Fragen im Zusammenhang mit den Aufnahmebedingungen, einschließlich der Ingewahrsamnahme, sowie Verfahren nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (im Folgenden „Dublin-Verordnung“).

Neuansiedlung: praktische Modalitäten für die Fortsetzung der vorbereitenden Maßnahmen, soweit möglich, damit die Neuansiedlungen reibungslos wiederaufgenommen werden können, sobald dies möglich ist.

Rückführung: praktische Maßnahmen, die es erleichtern könnten, unter den derzeitigen Umständen Rückführungsverfahren durchzuführen, die freiwillige Rückkehr und Reintegration zu unterstützen, Migranten vor unbeabsichtigten Folgen restriktiver Maßnahmen im grenzüberschreitenden Reiseverkehr zu schützen, den Zugang zu angemessenen unverzichtbaren Dienstleistungen zu garantieren sowie klarzustellen, unter welchen Voraussetzungen es sinnvoll und verhältnismäßig ist, irreguläre Migranten in Gewahrsam zu nehmen.

Die Bereitstellung von Orientierungshilfe ist ein dynamischer Prozess und muss gegebenenfalls weiterentwickelt werden. Sie wird durch Maßnahmen der zuständigen EU-Agenturen in Form von speziellen themenbezogenen Sitzungen (3) ergänzt, um den Mitgliedstaaten mit zusätzlichen praktischen Ratschlägen zur Seite zu stehen und den Austausch bewährter Methoden zu erleichtern. Darüber hinaus stellt das EASO auch allgemeine Orientierungshilfe zu mehreren zentralen Themen zur Verfügung, die in diesen Hinweisen behandelt werden. (4)

1.   Asyl

Die Maßnahmen, die auf nationaler Ebene getroffen wurden, um die soziale Interaktion zwischen Asylpersonal und Asylbewerbern zu begrenzen, haben Auswirkungen auf die Asylverfahren. Die nationalen Gesundheitsbehörden können zwar auf der Grundlage von Risikobewertungen und wissenschaftlicher Beratung die Maßnahmen treffen, die notwendig sind, um die weitere Ausbreitung von COVID-19 einzudämmen und zu begrenzen, diese Maßnahmen sollten jedoch verhältnismäßig sein und mit dem EU-Recht einschließlich der Charta der Grundrechte im Einklang stehen. Auch wenn es zu Verzögerungen kommt, müssen deshalb Drittstaatsangehörige, die internationalen Schutz beantragen, ihren Antrag bei den Behörden registrieren lassen und einreichen können. Besondere Aufmerksamkeit verdient die Situation von schutzbedürftigen Personen, Familien und Minderjährigen (einschließlich unbegleiteter Minderjähriger). Alle Personen, die internationalen Schutz beantragen, müssen menschenwürdig behandelt werden und zumindest Zugang zu ihren Grundrechten haben und diese ausüben können.

Da in Bezug auf die Asylverfahren eine Situation, wie sie sich aus der COVID-19-Pandemie ergibt, in der Richtlinie 2013/32/EU (im Folgenden „Asylverfahrensrichtlinie“) nicht vorhergesehen worden ist, könnte im Falle einer großen Zahl gleichzeitiger Anträge die Anwendung der in der Richtlinie festgelegten Ausnahmeregelungen (5) in Betracht kommen. Darüber hinaus ist in der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 (im Folgenden „Eurodac-Verordnung“) ausdrücklich die Möglichkeit vorgesehen, die Abnahme von Fingerabdrücken aufgrund von Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit aufzuschieben (6).

Was die Zuständigkeit für die Prüfung von Anträgen angeht, so lässt die Dublin-Verordnung Raum für Flexibilität, insbesondere in Bezug auf persönliche Anhörungen, Familienzusammenführungsverfahren für unbegleitete Minderjährige und die Anwendung der Ermessensklauseln.

Hinsichtlich der Aufnahmebedingungen können die Mitgliedstaaten von der in der Richtlinie 2013/33/EU (im Folgenden „Richtlinie über die Aufnahmebedingungen“) vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch machen, in begründeten Ausnahmefällen für einen angemessenen Zeitraum, der so kurz wie möglich sein sollte, andere Modalitäten der im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen als die normalerweise erforderlichen festzulegen (7). Diese Modalitäten müssen unter allen Umständen die Grundbedürfnisse einschließlich medizinischer Versorgung decken. Quarantäne oder Isolation als Vorkehrung zur Verhinderung der Ausbreitung von COVID-19 sind nicht im Asyl-Besitzstand der EU geregelt. Solche Maßnahmen können nach nationalem Recht auch über Asylbewerber verhängt werden‚ sofern sie notwendig, verhältnismäßig und diskriminierungsfrei sind.

1.1.    Asylverfahren

Mit Blick auf den Zugang zum Verfahren des internationalen Schutzes haben mehrere Mitgliedstaaten mitgeteilt, dass angesichts der Notwendigkeit sozialer Distanzierung und wegen Personalmangels Asylverwaltungen geschlossen wurden oder nur nach vorheriger Anmeldung per Telefon oder über elektronische Dienste zugänglich sind. Die Mitgliedstaaten haben auch Dienstbeschränkungen bei der Registrierung von Anträgen auf internationalen Schutz gemeldet. Einige Mitgliedstaaten haben angegeben, dass die Registrierung von Anträgen generell ausgesetzt ist bzw. nur in Ausnahmefällen und/oder für schutzbedürftige Personen gestattet wird.

Artikel 6 Absatz 5 der Asylverfahrensrichtlinie gestattet den Mitgliedstaaten, die Frist für die Registrierung von Anträgen auf zehn Arbeitstage zu verlängern, wenn eine große Zahl von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gleichzeitig internationalen Schutz beantragt, sodass es in der Praxis sehr schwierig ist, diese Fristen einzuhalten. Es sollte den Mitgliedstaaten möglich sein, diese Ausnahmeregelung für einen begrenzten Zeitraum anzuwenden, wenn die Einhaltung der Drei- bzw. Sechstagesfrist für die Registrierung von Anträgen in der Praxis für die nationalen Behörden aufgrund der COVID-19-Pandemie sehr schwierig ist, die angesichts des allgemeinen Zwecks der einschlägigen Vorschriften und der betroffenen Interessen ähnliche Auswirkungen haben könnte wie die Schwierigkeiten, die sich aus einer großen Zahl gleichzeitiger Anträge ergeben, da die geltenden Rechtsvorschriften keine Regelungen für die sich aus einer Pandemie besonderen Umstände umfassen. Auf jeden Fall sollten weitere Verzögerungen bei der Registrierung der Anträge die Rechte der Antragsteller nach der Richtlinie über die Aufnahmebedingungen, die ab der Stellung eines Antrags gelten, nicht beeinträchtigen.

Nach Artikel 6 Absatz 1 Unterabsatz 3 der Asylverfahrensrichtlinie müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Informationen über Änderungen in Bezug auf die Registrierung und Einreichung von Anträgen den Bediensteten von Behörden, bei denen wahrscheinlich Anträge auf internationalen Schutz gestellt werden (wie Polizei, Grenzschutz, Einwanderungsbehörden und Personal von Gewahrsamseinrichtungen), übermittelt werden, um sie in die Lage zu versetzen, die Anträge zur Registrierung weiterzuleiten und die Antragsteller darüber zu informieren, wo und wie Anträge auf internationalen Schutz eingereicht werden können.

Praktische Hinweise:

Das Personal von Behörden, bei denen wahrscheinlich Anträge auf internationalen Schutz eingehen werden, sollte über alle durch die Auswirkungen von COVID-19 bedingten vorübergehenden Änderungen der Verfahren für den Zugang zum Asylverfahren (z. B. verringerte Arbeitszeiten der Asylbehörden, eingeschränkter Zugang für die Öffentlichkeit oder die Möglichkeit der telefonischen Kontaktaufnahme) informiert werden.

Alle Informationen über derartige vorübergehende Änderungen und Vorkehrungen sollten der breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, z. B. über die öffentliche Website der Asylbehörden, damit sie Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen bereits vor der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz bekannt sind. Derartige Informationen wären auch für zivilgesellschaftliche Organisationen nützlich, die Antragsteller unterstützen können.

In Räumlichkeiten der Asylbehörden, zu denen der Zugang weiterhin möglich ist, sollten die relevanten Informationen vorzugsweise durch Infografiken und andere Formen der visuellen Kommunikation angezeigt werden.

Einige Mitgliedstaaten haben unterschiedliche Systeme für die Registrierung von Asylbewerbern ohne persönlichen Kontakt mit dem Asylpersonal eingeführt. Ein Beispiel für ein bewährtes Verfahren ist die Registrierung in speziellen Kabinen in den Räumlichkeiten der Verwaltung, wobei Informationen in der Sprache des Antragstellers angeboten werden und Informationen erhoben werden können.

Einreichung von Asylanträgen

In einigen Mitgliedstaaten ist es möglich, Anträge auf internationalen Schutz auf dem Postweg zu stellen. Die Kommission empfiehlt, bei Bedarf die Möglichkeit zu schaffen, Anträge mithilfe eines entsprechenden Formulars auf dem Postweg oder vorzugsweise online einzureichen. Gemäß Artikel 6 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie gilt der Antrag dann als gestellt, wenn das Formular bei den zuständigen Behörden eingegangen ist.

Praktische Hinweise:

Die Einreichung von Anträgen kann bei Bedarf und soweit möglich online ermöglicht werden (durch die Einreichung eines entsprechenden Online-Formulars). In derartigen Fällen sollten die Antragsteller ohne Weiteres auf das entsprechende, online auszufüllende Formular zugreifen können.

Bei online oder auf dem Postweg eingereichten Anträgen sollten die Antragsteller als grundlegende Sicherheitsvorkehrung eine Bestätigung dafür aufbewahren, dass sie einen Asylantrag gestellt haben (beispielsweise eine Bestätigungs-E-Mail oder eine Quittung für ein Einschreiben).

Durch spezielle Maßnahmen sollte sichergestellt werden, dass die Antragsteller in einer Sprache, die sie verstehen oder die sie nach vernünftigem Ermessen verstehen sollten, über das zu befolgende Verfahren sowie über ihre Rechte und Pflichten während des Verfahrens informiert werden.

Zudem sollte durch spezielle Maßnahmen sichergestellt werden, dass Antragsteller darüber unterrichtet werden, welche Folgen ihr Verhalten haben kann, wenn sie ihren Pflichten nicht nachkommen und nicht mit den Behörden zusammenarbeiten.

Persönliche Anhörungen

Viele Mitgliedstaaten haben die persönlichen Anhörungen ausgesetzt. Andere Mitgliedstaaten organisieren Anhörungen auf Grundlage bestimmter Vorkehrungen, in Form von Videokonferenzen oder durch Aufstellen oder Anbringen schützender Plexiglasscheiben. Die Kommission empfiehlt den Mitgliedstaaten, so weit wie möglich von solchen spezifischen vorübergehenden Vorkehrungen Gebrauch zu machen, sofern die erforderlichen Vorkehrungen zur Schaffung geeigneter Einrichtungen getroffen werden und sichergestellt ist, dass die zuständigen Behörden sowohl die Verdolmetschung als auch den Zugang zu Rechtsberatung und -vertretung sicherstellen.

Die Mitgliedstaaten können unter Berufung auf Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe b der Asylverfahrensrichtlinie je nach den Umständen des Falles auf die persönliche Anhörung verzichten. Dies gilt insbesondere dann, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Asylbewerber an COVID-19 erkrankt ist. In diesem Fall müssen gleichwohl angemessene Bemühungen unternommen werden, damit der Antragsteller weitere Informationen unterbreiten kann. Die Tatsache, dass keine persönliche Anhörung stattgefunden hat, darf die Entscheidung der Asylbehörde nicht negativ beeinflussen.

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die vorläufige Zulässigkeitsprüfung eines Folgeantrags ohne persönliche Anhörung gemäß Artikel 42 Absatz 2 Buchstabe b der Asylverfahrensrichtlinie allein auf Grundlage eines schriftlich eingereichten Antrags durchzuführen, sofern dies nach nationalem Recht zulässig ist.

Praktische Hinweise:

Persönliche Anhörungen sollten nach Möglichkeit per Videokonferenz aus der Ferne durchgeführt werden, es sei denn, besondere verfahrenstechnische Erfordernisse lassen eine persönliche Anhörung per Videokonferenz für den betreffenden Antragsteller ungeeignet erscheinen (z. B. traumatisierte Antragsteller, geschlechtsspezifische Verfolgung, Kinder, Antragsteller mit Hörproblemen). Darüber hinaus sollte auf eine über spezielle Telefonkanäle erfolgende Simultan-Fernverdolmetschung zurückgegriffen werden.

Werden von den Behörden Videokonferenzräume eingerichtet, sollten auch Vorkehrungen für die etwaige (virtuelle) Anwesenheit von den Antragsteller unterstützenden Rechtsberatern, sonstigen Beratern und Vertrauenspersonen getroffen werden. Hierfür sollte eine sichere und vertrauliche Umgebung geschaffen werden. Eine vertrauliche Umgebung schließt auch eine sichere Verbindung ein.

In Fällen, in denen Videokonferenzen technisch nicht durchführbar oder nicht angemessen sind, könnten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Vorkehrungen zur räumlichen Trennung treffen, um das Ansteckungsrisiko zu verringern, und beispielsweise nach Maßgabe der geltenden Gesundheits- und Sicherheitsleitlinien schützende Plexiglasscheiben aufstellen oder anbringen. Selbst in Fällen, in denen Videokonferenzen technisch nicht durchführbar sind, sollten alle Möglichkeiten zur Sicherstellung einer Simultan-Fernverdolmetschung geprüft werden.

Die für Anhörungsprotokolle und/oder -aufzeichnungen geltenden EU-Vorschriften müssen eingehalten werden. Neben Videokonferenzen sollten weitere Möglichkeiten vorgesehen sehen, wie Antragsteller Nachweise einreichen und dabei die Sicherheit und die Vertraulichkeit der eingereichten Dokumente gewährleistet werden können, beispielsweise durch das Aufnahmenetz, örtliche Stellen oder zuständige Ministerien. Der Videokonferenzraum könnte z. B. über einen Scanner verfügen, mit dem der Antragsteller Dokumente versenden kann.

Wenn eine persönliche Anhörung aus der Ferne durchgeführt wird, sollte dieser Umstand bei der Prüfung des Antrags ebenso berücksichtigt werden wie etwaige weitere während der Anhörung aufgetretene Verzerrungen. Für weitere Informationen siehe den EASO-Praxisleitfaden: Beweiswürdigung.

Bei Sachbearbeitern, die im Home Office arbeiten, ist es wichtig, dass dieser Zugang zu den gewohnten Kanälen haben, um über sichere Kommunikationssysteme, die die Sicherheit und den Schutz personenbezogener Daten garantieren, Rat von leitenden Sachbearbeitern, Vorgesetzten und/oder Sachverständigen einholen zu können.

Frist für den Abschluss des Prüfungsverfahrens

Gemäß Artikel 31 Absatz 3 Buchstabe b der Asylverfahrensrichtlinie ist es den Mitgliedstaaten gestattet, die Sechsmonatsfrist für den Abschluss der Prüfung von Asylanträgen um bis zu neun weitere Monate zu verlängern, wenn eine große Zahl von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gleichzeitig internationalen Schutz beantragt, sodass es in der Praxis sehr schwierig ist, die Prüfung innerhalb der Sechsmonatsfrist abzuschließen. In Anbetracht der Tatsache, dass die besonderen Umstände, die sich aus einer Pandemie ergeben, von den gesetzgebenden Organen nicht vorhergesehen worden sind, sollte es den Mitgliedstaaten möglich sein, diese vorübergehende Ausnahmeregelung immer dann anzuwenden, wenn es sich in der Praxis aufgrund der COVID-19-Pandemie als sehr schwierig erweist, die Sechsmonatsfrist für die Prüfung von Anträgen einzuhalten, was angesichts des allgemeinen Zwecks der einschlägigen Vorschriften und der auf dem Spiel stehenden Interessen ähnliche Auswirkungen haben könnte wie die Schwierigkeiten, die sich aus einer großen Zahl gleichzeitiger Anträge ergeben.

1.2    Dublin

Dublin-Überstellungen

Das EASO hat eine Anfrage (8) zur Durchführung von Dublin-Überstellungen an die Mitgliedstaaten übermittelt, woraufhin die Kommission spezifische Daten angefordert hat. Aus den Antworten der Mitgliedstaaten (Stand: 30. März 2020) geht hervor, dass die Zahl der Fälle, in denen Mitgliedstaaten aufgrund von COVID-19 derzeit nicht in der Lage sind, Antragsteller an den zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen und deshalb eine Verlagerung der Zuständigkeit erfolgte, seit dem 25. Februar 2020 lediglich etwas über 1000 Fälle (9) beträgt, wobei sechs Mitgliedstaaten betroffen sind.

Auf der Grundlage der Antworten der Mitgliedstaaten ist davon auszugehen, dass es in 25 Mitgliedstaaten höchstens 6000 Fälle geben wird, in denen sich die Zuständigkeit vor dem 1. Juni 2020 verlagern kann, wenn die Überstellungen aufgrund von COVID-19 nicht wiederaufgenommen werden. Einige Mitgliedstaaten, darunter Mitgliedstaaten mit einer hohen Zahl von Dublin-Fällen, waren jedoch nicht in der Lage, Fälle abzuziehen, in denen Personen untergetaucht sind oder die noch auf Verwaltungsebene oder vor einem Gericht anhängig sind, oder die individuellen Fristen zu ermitteln; deshalb beruht die Zahl der Fälle, in denen sich die Zuständigkeit verlagern kann, auf Annahmen. Die Zahl der Fälle, in denen sich die Zuständigkeit aufgrund von COVID-19 in den nächsten zwei Monaten verlagern kann, dürfte daher deutlich geringer sein.

Für ein gut funktionierendes Dublin-System ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten von grundlegender Bedeutung. Die Kommission fordert alle Mitgliedstaaten auf, die Überstellungen je nach Entwicklung der Lage so bald wie praktisch möglich wieder aufzunehmen. Die Kommission und das EASO sind bereit, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu erleichtern; dies gilt gegebenenfalls auch für die bilaterale Zusammenarbeit.

Vor jeder Überstellung sollten die Mitgliedstaaten die Situation im Zusammenhang mit COVID-19 im zuständigen Mitgliedstaat, einschließlich der Situation infolge des starken Drucks auf das Gesundheitssystem, berücksichtigen. Darüber hinaus sollten die Mitgliedstaaten aufgrund der derzeitigen Situation die Prüfung von Anträgen nicht über Gebühr verzögern.

Wird die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat nicht innerhalb der geltenden Frist durchgeführt, so geht die Zuständigkeit nach Artikel 29 Absatz 2 der Dublin-Verordnung auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Keine Bestimmung der Verordnung erlaubt es, in einer Situation wie der, die sich aus der COVID-19-Pandemie ergibt, von dieser Regel abzuweichen.

Im Hinblick auf unbegleitete Minderjährige könnte nach Artikel 12 Absatz 2 der Dublin-Durchführungsverordnung (10) das Verfahren der Zusammenführung mit Familienangehörigen, Geschwistern oder Verwandten nach Ablauf der in Artikel 29 genannten Überstellungsfristen fortgesetzt werden, wenn dies dem Wohl des Kindes dient und die Dauer des Verfahrens zur Unterbringung des Minderjährigen über diese Frist hinausging.

Zudem kann nach Artikel 17 Absatz 2 der Dublin-Verordnung ein Mitgliedstaat, bevor eine Entscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nicht zuständig ist. Diese Regel könnte auch in den Fällen angewandt werden, in denen die verbindlichen Kriterien für die Familienzusammenführung galten, die Überstellung aber aufgrund von COVID-19 nicht möglich war, wodurch die Überstellungsfristen nicht eingehalten wurden.

Da die spezifischen Umstände, die sich aus einer Pandemie ergeben, von den gesetzgebenden Organen nicht vorhergesehen wurden, sollten die Mitgliedstaaten eine solche Ermessensklausel anwenden können, selbst wenn das Ziel nicht darin besteht, Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen.

Die Mitgliedstaaten können bilateral und von Fall zu Fall vereinbaren, dass nach Wiederaufnahme der Dublin-Überstellungen ein Mitgliedstaat, der vor der Aussetzung für einen Antragsteller zuständig war, die Zuständigkeit für den betreffenden Antragsteller wieder übernimmt.

Die Anwendung dieser Regel würde nach Artikel 17 Absatz 2 der Dublin-Verordnung die Zustimmung des Antragstellers erfordern.

Dublin-Verfahren

Persönliche Gespräche: Nach Artikel 5 Absatz 2 der Dublin-Verordnung können die Mitgliedstaaten auf ein persönliches Gespräch verzichten, wenn der Antragsteller einschlägige Informationen über die Durchführung der Verordnung (11) erhalten und bereits die sachdienlichen Angaben gemacht hat, sodass der zuständige Mitgliedstaat auf andere Weise bestimmt werden kann. Sofern die Bedingungen dafür erfüllt sind, kann ein entsprechender Verzicht insbesondere dann als geeignete Maßnahme angesehen werden, wenn der Verdacht besteht, dass ein Antragsteller mit COVID-19 infiziert ist. Der Mitgliedstaat, der auf das Gespräch verzichtet, gibt dem Antragsteller Gelegenheit, alle weiteren sachdienlichen Informationen vorzulegen, die für die ordnungsgemäße Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats von Bedeutung sind, bevor eine Entscheidung über die Überstellung des Antragstellers ergeht.

Vorrang für unbegleitete Minderjährige und Fälle betreffend die Einheit der Familie: In einer Situation, in der die Verwaltungen der Mitgliedstaaten ihre Arbeitsverfahren anpassen, wodurch möglicherweise nicht alle Dublin-Fälle rechtzeitig bearbeitet werden können, sollten die Mitgliedstaaten der Bearbeitung von Fällen, die unbegleitete Minderjährige, andere schutzbedürftige Personen oder die Einheit der Familie betreffen, Vorrang einräumen.

IT-Konnektivität: Angesichts der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, über DubliNet miteinander zu kommunizieren, sowie einer Situation, in der viele Mitgliedstaaten ihre Arbeitsmethoden angepasst haben, sollten die Mitgliedstaaten vorrangig prüfen, wie die Verbindung zu DubliNet im Rahmen von Telearbeitsregelungen aufrechterhalten oder bereitgestellt werden kann, damit die Bearbeitung von Dublin-Fällen unter Wahrung des Datenschutzes im Einklang mit dem EU-Recht fortgesetzt werden kann.

Praktische Hinweise:

Persönliche Gespräche im Rahmen der Dublin-Verordnung sollten erforderlichenfalls und soweit möglich per Videokonferenz und mit der erforderlichen Verdolmetschung aus der Ferne durchgeführt werden. Die weiter oben genannten allgemeinen praktischen Hinweise für persönliche Anhörungen gelten auch für persönliche Gespräche im Rahmen der Dublin-Verordnung. Mitgliedstaaten, die nach Artikel 5 Absatz 2 der Dublin-Verordnung auf das Gespräch verzichten, sollten zum Zeitpunkt der Registrierung des Antrags so weit wie möglich die für die Durchführung des Dublin-Verfahrens erforderlichen Informationen vom Antragsteller erheben. Die Mitgliedstaaten könnten unter Wahrung des Datenschutzes im Einklang mit dem EU-Recht auch eine bestimmte E-Mail-Adresse für die Antragsteller einrichten, die alternativ zur Einreichung von Unterlagen sowie Beweismitteln und Informationen verwendet werden kann. Weitere Informationen sind dem EASO-Praxisleitfaden zur Durchführung der Dublin-III-Verordnung: persönliches Gespräch und Bewertung der Beweismittel (12) sowie dem EASO-Praxisleitfaden zum Dublin-Verfahren: operative Standards und Indikatoren (13) zu entnehmen (beide Leitfäden nur in englischer Sprache).

Bei Fällen, die unbegleitete Minderjährige und Familienzusammenführung betreffen, sollten die Mitgliedstaaten schwerpunktmäßig die Möglichkeiten zur Identifizierung von Familienangehörigen prüfen und die Einwilligung des Antragstellers in der Phase der Registrierung einholen. Die nationalen Behörden können ihr nationales Dublin-Referat von solchen Fällen entweder direkt nach der Registrierung oder am Ende des Tages im Wege der Erstellung einer Liste vorrangiger Fälle unterrichten.

Die Mitgliedstaaten könnten DubliNet einer ausreichenden Zahl von Mitarbeitern zur Verfügung stellen, die Telearbeit verrichten. Der Datenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten muss über deren nationale Zugangsstellen erfolgen, wobei die Mitgliedstaaten für eine sichere Verbindung und einen gesicherten Zugang zu DubliNet sorgen müssen. Jeder Bedienstete in Telearbeit, der Zugang zu DubliNet haben muss, sollte mit Geräten und Tools ausgestattet sein, die einen sicheren Zugang zu den nationalen Zugangsstellen der Mitgliedstaaten gewährleisten. Beispielsweise wäre es möglich, ein VPN zwischen dem Gerät des Bediensteten und der im Dublin-Büro eingerichteten nationalen Zugangsstelle des Mitgliedstaats zu konfigurieren. EU-LISA kann die Mitgliedstaaten durch den Austausch von Erfahrungen in Bezug auf Netz- oder Sicherheitsaspekte unterstützen. Sollte keine technische Lösung für Bedienstete in Telearbeit zur Verfügung stehen, kann das nationale Dublin-Referat unter Beachtung der im Zusammenhang mit COVID-19 geltenden nationalen Gesundheits- und Sicherheitsleitlinien einen Bereitschaftsdienst einrichten, der im Büro anwesend ist.

1.3    Aufnahmebedingungen für Asylbewerber

Gesundheitskontrollen: Viele Mitgliedstaaten haben striktere Gesundheitskontrollen für Antragsteller und obligatorische COVID-19-Tests für Neuankömmlinge eingeführt. Gemäß Artikel 13 der Richtlinie über die Aufnahmebedingungen können die Mitgliedstaaten eine medizinische Untersuchung von Personen durchführen, die internationalen Schutz beantragen, um die jeweils erforderlichen Vorsorgemaßnahmen zu ermitteln. Dabei sollten die Grundrechte sowie die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Notwendigkeit und der Nichtdiskriminierung gewahrt werden.

Medizinische Versorgung: Gemäß Artikel 19 der Richtlinie über die Aufnahmebedingungen tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass Antragsteller die erforderliche medizinische Versorgung erhalten, die zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten und schweren psychischen Störungen umfasst. Die Mitgliedstaaten sollten geeignete Maßnahmen treffen, um zu gewährleisten‚ dass diese medizinische Versorgung erforderlichenfalls eine COVID-19-Behandlung umfasst.

Quarantäne/Isolierung: Viele Mitgliedstaaten greifen auf Quarantäne- oder Isolierungsmaßnahmen zurück, um die Ausbreitung von COVID-19 zu verhindern. Derartige Maßnahmen sind in der Richtlinie über die Aufnahmebedingungen nicht geregelt. Quarantäne- oder Isolierungsmaßnahmen können auf der Grundlage des nationalen Rechts in Bezug auf Personen getroffen werden, die internationalen Schutz beantragen, sofern diese Maßnahmen angemessen, verhältnismäßig und nicht diskriminierend sind. Dies bedeutet insbesondere, dass ein Mitgliedstaat in Bezug auf Personen, die bei ihrer Ankunft internationalen Schutz beantragen, nur dann Quarantäne-/Isolierungsmaßnahmen anwenden darf, wenn er vergleichbare, wenngleich nicht unbedingt identische Maßnahmen in Bezug auf alle Personen, die aus den von der Pandemie betroffenen Gebieten ankommen, sowie geeignete Maßnahmen in Bezug auf die Personen anwendet, die sich bereits in seinem Hoheitsgebiet aufhalten.

Praktische Hinweise:

Gesundheitskontrollen bei Asylbewerbern mit dem größten Ansteckungsrisiko, etwa bei älteren Menschen oder Menschen mit chronischen Erkrankungen, sowie bei Neuankömmlingen in Unterbringungs- oder Hafteinrichtungen, sollten Priorität haben.

Erforderlichenfalls könnte eine 14-tägige Quarantäne für alle Neuankömmlinge in speziellen Ankunftszentren oder gesonderten Bereichen von Aufnahme- und Hafteinrichtungen eingeführt werden. Auf Anweisung der Behörden kann auch die Körpertemperatur von Drittstaatsangehörigen beim Betreten und Verlassen der Einrichtungen kontrolliert werden, um Krankheitssymptome zu erkennen. Es könnte ein Mechanismus für tägliche Kontrollen zur Bewertung möglicher Verdachtsfälle eingerichtet werden.

Es wird empfohlen, in jeder Aufnahmeeinrichtung mindestens einen Isolationsraum für positiv auf COVID-19 getestete Personen einzurichten‚ der die einschlägigen Normen für die Isolierung erfüllt.

Personen, die internationalen Schutz beantragen und besondere medizinische Versorgung benötigen‚ sollten besonderen Betreuungseinrichtungen zugewiesen oder dorthin überstellt werden.

Personen, die internationalen Schutz beantragen bzw. genießen und die einen medizinischen Hintergrund haben, sind gegebenenfalls in der Lage, das nationale Gesundheitssystem im Hinblick auf COVID-19 zu unterstützen. Die Mitgliedstaaten sollten ihnen Zugang zum Arbeitsmarkt gewähren und die Anerkennung ihrer Berufsqualifikationen oder ihres beruflichen Status erleichtern.

Im Rahmen der Aufnahme gewährte materielle Leistungen

Einige Mitgliedstaaten haben bestimmte Einrichtungen wie Ankunftszentren geschlossen, dafür aber andere Einrichtungen wie Notunterkünfte eröffnet. Einige Mitgliedstaaten verringern auch die Belegungsrate der Einrichtungen und beschränken deren Zugang oder Besuche, um den Verkehr von Personen einzuschränken.

Gemäß dem EU-Recht haben die Mitgliedstaaten ab dem Zeitpunkt der Antragstellung dafür zu sorgen, dass die im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen einem angemessenen Lebensstandard entsprechen, der den Lebensunterhalt sowie den Schutz der physischen und psychischen Gesundheit der Antragsteller gewährleistet.

Werden im Rahmen der Aufnahme gewährte Leistungen in kollektiven Aufnahmeeinrichtungen bereitgestellt, empfiehlt die Kommission, die volle Aufnahmekapazität der Mitgliedstaaten zu nutzen, um so weit wie möglich für ausreichenden Abstand zwischen den Antragstellern zu sorgen und gefährdete Personen zu isolieren. Diese Maßnahmen könnten sowohl als Präventivmaßnahmen als auch dazu dienen, auf positive Tests zu reagieren. Dabei ist schutzbedürftigen Gruppen, einschließlich Antragstellern mit Behinderungen, älteren Menschen oder Menschen mit bestehenden Gesundheitsproblemen, besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

Praktische Hinweise:

Auch wenn es schwierig sein kann, Verfahren zum Schutz der Gesundheit vollständig umzusetzen, sollten die Aufnahmebehörden die zuständige Behörde im Hinblick auf Verfahren mit räumlichen und sozialen Distanzierungsmaßnahmen zur Verringerung des Ansteckungsrisikos zurate ziehen. Das Personal sollte die notwendigen Schulungen und Informationen erhalten, um die vereinbarten Änderungen hinsichtlich der Verwaltung und der damit verbundenen Arbeitsabläufe in den Aufnahmeeinrichtungen, die sich aus den neuen Verfahren zum Schutz der Gesundheit ergeben, umzusetzen.

Sind die Aufnahmeeinrichtungen überfüllt, was die Anwendung von Verfahren zum Schutz der Gesundheit erschwert, sollten die Antragsteller so weit wie möglich in andere Einrichtungen überstellt werden. Bei ungenutzten Aufnahmekapazitäten kann die Belegungsrate der einzelnen Einrichtungen verringert werden, um das Risiko der Ausbreitung von Krankheiten zu verringern. Die geplante Schließung einiger Aufnahmeeinrichtungen könnte verschoben werden, um eine geringere Belegung zu gewährleisten.

Um die Belegungsrate zu senken, könnten die Mitgliedstaaten zudem Personen, die anderweitig unterkommen können, zum Verlassen offener Aufnahmeeinrichtungen ermutigen und ihnen Essensgutscheine zur Verfügung stellen.

Kantinen sind einer der Orte, an denen große Gruppen von Bewohnern zusammenkommen. Soweit angemessen, könnte durch die Verlängerung der Öffnungszeiten, die Einführung von Zeitfenstern oder die Eröffnung eines zusätzlichen Raums im Innen- oder Außenbereich die Zahl der gleichzeitig anwesenden Personen verringert und mehr Abstand zwischen ihnen geschaffen werden. Gleiches könnte in Einrichtungen mit Gemeinschaftsküchen gelten, in denen die Bewohner selbst kochen können.

Anstatt für Gemeinschafts- und Gruppenaktivitäten (Fußball, Fernsehraum, Sprachunterricht) könnten die Räumlichkeiten individuell oder durch Kernfamilien genutzt werden, indem für ihre Nutzung Zeitfenster festgelegt oder bestimmte Aktivitäten online und über Videokonferenzen angeboten werden.

Möglichst viele Personen, die COVID-19-Risikogruppen angehören, könnten an individualisiertere Aufnahmeeinrichtungen überstellt oder auf einem separaten Flur untergebracht werden, der räumlich getrennt von den Bewohnern ist, die keinen Risikogruppen angehören. Schutzbedürftige Gruppen sollten zudem besonders geschützt werden, z. B. bei der Lieferung von Nahrungsmitteln, bei der Taschengeldausgabe usw.

Den Mitgliedstaaten wird empfohlen, die Kontinuität von psychischer und psychosozialer Unterstützung zu gewährleisten (und sei es nur über Ferndienste), um situationsbedingte Stress-, Angst- und Spannungszustände abzumildern.

Den Mitgliedstaaten wird empfohlen, Maßnahmen zu ergreifen, um Risiken im Zusammenhang mit sexueller und geschlechtsbezogener Gewalt zu minimieren, die im Zusammenhang mit Beschränkungen der Bewegungsfreiheit in Aufnahmezentren zunehmen könnten. Der Zugang zu entsprechenden Unterstützungsdiensten sollte weiterhin möglichst sichergestellt werden.

Bestimmte Fristen und die Gültigkeit von einschlägigen Dokumenten für Antragsteller und Aufenthaltspapieren für Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz könnten verlängert werden, damit diese Personen nicht zu Unrecht benachteiligt werden, wenn sie keinen Zugang zu den zuständigen Behörden haben.

Präventiv- und Hygienemaßnahmen

Alle Mitgliedstaaten haben bereits besondere Hygienemaßnahmen eingeführt und führen regelmäßige Desinfektionen in den Aufnahmeeinrichtungen durch. Die Kommission empfiehlt, diese Präventiv- und Hygienemaßnahmen fortzusetzen und sie auf die Bewohner sowie das in den Gemeinschaftseinrichtungen tätige Personal anzuwenden.

Praktische Hinweise:

Die Antragsteller werden in einer Sprache, die sie verstehen oder von der vernünftigerweise angenommen werden darf, dass sie sie verstehen, über die nationalen Maßnahmen informiert, die ergriffen wurden, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen bzw. zu verhindern. Zu diesem Zweck könnten dieselben Botschaften und Inhalte, die in der allgemeinen Öffentlichkeit verbreitet werden, für die Kommunikation gegenüber den Antragstellern verwendet und dazu in die erforderlichen Sprachen übersetzt werden.

Die Antragsteller werden speziell über Handhygiene, soziale Distanzierung, Hustenetikette, Quarantäne und Isolierung, Hygienemaßnahmen, Vermeidung von Zusammenkünften, Nutzung öffentlicher Räume, gebührende Verhaltensregeln, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit usw. informiert und dafür sensibilisiert; sie werden außerdem darüber unterrichtet, was sie tun müssen, wenn sie befürchten, sich infiziert zu haben.

Es ist ratsam, Flächen in häufig genutzten Gemeinschaftsräumen wie Essräumen mehrmals täglich zu desinfizieren. Auch andere Gemeinschaftsräume sollten die ganze Woche über regelmäßig desinfiziert werden.

Am Eingang und an anderen zentralen Stellen von Aufnahmeeinrichtungen könnten zusätzliche Waschbecken angebracht werden. Die Aufnahmeeinrichtungen könnten den Bewohnern außerdem Masken anbieten oder ihnen die Möglichkeit geben, eigene Masken zu nutzen, soweit verfügbar.

Nicht unbedingt notwendige Besuche in Aufnahmeeinrichtungen könnten vorübergehend eingeschränkt werden, um die Ausbreitung von COVID-19 zu verringern. Dies sollte nicht dazu führen, dass Rechtsanwälten, Vormunden, dem UNHCR und (in geschlossenen Einrichtungen) Organen zur Überwachung der Haftbedingungen ungerechtfertigte Beschränkungen auferlegt werden.

Um die soziale Distanzierung und flexible Arbeitsregelungen zu gewährleisten, könnte dem Personal die Möglichkeit eingeräumt werden, Telearbeit zu leisten oder in Schichten zu arbeiten.

Andere Modalitäten für materielle Leistungen im Rahmen der Aufnahme

Einige Mitgliedstaaten schränken die Dienstleistungen in Aufnahmeeinrichtungen ein, beispielsweise durch die Aussetzung von Gruppenaktivitäten und persönlicher Beratung.

Verfügt die Aufnahmebehörde aufgrund von COVID-19 nicht über genügend Personal oder Ressourcen‚ um den sicheren Betrieb der verfügbaren Aufnahmeeinrichtungen zu gewährleisten, können die Mitgliedstaaten Artikel 18 Absatz 9 Buchstabe b der Richtlinie über die Aufnahmebedingungen anwenden, um in begründeten Ausnahmefällen und für einen angemessenen Zeitraum, der so kurz wie möglich sein muss, andere Modalitäten für materielle Leistungen im Rahmen der Aufnahme festzulegen. Bei derartigen anderen Aufnahmemodalitäten sind unter allen Umständen die Grundbedürfnisse der Antragsteller zu decken, insbesondere die Gesundheitsversorgung, der Lebensunterhalt sowie die körperliche Unversehrtheit und Würde.

Praktische Hinweise:

Wo keine regulären Aufnahme- oder Ankunftszentren zur Verfügung stehen, könnten Notunterkünfte eingerichtet werden. Die Deckung der Grundbedürfnisse und die Menschenwürde sollte unter allen Umständen gewährleistet werden

Nicht unbedingt notwendige Dienstleistungen, wie Gruppenaktivitäten und persönliche Beratung, könnten, soweit dies zur Gewährleistung der sozialen Distanzierung erforderlich ist, kurzfristig ausgesetzt werden. Es wird empfohlen, dass die Mitgliedstaaten Vorkehrungen treffen, um Fernkommunikations- und -beratungsmöglichkeiten, u. a. mithilfe von Hotlines, zu schaffen.

Bildung für Kinder

Nach Artikel 14 der Richtlinie über die Aufnahmebedingungen gestatten die Mitgliedstaaten minderjährigen Kindern von Antragstellern und minderjährigen Antragstellern in ähnlicher Weise wie den eigenen Staatsangehörigen den Zugang zum Bildungssystem.

Die Gewährleistung eines kontinuierlichen Zugangs zur Bildung stellt angesichts der Maßnahmen zur Verhinderung und Eindämmung der Ausbreitung von COVID-19 eine Herausforderung für die nationalen Behörden dar. In diesem Zusammenhang haben mehrere Mitgliedstaaten Heimunterricht oder andere Modalitäten für den Fernunterricht eingeführt. Soweit diese Modalitäten für die eigenen Staatsangehörigen verfügbar sind, sollten die getroffenen Maßnahme dem Kindeswohl im Einklang mit Artikel 23 der Richtlinie über die Aufnahmebedingungen und nach Möglichkeit dem Alter und dem Bedarf der betreffenden Minderjährigen Rechnung tragen. Der Unterricht kann als Präsenzunterricht in den Unterbringungszentren durchgeführt werden, sofern dies im Einklang mit den Regeln für die soziale Distanzierung erfolgt.

Praktische Hinweise:

Es wird sichergestellt, dass minderjährige Kinder von Antragstellern und minderjährige Antragsteller unter ähnlichen Bedingungen Zugang zu Heimunterricht oder anderen Formen des Fernunterrichts haben wie Kinder, die die Staatsangehörigkeit des betreffenden Mitgliedstaats besitzen. Heimunterricht kann beispielsweise Folgendes umfassen: Online-Unterricht oder E‐Learning mit einer täglichen oder wöchentlichen Fernüberprüfung durch Lehrer, Leseaufgaben und Übungen für daheim, Verteilung von Lern- und Spielmaterial sowie Radio-, Podcast- oder Fernsehsendungen mit akademischen Inhalten.

Für Online-Unterricht oder E-Learning kann es erforderlich sein, den Zugang zum Internet in Sammelaufnahmeeinrichtungen zu verbessern‚ indem drahtlose Netzverbindungen (wenn die Eltern über eigene Kommunikationsgeräte verfügen) und Computer zur Verfügung gestellt werden, die im Einklang mit den Regeln für die soziale Distanzierung genutzt werden können.

Bildungsanbieter, einschließlich Anbietern von Sprachkursen oder informeller Bildung (z. B. NRO), sollten ihre Aktivitäten in den Einrichtungen fortsetzen können, sofern die Einhaltung der Regeln für die soziale Distanzierung und präventive Gesundheitsmaßnahmen sichergestellt werden können; darüber hinaus ist auch Fernunterricht mithilfe von Online-Systemen möglich.

Leitlinien zur Sicherstellung der Bildung in der COVID-19-Situation bietet das Internationale Netzwerk für Bildung in Notsituationen (https://inee.org/).

Antragsteller, die sich gemäß der Richtlinie über Aufnahmebedingungen in Haft befinden

Für Antragsteller, die aus einem der in der Richtlinie über die Aufnahmebedingungen genannten Gründe in Haft genommen wurden, sieht Artikel 11 der Richtlinie über Aufnahmebedingungen Folgendes vor: „Die Gesundheit, auch die psychische Gesundheit, der in Haft genommenen schutzbedürftigen Antragsteller ist ein vorrangiges Anliegen der nationalen Behörden“ (dies betrifft auch COVID-19).

Praktische Hinweise:

Antragstellern, die sich in Haft befinden, sollte weiterhin die Möglichkeit eines Aufenthalts an der frischen Luft gewährt werden. Einige Mitgliedstaaten haben die Zeit, die Häftlinge im Freien verbringen dürfen, verkürzt, damit die Kontakte der Insassen untereinander reduziert werden. Etwaige Beschränkungen, einschließlich einer Begrenzung der Besucherzahlen, müssen im Voraus sorgfältig erläutert werden und es könnten alternative Maßnahmen eingeführt werden, um den Kontakt zu Familienangehörigen und Freunden zu ermöglichen, z. B. per Telefon oder Internet.

Darüber hinaus könnte berücksichtigt werden, dass ein möglicher Bedarf an zusätzlicher psychologischer Unterstützung sowie an transparenter Aufklärung und Informationsweitergabe im Zusammenhang mit COVID-19 besteht.

Der WHO-Leitfaden über die Prävention und Bekämpfung von COVID-19 in Haftanstalten und anderen Einrichtungen des Strafvollzugs (http://www.euro.who.int/en/health-topics/health-determinants/prisons-and-health/news/news/2020/3/preventing-covid-19-outbreak-in-prisons-a-challenging-but-essential-task-for-authorities) enthält nützliche Informationen darüber, wie ein möglicher Krankheitsausbruch in Haftanstalten verhindert und bekämpft werden kann, wobei auch wichtige Menschenrechtselemente hervorgehoben werden, die bei der Reaktion auf COVID-19 zu beachten sind.

1.4    Eurodac-Verordnung

Erfassung und Übermittlung von Fingerabdruckdaten

Nach Artikel 9 Absatz 2 der Eurodac-Verordnung können die Mitgliedstaaten in Fällen, in denen aufgrund von Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit einer Person oder zum Schutz der öffentlichen Gesundheit keine Fingerabdrücke abgenommen werden können, so bald wie möglich, spätestens aber 48 Stunden, nachdem diese gesundheitlichen Gründe nicht mehr vorliegen, die Fingerabdrücke abnehmen und übermitteln.

Bei allen Drittstaatsangehörigen, die der Verpflichtung zur Abnahme von Fingerabdrücken unterliegen, sollte die Abnahme so bald wie möglich erfolgen, wobei der Schutz der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten ist.

2.   Neuansiedlung

Der Ausbruch der COVID-19-Krise hat zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Neuansiedlungsmaßnahmen geführt: Die Mitgliedstaaten, das UNHCR und die IOM haben Neuansiedlungsmaßnahmen vorübergehend ausgesetzt. Darüber hinaus hat das UNHCR Notevakuierungen aus humanitären Gründen, die eine spätere Neuansiedlung zum Ziel haben, ausgesetzt. Aus demselben Grund ist der Zugang zu Drittländern, die Flüchtlinge aufgenommen haben, derzeit erschwert.

Die Kommission ist sich des schwierigen Kontexts und seiner Auswirkungen auf die praktische Umsetzung der von den Mitgliedstaaten zugesagten Bereitstellung von 29 500 Neuansiedlungsplätzen im Jahr 2020 bewusst. Dennoch fordert die Kommission die Mitgliedstaaten auf, weiterhin Solidarität mit auf internationalen Schutz angewiesenen Personen und mit Drittländern, die eine hohe Zahl von Flüchtlingen aufgenommen haben, zu zeigen. Aufgrund der Auswirkungen von COVID-19 auf die Situation in diesen Drittländern könnte sich der Neuansiedlungsbedarf akut verstärken.

Die Kommission ermutigt die Mitgliedstaaten, soweit dies im Einklang mit ihren Sofortmaßnahmen zum Gesundheitsschutz möglich ist, während der Krise die mit der Neuansiedlung zusammenhängenden Tätigkeiten fortzusetzen, damit die Neuansiedlungen unter sicheren Bedingungen für alle Beteiligten wiederaufgenommen werden können, sobald dies möglich ist.

Angesichts der derzeitigen Unterbrechung der Neuansiedlungsmaßnahmen wird die Kommission die Mitgliedstaaten bei der Erfüllung der für 2020 gemachten Zusagen unterstützen und insbesondere den Umsetzungszeitraum nach 2020 flexibel handhaben, damit die Mitgliedstaaten genügend Zeit haben, die 2020 in der Runde der Neuansiedlungszusagen eingegangenen Verpflichtungen vollständig umzusetzen.

Praktische Hinweise:

Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten auf, neue Arbeitsweisen in Betracht zu ziehen, um ihre Neuansiedlungsprogramme in Gang zu halten. Insbesondere sollten die Mitgliedstaaten in enger Zusammenarbeit mit dem UNHCR prüfen, ob Neuansiedlungsanträge auf Unterlagenbasis akzeptiert werden können, und Videobefragungen mit Unterstützung durch eine Simultan-Fernverdolmetschung sowie Fernmaßnahmen zur Orientierung vor der Abreise in Betracht ziehen, sobald dies in den Erstasylstaaten möglich ist, u. a. mithilfe der in Istanbul ansässigen EASO-Fazilität zur Unterstützung von Neuansiedlungen. Dadurch würde sichergestellt, dass die Auswahl der Personen, die internationalen Schutz benötigen, fortgesetzt werden kann und die ausgewählten Personen auf die Reise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbereitet wären, sobald die Reisebeschränkungen aufgehoben werden.

Da die vorübergehenden Beschränkungen bei nicht unbedingt notwendigen Reisen Ausnahmen für Personen, die internationalen Schutz benötigen und für Personen, die aus anderen humanitären Gründen reisen, vorsehen, werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, die weitere Ankunft von bereits für eine Neuansiedlung ausgewählten Einzelpersonen oder Gruppen zu erleichtern, sofern dies unter den derzeitigen Umständen in der Praxis möglich ist. In dieser Hinsicht ist eine enge Zusammenarbeit mit der IOM und dem UNHCR erforderlich, auch bei Gesundheitskontrollen vor der Abreise und bei möglichen Quarantänemaßnahmen.

Die Mitgliedstaaten werden ferner aufgefordert, ihre operativen Neuansiedlungspläne zu überprüfen, um den wahrscheinlich verstärkten Gesundheitsbedenken Rechnung zu tragen, z. B. durch die Bereitstellung von COVID-19-Tests oder die Festlegung von Quarantänemodalitäten.

Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten auf, das EASO-Netz für Neuansiedlung und Aufnahme aus humanitären Gründen als zentrales Forum für den Informationsaustausch, die Entwicklung neuer Arbeitsmethoden und die gemeinsame Entwicklung von Strategien für die Beendigung der derzeitigen Aussetzung der Neuansiedlungsmaßnahmen in vollem Umfang zu nutzen. Angesichts der Komplexität der Neuansiedlungsmaßnahmen kann eine enge Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten eine zeitnahe und reibungslose Wiederaufnahme der Neuansiedlungen erleichtern. Das UNHCR und die IOM werden gegebenenfalls in die Arbeit des Netzes einbezogen.

Was Regelungen für private Patenschaften im Zusammenhang mit Neuansiedlungen anbelangt, so werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, die Kommunikationskanäle zu den Patenorganisationen und einzelnen Paten aufrechtzuerhalten, um diese über den aktuellen Stand der Neuansiedlungsprogramme und mögliche künftige Neuankünfte auf dem Laufenden zu halten. Für diejenigen Mitgliedstaaten, die bereits Programme für private Patenschaften eingeführt haben, sollten die Suche nach Paten und deren Überprüfung fortgesetzt werden, um die künftigen Aufnahmekapazitäten zu erhöhen.

3.   Rückkehr/Rückführung

Dieser Abschnitt soll den nationalen Behörden Orientierungshilfen bei der Ermittlung von Maßnahmen geben, die ergriffen werden könnten, um im Kontext der derzeitigen COVID-19-Pandemie die Kontinuität und Sicherheit der Verfahren zur Rückführung von Drittstaatsangehörigen in ihr Herkunfts- oder Transitland zu gewährleisten.

Bei der Durchführung von Rückführungsmaßnahmen und -verfahren müssen die zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten den nationalen Gesundheitsschutzmaßnahmen, die zur Verhinderung und Eindämmung der Ausbreitung von COVID-19 ergriffen wurden, in vollem Umfang Rechnung tragen und diese Maßnahmen in angemessener und nichtdiskriminierender Weise auf alle illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen anwenden. Besondere Aufmerksamkeit sollte der Situation und den Bedürfnissen schutzbedürftiger Personen gewidmet werden. Auch den jeweiligen Gegebenheiten in dem Drittland im Bereich der nationalen Gesundheitsschutzmaßnahmen und der Auswirkungen von COVID-19 sollte Rechnung getragen werden.

Die Maßnahmen, die weltweit zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie ergriffen wurden, haben erhebliche Auswirkungen auf die Rückführung irregulärer Migranten. Die Mitgliedstaaten sehen sich bei der Durchführung von Maßnahmen und Aktionen zur Rückführung in Drittländer mit praktischen Schwierigkeiten konfrontiert, unter anderem wegen der geringeren Verfügbarkeit von Mitarbeitern der Einwanderungsbehörden, die zum Teil auch für die Durchführung von Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit zuständig sind. Diese Schwierigkeiten hängen in erster Linie mit Herausforderungen bei der Umsetzung von Sicherheits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen zum Schutz sowohl irregulär aufhältiger Drittstaatsangehöriger als auch der mit Rückkehrfragen befassten Mitarbeiter zusammen.

Die Schwierigkeiten stehen auch im Zusammenhang mit der erheblich geringeren Verfügbarkeit gewerblicher Flüge und anderer Transportmöglichkeiten und mit den restriktiven Einreisemaßnahmen, die Drittländer eingeführt haben, um die Ausbreitung von COVID-19 einzudämmen. Frontex stellt über die Anwendung für integriertes Rückkehrmanagement (IRMA) regelmäßig aktualisierte Informationen über die von Luftfahrtunternehmen und Drittländern ergriffenen Maßnahmen zur Verfügung. In diesem Zusammenhang ist es von entscheidender Bedeutung, dass alle erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um die Gesundheitsrisiken für die an Rückführungsaktionen, -verfahren und -maßnahmen beteiligten Personen so gering wie möglich zu halten.

Trotz der vorübergehenden Unterbrechung, die durch diese notwendigen Maßnahmen verursacht wird, sollten die Tätigkeiten im Bereich Rückkehr/Rückführungen fortgesetzt werden, insbesondere indem diejenigen Tätigkeiten durchgeführt werden, die trotz der restriktiven Maßnahmen umgesetzt werden können (z. B. Feststellung der Identität, Ausstellung von Ausweispapieren, Anmeldung zur Teilnahme an Programmen zur Erleichterung der freiwilligen Rückkehr und der Wiedereingliederung), um handlungsbereit zu sein, wenn die Rückführungsaktionen wieder aufgenommen werden können. Die Rückführungsverfahren sollten so weit wie möglich fortgesetzt werden, und die Mitgliedstaaten sollten – auch mit Unterstützung von Frontex – bereit sein, die Rückführungsverfahren wieder aufzunehmen und den Rückstand zu bewältigen, wenn die durch die restriktiven Maßnahmen verursachte Unterbrechung beendet ist. Die Kommission und Frontex werden die nationalen Behörden bei der Koordinierung ihrer Bemühungen unterstützen.

Die Rückkehr irregulärer Migranten, die sich dafür entschieden haben, das Gebiet der EU freiwillig zu verlassen, sollte weiterhin aktiv unterstützt und gefördert werden, wobei alle erforderlichen sanitären Vorsichtsmaßnahmen zu treffen sind. Mehr denn je sollte der freiwilligen Rückkehr Vorrang eingeräumt werden, da dadurch die mit Rückführungsaktionen verbundenen Gesundheits- und Sicherheitsrisiken verringert werden, unter anderem durch Minderung der Risiken für die betreffenden irregulären Migranten und die beteiligten Begleitpersonen.

Zudem stehen die nationalen Behörden bei der Handhabung der Abschiebungshaft vor praktischen Herausforderungen hinsichtlich der Durchführung von Präventionsmaßnahmen und von Maßnahmen zum Schutz vor Ansteckung und gegen die Ausbreitung von COVID-19.

Die enge Zusammenarbeit und die Kontakte mit Drittländern bei der Identitätsfeststellung, der Ausstellung von Ausweispapieren und der Rückkehr ihrer Staatsangehörigen sollten aufrechterhalten werden, wobei ihre Bedenken und die von ihnen ergriffenen restriktiven Maßnahmen uneingeschränkt zu berücksichtigen und zudem alle erforderlichen sanitären Vorsichtsmaßnahmen zu treffen sind. Drittstaaten sind nach dem Völkerrecht weiterhin verpflichtet, die Rückübernahme ihre eigenen Staatsangehörigen zu gewährleisten. Viele Drittländer bemühen sich darum, die Repatriierung ihrer im Ausland festsitzenden Staatsangehörigen zu erleichtern und zu organisieren, und ergreifen gleichzeitig Gesundheitsschutzmaßnahmen, die bei der Ankunft dieser Personen Anwendung finden. Die Mitgliedstaaten sollten mit den Behörden der Drittländer zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass entsprechende Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit bei der Rückkehr irregulärer Migranten in ihr Herkunftsland in vollem Umfang eingehalten werden, damit Rückführungsaktionen so weit wie möglich durchgeführt werden können. Die Kommission ist bereit, die Mitgliedstaaten bei ihren Bemühungen zur Zusammenarbeit mit Drittländern im Bereich Rückübernahme ihrer Staatsangehörigen zu unterstützen.

Frontex ist bereit, die Mitgliedstaaten bei der Organisation aller Aktionen zur Rückführung in Drittländer auf dem Luftweg zu unterstützen‚ insbesondere um die Repatriierung sowohl in Fällen von freiwilliger als auch erzwungener Rückkehr durch Linien- oder Charterflüge zu erleichtern, und gegebenenfalls weitere von den nationalen Behörden benötigte Hilfe zu leisten.

Trotz aller Bemühungen wird es Fälle geben, in denen Rückführungen aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie nicht durchgeführt werden können. In solchen Fällen verfügen die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 6 Absatz 4 der Richtlinie 2008/115/EG (im Folgenden „Rückführungsrichtlinie“) über einen weiten Ermessensspielraum bei der Erteilung eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung für irreguläre Migranten aus familiären, humanitären oder sonstigen Gründen.

Rückführungsverfahren

Durch die nationalen Maßnahmen, die eingeführt wurden, um die Ausbreitung von COVID-19 zu verhindern und einzudämmen, werden die Möglichkeiten der für Rückführungen zuständigen Behörden, direkt mit zur Rückkehr verpflichteten Personen und Drittlandsbehörden in Kontakt zu treten, eingeschränkt.

Die Folgen solcher Beschränkungen müssen abgemildert werden, um sicherzustellen, dass die von den zuständigen Behörden im Verlauf administrativer Verfahren getroffenen Maßnahmen jeweils auf den individuellen Umständen der einzelnen irregulären Migranten beruhen und diesen Rechnung tragen und dass der Anspruch auf eine persönliche Anhörung im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gewährleistet wird. Um diese Anforderungen zu erfüllen, sollten die zuständigen Behörden daher alternative Mittel einsetzen, die die physische Anwesenheit des Drittstaatsangehörigen nicht oder in geringerem Maße erfordern.

Ein ähnlicher Ansatz wird auch nachdrücklich empfohlen, um die Kommunikations- und Kooperationskanäle mit den Behörden von Drittländern in einer Zeit aufrechtzuerhalten, in der auch die Konsularbediensteten vieler Drittländer aufgrund der restriktiven Maßnahmen weniger für die Bearbeitung von Verfahren zur Feststellung der Identität und zur Ausstellung von Ausweispapieren verfügbar sind. Dies würde die Klärung und Bearbeitung der einzelnen Anträge erleichtern und damit auch etwaige Rückführungen, sobald die Situation dies wieder zulässt.

Trotz der derzeitigen Beschränkungen ist die freiwillige Rückkehr nach wie vor die praktikabelste Option zur Unterstützung der Ausreise irregulärer Migranten. Daher ist es wichtig, über die Möglichkeiten der freiwilligen Rückkehr einschließlich über mögliche Wiedereingliederungshilfen, zu informieren und zu gewährleisten, dass die nationalen Programme zur Erleichterung der freiwilligen Rückkehr und der Wiedereingliederung – unter Berücksichtigung der Auswirkungen von COVID-19 in Drittländern – fortgesetzt werden. Drittstaatsangehörige, die bereit sind, sich für die Teilnahme an solchen Programmen anzumelden, sollten dies auch weiterhin tun können, und die Rückkehr- und Wiedereingliederungsberatung sollte so weit wie möglich fortgesetzt werden, indem Instrumente genutzt werden, die physische Nähe in geringerem Maße oder gar nicht erfordern.

Praktische Hinweise:

Nutzung von Videokonferenzen, Schriftverkehr oder anderen Kanälen für virtuelle Kommunikation und Fernkommunikation zur Durchführung von Befragungen, wobei der Zugang zu Dolmetschleistungen und Rechtsbeistand zu gewährleisten ist. Auf nationaler Ebene könnten Leitlinien für alle Beteiligten zur Verfügung gestellt werden.

Nutzung von Videokonferenzen und anderen verfügbaren elektronischen Mitteln wie Rückkehrmanagementsystemen, um die Kontakte zu den Konsularbehörden von Drittländern aufrechtzuerhalten und bei der Bearbeitung von Einzelfällen Fortschritte zu erzielen.

Nutzung der Unterstützung durch Frontex, wo immer möglich, um die Verfügbarkeit und Nutzung von Videokonferenzen sowie anderer elektronischer Mittel und Kanäle für virtuelle Kommunikation und Fernkommunikation zu verbessern.

Nutzung der Kapazitäten der operativen Verbindungsbeamten für Einwanderungsfragen und der Verbindungsbeamten für Rückkehrfragen in Drittländern zur Unterstützung der Verfahren zur Feststellung der Identität und zur Ausstellung von Ausweispapieren.

Nutzung von Online-Formularen, Befragungen per Telefon und anderer Formen der Fernkommunikation, um die Rückkehr- und Wiedereingliederungsberatung fortzusetzen, sowie für Anmeldungen zur Teilnahme an Programmen zur Erleichterung der freiwilligen Rückkehr und der Wiedereingliederung. Verlängerung der Fristen für die Anmeldung zur Teilnahme an solchen Programmen. Pflege der engen Kontakte zu den Anbietern von Wiedereingliederungsdiensten in Drittländern. Erwägung einer Anpassung der von den Mitgliedstaaten gewährten Wiedereingliederungspakete, sofern die betreffenden Dienstleistungserbringer nicht in der Lage sind, ihre Dienstleistungen in Drittländern wie üblich zu erbringen.

Nutzung der finanziellen Unterstützung von Frontex, um Anpassungen in den nationalen Rückkehrfallmanagementsystemen (RECAMAS) vorzunehmen und die erforderlichen Informationen über Rückkehrer unter Einhaltung der Datenschutzvorschriften zu registrieren.

Frist für die freiwillige Ausreise

Aufgrund der erheblichen Beschränkungen bei gewerblichen Flügen und der restriktiven Maßnahmen, die von Drittländern in Bezug auf die Einreise aus Europa eingeführt wurden, können Drittstaatsangehörige, gegen die eine zur Rückkehr verpflichtende Entscheidung mit einer Frist für die freiwillige Ausreise ergangen ist, einer solchen Entscheidung möglicherweise trotz bester Anstrengungen und Absichten nicht innerhalb der gesetzten Frist nachkommen. Dies kann dazu führen, dass gegen Drittstaatsangehörige gemäß Artikel 11 Absatz 1 der Rückführungsrichtlinie ein Einreiseverbot wegen Nichtbefolgung einer zur Rückkehr verpflichtenden Entscheidung verhängt wird. Es ist jedoch nicht statthaft, dass irreguläre Migranten für eine Situation, auf die sie keinen Einfluss haben, zur Verantwortung gezogen werden und dass ihnen daraus negative Folgen entstehen.

Um das Auftreten solcher Situationen zu vermeiden, sollten die Mitgliedstaaten von der in Artikel 7 Absatz 2 der Rückführungsrichtlinie vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch machen und die Frist für die freiwillige Ausreise unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls, der Dauer und der Art der restriktiven Maßnahmen sowie der Verfügbarkeit von Beförderungsmitteln in dem Bestimmungsdrittstaat um einen angemessenen Zeitraum verlängern.

Zudem sollten die Mitgliedstaaten beim Erlass einer zur Rückkehr verpflichtenden Entscheidung eine Frist von mehr als 30 Tagen für die freiwillige Ausreise einräumen, wenn unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls und insbesondere der Verfügbarkeit von Beförderungsmitteln in den Bestimmungsdrittstaat von Anfang an klar ist, dass der betreffende Drittstaatsangehörige nicht in der Lage sein wird, innerhalb von 30 Tagen auszureisen.

Wird die Frist für die freiwillige Ausreise verlängert und in Fällen, in denen die Vollstreckung einer Entscheidung vorübergehend ausgesetzt wird, sollten die irregulären Migranten hierüber eine entsprechende schriftliche Bestätigung erhalten, wie in der Rückführungsrichtlinie (Artikel 14) vorgesehen.

Kann die Frist für die freiwillige Ausreise aufgrund fehlender Beförderungsmöglichkeiten in den Bestimmungsdrittstaat oder aus einem anderen vom Willen der Person unabhängigen und mit den restriktiven Maßnahmen in Zusammenhang stehenden Grund nicht eingehalten werden, sollten die Mitgliedstaaten davon absehen, ein Einreiseverbot zu verhängen, bzw. sollten sie bereits verhängte Einreiseverbote aufheben.

Praktische Hinweise:

Falls erforderlich und verhältnismäßig, können gemäß Artikel 7 Absatz 3 der Rückführungsrichtlinie für die Dauer der Frist für die freiwillige Ausreise bestimmte Verpflichtungen zur Vermeidung einer Fluchtgefahr auferlegt werden, z. B. die Verpflichtung, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten oder Ausweis- bzw. Reisedokumente bei den Behörden zu hinterlegen.

Werden Maßnahmen zur Vermeidung der Fluchtgefahr auferlegt, sollten Maßnahmen gewählt werden, durch die der Aufenthalt an öffentlichen Plätzen eingeschränkt und die soziale Distanzierung sichergestellt wird, z. B. regelmäßige Meldung per Video-Anruf, unter Einhaltung der Datenschutzverschriften.

Bildungsangebot für Kinder

Die Rückführungsrichtlinie schreibt vor, dass Minderjährigen je nach der Dauer ihres Aufenthalts sowohl während der Frist für die freiwillige Ausreise als auch während des Zeitraums, für den die Vollstreckung einer Abschiebung aufgeschoben ist (Artikel 14), sowie während der Dauer einer Inhaftnahme (Artikel 17) Zugang zum Grundbildungssystem zu gewähren ist.

Die Gewährleistung des Zugangs zu einem Grundbildungssystem für Minderjährige, die Rückführungsverfahren unterliegen, kann für die nationalen Behörden aufgrund der Maßnahmen zur Verhinderung und Eindämmung der Ausbreitung von COVID-19 eine Herausforderung darstellen. In diesem Zusammenhang haben mehrere Mitgliedstaaten Heimunterricht oder andere Formen des Fernunterrichts eingeführt. Soweit solche Möglichkeiten den eigenen Staatsangehörigen zur Verfügung gestellt werden, sollten die ergriffenen Maßnahmen das Wohl des Kindes in vollem Umfang berücksichtigen (Artikel 5) und, soweit möglich, dem Alter und den Bedürfnissen der betroffenen Minderjährigen Rechnung tragen.

Praktische Hinweise:

Gewährleistung des Zugangs zu Heimunterricht oder anderen Formen des Fernunterrichts für Minderjährige. Der Heimunterricht kann beispielsweise Online-Unterricht oder andere Formen des digitalen Lernens umfassen, bei denen Lehrkräfte über digitale Kanäle tägliche oder wöchentliche Kontrollen durchführen, ferner können Texte und Übungen für Hausaufgaben zugewiesen sowie Freizeit- und Lehrmaterial, Radiosendungen, Podcasts oder Fernsehsendungen mit akademischen Inhalten bereitgestellt werden.

Für Online- oder E-Learning-Zwecke kann wenn erforderlich die Verbesserung des Zugangs zum Internet und der Verfügbarkeit von Computern, im Einklang mit den Regeln für die soziale Distanzierung, erwogen werden.

Bildungsanbieter, einschließlich Anbieter von Sprachkursen oder informeller Bildung sollten ihre Tätigkeiten fortsetzen können, sofern die Einhaltung der Regeln für soziale Distanzierung und präventiver Gesundheitsmaßnahmen sichergestellt werden kann, oder sonst Möglichkeiten für Online-Unterricht nutzen.

Leitlinien zur Sicherstellung der Bildung während der COVID-19-Krise abrufbar auf der Website des Netzwerks der Agenturen für Bildung in Notsituationen - Inter-Agency Network for Education in Emergencies (https://inee.org/).

Medizinische Versorgung

Die Rückführungsrichtlinie sieht vor, dass Drittstaatsangehörigen so weit wie möglich Zugang zur medizinischen Notversorgung und zur unbedingt erforderlichen Behandlung von Krankheiten gewährt wird. Die Mitgliedstaaten sollten die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass Rückkehrer im Rahmen einer solchen medizinischen Notversorgung und unbedingt erforderlichen Behandlung von Krankheiten Zugang zu der medizinischen Versorgung haben, die für die Behandlung von COVID-19 notwendig ist.

Praktische Hinweise:

Bereitstellung von Informationen für irreguläre Migranten in einer Sprache‚ die sie verstehen oder von der anzunehmen ist, dass sie sie verstehen, über die nationalen Maßnahmen zur Eindämmung und Verhinderung der Ausbreitung von COVID-19, wie Handhygiene, soziale Distanzierung, Hustenetikette, Quarantäne oder Isolierung, Hygienemaßnahmen, Unterbindung von Menschenansammlungen, Regeln für die Nutzung öffentlicher Räume, vorgegebene Verhaltensregeln, Einschränkung der Bewegungsfreiheit und Maßnahmen, die zu ergreifen sind, falls sie vermuten, dass sie infiziert sein könnten.

Gesundheitskontrollen

Auf der Grundlage ihrer nationalen Rechtsvorschriften können die Mitgliedstaaten aus Gründen der öffentlichen Gesundheit bei illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen, im Einklang mit dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung und den Grundrechten, eine medizinische Untersuchung durchführen lassen, um geeignete Vorsichtsmaßnahmen treffen zu können. Dadurch würde sichergestellt, dass der Gesundheitszustand des Drittstaatsangehörigen bei Rückführungsverfahren im Einklang mit dem Besitzstand der EU angemessen berücksichtigt wird.

Auch die Rückübernahme kann durch die Durchführung medizinischer Tests und Screening auf COVID-19 bei irregulären Migranten erleichtert werden, da die Behörden von Drittländern damit Informationen über das verringerte Ansteckungsrisiko erhalten, dies gilt auch für Hinweise auf Quarantänemöglichkeiten in Drittländern, die von internationalen Partnern wie der Internationalen Organisation für Migration unterstützt werden.

Praktische Hinweise:

Bei den am stärksten von einer Ansteckung bedrohten Drittstaatsangehörigen, wie älteren Menschen oder Menschen mit chronischen Erkrankungen, sollten möglichst konsequent von Gesundheitskontrollen durchgeführt werden.

Sofern erforderlich, kann eine 14-tägige Quarantäne für Neuankömmlinge in Gewahrsamseinrichtungen oder Unterbringungseinrichtungen verhängt werden. Auf Anweisung der Behörden könnte ferner die Körpertemperatur der Drittstaatsangehörigen jeweils bei der Ankunft in den Einrichtungen und bei ihrem Verlassen kontrolliert werden, um Krankheitsanzeichen zu erkennen. Es könnte ein Mechanismus für tägliche Kontrolle zur Bewertung möglicher Verdachtsfälle eingerichtet werden.

Auf Ersuchen des Bestimmungsdrittstaats müssen für Rückkehrer ärztliche Atteste ausgestellt werden, die bestätigen, dass keine COVID-19-Infektion vorliegt; nach Möglichkeit sollte mit internationalen Partnern zusammengearbeitet werden, um Rückkehrer auf Quarantänemöglichkeiten in Drittländern hinzuweisen.

Das für die regelmäßigen Untersuchungen zuständige Personal sollte eng mit den Rückkehrern zusammenarbeiten.

Nutzung der finanziellen Unterstützung von Frontex um die nationalen Rückkehrfallmanagementsysteme (RECAMAS) so anzupassen, dass erfasst werden kann, ob ein irregulärer Migrant infiziert oder von einer Infektion bedroht ist, wenn dies nach nationalem Recht vorgeschrieben ist, wobei die Datenschutzvorschriften und die Grundsätze der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einzuhalten sind.

Inhaftnahme

Nach Artikel 15 Absatz 4 der Rückführungsrichtlinie endet die Inhaftnahme zum Zwecke der Abschiebung unverzüglich, wenn sich herausstellt, dass im Einzelfall keine hinreichende Aussicht auf Abschiebung mehr besteht. Die von den Mitgliedstaaten und Drittländern eingeführten befristeten Beschränkungen zur Verhinderung und Eindämmung der Ausbreitung von COVID-19 sollten nicht so ausgelegt werden, als würden sie automatisch den Schluss zulassen, in allen Fällen bestünde keine hinreichende Aussicht auf Abschiebung mehr. Bei der Feststellung, ob in dem jeweiligen Einzelfall eine hinreichende Aussicht auf Abschiebung besteht, können mehrere Faktoren berücksichtigt werden.

Praktische Hinweise:

Durchführung individueller Beurteilungen vor der Entscheidung über die Freilassung in Haft genommener Migranten, unter Berücksichtigung der Höchsthaftdauer, des Zeitraums der bisherigen Inhaftnahme der zur Rückkehrer verpflichteten Person, und der Frage, ob die Verfahren zur Feststellung der Identität/Ausstellung neuer Ausweispapiere /Rückübernahme sorgfältig durchgeführt werden.

Wird ein Drittstaatsangehöriger aus der Haft entlassen, sind, falls erforderlich und verhältnismäßig, gemäß Artikel 15 der Rückführungsrichtlinie weniger intensive Zwangsmaßnahmen als eine Inhaftnahme zur Vermeidung einer Fluchtgefahr anzuwenden, wie beispielsweise die Verpflichtung, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten oder bei den Behörden Papiere zu hinterlegen.

Soweit möglich sind Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass der aus der Haft entlassene Drittstaatsangehörige die geltenden nationalen Gesundheitsschutzmaßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung und zur Eindämmung von COVID-19 einhalten kann.

Um sicherzustellen, dass solche weniger intensiven Zwangsmaßnahmen mit den bestehenden nationalen Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit zur Verhinderung und Eindämmung der Ausbreitung von COVID-19 im Einklang stehen, sollten als Alternative zur Inhaftnahme Maßnahmen ergriffen werden, die die Einhaltung der nationalen Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit gewährleisten, wie regelmäßige Meldungen über Video-Anrufe im Einklang mit den Datenschutzvorschriften.

Nutzung spezieller Hafteinrichtungen, Haftbedingungen und sozialer Distanzierung

Um die Ausbreitung von COVID-19 einzudämmen, wenden die nationalen Behörden zunehmend soziale Distanzierung und andere Vorsichtsmaßnahmen an. Gleiches gilt für Hafteinrichtungen, in denen die Gesundheit und Sicherheit sowohl der inhaftierten Migranten als auch des Personals gefährdet sein können und geschützt werden müssen. Infolgedessen kann die effektive Maximalkapazität spezieller Hafteinrichtungen erheblich verringert werden, um Infektionen zu vermeiden.

Können die Mitgliedstaaten aus diesen Gründen keine Unterkünfte in speziellen Hafteinrichtungen bereitstellen, so können sie unter Wahrung der in der Rückführungsrichtlinie festgelegten Garantien, andere geeignete Einrichtungen nutzen, sofern die soziale Distanzierung und andere Präventiv- und Hygienemaßnahmen gewährleistet sind. Die Mitgliedstaaten sollten dabei das Recht auf Familienleben im Falle von Paaren und Familien mit Kindern sowie die Lage schutzbedürftiger Personen gebührend berücksichtigen.

Praktische Hinweise:

Durchführung von Präventiv- und Hygienemaßnahmen in Einrichtungen, einschließlich sozialer Distanzierung und regelmäßiger Desinfektion von Gemeinschaftsbereichen, und Gewährleistung der Verfügbarkeit angemessener Isolationskapazitäten.

Der WHO-Leitfaden über die Prävention und Bekämpfung von COVID-19 in Haftanstalten und anderen Einrichtungen des Strafvollzugs (14) enthält nützliche Informationen darüber, wie ein möglicher Krankheitsausbruch in Haftanstalten verhindert und bekämpft werden kann, wobei auch wichtige Menschenrechtselemente hervorgehoben werden, die bei der Reaktion auf COVID-19 zu beachten sind.

Nicht unverzichtbare Besuche könnten beschränkt werden, um die Ausbreitung von COVID-19 einzudämmen und zu vermeiden; alternative Maßnahmen – z. B. Kontakte über Telefon, Online-Kommunikation oder andere Tools – könnten genutzt werden. Dies sollte nicht dazu führen, dass Rechtsanwälten, Vormunden und Kontrollorganen ungerechtfertigte Beschränkungen auferlegt werden.

Nicht unverzichtbare Dienste‚ z. B. Gruppenaktivitäten und persönliche Beratung vor Ort, könnten, soweit dies zur Gewährleistung der sozialen Distanzierung erforderlich ist, kurzfristig ausgesetzt werden.


(1)  https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2020/03/10/statement-by-the-president-of-the-european-council-following-the-video-conference-on-covid-19/

(2)  COM(2020) 2050 final.

(3)  Am 2. April 2020 hat das EASO-Netzwerk Asylverfahren eine thematische Online-Sitzung zur Organisation persönlicher Anhörungen aus der Ferne und am 8. April 2020 eine thematische Online-Sitzung zur Ferneinreichung von Asylanträgen abgehalten. Das EASO-Netzwerk Neuansiedlung und Aufnahme aus humanitären Gründen hat eine Online-Sitzung abgehalten, in der die Auswirkungen von COVID-19 auf die Neuansiedlung in den Mitgliedstaaten erörtert wurde.

(4)  EASO-Praxisleitfaden „Persönliche Anhörung“ und EASO-Leitfaden zum Asylverfahren: operative Normen und Indikatoren und EASO-Leitfaden zur Notfallplanung im Aufnahmesystem.

(5)  Artikel 6 und 31 der Richtlinie 2013/32/EU.

(6)  Artikel 9 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013.

(7)  Artikel 18 der Richtlinie 2013/33/EU.

(8)  “Practical/technical level to provide overview on the impact of COVID19 on the Dublin practice” (nur in englischer Sprache).

(9)  Einige Mitgliedstaaten konnten nur Schätzungen angeben.

(10)  Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. L 222 vom 5.9.2003, S. 3), geändert durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 vom 30. Januar 2014 (ABl. L 39 vom 8.2.2014, S. 1).

(11)  In Artikel 4 der Dublin-Regulation genannt.

(12)  EASO ‘Practical Guide on the implementation of the Dublin III Regulation: interview and evidence assessment’.

(13)  EASO ‘Guidance on Dublin procedure: operational standards and indicators’.

(14)  Abrufbar unter: http://www.euro.who.int/en/health-topics/health-determinants/prisons-and-health/news/news/2020/3/preventing-covid-19-outbreak-in-prisons-a-challenging-but-essential-task-for-authorities.