ISSN 1977-088X

Amtsblatt

der Europäischen Union

C 288

European flag  

Ausgabe in deutscher Sprache

Mitteilungen und Bekanntmachungen

60. Jahrgang
31. August 2017


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Inhalt

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I   Entschließungen, Empfehlungen und Stellungnahmen

 

STELLUNGNAHMEN

 

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

 

526. Plenartagung des EWSA vom 31. Mai/1. Juni 2017

2017/C 288/01

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Künstliche Intelligenz — die Auswirkungen der künstlichen Intelligenz auf den (digitalen) Binnenmarkt sowie Produktion, Verbrauch, Beschäftigung und Gesellschaft (Initiativstellungnahme)

1

2017/C 288/02

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Eine mögliche Umgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik (Sondierungsstellungnahme)

10


 

III   Vorbereitende Rechtsakte

 

EUROPÄISCHER WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS

 

526. Plenartagung des EWSA vom 31. Mai/1. Juni 2017

2017/C 288/03

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Europas Marktführer von morgen: die Start-up- und die Scale-up-Initiative(COM(2016) 733 final)

20

2017/C 288/04

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Anpassung von Rechtsakten, in denen auf das Regelungsverfahren mit Kontrolle Bezug genommen wird, an Artikel 290 und 291 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union(COM(2016) 799 final — 2016/0400 (COD))

29

2017/C 288/05

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu: a) Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Durchsetzung der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt, zur Festlegung eines Notifizierungsverfahrens für dienstleistungsbezogene Genehmigungsregelungen und Anforderungen sowie zur Änderung der Richtlinie 2006/123/EG und der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems(COM(2016) 821 final — 2016/0398 (COD)), b) Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen(COM(2016) 822 final — 2016/0404 (COD)), c) Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen und operativen Rahmen für die durch die Verordnung … [ESC Regulation] eingeführte Elektronische Europäische Dienstleistungskarte(COM(2016) 823 final — 2016/0402 (COD)), d) Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung einer Elektronischen Europäischen Dienstleistungskarte und entsprechender Verwaltungserleichterungen(COM(2016) 824 final — 2016/0403 (COD))

43

2017/C 288/06

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem im Hinblick auf die befristete generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft auf Lieferungen bestimmter Gegenstände und Dienstleistungen über einem bestimmten Schwellenwert(COM(2016) 811 final — 2016/0406 (CNS))

52

2017/C 288/07

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2004/37/EG über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Karzinogene oder Mutagene bei der Arbeit(COM(2017) 11 final — 2017/0004 (COD))

56

2017/C 288/08

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Europäischen Verteidigungs-Aktionsplan(COM(2016) 950 final)

62

2017/C 288/09

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung eines Mehrjahresplans für kleine pelagische Bestände im Adriatischen Meer und für die Fischereien, die diese Bestände befischen(COM(2017) 97 final — 2017/0043 (COD))

68

2017/C 288/10

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zur Aufrechterhaltung der derzeitigen Einschränkung ihrer Anwendung auf Luftverkehrstätigkeiten und zur Vorbereitung der Umsetzung eines globalen marktbasierten Mechanismus ab 2021(COM(2017) 54 final — 2017/0017 (COD))

75

2017/C 288/11

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen und die Europäische Investitionsbank — Schnellere Innovation im Bereich der sauberen Energie(COM(2016) 763 final)

81

2017/C 288/12

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Eine europäische Strategie für Kooperative Intelligente Verkehrssysteme — ein Meilenstein auf dem Weg zu einer kooperativen, vernetzten und automatisierten Mobilität(COM(2016) 766 final)

85

2017/C 288/13

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum: Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Elektrizitätsbinnenmarkt (Neufassung) (COM(2016) 861 final — 2016/0379 (COD)), Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Risikovorsorge im Elektrizitätssektor und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/89/EG (COM(2016) 862 final — 2016/0377 (COD)), Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Gründung einer Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (Neufassung) (COM(2016) 863 final — 2016/0378 (COD)), Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt (Neufassung) (COM(2016) 864 final — 2016/0380 (COD))

91

2017/C 288/14

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu: Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen und die Europäische Investitionsbank — Zweiter Bericht über die Lage der Energieunion“ (COM(2017) 53 final) — Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Fortschrittsbericht Erneuerbare Energiequellen(COM(2017) 57 final)

100

2017/C 288/15

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG(COM(2017) 8 final — 2017/0002 (COD))

107

2017/C 288/16

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/59/EG über die Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer bestimmter Kraftfahrzeuge für den Güter- oder Personenkraftverkehr und der Richtlinie 2006/126/EG über den Führerschein(COM(2017) 47 final — 2017/0015 (COD))

115

2017/C 288/17

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur Gemeinsamen Mitteilung der Europäischen Kommission und der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik an das Europäische Parlament und den Rat über die künftige Strategie der EU für internationale Kulturbeziehungen(JOIN(2016) 29 final)

120

2017/C 288/18

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Bewirtschaftungs-, Erhaltungs- und Kontrollmaßnahmen für den Übereinkommensbereich der Regionalen Fischereiorganisation für den Südpazifik (SPRFMO)(COM(2017) 128 final — 2017/0056 (COD))

129

2017/C 288/19

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festsetzung des Anpassungssatzes für Direktzahlungen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 für das Kalenderjahr 2017(COM(2017) 150 final — 2017/0068 COD)

130


DE

 


I Entschließungen, Empfehlungen und Stellungnahmen

STELLUNGNAHMEN

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

526. Plenartagung des EWSA vom 31. Mai/1. Juni 2017

31.8.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 288/1


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Künstliche Intelligenz — die Auswirkungen der künstlichen Intelligenz auf den (digitalen) Binnenmarkt sowie Produktion, Verbrauch, Beschäftigung und Gesellschaft“

(Initiativstellungnahme)

(2017/C 288/01)

Berichterstatterin:

Catelijne MULLER

Beschluss des Plenums

22.9.2016

Rechtsgrundlage

Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung

 

Initiativstellungnahme

 

 

Zuständige Fachgruppe

Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

Annahme in der Fachgruppe

4.5.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

31.5.2017

Plenartagung Nr.

526

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

159/3/14

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) findet derzeit eine Reihe wichtiger Entwicklungen statt, die rasant Niederschlag in der Gesellschaft finden. Das Marktvolumen für KI beläuft sich auf ca. 664 Millionen USD und wird bis 2025 voraussichtlich auf 38,8 Milliarden USD anwachsen. Da sich KI sowohl positiv als auch negativ auf die Gesellschaft auswirken kann, beabsichtigt der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA), die Entwicklungen in diesem Bereich aufmerksam zu verfolgen, und zwar nicht nur unter technischen Gesichtspunkten, sondern ausdrücklich auch im Hinblick auf ethische, sicherheitspolitische und gesellschaftliche Aspekte.

1.2.

Als Vertreter der europäischen Zivilgesellschaft wird der EWSA die gesellschaftliche Debatte über KI in der nächsten Zeit maßgeblich mitgestalten, bündeln und vorantreiben und dabei alle relevanten Akteure — politische Entscheidungsträger, Industrie, Sozialpartner, Verbraucher, NGO, Bildungs- und Betreuungseinrichtungen, Experten, Wissenschaftler und Forscher verschiedener Fachrichtungen (u. a. KI, Sicherheit, Ethik, Wirtschaft, Arbeitswissenschaften, Rechtswissenschaften, Verhaltenswissenschaften, Psychologie und Philosophie) — einbinden.

1.3.

Derzeit dreht sich die Debatte fast ausschließlich um das — sicherlich wichtige — Thema „Superintelligenz“, wodurch die Diskussion über die Auswirkungen aktueller KI-Anwendungen in den Hintergrund gedrängt wird. Aufgabe und Ziel wird es daher u. a. sein, das Wissen über KI zu vergrößern und zu verbreiten und so eine informierte und ausgewogene Debatte ohne Weltuntergangsszenarien oder Verharmlosungen zu fördern. Der EWSA wird sich dabei dafür einsetzen, dass die Entwicklung von KI zum Wohle der Menschheit gefördert wird. Eine weitere wichtige Aufgabe und Zielsetzung ist es, bahnbrechende Entwicklungen im Bereich der KI und in verwandten Bereichen auszumachen, zu benennen und zu überwachen, damit angemessen und rechtzeitig darauf reagiert werden kann. So sollen eine stärkere gesellschaftliche Einbindung, Vertrauen und ein Konsens über die nachhaltige Weiterentwicklung und den Einsatz von KI gewährleistet werden.

1.4.

Die Auswirkungen von KI machen nicht an Grenzen halt, und daher müssen auch auf supranationaler Ebene politische Leitprinzipien festgelegt werden. Der EWSA ist der Auffassung, dass die EU bei der Festlegung globaler, klarer Leitlinien für KI in Übereinstimmung mit den europäischen Werten und Grundrechten eine weltweite Vorreiterrolle übernehmen sollte. Hierzu kann und will der EWSA einen Beitrag liefern.

1.5.

Der EWSA weist auf zurzeit elf Bereiche hin, in denen sich durch KI gesellschaftliche Herausforderungen ergeben: Ethik, Sicherheit, Schutz der Privatsphäre und Datenschutz, Transparenz und Nachvollziehbarkeit, Arbeit, Bildung und Qualifikationen, (Un-)Gleichheit und Inklusion, Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Regierungsführung und Demokratie, Kriegsführung sowie Superintelligenz. Dazu spricht er im Folgenden einige Empfehlungen aus.

1.6.

Der EWSA plädiert für einen menschenkontrollierten KI-Ansatz, der auf eine verantwortungsvolle, sichere und nützliche Entwicklung von KI ausgerichtet ist, bei der Maschinen Maschinen bleiben und Menschen jederzeit die Kontrolle über diese Maschinen behalten.

1.7.

Der EWSA fordert einen Verhaltenskodex für die Entwicklung, den Einsatz und die Nutzung von KI, um zu gewährleisten, dass während der gesamten Nutzungsdauer von KI-Systemen Menschenwürde, Integrität, Freiheit, Schutz der Privatsphäre und Datenschutz, kulturelle und Geschlechtervielfalt sowie die grundlegenden Menschenrechte gewahrt werden.

1.8.

Der EWSA plädiert für die Erarbeitung von Normungsverfahren sowie für die Überprüfung, Validierung und Kontrolle von KI-Systemen auf der Grundlage eines breiten Spektrums an Standards aus den Bereichen Sicherheit, Transparenz, Verständlichkeit, Nachvollziehbarkeit und ethische Werte.

1.9.

Der EWSA spricht sich für eine europäische KI-Infrastruktur mit quelloffenen Lernumgebungen aus, die den Schutz der Privatsphäre gewährleisten, sowie für reale (real life) Testumgebungen und hochwertige Datensätze für die Entwicklung und das Training von KI-Systemen. Der EWSA weist auf den (Wettbewerbs-)Vorteil hin, den sich die EU durch die Entwicklung und Förderung von „KI-Systemen unter der Verantwortung der EU“ mit einer europäischen KI-Zertifizierung und einem entsprechenden Gütesiegel auf dem Weltmarkt sichern könnte.

1.10.

Die EU, die nationalen Behörden und die Sozialpartner müssen gemeinsam ermitteln, in welchen Bereichen des Arbeitsmarkts in welchem Ausmaß und zu welchem Zeitpunkt mit Auswirkungen von KI zu rechnen sein wird, und nach Lösungen für die Folgen suchen, die sich für die Beschäftigung, die Art der Arbeit, die Sozialsysteme und die (Un-)Gleichheit ergeben. Im Anschluss daran sollte in jene Arbeitsmarktsektoren investiert werden, auf die sich KI nur gering bis gar nicht auswirkt.

1.11.

Der EWSA rät den vorgenannten Interessenträgern, sich gemeinsam für komplementäre KI-Systeme und ihre Ko-Kreation am Arbeitsplatz einzusetzen, etwa für Mensch-Maschine-Teams, wobei KI die menschliche Leistung ergänzt und verbessert. Außerdem müssen die Interessenträger in formelles und informelles Lernen, allgemeine und berufliche Bildung sowie Weiterbildung investieren, damit alle mit KI umzugehen lernen, aber auch um jene Fertigkeiten zu entwickeln, die nicht von KI übernommen werden bzw. nicht übernommen werden können.

1.12.

Eine spezifische Evaluierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der sechs vom Referat Wissenschaftliche Vorausschau (STOA) benannten Gebiete, die möglicherweise überprüft bzw. angepasst werden müssen, ist bereits jetzt erforderlich. Der EWSA kann und will einen Beitrag zu dieser Überprüfung leisten. Der EWSA spricht sich gegen die Einführung einer Form von Rechtspersönlichkeit für Roboter oder KI aus. Die präventive Abhilfewirkung des Haftungsrechts würde damit konterkariert, woraus sich sowohl bei der Entwicklung als auch beim Einsatz von KI ein moralisches Risiko sowie Missbrauchsmöglichkeiten ergeben würden.

1.13.

Die Entwicklung von KI-Anwendungen mit gesellschaftlichem Nutzen, die die Inklusion stärken und das Leben der Menschen verbessern, muss sowohl von öffentlicher als auch von privater Seite aktiv unterstützt und gefördert werden. Die Europäische Kommission muss im Rahmen ihrer Programme Mittel für Forschungsarbeiten zu den gesellschaftlichen Folgen von KI sowie von EU-geförderten KI-Innovationen bereitstellen.

1.14.

Der EWSA schließt sich der Forderung von Human Rights Watch nach einem Verbot autonomer Waffensysteme an. Der EWSA begrüßt die angekündigten Beratungen über dieses Thema in den Vereinten Nationen, ist jedoch der Auffassung, dass dabei auch über KI-Anwendungen in der Cyberkriegsführung beraten werden sollte.

2.   Künstliche Intelligenz

2.1.

Es gibt keine allgemein anerkannte, feststehende Definition von KI. KI ist ein Oberbegriff für eine Vielzahl an (Teil-)Bereichen wie Cognitive Computing (Algorithmen, die über ein höheres, d. h. menschlicheres Denk- und Begriffsvermögen verfügen), maschinelles Lernen (Algorithmen, die eigenständig lernen, Aufgaben zu bewältigen), erweiterte Intelligenz (Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine) und KI-Robotik (in Roboter eingebaute KI-Systeme). Das Hauptziel der Forschung und Entwicklung im Bereich der KI besteht aber in der Automatisierung intelligenten Verhaltens wie denken, Informationen sammeln, planen, lernen, kommunizieren, beeinflussen, signalisieren und sogar kreativ sein, träumen und wahrnehmen.

2.2.

KI lässt sich grob in schwache (narrow) KI und allgemeine (general) KI unterteilen. Schwache KI ist in der Lage, spezifische Aufgaben zu erledigen. Allgemeine KI ist in der Lage, jede intellektuelle Aufgabe zu bewältigen, zu der Menschen fähig sind.

2.3.

Im Bereich der schwachen KI sind in der letzten Zeit große Fortschritte zu verzeichnen, insbesondere durch die gestiegene Rechnungsleistung von Computern, die Verfügbarkeit großer Datenmengen und die Entwicklung des maschinellen Lernens (ML). ML umfasst Algorithmen, die sich selbstständig bestimmte Tätigkeiten beibringen, ohne dafür programmiert worden zu sein. Dieses Verfahren beruht auf der Verarbeitung von „Trainingsdaten“, auf deren Grundlage der Algorithmus lernt, Muster zu erkennen und Regeln aufzustellen. Beim Deep Learning, einer Form des ML, wird auf Strukturen (neuronale Netze) zurückgegriffen, die entfernt dem menschlichen Gehirn ähneln und durch Üben und Feedback lernen. In der Zwischenzeit wurden bereits KI-Systeme entwickelt, die mittels Algorithmen eigenständig lernen, autonom handeln und anpassungsfähig sind.

2.4.

Der Schwerpunkt der Forschung und Entwicklung im Bereich der KI liegt seit einiger Zeit auf dem Denken, der Wissensverarbeitung, der Planung, der Kommunikation und der (visuellen, auditiven und sensorischen) Wahrnehmung. Daraus sind viele KI-Anwendungen wie z. B. virtuelle Assistenten, selbstfahrende Autos, automatische Datenaggregation, Spracherkennung, Übersetzungsprogramme, Sprachsynthese, automatisierter Handel von Finanzprodukten, Sicherstellung digitaler Beweisstücke für Gerichtsverfahren („eDiscovery“) entstanden.

2.5.

Der EWSA weist darauf hin, dass die Zahl der KI-Anwendungen und die Investitionen in KI in jüngster Zeit exponentiell zugenommen haben. Das Marktvolumen für KI beläuft sich derzeit auf ca. 664 Millionen USD und wird bis 2025 voraussichtlich auf 38,8 Milliarden USD anwachsen.

3.   Chancen und Risiken von KI

3.1.

Dass KI große gesellschaftliche Vorteile haben kann, ist beinahe unstrittig — in diesem Zusammenhang sei auf die Anwendungen hingewiesen, die KI für eine nachhaltige Landwirtschaft, mehr Verkehrssicherheit, mehr Sicherheit im Finanzsystem, umweltfreundlichere Produktionsprozesse, eine bessere Medizin, mehr Arbeitssicherheit, eine stärker auf den Einzelnen zugeschnittene Bildung, eine bessere Rechtsprechung und mehr Sicherheit in der Gesellschaft nutzen. Möglicherweise kann KI sogar zur Beseitigung von Krankheiten und Armut beitragen. Außerdem kann KI einen wichtigen Beitrag zum Wachstum der Industrie und zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EU leisten.

3.2.

Wie andere bahnbrechende Technologien, birgt KI jedoch auch Risiken und bringt komplexe politische Herausforderungen in den Bereichen Sicherheit und Kontrollierbarkeit, sozioökonomische Aspekte, Ethik und Schutz der Privatsphäre, Zuverlässigkeit usw. mit sich.

3.3.

Wir befinden uns derzeit an einen entscheidenden Punkt für die Festlegung der (Rahmen-)Bedingungen für die aktuelle und künftige Entwicklung und den Einsatz von KI. Diese Vorteile von KI können nur dann auf Dauer gesichert werden, wenn auch die Herausforderungen im Zusammenhang mit KI adäquat angegangen werden. Dazu müssen politische Entscheidungen getroffen werden.

a)

Ethik

3.4.

Die Entwicklung von KI wirft zahlreiche ethische Fragen auf. Wie wirken sich autonome (selbstlernende) KI-Systeme auf unsere persönliche Integrität, Autonomie, Würde, Selbstständigkeit, Gleichheit, Sicherheit und Entscheidungsfreiheit aus? Wie können wir sicherstellen, dass unsere grundlegenden Normen, Werte und die Menschenrechte gebührend geachtet und geschützt werden?

3.5.

Ein weiterer Aspekt ist, dass die Entwicklung von KI derzeit in einem homogenen Umfeld stattfindet, das überwiegend aus jungen weißen Männern besteht, wodurch (bewusst oder unbewusst) kulturelle und geschlechtsspezifische Unterscheide in KI-Systemen verankert werden, u. a. dadurch, dass diese Systeme auf der Grundlage von Trainingsdaten lernen. Diese Daten müssen korrekt und hochwertig, vielfältig, ausreichend detailliert und vorurteilsfrei sein. Üblicherweise wird davon ausgegangen, dass Daten per definitionem objektiv sind, aber dem ist nicht so. Daten sind leicht zu manipulieren, sie können verfälscht sein und kulturelle, geschlechtsspezifische und andere Vorurteile und Präferenzen widerspiegeln sowie Fehler enthalten.

3.6.

Die derzeit in Entwicklung befindlichen KI-Systeme enthalten keine ethische Wertung. Es ist Aufgabe von uns Menschen, KI-Systeme und die Umgebung, in der sie eingesetzt werden, damit auszustatten. Die Entwicklung, der Einsatz und die Nutzung von KI-Systemen (sowohl für öffentliche als auch für kommerzielle Zwecke) müssen innerhalb der Grenzen unserer grundlegenden Normen, Werte und Freiheiten sowie unter Wahrung der Menschenrechte erfolgen. Der EWSA fordert daher, einen einheitlichen ethischen Verhaltenskodex für die Entwicklung, den Einsatz und die Nutzung von KI zu erarbeiten und festzulegen.

b)

Sicherheit

3.7.

Die Nutzung von KI in der realen Welt wirft unzweifelhaft Sicherheitsfragen auf. Dabei kann zwischen interner und externer Sicherheit unterschieden werden.

Interne Sicherheit: Ist das KI-System widerstandsfähig genug, um (auf Dauer) gut zu funktionieren? Ist der Algorithmus gut programmiert? Stürzt er nicht ab und widersteht er Hackerangriffen? Ist er wirksam? Ist er zuverlässig?

Externe Sicherheit: Birgt die Nutzung des KI-Systems Risiken für die Gesellschaft? Ist das Handeln des KI-Systems nicht nur unter normalen Bedingungen, sondern auch in unbekannten, kritischen und unvorhersehbaren Situationen sicher? Wie wirkt sich die Fähigkeit zu selbstständigem Lernen und die Tatsache, dass das System auch nach der Inbetriebnahme weiter lernt, auf die Sicherheit aus?

3.8.

Der EWSA ist der Auffassung, dass KI-Systeme nur dann in Betrieb genommen werden dürfen, wenn sie spezifische Voraussetzungen für die interne und externe Sicherheit umfassend erfüllen. Diese Voraussetzungen müssen von den politischen Entscheidungsträgern, KI- und Sicherheitsspezialisten, Unternehmen und Organisationen der Zivilgesellschaft gemeinsam festgelegt werden.

c)

Transparenz, Verständlichkeit, Kontrollierbarkeit und Nachvollziehbarkeit

3.9.

Voraussetzung für die Akzeptanz sowie für die nachhaltige Entwicklung und die Anpassung von KI ist es, dass die Funktionsweise, das Handeln und die Entscheidungen von KI-Systemen verstanden, kontrolliert und diese insbesondere auch im Nachhinein nachvollzogen werden können.

3.10.

KI-Systeme greifen (mittels intelligenter Algorithmen) zunehmend in unser Leben ein. Beispiele dafür sind der Einsatz von KI bei informationsbasierter Polizeiarbeit, bei der Bewertung von Darlehensanträgen und bei der Prüfung potentieller Versicherungsnehmer. Die Verständlichkeit, Kontrollierbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Entscheidungsprozesse von KI-Systemen ist in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung.

3.11.

Bereits jetzt sind viele KI-Systeme für Nutzer nur sehr schwer zu verstehen. Dies gilt jedoch zunehmend auch für die Entwickler dieser Systeme. Insbesondere neuronale Netze sind häufig „black boxes“, in denen (Entscheidungs-)Prozesse ablaufen, die nicht nachvollzogen werden können und für die es keine Erklärungsmuster gibt.

3.12.

Der EWSA spricht sich für transparente, verständliche und kontrollierbare KI-Systeme aus, deren Funktionsweise auch im Nachhinein nachvollzogen werden kann. Darüber hinaus muss festgelegt werden, welche Entscheidungsprozesse KI-Systemen übertragen werden können und welche nicht und wann menschliches Eingreifen erwünscht bzw. verpflichtend sein soll.

d)

Privatsphäre/Datenschutz

3.13.

Das Thema Schutz der Privatsphäre und Datenschutz wirft im Zusammenhang mit KI viele Fragen auf. Bereits jetzt kommen in zahlreichen (Konsum-)Gütern KI-Anwendungen zum Einsatz, etwa in Haushaltsgeräten, Kinderspielzeug, Autos, Gesundheitsapps und Smartphones. Diese Produkte übermitteln allesamt (oftmals personenbezogene) Daten an die Cloud-Plattformen der Hersteller. Angesichts der Tatsache, dass der Handel mit Daten derzeit boomt, was bedeutet, dass generierte Daten nicht beim Produzenten bleiben, sondern an Dritte veräußert werden, besteht Anlass zur Sorge, ob der Schutz der Privatsphäre und der Datenschutz tatsächlich umfassend gewährleistet bleibt.

3.14.

Außerdem können KI-Systeme durch die Analyse sehr großer Mengen an (oftmals) personenbezogenen Daten die Entscheidungen von Menschen in einer Vielzahl von Bereichen — von Kaufentscheidungen bis hin zum Abstimmungsverhalten bei Wahlen und Referenden — beeinflussen. Kinder sind in dieser Beziehung besonders schutzbedürftig. Der EWSA ist besorgt über KI-Anwendungen, die darauf ausgerichtet sind, gezielt das Verhalten und die Wünsche von Kindern zu manipulieren.

3.15.

Es muss sichergestellt werden, dass der Zugriff von KI-Systemen auf personenbezogene Daten nicht zu einer Einschränkung der tatsächlichen bzw. subjektiven Freiheit von Menschen führt. In ihrer Datenschutz-Grundverordnung räumt die EU dem Schutz digital übermittelter personenbezogener Daten großen Stellenwert ein. Ob das Recht des Einzelnen auf freie Zustimmung zur Weitergabe von Daten nach vorheriger Aufklärung, aber auch auf Zugang, Berichtigung und Überprüfung dieser Daten in der Praxis umfassend gewahrt wird, muss angesichts der Entwicklung von KI eingehend überwacht werden.

e)

Normen, Standards und Infrastruktur

3.16.

Es müssen neue Normungsverfahren für die Überprüfung und Validierung von KI-Systemen auf der Grundlage eines breiten Spektrums an Standards entwickelt werden, um die Sicherheit, Transparenz, Verständlichkeit, Nachvollziehbarkeit und ethische Vertretbarkeit von KI-Systemen beurteilen und kontrollieren zu können.

3.17.

Der EWSA spricht sich dafür aus, dass die EU eine eigene KI-Infrastruktur mit quelloffenen Lernumgebungen entwickelt, die den Schutz der Privatsphäre und den Datenschutz gewährleisten sowie für hochwertige Datensätze für die Entwicklung und das Training von KI-Systemen. Durch die Förderung von KI-Systemen, die unter der Verantwortung der EU stehen, könnte sich die EU zudem einen (Wettbewerbs-)Vorteil auf dem Weltmarkt sichern. Der EWSA empfiehlt in diesem Zusammenhang, die Möglichkeit einer EU-Zertifizierung und eines Gütesiegels für KI-Systeme zu prüfen.

f)

Auswirkungen auf Arbeit, Beschäftigung, Arbeitsbedingungen und Sozialsysteme

3.18.

Über die Geschwindigkeit und den Umfang, in dem dies der Fall sein wird, gehen die Meinungen auseinander, aber es ist klar, dass sich KI auf das Beschäftigungsniveau sowie die Art und Natur zahlreicher Arbeitsplätze und damit auch auf die Systeme der sozialen Sicherung auswirken wird.

3.19.

Brynjolfsson und McAfee vom MIT bezeichnen die aktuellen technologischen Entwicklungen (einschließlich KI) als das zweite Maschinenzeitalter. Es gibt jedoch zwei große Unterschiede: i) Die „alten“ Maschinen ersetzten vor allem Muskelkraft, während die neuen Maschinen Denken und kognitive Fähigkeiten ersetzen, wodurch nicht nur gering qualifizierte (blue collar workers), sondern auch qualifizierte und hoch qualifizierte Arbeitskräfte (white collar workers) betroffen sind, und ii) handelt es sich um eine allgemeine Technologie (general purpose technology), die praktisch alle Bereiche gleichzeitig beeinflusst.

3.20.

KI kann erhebliche Vorteile haben, wenn sie bei gefährlicher, schwerer, anstrengender, schmutziger, unangenehmer, repetitiver oder langweiliger Arbeit eingesetzt wird. Aber auch routinemäßig auszuführende Arbeit sowie Datenverarbeitung und -analyse oder Arbeit, bei der Vorhersage und Planung eine große Rolle spielen — Arbeit, die häufig von hoch qualifizierten Arbeitskräften ausgeführt wird —, kann zunehmend von KI-Systemen erledigt werden.

3.21.

Allerdings werden bei den meisten Arbeitsplätzen verschiedene Tätigkeiten verrichtet. Die Wahrscheinlichkeit, dass alle von einer Person ausgeführten Tätigkeiten von KI oder Robotern übernommen werden, scheint gering. Fast alle Menschen werden sich jedoch mit der Automatisierung von Teilen ihrer Funktion konfrontiert sehen. Die dadurch frei werdende Zeit lässt sich für andere Aufgaben nutzen, sofern die Regierungen und die Sozialpartner sich dafür einsetzen. Dabei sind die Auswirkungen, die diese Entwicklungen auf Fach- und Führungskräfte haben können, im Auge zu behalten, und ihre Einbindung muss gefördert werden, sodass sie Herr der Lage bleiben und nicht zu Opfern werden.

3.22.

Zudem werden auch neue Arbeitsplätze entstehen. Allerdings kann niemand vorhersagen kann, wie diese aussehen, wie viele es sein werden und wie schnell dies geschieht. Unternehmen wie Google und Facebook erreichen mit einer relativ geringen Zahl von Arbeitskräften eine gigantische Wertschöpfung. Darüber hinaus sind die neuen Arbeitsplätze nicht immer hochwertig. Es besteht die Sorge, dass durch die Weiterentwicklung von KI für eine wachsende Gruppe flexibel einsetzbarer Arbeitskräfte nur noch gering bezahlte Mini-Aufgaben übrig bleiben.

3.23.

KI wird nicht nur die verfügbare Menge an Arbeit, sondern auch die Art der Arbeit beeinflussen. KI-Systeme bieten immer mehr Möglichkeiten zur Begleitung und Überwachung der Arbeitskräfte, was Selbstbestimmung sowie Schutz der Privatsphäre und Datenschutz in Gefahr bringt. Bereits jetzt wird Arbeit häufig mithilfe von Algorithmen definiert und verteilt, ohne menschliches Zutun, wodurch die Art der Arbeit und die Arbeitsbedingungen beeinflusst werden. Zudem besteht durch die Nutzung von KI-Systemen die Gefahr, dass die Tätigkeiten an Inhalt verlieren und wichtige Kompetenzen verlernt werden.

3.24.

Fakt bleibt jedoch, dass uns Technologie nicht „passiert“. Die Regierungen und die Sozialpartner können die Art und Weise, in der KI weiterentwickelt und im Arbeitsablauf eingesetzt wird, bestimmen und müssen diese Möglichkeit auch voll und ganz ausschöpfen. Dabei gilt es, sich nicht nur darauf zu konzentrieren, was mit KI erreicht werden kann, sondern gerade auch darauf, wozu der Mensch fähig ist (Kreativität, Empathie, Zusammenarbeit), was weiterhin vom Menschen getan werden soll und wie Mensch und Maschine besser zusammenarbeiten können (Komplementarität).

3.25.

Erweiterte Intelligenz (augmented intelligence — Komplementarität), bei der Mensch und Maschine zusammenarbeiten und sich gegenseitig stärken, ist die interessanteste KI-Anwendung, da es hier um den Menschen mit der Maschine im Gegensatz zum Menschen statt der Maschine geht. Ko-Kreation ist allerdings sehr wichtig: Die Arbeitskräfte müssen in die Entwicklung solcher komplementärer KI-Systeme einbezogen werden, um sicherzustellen, dass diese nutzbar sind und für die Arbeitskräfte ausreichend Autonomie und Kontrolle (human in command), Erfüllung und Zufriedenheit am Arbeitsplatz erhalten bleibt.

g)

Bildung und Kompetenzen

3.26.

Damit sich die Menschen an die rasche Entwicklung im Bereich der KI anpassen können, sind die Pflege bzw. der Erwerb digitaler Kompetenzen erforderlich. Mit ihrem Bündnis für digitale Kompetenzen und Arbeitsplätze (Digital Skills and Jobs Coalition) setzt die Europäische Kommission stark auf die Entwicklung digitaler Kompetenzen. Nicht jeder ist jedoch in der Lage oder daran interessiert, zu codieren und Programmierer zu werden. Politische Maßnahmen und Finanzmittel müssen deshalb auch auf Bildung und Entwicklung von Kompetenzen in Bereichen ausgerichtet werden, die nicht durch KI-Systeme bedroht werden (z. B. Tätigkeiten, bei denen die menschliche Interaktion im Vordergrund steht, bei denen Mensch und Maschine zusammenarbeiten oder die weiterhin von Menschen ausgeführt werden sollen).

3.27.

Dort, wo auf die Komplementarität von Mensch und KI gesetzt wird (augmented intelligence), wird für alle von Kindesbeinen an Bildung im Umgang und für die Arbeit mit KI-Systemen erforderlich sein, um sicherzustellen, dass die Menschen bei ihrer Arbeit Autonomie und Kontrolle (human-in-command) behalten. Hier ist insbesondere auch Aufklärung in Bezug auf Ethik und Schutz der Privatsphäre/Datenschutz wichtig, da KI in diesen Bereichen erhebliche Auswirkungen hat.

h)

Zugänglichkeit, soziale (Un-)Gleichheit, Inklusion, Verteilung

3.28.

Der allergrößte Teil der Entwicklung von KI und aller dazugehöriger Elemente (Entwicklungsplattformen, Daten, Wissen und Fachwissen) befindet sich in der Hand von fünf großen Technologieunternehmen (Amazon, Facebook, Apple, Google, Microsoft). Obwohl diese Unternehmen die offene Entwicklung von KI befürworten und einige ihre KI-Entwicklungsplattformen als quelloffen (open source) anbieten, ist der uneingeschränkte Zugang zu KI-Systemen damit nicht gewährleistet. Der EU, internationalen politischen Entscheidungsträgern und Organisationen der Zivilgesellschaft kommt hier eine wichtige Rolle zu, indem sie dafür sorgen, dass KI-Systeme für alle zugänglich sind, aber auch, dass ihre Entwicklung in einem offenen Umfeld stattfindet.

3.29.

Technologischer Wandel zugunsten des Kapitals, bei dem Innovationen vor allem den Eigentümern der entsprechenden Innovation Vorteile bieten, verschlechtert die Position der Arbeit im Vergleich zu der des Kapitals. Der technologische Wandel kann auch zu (Einkommens-)Ungleichheiten zwischen den Menschen führen (sowohl lokal als auch regional und weltweit). KI kann diese Tendenzen weiter verstärken.

3.30.

Es ist wichtig, diese Tendenzen aufmerksam zu verfolgen und angemessen zu reagieren. Es wird bereits für eine KI-Steuer, KI-Dividende bzw. gemeinsames Eigentum von Arbeitnehmern und Arbeitgebern an KI-Systemen plädiert. Zudem ist immer öfter von der Notwendigkeit eines unbedingten Grundeinkommens die Rede.

3.31.

In einer früheren Stellungnahme (1) hat der EWSA die Möglichkeit einer digitalen Dividende und ihrer ausgewogenen Verteilung mit dem Ziel positiver Wachstumseffekte aufgezeigt. Der EWSA hält es für wichtig, all diese Lösungen zu prüfen, wobei das richtige Gleichgewicht gefunden werden muss zwischen der Entwicklung von KI zum Wohle der Menschheit und eventuellen negativen Folgen derartiger Lösungen. Auch das moralische Risiko, das entsteht, wenn die Verantwortung für KI-Systeme auf eine Stelle abgeschoben wird, die nicht tatsächlich belangt werden kann, muss vermieden werden.

i)

Rechts- und Verwaltungsvorschriften

3.32.

Die Auswirkungen von KI auf die geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften sind groß. Im Juni 2016 wurde im Rahmen der STOA des Europäischen Parlaments eine Übersicht über die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der EU veröffentlicht, die von den Entwicklungen in den Bereichen Robotik, cyberphysikalische Systeme und KI betroffen sein werden. Die STOA-Lenkungsgruppe nennt sechs Bereiche — Verkehr, Systeme mit doppeltem Verwendungszweck, bürgerliche Freiheiten, Sicherheit, Gesundheit und Energie —, für die nicht weniger als 39 EU-Verordnungen, -Richtlinien, -Erklärungen und -Mitteilungen sowie die Europäische Charta der Grundrechte möglicherweise überprüft oder angepasst werden müssen. Diese Evaluierung sollte rasch und entschlossen angegangen werden, und der EWSA kann und wird dabei eine Rolle spielen.

3.33.

Es wird darüber diskutiert, wer haftbar gemacht werden kann, wenn ein KI-System Schaden verursacht. Insbesondere stellt sich diese Frage, wenn das KI-System selbstlernend ist und nach seiner Inbetriebnahme weiter lernt. Das Europäische Parlament hat Empfehlungen für das Zivilrecht im Bereich Robotertechnik ausgesprochen, in denen es vorschlägt, eine sogenannte „elektronische Persönlichkeit“ (e-personality) für Roboter zu prüfen, damit diese für durch sie verursachte Schäden zivilrechtlich haftbar gemacht werden können. Der EWSA spricht sich dagegen aus, Robotern oder KI(-Systemen) eine Form der Rechtspersönlichkeit zuzuerkennen, da dies ein nicht hinnehmbares moralisches Risiko in sich birgt. Die Haftung hat einen präventiven Effekt auf das Verhalten, der möglicherweise wegfällt, wenn der Hersteller nicht mehr das Haftungsrisiko trägt, da dieses auf den Roboter (bzw. das KI-System) übertragen wurde. Zudem besteht die Gefahr des unsachgemäßen Gebrauchs und des Missbrauchs einer derartigen Rechtsform. Der Vergleich mit der beschränkten Haftung von Gesellschaften ist hier fehl am Platz, da hier stets eine natürliche Person in letzter Konsequenz verantwortlich ist. In diesem Zusammenhang ist zu untersuchen, inwieweit die derzeitigen nationalen und europäischen Rechts- und Verwaltungsvorschriften und die entsprechende Rechtsprechung im Bereich der (Produkt- und Risiko-)Haftung und des eigenen Verschuldens diese Frage hinreichend beantworten und falls nicht, welche rechtlichen Lösungen dann geboten sind.

3.34.

Für eine angemessene Herangehensweise an Rechts- und Verwaltungsvorschriften im Zusammenhang mit KI ist ferner ein fundiertes Wissen darüber, was KI kann, nicht kann und kurz-, mittel- und langfristig möglicherweise können wird, von entscheidender Bedeutung.

3.35.

KI kennt keine Grenzen. Deshalb ist es wichtig, die Notwendigkeit weltweiter Regelungen zu prüfen, da regionale Vorschriften unzureichend sein und sogar unerwünschte Auswirkungen haben werden. Angesichts ihres bewährten Systems von Produkt- und Sicherheitsnormen, der protektionistischen Bestrebungen auf anderen Kontinenten, des hohen Wissensstands in Europa, des Systems der Grundrechte und sozialen Werte in Europa sowie des sozialen Dialogs empfiehlt der EWSA der EU, bei der Festlegung globaler, klarer Strategierahmen für KI eine Führungsrolle zu übernehmen und diesen Prozess weltweit zu stimulieren.

j)

Regierungshandeln und Demokratie

3.36.

KI-Anwendungen können zu einer besseren Einbeziehung der Menschen in die öffentliche Verwaltung und zu einer transparenteren politischen Entscheidungsfindung beitragen. Der EWSA fordert die EU und die nationalen Regierungen auf, KI hierfür zu nutzen.

3.37.

Der EWSA zeigt sich besorgt über den gezielten Einsatz von KI-Systemen (in Form von intelligenten Algorithmen) für die Datenaggregation beispielsweise in sozialen Medien, die anscheinend zur Beschränkung von Informationen und zur weiteren Spaltung der Gesellschaft geführt haben (z. B. durch „Filterblasen“) und gefälschte Nachrichten (fake news) auf Twitter und Facebook während der Wahlen in den Vereinigten Staaten).

3.38.

Zudem ist der EWSA besorgt über die Anzeichen dafür, dass KI-Systeme eingesetzt worden sein sollen, um das (Stimm-)Verhalten der Bürger zu beeinflussen. Mithilfe intelligenter Algorithmen sollen Präferenzen und Verhalten von Menschen vorhergesagt und gezielt beeinflusst worden sein. Dies ist eine Bedrohung für eine faire und offene Demokratie. In der heutigen Zeit der Polarisierung und des Rückbaus internationaler Institutionen können Präzision und Wirkungskraft einer solchen Propagandatechnologie die Gesellschaft schnell in eine noch größere Schieflage bringen. Das ist einer der Gründe dafür, dass Normen zur Transparenz und Kontrollierbarkeit (intelligenter) Algorithmen erforderlich sind.

k)

Kriegsführung

3.39.

Im Rahmen des UN-Übereinkommens über konventionelle Waffen wurde beschlossen, die Auswirkungen autonomer Waffen 2017 durch Experten erörtern zu lassen. Der EWSA begrüßt dies und schließt sich der Forderung von u. a. Human Rights Watch nach einem Verbot autonomer Waffensysteme an. Seiner Ansicht nach muss ein solches Verbot sorgfältig geprüft und erwogen werden. Das reicht jedoch nicht aus, um angemessen gegen die Einsatzmöglichkeiten von KI in Kriegs- und Konfliktsituationen vorzugehen. Auch die Anwendung von KI bei der Cyberkriegsführung sollte Gegenstand dieser UN-Beratungen sein.

3.40.

Darüber hinaus muss verhindert werden, dass KI Menschen oder Regimes in die Hände fällt, die sie für terroristische Aktivitäten nutzen wollen.

l)

Superintelligenz

3.41.

Schließlich stellt sich die Frage nach den Chancen und Risiken für die Entwicklung einer Superintelligenz. Laut Stephen Hawking wird die Entwicklung allgemeiner KI bereits das Ende der Menschheit bedeuten. Ab diesem Zeitpunkt werde sich KI in einem Tempo weiterentwickeln, bei dem Menschen nicht mithalten können. Einige Fachleute plädieren deshalb für einen Sperrschalter (kill switch) bzw. Rücksetzknopf (reset button), mit dem außer Kontrolle geratene oder superintelligente KI-Systeme desaktiviert oder rückgesetzt werden können.

3.42.

Der EWSA plädiert für einen menschenkontrollierten Ansatz mit einer verantwortungsvollen und sicheren Entwicklung von KI als Rahmen, bei dem Maschinen Maschinen bleiben und Menschen jederzeit die Kontrolle über diese Maschinen behalten können. Die Debatte über Superintelligenz ist dabei wichtig, drängt aber die Diskussion über die Auswirkungen aktueller KI-Anwendungen derzeit in den Hintergrund.

4.   KI im Dienste der Menschheit

4.1.

Große Wirtschaftsakteure haben inzwischen verschiedene Initiativen für die offene, sichere und sozial verantwortungsvolle Entwicklung von KI (wie OpenAI) ergriffen. Die politischen Entscheidungsträger dürfen dies jedoch nicht den Unternehmen überlassen, sondern müssen hier eine Rolle spielen. Es sind gezielte Maßnahmen und Unterstützung für die Forschung zu den gesellschaftlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit KI sowie für die Entwicklung sicherer und robuster KI-Systeme erforderlich.

4.2.

EU-Programme wie Horizont 2020 sind besonders geeignet, um diese Herausforderung anzugehen. Der EWSA hat festgestellt, dass insbesondere der Pfeiler „Gesellschaftliche Herausforderungen“ von Horizont 2020 finanziell weniger gut ausgestattet ist als die beiden anderen Pfeiler „Wissenschaftsexzellenz“ und „Führende Rolle der Industrie“ und diese Mittel noch gekürzt werden. Der EWSA dringt darauf, dass den großen gesellschaftlichen Herausforderungen sowie den gesellschaftlichen Anwendungen von KI im Rahmen des Pfeilers „Gesellschaftliche Herausforderungen“ besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird.

4.3.

Auch mögliche bereichsübergreifende Auswirkungen von KI müssen behandelt werden. Parallel zur Finanzierung der Entwicklung bahnbrechender KI-Innovationen müssen die Erforschung der gesellschaftlichen Auswirkungen dieser Innovationen und ihre Handhabung finanziert werden.

4.4.

Forschung und Entwicklung für KI im Dienste der Menschheit erfordern zudem ein breites Spektrum hochwertiger und öffentlich zugänglicher Trainings- und Testdaten sowie reale (real life) Testumgebungen. Bisher sind die KI-Infrastruktur und viele hochwertige Daten nur bei einer begrenzten Anzahl und für eine begrenzte Anzahl privater Akteure verfügbar, und es ist nicht ohne Weiteres möglich, KI im öffentlichen Raum zu testen, wodurch die Anwendung von KI in anderen Bereichen behindert wird. Die Entwicklung öffentlich zugänglicher hochwertiger Daten sowie einer europäischen KI-Infrastruktur ist von entscheidender Bedeutung, um eine sichere, robuste und nützliche KI zu schaffen.

5.   Überwachung und Handhabung

5.1.

Welche gesellschaftliche Tragweite KI haben wird, ist noch nicht ganz abschätzbar. Unbestritten ist jedoch, dass sie groß sein wird. KI entwickelt sich derzeit in rasantem Tempo, was eine kritische und umfassende Überwachung erfordert, sodass mit bedeutenden und bahnbrechenden Entwicklungen im Bereich der KI und in verwandten Bereichen, die sowohl technischer als auch gesellschaftlicher Natur sein können (game changers), rechtzeitig und angemessen umgegangen werden kann.

5.2.

Unter bahnbrechenden technischen Entwicklungen sind z. B. auffallende oder erhebliche Sprünge bei der Entwicklung von KI-Kompetenzen zu verstehen, die möglicherweise Anzeichen für das Erreichen allgemeiner KI sind. Gesellschaftliche „game changers“ sind beispielsweise massive Arbeitsplatzverluste ohne Aussicht auf Ersatzarbeitsplätze, unsichere Situationen, Systemversagen oder unerwartete internationale Entwicklungen.

5.3.

Politische Entscheidungsträger, Industrie, Sozialpartner, Verbraucher, NGO, Bildungs- und Betreuungseinrichtungen sowie Wissenschaftler, Forscher und Fachleute aus verschiedenen Disziplinen (u. a. (angewandte) KI, Ethik, Sicherheit, Wirtschafts-, Arbeits-, Rechts- und Verhaltenswissenschaften, Psychologie und Philosophie) müssen die Entwicklungen im Bereich KI genau beobachten und diese bahnbrechenden Entwicklungen identifizieren und aktualisieren, um so im richtigen Moment die richtigen Maßnahmen in Form von Politik, Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Selbstregulierung und sozialem Dialog ergreifen zu können.

5.4.

Der EWSA als Vertreter der europäischen Zivilgesellschaft wird diese Debatte über KI unter Einbindung zahlreicher Interessenträger in der nächsten Zeit gestalten, bündeln und stimulieren.

Brüssel, den 31. Mai 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  ABl. C 13 vom 15.1.2016, S. 161.


31.8.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 288/10


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Eine mögliche Umgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik“

(Sondierungsstellungnahme)

(2017/C 288/02)

Berichterstatter:

John BRYAN

Befassung

Europäische Kommission, 10.2.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 302 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Sondierungsstellungnahme

Beschluss des Präsidiums

21.2.2017

Zuständige Fachgruppe

Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umwelt

Annahme in der Fachgruppe

17.5.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

1.6.2017

Plenartagung Nr.

526

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

229/4/5

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) sieht in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) einen wichtigen Politikbereich der EU, in dem zum Wohle der europäischen Bürger und der Landwirtschaft eine wirklich gemeinsame Politik gestaltet werden muss und durch den die wichtigsten Zielsetzungen gemäß den Römischen Verträgen verwirklicht werden konnten. Auch wenn in dem Ersuchen um eine Sondierungsstellungnahme von einer Umgestaltung der GAP die Rede ist, legt der EWSA Wert darauf, dass die GAP im Interesse der Betroffenen behutsam und organisch weiterentwickelt wird. Die Weiterentwicklung der GAP muss in einer positiven Art und Weise angegangen werden, und es müssen ausreichend Finanzmittel für die GAP zur Verfügung gestellt werden, um bestehenden und neuen Anforderungen gerecht werden zu können — sowohl in Bezug auf die Agrarwirtschaft als auch im Hinblick auf soziale und ökologische Kriterien.

1.2.

Eine umgestaltete GAP muss den neuen Herausforderungen, mit denen Europa konfrontiert ist, Rechnung tragen. Dazu gehören die Verpflichtungen der EU im Hinblick auf die Ziele der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung und die Klimaschutzziele der 21. Konferenz der Vertragsparteien (COP 21), bilaterale Handelsabkommen und die Volatilität der Märkte.

1.3.

Die GAP muss nachdrücklich das europäische Landwirtschaftsmodell, das durch traditionelle bäuerliche Familienbetriebe, Agrargenossenschaften und Agrarunternehmen gekennzeichnet ist, unterstützen und mithilfe der landwirtschaftlichen Branchenverbände das große Einkommensgefälle zwischen ländlichen und städtischen Gebieten und auch innerhalb der Landwirtschaft beseitigen.

1.4.

Bei der nachhaltigen Versorgung mit hochwertigen und sicheren Lebensmitteln für mehr als 500 Millionen EU-Bürger und der Ausfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen im Wert von 131 Mrd. EUR (7,5 % der Gesamtausfuhren der EU) muss im GAP-Haushalt, der 38 % des EU-Gesamthaushalts ausmacht, zu einem ausgewogenen Kosten-Nutzen-Verhältnis gefunden werden. Es müssen auch in Zukunft ausreichend Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden, um den zusätzlichen Finanzbedarf infolge des Brexits, des Einkommensdrucks für Landwirte und der erhöhten Nachfrage nach öffentlichen Gütern decken zu können.

1.5.

Der EWSA befürwortet die Beibehaltung der Zweisäulenstruktur der GAP. Die Direktzahlungen der ersten Säule müssen zur Stützung der landwirtschaftlichen Einkommen und zur Finanzierung von Marktsteuerungsmaßnahmen bei gleichzeitiger verstärkter Bereitstellung öffentlicher Güter dienen. Die Zahlungen zur Entwicklung des ländlichen Raums im Rahmen der zweiten Säule sind vorrangig auf wirtschaftliche, umweltschützerische und soziale Programme auszurichten, die ihrerseits auf den in der Cork-2.0-Erklärung festgelegten Zielen zur Unterstützung schutzbedürftiger Regionen und Branchen basieren und einen gezielten Ansatz zur Bereitstellung öffentlicher Güter gewährleisten sollen.

1.6.

Der wertvolle Beitrag, den die Landwirtschaft zum Umweltschutz leistet, wird unterschätzt. Grünland, Wälder, Torfmoore und Hecken sind Kohlenstoffsenken, die bei den Zahlungen im Rahmen der ersten und zweiten Säule der GAP berücksichtigt, geschützt und gefördert werden sollten.

1.7.

Mit umfangreichen gezielten Programmen mit Schwerpunkt auf Junglandwirten, besonders Frauen, und Ruhestandsregelungen für Landwirte muss die wichtige Frage des Generationswechsels angegangen werden. Darüber hinaus sollten Programme aufgelegt werden, mit denen die Rolle der Frauen in der Landwirtschaft allgemein gestärkt wird.

1.8.

Vereinfachung sollte zentraler Bestandteil einer umgestalteten GAP sein: Durch den Einsatz moderner Technologien sollte der ständig zunehmende Verwaltungsaufwand für Landwirte vereinfacht und verringert werden. Die Kontroll- und Prüfverfahren sollten geändert und mit einem Modell für die Nachbesserung innerhalb einer bestimmten Frist, einem System der „gelben Karte“, verringerten Cross-Compliance-Anforderungen und größeren Toleranzen ausgestattet werden. Alle diese Maßnahmen dienen der Vereinfachung und der verbesserten Erbringung von Zahlungen.

1.9.

In einer umgestalteten GAP sollten die Grundsätze der Gemeinschaftspräferenz und der territorial ausgewogenen Lebensmittelsouveränität beibehalten werden: EU-Lebensmittel für EU-Bürger. Das Potenzial der Landwirtschaft muss in bilateralen und multilateralen Handelsabkommen hervorgehoben werden, ohne diesen Wirtschaftszweig zu opfern, um auf anderen Gebieten dafür Vorteile zu erlangen. Alle Lebensmittelimporteure der EU müssen unter Einhaltung des Grundsatzes der Konformität die in der EU geltenden gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Normen sowie die Arbeits- und Umweltvorschriften in vollem Umfang einhalten.

1.10.

Die Stellung der Landwirte in der Lebensmittelversorgungskette muss gestärkt werden. Die guten Empfehlungen der Einsatzgruppe „Agrarmärkte“ der EU sollten angenommen und umgesetzt werden. Eine weitere, sogar noch stärkere branchenbezogene und auf die einzelnen Regionen ausgerichtete Förderung der Zusammenarbeit zwischen Erzeugern sowie bestehenden — insbesondere kleineren — Genossenschaften und Erzeugerorganisationen ist äußerst wichtig. Besonderes Gewicht sollte vor allem auf die Sektoren und Regionen gelegt werden, in denen die Zusammenarbeit gering ist.

1.11.

Eine starke erste und zweite Säule mit flexiblen Programmen zur Entwicklung des ländlichen Raums, die in allen Mitgliedstaaten einschließlich der Gebiete mit naturbedingten Benachteiligungen zur Verfügung stehen und auf schutzbedürftige Regionen und Branchen ausgerichtet sind, ist in einer neuen, umgestalteten GAP von wesentlicher Bedeutung.

1.12.

Die Höhe der den Landwirten in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten gezahlten Direktbeihilfen muss weiter vereinheitlicht werden, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Landwirte in allen Mitgliedstaaten zu schaffen und für eine ausgewogene Entwicklung des ländlichen Raums in der gesamten EU zu sorgen.

2.   Einleitung

2.1.

Die Landwirtschaft ist der am stärksten integrierte Wirtschaftsbereich der EU. Sie ist der einzige Sektor mit einer gemeinsamen Politik, der zentral aus dem EU-Haushalt finanziert wird. Die Agrar- und Ernährungswirtschaft ist mit 11 Millionen Landwirten, 22 Millionen Landarbeitern und weiteren 22 Millionen Beschäftigten in der Lebensmittelverarbeitung, im Einzelhandel und im Dienstleistungssektor ein extrem wichtiger Arbeitgeber (1). Viele der Arbeitsplätze befinden sich in ärmeren ländlichen Gebieten. Die Landwirtschaft trägt in jedem Mitgliedstaat und in allen Regionen zur Wirtschaft bei. In den letzten zehn Jahren haben die europäischen Agrar-, Lebensmittel- und Getränkeexporte um durchschnittlich 8 % pro Jahr zugenommen und beliefen sich 2016 auf 131 Mrd. EUR (2).

2.2.

Die Gemeinsame Agrarpolitik ist ein wichtiger Politikbereich der EU, der die nachhaltige Versorgung von mehr als 500 Millionen EU-Bürgern mit sicheren und hochwertigen Nahrungsmitteln zu erschwinglichen Preisen gewährleistet. Sie muss darüber hinaus a) den Landwirten in der EU ein angemessenes Einkommen sichern und b) für eine soziale, umweltfreundliche und wirtschaftliche Entwicklung des ländlichen Raums sorgen. Die Land- und Forstwirte bewirtschaften mehr als 82 % der Landfläche der EU (3) und sind somit essenzieller Bestandteil einer multifunktional auszurichtenden nachhaltigen Agrarwirtschaft.

2.3.

Die GAP bietet den Landwirten und landwirtschaftlichen Betrieben durch ihren Haushalt in Höhe von 59 Mrd. EUR eine unverzichtbare Unterstützung in Form von Direktzahlungen, Marktstützungsmaßnahmen und Programmen zur Entwicklung des ländlichen Raums. Dabei ist festzustellen, dass die Unterstützung im Rahmen der GAP mit der Erbringung öffentlicher Güter und der Einhaltung höherer europäischer Standards verknüpft ist. Diese Direktzahlungen der ersten Säule sind an Maßnahmen im Rahmen der Auflagenbindung (Cross Compliance) und der Grundanforderungen an die Betriebsführung im Hinblick auf die Standards in den Bereichen Lebensmittelsicherheit, Tierschutz, Tier- und Pflanzengesundheit sowie an Umweltkontrollen gekoppelt und von großer Bedeutung, damit die Landwirte über ein stabiles Einkommen verfügen und die Volatilität der Märkte bewältigen können. Derzeit sind 30 % der Direktzahlungen an Verpflichtungen zur Ökologisierung gekoppelt, die auf die Bodenqualität, die Artenvielfalt und die Bindung von Kohlenstoff ausgerichtet ist; dennoch bestehen nach wie vor ökologische und soziale Probleme, die gelöst werden müssen. Marktbezogene Maßnahmen wurden durch die letzte Reform der GAP zwar stark zurückgefahren, doch gerade in Zeiten einer Marktkrise sind sie nach wie vor wichtig. Neue Maßnahmen sind erforderlich, um der Volatilität zu begegnen. Das kofinanzierte Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums ist ein wesentliches Element der zweiten Säule für die Finanzierung wirtschaftlicher, umweltbezogener und sozialer Programme, die in ländlichen Gebieten wie auch auf einzelbetrieblicher Ebene durchgeführt werden.

2.4.

In den letzten 60 Jahren hat die GAP trotz ihrer Mängel erhebliche Vorteile für die Bürger, Erzeuger, Verbraucher, Steuerzahler und weite Teile der Gesellschaft in der EU mit sich gebracht. Allerdings stellen sich nun in einigen Gebieten hinsichtlich der Artenvielfalt, der Umwelt und der Landschaft Probleme, die angegangen werden müssen. Die GAP hat gezeigt, dass sie anpassungsfähig und flexibel auf die Erfordernisse der Zeit reagieren kann. Die einzigartige Zweisäulenstruktur der GAP hat diesen Politikbereich wandlungsfähig gemacht, so dass er auf verschiedene Ziele ausgerichtet werden konnte, während das übergeordnete Ziel der Förderung des europäischen Landwirtschaftsmodells und der bäuerlichen Familienbetriebe beibehalten wurde.

2.5.

Die Ausgleichszahlungen im Rahmen der GAP haben sich im Laufe der Jahre dramatisch verändert: Aus Zahlungen hauptsächlich zur Markt- und Preisstützung sind auf diese Weise entkoppelte Beihilfen mit einer starken Umweltkomponente geworden. Die zweite Säule wurde eingeführt, um gefährdete Branchen und Regionen zu unterstützen. Sie gewährleistet eine geschickte und nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raums und steht im Mittelpunkt der EU-Agrarpolitik. Eine integrierte Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums muss fester Bestandteil der Agrarpolitik sein.

2.6.

Im Rahmen einer positiv umgestalteten, modernisierten und vereinfachten GAP hat die Landwirtschaft bei der Verwirklichung der auf Nachhaltigkeit, Umwelt, Natur und Wettbewerbsfähigkeit sowie Investitionen, Wachstum und Beschäftigung ausgerichteten Ziele Europas eine wichtige Funktion zu erfüllen.

2.7.

In einer umgestalteten GAP müssen die positiven Aspekte der derzeitigen Politik beibehalten und neue Maßnahmen eingeführt werden, um den neuen Herausforderungen Rechnung zu tragen. Dazu gehören die Nachfrage der Gesellschaft nach Bereitstellung öffentlicher Güter, die Verpflichtungen der EU im Hinblick auf die Ziele der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung und die Klimaschutzziele der 21. Konferenz der Vertragsparteien (COP 21), bilaterale Handelsabkommen und die Volatilität der Märkte. Eine umgestaltete GAP muss darüber hinaus die Bedürfnisse der Verbraucher, Steuerzahler und Erzeuger ins rechte Gleichgewicht bringen.

2.8.

Die EU muss sich im Rahmen einer umgestalteten GAP weiterhin nachdrücklich für das europäische Landwirtschaftsmodell und nachhaltige bäuerliche Familienbetriebe einsetzen, die sich von dem industriellen Modell der landwirtschaftlichen Erzeugung, wie es in den Mercosur-Staaten, den USA und Ozeanien entwickelt wurde, grundlegend unterscheidet. Besonderes Augenmerk muss den kleinen und mittelgroßen Betrieben gelten. Auf dem Gebiet der Lebensmittelsicherheit handeln die europäischen Landwirte nach dem Vorsorgeprinzip, wodurch sie im internationalen Handel mit Agrarrohstoffen und Nahrungsmitteln in einen Wettbewerbsnachteil gegenüber den Landwirten in Nord- und Südamerika, Ozeanien und weiteren Teilen der Welt geraten, die Stoffe wie Hormone oder ß-Agonisten verwenden, die in der EU verboten sind.

2.9.

Das europäische Landwirtschaftsmodell ist ein Gesellschaftsvertrag zwischen den Landwirten und der Gesellschaft in der EU, demzufolge die Landwirte auf nachhaltige Weise hochwertige Lebensmittel erzeugen und andere öffentliche Güter schaffen und dabei gleichzeitig Umweltschutz und Landschaftspflege leisten. Als Gegenleistung sollte die GAP Unterstützung für die Bewahrung der bäuerlichen Familienbetriebe, Genossenschaften und Agrarunternehmen mit nachhaltigen Landwirtschaftsmodellen sowie für die ländlichen Gebiete bieten. Dieses Modell hat durch die Versorgung mit abwechslungsreichen, gesunden, sicheren, erschwinglichen und hochwertigen Lebensmitteln sowie durch seinen Beitrag zur territorialen Ausgewogenheit, zum Erhalt der ländlichen Gebiete und zum Schutz von Umwelt und Landschaft Güter von unermesslichem Wert für die europäische Gesellschaft hervorgebracht.

2.10.

Darüber hinaus muss die EU sich stärker darum bemühen, dass die GAP und die damit verbundenen Vorteile für die Landwirte und die Bürger der EU gut nachvollziehbar sind und von ihnen unterstützt werden.

3.   Herausforderungen für die Landwirtschaft und die GAP

Das Einkommen der Landwirte

3.1.

Die GAP hat in den letzten 60 Jahren ihren Zweck für Europa und die Bürger der EU erfüllt: sie hat zu erheblichen Vorteilen für den Agrarsektor und zu einem guten Kosten-Nutzen-Verhältnis für die Steuerzahler geführt. In vielen EU-Mitgliedstaaten klaffen jedoch die Einkommen in ländlichen und städtischen Gebieten sowie innerhalb der Landwirtschaft immer weiter auseinander. Die Einkommen der Landwirte sind in den meisten Mitgliedstaaten nicht ausreichend und erheblich niedriger als im nationalen oder regionalen Durchschnitt. Die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse haben nicht mit der Inflationsrate und den Preiserhöhungen bei den Betriebsmitteln wie Düngemitteln und Energie Schritt gehalten. In den letzten Jahren hat die Preisvolatilität die Einkommen in der Landwirtschaft unter Druck gesetzt.

Investitionen in ländlichen Gebieten

3.2.

Die derzeitige Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums mit ihrer breiten Palette an flexiblen Instrumenten hat sich bei der Förderung der ländlichen Gebiete und insbesondere der Gebiete mit naturbedingten Benachteiligungen als unerlässlich erwiesen. Der ehrgeizige Plan zur Entwicklung des ländlichen Raums im Rahmen der Cork-2.0-Erklärung Für ein besseres Leben im ländlichen Raum muss in der umgestalteten GAP eine Vorrangstellung einnehmen. Die wichtigsten Herausforderungen für eine umgestaltete GAP sind Investitionen in die Lebensfähigkeit und Lebenskraft des ländlichen Raums sowie die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen in wirtschaftlichen schwachen und entlegenen Gebieten und die Förderung der Diversifizierung in der Landwirtschaft (4).

Haushalt

3.3.

Der Anteil der für die GAP bereitgestellten Mittel des EU-Haushalts ist von 65-75 % in den 1980er-Jahren auf derzeit 38 % zurückgegangen. Dennoch wird von der Landwirtschaft erwartet, einen immer größeren Beitrag zur Verwirklichung der COP-21-Ziele und der Nachhaltigkeitsziele zu leisten und außerdem erschwingliche Lebensmittel hoher Qualität zu liefern. Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU ist eine große Herausforderung für die künftige Finanzierung der GAP.

Ernährungssicherheit

3.4.

Die Weltbevölkerung wird bis 2050 voraussichtlich von 7 Milliarden auf 9,5 Milliarden anwachsen, sodass in den kommenden Jahren dringend dafür gesorgt werden muss, dass weltweit erheblich mehr Nahrungsmittel erzeugt werden. Eines der zentralen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen besteht darin, die Unterernährung drastisch zu verringern; in Studien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird davon ausgegangen, dass derzeit weltweit jeder siebte Mensch an Unterernährung leidet. Es liegt auf der Hand, dass die weltweite Nahrungsmittelerzeugung auf nachhaltige Weise gesteigert werden muss, um die größere Nachfrage nach Nahrungsmitteln zu decken und den Hunger zu bekämpfen. Der EU als einem verantwortungsbewussten, weltweit agierenden Nahrungsmittelerzeuger und einer umgestalteten GAP kommt dabei eine wichtige Funktion zu. Im Rahmen der GAP muss auch mit Blick auf die Ausfuhren verantwortungsvoll gehandelt werden, und die Entwicklungsländer müssen auch weiterhin dazu angehalten werden, ihre inländische Erzeugung zu erhöhen.

Umweltpolitische Herausforderungen

3.5.

Die europäische Landwirtschaft und die GAP sind von zentraler Bedeutung für die Verpflichtungen der EU im Hinblick auf die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen und für die ehrgeizigen Ziele der EU im Rahmen des globalen Klimaschutzübereinkommens COP 21. Seit 1990 sind die Kohlendioxidemissionen in der Landwirtschaft um 23 % zurückgegangen, und der Nitratgehalt in den Flüssen konnte seit 1992 um 17,7 % gesenkt werden (5). Zwar konnten im Rahmen der GAP erhebliche Fortschritte in Bezug auf die Umweltleistung erzielt werden, doch sieht sich die EU bei der Umgestaltung der GAP mit weiteren Herausforderungen konfrontiert, damit die Landwirtschaft mehr leisten und grundlegend dazu beitragen kann, dass die EU die COP-21-Ziele und die Nachhaltigkeitsziele erreicht.

Ökosystemleistungen

3.6.

Der Agrarsektor erbringt lebenswichtige Ökosystemleistungen — er trägt zur Bewirtschaftung der Lebensräume, zur Erhaltung der biologischen Vielfalt, zur Einhaltung der Tierschutzstandards, zur Landschaftsästhetik und zum Schutz des Bodens und des Wassers bei. Darüber hinaus muss anerkannt werden, dass die Landwirtschaft in den Bereichen Artenvielfalt, Umwelt und Landschaft mehr tun muss. Ein beträchtlicher Teil der Nahrungsmittel in der EU wird mit natürlichem Wasser erzeugt, das ansonsten ungenutzt abfließen würde. Ein großer Teil der Landwirtschaft in der EU ist auch auf die Bewirtschaftung von Grünflächen, Wäldern und Torfland ausgerichtet, die allesamt wertvolle Kohlenstoffsenken sind. All diese wichtigen Funktionen der Landwirtschaft für das Ökosystem müssen in einer umgestalteten GAP bewahrt und verstärkt werden.

Das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Lebensmittel

3.7.

Im Rahmen der GAP profitieren die Bürger der EU von einer strengen Lebensmittelsicherheit und einer reichlichen Versorgung mit sicheren Lebensmitteln zu erschwinglichen Preisen. Der für Lebensmittel ausgegebene Prozentsatz des Einkommens der EU-Bürger ist von 50 % in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg auf heute 10 % gesunken, und das trotz des erheblichen Anstiegs der Produktionskosten. Eine umgestaltete GAP muss gewährleisten, dass die Verbraucher auch weiterhin Zugang zu erschwinglichen, hochwertigen und sicheren Lebensmitteln haben, die nach den geltenden EU-Standards erzeugt werden.

Generationswechsel

3.8.

Da die meisten Landwirte älter als 55 Jahre sind, besteht eine der wichtigsten Herausforderungen darin, die Landwirtschaft für junge Menschen attraktiv zu machen, denn der Agrarsektor leidet unter Problemen beim Generationswechsel. Der Zugang zu Kapital und Land, niedrige Einkommen sowie der Wissenstransfer und der Zugang zu Bildung sind in dieser Hinsicht ganz praktische Probleme für junge Menschen. Überdies gestatten es die niedrigen Einkommen in der Landwirtschaft nicht, Rücklagen für das Alter zu bilden. In einigen Gebieten werden mehr und mehr Flächen aufgegeben, was entsprechende soziale und ökologische Folgen nach sich zieht, insbesondere in abgelegenen Gegenden. Eine starke Ausrichtung auf den Generationswechsel — einschließlich Jung- und Neulandwirten und qualifizierten Arbeitnehmern in der Landwirtschaft, vor allem derjenigen, die bereits in einem landwirtschaftlichen Betrieb arbeiten — sowie die Erleichterung des Eintritts in den Ruhestands sind wesentliche Bestandteile einer umgestalteten GAP.

Frauen in der Landwirtschaft

3.9.

Frauen spielen in der Landwirtschaft eine sehr wichtige Rolle: Sie verrichten viele Arbeiten in den landschaftlichen Betrieben und tragen einen steigenden Anteil des bürokratischen Aufwands. In vielen Fällen sind Frauen als Besitzer landwirtschaftlicher Betriebe unterrepräsentiert. Durch eine bezahlte Beschäftigung außerhalb des landwirtschaftlichen Betriebs oder eine selbständige Unternehmertätigkeit leisten Frauen auch einen großen Beitrag zur Lebensfähigkeit des Hofes. In Fällen, in denen beide Ehepartner Vollzeitlandwirte auf dem Hof sind, sollte dieser Beitrag in den Besitzverhältnissen des Agrarbetriebs seinen Niederschlag finden und so entsprechend gewürdigt werden.

Migration

3.10.

Die Landwirtschaft und der Agrar- und Lebensmittelsektor können bei der Einbeziehung von Einwanderern in die Erwerbsbevölkerung sowie bei der Unterstützung benachteiligter Gruppen durch soziale Programme eine wichtige Rolle spielen.

Vereinfachung

3.11.

Die Modernisierung und Vereinfachung der GAP sind grundlegend für die zukunftsorientierte Umgestaltung dieser Politik. Schon in früheren Reformen wurde festgestellt, dass eine Vereinfachung erforderlich ist, aber in Wirklichkeit wurde die GAP für die landwirtschaftlichen Betriebe immer komplizierter und bürokratischer. Dies gilt insbesondere für die Kontroll- und Prüfverfahren, die Anwendung der Förderfähigkeitskriterien und die Erfüllung der Cross-Compliance-Anforderungen im Rahmen der Grundanforderungen an die Betriebsführung bzw. der Regeln betreffend den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (GLÖZ).

Handel und Globalisierung

3.12.

Der EWSA erkennt die erheblichen Vorteile und Beschäftigungsmöglichkeiten an, die durch den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen und die Agrarausfuhren geschaffen werden. Die mit der Globalisierung und den Handelsabkommen verbundenen Herausforderungen könnten der Landwirtschaft allerdings schweren Schaden zufügen und die hohen Sicherheits- und Qualitätsnormen der EU für Nahrungsmittel gefährden. Es ist von wesentlicher Bedeutung, dass die Erschließung neuer Märkte und Chancen mit dem Schutz empfindlicher Branchen und Gebiete und den EU-Standards ins rechte Gleichgewicht gebracht wird. Außerdem muss auch weiterhin eine territoriale Ausgewogenheit zwischen dem Grundsatz der Gemeinschaftspräferenz und der Lebensmittelsouveränität beibehalten werden (6).

Preisvolatilität und Stärkung der Position der Landwirte in der Lebensmittelversorgungskette

3.13.

Es gibt in der Lebensmittelversorgungskette zwischen den großen Einzelhändlern und verarbeitenden Betrieben auf der einen und den Landwirten auf der anderen Seite ein großes Kräfteungleichgewicht, das dazu führt, dass der Druck auf die Preise oft so groß ist, dass diese die Erzeugungskosten nicht mehr decken. Die Stellung der Landwirte in der Lebensmittelversorgungskette muss durch gut funktionierende Absatzgenossenschaften gestärkt werden. Ein europäischer Rechtsrahmen sollte geschaffen werden, um unlautere Geschäftspraktiken in den Lebensmittelversorgungs- und Einzelhandelsketten zu beseitigen. Darüber hinaus hat die Preis- und Einkommensvolatilität aufgrund der reduzierten Marktstützungen seitens der EU, des größeren Einflusses der Weltmärkte und geopolitischer Krisen wie des russischen Einfuhrverbots zugenommen, was für die Landwirte in der EU eine große Herausforderung ist. Die Arbeit der Einsatzgruppe „Agrarmärkte“ der EU auf diesem Gebiet ist lobenswert und muss ausgebaut werden. Unlautere Handelspraktiken und der Verkauf unter Selbstkosten müssen bekämpft werden.

Ausgewogene territoriale Entwicklung

3.14.

Die Land- und Forstwirtschaft ist für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in den ländlichen Gebieten von grundlegender Bedeutung. Sie ist auch wichtig für andere ländliche Wirtschaftsformen und Dienstleistungen; dazu gehören der ländliche Tourismus, die Beschäftigung im ländlichen Raum und kulturelle Aktivitäten. Eine umgestaltete GAP mit einer starken zweiten Säule ist von ausschlaggebender Bedeutung, um die Herausforderungen bei der Entwicklung der ländlichen Gebiete zu bewältigen und in allen Regionen der EU eine widerstandsfähige Landwirtschaft zu erhalten. Ziel muss es sein, möglichst viele landwirtschaftliche Betriebe zu erhalten.

4.   Vorschläge für eine weiterentwickelte, modernisierte und vereinfachte GAP

4.1.

Eine umgestaltete GAP, durch die das europäische Landwirtschaftsmodell nachdrücklich unterstützt wird, muss weiterhin auf die zentralen Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik, wie sie 1957 im Vertrag von Rom festgeschrieben wurden, ausgerichtet sein. Es sollten jedoch neue Ziele im Zusammenhang mit den Verpflichtungen im Rahmen der Nachhaltigkeitsziele und der COP-21-Ziele aufgenommen werden. Nach Artikel 39 AEUV ist es Ziel der Gemeinsamen Agrarpolitik,

1.

die Produktivität der Landwirtschaft durch Förderung des technischen Fortschritts und den bestmöglichen Einsatz der Produktionsfaktoren, insbesondere der Arbeitskräfte, zu steigern;

2.

der landwirtschaftlichen Bevölkerung eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten;

3.

die Märkte zu stabilisieren;

4.

die Versorgung sicherzustellen;

5.

angemessene Preise für die Verbraucher sicherzustellen.

4.2.

Eine umgestaltete GAP muss auch den grundlegenden Herausforderungen in den Bereichen Umweltschutz, Eindämmung des Klimawandels und Schutz der biologischen Vielfalt gerecht werden.

4.3.

Diese grundlegenden Ziele können am besten erreicht werden, indem die derzeitige Zweisäulenstruktur der GAP — wobei die Direktzahlungen an aktive Landwirte, flankiert durch Maßnahmen zur Steuerung der Märkte, die erste Säule bilden und die zweite Säule Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums umfasst — beibehalten und gleichzeitig eine Politik verfolgt wird, die den neuen Anforderungen an die Bereitstellung öffentlicher Güter gerecht wird. Die Direktzahlungen der ersten Säule sind wichtig, damit die Landwirte über ein stabiles Einkommen verfügen und die Volatilität der Märkte bewältigen können. Sie sind an Cross-Compliance-Maßnahmen im Hinblick auf die Standards in den Bereichen Lebensmittelsicherheit, Tierschutz, Tier- und Pflanzengesundheit sowie an Umweltkontrollen gekoppelt. Die zweite Säule der GAP bietet wichtige zusätzliche wirtschaftliche, umweltbezogene und soziale Förderprogramme.

4.4.

Für die GAP müssen auch nach 2020 ausreichend Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden, um den zusätzlichen Finanzbedarf infolge der Brexit-Entscheidung, des Einkommensdrucks für Landwirte und der erhöhten Nachfrage nach öffentlichen Gütern decken zu können.

4.5.

In Bezug auf das Zahlungsmodell wird vorgeschlagen, dass Mitgliedstaaten, die sich für ein anderes Modell als das System der pauschalen Grundstützungsregelung entschieden haben, dieses Modell auch nach 2020 beibehalten können, da es den Umständen in diesen Ländern besser gerecht wird. In einigen Ländern wird das Modell der Pauschalzahlungen den Unterschieden im Umfang der Investitionen, der landwirtschaftlichen Tätigkeit und der Bereitstellung öffentlicher Güter nicht gerecht.

4.6.

Die Höhe der den Landwirten in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten gezahlten Direktbeihilfen muss weiter vereinheitlicht werden, um den unterschiedlichen Voraussetzungen Rechnung zu tragen und dadurch gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Landwirte in allen Mitgliedstaaten zu schaffen und für eine ausgewogene Entwicklung des ländlichen Raums in der gesamten EU zu sorgen.

4.7.

Die Direktzahlungen sollten ausschließlich an aktive Landwirte gehen, die öffentliche Güter und öffentliche Dienstleistungen bereitstellen.

4.8.

Mit Blick auf die Förderung und Bewahrung der Direktzahlungen an die Landwirte in einer starken ersten Säule würde ein aktiver Landwirt im Rahmen einer umgestalteten GAP nach einem Jahres- oder Mehrjahresprogramm mit den Schwerpunkten Umwelt, Klimawandel und Artenvielfalt arbeiten, das einen Plan zur Nährstoffbewirtschaftung und eine Strategie zur Vermeidung von CO2 beinhalten könnte. Dieses Jahres- oder Mehrjahresprogramm würde die Messung der Bereitstellung öffentlicher Güter ermöglichen und den Landwirten mehr Flexibilität bieten. Die Messbarkeit muss auf objektiven und standardisierten Kriterien auf EU-Ebene beruhen.

4.9.

Für die Direktzahlungen der ersten Säule sollte eine gerechte und vernünftige Obergrenze für den einzelnen Landwirt festgelegt werden (etwa in Höhe des Einkommens eines Facharbeiters). Anpassungen sollen möglich sein, und Partnerschaften, Genossenschaften, Agrarunternehmen sowie die Zahl der versicherungspflichtigen Beschäftigten sind zu berücksichtigen.

4.10.

Gekoppelte Direktzahlungen sollten auf gefährdete Branchen und Regionen konzentriert werden. Sie sollten dazu beitragen, die Landflucht zu vermeiden und die Artenvielfalt zu erhalten, in erster Linie durch die Aufrechterhaltung der Viehwirtschaft und den Erhalt von Branchen mit rückläufiger Entwicklung.

4.11.

In der derzeitigen GAP sind 30 % der Zahlungen im Rahmen der ersten Säule auf die Ökologisierung und 70 % auf die 15 Grundanforderungen an die Betriebsführung und die fünf einzuhaltenden Regeln betreffend den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand ausgerichtet. Um die GAP wirklich zu vereinfachen, sollten sämtliche Zahlungen im Rahmen der ersten Säule an die Bereitstellung öffentlicher Güter geknüpft werden. Um dies zu erreichen, müssen die Ökologisierung und die Grundanforderungen an die Betriebsführung einer Bewertung unterzogen werden, um die effizientesten und realisierbaren Maßnahmen beizubehalten und auch neue Ziele aufzunehmen, beispielsweise im Bereich des Klimawandels und im Hinblick auf die Notwendigkeit, die Kohlenstoffbindung im Boden zu erhöhen.

4.12.

Diese Programme mit Grundanforderungen an die Betriebsführung im Rahmen der Cross-Compliance würden auch messbare Leistungen in den Bereichen Umweltschutz, Eindämmung des Klimawandels und Schutz der biologischen Vielfalt beinhalten, basierend auf der Umsetzung der einschlägigen, gegenwärtig geltenden Cross-Compliance-Regelungen.

4.13.

Eine umgestaltete GAP sollte das Konzept einer „intelligenten Landwirtschaft“ beinhalten, die sich in Form höherer Betriebseinkünfte und positiver Auswirkungen auf die Umwelt doppelt auszahlt. Sie würde mit einem Wissenstransfer und der Nutzung von Technologien zum Aufbau einer Präzisionslandwirtschaft einhergehen mit dem Ziel, den Einsatz von Wasser, Energie, Kunstdünger und anderen Produktionsmitteln wie Pestiziden, insbesondere Fungiziden und Insektiziden zu verringern.

4.14.

Marktmaßnahmen wie Interventionen und Beihilfen für die private Lagerhaltung sollten beibehalten werden. Es ist von wesentlicher Bedeutung, dass die Auslöseschwellen für diese Unterstützungen realistisch festgelegt werden, damit den Erzeugern nötigenfalls eine sinnvolle Einkommensbeihilfe gezahlt werden kann.

4.15.

Der wirksamste Schutz gegen die Einkommensvolatilität sind sichere und angemessene Direktzahlungen im Rahmen der ersten Säule sowie Instrumente zur Marktsteuerung. In Zeiten extremer Preisvolatilität jedoch sind andere Instrumente erforderlich und sollten demnach in Betracht gezogen werden, darunter auch Regelungen zur Drosselung der Erzeugung. Die Möglichkeit der Nutzung von Mitteln der zweiten Säule für Maßnahmen wie beispielsweise freiwillige Versicherungssysteme sollte erleichtert werden.

4.16.

Seit 140 Jahren haben Erzeugergenossenschaften eindeutig eine größere Widerstandsfähigkeit gegenüber Turbulenzen auf den Agrarmärkten und gegenüber einer Verlagerung der landwirtschaftlichen Erzeugung unter Beweis gestellt. Daher ist eine weitere, sogar noch stärkere branchenbezogene und auf die einzelnen Regionen ausgerichtete Förderung der Zusammenarbeit zwischen Erzeugern sowie bestehenden — insbesondere kleineren — Genossenschaften und Erzeugerorganisationen äußerst wichtig. Besonderes Gewicht sollte vor allem auf die Sektoren und Regionen gelegt werden, in denen die Zusammenarbeit gering ist.

4.17.

Die wichtigsten von der Einsatzgruppe „Agrarmärkte“ der EU ermittelten Elemente zur Verbesserung der Position der Landwirte in der Versorgungskette — mehr Transparenz, verbindliche Offenlegung der Preise, Maßnahmen für das Risikomanagement, Bekämpfung unlauterer Handelspraktiken usw. — müssen weiter behandelt und vorangebracht werden. Vorschriften in diesen Bereichen müssen angenommen und in vollem Umfang in die umgestaltete GAP einbezogen werden. Es wird vorgeschlagen, strengere Vorschriften aufzustellen und unlautere Handelspraktiken gesetzlich zu verbieten, den Verkauf unter Selbstkosten zu untersagen und ein verbindliches Meldesystem für Preise einzuführen, in das Erzeuger, verarbeitende Betriebe und Einzelhandel eingebunden werden. Darüber hinaus muss die Position der Landwirte durch die Förderung der Einrichtung starker Erzeugerorganisationen gestärkt werden.

4.18.

Die Aufrechterhaltung eines wirksamen und gut funktionierenden EU-Binnenmarkts muss im Mittelpunkt einer umgestalteten GAP stehen. Die jüngsten Renationalisierungstendenzen auf dem Binnenmarkt geben Anlass zu großer Besorgnis und führen zu einer größeren Preis- und Marktdivergenz. Es ist außerdem sehr wichtig, dass dort, wo noch nicht vorhanden, Regelungen für eine obligatorische Ursprungskennzeichnung der Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse eingeführt werden, um Betrug zu verhindern und den Verbrauchern fundierte Entscheidungen zu ermöglichen. Durch diese Regelungen darf der freie Warenverkehr im EU-Binnenmarkt nicht untergraben und behindert werden.

4.19.

Der Brexit ist eine große Bedrohung für die EU und wird erhebliche Auswirkungen auf die GAP und den Binnenmarkt haben. Etwaige Engpässe im Haushalt der GAP als Folge des Brexit müssen vollständig von den Mitgliedstaaten aufgefangen werden. Darüber hinaus ist es unerlässlich, dass der zollfreie Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Lebensmitteln zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich aufrechterhalten wird und dass gleichwertige Standards in Bezug auf Tierschutz und Tiergesundheit sowie Umweltschutz gelten und der gemeinsame Außenzolltarif für Einfuhren sowohl in die EU als auch in das Vereinigte Königreich angewandt wird.

4.20.

Ein grundlegendes Ziel der GAP muss die Gemeinschaftspräferenz sein: EU-Lebensmittel für EU-Bürger. Schlüsselelemente dieser Politik müssen die Erhaltung und der Schutz der EU-Standards in den Bereichen Rückverfolgbarkeit, Lebensmittelsicherheit, Gesundheitskontrollen für Tiere und Pflanzen und Umweltschutz sowie die uneingeschränkte Anerkennung der geschützten geografischen Angaben (g.g.A.) sein. In handelspolitischen Verhandlungen muss die EU im Interesse der Verbraucher für alle eingeführten Lebensmittel die Einhaltung dieser Standards einfordern. Außerdem muss die EU auch in künftigen Handelsverhandlungen einen starken und angemessenen Zollschutz für gefährdete Branchen und schutzbedürftige Gebiete aufrechterhalten.

4.21.

Der Generationswechsel muss ein zentraler Bestandteil der neu gestalteten GAP sein. Die derzeitigen höheren Zahlungen an Junglandwirte unter 40 Jahren im Rahmen der ersten Säule der GAP sollten fortgesetzt werden. Die Fünfjahresregel sollte überprüft werden, um die mangelnde Flexibilität zu beseitigen, die den Junglandwirten den Zugang zu höheren Zahlungen verwehrt. Darüber hinaus sollten für Junglandwirte im Rahmen der allgemeinen Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums höhere Zahlungsraten angewandt werden. Im Rahmen der Programme für strukturelle Beihilfen sollte die Höhe der Zahlungen für Junglandwirte auf 70 % erhöht werden. Eine entsprechende Förderung sollte auch für Junglandwirte und Nachwuchskräfte in Partnerschaften, Genossenschaften und Agrarunternehmen ermöglicht werden. Von großer Bedeutung ist eine wirksame nationale Reserve, um Jung- und Neulandwirten den fortlaufenden Zugang zu Beihilfen zu ermöglichen. Im Rahmen der zweiten Säule sollte die Möglichkeit bestehen, ein wirksames Programm für den Eintritt in den Ruhestand durchzuführen. Die Mitgliedstaaten sollten über einen ausreichenden Handlungsspielraum verfügen, um zusätzliche Maßnahmen für Junglandwirte, insbesondere Frauen, einführen zu können. Ein deutlicher Schwerpunkt auf Bildung und Verbesserung des Qualifikationsniveaus ist von ausschlaggebender Bedeutung. Um die Stellung von Frauen in der Landwirtschaft zu verbessern, sollten ihnen ähnliche Anreize wie Junglandwirten geboten werden. Den Landwirtinnen sollte eine echte Chancengleichheit beim Zugang zu Land, Krediten, Berufsbildung, Status und allen Produktionsmitteln gewährleistet werden.

4.22.

Eine positive Vereinfachung im Rahmen von Cross-Compliance/GLÖZ und Grundanforderungen an die Betriebsführung könnte für Landwirte eingeführt werden, indem vom Ansatz der Kontrolle und Prüfung Abstand genommen und stattdessen ein stärkerer Technologieeinsatz angestrebt wird. Das System sollte eine Checkliste mit positiven und negativen Anforderungspunkten umfassen. Antragstellern, die die wesentlichen Anforderungen erfüllen und eine Mindestzahl von Punkten angesammelt haben, sollte der Weg für Zahlungen ohne jegliche Sanktionen offenstehen. Dies käme einer Ausweitung des bereits eingeführten neuen Ansatzes der „gelben Karte“ gleich. Die Zahl der Cross-Compliance-Verpflichtungen und der Grundanforderungen an die Betriebsführung sollte verringert werden, indem einige dieser Grundanforderungen, die nicht mehr zweckmäßig oder von Belang sind, abgeschafft werden. Ein gutes Beispiel dafür wäre die Abschaffung der Verpflichtung, die Kennzeichnung von Tieren in den landschaftlichen Betrieben zu prüfen und stattdessen diese Prüfungen durch die Nutzung moderner Technologien an den Verkaufsorten wie beispielsweise in fleischverarbeitenden Betrieben, an Sammelstellen und auf Viehmärkten durchzuführen.

4.23.

Das Kontrollsystem bezüglich der Cross-Compliance-Verpflichtungen sollte bei etwaigen Verstößen das Recht auf Nachbesserung innerhalb einer bestimmten Frist beinhalten, ohne dass Sanktionen verhängt werden. In Bezug auf Sanktionen und Toleranzen sollte ein verhältnismäßiger und gerechterer Ansatz zur Anwendung kommen. Die Vereinfachung sollte nicht zu einer Verringerung der Bemühungen führen, vor allem nicht beim Umweltschutz (Ökologisierung) und bei den gesundheits- und pflanzenschutzrechtlichen Bestimmungen.

4.24.

Inspektionen sollten die Zahlungen nicht behindern, und etwaige Sanktionen sollten im Folgejahr bei der Beurteilung der Beihilfefähigkeit und Cross-Compliance bzw. bei den Grundanforderungen an die Betriebsführung angewandt werden.

4.25.

Eine starke, ausgebaute und wirksamere zweite Säule, die dem wirtschaftlichen, umweltbezogenen und sozialen Bedarf in den Regionen Rechnung trägt, ist außerordentlich wichtig für die Neugestaltung der GAP, die auf die Lebensfähigkeit und Lebenskraft des ländlichen Raums sowie auf die Schaffung von Arbeitsplätzen ausgerichtet ist. Sie sollte auf den in der Cork-2.0-Erklärung festgeschriebenen Zielsetzungen beruhen. Darüber hinaus ist es wichtig, dass die Mitgliedstaaten sich angemessen an der Kofinanzierung der Programme zur Entwicklung des ländlichen Raums einschließlich der Gebiete mit naturbedingten Benachteiligungen beteiligen.

4.26.

Mit der Einhaltung der EU-Verpflichtungen in Bezug auf die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen und der COP-21-Ziele sind immer größere Herausforderungen verbunden, für deren Bewältigung die umweltpolitischen Maßnahmen im Rahmen der zweiten Säule der GAP ausgeweitet, zielgerichteter konzipiert und finanziert werden müssen. Das ist nur erreichbar, wenn dieses Bestreben unter Beachtung der gegenwärtigen Mittelzuweisungen im Rahmen der zweiten Säule auch in der künftigen Verteilung der Mittel zwischen den Mitgliedstaaten zum Ausdruck kommt.

4.27.

Eine Verstärkung der Maßnahmen in den Bereichen Umweltschutz, Klimawandel und Artenvielfalt im Rahmen der zweiten Säule der GAP und die entsprechenden Zahlungen könnten auf die Erbringung von mehr Ökosystemleistungen durch Landwirte ausgerichtet werden, mit denen folgende Zielsetzungen verfolgt werden:

1.

Zahlungen für eine verbesserte Bewirtschaftung der Kohlenstoffsenken in Böden, die von Grünland, Wäldern und Torfmooren bedeckt sind

2.

Verbesserung der Bewirtschaftung von Dauergrünland zur Verbesserung der Kohlenstoffsenken

3.

Zahlungen für die Umwandlung von Ackerflächen in Grünland

4.

Option der Durchführung von Programmen zur Flächenstilllegung und zur minimalen Bodenbearbeitung

5.

Option zur Verringerung der Besatzdichte auf Grünland bei gleichzeitiger Einhaltung einer Mindestbesatzdichte

6.

Zahlungen für die Schaffung von Lebensräumen und natürlichen Korridoren

7.

Pufferzonen um Wasserkörper

8.

Bewirtschaftung von Gräben und Hecken

9.

Strategie zur CO2-Vermeidung

10.

Zahlungen für die Beibehaltung von Torfmooren

11.

Schutz der Landschaftsästhetik und archäologischer Stätten

12.

Zahlungen für Tierschutzmaßnahmen

13.

Höhere Zahlungen für Natura-2000-Gebiete und bei Schäden durch Wildtiere

14.

Maßnahmen zur Verringerung der Wüstenbildung in Trockengebieten

15.

Agrarökologie und ökologische Erzeugung

16.

Zahlungen zur Verbesserung der organischen Bodensubstanz, zur Begrenzung der Bodenerosion und zur Erhöhung der Wasserspeicherkapazität auf Landschaftsebene

4.28.

Zahlungen im Rahmen des Programms für Gebiete mit naturbedingten Benachteiligungen sind für die Landwirte in ärmeren und isolierten Gebieten in der EU sehr wichtig.

4.29.

Die Bereitstellung kostengünstiger Finanzierungen ist von wesentlicher Bedeutung, um das Wachstum in der Landwirtschaft zu beschleunigen und insbesondere Junglandwirte zu unterstützen, ohne die der Generationswechsel nicht stattfinden kann.

4.30.

Eine neu gestaltete GAP sollte eine Ergänzung zu einer umfassenden Lebensmittelpolitik sein und dabei eine nachhaltig betriebene Landwirtschaft mit Fragen einer ausgewogenen räumlichen Entwicklung, gesunder Ernährung, Beschäftigung und Handel verknüpfen. Die Bedeutung einer gesunden Ernährung für die Verbraucher und die damit einhergehenden Vorteile für die Gesellschaft in Bezug auf Lebensqualität, gesunde Lebensweise, Bekämpfung der Fettleibigkeit und Senkung der Gesundheitskosten können nicht genug hervorgehoben werden. Es sind mehr Ressourcen und Programme erforderlich, um dies den Verbrauchern zu vermitteln, und gleichzeitig müssen Programme zur Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung und zur Förderung der Wiederverwertung durchgeführt werden.

4.31.

Um das Ziel der EU zu erreichen, bis 2030 mindestens 27 % des Energiebedarfs aus erneuerbaren Energieträgern zu decken, müssen Maßnahmen zur Gewährleistung von Stabilität und Rechtssicherheit ergriffen werden. Finanzmittel müssen gezielt auf Investitionen in die Solarenergie, Biomasse und Windkraft sowie auf Programme für Energieeffizienz und Energieeinsparungen ausgerichtet werden.

4.32.

Um die Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten, ist es außerordentlich wichtig, dass der Agrarsektor auf dem neuesten Stand in Forschung und Innovation ist und dass diese Errungenschaften in den landwirtschaftlichen Betrieben auch verfügbar sind. Ein wirksamer Wissenstransfer, Bildung, bewährte Verfahren sowie Programme und Dienstleistungen für eine Ausweitung der Beratungstätigkeit sind unabdingbar und müssen unterstützt werden.

4.33.

Mit der zunehmenden Nutzung von Technologie in der Landwirtschaft, insbesondere für die „intelligente Landwirtschaft“ und als Beitrag zur Vereinfachung, ist eine Internet-Breitbandversorgung für alle ländlichen Gebiete von entscheidender Bedeutung.

4.34.

In der neuen „intelligenten“ Landwirtschaft mit ihrem höheren Technologieeinsatz sind der Schutz der persönlichen Daten der Landwirte und Vertraulichkeit sehr wichtig. Darüber hinaus müssen Landwirte auch weiterhin die volle Verfügungsgewalt über alle ihren Betrieb betreffende Daten in ihren Händen halten.

4.35.

Die Kreislaufwirtschaft kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Abfall in allen Bereichen zu reduzieren. Die traditionellen Formen der Landwirtschaft sind Inbegriff einer ressourceneffizienten Kreislaufwirtschaft, in der es Abfälle nicht gibt. Die Landwirtschaft muss bei der Wiederverwendung und Wiederverwertung eine wichtige Rolle spielen. Dazu gehört auch der schonende Umgang mit Boden, Wasser und Luft.

4.36.

Es bedarf einer vernünftigen Übergangszeit ab 2020 für die Einführung einer neugestalteten GAP, um insbesondere den haushaltspolitischen Fragen rund um den Brexit und anderen politischen Entscheidungen Rechnung zu tragen (7).

Brüssel, den 1. Juni 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Europäische Kommission: EU agriculture spending focused on results [Ergebnisorientierte Ausgaben der EU für die Landwirtschaft], September 2015.

(2)  Europäische Kommission: Agri-food trade statistical factsheet — Extra EU 28 [Statistiken zum Handel mit Erzeugnissen der Agrar- und Lebensmittelbranche der EU mit Staaten außerhalb der EU-28].

(3)  Eurostat. Land cover, land use and landscape 2016 [Bodenbedeckung, Landnutzung und Landschaft 2016].

(4)  Stellungnahme zum Thema „Konkrete Maßnahmen nach der Cork-2.0-Erklärung“ (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(5)  Kommissar Phil Hogan: Im Dienste der europäischen Landwirte, 2016.

(6)  Stellungnahme zu der Rolle der Landwirtschaft bei multilateralen, bilateralen und regionalen Handelsverhandlungen mit Blick auf die WTO-Ministertagung in Nairobi (ABl. C 173 vom 31.5.2017, S. 20).

(7)  Stellungnahme zum Thema „Maßgebliche Einflussfaktoren für die Gemeinsame Agrarpolitik nach 2020“ (ABl. C 75 vom 10.3.2017, S. 21).


III Vorbereitende Rechtsakte

EUROPÄISCHER WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS

526. Plenartagung des EWSA vom 31. Mai/1. Juni 2017

31.8.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 288/20


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Europas Marktführer von morgen: die Start-up- und die Scale-up-Initiative“

(COM(2016) 733 final)

(2017/C 288/03)

Berichterstatter:

Erik SVENSSON

Mitberichterstatterin:

Ariane RODERT

Befassung

Europäische Kommission, 27.1.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

Annahme in der Fachgruppe

4.5.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

31.5.2017

Plenartagung Nr.

526

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

194/0/0

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die Start-up- und Scale-up-Initiative der Kommission und die vorgeschlagenen Maßnahmen, die darauf abzielen, wesentliche Hindernisse zu beseitigen. Er betont gleichwohl, dass nicht alle wachstumsstarken Unternehmen Hochtechnologieunternehmen sind und dass die Maßnahmen bereichsübergreifend sein sollten.

1.2.

Der EWSA ist der Auffassung, dass eine Aktualisierung und Neubelebung des „Small Business Act“, bei der alle Initiativen in einer Agenda zusammengefasst werden, wichtiger wäre und die Sichtbarkeit und Kohärenz verbessern würde.

1.3.

Der EWSA fordert einen koordinierten politischen Ansatz für Start-ups und Scale-ups, der den unterschiedlichen Unternehmensarten Rechnung trägt, und begrüßt die spezifischen Maßnahmen für Unternehmen der Sozialwirtschaft. Gleichwohl muss jede Initiative bestrebt sein, die unternehmerischen Rahmenbedingungen insgesamt zu verbessern und die Risikobereitschaft und Experimentierfreude als Teil des Innovationsprozesses anzuregen.

1.4.

Hohe Verwaltungskosten und exzessive Bürokratie sind nach wie vor ein maßgebliches Hindernis für Start-ups und Scale-ups. Der EWSA fordert daher die Kommission nachdrücklich auf, die in diesem Bereich ergriffenen Maßnahmen voll und ganz um- und durchzusetzen.

1.5.

Der EWSA betont die Bedeutung der strukturellen Beteiligung der Sozialpartner sowie der Durchsetzung der EU-Vorschriften über Arbeitsbedingungen, Arbeitsrecht und Tarifverträge.

1.6.

Der EWSA begrüßt die vorgeschlagenen Maßnahmen im Bereich Innovation, dringt aber angesichts der begrenzten Ressourcen von KMU und Kleinstunternehmen auf eine Vereinfachung der Vorschriften und Bedingungen.

1.7.

Die Stärkung von Partnerschaften und die Schaffung ressourcenorientierter „Communities“ ist ein Schlüsselfaktor für den Erfolg. Die Kommission sollte die Vernetzung sowie die Entstehung von Intermediären, Unterstützern, Akzeleratoren und Gründungszentren unterstützen.

1.8.

Die Entwicklung maßgeschneiderter Finanzierungen einschließlich des Zugangs sowohl zu Eigenkapital- als auch Fremdkapital-Lösungen, die Gewährleistung des Zugangs zu öffentlichen Aufträgen und die Verbesserung des steuerlichen Umfelds sind für die Freisetzung des Wachstumspotenzials von Start-ups und Scale-ups von zentraler Bedeutung. Der EWSA hat diesbezüglich in seinen Stellungnahmen geeignete Maßnahmen untersucht.

1.9.

Die Kompetenzentwicklung ist von entscheidender Bedeutung. Daher muss auf allen Ebenen und auf einer frühen Stufe des Bildungssystems ein Schwerpunkt auf unternehmerspezifische Bildungsprogramme gelegt werden. Zusätzlich müssen Mentoring, praktische Berufsausbildung und Programme für informelles und nicht-formales Lernen angeregt und gefördert werden.

1.10.

Maßnahmen sind erforderlich, um die derzeit hohe Risikoscheu in der EU durch ein Überprüfen des Grundsatzes der zweiten Chance zu vermindern und Entwicklungsunterstützung in Form der Vermittlung von Finanzwissen/Bildung zu leisten.

1.11.

Der EWSA fordert die Kommission auf, alle laufenden und neuen Initiativen zur Unterstützung sozialwirtschaftlicher Unternehmen zusammenzufassen und dazu eine Mitteilung nebst Aktionsplan für die Sozialwirtschaft zu veröffentlichen. Dies steht im Einklang mit den Schlussfolgerungen des Rates vom 7. Dezember 2015 zur „Förderung der Sozialwirtschaft als treibende Kraft der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in Europa“.

2.   Hintergrund

2.1.

In der Mitteilung über „Europas Marktführer von morgen: die Start-up- und die Scale-up-Initiative“ wird festgehalten:

Wachstumsintensive Unternehmen schaffen im Vergleich zu anderen Unternehmen weitaus mehr Arbeitsplätze (1). Start-ups, die sich rasch zu größeren Unternehmen entwickeln, haben einen großen Anteil an solchen Unternehmen. Sie steigern die Innovation und Wettbewerbsfähigkeit der EU und stärken die Wirtschaft. Solche „Scale-ups“ können auch sozialen Nutzen einschließlich flexiblere und modernere Arbeitsmodalitäten bieten. In ihrer Binnenmarktstrategie kündigte die Kommission an, nach Lösungen zu suchen, wie der Binnenmarkt für Start-ups und Scale-ups effizienter gestaltet werden kann.

Laut den Ergebnissen einer von der Kommission Anfang 2016 durchgeführten öffentlichen Konsultation (2)

stehen Start-ups, die ihr Geschäft ausbauen möchten, immer noch vor zu vielen regulatorischen und administrativen Hürden, insbesondere in einem grenzüberschreitenden Kontext;

gibt es sowohl für Start-ups als auch für Scale-ups zu wenige Möglichkeiten, potenzielle Finanzpartner, Geschäftspartner und lokale Behörden zu finden und mit ihnen zusammenzuarbeiten;

ist der Zugang zu Finanzmitteln eines der größten Hindernisse für das Unternehmenswachstum.

2.2.

Die Kommission schlägt in ihrer Mitteilung eine Reihe von Maßnahmen zur Reduzierung und/oder Beseitigung dieser Hindernisse vor.

2.2.1.

Beseitigung von Hindernissen:

ein zentrales digitales Portal, um einen einfachen Online-Zugang zu Informationen zu bieten;

die Schaffung einer einzigen Mehrwertsteuerzone;

die Einführung der gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB);

die Regelung für eine zweite Chance und einen Restrukturierungsrahmen in den Mitgliedstaaten;

einen besseren Zugang zu öffentlichen Aufträgen.

2.2.2.

Unterstützung der Kontaktaufnahme mit den richtigen Partnern:

Kontaktaufnahmen mit Hochschulen, Forschungszentren, Anlegern und Partnern;

die Erschließung von Möglichkeiten; Mitarbeiter mit den richtigen fachlichen Kompetenzen finden; die Innovationsmöglichkeiten verbessern, insbesondere für soziale Start-ups.

2.2.3.

Zugang zu Finanzmitteln:

der Europäische Fonds für strategische Investitionen (zusätzlich zur Kapitalmarktunion).

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Diese Stellungnahme befasst sich mit der Mitteilung der Kommission über „Europas Marktführer von morgen: die Start-up- und die Scale-up-Initiative“, in der Maßnahmen zur Erschließung des vollen Potenzials wachstumsstarker Unternehmen vorgeschlagen werden. Der EWSA hat sich jedoch dafür entschieden, den thematischen Bereich der Stellungnahme auszuweiten und über diese Maßnahmen aus der Perspektive aller Formen von Start-ups — einschließlich potenzieller Start-ups und Scale-ups — nachzudenken.

3.2.

Der EWSA begrüßt diese Initiative und das Engagement zur Beseitigung von Hindernissen. Der EWSA möchte auf die umfangreichen Arbeiten im Rahmen früherer Stellungnahmen hinweisen, die auf die Schaffung eines günstigen Umfelds für verschiedene Unternehmensformen in der EU (3) abzielen, und wiederholt seine Forderung, mehr für die unternehmenspolitische Agenda (4) zu tun.

3.3.

Da die Start-up und Scale-up-Initiative eine Weiterentwicklung und Erweiterung des Small Business Act darstellt, ist der EWSA der Auffassung, dass eine Aktualisierung und Neubelebung des Small Business Acts wirkungsvoller wäre, anstatt weiterhin einzelne Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Der EWSA begrüßt und unterstützt diese und andere Initiativen zur Unterstützung von Start-ups und Scale-ups. Es ist jedoch schwierig, einen vollständigen Überblick über alle Maßnahmen zu bekommen, wenn die verschiedenen Initiativen nicht in einer gemeinsamen und umfassenden politischen Agenda zusammengefasst werden.

3.4.

Der EWSA hebt die Notwendigkeit eines wirksamen allgemeinen Maßnahmenpakets hervor, das die Unternehmensvielfalt berücksichtigt, und unterstützt daher das Ziel der Kommission, einen koordinierten Ansatz in allen Politikbereichen der EU zu fördern.

3.5.

Der EWSA lenkt die Aufmerksamkeit der Kommission auf eine EWSA-Stellungnahme. Diese enthält eine Reihe von Empfehlungen, die für Start-ups und Scale-ups von großer Relevanz sind:

ein zentrales Netzwerk für KMU in der EU;

den Grundsatz „Vorfahrt für KMU“ und den Einmaligkeitsgrundsatz rechtsverbindlich machen;

angemessener auf die Vielfalt der KMU eingehen.

3.6.

Des Weiteren fordert der EWSA in seiner Stellungnahme vom Dezember 2016 (5) die Kommission auf, wachstumsstarke Unternehmen zu fördern, indem

Synergien zwischen den innovativen politischen Maßnahmen der verschiedenen zuständigen Generaldirektionen überwacht und geschaffen werden;

die Cluster und Ökosysteme, in denen innovative Start-Ups gegründet werden, gestärkt werden;

die Fokussierung akademischer Agenden auf zukunftsorientierte Berufe gefördert wird.

3.7.

Vor allem gilt es, das große Potenzial bestehender Kleinstunternehmen — die häufig Familienunternehmen sind — sowie die Entwicklungsmöglichkeiten sozialwirtschaftlicher Unternehmen zu erkennen. Außerdem sollte die Kommission nach Ansicht des EWSA bedenken, dass nicht alle wachstumsstarken Unternehmen dem Hochtechnologiesektor angehören. Auch die Dienstleistungsbranche, die Modebranche, der elektronische Handel sowie andere innovative Branchen benötigen Aufmerksamkeit und Unterstützung.

3.8.

Der EWSA fordert die Kommission ebenfalls auf sicherzustellen, dass sämtliche Initiativen auch neu entstehenden Unternehmensphänomenen wie der kollaborativen Wirtschaft (6) Rechnung tragen. Sie alle stoßen auf ähnliche und zusätzliche Hindernisse in der Gründungsphase und bei der Expansion im Binnenmarkt.

3.9.

Der EWSA begrüßt die Einrichtung eines zentralen digitalen Portals, um den Zugang zu Informationen zu vereinfachen, ist jedoch der Ansicht, dass dieses Instrument beim Abbau aufwendiger Vorschriften und Regelungen nur von begrenzter Wirkung sein wird. Der EWSA empfiehlt zudem, diesem zentralen digitalen Portal auch ein Internetportal für Forschung und Entwicklung zur Seite zu stellen. Strukturelle Zusammenarbeit mit zwischengeschalteten Organisationen ist ein sehr wirksames Mittel zur Verbesserung der Informationen für Start-ups.

3.10.

Die Kommission sollte einige der dringendsten Hindernisse angehen, insbesondere in den Bereichen regulatorische, steuerliche und verwaltungsspezifische Hemmnisse. Der EWSA möchte betonen, dass KMU einschließlich Kleinstunternehmen, Familienbetriebe oder sozialwirtschaftliche Unternehmen häufig keine oder geringe eigene Kompetenzen zur Bewältigung der sehr komplexen und bürokratischen Regelungen und Verwaltungslasten haben. Deshalb ist Vereinfachung von zentraler Bedeutung.

3.11.

Der EWSA unterstützt die vorgeschlagenen Peer Reviews zur Teilung bewährter Verfahren und der Ermittlung von Unterschieden zwischen den Mitgliedstaaten mit dem Ziel, die Initiativen besser aufeinander abzustimmen. Um wirksam sein zu können, müssen die Ergebnisse der Peer Reviews transparent sein und unter den Interessenträgern verbreitet werden.

3.12.

Der EWSA unterstützt auch die Entscheidung der Kommission, die Beratungsdienste des Enterprise Europe Network (EEN) durch spezielle Start-up- und Scale-up-Berater auszubauen, die über nationale und europäische Vorschriften, Finanzierungsmöglichkeiten, Aufbau von Partnerschaften und Zugang zu grenzüberschreitenden Vergabeverfahren Auskunft geben. An dieser Stelle möchte der EWSA erneut die Bedeutung und den Nutzen einer besser strukturierten Zusammenarbeit mit zwischengeschalteten Stellen und beteiligten Organisationen — auch in der Sozialwirtschaft — hervorheben.

3.13.

Der EWSA unterstützt die Absicht der Kommission, Start-ups und Scale-ups in internationalen Handelsabkommen zu berücksichtigen, da eine wachsende Zahl solcher Unternehmen rasch einen internationalen Markt (in häufig sehr begrenzten Segmenten) erreichen muss.

3.14.

Der EWSA anerkennt und unterstützt das in dieser Initiative zum Ausdruck gebrachte Engagement der Kommission, die Einhaltung von EU-Vorschriften zu Arbeitsbedingungen, Arbeitsrechten und Tarifverträgen durchzusetzen und hochwertige Arbeitsplätze anzustreben.

3.15.

Der EWSA möchte sich zu folgendem Wortlaut der Kommissionsmitteilung äußern: „wie z. B. flexible und moderne Beschäftigungsverhältnisse“. Diese Aussage kann zu Missverständnissen und potenziellem Missbrauch führen.

3.16.

Die strukturelle Einbeziehung der Sozialpartner ist von zentraler Bedeutung und sollte gefördert werden, um einen fairen Wettbewerb unter den Unternehmen sicherzustellen und das Risiko des Sozialdumpings abzuwenden, wie der EWSA in verschiedenen Stellungnahmen (7) deutlich gemacht hat.

3.17.

Der EWSA möchte das derzeitige Verfahren zum Geoblocking (8) ansprechen. Geoblocking könnte ein großes neues Hindernis für Start-ups und Scale-ups darstellen, die keine Kapazitäten zum gleichzeitigen mehrsprachigen Auftritt in verschiedenen Staaten haben. Es ist von entscheidender Bedeutung, den Unterschied zwischen aktiven und passiven Verkäufen zu vermitteln. Den nationalen Rechtsvorschriften muss nur in denjenigen Staaten entsprochen werden, in denen Aktivitäten angestrebt werden.

3.18.

Der EWSA unterstützt den Vorschlag, den Zugang von KMU — insbesondere von Scale-ups — zu den Horizont-2020-Programmen zu verbessern. Der Europäische Innovationsrat und das Innovationsradar können wirksame Mittel sein, sofern sie nicht zu schwerfällig sind, und sie können tatsächlich dazu beitragen, dass die angestrebten KMU-Ziele erreicht werden. Zudem empfiehlt der EWSA, bei diesen Initiativen der sozialen Innovation — die häufig neue Geschäftsmodelle hervorbringt — besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

3.19.

Der EWSA begrüßt ferner die ausdrückliche Erwähnung von Maßnahmen für Start-ups und Scale-ups in der Solidarwirtschaft und für soziale Unternehmen, ein Bereich, in dem der EWSA besondere Fachkenntnisse besitzt und verschiedene Stellungnahmen (9) verabschiedet hat.

3.20.

Der EWSA begrüßt, dass die Kommission die großen Schwierigkeiten der KMU bei der Wahrung ihrer Rechte des geistigen Eigentums erkannt hat. Die entsprechenden Kosten sind für kleine Unternehmen extrem hoch, und Durchsetzungskosten sind ebenfalls extrem hoch. Das bedeutet, dass kaum ein Start-up oder Scale-up diese Kosten aufbringen kann. Der EWSA fordert die Kommission auf, eine praktikable Lösung für dieses Problem zu finden.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1.    Partner, Cluster und Ökosysteme

4.1.1.

Ein allgemein positives Unternehmensklima ist für Wachstum und Innovation von zentraler Bedeutung. Der EWSA ist der Auffassung, dass diese Kommissionsinitiative nur dann Erfolg haben kann, wenn eine generelle Verbesserung des Unternehmensklimas angestrebt wird, das Risiko- und Experimentierfreudigkeit als Teil des Innovationsprozesses ermöglicht.

4.1.2.

Der EWSA teilt die Auffassung der Kommission, dass die Verbindung mit den richtigen Partnern für Start-ups und insbesondere für Scale-ups von enormer Bedeutung ist. Dass der europäische Markt nicht nur vorwiegend national ausgerichtet, sondern auch bei der Risikobereitschaft allgemein traditioneller ist, macht ein zweifaches Vorgehen erforderlich:

1)

Die EU und die Mitgliedstaaten können in laufender Zusammenarbeit mit zwischengeschalteten Organisationen und Einrichtungen bei der Förderung von Clustern mit Universitäten, Forschungszentren etc. eine wichtige Rolle spielen.

2)

Nur der Markt ermöglicht es, Anleger und Geschäftspartner zu finden, ohne jedoch die europäischen Programme oder die Rolle der EIB/des EIF zu unterschätzen. Diese Programme müssen aber aufgestockt und besser koordiniert werden.

4.1.3.

Der EWSA unterstützt die Pläne der Kommission, die derzeitige Initiative „Start-up-Europe“ auszubauen und die Arbeit der EU bei der Verknüpfung von Clustern und Ökosystemen in ganz Europa zu koordinieren.

4.1.4.

Der EWSA begrüßt, dass die Kommission die Schaffung von Communities mit Partnerschaften sowie maßgeschneiderten Ökosystemen als zentrale Faktoren für den Erfolg von Start-ups und Scale-ups unterstreicht. In diesem Zusammenhang begrüßt es der EWSA, dass die Kommission den sozialwirtschaftlichen Unternehmen besondere Aufmerksamkeit widmet und deren spezifische Eigenschaften sowie ihren Beitrag für die europäischen Gesellschaften anerkennt. Der EWSA fordert daher die Kommission erneut (10) auf, alle laufenden und neuen Initiativen in einem kohärenten Aktionsplan der EU für die Sozialwirtschaft zusammenzufassen, um die Sichtbarkeit und die Vernetzung zwischen den verschiedenen Initiativen zu verbessern.

4.2.    Mit öffentlichen Aufträgen verbundene Möglichkeiten

4.2.1.

Der EWSA unterstützt nachdrücklich die Absicht der Kommission, die mit öffentlichen Aufträgen verbundenen Möglichkeiten für Start-ups und Scale-ups zu verbessern. Der EWSA fordert die Kommission auf, zusätzlich zu den vorgeschlagenen Maßnahmen die Umsetzung und Anwendung der Beschaffungsrichtlinie in den Mitgliedstaaten aufmerksam zu verfolgen. Dies ist entscheidend, um sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten die verfügbaren Maßnahmen zur Verbesserung des Zugangs von KMU einschließlich sozialwirtschaftlicher Unternehmen zu öffentlichen Aufträgen umfassend nutzen. Der EWSA verweist auf seine einschlägige Stellungnahme zur öffentlichen Auftragsvergabe (11).

4.2.2.

Der EWSA begrüßt, dass der Innovationsbeschaffung und den Innovationspartnerschaften in der Mitteilung besondere Aufmerksamkeit zuteilwird. Dies macht jedoch ein vereinfachtes Regelwerk erforderlich. Innovationsbeschaffung, so wie sie in der Richtlinie beschrieben wird, scheint für Großunternehmen besser geeignet zu sein. Um an Innovationspartnerschaften teilnehmen zu können, muss eine eigene Abteilung hierfür vorhanden sein. Deswegen kommen Start-ups und Scale-ups nicht für solche Partnerschaften in Frage, weil Start-ups normalerweise nicht über eine solche spezielle Abteilung verfügen.

4.2.3.

Der EWSA weist darauf hin, dass die Einführung eines Instruments der Kommission (Selbstauskunft unter Verwendung der Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung), das KMU bei der Teilnahme an der öffentlichen Auftragsvergabe unterstützen soll, in vielen Fällen ein gegenteiliges Ergebnis gezeitigt hat, da es als ein Hindernis für die Teilnahme an der Auftragsvergabe empfunden wird. Start-ups und Scale-ups haben Schwierigkeiten, all die erforderlichen Informationen und Formulare zusammenzutragen. Aus diesem Grund ist Unterstützung notwendig, die von zwischengeschalteten Organisationen (KMU-Verbände und andere einschlägige Organisationen) erbracht werden könnte.

4.3.    Kompetenzen

4.3.1.

Der EWSA begrüßt, dass mit der neuen europäischen Agenda für Kompetenzen mit ihrer doppelten Ausrichtung auf Qualität und Kompetenzen mit Bedeutung für den Arbeitsmarkt einige der wichtigsten Herausforderungen angegangen werden. Diese Initiative kann jedoch nur dann erfolgreich sein, wenn die wichtigsten Zielgruppen erreicht werden. Umsetzung, Überwachung und Folgemaßnahmen sind erforderlich, um die Wirksamkeit zu gewährleisten.

4.3.2.

Der EWSA betont, dass der neuen europäischen Agenda für Kompetenzen und vor allem der geplanten Koalition für digitale Kompetenzen und Arbeitsplätze enorme Bedeutung zukommt und sie ein Meilenstein für die künftige Entwicklung sein können.

4.3.3.

Sozialwirtschaftliche Unternehmen entwickeln Antworten auf neue bzw. bislang nicht gebührend berücksichtigte soziale Bedürfnisse. Sie sind Wegbereiter der sozialen Innovation. Sozialwirtschaftliche Unternehmer (und andere) machen daher geltend, dass neben Initiativen für digitale Kompetenzen auch für andere Kompetenzbereiche wie Unternehmensentwicklung und Investitionsbereitschaft Maßnahmen erforderlich sind. Diese Kompetenzen sind für eine erfolgreiche Unternehmensgründung ebenso wichtig.

4.3.4.

Der EWSA fordert die Kommission auf, die Mitgliedstaaten dazu anzuhalten und dabei zu unterstützen, Bildungsprogramme für Unternehmer aufzustellen, aber auch den Austausch bewährter Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten und Interessenträgern zu fördern. Es ist ratsam, solche Programme bereits in einem frühen Stadium des Bildungssystems vorzusehen, da sich gezeigt hat, dass sie dann eine größere Wirkung entfalten.

4.3.5.

Außerdem sind Gründerzentren und zentrale Anlaufstellen (ebenso wie Entwicklung, Beratung und finanzielle Unterstützung) häufig in der frühen und der Wachstumsphase entscheidend. Die Kommission sollte bewährte Verfahren in diesem Bereich fördern und für ihren Austausch sorgen.

4.4.    Besteuerung

4.4.1.

Der EWSA teilt die Sorge der Kommission, dass die Besteuerung ein erhebliches Hindernis für Start-ups und Scale-ups sein kann. Zentrale Probleme, die gelöst werden müssen, sind die hohen Befolgungskosten, insbesondere jene, die durch unterschiedliche nationale Steuerregelungen verursacht werden.

4.4.2.

Der EWSA appelliert an die Kommission, die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, den Vortrag eventueller Verluste, die bei der Unternehmensgründung und in der Wachstumsphase auftreten, weder im Umfang noch zeitlich zu begrenzen.

4.4.3.

Der EWSA begrüßt auch die in der Kommissionsmitteilung skizzierte Möglichkeit für KMU, für die gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage optieren zu können.

4.4.4.

Außerdem ist die Besteuerung des Verbrauchs im Rahmen des MwSt.-Systems für KMU sehr komplex. Zudem ergibt sich für Start-ups eine zusätzlich Belastung dadurch, dass die für jede einzelne Ware oder Dienstleistung in den Mitgliedstaaten geltenden MwSt.-Sätze ermittelt werden müssen. Dies verursacht hohe Kosten, die sie letztlich vom grenzüberschreitenden Handel zurückschrecken lassen. Der EWSA unterstützt daher die Absicht der Kommission, eine einzige Mehrwertsteuerzone zu schaffen und ein Maßnahmenpaket zur Vereinfachung der Mehrwertsteuerregelungen für KMU einschließlich Start-ups vorzulegen. Damit wird ein Thema angegangen, das ein erhebliches Hindernis für Kleinstunternehmen ist.

4.4.5.

Die Besteuerung von Kapitalerträgen auf persönlicher Ebene in vielen Mitgliedstaaten hält ebenfalls von Investitionen in Start-ups und Scale-ups ab, zumal wenn andere Anlagealternativen niedriger oder überhaupt nicht besteuert werden. Die Besteuerung von Aktienoptionen könnte diesbezüglich besonders berücksichtigt werden. Der EWSA unterstützt daher die fortlaufende Überwachung der einzelstaatlichen Steuerregelungen/Anreize für Investitionen in Start-ups und Scale-ups durch die Kommission.

4.4.6.

Die Unternehmen der Sozialwirtschaft sollten in den Genuss steuerlicher Regelungen kommen können, die es ihnen gestatten, ihr wirtschaftliches Potenzial voll auszuschöpfen. Dabei müssen ihre sozialen und umweltbezogenen Zielsetzungen berücksichtigt werden und die Grundsätze des freien Wettbewerbs gewahrt bleiben. Verschiedene Maßnahmen sind vorstellbar:

Bestandsaufnahme der unterschiedlichen bestehenden steuerlichen Anreize für die Finanzierung von sozialwirtschaftlichen Unternehmen mit dem Zweck, die bewährten Verfahren zu verbreiten;

Förderung der sozialen Innovation durch

Steuergutschriften für Schenkungen oder besonders ertragsschwache Investitionen in soziale Innovationen, die gesellschaftlichen Prioritäten entsprechen;

Gewährung von rückzahlbaren Steuergutschriften für Forschung und Entwicklung für Unternehmen ohne Erwerbscharakter für die Realisierung von Innovationen im sozialen Bereich sowie die Verbesserung der Produktivität personenbezogener Dienstleistungen und von Nachbarschaftsdiensten.

4.5.    Zugang zu Finanzmitteln

4.5.1.

Start-ups und Scale-ups sind vom Zugang zu Eigen- und Fremdkapital abhängig. Der EWSA hat in früheren Stellungnahmen (12) festgestellt, dass der Zugang zu Risikokapital in der EU erheblich eingeschränkter ist als in den USA. Der Hauptgrund hierfür ist die stark fragmentierte Risikokapitalbranche in der EU (die auf bestimmte Mitgliedstaaten konzentriert ist). Der EWSA anerkennt, dass die Kommission dieses Problem durch die Einrichtung des europaweiten Risikokapitaldachfonds angeht. Er fordert die Kommission auf, die Vorschläge des EWSA (13) zur Kenntnis zu nehmen und ihre Anwendung und Auswirkungen sorgfältig zu überwachen.

4.5.2.

In derselben Stellungnahme wies der EWSA auf die unzureichende Beteiligung privater Anleger hin und empfahl Anreize für öffentlich-private Partnerschaften, wo asymmetrische Mittel in Betracht gezogen werden könnten (die in Finnland, Großbritannien, Griechenland und den Niederlanden bereits bestehen). Der EWSA begrüßt nun eine ähnliche Lösung, die es in Privatbesitz befindlichen Investmentfonds gestattet, in den Genuss öffentlicher Garantien für Investitionen in Start-ups und Scale-ups zu kommen.

4.5.3.

Der EWSA begrüßt auch die vorgeschlagene Aufstockung der Mittel für EFSI und COSME, um zusätzliche Finanzmittel für eine wirksame Politik für Start-ups und Scale-ups unter Berücksichtigung ihrer Vielfalt zur Verfügung zu stellen.

4.5.4.

Gleichwohl muss betont werden, dass die meisten Start-ups durch Bankkredite finanziert werden, die auf persönlichen und Familienbürgschaften beruhen. Während Bankkredite die Realität prägen, ist der Zugang zu Beteiligungskapital als Finanzinstrument ebenso notwendig, in Europa indes aufgrund benachteiligender Steuerregelungen, mangelnder Beteiligungskapitalkultur, geringen Finanzwissens und fragmentierter Insolvenzregelungen nicht ausreichend entwickelt.

4.5.5.

Der EWSA fordert die EU-Mitgliedstaaten auf, mit Unterstützung der Kommission alternative legale Geschäftsformen zu sondieren und zu fördern, wie z. B. die vereinfachte Aktiengesellschaft mit hohem Innovations- und Wachstumspotenzial (die für Start-ups in Frankreich und der Slowakei typisch ist).

4.5.6.

Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten ferner auf, mit Unterstützung der Kommission die Insolvenzvorschriften zu vereinfachen und zu harmonisieren und den in der EWSA-Stellungnahme zum Thema „Insolvenzverfahren“ (14) vorgeschlagenen Grundsatz der „zweiten Chance“ zu realisieren.

4.5.7.

Die Herausforderung in puncto Insolvenzverfahren und -vorschriften besteht darin, die Vermögenswerte scheiternder Start-up-Unternehmen angemessen zu bewerten. In vielen Fällen ist Know-how — anstatt Sachanlagen — das wichtigste Gut, wie der EWSA bereits festgestellt hat (15).

4.5.8.

In früheren Stellungnahmen hat der EWSA das für sozialwirtschaftliche Unternehmen erforderliche finanzielle Ökosystem (16) umfassend sondiert. Ebenso wie anderen Start-ups müssen ihnen Mischkapitallösungen mit einem Garantieelement, innovative Instrumente für eine Finanzierung in der zweiten Phase und Vermittlung von Finanzwissen einschließlich der Investitionsbereitschaft angeboten werden. Ein besonderes Merkmal von Investitionen in und der Finanzierung von sozialwirtschaftlichen Unternehmen ist, dass die Investitionserträge auch die soziale Wirkung beinhalten. Die Kommission sollte die Mitgliedstaaten bei solchen Initiativen unterstützen.

5.   Besondere Überlegungen für sozialwirtschaftliche Unternehmen und neue Unternehmensformen

5.1.

Der EWSA begrüßt, dass in der Kommissionsmitteilung insbesondere spezifische Maßnahmen für die Solidarwirtschaft und soziale Unternehmen betont und weitere Maßnahmen für neue Geschäftsmodelle sondiert werden.

5.2.

In diesem Zusammenhang muss unbedingt die Verbindung zwischen sozialer Innovation und den Start-ups im Bereich der Sozialwirtschaft und neuer Geschäftsmodelle erwähnt werden, mit denen sich der EWSA bereits eingehend befasst hat (17). Es ist notwendig zu verstehen, dass soziale Innovation auf einem anderen Innovationsprozess mit speziellen Kriterien und Grundsätzen basiert. Alle Maßnahmen zur Unterstützung sozialwirtschaftlicher Start-ups und neuer Geschäftsmodelle müssen daher von zentralen zugrundeliegenden Werten ausgehen, wie der Messung der Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt, des gemeinsamen Mehrwerts und der „Open-Source“-Aspekte, die mit der sozialen Innovation verknüpft sind (18). Nur dann können sozialwirtschaftliche Unternehmen und diese neuen, im Werden begriffenen Formen sozialer Unternehmen von den Unterstützungsmaßnahmen profitieren, tragfähig sein und erfolgreich wachsen.

5.3.

Ebenso wichtig ist es zu verstehen, wie und ob die Unternehmen der Sozialwirtschaft und diese neuen Unternehmensformen wachsen (sie könnten sich, anstatt selbst zu wachsen, auch dafür entscheiden, eine gute Idee zu teilen). Wie der EWSA bereits betont hat, ist es von zentraler Bedeutung, der Logik dieser unterschiedlichen Geschäftsmodelle voll und ganz bei sämtlichen Initiativen für Start-ups und Scale-ups Rechnung zu tragen und Unterstützungsinstrumente entsprechend zu konzipieren. Unterstützungsmechanismen beruhen häufig eher auf dem traditionellen Geschäftsmodell, das heute die Regel ist, anstatt auf diesen sozialwirtschaftlichen oder neu entstehenden Geschäftsmodellen.

6.   Weitere Erfordernisse

6.1.

Der EWSA hat stets betont, dass die Sichtbarkeit, Anerkennung und Förderung dieser unterschiedlichen Unternehmensformen verbessert werden muss. Dies umfasst eine bessere Erfassung statistischer Daten und die Untersuchung der verschiedenen, in der EU derzeit bestehenden Geschäftsmodelle sowie ihrer spezifischen Logik.

6.2.

Eine Datenbank bewährter Verfahren in Bezug auf Maßnahmen zur Förderung von Start-ups und Scale-ups in ihrer ganzen Vielgestaltigkeit wäre sehr nützlich. Die Kommission ist gut dafür gerüstet, diesen Austausch bewährter Verfahrensweisen unter den Mitgliedstaaten zu erleichtern.

6.3.

Die Werte, Grundsätze und Daseinsgründe der Unternehmen der Sozialwirtschaft müssen bekannt gemacht werden, da sie Unternehmern Anregungen geben können. Erfahrungen und Methoden dieses Sektors können problemlos auf andere Geschäftsmodelle übertragen werden, wie z. B. die Grundsätze der Partnerschaft und der Mitgliedschaft. Diese basieren auf der Mitgestaltung über Sektoren und Interessengruppen hinweg; Lizenzvereinbarungen; Kapazitätsaufbau; „Huckepack“-Strategie (piggybacking), die das Größenwachstum anderer Unternehmen ermöglicht; „Open Source“ für die rasche Verbreitung von Lösungen; intelligente Netze auf der Grundlage geteilter kollektiver Werte; die Festlegung neuer Standards wie z. B. Bewegungen, die einen politischen Wandel anstreben. Ein Beispiel für letzteren Fall ist die Tatsache, dass soziale Innovation im Allgemeinen zu sozialpolitischer Innovation führt. Ebenso können traditionelle Unternehmen Anregungen für sozialwirtschaftliche Unternehmen bieten, z. B. in den Bereichen Marketing, Verkauf und Unternehmensführung, was ein weiteres Mal die Bedeutung des Austauschs bewährter Verfahren unterstreicht.

6.4.

Der EWSA ist als die Vertretung der europäischen Zivilgesellschaft bestens dafür geeignet, an der Förderung und Stärkung der unternehmerischen Entwicklung in der EU zugunsten von Beschäftigung, sozialem Wohlstand und Wachstum aktiv teilzunehmen. Daher bieten wir der Kommission an, unsere Kapazitäten und Fähigkeiten für weitere Initiativen für KMU — auch für sozialwirtschaftliche Unternehmen — beizusteuern.

Brüssel, den 31. Mai 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Henrekson und Johansson (2010) zufolge schaffen 4 % der Unternehmen 70 % der neuen Arbeitsplätze. Siehe auch: http://www.kauffman.org/blogs/policy-dialogue/2015/august/deconstructing-job-creation-from-start-ups.

(2)  http://ec.europa.eu/growth/tools-databases/newsroom/cf/itemdetail.cfm?item_id=8723&lang=de.

(3)  ABl. C 318 vom 23.12.2009, S. 22.

(4)  ABl. C 271 vom 19.9.2013, S. 61.

(5)  ABl. C 75 vom 10.3.2017, S. 6.

(6)  ABl. C 75 vom 10.3.2017, S. 33.

(7)  ABl. C 161 vom 6.6.2013, S. 14; ABl. C 303 vom 19.8.2016, S. 54; ABl. C 13 vom 15.1.2016, S. 2.

(8)  COM(2016) 289 final.

(9)  http://www.eesc.europa.eu/?i=portal.en.social-entrepreneurship-make-it-happen.

(10)  Beitrag des EWSA zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission 2017, http://www.eesc.europa.eu/?i=portal.en.publications.40059.

(11)  ABl. C 191 vom 29.6.2012, S. 84.

(12)  ABl. C 75 vom 10.3.2017, S. 6.

(13)  ABl. C 75 vom 10.3.2017, S. 48.

(14)  ABl. C 209 vom 30.6.2017, S. 21.

(15)  ABl. C 75 vom 10.3.2017, S. 6.

(16)  ABl. C 13 vom 15.1.2016, S. 152.

(17)  ABl. C 303 vom 19.8.2016, S. 28.

(18)  Der von „Europe Tomorrow“ entwickelte Sozialinnovationsindex sowie ABl. C 458 vom 19.12.2014, S. 14.


31.8.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 288/29


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Anpassung von Rechtsakten, in denen auf das Regelungsverfahren mit Kontrolle Bezug genommen wird, an Artikel 290 und 291 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union“

(COM(2016) 799 final — 2016/0400 (COD))

(2017/C 288/04)

Berichterstatter:

Jorge PEGADO LIZ

Befassung

Europäisches Parlament, 13.3.2017

Europäischer Rat, 13.3.2017

Rechtsgrundlage

Art. 43 Abs. 2, Art. 91, Art. 100 Abs. 2, Art. 114, Art. 153 Abs. 2 Buchst. b, Art. 168 Abs. 4 Buchst. b, Art. 172 und Art. 192 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

 

 

Zuständige Fachgruppe

Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

Annahme in der Fachgruppe

4.5.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

1.6.2017

Plenartagung Nr.

526

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

156/0/1

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) bedauert, dass die Kommission seinen früheren Stellungnahmen nicht Rechnung getragen hat und dass sie die Verhandlungen in Bezug auf die Anpassung von Rechtsakten, in denen auf das Regelungsverfahren mit Kontrolle Bezug genommen wird, zur Anpassung an Artikel 290 und 291 wiederaufnehmen muss.

1.2.

Der EWSA erinnert daran, dass er in seinen früheren Stellungnahmen die Leitrichtung definiert hat, die ihm am besten geeignet scheint, um die Grundwerte zu wahren, um die es in diesem Vorschlag geht — Rechtssicherheit, die Einhaltung der Grundrechte und die wirksame, ausgewogene und demokratische Ausübung der Befugnisse der Institutionen.

1.3.

Nach Ansicht des EWSA sollten diese Grundsätze auch für das neue Verfahren der Anpassung der Rechtsakte, die weiterhin dem Regelungsverfahren unterliegen, an das neue System der delegierten Rechtsakte und der Durchführungsrechtsakte gemäß Artikel 290 und 291 AEUV gelten.

1.4.

Vorbehaltlich einer eingehenden Analyse im Rahmen der erneuten Überprüfung eines jeden Rechtsaktes, der einer Stellungnahme des EWSA unterliegt, fasst der EWSA hiermit die Anmerkungen zusammen, die seiner Ansicht nach für jeden der in dem Vorschlag angekündigten Legislativvorschläge angemessen sind.

2.   Vorschlag der Kommission

2.1.

In ihrem Vorschlag stellt die Kommission fest, dass eine erhebliche Zahl der Basisrechtsakte, die der Regelung gemäß Beschluss 2006/512/EG des Rates („Komitologiebeschluss“) unterliegen, kraft der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments (EP) und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren („Komitologieverordnung“) noch den Artikeln 290 und 291 AEUV angepasst werden müssen.

2.2.

Sie hatte sich dazu verpflichtet, diese bis 2013 anzupassen und zu diesem Zweck 2013 drei bereichsübergreifende Anpassungen vorgeschlagen, die „Omnibus I, II und III“ genannt wurden.

2.3.

Nach einer eingehenden Diskussion mit dem EP und zahlreichen Änderungen der Vorschläge weigerte sich der Rat, diese automatische und pauschale Anpassung aller Regelungsverfahren mit Kontrolle an delegierte Rechtsakte zu unterstützen, da nicht sichergestellt sei, dass die Sachverständigen der Mitgliedstaaten in der Phase der Vorbereitung delegierter Rechtsakte systematisch konsultiert werden. Angesichts der so entstandenen institutionellen Blockade nahm die Kommission ihre Vorschläge zurück.

2.4.

Im Zuge der Überarbeitung der interinstitutionellen Vereinbarung „Bessere Rechtsetzung“ (IIV) und der Annahme der „Verständigung über delegierte Rechtsakte“ im Anhang zu der Vereinbarung legte die Kommission einen neuen Vorschlag vor, in dem sie die Einwände des Rates berücksichtigte. In diesem Vorschlag wurde den Änderungen Rechnung getragen, die durch die neue interinstitutionelle Vereinbarung in Bezug auf die Konsultation der Sachverständigen der Mitgliedstaaten bei der Vorbereitung der delegierten Rechtsakte und die gleichzeitige Konsultation des EP eingeführt wurden.

2.5.

Der Vorschlag umfasst die 13 Kapitel des Anhangs, in dem die 168 Rechtsakte in chronologischer Reihenfolge aufgeführt sind, die von der Kommission in vier Tabellen eingeordnet wurden:

Tabelle 1 — Überblick über die Rechtsakte, deren Anpassung an Durchführungsrechtsakte für bestimmte Befugnisübertragungen vorgeschlagen wird;

Tabelle 2 — Übersicht über die Rechtsakte, für die bestimmte Befugnisübertragungen gestrichen werden sollen;

Tabelle 3 — Von der Kommission angenommene Vorschläge;

Tabelle 4 — Rechtsakte, für die Vorschläge geplant sind.

3.   Vorgeschichte — Stellungnahmen und Berichte des EWSA

3.1.

Der EWSA verabschiedete im Juli 2013 einen sehr detaillierten Informationsbericht, mit dem „die praktische Anwendung des mit dem Vertrag von Lissabon eingeführten Verfahrens der Befugnisübertragung für delegierte Rechtsakte beleuchtet werden soll“.

3.2.

Darin führte der EWSA Folgendes aus: „Die genaue rechtliche Natur der delegierten Rechtsakte bleibt ziemlich unbestimmt, der ‚nicht wesentliche‘ Charakter der Maßnahmen wird vom Gerichtshof je nach betroffenem Bereich unterschiedlich ausgelegt und die Kommission scheint hier einen großen Handlungsspielraum zu haben, da sie die Reichweite und Dauer der Befugnisübertragung selbst festlegt.“

3.2.1.

Der EWSA wies auf Folgendes hin: „Es gibt jedoch zahlreiche offene Fragen hinsichtlich der Transparenz des Systems der vorherigen Konsultation, das auf das rechtlich nicht verbindliche Dokument ‚Common Understanding on practical arrangements for the use of delegated acts‘ vom 4. April 2011 zurückgeht.“

3.2.2.

Er merkte zudem an, „dass die Umsetzung von Artikel 290 AEUV in der diesbezüglichen Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat vom 9. Dezember 2009 vorgesehen ist. Dabei handelt es sich um ein juristisch nicht verbindliches Rechtsinstrument, während die Vorschriften über die Ausübung der Durchführungsbefugnisse in der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 geregelt sind, d. h. in einem allgemein gültigen Rechtsakt, der in all seinen Teilen verbindlich ist und unmittelbar gilt“.

3.2.3.

Er kam zu dem Schluss, dass „es nach wie vor Zweifel an der Einfachheit des Verfahrens [gibt], daran, ob die Unionsbürger wirklich erkennen, worum es hier geht, ob dieses Verfahren korrekt zum Einsatz kommt und die Kontrollmechanismen wirksam sind“. Ferner bot der EWSA an, eine Initiativstellungnahme zu dieser Thematik zu erarbeiten, um ausgehend von den in diesem Bericht objektiv formulierten Anmerkungen und Schlussfolgerungen Position zu beziehen, und gegebenenfalls einen Vorschlag zur Verbesserung des Rechtsetzungsverfahrens der EU vorzulegen.

3.3.

Im Juli und im September 2013 wurde der EWSA mit zwei Verordnungsvorschlägen „zur Anpassung von Rechtsakten, in denen auf das Regelungsverfahren mit Kontrolle Bezug genommen wird“ [COM(2013) 451 final] und „zur Anpassung von Rechtsakten im Bereich Justiz, in denen auf das Regelungsverfahren mit Kontrolle Bezug genommen wird, an Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ [COM(2013) 452 final] und in der Folge am 18. November und am 10. Dezember mit einem weiteren Verordnungsvorschlag „zur Anpassung von Rechtsakten, in denen auf das Regelungsverfahren mit Kontrolle Bezug genommen wird, an Artikel 290 und 291 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ [COM(2013) 751 final] befasst. Diese Verordnungen wurden als Omnibus I, II und III bezeichnet.

3.3.1.

In seinen Stellungnahmen vom 16. Oktober und 2. Januar unterstrich der EWSA, dass diese pauschale Anpassung von mehr als 165 Rechtsinstrumenten (Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen) aus zwölf verschiedenen Politikbereichen zwar notwendig sei, jedoch zahlreiche juristische und praktische Fragen aufwerfe.

3.3.2.

Er merkte an: „Einige Aspekte des Verfahrens der Befugnisübertragung [sind] nach wie vor unklar“ und „eine Definition des Begriffs ‚nicht wesentliche Vorschriften‘ [steht] noch aus. Auch sollte die Funktionsweise des Verfahrens präzise bewertet werden“.

3.3.3.

Ferner stellte er Folgendes fest: „Einige Verordnungsvorschläge enthalten Optionen, die nicht im Einklang mit dem durch den Basisrechtsakt abgesteckten Rahmen stehen, wobei sogar vorgeschlagen wird, dass die Befugnisübertragung auf unbegrenzte Zeit erfolgt oder dass Parlament und Rat nur sehr kurze Fristen für die Kontrolle haben.“

3.3.4.

Nach einer systematischen Analyse aller Vorschläge empfahl der EWSA der Kommission „die von ihr vorgenommene pauschale Anpassung so zu gestalten, dass die Besonderheiten einiger Basisrechtsakte stärker berücksichtigt werden“. Dem Rat und dem Parlament, legte er nahe, „höchste Wachsamkeit an den Tag zu legen und alle Rechtsakte, die von dieser Anpassung betroffen sind, gründlich zu prüfen“.

3.3.5.

Für den Fall, dass die Vorschläge — wie von der Kommission vorgeschlagen — weiterverfolgt werden, hob der EWSA die Bedeutung folgender Aspekte hervor:

vollständige Beteiligung des EP,

rationalisierte und vereinfachte Komitologieverfahren,

umfassendere Informationen sowohl in Bezug auf die Bedingungen der Befugnisübertragung auf die Ausschüsse als auch die einschlägigen Maßnahmen, die in allen Phasen des Verfahrens festgelegt werden,

uneingeschränkter Zugang der Bürger und der Zivilgesellschaft zu Informationen.

3.3.6.

Schließlich forderte der EWSA, dass die Auswirkungen der Anwendung des neuen Regelungsrahmens bewertet werden und dem Parlament, dem Rat und dem Ausschuss selbst regelmäßig ein Bericht über die Wirksamkeit, Transparenz und Informationsverbreitung vorgelegt wird.

3.4.

In der Zwischenzeit hatte die Kommission einen Entwurf einer rechtlich verbindlichen Interinstitutionellen Vereinbarung vorgelegt, die auf Artikel 295 basiert und Teil des Pakets „Bessere Rechtsetzung“ ist, worin delegierte Rechtsakte in zwei spezifischen Anhängen behandelt werden.

3.4.1.

In seiner Stellungnahme vom Juli 2015 begrüßte der EWSA „[…] die Bemühungen der Kommission um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Grundwerten — als da sind die Einhaltung der ‚Rechtsnorm‘, demokratische Teilhabe, Transparenz, Bürgernähe und das Recht auf eine sich auf die Gesetzgebungsverfahren erstreckende Information — auf der einen Seite und der Vereinfachung der Rechtsvorschriften, einer flexibleren und besser an die jeweiligen Interessen angepassten Regulierung mit einer Erleichterung ihrer Überarbeitung und Aktualisierung auf der anderen Seite“.

3.4.2.

Ferner nahm der EWSA erfreut zur Kenntnis, „dass sich „die Kommission [verpflichtet], vor der Annahme delegierter Rechtsakte das erforderliche Expertenwissen einzuholen, […] durch die Konsultation von Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten und durch öffentliche Konsultationen, und dass sie dasselbe Konsultationsverfahren für die Annahme von Durchführungsrechtsakten vorschlägt“.

3.4.3.

Der EWSA befürchtete jedoch, dass all diese Konsultationen die Ausarbeitung dieser Rechtsakte übermäßig und unnötig in die Länge ziehen könnten.

3.4.4.

Der EWSA war hingegen nicht voll einverstanden mit dem kasuistischen Ansatz bei der Unterscheidung der Bereiche, die Gegenstand eines delegierten Rechtsakts oder eines Durchführungsrechtsakts sein müssen, da die angewandten Kriterien zu vage blieben und zu viel Ermessensspielraum ließen.

3.4.5.

Der EWSA sprach sich insbesondere gegen Folgendes aus:

a)

das Fehlen von Vorabinformationen über die Sachverständigen der Mitgliedstaaten und ihre fachlichen Kompetenzen;

b)

das Fehlen einer angemessenen Frist für die Konsultation der Sachverständigen, der Interessenträger, des Europäischen Parlaments und des Rates, außer im Falle des Dringlichkeitsverfahrens;

c)

der fakultative Charakter der Konsultation und der Übermittlung der geplanten Sitzungstermine an das EP und die Interessenträger;

d)

die Inkohärenz der Information über die Annahme delegierter Rechtsakte, die systematisch und automatisch, in Echtzeit und über das Internet erfolgen sollte;

e)

die prinzipiell unbegrenzte Dauer der Befugnisübertragung: der EWSA war der Meinung, dass eine genaue Dauer bestimmt werden müsse, die eventuell um Zeiträume gleicher Länge verlängert werden kann, außer in ordnungsgemäß begründeten Ausnahmefällen.

3.4.6.

Der EWSA war der Ansicht, in den Leitlinien sollte ausdrücklich vorgesehen werden, dass die Befugnisübertragungen in sämtlichen Einzelheiten genau festgelegt werden, d. h.:

a)

konkrete Ziele;

b)

genau festgelegte Inhalte;

c)

klar umrissener Geltungsbereich;

d)

verbindliche, genau bestimmte Dauer.

3.4.7.

Der EWSA ist „der Auffassung, dass die Formulierung der Artikel 290 und 291 verbessert werden kann und dass sie im Falle einer künftigen Änderung der Verträge klarer gefasst werden sollten. Ihre Anwendung sollte ebenfalls besser geregelt werden, um zu verhindern, dass bei der Wahl des Rechtsinstruments eher politische als technische Überlegungen zum Tragen kommen.“

3.5.

In Ermangelung einer Einigung zwischen dem Parlament und dem Rat über das Verfahren der pauschalen Anpassung war die Kommission gezwungen, ihre Vorschläge zurückzuziehen und den vorliegenden Vorschlag zu unterbreiten.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1.

Angesichts seiner früheren Stellungnahmen fragt sich der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss, ob eine Verzögerung von mehr als vier Jahren in einem solch sensiblen Bereich gerechtfertigt werden kann.

4.2.

Der EWSA hatte ganz klar folgende Leitlinien vorgegeben:

a)

der Einsatz delegierter Rechtsakte sollte die Ausnahme und nicht die Regel sein;

b)

bei Zweifeln hinsichtlich des wesentlichen Charakters der betreffenden Vorschriften oder im Falle einer „Grauzone“ sollte die Kommission keine delegierten Rechtsakte vorschlagen, sondern die entsprechenden Bestimmungen im Basisgesetzgebungsakt erlassen;

c)

bei Zweifeln hinsichtlich der Art der zu ergreifenden Maßnahme sollte die Kommission vorzugsweise auf Durchführungsrechtsakte statt auf delegierte Rechtsakte zurückgreifen.

4.3.

Ferner kann der EWSA der Kommission in Bezug auf die vorstehend unter Ziffer 3.3.5 erwähnten Punkte nicht zustimmen.

4.4.

Einige der negativen Aspekte wurden in dem vorliegenden Vorschlag korrigiert. Zu bestimmten Punkten besteht jedoch weiter Uneinigkeit:

a)

die Kommission fordert nachdrücklich eine weiterhin unbegrenzte Geltungsdauer der delegierten Rechtsakte. Der EWSA ist unverändert der Auffassung, dass die Dauer der Befugnisübertragung grundsätzlich festzulegen ist, wobei diese — außer in ordnungsgemäß begründeten Ausnahmefällen — verlängert werden kann;

b)

der EWSA befürchtet weiterhin, dass es dem Parlament und dem Rat praktisch nicht möglich sein wird, den Inhalt der delegierten Rechtsakte tatsächlich rechtzeitig und wirksam zu kontrollieren;

c)

der EWSA hat weiterhin Bedenken in Bezug auf die genaue Unterscheidung zwischen Durchführungsrechtsakten und delegierten Rechtsakten, insbesondere was „Maßnahmen mit oder ohne wesentlichen Charakter“ in Bezug auf die Grundrechte angeht;

d)

abschließend führt er erneut aus, dass mit einer Umformulierung der Artikel 290 und 291 AEUV alle Zweideutigkeiten, die zu den aktuellen Problemen geführt haben, aus dem Weg geräumt werden könnten.

5.   Besondere Bemerkungen

Ausgehend von einer detaillierten Analyse eines jeden der 168 Vorschläge werden folgende Vorbehalte vorgebracht:

Tabelle 1

Überblick über die Rechtsakte, deren Anpassung an Durchführungsrechtsakte für bestimmte Befugnisübertragungen vorgeschlagen wird

Nr. im Anhang

Titel des Rechtsakts (1)

Bemerkungen des EWSA

2

Entscheidung Nr. 406/2009/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009

In Artikel 12a ist vorgesehen, dass der Kommission die Befugnis ab einem bestimmten Datum auf unbestimmte Zeit übertragen wird.

Anmerkung: Im Jahr 2013 hatten sowohl der Rat als auch das Europäische Parlament eine auf fünf Jahre befristete Dauer mit automatischer Verlängerung nach Vorlage eines Berichts der Kommission vor Ablauf der Übertragungsdauer bevorzugt. Jetzt ist die Kommission der Ansicht, eine unbestimmte Dauer der Befugnisübertragung sei gerechtfertigt, weil der Gesetzgeber die Befugnisübertragung in jedem Fall und jederzeit widerrufen kann (siehe S. 8 des Vorschlags der Kommission COM(2016) 799 final).

6

Entscheidung Nr. 626/2008/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 2008

Die Entscheidung bezieht sich auf die der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse.

Anmerkung: Die Kommission geht davon aus, dass für die Wahl zwischen delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten weiterhin die Einschätzung von 2013 (Omnibus-Vorschläge) gültig sei, da weder die Verhandlungen zu den genannten Vorschlägen noch die einschlägige Rechtsprechung bzw. das Ergebnis der IIV es erlaubt hätten, neue Kriterien zu definieren, die einer globalen Neubewertung unterzogen werden müssten (siehe S. 5 des Vorschlags der Kommission COM(2016) 799 final).

53

Verordnung (EG) Nr. 1221/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009

Im neuen Artikel 17 Absatz 3 ist keine Dauer der Übertragung der Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte an die Kommission vorgesehen.

Im neuen Artikel 48a ist vorgesehen, dass die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte gemäß Artikel 17 Absatz 3 und Artikel 48 der Kommission ab dem Datum des Inkrafttretens dieser Omnibus-Verordnung auf unbestimmte Zeit übertragen wird.

Anmerkung:

1.

Siehe Zeile 2 der Tabelle.

2.

Im neuen Artikel 17 Absatz 3 ist vorgesehen, dass in den Verfahren für Einsprüche gegen die aufgrund der Bewertung durch die zuständigen EMAS-Stellen getroffenen Entscheidungen delegierte Rechtsakte erlassen werden. Es scheint sich folglich um das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht zu handeln, das in Artikel 47 der Charta der Grundrechte verankert ist. Die Kommission wäre jedoch nicht befugt, ausgehend von einer Befugnisübertragung Bestimmungen über die Grundrechte oder deren Ausübung zu erlassen.

58

Verordnung (EG) Nr. 530/1999 des Rates vom 9. März 1999.

Im neuen Artikel 10a ist vorgesehen, dass der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte ab einem bestimmten Datum auf unbestimmte Zeit übertragen wird.

Anmerkung: Siehe Zeile 2 der Tabelle.

59

Verordnung (EG) Nr. 2150/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2002

Im neuen Artikel 5b ist vorgesehen, dass der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte ab einem bestimmten Datum auf unbestimmte Zeit übertragen wird.

60

Verordnung (EG) Nr. 437/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Februar 2003

Im neuen Artikel 3 Absatz 1 Ziffer 1 ist vorgesehen, dass jeder Mitgliedstaat statistische Daten erhebt. Im neuen Artikel 5 ist bezüglich der Genauigkeit der Statistiken vorgesehen, dass die Erhebung von Daten auf „Vollerhebungen“ beruht. Schließlich ist in Artikel 10a zur Ausübung der Befugnisübertragung vorgesehen, dass diese auf unbestimmte Zeit ab einem weiter zu bestimmenden Datum übertragen wird.

Anmerkung: Der EWSA merkt an, dass der Begriff „Vollerhebung“ sich auch auf personenbezogene Daten nach der Definition gemäß Artikel 8 der Charta der Grundrechte erstrecken kann, und er unterstreicht, dass der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden hat, dass diese nicht Gegenstand eines Verfahrens der Befugnisübertragung sein dürfen (siehe Urteil in der Rechtssache C-355/10, Parlament gegen Rat und Stellungnahme des EWSA, ABl. C 67 vom 6.3.2014, S. 104).

61

Verordnung (EG) Nr. 450/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Februar 2003

Im neuen Artikel 11a ist vorgesehen, dass der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte ab einem bestimmten Datum auf unbestimmte Zeit übertragen wird.

Anmerkung: Siehe Zeile 2 der Tabelle.

64

Verordnung (EG) Nr. 1552/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005

Im neuen Artikel 13a ist vorgesehen, dass der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte ab einem bestimmten Datum auf unbestimmte Zeit übertragen wird.

Anmerkung: Siehe Zeile 2 der Tabelle.

67

Verordnung (EG) Nr. 716/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007

Im neuen Artikel 9a ist vorgesehen, dass der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte ab einem bestimmten Datum auf unbestimmte Zeit übertragen wird.

Anmerkung: Siehe Zeile 2 der Tabelle.

69

Verordnung (EG) Nr. 1445/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007

Im neuen Artikel 10a ist vorgesehen, dass der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte ab einem bestimmten Datum auf unbestimmte Zeit übertragen wird.

Anmerkung: Siehe Zeile 2 der Tabelle.

70

Verordnung (EG) Nr. 177/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Februar 2008

Im neuen Artikel 15a ist vorgesehen, dass der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte ab einem bestimmten Datum auf unbestimmte Zeit übertragen wird.

Im neuen Artikel 8a ist vorgesehen, dass der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte ab einem bestimmten Datum auf unbestimmte Zeit übertragen wird.

73

Verordnung (EG) Nr. 452/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008

Im neuen Artikel 6a ist vorgesehen, dass der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte ab einem bestimmten Datum auf unbestimmte Zeit übertragen wird.

74

Verordnung (EG) Nr. 453/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008

Im neuen Artikel 8a ist vorgesehen, dass der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte ab einem bestimmten Datum auf unbestimmte Zeit übertragen wird.

Anmerkung:

1.

Siehe Zeile 2 der Tabelle.

2.

Der EWSA weist darauf hin, dass im neuen Artikel 7 vorgesehen ist, dass der Kommission die Befugnis übertragen wird, delegierte Rechtsakte für die Erstellung einer Reihe von Durchführbarkeitsstudien zu erlassen […]. Diese Studien werden von Mitgliedstaaten erstellt, die Schwierigkeiten haben, Daten vorzulegen […].

Der EWSA fragt sich, ob sich die Daten über die menschliche Gesundheit auf die Gesundheit von Bewerbern auf einen Arbeitsplatz beziehen. In diesem Fall wären dies personenbezogene Daten, die nicht Gegenstand einer Befugnisübertragung sein dürfen (siehe Urteil in der Rechtssache C-355/10, wie vorstehend zitiert).

89

Richtlinie 2006/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates

Im neuen Artikel 21a ist vorgesehen, dass der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte ab einem bestimmten Datum auf unbestimmte Zeit übertragen wird.

Anmerkung: Siehe Zeile 2 der Tabelle.

99

Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009

Im neuen Artikel 31a ist vorgesehen, dass der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte ab einem bestimmten Datum auf unbestimmte Zeit übertragen wird.

Anmerkung: Siehe Zeile 2 der Tabelle.

104

Richtlinie 97/70/EG des Rates vom 11. Dezember 1997

Im neuen Artikel 8a ist vorgesehen, dass der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte ab einem bestimmten Datum auf unbestimmte Zeit übertragen wird.

Anmerkung: Siehe Zeile 2 der Tabelle.

114

Verordnung (EG) Nr. 725/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004

Im neuen Artikel 10a ist vorgesehen, dass der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte ab einem bestimmten Datum auf unbestimmte Zeit übertragen wird.

Anmerkung: Siehe Zeile 2 der Tabelle.

143

Richtlinie 2002/46/EG vom 10. Juni 2002

Im neuen Artikel 12a ist vorgesehen, dass der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte ab einem bestimmten Datum auf unbestimmte Zeit übertragen wird.

Anmerkung:

1.

Siehe Zeile 2 der Tabelle.

2.

Der EWSA stellt fest, dass im Rahmen der Richtlinie 2002/46/EG die Bestimmungen über Nahrungsergänzungsmittel harmonisiert werden, damit die Verbraucher vor eventuellen Gesundheitsrisiken geschützt und nicht durch die Angaben auf diesen Produkten irregeführt werden. Diese Richtlinie bezieht sich also auf die Anwendung von Artikel 38 der Grundrechtecharta. Die Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament müssen daher ein Höchstmaß an Kontrolle ausüben können.

144

Richtlinie 2002/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 2003

Im neuen Artikel 27a ist vorgesehen, dass der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte ab einem bestimmten Datum auf unbestimmte Zeit übertragen wird.

Anmerkung:

1.

Siehe Zeile 2 der Tabelle.

2.

Der EWSA stellt fest, dass sich die Richtlinie auf die Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Gewinnung […] von menschlichem Blut und Blutbestandteilen zu therapeutischen Zwecken bezieht. Sie trägt also zur Umsetzung des Grundrechts auf Gesundheitsschutz nach Artikel 35 der Grundrechtecharta bei. Die Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament müssen daher ein Höchstmaß an Kontrolle ausüben können.

147

Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003

Im neuen Artikel 34 ist vorgesehen, dass der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte ab einem bestimmten Datum auf unbestimmte Zeit übertragen wird.

Anmerkung:

1.

Siehe Zeile 2 der Tabelle.

2.

Der EWSA stellt fest, dass in der Verordnung vorgesehen ist, dass bei „der Durchführung der Politiken der Gemeinschaft […] ein hohes Maß an Schutz für Leben und Gesundheit des Menschen gewährleistet werden“ sollte. Sie bezieht sich also auf die Anwendung von Artikel 35 der Grundrechtecharta über den Gesundheitsschutz. Die Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament müssen daher ein Höchstmaß an Kontrolle ausüben können.

151

Verordnung (EG) Nr. 2160/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. November 2003

Im neuen Artikel 13a ist vorgesehen, dass der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte auf unbestimmte Zeit ab einem bestimmten Datum übertragen wird.

Anmerkung:

1.

Siehe Zeile 2 der Tabelle.

2.

Der EWSA stellt fest, dass mit der Verordnung gewährleistet werden soll, „dass Maßnahmen zur Feststellung und Bekämpfung von Salmonellen […] auf allen [Stufen], insbesondere auf der Ebene der Primärproduktion“ (in diesem Zusammenhang handelt es sich dabei um Geflügelhaltung und andere Tierbestände), „auch in Futtermitteln, getroffen werden, um die Prävalenz dieser Erreger und das von ihnen ausgehende Risiko für die öffentliche Gesundheit zu senken“. Diese Verordnung bezieht sich also auf die Anwendung von Artikel 35 der Grundrechtecharta. Die Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament müssen daher ein Höchstmaß an Kontrolle ausüben können.

152

Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004

Im neuen Artikel 28a ist vorgesehen, dass der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte auf unbestimmte Zeit ab einem bestimmten Datum übertragen wird.

Anmerkung:

1.

Siehe Zeile 2 der Tabelle.

2.

Der EWSA stellt fest, dass sich die Richtlinie auf den Gesundheitsschutz nach Artikel 35 der Grundrechtecharta bezieht und dass in ihr der Kommission die Befugnis übertragen wird, gemäß Artikel 290 AEUV Rechtsakte zu erlassen, um die Richtlinie durch Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit zu ergänzen. Der EWSA ist der Ansicht, dass diese Befugnisübertragung zu weitreichend ist und dass die Gefahr besteht, dass sie wesentliche Vorschriften betreffen wird. Es scheint daher ein Verstoß gegen die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union vorzuliegen (siehe die vorstehend genannte Rechtssache C-355/10).

158

Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006

Im neuen Artikel 24a ist vorgesehen, dass der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte auf unbestimmte Zeit ab einem bestimmten Datum übertragen wird.

Anmerkung:

1.

Siehe Zeile 2 der Tabelle.

2.

Der EWSA stellt fest, dass sich die Verordnung auf die Anwendung der Artikel 35 und 38 der Grundrechtecharta bezieht und dass die Befugnisübertragung Maßnahmen umfasst, mit denen „Lebensmittel oder Kategorien von Lebensmitteln bestimmt werden, für die die Verwendung nährwert- oder gesundheitsbezogener Angaben eingeschränkt oder verboten werden soll“. Der EWSA ist der Ansicht, dass sich die verwendeten Begriffe auf wesentliche Maßnahmen erstrecken, die nicht Gegenstand einer Befugnisübertragung gemäß Artikel 290 AEUV sein können.

159

Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 vom 20. Dezember 2006

Im neuen Artikel 13a ist vorgesehen, dass der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte auf unbestimmte Zeit ab einem bestimmten Datum übertragen wird.

Anmerkung:

1.

Siehe Zeile 2 der Tabelle.

2.

Der EWSA stellt fest, dass sich die Verordnung auf die Anwendung der Artikel 35 und 38 der Grundrechtecharta bezieht und dass sie auf eine Verbesserung des Verbraucherschutzes abzielt, indem in ihr zusätzliche Etikettierungsbestimmungen festgelegt werden.

3.

Dabei müssen die Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament hinsichtlich der Änderung der Anhänge I und II der Verordnung ein Höchstmaß an Kontrolle ausüben können.

165

Verordnung (EG) Nr. 470/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009

Im neuen Artikel 24a ist vorgesehen, dass der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte auf unbestimmte Zeit ab einem bestimmten Datum übertragen wird.

Anmerkung:

1.

Siehe Zeile 2 der Tabelle.

2.

Der EWSA stellt fest, dass sich die Verordnung auf die Anwendung von Artikel 35 der Grundrechtecharta bezieht und dass der Kommission auch die Befugnis übertragen wird, Vorschriften in Bezug auf Maßnahmen bei nachgewiesenem Vorhandensein eines verbotenen oder nicht zugelassenen Stoffs zu erlassen. Diese Befugnisübertragung scheint zu weitreichend zu sein und es besteht die Gefahr, dass sie wesentliche Vorschriften betreffen wird. Es scheint daher ein Verstoß gegen die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union vorzuliegen (siehe die vorstehend genannte Rechtssache C-355/10).

166

Verordnung (EG) Nr. 767/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009

Im neuen Artikel 27a ist vorgesehen, dass der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte auf unbestimmte Zeit ab einem bestimmten Datum übertragen wird.

Anmerkung: Siehe Zeile 2 der Tabelle.

167

Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009

Im neuen Artikel 51a ist vorgesehen, dass der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte auf unbestimmte Zeit ab einem bestimmten Datum übertragen wird.

Anmerkung: Siehe Zeile 2 der Tabelle.


Tabelle 2

Übersicht über die Rechtsakte, für die bestimmte Befugnisübertragungen gestrichen werden sollen

Nr. im Anhang

Titel des Rechtsakts (2)

Bemerkungen des EWSA

2

Entscheidung Nr. 406/2009/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009

Artikel 12a OK. Übertragung auf unbestimmte Zeit wird ABGELEHNT.

7

Verordnung (EG) Nr. 1257/96 des Rates vom 20. Juni 1996.

OK.

36

Richtlinie 98/83/EG des Rates vom 3. November 1998

Artikel 11a OK. Übertragung auf unbestimmte Zeit wird ABGELEHNT.

54

Verordnung (EG) Nr. 66/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009

OK. Übertragung auf unbestimmte Zeit wird ABGELEHNT.

57

Verordnung (EG) Nr. 1165/98 des Rates vom 19. Mai 1998.

NEIN. Die Befugnisübertragung ist zu weitreichend und bezieht sich auf wesentliche Aspekte.

66

Verordnung (EG) Nr. 458/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. April 2007

OK. Übertragung auf unbestimmte Zeit wird ABGELEHNT.

92

Richtlinie 2009/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009

OK. Übertragung auf unbestimmte Zeit wird ABGELEHNT.

133

Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009

NEIN. Die Definition des Verstoßes und der Aberkennung der Zuverlässigkeit betreffen die persönlichen Rechte.

168

Beschluss Nr. 70/2008/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008

OK.


Tabelle 3

Von der Kommission angenommene Vorschläge

Bereich

Rechtsakt

Nummer des Vorschlags

Bemerkungen des EWSA

CLIMA

Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003

COM(2015) 337

Neuer Artikel 23. Zu viele Befugnisübertragungen in sensiblen und wesentlichen Bereichen, muss überarbeitet werden. Übertragung auf unbestimmte Zeit wird ABGELEHNT.

CNECT

Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002

COM(2016) 590

Neuer Artikel 109 mit Bezug auf die Artikel 40, 60, 73, 102 und 108. Zu viele Befugnisübertragungen in sensiblen und wesentlichen Bereichen sogar in den Anhängen, muss überarbeitet werden. Unterschiedliche Regelungen hinsichtlich der Dauer (Artikel 73 Absatz 7 und Artikel 109).

CNECT

Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002

COM(2016) 590

Neuer Artikel 109 mit Bezug auf die Artikel 40, 60, 73, 102 und 108. Zu viele Befugnisübertragungen in sensiblen und wesentlichen Bereichen sogar in den Anhängen. Unterschiedliche Regelungen hinsichtlich der Dauer (Artikel 73 Absatz 7 und Artikel 109).

CNECT

Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002

COM(2016) 590

Neuer Artikel 109 mit Bezug auf die Artikel 40, 60, 73, 102 und 108. Zu viele Befugnisübertragungen in sensiblen und wesentlichen Bereichen sogar in den Anhängen, muss überarbeitet werden. Unterschiedliche Regelungen hinsichtlich der Dauer (Artikel 73 Absatz 7 und Artikel 109).

ENER

Richtlinie 2008/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008

COM(2015) 496

Artikel 10. OK für die Befugnisübertragung. Übertragung auf unbestimmte Zeit wird ABGELEHNT.

GROW

Verordnung (EG) Nr. 595/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009

COM(2014) 28 final

Die Kommission möchte in Anwendung von Artikel 290 AEUV (ca. zehn) delegierte Rechtsakte erlassen und verkürzt gleichzeitig dadurch den konkreten Inhalt der Verordnung.

Einige Punkte des Vorschlags, die durch delegierte Rechtsakte geregelt werden sollen, betreffen die Schadstoffemissionen von Fahrzeugen und die entsprechenden Grenzwerte. Diese Bereiche wurden aufgrund ihrer Bedeutung immer schon von den Legislativorganen geregelt.

Der EWSA hat in seinen Stellungnahmen mehrfach auf den übermäßigen Einsatz delegierter Rechtsakte hingewiesen, was Fragen bezüglich der Transparenz dieses Systems, des korrekten Ablaufs der Verfahren und der Wirksamkeit der Kontrollmechanismen aufwirft.

GROW

Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007

COM(2016) 31 final

Art. 88. Zu viele delegierte Rechtsakte über wesentliche Bestimmungen. Übertragung auf unbestimmte Zeit wird ABGELEHNT.

GROW

Richtlinie 97/68/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1997

COM(2014) 581 final

Art. 55. OK für die Befugnisübertragungen und den Zeitraum von fünf Jahren.

GROW

Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007

COM(2014) 28 final

Neuer Artikel 15a. Die Kommission möchte in Anwendung von Artikel 290 AEUV (ca. zehn) delegierte Rechtsakte erlassen und verkürzt gleichzeitig dadurch den konkreten Inhalt der Verordnung.

Einige Punkte des Vorschlags, die durch delegierte Rechtsakte geregelt werden sollen, betreffen die Schadstoffemissionen von Fahrzeugen und die entsprechenden Grenzwerte. Diese Bereiche wurden aufgrund ihrer Bedeutung immer schon von den Legislativorganen geregelt.

Der EWSA hat in seinen Stellungnahmen mehrfach auf den übermäßigen Einsatz delegierter Rechtsakte hingewiesen, was Fragen bezüglich der Transparenz dieses Systems, des korrekten Ablaufs der Verfahren und der Wirksamkeit der Kontrollmechanismen aufwirft.

ENV

Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008

COM(2015) 595

Neuer Artikel 38a. OK für die Befugnisübertragungen. Übertragung auf unbestimmte Zeit wird ABGELEHNT.

ENV

Richtlinie 1999/31/EG des Rates vom 26. April 1999

COM(2015) 594

Befugnisübertragung wird ABGELEHNT. Neuer Artikel 16 zu ungenau. Übertragung auf unbestimmte Zeit wird ABGELEHNT.

ENV

Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 1994

COM(2015) 593

OK.

ENV

Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates vom 9. Dezember 1996

COM(2012) 403

OK für die Durchführungsrechtsakte und die delegierten Rechtsakte (Artikel 19 und 20). Übertragung auf unbestimmte Zeit wird ABGELEHNT.

ESTAT

Verordnung (EG) Nr. 1177/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Juni 2003

Aufhebung vorgeschlagen durch COM(2016) 551

OK für die Aufhebung.

MOVE

Richtlinie 2006/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2016

COM(2013) 622

Befugnisübertragungen werden ABGELEHNT. Begriff des technischen und wissenschaftlichen Fortschritts zu ungenau. Übertragung auf unbestimmte Zeit wird ABGELEHNT.

MOVE

Richtlinie 2002/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. März 2002

COM(2011) 828

Art. 12. OK für die Befugnisübertragungen. Übertragung auf unbestimmte Zeit wird ABGELEHNT.

MOVE

Richtlinie 96/50/EG des Rates vom 23. Juli 1996

COM(2016) 82 final

OK für die Befugnisübertragungen (Artikel 29). Übertragung auf unbestimmte Zeit wird ABGELEHNT.

MOVE

Richtlinie 91/672/EWG des Rates vom 16. Dezember 1991

COM(2016) 82 final

OK für die Befugnisübertragungen (Artikel 29). Übertragung auf unbestimmte Zeit wird ABGELEHNT.

MOVE

Richtlinie 2009/45/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009

COM(2016) 369

OK für die Befugnisübertragungen und ausnahmsweise für die unbestimmte Geltungsdauer.

MOVE

Richtlinie 1999/35/EG des Rates vom 29. April 1999

COM(2016) 371

Art. 13. OK für die Befugnisübertragung und ausnahmsweise für die unbestimmte Geltungsdauer.

MOVE

Richtlinie 98/41/EG des Rates vom 18. Juni 1998

COM(2016) 370

Artikel 12a. OK für die Befugnisübertragung und ausnahmsweise für die unbestimmte Geltungsdauer.

SANTE

Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004

COM(2014) 557

OK für die Befugnisübertragungen (Artikel 87a). Übertragung auf unbestimmte Zeit wird ABGELEHNT.


Tabelle 4

Rechtsakte, für die Vorschläge geplant sind

Bereich

Rechtsakt

Bemerkungen des EWSA

AGRI

Verordnung (EG) Nr. 110/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008

Keine Anmerkung für diese Rechtsakte, da die Texte nicht verfügbar sind.

CLIMA

Richtlinie 2009/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009

ENER

Verordnung (EG) Nr. 713/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009

ENER

Verordnung (EG) Nr. 714/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009

ENER

Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009

ENV

Verordnung (EG) Nr. 850/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004

ENV

Richtlinie 86/278/EWG des Rates vom 12. Juni 1986

ESTAT

Verordnung (EG) Nr. 1166/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008

ESTAT

Verordnung (EG) Nr. 1059/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003

Brüssel, den 1. Juni 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Die Anpassung einiger Bestimmungen dieser Rechtsakte an Durchführungsrechtsakte wurde bereits 2013 vorgeschlagen.

(2)  Die Streichung einiger Bestimmungen dieser Rechtsakte wurde bereits 2013 vorgeschlagen.


31.8.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 288/43


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu:

a) „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Durchsetzung der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt, zur Festlegung eines Notifizierungsverfahrens für dienstleistungsbezogene Genehmigungsregelungen und Anforderungen sowie zur Änderung der Richtlinie 2006/123/EG und der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems“

(COM(2016) 821 final — 2016/0398 (COD))

b) „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen“

(COM(2016) 822 final — 2016/0404 (COD))

c) „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen und operativen Rahmen für die durch die Verordnung … [ESC Regulation] eingeführte Elektronische Europäische Dienstleistungskarte“

(COM(2016) 823 final — 2016/0402 (COD))

d) „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung einer Elektronischen Europäischen Dienstleistungskarte und entsprechender Verwaltungserleichterungen“

(COM(2016) 824 final — 2016/0403 (COD))

(2017/C 288/05)

Berichterstatter:

Arno METZLER

Mitberichterstatter:

Stefano PALMIERI

Befassung

a)

Rat, 30.1.2017

Europäisches Parlament, 19.1.2017

b)

Rat, 10.2.2017

Europäisches Parlament, 1.2.2017

c)

Europäisches Parlament, 1.2.2017

Europäische Kommission, 31.5.2017

d)

Rat, 20.2.2017

Europäisches Parlament, 1.2.2017

Rechtsgrundlage

a)

Artikel 53 Absatz 1, Artikel 62 und Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

b)

Artikel 46, Artikel 53 Absatz 1 und Artikel 62 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

c)

Artikel 53 Absatz 1 und Artikel 62 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

d)

Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

 

 

Zuständige Fachgruppe

Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

Annahme in der Fachgruppe

4.5.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

31.5.2017

Plenartagung Nr.

526

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

152/3/7

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der EWSA würdigt und unterstützt die Bemühungen der Europäischen Kommission, das volle Potenzial des Binnenmarkts in Bezug auf den Dienstleistungssektor auszuschöpfen. Er möchte jedoch darauf hinweisen, dass angesichts der derzeitigen politischen Lage in vielen Mitgliedstaaten jede Art von „Eingriffen“ der EU in die strikt den Mitgliedstaaten vorbehaltenen Kompetenzbereiche zu politischen Kontroversen führen kann. Selbst in Fällen, in denen die Anwendung strengerer Durchsetzungsmaßnahmen rechtlich möglich wäre, könnte dies in der schweren politischen Krise von mangelndem Fingerspitzengefühl zeugen. Der EWSA empfiehlt daher einen positiven Ansatz zur Durchsetzung bewährter Verfahren und Konsultationen anstelle von Durchsetzungsmaßnahmen, wo immer dies möglich ist.

1.2.

Der EWSA unterstützt vorbehaltlos das Ziel der Kommission, den Dialog zwischen der EU und den Mitgliedstaaten in der frühen Phase eines jeden Gesetzgebungsverfahrens zu fördern, damit auf nationaler Ebene keine Rechtsakte erlassen werden, die den europäischen Integrationsprozess behindern. Er empfiehlt, diesen Dialog auszuweiten und nicht nur auf die Vereinbarkeit mit der Dienstleistungsrichtlinie, sondern auch mit dem EU-Primärrecht einzugehen, insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Arbeitnehmerrechten und dem Verbraucherschutz auf der einen und den wirtschaftlichen Freiheiten auf der anderen Seite zu gewährleisten. Die Zusammensetzung des für die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften verantwortlichen Gremiums sollte spezifiziert werden; es müsste so zusammengesetzt sein, dass die umfassende Einhaltung der vorgenannten Rechtsvorschriften und Grundsätze gewährleistet ist.

1.2.1.

Der EWSA schlägt vor, einen positiven Ansatz zu wählen und den Grundsatz festzuschreiben, dass nur das positive Ergebnis eines Konsultationsverfahrens in Form der Erteilung einer „Vereinbarkeitsgarantie“ für den betreffenden Maßnahmenentwurf wirksam wird. Für diejenigen Fälle, in denen die Vereinbarkeit nicht positiv bewertet wird, sollte die Entscheidung der Kommission nicht bindend sein, und es sollten die bereits bestehenden Verfahren nach dem Erlass von Maßnahmen angewandt werden.

1.3.

Der EWSA begrüßt die Einführung einer detaillierten und gründlichen von den Mitgliedstaaten durchgeführten Verhältnismäßigkeitsprüfung, die auf der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union beruht. Er ist der Auffassung, dass die nationalen Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit mit diesem Ansatz verbessert werden könnten. Der EWSA betont, dass die Prüfung der Verhältnismäßigkeit eine enge Zusammenarbeit der Behörden und der Berufsverbände der Mitgliedstaaten erfordern wird.

1.3.1.

Der EWSA ist der Ansicht, dass eine Verpflichtung zu dieser Prüfung vor jeder neuen Berufsreglementierung nicht die beste Lösung ist, um die effektive und engagierte Durchführung einer solchen Prüfung durchzusetzen. Er empfiehlt daher, diese Prüfung nur als Dienstleistungsangebot für die nationalen Regulierungsbehörden einzuführen.

1.4.

Der EWSA begrüßt die Bemühungen zur Förderung der Mobilität der Erbringer von Dienstleistungen und ist der Auffassung, dass es nach wie vor schwierig für Dienstleister ist, die für sie geltenden nationalen Anforderungen in einem anderen Mitgliedstaat zu eruieren und einzuhalten. Der Ansatz, die Hauptverantwortung für das Verfahren auf die Behörden des Herkunftsmitgliedstaats zu verlagern, steht jedoch nicht im Einklang mit dem geltenden Aufnahmelandprinzip, nach dem die Tätigkeiten von Unternehmen und Arbeitnehmern dem Recht desjenigen Landes unterliegen, in dem sie ausgeübt werden.

1.4.1.

Der EWSA betont, dass sichergestellt werden muss, dass nicht in irgendeiner Form das Herkunftslandprinzip eingeführt wird. Er unterstreicht daher, dass mit der elektronischen Dienstleistungskarte einige Elemente auf der Grundlage dieses Prinzips eingeführt würden, indem es Dienstleister ausschließlich mit dem Herkunftsmitgliedstaat als zwischengeschalteter Instanz zu tun hätten und der Aufnahmemitgliedstaat die Entscheidungen des Herkunftsmitgliedstaats über die Echtheit der Dokumente akzeptieren müsste; dadurch würden die Kontrollmechanismen eingeschränkt und der Datenaustausch auf der Grundlage des Herkunftslandprinzips harmonisiert.

1.4.2.

Der EWSA unterstreicht, dass die Aufnahmemitgliedstaaten auch weiterhin uneingeschränkt darüber entscheiden können müssen, welche Verfahren für die Registrierung von Zweitniederlassungen gelten, auch in Bezug auf Fragen der Anerkennung von Berufsqualifikationen. Da das Verfahren vollelektronisch abläuft und die Aufnahmemitgliedstaaten nur begrenzte Möglichkeiten haben, die dem Herkunftsmitgliedstaat mitgeteilten Informationen anhand der elektronischen Dienstleistungskarte zu verifizieren, wird es einfacher, Briefkastenfirmen zwecks Steuerhinterziehung und Sozialdumping zu gründen.

1.4.3.

Um sicherzustellen, dass die Informationen auf der elektronischen Dienstleistungskarte stets aktuell sind und kein Datenfriedhof entsteht, empfiehlt der EWSA, den Einmaligkeitsgrundsatz nochmals zu überdenken und die Einführung von Fristen für die Gültigkeit elektronischer Dienstleistungskarten zu erwägen.

1.4.4.

Der EWSA empfiehlt außerdem die Aufhebung der restriktiven Verfahren für den Entzug der elektronischen Dienstleistungskarte und insbesondere die Aufhebung der Notwendigkeit einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung, damit jeder Mitgliedstaat eine wirksame Kontrolle über die wirtschaftlichen Tätigkeiten auf seinem Hoheitsgebiet ausüben kann.

1.4.5.

Der Vorschlag setzt knappe Fristen für die Überprüfung der Gültigkeit der bei der Beantragung einer elektronischen Dienstleistungskarte vorgelegten Informationen. Dies sollte überdacht werden, um den Behörden so viel Zeit zu lassen, wie für die Bearbeitung der Anträge erforderlich ist.

1.4.6.

In dem Legislativvorschlag sollte deutlich gemacht werden, dass wirksame und abschreckende Sanktionen bei Missbrauch der europäischen elektronischen Dienstleistungskarte sowohl für den betreffenden Mitgliedstaat als auch für das antragstellende Unternehmen eingeführt werden müssen.

1.4.7.

Der EWSA empfiehlt eine klarere Aussage, dass die Richtlinie über Berufsqualifikationen in Bezug auf jeden Aspekt der beruflichen Anerkennung Vorrang vor der neuen elektronischen Dienstleistungskarte hat. Es muss ausdrücklich klargestellt werden, dass eine elektronische Dienstleistungskarte nicht für Personen ausgestellt werden kann, die einen Beruf ausüben, der im Herkunfts- und/oder Aufnahmemitgliedstaat reglementiert wird, und zwar unabhängig davon, ob der Beruf in Form einer selbstständigen Tätigkeit oder eines Unternehmens ausgeübt wird.

1.4.8.

Um die missbräuchliche Verwendung der elektronischen Dienstleistungskarte durch Scheinselbstständige zu verhindern, sollte diese Karte nach Ansicht des EWSA nicht an natürliche Personen ausgestellt werden, die nicht über eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit verfügen.

1.4.9.

Der EWSA meldet Zweifel an, ob das bestehende IMI-System — das sich auf standardisierte mehrsprachige Fragen/Formulare stützt, auf einem manuellen Datenaustausch auf Anfrage der Mitgliedstaaten beruht und von einer bestmöglichen Zusammenarbeit zwischen ihnen abhängig ist — den modernsten Entwicklungen beim elektronischen Datenaustausch entspricht. Der EWSA ist daher der Auffassung, dass das IMI-System mit Blick darauf bewertet werden muss, die bestmögliche Leistung sowie die bestmögliche Kompatibilität und Komplementarität mit den bestehenden Datenaustauschsystemen der Mitgliedstaaten und/oder der Sozialpartner zu gewährleisten, u. a. branchenspezifischen Initiativen wie Sozialausweise.

1.4.10.

Mit dem Vorschlag wird ein harmonisiertes europäisches Vorabnotifizierungssystem für entsandte Arbeitnehmer eingeführt, dem sich die Mitgliedstaaten freiwillig anschließen können. Dies würde den Weg für die spätere Ausweitung auf ein obligatorisches System bereiten, was weder wünschenswert noch mit den Bestimmungen der Richtlinie 2014/67/EU (1) vereinbar ist. Der EWSA schlägt daher vor, die Umsetzung eines solchen Systems zu überdenken.

1.4.11.

Aufgrund der vorgebrachten Bedenken und der Tatsache, dass die genannten Garantieanforderungen mit dem derzeitigen Datenaustauschsystem möglicherweise nicht erreicht werden könnten, ist der EWSA der Auffassung, dass die Anwendung der elektronischen Dienstleistungskarte in der derzeitigen Form die in dieser Stellungnahme umrissenen negativen Auswirkungen haben könnte, die möglicherweise unverhältnismäßig wären und ihre Vorteile überwiegen könnten. Der EWSA empfiehlt daher eingehendere Konsultationen mit den Interessenträgern und eine entsprechende Konfiguration dieses Systems, um eine effektive Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten zu gewährleisten, bevor die Verfahren fortgesetzt werden. Der EWSA könnte ersucht werden, sich mit diesem Thema zu beschäftigen und nach einer Alternative zu der elektronischen Dienstleistungskarte zu suchen, um bereits bestehende Registrierungs- und Qualifikationssysteme effektiver einzubinden.

1.5.

Der EWSA betont, dass Unterschiede zwischen ordnungspolitischen Konzepten an sich noch nicht bedeuten, dass Reformbedarf besteht. Er begrüßt den von der Kommission konzipierten neuen Indikator der Regulierungsintensität, da er einen höheren Analysestandard ermöglicht als der PMR-Indikator der OECD. Allerdings sollte ganz deutlich werden, dass der Regulierungsindikator wertfrei zu sehen ist und nichts darüber aussagt, ob die Reglementierungen sinnvoll oder begründet sind.

1.6.

Der EWSA stellt fest, dass das Dienstleistungspaket kein Konzept für elektronische Dienstleistungen bietet, die doch seiner Ansicht nach ein neu entstehendes Geschäftsfeld sind, das besondere Aufmerksamkeit erfordert. Angesichts der Tatsache, dass das Potenzial für Mobilität in diesem Sektor extrem hoch ist, ist die Verifizierung der Qualifikationen wie auch der Einhaltung der rechtlichen Anforderungen und der Mindestqualitätsanforderungen für die Verbraucher besonders schwierig einzuschätzen und könnte spezielle Instrumente erfordern. Eine Initiative mit Schwerpunkt auf dem Binnenmarkt für elektronische Dienstleistungen wäre daher zu begrüßen. Es sind neue Elemente erforderlich, um persönliches Vertrauen aufzubauen, ohne den Dienstleister persönlich zu kennen.

1.7.

Im Hinblick auf das Problem des gegenseitigen Vertrauens — ein wichtiger Aspekt in der Debatte über das Dienstleistungspaket und insbesondere die elektronische Dienstleistungskarte — schlägt der EWSA vor, die bestehenden Systeme für die Registrierung von Berufsangehörigen und Unternehmen sowie die entsprechenden Zulassungs- und Qualitätssicherungsverfahren einer Bewertung zu unterziehen. Da der Binnenmarkt für Dienstleistungen in den Mitgliedstaaten noch immer Anlass zu erheblicher Besorgnis gibt, würde der EWSA eine Initiative zur Erfassung zusätzlicher Informationen über die Auswirkungen zunehmender grenzüberschreitender Tätigkeiten begrüßen. Bei dieser Initiative sollten die wirtschaftlichen Auswirkungen berücksichtigt werden, aber in erster Linie sollte der Schwerpunkt auf anderen Themen wie Beschäftigung, Arbeitsbedingungen und Verbraucherschutz liegen. Sollten objektiv Probleme festgestellt werden, könnten diese angegangen werden, um das Vertrauen der Mitgliedstaaten langfristig zu erhöhen. Ohne ausreichendes gegenseitiges Vertrauen wird der Binnenmarkt für Dienstleistungen nie wirksam umgesetzt werden.

2.   Überblick über die vorgeschlagenen Maßnahmen

2.1.

Dienstleistungen machen zwei Drittel der Wirtschaftsleistung der EU aus und schaffen 90 % der neuen Arbeitsplätze. Damit der Dienstleistungssektor sein Potenzial voll ausschöpfen kann, soll er durch ein Maßnahmenpaket gestärkt werden, das es Unternehmen und Freiberuflern erleichtert, Dienstleistungen für einen potenziellen Kundenkreis von 500 Millionen Menschen in der EU zu erbringen.

2.2.   Notifizierungsverfahren für dienstleistungsbezogene Genehmigungsregelungen und Anforderungen

2.2.1.

Durch strengere Anforderungen an das Notifizierungsverfahren für Maßnahmen im Zusammenhang mit der Dienstleistungsrichtlinie soll verhindert werden, dass Mitgliedstaaten diskriminierende, ungerechtfertigte und unverhältnismäßige nationale dienstleistungsbezogene Genehmigungsregelungen oder Anforderungen erlassen.

Mit dem Vorschlag wird der Anwendungsbereich des in der Dienstleistungsrichtlinie vorgesehenen Notifizierungsverfahrens erweitert und klarer definiert. Es wird eine Konsultationsfrist für einen Dialog zwischen dem notifizierenden Mitgliedstaat, der Europäischen Kommission und den anderen Mitgliedstaaten über die Übereinstimmung von Entwürfen nationaler Maßnahmen mit der Dienstleistungsrichtlinie festgelegt.

2.3.   Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen

2.3.1.

Für die Mitgliedstaaten gibt es häufig gute Gründe für eine Regulierung, die auf der Notwendigkeit beruhen, zentrale Ziele des Allgemeininteresses zu schützen. Es obliegt den Mitgliedstaaten, auf Einzelfallbasis zu prüfen, ob es notwendig ist, den Zugang zu einem Beruf und die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit zu beschränken.

2.3.2.

Um zu vermeiden, dass sich die uneinheitliche Bewertung der Verhältnismäßigkeit bei der Regulierung von Berufen in der EU negativ auf die Bereitstellung von Dienstleistungen und die Mobilität von Berufsangehörigen auswirkt, wird eine Verhältnismäßigkeitsprüfung eingeführt, welche von den Mitgliedstaaten vor dem Erlass oder der Änderung von nationalen Berufsreglementierungen durchzuführen ist.

2.3.3.

Zudem werden in der Richtlinie die Hauptkriterien festgelegt, die bei der Prüfung zu berücksichtigen sind; hierzu gehören beispielsweise die Art der Risiken, der Umfang der vorbehaltenen Tätigkeiten, der Zusammenhang zwischen Qualifikationen und Tätigkeiten, die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Maßnahme usw.

2.3.4.

Laut den Verträgen müssen Regelungen verhältnismäßig sein; davon abgesehen liegt jedoch die Entscheidung, ob und wie ein Beruf reglementiert wird, weiterhin im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten.

2.4.   Elektronische Europäische Dienstleistungskarte

2.4.1.

Die elektronische Karte ist ein neues, vollelektronisches Verfahren für Selbstständige und Unternehmen in einer Reihe von Bereichen, beispielsweise im Baugewerbe, in der Reinigungsbranche oder bei Unternehmensdienstleistungen. Sie soll die Verwaltungsformalitäten in verschiedenen Sprachen ersetzen, da die Dienstleistungserbringer ein Verfahren in ihrer eigenen Sprache und bei den Behörden ihres Herkunftslands durchlaufen.

2.4.2.

Das Verfahren für die elektronische Karte soll auf der Zusammenarbeit zwischen dem Herkunfts- und dem Aufnahmemitgliedstaat basieren, die über das bestehende Binnenmarkt-Informationssystem (IMI) umgesetzt wird. Es soll keine inhaltlichen Änderungen der für die Entsendung von Arbeitnehmern geltenden Vorschriften gemäß den Richtlinien 96/71/EG (2) und 2014/67/EU (3) zur Folge haben.

2.4.3.

Die Elektronische Europäische Dienstleistungskarte ist mit dem Europäischen Berufsausweis (European Professional Card — EPC) vergleichbar. Während der EPC jedoch die Erbringung von Dienstleistungen durch die Anerkennung beruflicher Qualifikationen für natürliche Personen wie Arbeitnehmer oder selbstständige Dienstleister erleichtert, betrifft die elektronische Karte eine viel größere Bandbreite von Anforderungen.

2.5.   Reformempfehlungen für die Berufsreglementierung

2.5.1.

Da die Berufsreglementierung ein Vorrecht der Mitgliedstaaten ist, sind unterschiedliche Regulierungsmodelle in Kraft. Unabhängig von dem in den einzelnen Ländern oder Regionen geltenden Modell zielt diese Mitteilung darauf ab, die Mitgliedstaaten bei der Beseitigung bestimmter ungerechtfertigter erheblicher Einschränkungen zu unterstützen und sie für ein umsichtiges Vorgehen in Reglementierungsfragen zu sensibilisieren.

2.5.2.

Die Reformempfehlungen in dieser Mitteilung betreffen ein breites Spektrum an Anforderungen und enthalten eine eingehende Analyse der Reglementierungen, die für Architekten, Bauingenieure, Buchprüfer, Rechtsanwälte, Patentanwälte, Immobilienmakler und Fremdenführer gelten. Nicht alle dieser Reglementierungen werden von der Europäischen Kommission als ein Verstoß gegen EU-Recht betrachtet.

2.5.3.

Die Europäische Kommission hat einen neuen Indikator der Regulierungsintensität durch Berufsreglementierung entwickelt, um die qualitative Analyse der Hindernisse zu unterstützen. Er erstreckt sich auf die Aspekte Reglementierungsansatz, Qualifikationsanforderungen, andere Zugangsanforderungen und Ausübungsanforderungen.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Der EWSA würdigt und unterstützt die Bemühungen der Europäischen Kommission, das volle Potenzial des Binnenmarkts in Bezug auf den Dienstleistungssektor auszuschöpfen. Die ineinander greifenden Maßnahmen des Dienstleistungspakets sind zweifellos ein solider Ansatz zur Erreichung dieses Ziels. Er möchte jedoch darauf hinweisen, dass angesichts der schweren politischen Krise in vielen Mitgliedstaaten jede Art von „Eingriffen“ der EU in die strikt den Mitgliedstaaten vorbehaltenen Kompetenzbereiche zu politischen Kontroversen führen kann. Sowohl die Gesetzgebungsbefugnisse — die durch das neue Notifizierungsverfahren und die obligatorische Verhältnismäßigkeitsprüfung betroffen zu sein scheinen — wie auch die seit langem bestehenden traditionellen Systeme der nationalen Reglementierung von Berufen werden häufig als Grundpfeiler der nationalen Systeme wahrgenommen und müssen daher als ein heikles Thema behandelt werden. Selbst wenn die Anwendung strengerer Durchsetzungsmaßnahmen rechtlich möglich wäre, könnte dies in der derzeitigen Situation von mangelndem Fingerspitzengefühl zeugen. Ein positiver Ansatz zur Durchsetzung bewährter Verfahrensweisen oder ein Konsultationsansatz könnten sich als wirkungsvoller erweisen.

3.1.1.

Der EWSA unterstreicht, dass der Qualität und Sicherheit der in der Europäischen Union erbrachten Dienstleistungen gebührende Aufmerksamkeit geschenkt werden muss.

3.1.2.

Darüber hinaus weist der EWSA auf die besondere Sensibilität der Bereiche Gesundheit und Patientenschutz hin. Zwar kann die Kommission Maßnahmen ergänzend zu denjenigen der Mitgliedstaaten ergreifen, doch muss deren volle Verantwortung ebenso gewahrt werden wie die Möglichkeit, strengere Maßnahmen zum Schutz der Patienten im Sinne von Art. 168 AEUV einzuführen.

3.2.

Es muss unbedingt dafür gesorgt werden, dass die wichtigsten Akteure die Neuregelungen für ihre Berufe mittragen, um so eine solide und wirksame Regelung zu gewährleisten; der EWSA schlägt daher vor, die betroffenen Akteure wie z. B. Berufsverbände, Sozialpartner, Verbraucherschutzeinrichtungen und zivilgesellschaftliche Organisationen bezüglich der praktischen Anwendung der vorgesehenen Maßnahmen zu konsultieren.

3.3.

Wir müssen uns dessen bewusst sein, dass die Einführung neuer Verpflichtungen und Durchsetzungsmaßnahmen in diesem Kontext den Eindruck erwecken könnte, dass man die Mitgliedstaaten generell für nicht fähig hält, die Anforderungen der Dienstleistungsrichtlinie und der Richtlinie über Berufsqualifikationen zu erfassen; dabei handelt es sich bei Rechtsinstrumenten wie den Verhältnismäßigkeitsprüfungen doch um grundlegende Anforderungen bei jedem nationalen Gesetzgebungsverfahren in der überwiegenden Mehrheit der Mitgliedstaaten.

3.4.

Bei vielen Bestimmungen im Dienstleistungspaket besteht die Gefahr, dass sich die Unterscheidung zwischen der Dienstleistungsfreiheit und der Niederlassungsfreiheit verwischt. Der EWSA betont daher, dass diese Unterscheidung — die in der Dienstleistungsrichtlinie, der Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen sowie in der Rechtsprechung des Gerichtshofes klar definiert wird — auch bei der Bewertung der Ergebnisse einer Verhältnismäßigkeitsprüfung für neue nationale Berufsreglementierungen und bei der Umsetzung der Verordnung und der Richtlinie über die europäische elektronische Dienstleistungskarte beibehalten werden muss. Zur Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs zwischen den Unternehmen sollten daher diskriminierende Maßnahmen verboten und die in den Rechtsvorschriften und Tarifverträgen der Aufnahmeländer verankerten Arbeitsbedingungen sowie die Verbraucherrechte und die Arbeitsschutzvorschriften eingehalten werden.

3.5.

Der EWSA stellt fest, dass das Wachstum des Dienstleistungssektors nicht zu Sozialdumping und Betrug führen darf (4). Er verweist daher auf das Fehlen ausreichender Garantien, um die Rechte der Arbeitnehmer und den Verbraucherschutz in allen Mitgliedstaaten auf einem hohen Niveau zu halten; auch besteht die Gefahr der Einführung des Herkunftslandprinzips, was gegen die Grundregeln verstoßen würde, nach denen die Tätigkeiten von Unternehmen und Arbeitnehmern dem Recht desjenigen Landes unterliegen, in dem sie ausgeübt werden.

3.6.

Der EWSA teilt die Auffassung der Interessenträger in denjenigen Branchen, auf die der Vorschlag für eine europäische elektronische Dienstleistungskarte abzielt, und hinterfragt den Mehrwert und Nutzen der Rechtsetzungsinitiative.

3.7.

Leider werden mit dem vorgeschlagenen Binnenmarktpaket nicht die realen Probleme angegangen, mit denen einige Branchen, an die sich die Vorschläge richten, zu kämpfen haben. Der EWSA hält es für wichtig, das Potenzial für Betrug und Missbrauch im Binnenmarkt durch unehrenhafte Unternehmen zu verringern, um gleiche Ausgangsbedingungen und gegenseitiges Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten und den verschiedenen Akteuren zu schaffen.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1.   Notifizierungsverfahren für dienstleistungsbezogene Genehmigungsregelungen und Anforderungen

4.1.1.

Der EWSA unterstützt das Ziel der Kommission, den Dialog zwischen ihr und den Mitgliedstaaten in einer frühen Phase des Gesetzgebungsverfahrens zu fördern, damit keine Vorschriften erlassen werden, die den Binnenmarkt behindern. Es sollte sogar erwogen werden, diesen Dialog auszuweiten und nicht nur auf die Vereinbarkeit mit der Dienstleistungsrichtlinie, sondern auch mit dem EU-Primärrecht einzugehen, insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union; dadurch könnte ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Arbeitnehmerrechten und dem Verbraucherschutz auf der einen Seite und den wirtschaftlichen Freiheiten auf der anderen Seite gewährleistet werden. Die Zusammensetzung des für die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften verantwortlichen Gremiums sollte präzisiert werden; es müsste so zusammengesetzt sein, dass die umfassende Einhaltung der vorgenannten Rechtsvorschriften und Grundsätze gewährleistet ist und dass Repräsentativität und Unabhängigkeit gegeben sind.

4.1.2.

Der EWSA möchte jedoch darauf hinweisen, dass die unmittelbaren Auswirkungen des Vorschlags auf die nationalen Gesetzgebungsverfahren beträchtlich sein könnten.

4.1.3.

Mit dem recht komplexen Vorschlag wird der Anwendungsbereich des in der Dienstleistungsrichtlinie vorgesehenen Notifizierungsverfahrens erweitert. In Verbindung mit einer Stillhaltefrist wird somit die Möglichkeit der nationalen Gesetzgeber, innerhalb kurzer Zeit Reformen durchzuführen, sogar bei kleineren Änderungen der Rechtsvorschriften eingeschränkt.

4.1.4.

Durch Durchsetzungsmaßnahmen wie beispielsweise die Stillhaltefrist, den Vorwarnmechanismus und die Entscheidung der Kommission, den Mitgliedstaaten die Annahme von Maßnahmenentwürfen zu untersagen, werden die nationalen Gesetzgebungsverfahren erheblich verlangsamt und die Freiheit der nationalen Gesetzgeber erheblich eingeschränkt. Zur Gewährleistung eines demokratischen Gesetzgebungsverfahrens muss die Gesetzgebungsbefugnis der nationalen Parlamente in vollem Umfang gewahrt werden. Der EWSA bezweifelt stark, ob es tatsächlich verhältnismäßig — oder ratsam — ist, durch die Einführung von Durchsetzungsmaßnahmen auch in Dingen, die unter das Subsidiaritätsprinzip fallen, in nationale Gesetzgebungsverfahren einzugreifen, wenn völlig ausreichende Verfahren nach dem Erlass von Maßnahmen zur Verfügung stehen.

4.1.5.

Negative Entscheidungen über die Vereinbarkeit von Entwürfen nationaler Rechts- oder Verwaltungsvorschriften sollten nicht verbindlich sein. Der EWSA schlägt vor, dass nur das positive Ergebnis eines Konsultationsverfahrens in Form der Erteilung einer „Vereinbarkeitsgarantie“ für den betreffenden Maßnahmenentwurf wirksam wird. Solch ein positiver Ansatz brächte erhebliche Vorteile für die Mitgliedstaaten und wäre ein Anreiz, sich voll in das vorgesehene Konsultationsverfahren einzubringen und die damit verbundenen Anstrengungen zu akzeptieren. Für diejenigen Fälle, in denen die Vereinbarkeit nicht positiv bewertet wird, sollten die bereits bestehenden Verfahren nach dem Erlass von Maßnahmen angewandt werden.

4.1.6.

Der EWSA betont, dass das Notifizierungsverfahren gemäß der Dienstleistungsrichtlinie nicht das Recht berührt, Tarifverträge auszuhandeln, abzuschließen und anzuwenden.

4.2.   Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen

4.2.1.

Der EWSA begrüßt die Einführung einer detaillierten und gründlichen durch die Mitgliedstaaten durchgeführten Verhältnismäßigkeitsprüfung, die auf der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union beruht. Er ist der Auffassung, dass die nationalen Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit mit diesem Ansatz verbessert werden könnten.

4.2.2.

Der EWSA betont, dass die Verhältnismäßigkeitsprüfung, bei der es vor allem um die beruflichen Anforderungen geht, eine enge Zusammenarbeit der Behörden der Mitgliedstaaten und der Berufsorganisationen erfordert, die für die Qualitätssicherung des betreffenden reglementierten Berufs zuständig sind. Auch sollten die Sozialpartner und die Verbraucherschutzorganisationen angehört werden müssen, damit gewährleistet ist, dass die Arbeitnehmer- und Verbraucherrechte umfassend eingehalten werden. Die Strukturen dieser Organisationen müssen nach wie vor strikt Sache der Mitgliedstaaten sein.

4.2.3.

Allerdings bezweifelt der EWSA, ob eine Richtlinie, mit der vorgeschrieben wird, die Prüfung vor jeder neuen Berufsreglementierung durchzuführen, die beste Möglichkeit zur Durchsetzung der Prüfung ist. Aus diesem Grund würde er Leitlinien bevorzugen, die es den Mitgliedstaaten ermöglichen, die Prüfung so anzupassen, dass sie ihrem Rechtsetzungssystem optimal gerecht wird.

4.2.4.

Viele der vorgeschlagenen und zu prüfenden Kriterien für die Verhältnismäßigkeit sind recht weit gefasst und offen und lassen unterschiedliche Antworten zu, je nach dem gewählten Prüfkonzept, den Prüfern/Prüfstellen usw. So gesehen eignen sie sich als unterstützende Leitlinien, jedoch weniger als ein obligatorisches Verfahren, das erhebliche Auswirkungen auf das gesamte Gesetzgebungsverfahren hat. Um darüber hinaus den Eindruck zu vermeiden, dass die genannten Kriterien generell als Hindernisse betrachtet werden, sollte sichergestellt werden, dass die Liste wertfrei gehalten ist und nichts darüber aussagt, ob die Reglementierungen sinnvoll oder begründet sind. In jedem Fall sollten die Kriterien möglichst konkret und objektiv sein, um als Anhaltspunkte dienen zu können.

4.2.5.

In der überwiegenden Mehrzahl der Mitgliedstaaten sind Verhältnismäßigkeitsprüfungen bereits eine Grundvoraussetzung in jedem nationalen Rechtsetzungsverfahren. Die Angleichung der Kriterien für die Bestimmung der Verhältnismäßigkeit würde in nationale Rechtsetzungsbefugnisse eingreifen und könnte zur Entstehung unverhältnismäßiger Verpflichtungen in einigen Mitgliedstaaten sowie zu weiteren Marktverzerrungen führen.

4.2.6.

In der Richtlinie geht es nur um Ex-ante-Reglementierung (etwa den Schutz von Berufsbezeichnungen, obligatorische Registrierung, Qualifikationsanforderungen), obwohl die Erbringung von Dienstleistungen auch durch die Ex-post-Reglementierung (etwa Regelungen über die berufliche Anerkennung, lokale Regelungen oder Baugenehmigungen) in erheblicher Weise eingeschränkt werden kann. Ein objektiver Vergleich der Reglementierungssysteme erscheint daher schwierig.

4.2.7.

Die Verpflichtung zur Vorlage von Berichten über die Verhältnismäßigkeit, die auf dem recht komplexen und teilweise sogar wissenschaftlichen Prüfsystem beruhen, könnte Reformen der Berufsreglementierungen erheblich beeinträchtigen oder gar ganz verhindern.

4.2.8.

Die Europäische Kommission betont zwar, dass die Entscheidung, ob und wie ein Beruf reglementiert wird, weiterhin im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten liegt, doch ist dieser Spielraum in Wirklichkeit kaum vorhanden. Wenn die obligatorische Prüfung negativ ausfällt, kann der Gesetzgeber kaum einfordern, dass die Dienstleistungsrichtlinie eingehalten wird. Darüber hinaus ist der Vorschlag im Zusammenhang mit dem Vorschlag für ein neues Notifizierungsverfahren im Rahmen der Dienstleistungsrichtlinie zu sehen, denn Maßnahmen im Bereich der Berufsreglementierungen fallen oft in den Anwendungsbereich beider Richtlinien. Der Gesetzgeber hat praktisch kaum Spielraum, da die Notifizierungspflicht auch die Bereitstellung von Informationen zum Nachweis für die Einhaltung der Dienstleistungsrichtlinie umfasst, also der Ergebnisse der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Falle derartiger einander überschneidender Maßnahmen.

4.2.8.1.

Der EWSA bezweifelt deshalb, dass die Nachteile einer obligatorischen harmonisierten Verhältnismäßigkeitsprüfung in Bezug auf die Einschränkung des Spielraums der nationalen Gesetzgeber — vor allem vor dem Hintergrund des vorgeschlagenen strengeren Notifizierungsverfahrens — durch ihre Vorteile aufgewogen werden könnten. Er ist der Auffassung, dass unverbindliche Leitlinien oder ein Konsultationsverfahren eine ähnliche Wirkung haben könnten, ohne die negativen Auswirkungen.

4.3.   Elektronische Europäische Dienstleistungskarte

4.3.1.

Der EWSA begrüßt die Bemühungen zur Förderung der Mobilität der Erbringer von Dienstleistungen und ist der Auffassung, dass es nach wie vor schwierig für Dienstleister ist, die für sie geltenden nationalen Anforderungen in einem anderen Mitgliedstaat zu eruieren und einzuhalten.

4.3.2.

Der Ansatz, die Hauptverantwortung für das Verfahren auf die Behörden des Herkunftsmitgliedstaats zu verlagern, steht jedoch nicht im Einklang mit dem geltenden Aufnahmelandprinzip. Die elektronische Dienstleistungskarte sollte nicht die Kontrollen der wirtschaftlichen Tätigkeiten be- oder verhindern, die der Aufnahmemitgliedstaat auf seinem Hoheitsgebiet durchführen muss. Die vorgeschlagene elektronische Dienstleistungskarte darf daher keinerlei Elemente des Herkunftslandprinzips aufweisen. Der EWSA befürwortet jedoch Initiativen zur Stärkung des Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten, unter anderem durch klare Verpflichtungen hinsichtlich angemessener und ordnungsgemäßer Datenaustausch- und Kontrollsysteme.

4.3.3.

Es besteht Grund zu der Annahme, dass bestimmte Merkmale der elektronischen Dienstleistungskarte — wie z. B. der Einmaligkeitsgrundsatz für die Übermittlung von Informationen, ihre unbefristete Geltungsdauer, die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die auf der elektronischen Dienstleistungskarte enthaltenen Informationen zu nutzen, ohne dass sie die Möglichkeit haben, die Korrektheit der jeweiligen Information zu einem späteren Zeitpunkt zu überprüfen, und die restriktiven Verfahren für ihren Entzug, die unter Umständen eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung erfordern — die Kontrolle der Einhaltung der nationalen Gesetze und die Durchsetzung der Arbeitnehmer- und Verbraucherrechte erheblich gefährden könnten.

4.3.4.

Nach Auffassung des EWSA muss zudem dafür gesorgt werden, dass die geltenden Regeln für die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Richtlinie 2014/67/EU durch das IMI-System im Wesen nicht verändert werden; außerdem muss bei der Änderung der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern, die derzeit von Parlament und Rat geprüft wird, ganz klar der Grundsatz des „gleichen Entgelts für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ festgeschrieben werden, und es müssen die in den Rechtsvorschriften und Tarifverträgen des Aufnahmelandes verankerten Arbeitsbedingungen wie auch die Vorschriften für den Gesundheitsschutz und die Sicherheit am Arbeitsplatz sowie die Verbraucher- und Umweltschutzvorschriften eingehalten werden.

4.3.5.

Es ist unklar, welche Auswirkungen der Vorschlag für eine europäische elektronische Dienstleistungskarte auf die bereits existierenden, von den nationalen Behörden oder Sozialpartnern initiierten Sozialausweise haben wird und welche Wechselbeziehungen sich mit der vorgeschlagenen Ausweitung des IMI-Systems ergeben würden. Überdies gibt es Belege, einschließlich eines Sonderberichts des Europäischen Rechnungshofes, dass das gegenwärtige IMI-System einige Mängel aufweist, die behoben werden müssen, etwa wegen des damit einhergehenden Arbeitsaufwands und der teils unklaren Antworten auf die Anfragen (5). Der EWSA ist daher der Auffassung, dass das IMI-System neu bewertet werden muss und derzeit noch nicht geeignet ist, um eine optimale Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten sicherzustellen. Es sollten Verbesserungen am IMI-System vorgenommen werden, um bessere Kontrollen in dem Land zu ermöglichen, in dem die Wirtschaftstätigkeit ausgeübt wird, und die Komplementarität mit den existierenden Systemen zu gewährleisten, wobei die Möglichkeiten des Datenaustauschs in Echtzeit (direkter Zugriff auf Datenbanken) zusätzlich zum manuellen Datenaustausch, wie er gegenwärtig im Rahmen des IMI-Systems möglich ist, zu berücksichtigen sind.

4.3.6.

Der EWSA ist besorgt, dass durch die Hintertür das Herkunftslandprinzip eingeführt werden könnte. Mit der elektronischen Dienstleistungskarte würden einige Elemente auf der Grundlage des Herkunftslandprinzips eingeführt, indem es Dienstleister ausschließlich mit dem Herkunftsmitgliedstaat als zwischengeschalteter Instanz zu tun hätten und der Aufnahmemitgliedstaat die Entscheidungen des Herkunftsmitgliedstaats über die Gültigkeit der Dokumente und die Richtigkeit ihres Inhalts akzeptieren müsste. Dadurch würde die Kontrolle eingeschränkt und folglich der Datenaustausch auf der Grundlage des Herkunftslandprinzips harmonisiert.

4.3.7.

Besonders problematisch erscheint die Tatsache, dass dem Vorschlag zufolge eine Koordinierungsbehörde die nationalen Anforderungen in möglichst kurzer Zeit überprüfen soll. Derartige Fristen sollten überdacht werden, da die für die elektronische Dienstleistungskarte zuständige Behörde jeden Fall mit den anderen einschlägigen zuständigen Behörden mit Blick auf unterschiedliche Aspekte der rechtlichen Anforderungen abstimmen muss. Darüber hinaus sollte klarer ausgesagt werden, dass die Richtlinie über Berufsqualifikationen bei allen Aspekten der Anerkennung beruflicher Qualifikationen Vorrang vor der neuen elektronischen Dienstleistungskarte hat.

4.3.8.

Da das Verfahren vollelektronisch abläuft und die Aufnahmemitgliedstaaten nur begrenzte Möglichkeiten haben, die dem Herkunftsmitgliedstaat mitgeteilten Informationen anhand der elektronischen Dienstleistungskarte zu verifizieren, wird es einfacher, Briefkastenfirmen zwecks Steuerhinterziehung und Sozialdumping zu gründen. Der EWSA ist daher der Ansicht, dass das Verfahren noch weiter angepasst werden muss, damit derartige Entwicklungen verhindert werden können.

4.3.8.1.

Zudem wird in dem Vorschlag nicht präzisiert, welche Elemente der Herkunftsmitgliedstaat prüfen muss, um zu bestätigen, dass ein Dienstleister in dem Staat rechtmäßig niedergelassen ist. Insbesondere gibt es keinen Verweis auf die in der Richtlinie 2014/67/EU aufgeführten tatsächlichen Umstände, mit deren Hilfe bestimmt wird, ob ein Unternehmen tatsächlich wesentliche Tätigkeiten in dem Mitgliedstaat ausübt.

4.3.9.

Die Überprüfung von Identitäten und die eingehende Prüfung der Originaldokumente sind von wesentlicher Bedeutung, damit unehrenhafte und kriminelle Unternehmen von vornherein nicht zugelassen werden (eine ähnliche Diskussion führte dazu, dass die SUP-Richtlinie auf Eis gelegt wurde (6)). Daher muss der Aufnahmemitgliedstaat uneingeschränkt für das Verfahren zur Erteilung einer europäischen elektronischen Dienstleistungskarte zuständig sein.

4.3.9.1.

Die Aufnahmemitgliedstaaten müssen darüber entscheiden können, welche Verfahren für die Registrierung von Zweitniederlassungen gelten, einschließlich Fragen der Anerkennung beruflicher Qualifikationen. Die Einbeziehung der Herkunftsmitgliedstaaten als zwischengeschaltete Instanzen in die Verfahren zur Gründung von Zweigniederlassungen würde zusätzlichen Verwaltungsaufwand für die zuständigen Behörden des Herkunfts- und des Aufnahmemitgliedstaats mit sich bringen; sie könnte außerdem eingehende Überprüfungen in dem Land verhindern, in dem Verletzungen z. B. der Arbeitnehmer- oder Verbraucherrechte auftreten.

4.3.10.

Zwar heißt es in der vorgeschlagenen Verordnung, dass Vorabnotifizierungssysteme für entsandte Arbeitnehmer nicht in ihren Anwendungsbereich fallen, doch wird mit dem Vorschlag ein harmonisiertes europäisches Meldesystem für entsandte Arbeitnehmer eingeführt, dem sich die Mitgliedstaaten freiwillig anschließen können. Dies würde den Weg für die spätere Einführung eines obligatorischen Systems bereiten, was weder wünschenswert noch mit den Bestimmungen der Richtlinie 2014/67/EU vereinbar ist. Bei den politischen Diskussionen über die Durchführungsrichtlinie 2014/67 wurde klar vereinbart, dass der Aufnahmemitgliedstaat die zuständige nationale Behörde für die Schaffung der Durchsetzungsinstrumente ist (Artikel 9 Richtlinie 2014/67).

4.3.11.

Die Verfahren zur Annullierung der elektronischen Dienstleistungskarte können unter Umständen eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung erfordern. Bis diese vorliegt, haben die Dienstleister verschiedene Möglichkeiten, weiter ihre Dienstleistungen zu erbringen. Dies verhindert wirksame Ex-post-Kontrollen durch den Aufnahmemitgliedstaat und erschwert die Durchsetzung der Arbeitnehmerrechte und der geltenden Rechtsvorschriften. Überdies enthalten die Legislativvorschläge keine abschreckenden Sanktionen, weder für die Mitgliedstaaten noch für das antragstellende Unternehmen, im Falle des Missbrauchs der europäischen elektronischen Dienstleistungskarte.

4.3.12.

Nach der Verordnung können natürliche Personen eine elektronische Dienstleistungskarte beantragen. In einigen Branchen besteht die erhebliche Gefahr, dass die Karte missbraucht wird und Scheinselbstständigkeit Vorschub leistet.

4.3.13.

Da die Einstufung als Selbstständiger oder abhängig Beschäftigter davon abhängt, wie die betreffende Tätigkeit ausgeübt wird, kann die ausstellende Behörde des Herkunftsmitgliedstaats keine elektronische Dienstleistungskarte ausstellen, nach der die betreffende Person gemäß den Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats als Selbstständiger tätig ist.

4.3.14.

In einigen Fällen erfordert der Entzug der elektronischen Dienstleistungskarte für Selbstständige eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung. Dies würde eine rasche Annullierung bei Missbrauch verhindern und es Scheinselbstständigen ermöglichen, ihre Tätigkeit so lange fortzusetzen, bis eine endgültige gerichtliche Entscheidung vorliegt. Dies wäre ein erhebliches rechtliches Schlupfloch, das die Bemühungen zur Bekämpfung der nicht angemeldeten Erwerbstätigkeit, etwa der europäischen Plattform zur Bekämpfung nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit, behindern würde.

4.3.15.

Der EWSA weist darauf hin, dass sich auf EU-Ebene bei einem ähnlichen Verfahren für die Ausstellung der PD-A1-Formulare im Zusammenhang mit der Entsendung von Arbeitnehmern bereits potenzielle Fallstricke gezeigt haben, da es ausschließlich dem Herkunftsmitgliedstaat obliegt, die Daten über neue ausländische Dienstleister zu validieren, insbesondere im Fall von Scheinbeschäftigung. Dazu wird in der Folgenabschätzung zum Vorschlag für eine Änderung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern festgestellt, dass die Richtigkeit der Informationen in den Entsendebescheinigungen PD A1 unter anderem aufgrund fehlender förmlicher Kontrollen durch die Behörden in den Entsendeländern nicht gewährleistet werden kann (7).

4.3.16.

Mit dem Vorschlag wird ein harmonisiertes Instrument zur Bereitstellung von Informationen über den Versicherungsschutz eingeführt. Da es jedoch mit der elektronischen Dienstleistungskarte verknüpft ist, muss die Information nur einmal bereitgestellt werden, was die Wirksamkeit von Inspektionen und Kontrollen in den Aufnahmemitgliedstaaten potenziell einschränkt.

4.3.16.1.

Darüber hinaus werden die Versicherer verpflichtet, die Prämien auf der Grundlage der Bilanz im Herkunftsmitgliedstaat zu berechnen, was einen Eingriff in das Recht und die Zuständigkeit von Versicherungsunternehmen zur Bewertung der Risiken darstellen würde.

4.3.17.

Die Kommission behält sich eine breite Palette von Durchführungsbefugnissen für die Gestaltung des Inhalts und der technischen Parameter der elektronischen Dienstleistungskarte vor. Eine Harmonisierung in diesem Bereich könnte jedoch die Fähigkeit der Mitgliedstaaten schmälern, neue ausländische Dienstleister im Hinblick auf die Einhaltung der Arbeitnehmerrechte im Bereich Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz wirksam zu kontrollieren.

4.4.   Reformempfehlungen für die Berufsreglementierung

4.4.1.

Der EWSA betont, dass Unterschiede zwischen ordnungspolitischen Konzepten an sich noch nicht bedeuten, dass Reformbedarf besteht. Viele Regelungen beruhen auf Traditionen und Erfahrungen. Sie sind wichtig für den Verbraucherschutz und müssen beibehalten werden. Der Grundsatz der Gleichwertigkeit beruht auf der Tatsache, dass unterschiedliche Systeme existieren. Der EWSA verweist darauf, dass nationale Berufssysteme auf langjährigen Traditionen beruhen. Das Forschungsprojekt zeigt eine große Bandbreite in Bezug auf die Vorteile von Deregulierungsmaßnahmen.

4.4.2.

Der EWSA begrüßt den neuen Regulierungsindikator, da er einen höheren Analysestandard ermöglicht als der PMR-Indikator der OECD. Einige Details sollten noch einmal geprüft werden (so erscheint etwa die Nennung der kontinuierlichen Weiterbildung als negative Einschränkung nicht angemessen). Der EWSA betont, dass ein diskriminierungsfreies Bild der verschiedenen Reglementierungssysteme nur dann gewonnen werden kann, wenn man nicht nur die Ex-ante-Reglementierung (z. B. Schutz von Titeln, Qualifikationsanforderungen), sondern auch die Ex-post-Reglementierung (z. B. Anforderungen in Bauvorschriften und Planungsgenehmigungen) berücksichtigt. Außerdem sollte ganz deutlich gemacht werden, dass der Indikator der Regulierungsintensität wertfrei zu sehen ist und nichts darüber aussagt, ob die Reglementierungen sinnvoll oder begründet sind.

Brüssel, den 31. Mai 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  ABl. L 159 vom 28.5.2014, S. 11.

(2)  ABl. L 18 vom 21.1.1997, S. 1.

(3)  ABl. L 159 vom 28.5.2014, S. 11.

(4)  ABl. C 125 vom 21.4.2017, S. 1.

(5)  Europäischer Rechnungshof, Sonderbericht 2016: „Die Dienstleistungsrichtlinie: Hat die Kommission eine wirksame Durchführung sichergestellt?“ S. 25.

(6)  COM(2014) 212 final und ABl. C 458 vom 19.12.2014, S. 19.

(7)  SWD(2016) 52 final, S. 8.


31.8.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 288/52


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem im Hinblick auf die befristete generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft auf Lieferungen bestimmter Gegenstände und Dienstleistungen über einem bestimmten Schwellenwert“

(COM(2016) 811 final — 2016/0406 (CNS))

(2017/C 288/06)

Berichterstatter:

Giuseppe GUERINI

Befassung

Europäischer Rat, 25.1.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 113 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Beschluss des Plenums

13.12.2016

Zuständige Fachgruppe

Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt

Annahme in der Fachgruppe

6.4.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

31.5.2017

Plenartagung Nr.

526

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

142/1/1

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die Maßnahmen der Europäischen Union zur Bekämpfung aller Arten von Steuerbetrug und ist der Auffassung, dass die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft für die Erhebung der Mehrwertsteuer ein nützliches Instrument zur Bekämpfung des Karussellbetrugs und der Hinterziehung von Mehrwertsteuern (MwSt) sein kann.

1.2.

Gleichwohl darf die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft, die eine Ausnahmeregelung von den bewährten Grundsätzen im MwSt-Bereich ist, den Binnenmarkt nicht beeinträchtigen; überdies muss sie befristet sein und von der Kommission mit Blick auf negative Auswirkungen auf den Binnenmarkt sorgfältig bewertet werden. Der EWSA ist besorgt über die Gefahr einer möglichen Fragmentierung des MwSt-Systems aufgrund der vorgeschlagenen Maßnahmen, auch angesichts der in der ersten Phase des MwSt-Aktionsplans der Kommission anvisierten Schritte, die derzeit nur für bestimmte Warenlieferungen, nicht aber für Dienstleistungen gedacht sind (1).

1.3.

Insbesondere wird zu bewerten sein, ob die Vorteile der Betrugsbekämpfung nicht durch mögliche negative Auswirkungen bezüglich des Zusammenhalts des Binnenmarkts zunichte gemacht werden. Deshalb sollte die Kommission das Funktionieren der generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft laufend überwachen und sich ein Eingreifen im Falle negativer Effekte vorbehalten.

1.4.

Der EWSA empfiehlt, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besondere Aufmerksamkeit zu widmen, da die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft einen erhöhten Aufwand für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowohl bezüglich der Befolgungskosten als auch mit Blick auf den Cashflow zur Folge haben könnte. Die generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft könnte insbesondere für KMU zu Liquiditätsproblemen führen.

1.5.

Der EWSA verweist auf Untersuchungen (2), die gezeigt haben, dass die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft und Systeme fraktionierter Zahlungen dort, wo sie bislang angewendet wurden, häufig zu Cashflow-Problemen für ordnungsgemäß ihre Steuern entrichtende Unternehmen geführt haben. Anders ausgedrückt: die Bekämpfung des Steuerbetrugs einer kleinen Zahl unredlicher Unternehmen hat zu erheblichen Problemen im Geschäftsbetrieb von Wirtschaftsakteuren geführt, die das Steuerrecht einhalten und Beschäftigung und Wohlstand im Binnenmarkt schaffen.

1.6.

Der EWSA betont, dass die Lösungen zur Bekämpfung von MwSt-Betrug nicht zur übermäßigen und unverhältnismäßigen Belastung der ordnungsgemäß ihren Steuerpflichten nachkommenden Unternehmen, insbesondere KMU, führen dürfen. Wie bereits vom EWSA mit Blick auf den MwSt-Aktionsplan der Kommission festgestellt, sollten redliche Unternehmen geschützt und nicht zum Ziel neuer überzogener Maßnahmen werden (3).

1.7.

Der EWSA stellt fest, dass aufgrund der nationalen Dimension der Bekämpfung von Steuerbetrug jeder Mitgliedstaat voll und ganz für das Funktionieren des eigenen Steuersystems verantwortlich ist und Instrumente zur Bekämpfung des MwSt-Betrugs vorzusehen hat, die das Funktionieren der Steuersysteme der anderen Mitgliedstaaten nicht stören oder beeinträchtigen.

1.8.

Alles in allem sollten nach Auffassung des EWSA die vorgeschlagenen Maßnahmen weder die Ziele des MwSt-Aktionsplans beeinträchtigen noch seine vollständige und rechtzeitige Umsetzung behindern oder verzögern. Seiner Meinung nach ist es nun an der Zeit, in diesem Bereich qualitative Fortschritte (einen Quantensprung) zu machen, um den Binnenmarkt zu stärken und einen Beitrag zu Beschäftigung, Wachstum, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit zu leisten. Der EWSA hält es zudem für wichtig, alle Elemente des Aktionsplans als ein untrennbares Ganzes umzusetzen (4).

1.9.

Im Sinne eines reibungslosen Funktionierens des Vorschlags und um künftig weitere Ausnahmen von etablierten Grundsätzen und Vorschriften bezüglich des MwSt-Systems der EU zu vermeiden wäre es sinnvoll, dass die Mitgliedstaaten, die die Anwendung der generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft beantragen, konkrete und spezifische Vorschriften für die elektronische Rechnungsstellung festlegen, um die lückenlose Rückverfolgbarkeit der Zahlungen sicherzustellen.

2.   Vorschlag der Kommission

2.1.

Die Europäische Kommission hat in der Mitteilung vom 7. April 2016 ihren Aktionsplan im Bereich der Mehrwertsteuer vorgelegt. Auf diese Mitteilung wird im Laufe des Jahres 2017 ein Legislativvorschlag für eine Reform und Modernisierung des derzeitigen MwSt-Systems der EU folgen.

2.2.

Mit dem Aktionsplan der Kommission und dem künftigen, für 2017 erwarteten Legislativvorschlag soll u. a. die sogenannte Mehrwertsteuerlücke, d. h. die Differenz zwischen den erwarteten und den tatsächlich erhobenen MwSt-Einnahmen, mittels Eindämmung des MwSt-Betrugs verringert werden.

2.3.

In Erwartung des Abschlusses der Reform des MwSt-Systems sowie auf Antrag einiger nationaler Regierungen hat die Kommission anerkannt, dass einigen Mitgliedstaaten unbedingt die befristete generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft (Reverse-Charge-Verfahren) gestattet werden muss.

2.4.

Das Reverse-Charge-Verfahren wird von der Europäischen Kommission in dem Richtlinienvorschlag (2016/0406 — CNS) zur Änderung der geltenden Richtlinie 2006/112/EG ausgeführt, der Gegenstand dieser Stellungnahme ist.

2.5.

Da das Reverse-Charge-Verfahren eine Ausnahme von einem der Grundsätze des EU-Rechts im Bereich der MwSt — der fraktionierten Zahlung — darstellt, hat die Kommission beschlossen, die Anwendung eines solchen Verfahrens seitens der Mitgliedstaaten nur unter spezifischen Bedingungen zu gestatten.

2.6.

Insbesondere muss: a) der Mitgliedstaat eine MwSt-Lücke aufweisen, die mindestens fünf Prozentpunkte über dem Medianwert der MwSt-Lücke der EU liegt; b) der Anteil des Karussellbetrugs an der MwSt-Lücke des Mitgliedstaats sich auf mehr als 25 % belaufen; c) festgestellt werden, dass andere Gegenmaßnahmen nicht ausreichen, um den Betrug auf seinem Hoheitsgebiet zu bekämpfen.

2.7.

Um zu vermeiden, dass die Anwendung des Reserve-Charge-Verfahrens unter Umständen zu einer Fragmentierung des Binnenmarkts führt, worauf im Übrigen bereits einige Mitgliedstaaten hingewiesen haben, hat die Kommission die Möglichkeit vorgesehen, die Anwendung dieses Verfahrens zu überdenken, sollten sich negative Auswirkungen auf den Binnenmarkt herausstellen, die den allgemeinen Zielen der Union widersprechen.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Der MwSt-Betrug ist eine europaweite Plage, die bekämpft werden muss. Die bedenklichste Form des MwSt-Betrugs ist der sogenannte „Karussellbetrug“, der mit der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft bekämpft werden soll.

3.2.

Daher begrüßt der EWSA die Einführung angemessener Verfahren zur Bekämpfung des Steuerbetrugs. Er merkt indes an, dass jede Ausnahme von der Einheitlichkeit des europäischen MwSt-Systems befristet und verhältnismäßig sein muss und im Hinblick auf eventuelle negative Auswirkungen auf den Binnenmarkt angemessen bewertet werden muss. Dies vor allem mit Blick darauf, dass der dem Legislativvorschlag zugrundeliegende Artikel 113 des Vertrags die Möglichkeit eines Eingreifens im Steuerbereich mittels Harmonisierungsmaßnahmen vorsieht, die das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts sicherstellen und Wettbewerbsverzerrungen verhindern.

3.3.

Insgesamt betrachtet sollten die vorgeschlagenen Maßnahmen weder die Ziele des MwSt-Aktionsplans beeinträchtigen noch seine vollständige und rechtzeitige Umsetzung behindern oder verzögern. Nun ist es an der Zeit, qualitative Fortschritte (einen Quantensprung) zu machen, um den Binnenmarkt zu stärken und einen Beitrag zu Beschäftigung, Wachstum, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit zu leisten.

3.4.

Außerdem ist es wichtig, alle Teile des Aktionsplans als ein untrennbares Ganzes umzusetzen, da dadurch ein Großteil des MwSt-Betrugs im Rahmen eines umfassenden Ansatzes bekämpft werden könnte.

3.5.

Der im Kommissionsvorschlag erwähnte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss daher unter angemessener Berücksichtigung der verschiedenen abzuwägenden öffentlichen Interessenslagen sowie nicht zuletzt des Gemeinwohls gewahrt werden, ohne die Harmonisierung der nationalen MwSt-Systeme im Hinblick auf die Vollendung des Binnenmarkts zu beeinträchtigen.

3.6.

Vor diesem Hintergrund muss daran erinnert werden, dass die Bekämpfung von Steuerflucht, u. a. mittels harmonisierter Steuern, vorwiegend den Mitgliedstaaten überlassen bleibt, und dass die Finanzverwaltungen stark innerstaatlich orientiert sind. Gleichzeitig sind sowohl der statistische Kenntnisstand über das Phänomen des Steuerbetrugs als auch die Vorgehensweisen und Formen der Steuerhinterziehung und ihrer Bekämpfung stark national verhaftet.

3.7.

Unter diesem Gesichtspunkt steht ein Instrument zur Bekämpfung der Steuerflucht, das von den Mitgliedstaaten mit einer Ausnahmeregelung von den EU-Vorschriften angewandt wird, im Einklang mit den einzelstaatlichen Aufgaben und Zuständigkeiten bei der Bekämpfung von Steuerbetrug. In dieser Perspektive wird der Kommissionsvorschlag dem Subsidiaritätsprinzip gerecht, da den Staaten die Bekämpfung illegaler Aktivitäten im Steuerbereich auf nationaler Ebene ermöglicht wird.

3.8.

Der EWSA stellt gleichwohl fest, dass die nationale Dimension der Bekämpfung von Steuerbetrug es auch erforderlich macht, dass jeder Mitgliedstaat voll und ganz für das Funktionieren des eigenen Steuersystems verantwortlich ist und Instrumente zur Bekämpfung des MwSt-Betrugs vorsieht, die das Funktionieren der Steuersysteme der anderen Mitgliedstaaten nicht stören oder beeinträchtigen.

3.9.

Die von der Kommission vorgeschlagene Ausnahmeregelung in Form der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft ist keine allgemeingültige Maßnahme, sondern unterliegt spezifischen Voraussetzungen. Die Mitgliedstaaten können diese Ausnahmeregelung unter spezifischen Bedingungen beantragen, aber dies ist vollkommen freiwillig.

3.10.

Mitgliedstaaten, die die Ausnahmeregelung der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft beantragen, müssen eine MwSt-Lücke aufweisen, die mindestens 5 % über dem Medianwert der MwSt-Lücke in der EU liegt. Bei einem Medianwert der gemeinschaftlichen MwSt-Lücke von 14 % stellt ein Überschreiten um fünf Prozentpunkte einen ausreichenden und substanziellen Grund für außerordentliche Maßnahmen zur Verringerung der MwSt-Lücke dar (5).

3.11.

Ebenso erscheint die von der Kommission vorgeschlagene Vorschrift, dass der Anteil des Karussellbetrugs an der MwSt-Lücke eines Mitgliedstaats mindestens 25 % betragen muss, angesichts der bisherigen Datenlage bei einem EU-Durchschnittswert von 24 % als gerechtfertigt (6).

3.12.

Der EWSA unterstützt auch die allgemeine Bedingung, wonach der Mitgliedstaat verwaltungsbedingte Schwierigkeiten bei der Bekämpfung des MwSt-Betrugs haben muss. Denn dadurch wird belegt, dass die Einführung einer generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft das wirksamste und verhältnismäßigste Mittel ist, um das Ziel der Verringerung der MwSt-Lücke zu erreichen. Dies liegt im öffentlichen Interesse sowohl der EU als auch der Mitgliedstaaten.

3.13.

Der Kommissionsvorschlag sieht vor, dass die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft bei Transaktionen oberhalb eines Rechnungsschwellenwerts von 10 000 EUR angewandt werden kann. Der Ausschuss hält diese De-minimis-Regel für annehmbar, da bei der Bekämpfung von Steuerumgehung, der Harmonisierung von Steuersystemen und der Vereinfachung von Verwaltungslasten aufgrund steuerlicher Pflichten unterschiedliche und häufig diametral gegensätzliche Interessen berücksichtigt werden müssen.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1.

Aus der von der Kommission durchgeführten Folgenabschätzung geht hervor, dass mit einem Reverse-Charge-Verfahren nicht unbedingt alle Betrugsmöglichkeiten ausgeräumt werden. Vielmehr könnten neue Betrugsarten in neuem Gewand oder in anderen als den derzeit am meisten betroffenen Mitgliedstaaten entstehen. Daher muss die Kommission die Funktionsweise des Reverse-Charge-Verfahrens angemessen überwachen, und sie muss die Befugnis zum Eingreifen im Falle negativer Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts behalten.

4.2.

Im Sinne eines reibungslosen Funktionierens des Legislativvorschlags, der Gegenstand dieser Stellungnahme ist, und um einer künftigen Notwendigkeit weiterer Ausnahmen von den bewährten Grundsätzen und Vorschriften bezüglich des MwSt-Systems der EU vorzubauen wäre es sinnvoll, dass die Mitgliedstaaten, die die Anwendung der generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft beantragen, den Steuerpflichtigen spezifische Vorschriften bezüglich der elektronischen Rechnungsstellung auferlegen, um die lückenlose Rückverfolgbarkeit der Zahlungen sicherzustellen.

4.3.

Insbesondere wird in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit hingewiesen, die Verfahren der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft und fraktionierter Zahlungen im Falle der korrekten und verbreiteten Verwendung elektronischer Rechnungsstellung für die Zertifizierung von Veräußerungserlösen zu verringern oder zu beseitigen. Diese Art der Rechnungstellung würde es ermöglichen, die ordnungsgemäße Zahlung der Mehrwertsteuer in Echtzeit zu überprüfen und negative finanzielle Auswirkungen auf ihre Steuern ordnungsgemäß entrichtende Unternehmen zu verhindern.

4.4.

Die Bekämpfung des MwSt-Betrugs ist ohne Zweifel ein Ziel, das mithilfe adäquater legislativer Maßnahmen seitens der Mitgliedstaaten entschlossen verfolgt werden muss. Gleichwohl ist anzumerken, dass die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft in B2B-Beziehungen zwischen privaten Einrichtungen und Verfahren fraktionierter Zahlungen in den Beziehungen zwischen Unternehmen und Behörden Unternehmen, die ihre Steuern ordnungsgemäß entrichten, schwer benachteiligen können.

4.5.

Erstens geht aus der Folgenabschätzung zum Kommissionsvorschlag hervor, dass die Befolgungskosten bei der Einführung einer Umkehrung der Steuerschuldnerschaft zu Lasten von KMU für Inlandsgeschäfte sehr hoch und für grenzübergreifende Geschäfte sogar noch höher sein werden. Laut der Folgenabschätzung der Kommission führt die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft zu einem Anstieg der Befolgungskosten für die Unternehmen um 43 % (7). Wenngleich davon ausgegangen wird, dass eine generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft geringere Befolgungskosten verursacht als eine auf einen bestimmten Sektor beschränkte Umkehrung der Steuerschuldnerschaft, so werden die Befolgungskosten doch dramatisch ansteigen.

4.6.

Zweitens ist durch Untersuchungen (8) belegt, dass die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft und Systeme fraktionierter Zahlungen dort, wo sie bislang angewendet wurden, für viele ihre Steuern ordnungsgemäß entrichtende Unternehmen häufig zu Cashflow-Problemen geführt haben.

4.7.

Anders ausgedrückt: die Bekämpfung des Steuerbetrugs einer kleinen Zahl unredlicher Unternehmen hat zu erheblichen Problemen für den Geschäftsbetrieb von Wirtschaftsakteuren geführt, die das Steuerrecht einhalten und Beschäftigung und Wohlstand im Binnenmarkt schaffen.

4.8.

Aus diesem Grund weist der EWSA die Kommission und die Mitgliedstaaten darauf hin, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowohl im Rahmen des Kommissionsvorschlags als auch innerhalb der einzelstaatlichen Rechtsordnungen eingehalten werden muss. Dabei ist sicherzustellen, dass die angenommenen Maßnahmen in Bezug auf die Bekämpfung des MwSt-Betrugs verhältnismäßig sind, ohne den Binnenmarkt zu beeinträchtigen. Gemäß dem gleichen Grundsatz sollten mit der gewählten Lösung illegale Aktivitäten bekämpft werden, ohne den redlichen Unternehmen und insbesondere den KMU übermäßige und unverhältnismäßige Lasten aufzuerlegen.

4.9.

Diese Erwägungen sind weitere Argumente für die Befristung der generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft. Andernfalls wird es zu einer inakzeptablen Zunahme der Verwaltungslasten — insbesondere für KMU — und gleichzeitig zu einer Verzerrung der Dynamik des EU-Binnenmarkts kommen, da die ernsthafte Gefahr unterschiedlicher Cashflow-Vorgänge für in verschiedenen Mitgliedstaaten niedergelassene Unternehmen besteht.

Brüssel, den 31. Mai 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  ABl. C 389 vom 21.10.2016, S. 43, Ziffer 1.3.

(2)  Siehe die Untersuchung des italienischen Handwerkverbands CNA: Reverse Charge e Split Payment: in Fumo la Liquidità delle Imprese (Umkehrung der Steuerschuldnerschaft und fraktionierte Zahlung: das Aus für die Liquidität der Betriebe), 2015.

(3)  ABl. C 389 vom 21.10.2016, S. 43, Ziffer 1.9.

(4)  ABl. C 389 vom 21.10.2016, S. 43, Ziffern 1.1 und 1.2.

(5)  SWD(2016) 457 final, S. 18.

(6)  SWD(2016) 457 final, S. 15.

(7)  COM(2016) 811 final, S. 43.

(8)  ABl. C 389 vom 21.10.2016, S. 43, Ziffer 1.9.


31.8.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 288/56


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2004/37/EG über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Karzinogene oder Mutagene bei der Arbeit“

(COM(2017) 11 final — 2017/0004 (COD))

(2017/C 288/07)

Berichterstatterin:

Marjolijn BULK

Befassung

Europäisches Parlament, 19.1.2017

Rat, 16.2.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

 

 

Beschluss des Plenums

24.1.2017

 

 

Zuständige Fachgruppe

Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft

Annahme in der Fachgruppe

3.5.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

31.5.2017

Plenartagung Nr.

526

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

149/0/3

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die Überarbeitung der Richtlinie über Karzinogene und möchte sich in diese wichtige Debatte einbringen.

1.2.

Der EWSA fordert die Europäische Kommission zur Durchführung einer Folgenabschätzung zu einer möglichen Ausweitung des Anwendungsbereichs der Richtlinie über Karzinogene und Mutagene (KM-Richtlinie) auf fortpflanzungsgefährdende Stoffe auf.

1.3.

Der EWSA empfiehlt nachdrücklich, bei der Überarbeitung der KM-Richtlinie und den für 2018 geplanten Änderungen der arbeitsbedingten Exposition gegenüber karzinogenen Stoffen von Frauen mehr Aufmerksamkeit zu widmen.

1.4.

Der EWSA hält es für wichtig, dass sich die Kommission mit der Verbesserung eines gemeinsamen Verfahrens für die Festlegung verbindlicher Arbeitsplatzgrenzwerte in der KM-Richtlinie beschäftigt, in Abstimmung mit den Sozialpartnern, den Mitgliedstaaten und anderen Interessenträgern.

1.5.

Verbindliche Arbeitsplatzgrenzwerte müssen auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und statistischer Nachweise festgelegt werden und unterschiedlichen Faktoren Rechnung tragen, wie etwa der Machbarkeit und den Möglichkeiten zur Messung der Expositionshöhen. In den Niederlanden und in Deutschland wird ein risikobasierter Ansatz verfolgt, mit dessen Hilfe verbindliche Arbeitsplatzgrenzwerte festgelegt werden können, bei denen der Risikograd als primäre Determinante für einen sozialen Kompromiss berücksichtigt wird.

1.6.

Der EWSA hält es für erforderlich, Programme aufzustellen, die im Rahmen der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit oder der nationalen Gesundheitssysteme allen Personen, die am Arbeitsplatz Karzinogenen ausgesetzt sind bzw. waren, eine lebenslange Gesundheitsüberwachung anbieten.

1.7.

Der EWSA betont, dass die Mitgliedstaaten für einen besseren Schutz der Arbeitnehmer vor krebserzeugenden, erbgutverändernden und fortpflanzungsgefährdenden Stoffen am Arbeitsplatz sicherstellen sollten, dass die Arbeitsaufsichtsbehörden für ihre Aufgaben finanziell und personell ausreichend ausgestattet sind.

1.8.

Der EWSA unterstützt den gemeinsamen Standpunkt der europäischen Sozialpartner und empfiehlt, einen verbindlichen Arbeitsplatzgrenzwert für Formaldehyd anzunehmen.

1.9.

Der EWSA empfiehlt der Kommission, bei der Aufstellung einer rechtlichen Definition von Dieselmotorenabgasen die Erkenntnisse des SCOEL in Bezug auf Dieselabgase zu berücksichtigen.

2.   Hintergrund des Vorschlags

2.1.

Krebs ist die häufigste arbeitsbedingte Todesursache. Laut Schätzungen wurden im Jahr 2013 1,314 Millionen krebsbedingte Todesfälle in der EU verzeichnet. Über 100 000 Todesfälle in der EU sind auf arbeitsbedingte Krebserkrankungen zurückzuführen. Krebs ist die häufigste arbeitsbedingte Todesursache in der EU. Etwa 20 Millionen Arbeitnehmer in der EU sind Karzinogenen am Arbeitsplatz ausgesetzt. Einer 2015 veröffentlichten Studie des niederländischen Staatlichen Instituts für Gesundheit und Umwelt (RIVM) (1) zufolge werden die jährlichen Kosten dieser arbeitsbedingten Krebserkrankungen auf 334 Mrd. Euro geschätzt.

2.2.

Rechtsvorschriften zum Schutz der Arbeitnehmer befassen sich in mehreren Richtlinien mit arbeitsbedingten Krebserkrankungen. Die allgemeinen Verpflichtungen der Rahmenrichtlinie (2) aus dem Jahr 1989 gelten für alle Risiken und legen allgemeine Maßnahmen fest, die am Arbeitsplatz umgesetzt werden müssen. Die Richtlinie über chemische Arbeitsstoffe (3) gilt für alle gefährlichen Chemikalien. In der Asbest-Richtlinie (4) werden einige Besonderheiten in Bezug auf die Prävention asbestbedingter Erkrankungen berücksichtigt. Der wichtigste spezifische Rechtsakt ist die Richtlinie über Karzinogene aus dem Jahr 1990.

2.3.

In der KM-Richtlinie sind allgemeine Mindestanforderungen festgelegt. Die Arbeitgeber müssen die Risiken ermitteln und bewerten und die Exposition im Falle von Risiken vermeiden. Die Substitution durch ein nicht oder weniger gefährliches Verfahren bzw. einen nicht oder weniger gefährlichen chemischen Arbeitsstoff ist erforderlich, sofern dies technisch möglich ist. Ist die Substitution technisch nicht möglich, so müssen krebserzeugende chemische Stoffe, soweit dies technisch möglich ist, in einem geschlossenen System hergestellt und verwendet werden, um eine Exposition zu vermeiden. Ist dies technisch an sich nicht möglich, so ist die Exposition der Arbeitnehmer auf das geringste technisch mögliche Niveau zu senken.

2.4.

Zusätzlich zu diesen allgemeinen Mindestanforderungen werden in der KM-Richtlinie Arbeitsplatzgrenzwerte für bestimmte Karzinogene und Mutagene festgesetzt, die integraler Bestandteil des Mechanismus für den Schutz der Arbeitnehmer sind. Konkrete verbindliche Arbeitsplatzgrenzwerte für spezifische chemische Arbeitsstoffe sind in Anhang III der KM-Richtlinie aufgeführt. Derzeit werden in diesem Anhang solche Grenzwerte nur für drei durch Stoffe oder Verfahren bedingte Expositionen festgelegt. Diese verbindlichen Arbeitsplatzgrenzwerte erfassen nur einen kleinen Anteil der Arbeitnehmer, die KEF-Stoffen ausgesetzt sind.

2.5.

2016 kündigte die Europäische Kommission an, dass die KM-Richtlinie in drei Phasen überarbeitet werden würde. Im Mai 2016 nahm sie einen ersten Vorschlag an, der derzeit im Europäischen Parlament und im Ministerrat erörtert wird. Ein zweiter Vorschlag wurde im Januar 2017 angenommen, ein dritter ist für 2018 geplant.

2.6.

Die Überarbeitung der KM-Richtlinie ist ein kontinuierlicher Prozess. Mit dem ersten Vorschlag wurden zwei bestehende verbindliche Arbeitsplatzgrenzwerte überarbeitet und elf neue festgelegt. Im Ulvskog-Bericht (5) befürwortete das Europäische Parlament die Überarbeitung der KM-Richtlinie und forderte unter anderem eine Ausweitung ihres Anwendungsbereichs auf fortpflanzungsgefährdende Stoffe, die Einführung strengerer Arbeitsplatzgrenzwerte für sechs der Stoffe sowie die Festlegung eines Übergangsgrenzwerts, um den Arbeitgebern mehr Zeit für die Umsetzung zu geben. Das Europäische Parlament betonte ferner, dass bei der für 2017 und 2018 vorgesehenen Überarbeitung von Anhang III der Richtlinie 2004/37/EG unter anderem Stoffe, Gemische bzw. Verfahren wie Abgase von Dieselmotoren, Formaldehyd, Cadmium und Cadmiumverbindungen, Beryllium und Berylliumverbindungen, Nickelverbindungen, Arsen und Arsenverbindungen sowie Acrylnitril berücksichtigt werden sollten. Eine sehr große Mehrheit der Fraktionen unterstützte den vom Europäischen Parlament vorgeschlagenen Kompromiss.

2.7.

Mit dem zweiten Vorschlag sollen fünf neue verbindliche Arbeitsplatzgrenzwerte festgelegt werden. Zwar werden komplexe PAK-Gemische (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffgemische) und gebrauchte Motoröle im Anhang zur Festlegung des Anwendungsbereichs der Richtlinie aufgeführt, doch wurden für diese beiden Karzinogene keine Grenzwerte festgelegt. Ausgehend von ihrer eigenen Analyse hat die Kommission beschlossen, dass in dieser Phase bei fünf krebserzeugenden Stoffen kein Handlungsbedarf besteht (6).

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Der Anwendungsbereich der KM-Richtlinie beschränkt sich derzeit auf Karzinogene und Mutagene; eine mögliche Ausweitung auf fortpflanzungsgefährdende Stoffe sollte erwogen werden. Das EU-OSHA führt dazu aus: „Die Auswirkungen arbeitsbedingter Exposition auf das Reproduktionssystem von Männern und Frauen können sich in Änderungen des Geschlechtshormonspiegels, geringerer Libido und Potenz, Menstruationsstörungen, vorzeitigen Wechseljahren, verzögerter Menarche, Funktionsstörungen der Eierstöcke, schlechterer Spermienqualität sowie geringerer Fruchtbarkeit bei Männern und Frauen manifestieren. Die Schadstoffexposition kann unmittelbare Zellschäden im Sperma und in Eizellen verursachen. Die Exposition werdender Mütter während der Schwangerschaft kann die Entwicklung des Fötus beeinträchtigen (…). Die Schadstoffexposition kann viele weitreichende Folgen haben, z. B. Fruchttod, intrauterine Wachstumsverzögerungen, Frühgeburten, Geburtsschäden, Tod nach der Geburt, Störungen der kognitiven Entwicklung sowie Veränderungen der Empfindlichkeit des Immunsystems oder Krebs im Kindesalter. Wenn die Mutter am Arbeitsplatz Chemikalien ausgesetzt ist, kann dies auch eine Kontamination ihrer Muttermilch zur Folge haben. Einige Chemikalien mit hormoneller Wirkung, die sog. endokrinen Disruptoren, können die Funktion des endokrinen Systems verändern und somit die Fortpflanzungsfähigkeit schädigen, z. B. durch eine schlechtere Spermienqualität und beschädigtes Reproduktionsgewebe bei Männern und einige gynäkologische Erkrankungen bei Frauen.“

3.1.1.

Im Rahmen von REACH und verschiedenen spezifischen Rechtsvorschriften (zu kosmetischen Mitteln, Bioziden und Pestiziden) werden krebserzeugende, erbgutverändernde und fortpflanzungsgefährdende Stoffe in einer Dachgruppe mit besonders besorgniserregenden Stoffen behandelt. Sie weisen einige gemeinsame Merkmale auf, darunter ihre akuten Auswirkungen auf die Gesundheit, die Schwierigkeiten bei der Risikowahrnehmung, da sich die Folgen der Exposition oft erst nach einer langen Latenzzeit zeigen, das problematische Risikomanagement und Probleme im Zusammenhang mit sog. „Cocktaileffekten“, d. h. der Gefährdung durch zwei oder mehr verschiedene Stoffe oder Verfahren. In den nationalen Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten wurde ein solches Konzept mit der Unterstützung durch die Sozialpartner auf nationaler Ebene angenommen. Der EWSA fordert die Europäische Kommission zur Durchführung einer Folgenabschätzung zu einer möglichen Ausweitung des Anwendungsbereichs der Richtlinie über Karzinogene und Mutagene (KM-Richtlinie) auf fortpflanzungsgefährdende Stoffe auf.

3.2.

In der Strategie der EU gegen arbeitsbedingte Krebserkrankungen sollten Frauen stärker berücksichtigt werden.

3.2.1.

Die Expositionsmuster und die Lage der Tumore können bei Männern und Frauen unterschiedlich sein. Brustkrebs kommt beispielsweise bei Männern sehr selten vor, ist aber die häufigste Krebsart bei Frauen. Eine Reihe arbeitsbedingter Expositionen kann zur Entstehung von Brustkrebs beitragen.

3.2.2.

Der EWSA fordert die Kommission nachdrücklich auf, die arbeitsbedingte Exposition von Frauen gegenüber karzinogenen Substanzen bei der für 2018 geplanten Überarbeitung der Richtlinie und den Änderungen systematischer zu berücksichtigen. Bei vielen Arten von Tätigkeiten, die vorwiegend von Frauen ausgeübt werden (Gesundheits- und Reinigungsberufe, Friseur usw.), wird die Gefährdung durch Karzinogene vernachlässigt. Für die Identifizierung und Einordnung von endokrinen Disruptoren, die zur Entstehung einiger Krebsarten beitragen, müssen Kriterien aufgestellt werden. Beim Einsatz von Zytostatika (d. h. Chemotherapeutika) in den Gesundheitsberufen sollte die Prävention gestärkt werden. Auch wenn ionisierende Strahlungen nicht zum Thema dieser Stellungnahme gehören, fordert der EWSA dazu auf, andere Richtlinien und insbesondere die Richtlinie 2013/59/Euratom dahingehend dringend zu verstärken.

3.3.

Unter den Interessenträgern besteht ein breiter Konsens über die Rolle und die Bedeutung verbindlicher Arbeitsplatzgrenzwerte. Verbindliche Arbeitsplatzgrenzwerte sind wichtig, weil sie dazu beitragen, das Risiko zu verringern, auch wenn es keine sichere Expositionshöhe gibt. Ihre Höhe muss angemessen sein und wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie Machbarkeitsaspekten Rechnung tragen.

3.3.1.

In der EU gibt es jedoch keine einheitlichen Verfahren für die Berechnung von verbindlichen Arbeitsplatzgrenzwerten. Derzeit geht die Kommission auf Einzelfallbasis vor. In Bezug auf Transparenz und Kohärenz könnte einiges verbessert werden. Einige verbindliche Arbeitsplatzgrenzwerte sind gut, während andere nur unzureichenden Schutz bieten. Nach Auffassung des EWSA sollten die Ziele entsprechend ehrgeizig sein, wenn es um die Gesundheit und Menschenleben geht.

3.3.2.

Hinzu kommt die Unterschiedlichkeit der Konzepte der Mitgliedstaaten. Einige von ihnen haben Grenzwerte für mehr als hundert verschiedene KEF-Stoffe festgelegt, andere für weniger als zehn. Die Höhe dieser Grenzwerte kann von Land zu Land unterschiedlich sein. Dies verursacht Unternehmen, die in verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Normen tätig sind, Probleme und könnte in einigen Fällen zu unlauterem Wettbewerb führen.

3.3.3.

Der EWSA hält es daher für wichtig, dass die Kommission ein Verfahren für die Festlegung von verbindlichen Arbeitsplatzgrenzwerten in der KM-Richtlinie aufstellt. Hierbei sollten die Sozialpartner, die Mitgliedstaaten und andere Interessenträger, darunter auch NGO, umfassend konsultiert werden. Nationale Erfahrungen tragen zur Ermittlung und Aufstellung bewährter Praktiken bei. Nach Auffassung des EWSA sollten zwei Aspekte besonders berücksichtigt werden:

3.3.3.1.

Erstens die Kohärenz der verbindlichen Arbeitsplatzgrenzwerte, um den Fall zu vermeiden, dass das Krebsrisiko von Arbeitnehmern, die bestimmten Stoffen ausgesetzt sind, höher ist als bei Arbeitnehmern, die anderen Stoffen ausgesetzt sind. In Deutschland und in den Niederlanden unterstützen die Sozialpartner einen risikobasierten Ansatz. Dies trägt zur Festlegung von verbindlichen Arbeitsplatzgrenzwerten bei, bei denen der Risikograd als primäre Determinante für einen sozialen Kompromiss berücksichtigt wird.

3.3.3.2.

Zweitens müssen diese Grenzwerte auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse festgelegt werden. Sie müssen unterschiedlichen Faktoren Rechnung tragen, wie etwa der Machbarkeit und den Möglichkeiten zur Messung der Expositionshöhen. Um Arbeitgeber bei der Festlegung von Prioritäten für ihre Präventionsmaßnahmen zu unterstützen, sollten sie sich ausdrücklich auf das mit der Expositionshöhe verbundene Risiko beziehen.

3.4.

In den meisten Fällen besteht eine lange Latenzzeit zwischen der Exposition und dem Ausbruch der Krebserkrankung. Der EWSA hält es daher für erforderlich, gefährdete Arbeitnehmer, die einer Exposition oder einem Expositionsrisiko ausgesetzt sind, zu schützen, indem allen gefährdeten Arbeitnehmern im Rahmen der Systeme der sozialen Sicherheit oder der nationalen Gesundheitssysteme eine lebenslange Gesundheitsüberwachung angeboten wird.

3.5.

Der EWSA empfiehlt, die Bemühungen stärker auf wissenschaftliche und statistische Untersuchungen auszurichten. Arbeitsbedingte Krebserkrankungen können auch entstehen durch: Stress, arbeitsorganisatorische Faktoren, z. B. Schichtarbeit usw. In die Erforschung der Folgen und möglicher Synergieeffekte einer kombinierten Exposition gegenüber verschiedenen Faktoren wie Chemikalien und biologischen Stoffe oder physikalischen Einwirkungen, Chemikalien und Arbeitsorganisation usw. sollte mehr Mühe und Geld fließen.

3.6.

Der EWSA betont, dass eine wesentliche Aufgabe im Bereich des Schutzes von Arbeitnehmern vor krebserzeugenden, erbgutverändernden und fortpflanzungsgefährdenden Stoffen am Arbeitsplatz in einer stärkeren Kontrolle der Umsetzung und Anwendung der KM-Richtlinie besteht. Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass die Arbeitsaufsichtsbehörden finanziell und personell ausreichend ausgestattet sind, um ihren Aufgaben nachzukommen, und dass sie den Unternehmen, insbesondere KMU, bei der Einhaltung dieser neuen Bestimmungen behilflich sind. Sie sollten ihre Zusammenarbeit mit der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz stärken, die verschiedene Werkzeuge entwickelt hat, mit denen die Qualität der Präventionsmaßnahmen am Arbeitsplatz verbessert werden könnte. Eines dieser Instrumente ist OiRA (Online interactive Risk Assessment), eine Internet-Plattform, mit deren Hilfe branchenspezifische Tools für die Gefährdungsbeurteilung in allen Sprachen leicht verständlich und standardisiert entwickelt werden können.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1.

Mit dem zweiten Vorschlag zur KM-Richtlinie werden verbindliche Arbeitsplatzgrenzwerte für fünf weitere krebserzeugende Stoffe eingeführt.

4.1.1.

Epichlorhydrin ist ein nicht grenzwertgebundenes Karzinogen. In der EU sind 43 813 Arbeitnehmer Epichlorhydrin ausgesetzt. Die Kommission schlägt einen verbindlichen Arbeitsplatzgrenzwert von 1,9 mg/m3 vor. 15 Mitgliedstaaten werden einen Arbeitsplatzgrenzwert einführen (7) bzw. ihren Grenzwert aktualisieren (8) müssen, um ihn auf 1,9 mg/m3 zu senken. Schätzungsweise 69 % der exponierten Arbeitnehmer sind in diesen 15 Mitgliedstaaten tätig, folglich würde ihnen ein verbesserter rechtlicher Schutz durch die Einführung dieses verbindlichen Arbeitsplatzgrenzwerts zugutekommen. Nach Auffassung des EWSA würde der vorgeschlagene Grenzwert zur Verringerung der arbeitsbedingten Krebsbelastung beitragen.

4.1.2.

Ethylendibromid ist ein nicht grenzwertgebundenes genotoxisches Karzinogen. Es wird geschätzt, dass weniger als 8 000 Arbeitnehmer in der EU möglicherweise 1,2-Dibromethan ausgesetzt sind. Die Kommission schlägt einen verbindlichen Arbeitsplatzgrenzwert von 0,8 mg/m3 (0,1 ppm) vor. 20 Mitgliedstaaten werden einen Arbeitsplatzgrenzwert einführen (11) bzw. ihren Grenzwert aktualisieren (9) müssen, um ihn auf 0,8 mg/m3 zu senken. Schätzungsweise 81 % der exponierten Arbeitnehmer sind in diesen 20 Mitgliedstaaten tätig, folglich würde ihnen ein verbesserter rechtlicher Schutz durch die Einführung dieses verbindlichen Arbeitsplatzgrenzwerts zugutekommen. Die zusätzlichen Kosten für die Unternehmen (darunter auch Kleinst- und Kleinunternehmen) dürften sehr gering ausfallen. Nach Auffassung des EWSA würde der vorgeschlagene Grenzwert zur Verringerung der arbeitsbedingten Krebsbelastung beitragen.

4.1.3.

Ethylendichlorid ist gemäß der CLP-Verordnung als Karzinogen eingestuft. In Europa sind weniger als 3 000 Arbeitnehmer potenziell Ethylendichlorid ausgesetzt (7). Die Kommission schlägt einen verbindlichen Arbeitsplatzgrenzwert von 8,2 mg/m3 bzw. 2 ppm vor. 23 Mitgliedstaaten werden einen Grenzwert einführen (5) bzw. ihren Grenzwert aktualisieren (18) müssen, um ihn auf 2 ppm zu senken, daher wird davon ausgegangen, dass ein verbesserter rechtlicher Schutz einem großen Anteil der exponierten Arbeitnehmer zugutekommen würde. Nach Auffassung des EWSA würde der vorgeschlagene Grenzwert zur Verringerung der arbeitsbedingten Krebsbelastung beitragen.

4.1.4.

4,4'-Methylendianilin (MDA) ist ein genotoxisches Karzinogen. Schätzungen zufolge sind ca. 70 bis 140 Personen in der chemischen Industrie MDA in der Luft ausgesetzt. Die Zahl der Menschen, die dermaler Exposition ausgesetzt sind, ist erheblich höher und liegt schätzungsweise in einer Größenordnung zwischen 390 000 und 3,9 Millionen Arbeitnehmern (8). Die Kommission schlägt einen verbindlichen Arbeitsplatzgrenzwert von 0,08 mg/m3 vor. 23 Mitgliedstaaten werden einen Arbeitsplatzgrenzwert einführen (12) bzw. ihren Grenzwert aktualisieren (11) müssen, um ihn auf 0,08 mg/m3 zu senken. Nach Auffassung des EWSA würde der vorgeschlagene Grenzwert zur Verringerung der arbeitsbedingten Krebsbelastung beitragen.

4.1.5.

Trichlorethylen wurde von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) als Karzinogen der Gruppe 2A und als Karzinogen der Kategorie 1B in der EU im Rahmen der CLP-Verordnung eingestuft. Es wird geschätzt, dass ungefähr 74 000 Arbeitnehmer in der EU potenziell Trichlorethylen ausgesetzt sind. Die Europäische Kommission schlägt eine Kombination aus einem verbindlichen Arbeitsplatzgrenzwert von 54,7 mg/m3 bzw. 10 ppm sowie einen Grenzwert für Kurzzeitexposition (im Folgenden: STEL) von 164,1 mg/m3 bzw. 30 ppm vor. Von den 22 Mitgliedstaaten, die bereits einen nationalen verbindlichen Arbeitsplatzgrenzwert für Trichlorethylen eingeführt haben, haben 16 auch einen STEL festgelegt. 17 Mitgliedstaaten werden einen Arbeitsplatzgrenzwert einführen (6) bzw. ihren Grenzwert aktualisieren (11) müssen, um ihn auf 54,7 mg/m3 (10 ppm) zu senken. Schätzungsweise 74 % der exponierten Arbeitnehmer sind in diesen 17 Mitgliedstaaten tätig, folglich würde ihnen ein verbesserter rechtlicher Schutz durch die Einführung dieses Arbeitsplatzgrenzwerts zugutekommen. Der EWSA weist darauf hin, dass von mehreren Mitgliedstaaten ein niedrigerer verbindlicher Arbeitsplatzgrenzwert für Trichlorethylen angewandt wird, der von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften befürwortet wird. Auf EU-Ebene sollte ein niedrigerer Grenzwert angestrebt werden, um die arbeitsbedingte Krebsbelastung zu verringern.

4.2.

Zwar werden komplexe polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffgemische (PAK) und gebrauchte Motoröle im Anhang zur Festlegung des Anwendungsbereichs der Richtlinie aufgeführt, doch wurden für diese beiden Karzinogene keine Grenzwerte festgelegt.

4.2.1.

Komplexe polyzyklische aromatischer Kohlenwasserstoffgemische (PAK) mit Benzo[a]pyren als Indikator. PAK sind eine große Gruppe organischer Verbindungen. Nach Auffassung des EWSA würde die vorgeschlagene Maßnahme zur Verringerung der arbeitsbedingten Krebsbelastung beitragen.

4.2.2.

Mineralöle in Form gebrauchter Motoröle. Die Exposition gegenüber Mineralölen in Form gebrauchter Motoröle kann Hautkrebs verursachen. Die Zahl der exponierten Arbeitnehmer wird auf 1 Million geschätzt, die überwiegend mit der Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen beschäftigt sind. Nach Auffassung des EWSA würde die vorgeschlagene Maßnahme zur Verringerung der arbeitsbedingten Krebsbelastung beitragen.

5.   Weitere Stoffe oder Verfahren, die hinzugefügt werden sollten

5.1.

Formaldehyd (FA). Die Kommission hat keinen verbindlichen Arbeitsplatzgrenzwert für Formaldehyd vorgeschlagen. 2009 kam die IARC zu dem Schluss, dass ausreichende Belege beim Menschen für einen kausalen Zusammenhang zwischen Formaldehyd und myeloischer Leukämie vorliegen. Die verfügbaren Informationen zu Formaldehyd reichen aus, um einen gesundheitlich begründeten Arbeitsplatzgrenzwert, einen zeitlich gewichteten Mittelwert, gemessen oder berechnet für einen Bezugszeitraum von acht Stunden (TWA), und einen STEL abzuleiten. Auf der Grundlage der verfügbaren Daten leitet der SCOEL einen Arbeitsplatzgrenzwert von 0,3 ppm (8-Stunden-TWA) mit einem STEL von 0,6 ppm ab. Dementsprechend beschloss auch der Beratende Ausschuss für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz (ACSHW), der Kommission diesen Grenzwert zu empfehlen. 2016 beantragten die europäischen Sozialpartner bei der Kommission, die vom SCOEL vorgeschlagenen, gesundheitlich begründeten Werte als verbindlichen Arbeitsplatzgrenzwert für diese Chemikalie aufzunehmen (9). Der EWSA unterstützt diesen gemeinsamen Standpunkt und ist der Ansicht, dass ein solcher verbindlicher Arbeitsplatzgrenzwert festgelegt werden sollte.

5.2.

Abgase von Dieselmotoren. 2012 hat die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) alle Abgasemissionen von Dieselmotoren als Karzinogene der Klasse 1 (bekanntermaßen krebserzeugende Wirkung beim Menschen) eingestuft. Der Kommission zufolge sind über drei Millionen Arbeitnehmer in der Europäischen Union am Arbeitsplatz Abgasemissionen von Dieselmotoren ausgesetzt. Die Gesamtzahl der Arbeitnehmer, die zumindest während eines Teils ihres Arbeitslebens diesen Emissionen ausgesetzt sind, lag 2010 bei zwölf Millionen, bis 2060 kann diese Zahl möglicherweise auf 20 Millionen ansteigen. In der Folgenabschätzung der Kommission heißt es, dass das Fehlen von Rechtsvorschriften für ein Verbot der Gefährdung durch Abgase von Dieselmotoren bei der Arbeit zwischen 2010 und 2069 zu 230 000 Todesfällen in der EU führen wird.

5.2.1.

Das Hauptargument der Kommission, Dieselmotorabgase aus Anhang I und Anhang III der KM-Richtlinie auszunehmen, ist die Schwierigkeit, eine rechtliche Definition zur Unterscheidung zwischen neuen und alten Motoren zu finden. Der EWSA ist der Ansicht, dass das Ziel der KM-Richtlinie nicht die Aufstellung technischer Normen für Motoren ist, sondern die Festlegung einer rechtlichen Definition von Dieselmotorabgasen als verfahrensbedingte krebserzeugende Stoffe entsprechend den wissenschaftlichen Erkenntnissen und der Bewertung der IARC. Arbeitnehmer können am Arbeitsplatz Dieselabgasen aus mehreren verschiedenen Motoren ausgesetzt sein, die unterschiedliche Expositionsnormen erfüllen. Weitere Faktoren spielen eine wichtige Rolle für die Charakterisierung der Gefährdung: Verbrennungstemperaturen sowie Wartung und Reinigung der Motoren. Es könnte ein verbindlicher Arbeitsplatzgrenzwert festgelegt werden, der die Konzentration von elementarem Kohlenstoff in der Luft berücksichtigt. Nach Auffassung des EWSA sollte folgende Erkenntnis des SCOEL berücksichtigt werden: „Auch wenn toxikologische Daten für einen Grenzwert sprechen (evtl. bei 0,02 mg Dieselruß/m3 oder darunter, was 0,015 mg EC/m3 entspricht), weisen epidemiologische Daten darauf hin, dass bereits bei bzw. unter diesen Expositionswerten ein erhebliches Krebsrisiko besteht. Daher kann auf der Grundlage der derzeit verfügbaren Daten und Analysen kein Arbeitsplatzgrenzwert festgelegt werden, der einen angemessenen Schutz der Arbeitnehmer bieten würde. Jedoch werden sowohl toxikologische als auch humanepidemiologische Daten weiter gesammelt und ausgewertet“ (10).

Brüssel, den 31. Mai 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Staatliches Institut für Gesundheit und Umwelt (RIVM) der Niederlande, Work related cancer in the European Union. Size, impact and options for further prevention (Arbeitsbedingte Krebserkrankungen in der Europäischen Union. Ausmaß, Auswirkungen und Optionen für die weitere Prävention), 2015.

(2)  Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit, Richtlinie 89/391/EWG des Rates (ABl. L 183 vom 29.6.1989, S. 1).

(3)  Schutz von Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch chemische Arbeitsstoffe bei der Arbeit, Richtlinie 98/24/EG des Rates (ABl. L. 131 vom 5.5.1998, S. 11).

(4)  Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Asbest am Arbeitsplatz, Richtlinie 2009/148/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 330 vom 16.12.2009, S. 28).

(5)  Ulvskog-Bericht

(6)  Beryllium und anorganische Berylliumverbindungen, Hexachlorbenzol, Abgase von Dieselmotoren, prozessbedingter Gummistaub und -dampf und 4,4‘-Methylen-bis (2-Chloranilin).

(7)  Angaben von 2009.

(8)  Forschungsprojekt P937/9 zu 4,4'-Methylendianilin des Institute of Medicine (IOM, 2016 umbenannt in HDM), Mai 2011.

(9)  Antrag von EPF, EGB, EAMA, ETRMA, FormaCare und EPRA auf Aufnahme von Formaldehyd in Anhang III der Richtlinie 2004/37/EG über Karzinogene und Mutagene, 15. Juli 2016.

(10)  Stellungnahme Nr. 403 des SCOEL, 2016.


31.8.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 288/62


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Europäischen Verteidigungs-Aktionsplan“

(COM(2016) 950 final)

(2017/C 288/08)

Berichterstatter:

Christian MOOS

Ko-Berichterstatter:

Jan PIE

Befassung

27.1.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

 

 

Zuständiges Arbeitsorgan

Beratende Kommission für den industriellen Wandel (CCMI)

Annahme in der CCMI

7.4.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

31.5.2017

Plenartagung Nr.

526

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

104/1/7

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) spricht sich für den Aufbau einer Europäischen Verteidigungsunion aus und unterstützt den Europäischen Verteidigungs-Aktionsplan, einschließlich der Einrichtung eines gemeinsamen Europäischen Verteidigungsfonds.

1.2.

Der EWSA ruft zu einem signifikanten qualitativen Fortschritt bei der europäischen Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich auf, da der Markt und die Industrie für Verteidigungsgüter in der EU zu stark fragmentiert sind, was einen ineffizienten Mitteleinsatz, Doppelstrukturen, mangelnde Interoperabilität und technische Lücken zur Folge hat.

1.3.

Der EWSA befürwortet das Ziel strategischer Autonomie bei ermittelten kritischen industriellen Kapazitäten und Technologien. Die NATO bleibt die Grundlage der kollektiven Verteidigung Europas.

1.4.

Die EU sollte weiterhin eine präventive und multilaterale Diplomatie verfolgen. Militärische Fähigkeiten sind allerdings ein wichtiges Element für die Umsetzung der Globalen Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der Union.

1.5.

Der EWSA weist darauf hin, dass eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung gemeinsamer Verteidigungsfähigkeiten in der Stärkung der industriellen und technischen Basis für die Verteidigung Europas besteht, was auch hochqualifizierte Arbeitskräfte einschließt.

1.6.

Der EWSA unterstützt ausdrücklich die besondere Berücksichtigung von KMU, auch im Bereich von Forschung und Entwicklung zu Verteidigungszwecken.

1.7.

EU-Fonds können der Innovationsförderung in technischen Bereichen dienen, in denen eine klare Unterscheidung zwischen militärischen und zivilen Zwecken schwierig, wenn nicht unmöglich geworden ist.

1.8.

Allerdings lehnt der EWSA die Öffnung bestehender Fonds, die wirtschaftlichen oder sozialen Zielen dienen, für Verteidigungszwecke im engeren Sinne ab. Die in der EFSI-Verordnung festgelegten Ziele wie auch die ESI-Fonds und das COSME-Programm sowie die EIB-Investitionen dienen nicht-militärischen Zwecken.

1.9.

Der EWSA lehnt eine besondere Berücksichtigung der für die Verteidigung bereitgestellten nationalen Haushaltsmittel im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts ab. Letzterer ist im Kontext der Vertiefung der WWU und nicht nur eines Sektors zu sehen. Verteidigungsausgaben dürfen die öffentlichen Haushalte nicht destabilisieren.

1.10.

Der EWSA unterstützt die Einrichtung eines Verteidigungsfonds mit einem separaten Forschungs- und einem Fähigkeitenfenster. Hierfür ist jedoch der EU-Haushalt zu erhöhen, da die Finanzierung des Forschungsfensters für die Verteidigung nicht auf Kosten der Forschung in anderen Bereichen erfolgen darf. Für das Fähigkeitenfenster spricht sich der EWSA für eine Finanzierung ausschließlich aus nationalen Beiträgen aus. Die Beschaffung von Verteidigungsgütern durch Mitgliedstaaten darf nicht aus dem EU-Haushalt finanziert werden.

1.11.

Der EWSA begrüßt die Einsetzung eines Koordinierungsausschusses. Die endgültige Beschlussfassung in diesem Ausschuss muss zivilen politischen Vertretern vorbehalten sein.

1.12.

Der EWSA unterstützt die Forderung der Kommission nach vollständiger Anwendung der beiden Richtlinien (1) über die Vergabe öffentlicher Aufträge und die Verbringung von Verteidigungsgütern innerhalb der EU. Noch muss sehr viel mehr getan werden, um insbesondere die bestmögliche Nutzung der Richtlinie über die Verbringung von Verteidigungsgütern sicherzustellen.

1.13.

Der EWSA befürwortet die Entwicklung gemeinsamer Normen sowohl für Rüstungsgüter als auch für Güter von doppeltem Nutzen (Hybridnormen), ohne dabei bestehende Normen, insbesondere NATO-Normen, zu duplizieren.

1.14.

Waffenausfuhren sollten sich auf strategische Partner und Verbündete beschränken und erfordern eine aufmerksame demokratische Kontrolle.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1.

Europa ist in seiner Nachbarschaft mit einer Reihe von Konfliktherden wie dem Bürgerkrieg in Syrien konfrontiert, zu deren unmittelbaren Folgen auch die globalen Fluchtbewegungen von 2015/16 zählen. Mit Russlands Annexion der Krim und seiner Involvierung in den bewaffneten Konflikt in der Ostukraine ist die territoriale Integrität eines unabhängigen Staates und damit internationales Recht verletzt worden. Nordafrika und der Nahe und Mittlere Osten stellen weiterhin instabile und von Staatszerfall bedrohte Regionen dar. Gleichzeitig scheinen Europa und der Nahe Osten ein nicht mehr so zentraler Bestandteil der US-amerikanischen Sicherheitspolitik zu sein. Europa läuft Gefahr, zunehmend an die Peripherie des Weltgeschehens zu geraten und von seinen transatlantischen Partnern als Last wahrgenommen zu werden.

2.2.

Angesichts dieser geostrategischen Gegebenheiten und sicherheitspolitischen Entwicklungen muss Europa seine Sicherheits- und Verteidigungskapazitäten stärken. Eine klare Vorstellung von den gemeinsamen strategischen Zielen der Union ist unabdingbar, fehlt jedoch bislang noch und muss dringend entwickelt werden. Dies ist eine Voraussetzung für die Ermittlung der erforderlichen gemeinsamen und nationalen Fähigkeiten, die auf einer tragfähigen technischen und industriellen Basis für die europäische Verteidigung aufbauen müssen.

2.3.

Der EWSA verweist auf seine bereits in den Stellungnahmen CCMI/116 (2013) und CCMI/100 (2012) genannten Forderungen (2). Die Globale Strategie der EU (3) und der Umsetzungsplan für Sicherheit und Verteidigung (4) bieten hierzu wichtige Ansätze. Der EWSA erachtet ihre konsequente Umsetzung im Einklang mit der gemeinsamen Erklärung von EU und NATO vom Juli 2016 sowie im Rahmen des Prinzips der kollektiven Sicherheit der Vereinten Nationen als vordringlich.

2.4.

Eine Optimierung der zivilen Präventions- und der militärischen Verteidigungsfähigkeiten in Europa wird vom EWSA als dringend geboten angesehen, um Freiheit und Frieden in Europa zu garantieren, Stabilität im Sinne der Werte der EU wie grundlegende Menschenrechte in Europas Nachbarschaft zu projizieren und weltweit friedenssichernde Maßnahmen der Vereinten Nationen wirksam unterstützen zu können.

2.5.

Daher ruft der EWSA dazu auf, der europäischen Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich eine neue Qualität zu geben. Er befürwortet die Schaffung einer Europäischen Verteidigungsunion im Rahmen des hierzu vorgesehenen EU-Mechanismus „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ (SSZ) nach Artikel 42 Absatz 6 und Artikel 46 des EU-Vertrags und begrüßt den europäischen Verteidigungs-Aktionsplan mit der Einrichtung eines gemeinsamen Europäischen Verteidigungsfonds als wichtigen Schritt.

2.6.

Der EWSA teilt die Kritik der Kommission an einer zu starken Marktfragmentierung, die zu ineffizientem Mitteleinsatz, Doppelstrukturen, mangelnder Interoperabilität und technischen Lücken führt.

2.7.

Die meisten öffentlichen Haushalte der EU-Staaten stehen unter Konsolidierungsdruck, sodass ein ineffizienter Einsatz öffentlicher Mittel kaum mehr zu rechtfertigen ist. Der EWSA fordert daher die entschlossene Umsetzung kollaborativer Ansätze. Mehr Zusammenarbeit in den von der Kommission genannten prioritären Bereichen kann aus Sicht des EWSA nur der Anfang sein.

2.8.

Der EWSA befürwortet das Ziel strategischer Autonomie bei ermittelten kritischen industriellen Kapazitäten. Die NATO bleibt die Grundlage der europäischen Sicherheit und kollektiven Verteidigung, wie auch in der gemeinsamen Erklärung der EU und NATO bekräftigt wurde. Diesbezüglich ist es wichtig, dass alle NATO-Mitglieder den an sie gestellten Anforderungen nachkommen.

2.9.

Der EWSA weist darauf hin, dass nicht alle Elemente des Aktionsplans neu sind, begrüßt aber die Einrichtung des Verteidigungsfonds. Diese hängt jedoch maßgeblich vom politischen Willen ab, zusätzliches Geld aus den nationalen Haushalten einzuzahlen. Der EWSA hegt Zweifel am Umsetzungswillen einiger Mitgliedstaaten. Daneben muss sich die Kommission stärker bemühen, einen Fahrplan für eine umfassende EU-weite Regelung zur Versorgungssicherheit vorzulegen und die ordnungsgemäße Umsetzung der beiden Verteidigungsrichtlinien sicherzustellen.

2.10.

Der Bratislava-Fahrplan (5) weist zwar in die richtige Richtung, wärmt aber vielmehr altbekannte Pläne im Verteidigungsbereich auf. Insbesondere mangelt es dem Fahrplan an strategischer Konsistenz, und er ist viel zu sehr auf die aktuelle Herausforderung der Migrationskrise und den EU-Außengrenzschutz ausgerichtet. Große Fluchtbewegungen stehen zwar in Zusammenhang mit sicherheitspolitischen Herausforderungen, sie können aber, wenn einmal entstanden, nicht mit militärischen Mitteln gelöst werden.

2.11.

Unabdingbare Voraussetzung für die Entwicklung gemeinsamer Fähigkeiten ist die Schaffung bzw. Vertiefung eines Verteidigungsbinnenmarktes. Nach Ansicht des EWSA kann die industrielle Basis Europas nur gestärkt werden, wenn auch das Problem der Kompetenzen angegangen wird. Die Verteidigungsindustrie arbeitet kontinuierlich am Erhalt ihres technischen Vorsprungs und ist daher auf hochqualifizierte Arbeitskräfte angewiesen. Mit der im Aktionsplan erwähnten Initiative der Europäischen Kommission für Kompetenzen wird dieses Problem angegangen, weswegen diese Initiative rundum begrüßt wird.

2.12.

Mehr Investitionen und mehr Zusammenarbeit in diesem industriellen Sektor leisten auch einen Beitrag zur Sicherung von Arbeitsplätzen und zur Schaffung von Beschäftigung. Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit in Europa darf aber nicht die Triebfeder für Entscheidungen über Investitionen im Verteidigungsbereich sein. Sie muss anders rückgeführt werden als über Rüstung. Die Stärkung der europäischen Verteidigungsfähigkeiten sollte sich ausschließlich an strategischen Erwägungen sowie an einer fundierten Einschätzung dessen orientieren, was notwendig ist, um Europa zu schützen und seine Bündnisfähigkeit zu gewährleisten. Dies darf die öffentlichen Haushalte nicht gefährden. Die EU sollte weiterhin vornehmlich eine präventive und multilaterale Diplomatie verfolgen. Militärische Fähigkeiten sind aber wesentlich für die Umsetzung der sicherheits- und verteidigungspolitischen Prioritäten der Globalen Strategie der EU.

2.13.

Der EWSA teilt die Einschätzung, dass die Verteidigungsforschung positive Ergebnisse auch für die Entwicklung ziviler Technologien sowie umgekehrt bringen kann.

2.14.

Die strenge Unterscheidung zwischen militärisch und nichtmilitärisch verwischt sich bei Cyberangriffen und auch angesichts der immer stärkeren Verknüpfung zwischen innerer und äußerer Sicherheit mehr und mehr.

2.15.

Der EWSA unterstreicht, dass die Forschung zum Beispiel im Bereich der Cybersicherheitstechnik derzeit sowohl zivilen als auch verteidigungspolitischen Zwecken dienen kann, und es gäbe hier noch mehr Beispiele. Daher versteht es sich von selbst, dass derartige Innovationen und Entwicklungen auch durch bestehende EU-Programme wie Horizont 2020 finanziert werden können und müssen. Allerdings muss Verteidigungsforschung im engeren Sinne, die auch als solche gedacht ist, gesondert betrachtet werden.

2.16.

Der EWSA unterstützt die Schaffung einer stärker integrierten Verteidigungsindustrie und eines gemeinsamen Verteidigungsmarktes in Europa. Dieses Ziel sollte sich nicht auf die wichtigsten Herstellerländer beschränken. Bei der Durchführung von Verteidigungsforschungs- und Verteidigungsprojekten sollten die vorhandenen Fähigkeiten so vieler interessierter Mitgliedstaaten wie angemessen genutzt werden, um das Engagement für die gemeinsame Sache zu fördern.

2.17.

Der EWSA lehnt die Öffnung bestehender Fonds, die wirtschaftlichen oder sozialen Zielen dienen, für Verteidigungszwecke wie auch die Behandlung von Verteidigungsausgaben im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes ab. Der EWSA unterstützt die Einrichtung eines Europäischen Verteidigungsfonds, der auf die Verteidigungsforschung sowie auf die Entwicklung und den Erwerb militärischer Fähigkeiten beschränkt ist. Gleichzeitig sollte er klar vom Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) abgegrenzt sein und damit von Ausnahmeregelungen wie „einmaligen Maßnahmen“ im Sinne des Stabilitäts- und Wachstumspaktes absehen.

2.18.

Der EWSA fordert für alle Elemente einer künftigen Verteidigungsunion die volle Beteiligung des Europäischen Parlaments und einen kontinuierlichen Dialog zwischen Politik, Militär und Zivilgesellschaft. Der EWSA als beratende Einrichtung der EU und als Vertreter aller großen Organisationen der europäischen Zivilgesellschaft sollte als ein wesentlicher Partner in der Verteidigungspolitik fungieren.

3.   Besondere Bemerkungen

3.1.   Einrichtung eines Europäischen Verteidigungsfonds

3.1.1.

Der EWSA unterstützt die Einrichtung eines Verteidigungsfonds mit einem Forschungs- und einem Fähigkeitenfenster, die ab 2020 voll operationell sein sollen.

3.1.2.

Der EWSA befürwortet getrennte Finanzierungsquellen beider „Fenster“. Die Finanzierung des Forschungsfensters für die Verteidigung darf aber nicht auf Kosten der Forschung in anderen Bereichen erfolgen. Für das Fähigkeitenfenster spricht sich der EWSA für eine Finanzierung ausschließlich aus nationalen Beiträgen aus. Für die Beschaffung der militärischen Fähigkeiten der Streitkräfte sind die Mitgliedstaaten zuständig, solange die Union über keine eigenen variablen Einnahmen verfügt. Daher sollte der EU-Haushalt auch nicht für Beschaffungen durch das Fähigkeitenfenster des geplanten Verteidigungsfonds genutzt werden.

3.1.3.

Der EWSA begrüßt den geplanten Koordinierungsausschuss. An der Beschlussfassung dieses Ausschusses sollten jedoch nur politische Vertreter beteiligt sein. Vertreter des Militärs, der Industrie und der Zivilgesellschaft können mit beratender Funktion beteiligt werden. Auch das Europäische Parlament muss in diesem Ausschuss Sitz und Stimme haben.

3.1.4.

Die Rolle der Kommission sollte sich bei der Kofinanzierung der Vorhaben auf das Forschungsfenster beschränken und auch hierfür ein spezielles, klar abgegrenztes EU-Verteidigungsforschungsprogramm nach 2020 vorsehen (6). Der EWSA unterstützt den Gedanken, die Durchführung des Programms der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA) zu übertragen.

3.1.5.

Der EWSA befürwortet die vorkommerzielle Auftragsvergabe für kooperative Beschaffungen, um das branchenimmanent hohe Investitionsrisiko für die beteiligten Unternehmen zu senken.

3.1.6.

Mögliche Synergien zwischen ziviler Forschung und der Forschung im Verteidigungsbereich sollten genutzt, aber die Förderung ziviler Forschung durch EU-Mittel (Horizont 2020) sollte nicht auf Kosten anderer Bereiche auf militärische Zwecke ausgerichtet werden.

3.1.7.

Der EWSA befürwortet die Bündelung nationaler Mittel für den Erwerb neuer Verteidigungsfähigkeiten. Ob fünf Milliarden Euro jährlich als gemeinsame Zielmarke für das Fähigkeitenfenster ausreichen, erscheint zweifelhaft. Der EWSA erachtet Vorstudien zur Prüfung dieses Referenzbetrags, wie im Aktionsplan vorgesehen, als zielführend. Die jährliche Höhe der gemeinsamen Finanzierung muss nach Dafürhalten des EWSA so ausgerichtet sein, dass die Ziele größerer Synergien, haushaltspolitischer Entlastung und des effektiven Erwerbs bzw. der Sicherung von Verteidigungsfähigkeiten erreicht werden.

3.1.8.

Der EWSA befürwortet die von der Kommission skizzierte Gestaltung des Fähigkeitenfensters, also die Dachstruktur für den Rahmen bzw. die Regeln der gemeinsamen Finanzierung und die zweite Ebene konkreter Projekte kooperierender Mitgliedstaaten. Es ist sinnvoll, dass die einzelnen Projekte qualitativ und quantitativ klar definiert und finanziell unabhängig voneinander sind.

3.1.9.

Die Entwicklung einer permanenten Kapitalstruktur für das Fähigkeitenfenster wird befürwortet. Die Haftung muss bei den Mitgliedstaaten als Anteilseignern liegen. Der EWSA lehnt eine besondere Berücksichtigung der für diesen Zweck bereitgestellten nationalen Haushaltsmittel im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts ab.

3.1.10.

Der EWSA erinnert daran, dass der EU-Haushalt gemäß Artikel 41 EUV nicht zur Finanzierung militärischer Operationen benutzt werden darf. Ein Abgehen von diesem Grundsatz stünde auch dem besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten entgegen (Artikel 42 Absatz 1 EUV).

3.2.   Ankurbelung von Investitionen in Lieferketten im Verteidigungsbereich

3.2.1.

Der EWSA unterstützt ausdrücklich die besondere Berücksichtigung von KMU, auch im Bereich von Forschung und Entwicklung zu Verteidigungszwecken. Der EFSI, die ESI-Fonds und das COSME-Programm sollten nicht für Rüstungsvorhaben priorisiert werden. Die in der EFSI-Verordnung festgelegten Ziele wie auch die ESI-Fonds und das COSME-Programm sowie die EIB-Investitionen dienen jedoch nicht-militärischen Zwecken. Dazu kommt, dass durch den Einsatz dieser Mittel zu militärischen Zwecken die Gefahr weiterer Doppelarbeit und noch stärkerer Fragmentierung des Verteidigungsmarktes entstehen könnte.

3.2.2.

Da die EU eine solide und tragfähige industrielle und technische Basis für die Verteidigung benötigt, besteht die Herausforderung darin, die Bereitschaft der EU zur Finanzierung dieser Basis ohne unerwünschte Exportabhängigkeit auszutarieren. Waffenausfuhren sollten sich auf strategische Partner und Verbündete beschränken und nicht von anderen wirtschaftlichen Erwägungen gesteuert werden, die möglicherweise dazu beitragen, Konflikte in anderen Teilen der Welt zu schüren. Derzeit bestehen auch ernsthafte Bedenken in Bezug auf manche Verbündete. Daher ist für Waffenausfuhren eine aufmerksame demokratische Kontrolle erforderlich.

3.2.3.

Die Förderung regionaler Exzellenzcluster wird befürwortet. Sie sollte auch über das Forschungsfenster bzw. das zu schaffende spezielle EU-Programm erfolgen.

3.3.   Ausbau des Binnenmarkts für Verteidigungsgüter

3.3.1.

Der EWSA fordert eine gut konzipierte europäische Industriepolitik für den Verteidigungssektor, der durch seine besonderen Merkmale der staatlichen Anforderungen und öffentlichen Finanzierung gekennzeichnet ist. Er unterstützt daher die Forderung der Kommission nach vollständiger Anwendung der beiden Richtlinien (7) über die Vergabe öffentlicher Aufträge und die Verbringung von Verteidigungsgütern innerhalb der EU.

3.3.2.

Nach Artikel 346 AEUV konnten die Mitgliedstaaten Verträge aus den Bereichen Verteidigung und Sicherheit von den Bestimmungen ausnehmen, wenn dies für den Schutz ihrer wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich ist. Mit den beiden Richtlinien 2009/81/EG und 2009/43/EG ist es jetzt möglich, diese Ausnahmen auf ein absolutes Mindestmaß zu begrenzen. Der EWSA teilt die Kritik, dass nach wie vor ein sehr bedeutender Teil der Beschaffung militärischer Güter nicht im Rahmen der EU-Vorschriften über das öffentliche Auftragswesen erfolgt, und sieht hier Einsparpotenzial, das im Rahmen des Verteidigungsfonds effizienter investiert werden kann.

3.3.3.

Ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren mithilfe von Allgemeingenehmigungen für die Verbringung militärischer Güter innerhalb des Binnenmarkts wird befürwortet. Der EWSA begrüßt daher die angekündigten Auslegungshilfen und Empfehlungen. Es muss jedoch sehr viel mehr getan werden, um insbesondere die bestmögliche Nutzung der Richtlinie über die Verbringung von Verteidigungsgütern sicherzustellen.

3.3.4.

Ebenso begrüßt der EWSA Untersuchungen zur Versorgungssicherheit mit Rohstoffen im Rahmen der EU-Rohstoffstrategie sowie zur Substitution kritischer Rohstoffe. Gleichzeitig bedauert er, dass die Europäische Kommission ihrem Auftrag vom Dezember 2013 zur Entwicklung eines Fahrplans für eine umfassende EU-weite Regelung zur Versorgungssicherheit nicht nachgekommen ist, der auch einen Impuls für die politisch ambitionierte Umsetzung der Richtlinie über die Verbringung von Verteidigungsgütern geben könnte.

3.3.5.

Der EWSA teilt die Auffassung, dass ein funktionierender Binnenmarkt für Verteidigungsgüter ein zentrales Ziel des Aktionsplans sein muss. Eine Verteidigungsunion ist ohne grenzüberschreitenden Marktzugang und offene Lieferketten nicht denkbar. Besonders KMU, die für bedeutende Innovationen im Sektor sorgen, müssen Zugang zu den Ausschreibungen haben.

3.3.6.

Der EWSA befürwortet die Entwicklung gemeinsamer Normen und die Herstellung vollständiger Interoperabilität sowohl für Rüstungsgüter als auch für Güter von doppeltem Nutzen (Hybridnormen), ohne dabei bestehende Normen, insbesondere NATO-Normen, zu duplizieren. Ein entsprechender Fahrplan war bereits für 2014 angedacht gewesen (8).

3.3.7.

Der EWSA unterstützt die Entwicklung zuverlässiger, gesicherter und kostengünstiger Satellitenkommunikationsdienste für die EU und nationale Behörden sowie Investitionsförderung im Bereich der europäischen Raumfahrt.

3.3.8.

Der EWSA ist sich des ungeklärten Verhältnisses zwischen ziviler und militärischer Nutzung des Copernicus-Systems bewusst, aber auch, dass das Militär als Mitentwickler und Nutzer ein wichtiger Partner der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA ist. Hier könnten sich nützliche Synergien entwickeln. Der Einsatz von Copernicus muss aber von politischer, wissenschaftlicher und militärischer Seite gemeinsam evaluiert werden. Die militärische Nutzungsabsicht darf nicht zur Last für die EU-Weltraumpolitik werden und die zivile Nutzung des Systems nicht beeinträchtigen.

3.3.9.

Nachhaltig unterstützt der EWSA die Förderung von Fähigkeiten im Bereich der Cybersicherheit und -abwehr und eine zivil-militärische Zusammenarbeit auf der Grundlage der Cybersicherheitsstrategie der EU (9).

3.3.10.

Der EWSA befürwortet gemeinsame Ansätze zur Förderung der maritimen Sicherheit im zivilen wie im militärischen Bereich sowie die Optimierung interoperabler Fähigkeiten der Seeraumüberwachung.

Brüssel, den 31. Mai 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Richtlinie 2009/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 zur Vereinfachung der Bedingungen für die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern (ABl. L 146 vom 10.6.2009, S. 1). Richtlinie 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit und zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG (ABl. L 216 vom 20.8.2009, S. 76).

(2)  Siehe auch die Stellungnahmen des EWSA „Verteidigungsindustrie: industrielle, innovative und soziale Aspekte“ (ABl. C 299 vom 4.10.2012, S 17) und „Strategie zur Stärkung des europäischen Verteidigungssektors“ (ABl. C 67 vom 6.3.2014, S. 125).

(3)  Stellungahme des EWSA zum Thema „Die neue EU-Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik“ (Initiativstellungnahme) (ABl. C 264 vom 20.7.2016, S. 1).

(4)  Schlussfolgerungen des Rates zu Sicherheit und Verteidigung (14149/16), 14. November 2016.

(5)  Vom Präsidenten des Europäischen Rates, dem Ratsvorsitz und dem Kommissionspräsidenten auf der Tagung der 27 Staats- und Regierungschefs am 16. September 2016 vorgelegtes Arbeitsprogramm, http://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2016/09/16-bratislava-declaration-and-roadmap.

(6)  Bericht des Europäischen Parlaments zur „Europäischen Verteidigungsunion“ (2016/2052 (INI)).

(7)  Siehe Fußnote 1.

(8)  Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 19./20. Dezember 2013 (EUCO 217/13).

(9)  Gemeinsame Mitteilung an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Cybersicherheitsstrategie der Europäischen Union — ein offener, sicherer und geschützter Cyberraum JOIN(2013) 1 final; Schlussfolgerungen des Rates zur gemeinsamen Mitteilung der Kommission und der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik „Cybersicherheitsstrategie der Europäischen Union — ein offener, sicherer und geschützter Cyberraum“ (11357/13).


31.8.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 288/68


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung eines Mehrjahresplans für kleine pelagische Bestände im Adriatischen Meer und für die Fischereien, die diese Bestände befischen“

(COM(2017) 97 final — 2017/0043 (COD))

(2017/C 288/09)

Berichterstatter:

Emilio FATOVIC

Befassung

Europäisches Parlament, 1.3.2017

Rat, 4.4.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 43 Absatz 2, Artikel 114 Absatz 1 und Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

 

 

Beschluss des Plenums

24.1.2017

 

 

Zuständige Fachgruppe

Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umwelt

Annahme in der Fachgruppe

17.5.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

31.5.2017

Plenartagung Nr.

526

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

187/0/2

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) ist ebenso wie die GFCM-FAO (1) der Auffassung, dass Maßnahmen zum Schutz kleiner pelagischer Bestände, die unter Überfischung leiden, ergriffen werden müssen. Er teilt das allgemeine Ziel, so rasch wie möglich ein System der nachhaltigen Fischerei einzuführen und im Einklang mit der Gemeinsamen Fischereipolitik (2) (GFP) den höchstmöglichen Dauerertrag (3) zu erreichen.

1.2.

Der Ausschuss begrüßt die Entscheidung der Kommission für das Rechtsinstrument einer Verordnung, um einen Mehrjahresplan zum Schutz der kleinen pelagischen Bestände und zur Vereinheitlichung der geltenden Vorschriften und Stärkung der Governance-Prozesse aufzustellen.

1.3.

Der EWSA teilt zwar die Ziele des Schutzes von Umwelt und biologischer Vielfalt, hält den Kommissionsvorschlag in vielerlei Hinsicht jedoch für unvollständig und widersprüchlich. Diese Probleme sind die natürliche Folge einer Reihe von Wiedersprüchen der GFP, auf die der Ausschuss bereits in seinen früheren Stellungnahmen hingewiesen hat (4). Der EWSA ist vor allem zutiefst darüber besorgt, dass dieser Vorschlag, wenn nicht angemessen ergänzt und neu ausgerichtet, sowohl die Gefahr birgt, dass die Umweltziele nicht erreicht werden, als auch den Unternehmen und Arbeitnehmern des Sektors erhebliche Verluste verursachen könnte (5).

1.4.

Der Ausschuss ist der Auffassung, dass das von der Kommission vorgeschlagene Bewirtschaftungsmodell auf der Grundlage der Festsetzung jährlicher Fangmöglichkeiten durch den Rat sich nicht an die biologischen Voraussetzungen der kleinen pelagischen Arten in der Adria und der dort anzutreffenden vielfältigen Besonderheiten der Fischbestände (6), Fangmethoden, Arten der Schiffe und Besatzungen (kleine handwerkliche Fischerei) (7) sowie an die Art und Anzahl der Häfen anpassen lässt. Aus all diesen Gründen hält der Ausschuss den Vorschlag des Beirats für das Mittelmeer (MEDAC) (8) bezüglich einer Stärkung der Maßnahmen des Fischereiaufwands nach einem „Ampelsystem“ der Sache und dem Vorgehen nach für besser geeignet, zumal dieser Vorschlag das Ergebnis einer umfassenden Einbeziehung der gesamten organisierten Zivilgesellschaft ist.

1.5.

Der EWSA stellt mit Verwunderung fest, dass der Kommissionsvorschlag nicht auf einer gründlichen Bewertung seiner wirtschaftlichen und sozialen Folgen basiert (9). Erschwerend kommt dabei hinzu, dass sich der Fischereisektor im gesamten Mittelmeerraum seit über 20 Jahren in einer Krise befindet (10). Neue, drastische und nicht angemessen abgewogene Maßnahmen bergen das Risiko, dem Sektor einen entscheidenden Schlag zu versetzen. Zudem stellt der EWSA fest, dass keinerlei Maßnahmen zur finanziellen Flankierung und/oder Umstrukturierung der Unternehmen und Umschulung der Arbeitnehmer vorgesehen sind bezüglich des Vorschlags, die Fangmengen von Sardinen und Sardellen einzuschränken, obwohl diese für die Wirtschaft kleiner lokaler Gemeinschaften (häufig Inseln) und die indirekte Beschäftigung eine zentrale Ressource darstellen (11).

1.6.

Der Ausschuss rät daher zur frühzeitigen Einbeziehung der GD Beschäftigung und zur Aktivierung des sozialen Dialogs auf Branchenebene mittels Konsultation des Ausschusses für den sozialen Dialog in der Seefischerei (EUSSDC), um die am besten geeigneten Maßnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen zu ermitteln. Diesbezüglich hält der EWSA den EMFF für das am besten geeignete Finanzinstrument, um Unternehmen und Arbeitnehmer beim Übergang zu einer nachhaltigen Fischerei zu unterstützen. Der Ausschuss ist überdies der Auffassung, dass die Neuausrichtung der Unternehmen auf Fischereitourismus (Blaue Wirtschaft  (12)) oder Aquakultur (13) sicherlich eine brauchbare Alternative sein kann, aber keinesfalls den Grundsatz der traditionellen Fischerei ersetzen kann. Vor allem aufgrund der biologischen Merkmale des Fisches (z. B. in puncto Raumbedarf) kann diese nicht eingeschränkt oder beseitigt werden.

1.7.

Angesichts der erheblichen ökologischen, wirtschaftlichen und beschäftigungsbezogenen Auswirkungen der Maßnahme ist der Ausschuss der Auffassung, dass der neue Fischereibewirtschaftungsplan nicht mittels delegierter Rechtsakte verfügt werden kann und fordert, dass dieser im Interesse aller beteiligter Akteure unverzüglich von der Kommission klar und transparent dargelegt wird (14).

1.8.

Der Ausschuss bekräftigt, dass jede Umweltschutzmaßnahme Gefahr läuft, vergeblich zu sein, wenn nicht zuvor die Probleme des unlauteren Wettbewerbs und der illegalen Fischerei beseitigt werden mittels schärferer Kontrollen, empfindlicherer Sanktionen und der Durchsetzung eines Systems zur vollständigen Rückverfolgbarkeit vom Erzeuger bis zum Verbraucher („Aus dem Wasser auf den Tisch“ (15)) sowie umfassender Hygienekontrollen sowohl an der Grenze wie auch am Ursprungsort. Der Ausschuss hält es insbesondere für entscheidend, die Zusammenarbeit zwischen allen Anrainerstaaten des Mittelmeers auf der Grundlage des Programms und der Ziele der am 30. März 2017 in Malta unterzeichneten Ministererklärung neu zu beleben (16).

1.9.

Nach Auffassung des EWSA muss das Ziel einer Befischung auf dem Niveau des höchstmöglichen Dauerertrags innerhalb einer angemessenen Frist erreicht werden. Die Frist bis zum 31. Dezember 2020 erscheint nicht praktikabel. Dieser Einwand beruht auf dem Wissen ob der Zeiten für die Wiederauffüllung kleiner pelagischer Bestände sowie für die Anpassung der Kontrollbehörden, Unternehmen und Arbeitnehmer an die neuen Vorschriften (insbesondere wenn diese mit dem Übergang von Fischereiaufwand auf Fischereiquoten drastisch geändert werden). Der EWSA ist ferner der Auffassung, dass der eventuelle Rückgriff auf Schutzbestimmungen keine praktikable Lösung für mögliche übermäßige sozioökonomische Auswirkungen darstellt.

1.10.

Der Ausschuss fordert die Kommission auf, die operativen Aspekte der Regionalisierung besser zu definieren und die Nachhaltigkeitsziele für die Fischereiressourcen von Anfang an mit den tatsächlichen Kosten zu verbinden, die die Unternehmen zur Gewährleistung des Fortbestands tragen.

1.11.

Der EWSA fordert im Interesse der europäischen Verbraucher, möglichst bald eine detaillierte Folgenabschätzung für die Preisentwicklungen bei den Arten, die den Schutzbestimmungen unterliegen, vorzunehmen — sowohl bezüglich des für den Direktverkauf als auch für die Weiterverarbeitung bestimmten Fisches. Der Ausschuss fordert die Kommission ferner auf, Systeme für die Zertifizierung der Qualität „Nachhaltige Fischerei“ zu konzipieren, um die Verbraucher zu sensibilisieren und Mehrwert für die Unternehmen zu schaffen (17).

2.   Einleitung

2.1.

Das Adriatische Meer (18) ist ein äußerst fischreicher Teilbereich des Mittelmeerraums, und die kleinen pelagischen Arten (19), in erster Linie Sardellen und Sardinen (20), erbringen mit den meisten Gewinn. Jüngsten Angaben der GFCM-FAO (21) und des STECF (22) zufolge sind die Bestände von Sardelle und Sardine aufgrund von Überfischung in Notstand und müssen stärker geschützt werden.

2.2.

Sie werden überwiegend von Italien und Kroatien im nördlichen Teil der Adria gefangen. Slowenien ist an dieser Fischerei (mit einem Anteil von weniger als 1 %) nur marginal beteiligt, auf Albanien, Bosnien und Herzegowina sowie Montenegro entfällt auch nur ein Bruchteil der Fänge (ca. 1 %) (23).

2.3.

Der bestehende Bewirtschaftungsrahmen basiert auf der Beschränkung des Fischereiaufwands (24) und wird flankiert von zusätzlichen Maßnahmen, beispielsweise zeitlich-räumlichen Schließungen und Mindestanlandegrößen. Diese Maßnahmen wurden jedoch von den Staaten noch nicht auf koordinierte, kontinuierliche und einheitliche Art und Weise umgesetzt (insbesondere bezüglich der Schonzeiten für die Fischerei (25)), was in der Fischwirtschaft Verwirrung stiftet und eine Erholung der Bestände verhindert.

2.4.

Der Beirat für das Mittelmeer (MEDAC) hat gemäß seinem Mandat ein Gutachten zu den kleinen pelagischen Arten in der Adria mit operativen Vorschlägen erarbeitet. Dieses ging aus der zweijährigen Konzertierung zwischen den Interessenträgern (Unternehmer, Arbeitnehmer, Genossenschaften, Umweltschützer, Verbraucher) hervor und wurde am 11. März 2016 veröffentlicht (26).

3.   Zusammenfassung des Kommissionsvorschlags

3.1.

Die Europäische Kommission hat eine Verordnung zum Schutz der Bestände kleiner pelagischer Arten im Adriatischen Meer erarbeitet, mit der ein Mehrjahresplan zur Bewältigung eines Umweltnotstands aufgestellt werden soll. Endgültiges Ziel ist es, den höchstmöglichen Dauerertrag (27) (MSY) bis 2020 zu erreichen, wie dies von der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) vorgesehen ist. Der gesamte Mehrjahresplan sollte alle fünf Jahre bewertet werden.

3.2.

Mit dem Verordnungsvorschlag soll im Unterschied zu allen bisherigen Bewirtschaftungsmaßnahmen in der Region ein einheitliches Bewirtschaftungssystem errichtet werden, bei dem die nationalen Ausnahmeregelungen beschränkt werden (insbesondere bezüglich der Schonzeiten und der Kontrollmodalitäten). Vor allem ist vorgesehen, dass das Bewirtschaftungssystem auf einer Fangbeschränkung (TAC) (28) und nicht mehr auf einer Reduzierung des Fischereiaufwands basieren soll.

3.3.

Dieser Kommissionsvorschlag, der sich am Ansatz und Inhalt des Mehrjahresplans für einige Fischbestände der Ostsee (29) orientiert, basiert auf dem Gutachten des STECF und befindet sich gleichzeitig in klarem Widerspruch zum Gutachten des MEDAC, das auf einer strikteren Reduktion des Fischereiaufwand (nach dem Ampelsystem (30)) beruht.

3.4.

Die Kommission schlägt insbesondere vor, in Tonnen Biomasse des Laicherbestands angegebene Referenzpunkte für die Bestandserhaltung sowie und Wertebereiche für die fischereiliche Sterblichkeit festzulegen. Geht aus den wissenschaftlichen Gutachten hervor, dass sich ein Bestand unterhalb des Referenzwerts befindet, müssen die Fänge verringert werden. Bezüglich der Organisation des neuen Bewirtschaftungssystems verweist die Kommission ausschließlich auf delegierte Rechtsakte.

3.5.

Der Vorschlag sieht bezüglich der Annahme spezifischer Erhaltungsmaßnahmen eine regionale Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten vor. Mittels „Regionalisierung“ können auch bestimmte technische Maßnahmen (wie z. B. Maschenöffnung und Merkmale von Fanggeräten) verändert werden.

3.6.

Der Vorschlag sieht ferner vor, dass die zuständigen Behörden in der Lage sein sollten, die Aktivitäten und die Fänge aller Fischereifahrzeuge mit einer Länge von acht Metern oder mehr mittels einer entsprechenden digitalen Ausrüstung (z. B. elektronische Logbücher) systematisch zu identifizieren, zu orten und zu kontrollieren. Zudem müssen alle Häfen über eine digitale Ausrüstung verfügen, mit denen sich die Fänge eines jeden einzelnen Schiffes nach der Anlandung überprüfen lassen. Zu diesem Zweck müssen alle Fischereifahrzeuge den zuständigen Behörden mindestens vier Stunden im Voraus ihre Ankunft im Hafen mitteilen.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1.

Der EWSA nimmt die diesbezüglich veröffentlichten wissenschaftlichen Studien zur Kenntnis und teilt die Auffassung, dass ein Eingreifen zum Schutz der kleinen pelagischen Bestände im Adriatischen Meer, die sich derzeit in Notstand befinden, erforderlich ist.

4.2.

Der Ausschuss teilt ebenfalls die Auffassung, dass das Rechtsinstrument einer Verordnung erforderlich ist, um den Ordnungsrahmen zu stärken und die Vorschriften für alle Staaten und Akteure zu vereinheitlichen und verbindlich zu machen. Es gilt, die problematischen Auswirkungen der Fischerei auf die Umwelt zu verdeutlichen, die hauptsächlich auf eine uneinheitliche und unkoordinierte Anwendung der derzeitigen Bewirtschaftungsmaßnahmen zurückzuführen sind.

4.3.

Der EWSA ist im Einklang mit der GFP und mit seinen früheren Stellungnahmen der Auffassung, dass das Erreichen des höchstmöglichen Dauerertrags (MSY) von vorrangiger Bedeutung ist, um sowohl den ökologischen als auch den lebensmittelspezifischen, wirtschaftlichen und erzeugungstechnischen Erfordernissen gerecht zu werden (31).

4.4.

Der EWSA hält den Kommissionsvorschlag indes bezüglich vieler zentraler Aspekte für unvollständig und widersprüchlich und befürchtet, dass diese Mängel sowohl das Erreichen der Ziele der ökologischen Nachhaltigkeit konterkarieren als auch Arbeitnehmer, Unternehmen und lokale Gemeinschaften über Gebühr schädigen.

5.   Bemerkungen

5.1.   Notwendigkeit einer angemessenen Bewertung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen sowie von Maßnahmen, die die Auswirkung des Mehrjahresplanes auf Unternehmen und Beschäftigung ausgleichen

5.1.1.

Der Vorschlag basiert im Widerspruch zu den Empfehlungen der GFCM-FAO und des MEDAC nicht auf einer gründlichen Bewertung seiner wirtschaftlichen und sozialen Folgen (32). Dieser Aspekt ist von zentraler Bedeutung, zumal sich die Fischerei im Mittelmeer seit mehreren Jahren in einer schweren Krise (33) befindet und eine unausgewogene Reform für Unternehmen und Arbeitnehmer verheerende Auswirkungen haben könnte.

5.1.2.

Zudem wird darauf hingewiesen, dass die Kommission ihren Vorschlag vorgelegt hat, ohne die Ergebnisse der Arbeitsgruppe der GFCM-FAO abzuwarten, die gemäß der Empfehlung 40/2016/3 Absatz 14 eingerichtet worden war. Diese hat den Auftrag, die Folgen einer Reihe von Maßnahmen wie Fangbeschränkungen oder Aufwandsregelung für die nachhaltige Bewirtschaftung der Fischerei auf kleine pelagische Bestände im Adriatischen Meer zu bewerten.

5.1.3.

Der EWSA ist außerdem der Auffassung, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen angesichts einer Verringerung der Fangmengen um 30 %, einem Rückgang der Einnahmen der Unternehmen um 25 % und einem Verlust von 10 % der Arbeitsplätze nicht kostenneutral sein können. Abgesehen von dem bereits genannten methodologischen Problem der Datenerhebung schlägt die Kommission keinerlei Maßnahmen zur Abfederung der Verordnung vor und wälzt die wirtschaftlichen und sozialen Kosten des Mehrjahresplans ausschließlich auf die Mitgliedstaaten ab.

5.1.4.

Der EWSA hebt hervor, dass die Kommission keine umfassende Folgenabschätzung bezüglich aller von der Fischerei beeinflussten Wirtschaftsaktivitäten, der traditionell von der Fischerei lebenden lokalen Gemeinschaften (häufig Inselgebiete), des voraussichtlichen Anstiegs der Preise und der zweifelhaften Qualität und Nachhaltigkeit notwendigerweise aus Drittländern importierter Erzeugnisse (in erster Linie Nordafrika) zur Befriedigung der Binnennachfrage vorgenommen hat.

5.1.5.

In der Verordnung sind weder Verfahren zur finanziellen Unterstützung der Unternehmen oder für deren Umwandlung (z. B. Aquakultur) vorgesehen, noch sind Beschäftigungsbeihilfen, Weiterbildungs- und/oder Umschulungsmaßnahmen für die Arbeitnehmer (in der Fischerei oder in den von der Fischerei abhängigen Wirtschaftssektoren), die ihren Arbeitsplatz verlieren, geplant.

5.2.   Biologische Besonderheiten des Adriatischen Meeres

5.2.1.

Der EWSA ist der Auffassung, dass sich das Erfolgsmodell des Mehrjahresplans für bestimmte Fischbestände in der Ostsee nur schlecht auf die Adria übertragen lässt. Wie von der GFCM-FAO hervorgehoben, ist die Ostsee eine von einer Fischart dominierte See, in der gezielter Fischfang problemlos möglich ist, da wenige Fischarten vorhanden sind und folglich Fanggrenzen einfacher festgelegt werden können. Die Adria hingegen ist — wie das gesamte Mittelmeer — ein artenreiches Gewässer, in dem im selben Gebiet eine Vielfalt von Fischarten zusammenleben (34). Der einzige Präzedenzfall für die Begrenzung von Fangmengen im Mittelmeer betrifft den Roten Thun. Der EWSA hatte den Vorschlag prinzipiell unterstützt (35), zumal er eine Fischart betrifft, die sich in ihren Eigenschaften (in erster Linie in puncto Größe) und Fangtechniken von den kleinen pelagischen Arten grundlegend unterscheidet.

5.2.2.

Der EWSA stellt ferner fest, dass sich die Fischerei im Adriatischen Meer seit jeher grundlegend von der Fischerei in der Ostsee unterscheidet. Die Fischereiunternehmen der Adria sind Familienbetriebe, die kleine Boote (8-12 m) einsetzen. Die Schiffseigner sind häufig selbst Fischer und die durchschnittliche Besatzung beträgt ca. drei Personen. Der Fisch, der folglich in vielen kleinen Häfen angelandet wird, ist seit Jahrhunderten ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die betreffenden Gemeinschaften (häufig Inseln).

5.3.   Bewirtschaftungssystem und delegierte Rechtsakte

5.3.1.

Das neue Bewirtschaftungssystem auf der Grundlage von Fangmengen wird an keiner Stelle im Vorschlag geklärt und spezifisch vertieft. Es wird lediglich ein Rechtsrahmen vorgeschlagen, der dann mittels delegierter Rechtsakte ergänzt werden soll. Da es sich aufgrund der ökologischen, ökonomischen und beschäftigungsspezifischen Aspekte um ein äußerst heikles Thema handelt, würden dadurch die Unternehmen bei der Planung ihrer Fischereiaktivitäten, von der ihr Überleben abhängt, enorm eingeschränkt werden.

5.4.   Zeitvorgaben für das Ziel des höchstmöglichen Dauerertrags (MSY)

5.4.1.

In der 2016 angenommenen Verordnung für die Ostsee wurde in Übereinstimmung mit den Fristen der GFP den Unternehmen, aber auch den Fischbeständen ein fünfjähriger Zeitraum (bis 2020) bis zum Erreichen einer nachhaltigen Fangtätigkeit gewährt. Für die Adria sieht die Kommission hingegen einen viel strikteren Fahrplan mit weniger als zwei Jahren (2019-2020) vor mit dem einzigen Ziel, die Fristen der GFP einzuhalten. Die natürlichen Zeiten für die biologische Reproduktion der kleinen pelagischen Arten, die von zahlreichen Faktoren abhängen, werden dabei ebenso wenig berücksichtigt wie die Zeit, die Unternehmen und Behörden für die Anpassung an restriktivere Bewirtschaftungsmaßnahmen brauchen, zumal sie sich von denen der letzten 30 Jahre vollkommen unterscheiden. Dabei besteht die ernsthafte Gefahr, dass die gesteckten Umweltziele nicht erreicht und ein Sektor (sowie sein gesamtes wirtschaftliches Umfeld), von dem Hunderte von Küstengemeinschaften abhängen, zerstört wird.

5.5.   Unlauterer Wettbewerb von Drittstaaten und illegale Fischerei

5.5.1.

Die Fischerei im Mittelmeer einschließlich in der Adria befindet sich seit über 20 Jahren aus verschiedenen Gründen in einer schweren Krise, u. a. aufgrund des unlauteren Wettbewerbs von Drittstaaten (in erster Linie nordafrikanischer Länder) und der illegalen Fischerei (hinter der sich häufig auch illegale Arbeit verbirgt). Bis dato operieren die meisten illegalen Unternehmen bereits am Rande der Überlebensfähigkeit (36), und die starken persönlichen oder familiären Bindungen zwischen Bootseigner und den begrenzten Besatzungen haben einen endgültigen Zusammenbruch des Sektors verhindert.

5.5.2.

Deshalb ist der EWSA der Auffassung, dass der Übergang von einem System auf der Grundlage des Fischereiaufwands zu einem System auf der Grundlage der (um 30 % verringerten) Fangmengen ohne angemessene Vorschriften zur Bekämpfung unlauterer oder illegaler Praktiken ausschließlich dazu führen würde, dass sofort eine sehr hohe Anzahl von legal operierenden Unternehmen schließen würden und Arbeitsplätze verloren gingen, ohne zwingend die Umweltprobleme zu lösen.

5.6.   Regionalisierung

5.6.1.

Der Vorschlag geht nicht im Detail auf die Modalitäten der Besteuerung ein. Dieser Mangel könnte zu einem ernsthaften Problem des Wettbewerbs zwischen den Staaten führen, da die Unternehmen von Land zu Land unterschiedliche Kosten zu tragen haben aufgrund von Faktoren wie Entlohnung, Sozialabgaben, Versicherungskosten und Märkte.

5.6.2.

Der EWSA stellt insbesondere fest, dass sich die EU auf neue und heftige Konflikte einstellen müsste, wenn die Unternehmensgewinne von den Betriebskosten anstatt vom Fischereierzeugnis abhängen — und die Regionalisierung nur im Hinblick auf den Schutz der Fischbestände definiert würde.

5.7.   Technische Ausstattung und Kontrollen

5.7.1.

Der EWSA teilt die Auffassung, dass die Kontrollen mithilfe digitaler Technologien wirksamer werden müssen. Er unterstreicht jedoch, dass sich die Küsten der Adria im Unterschied zur Ostsee durch viele kleine Häfen (FAO-ADRIAMED führt 238 Fischereihäfen in Italien, Slowenien und Kroatien auf (37)) und viele kleine Boote auszeichnen. Deshalb werden die zuständigen Behörden und die Unternehmen (die sich bereits in der Krise befinden) Zeit und Mittel benötigen, um sich an die neue Rechtsvorschrift anzupassen.

5.7.2.

Der EWSA ist im Unterschied zur Kommission zudem der Auffassung, dass eine Auswahl unter den Häfen zur Anlandung des Fisches (und das Ausschließen kleinerer Häfen) den lokalen Gemeinschaften schweren Schaden zufügen würde. Nach Auffassung des Ausschusses sollten die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Maßnahmen für die kleineren Fischereifahrzeuge eingehender untersucht werden, da die Verordnung auf Schiffe von acht Metern und mehr Anwendung finden würde.

5.8.   Qualitätszertifizierung

5.8.1.

In dem Vorschlag sind keine Verfahren zur Zertifizierung und Kennzeichnung der Qualität zur Unterstützung des von der Reform betroffenen Wirtschaftszweigs vorgesehen. Dies würde von den Verbrauchern, die auf der ständigen Suche nach gesunden, hochwertigen und nachhaltigen Erzeugnissen sind, sehr geschätzt. Mit solchen Maßnahmen ließen sich zudem auch illegale Praktiken und unlauterer Wettbewerb bekämpfen.

5.9.   Preisunterschiede

5.9.1.

Im Kommissionsvorschlag wird die Annahme von Maßnahmen zur Bekämpfung des natürlichen Anstiegs des Preises für kleine pelagische Arten aufgrund der Reduzierung der Fangmengen nicht angemessen berücksichtigt. Dies wird zudem dazu führen, dass diese Erzeugnisse von Drittstaaten, die über keine angemessenen Kontrollen und vor allem über keine Umweltschutzmaßnahmen verfügen, erworben werden.

5.10.   Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft

5.10.1.

Der EWSA stellt mit Verwunderung fest, dass das am 11. März 2016 vom MEDAC vorgelegte Gutachten (38), das ein Ergebnis einer über zweijährigen Zusammenarbeit aller betroffenen Interessenträger ist (Unternehmer, Arbeitnehmer, Genossenschaften, Umweltschützer, Verbraucherverbände), nicht angemessen berücksichtigt wurde. Der Kommissionsvorschlag scheint sich im völligen Widerspruch, in einigen Aspekten sogar in diametralem Gegensatz zu diesem Gutachten zu befinden.

Brüssel, den 31. Mai 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

George DASSIS


(1)  Allgemeine Kommission für die Fischerei im Mittelmeer.

(2)  Verordnung (EU) Nr. 1380/2013.

(3)  Der höchstmögliche Dauerertrag (Maximum Sustainable Yield — MSY) bezeichnet die Höchstmenge der Fische, die in einem unbestimmten Zeitraum gefischt werden können, ohne den Bestand zu schädigen. Dieses Prinzip ist eine der Grundlagen der GFP.

(4)  Stellungnahme des EWSA, Gemeinsame Marktorganisation für Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur (ABl. C 181 vom 21.6.2012, S. 183).

(5)  EWSA-Stellungnahme, Gemeinsame Marktorganisation für Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur (ABl. C 181 vom 21.6.2012, S. 183), Ziffer 1.17: „Der EWSA bedauert, dass die soziale Dimension in allen Phasen der Fischerei und Aquakultur (Produktion, Verarbeitung und Vermarktung) im Vorschlag nicht mit konkreten Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen enthalten ist, und meint, dass die Beteiligung der Sozialpartner auf geeigneter Ebene gefördert werden sollte.“

(6)  Stellungnahme des EWSA, Gemeinsame Marktorganisation für Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur (ABl. C 181 vom 21.6.2012, S. 183), Ziffer 1.6: „Der EWSA unterstützt den Vorschlag zur Aufstellung von Mehrjahresplänen mit dem Ziel, nach Möglichkeit alle Fischbestände bis 2015 in einem Umfang wiederaufzufüllen und zu erhalten, der den höchstmöglichen Dauerertrag ermöglicht. Dieses löbliche Ziel ist für die gemischten Fischereien schwierig zu erreichen, weshalb der EWSA die Kommission um praktische Lösungen ersucht, um die Probleme zu lösen, die bei diesen Fischereien auftreten können.“

(7)  Stellungnahme des EWSA, Gemeinsame Marktorganisation für Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur (ABl. C 181 vom 21.6.2012, S. 183), Ziffer 1.19: „Nach Auffassung des EWSA ist eine Definition der kleinen Küstenfischerei, die einzig auf dem Kriterium der Länge der Fischereifahrzeuge basiert, zu einseitig und ordnet einen großen Teil der Kleinfischerei in die industrielle Fischerei ein.“

(8)  MEDAC ist das beratende Gremium, in dem sich die europäischen und nationalen zivilgesellschaftlichen Organisationen des Sektors im Mittelmeerraum zusammengeschlossen haben. Die Aufgabe des MEDAC besteht darin, Gutachten zur Bestandsbewirtschaftung und zu den sozioökonomischen Aspekten der Erhaltung der Fischereiressourcen im Mittelmeer für die Mitgliedstaaten und die europäischen Institutionen zu erarbeiten, um zum Erreichen der Ziele der GFP beizutragen und technische Lösungen und Empfehlungen auf Ersuchen der Mitgliedstaaten vorzulegen.

(9)  Stellungnahme des EWSA, Gemeinsame Fischereipolitik“ (Grünbuch) (ABl. C 18 vom 19.1.2011, S. 53), Ziffer 3.1.2.2: „Die stetige Erholung der Bestände und ihre Stabilisierung auf einem Niveau, das eine nachhaltige Nutzung der Ressourcen zulässt, muss mit sozioökonomischen Folgenabschätzungen einhergehen, um eine finanzielle Unterstützung des Sektors zu ermöglichen, die auf Beschäftigung, Investitionen der Unternehmen in Innovation und Entwicklung sowie Berufsbildungsmaßnahmen gerichtet ist. Darüber hinaus muss den Fischern für die Zeit, in der sich die Fischbestände erholen sollen, ein angemessenes Einkommen zugesichert werden.“

(10)  Nach Auffassung des STECF (2016) gingen im Mittelmeerraum im Zeitraum 2008-2014 über 10 000 Arbeitsplätze verloren, bei einem Rückgang der Fischereifahrzeuge um 14 % und der Beschäftigung um 8 %. Im speziellen Fall der „kleinen Fischerei“ (Fischereifahrzeuge mit einer Länge unter 12 m), die über 50 % des Sektors ausmacht, beträgt der Rückgang der Fischereifahrzeuge 16 % bei einem Beschäftigungsrückgang von 13 %. Es gilt auch zu bedenken, dass nicht entsprechend abgewogene Vorhaben in den unmittelbar betroffenen Ländern verheerende Auswirkungen haben könnten. In Kroatien macht die Befischung kleiner pelagischer Arten 90 % des Fangs aus. Ferner ist in Italien die Fangkapazität der Fischereiflotte zwischen 2004 und 2015 um 17 % in Bezug auf die Anzahl der Fischereifahrzeuge zurückgegangen, mit Spitzen beim Rückgang der Beschäftigung von über 20 %.

(11)  Stellungnahme des EWSA, Gemeinsame Marktorganisation für Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur (ABl. C 181 vom 21.6.2012, S. 183), Ziffer 3.3.6: „(…) der Ausschuss (ist) der Meinung, dass die Umsetzung der Maßnahmen zur Erhaltung oder Auffüllung der Bestände bis 2015 auf Größen, die den höchstmöglichen Dauerertrag ermöglichen, die Fischereikapazität der Flotten der Mitgliedstaaten beeinflusst (…). Daher muss die Kommission Maßnahmen zu ihrer Anpassung vorsehen und soziale und Beschäftigungsalternativen für den Fischereisektor anbieten, um die gegenwärtigen, durch den schlechten Zustand der Fischbestände verursachten Beschäftigungsverluste zu vermeiden.“

(12)  Stellungnahme des EWSA, EU-Strategie für die Region Adria-Ionisches Meer (ABl. C 458 vom 19.12.2014, S. 27), Ziffern 3.3, 3.4 und 3.5.

(13)  Stellungnahme des EWSA, Beseitigung der Hindernisse für eine nachhaltige Aquakultur in Europa (ABl. C 34 vom 2.2.2017, S. 73).

Stellungnahme des EWSA, Innovation in der blauen Wirtschaft (ABl. C 12 vom 15.1.2015, S. 93), Ziffer 1.7.

(14)  Stellungnahme des EWSA, Delegierte Rechtsakte (ABl. C 13 vom 15.1.2016, S. 145), Ziffer 1.8.

(15)  Stellungnahme des EWSA, Gemeinsame Marktorganisation für Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur (ABl. C 181 vom 21.6.2012, S. 183), Ziffer 1.21.

(16)  IP/17/770, Europäische Kommission erreicht 10-Jahres-Verpflichtung zur Rettung der Fischbestände im Mittelmeer.

(17)  Stellungnahme des EWSA, Gemeinsame Marktorganisation für Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur (ABl. C 181 vom 21.6.2012, S. 183), Ziffer 4.5.

(18)  Das Adriatische Meer entspricht den Untergebieten 17 und 18 der GFCM.

(19)  Dabei handelt es sich um kleine Arten, die nahe der Oberfläche schwimmen (z. B. Makrele, Hering, Stöcker, Blauer Wittling, Eberfisch, Sardelle, Goldlachs, Sardine, Sprotte usw.).

(20)  In Kroatien entfallen fast 90 % der Gesamtfänge aus der Fischerei auf kleine pelagische Arten.

(21)  Die Allgemeine Kommission für die Fischerei im Mittelmeer wurde 1949 im Rahmen der FAO gegründet. Die Hauptaufgabe der GFCM ist die Förderung der Entwicklung, Erhaltung und korrekten Bewirtschaftung biologischer Meeresressourcen.

(22)  Der 1993 eingerichtete Wissenschafts-, Technik- und Wirtschaftsausschuss für Fischerei der EU ist eine der Europäischen Kommission direkt unterstellte beratende Einrichtung. Sie besteht aus einer Gruppe von Experten, die für die Kommission Stellungnahmen zur Bestandsbewirtschaftung abgeben.

(23)  GFCM (2016), Der Zustand der Fischerei im Mittelmeer und im Schwarzen Meer, S. 25.

(24)  Die Steuerung des Fischereiaufwands besteht aus Beschränkungen der Flottenkapazität und der Zeit, die diese auf See bleiben darf.

(25)  Die Schonzeit ist der Zeitraum, in dem die Fischerei in einem bestimmten Gebiet untersagt ist. Dieses Instrument ist in der EU bereits seit 30 Jahren in Kraft, um die maritimen Fischbestände zu schützen und die natürliche Reproduktion der am meisten befischten Arten zu fördern. Die Schließung der Fischerei für eine bestimmte Anzahl von aufeinanderfolgenden Tagen ermöglicht es den Fischen, ihren Reproduktionszyklus sicher abzuschließen und die Fischbestände zu erhalten.

(26)  MEDAC, Medac advice on LTMP for small pelagics in GSA 17 (Northern Adriatic), Prot. 94/2016, März 2016.

(27)  Der höchstmögliche Dauerertrag (Maximum Sustainable Yield — MSY) bezeichnet die Höchstmenge der Fische, die in einem unbestimmten Zeitraum gefischt werden kann, ohne den Bestand zu schädigen.

(28)  Die zulässigen Gesamtfangmengen bzw. TAC sind in Tonnen angegebene Höchstmengen für die Befischung bestimmter Bestände. Die Kommission legt diese Grenzen auf der Grundlage wissenschaftlicher Gutachten über den Zustand von Beständen fest, die von Beratungsgremien wie ICES oder STECF erarbeitet wurden.

(29)  Darunter Dorsch, Hering, Sprotte und Lachs.

(30)  MEDAC, Medac advice on LTMP for small pelagics in GSA 17 (Northern Adriatic), Prot. 94/2016, März 2016, S. 7/8.

(31)  Stellungnahme des EWSA, Gemeinsame Marktorganisation für Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur (ABl. C 181 vom 21.6.2012, S. 183).

(32)  SWD(2017) 63 final.

(33)  Italienisches Ministerium für Landwirtschaft und Forsten, Nationaler Fischereiplan 2017-2019. Zwischen 2004 und 2015 ist die Fangkapazität der italienischen Fischereiflotte um 17 % in Bezug auf die Anzahl der Fischereifahrzeuge, um 26 % bezogen auf die Tonnage und um 21 % in Bezug auf die Motorleistung (in kW) zurückgegangen. Der Rückgang der Fangkapazität war besonders ausgeprägt zwischen 2010 und 2012, teils aufgrund der Wirtschaftskrise, teils aufgrund der spontanen Ausflaggung zahlreicher Fischereifahrzeuge im Zuge der von der GFP vorgesehenen Anreizmaßnahme „endgültige Einstellung“.

(34)  GFCM (2016), Der Zustand der Fischerei im Mittelmeer und im Schwarzen Meer, S. 26.

(35)  Stellungnahme des EWSA, Mehrjähriger Wiederauffüllungsplan für Roten Thun im Ostatlantik und im Mittelmeer (ABl. C 24 vom 28.1.2012, S. 116), Ziffer 1.1: „Der EWSA befürwortet die Vorschläge der Europäischen Kommission und erkennt die Anstrengungen an, die sowohl die Mitgliedstaaten als auch die Fischer unternehmen, um den anspruchsvollen Wiederauffüllungsplan für Roten Thun der Internationalen Kommission für die Erhaltung der Thunfischbestände im Atlantik (ICCAT) zu erfüllen, der mittlerweile Früchte trägt, dessen Umsetzung jedoch bedeutende soziale und wirtschaftliche Auswirkungen hat, denen Rechnung getragen werden sollte.“

(36)  Das Durchschnittseinkommen pro Fischer beträgt 18 000 bis 20 000 EUR pro Jahr, an der Ostsee und an der Nordsee hingegen beträgt die Spanne 60 000 bis 80 000 EUR jährlich.

(37)  Für jedes einzelne Land ist folgende Anzahl von Häfen verzeichnet: Kroatien 147; Italien 89; Slowenien 3 (www.faoadriamed.org).

(38)  MEDAC, Medac advice on LTMP for small pelagics in GSA 17 (Northern Adriatic), Prot. 94/2016, März 2016.


31.8.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 288/75


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zur Aufrechterhaltung der derzeitigen Einschränkung ihrer Anwendung auf Luftverkehrstätigkeiten und zur Vorbereitung der Umsetzung eines globalen marktbasierten Mechanismus ab 2021“

(COM(2017) 54 final — 2017/0017 (COD))

(2017/C 288/10)

Berichterstatter:

Thomas KROPP

Befassung

Rat, 21.2.2017

Europäisches Parlament, 13.2.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 192 Absatz 1 und Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

 

 

Beschluss des Präsidiums

21.2.2017

 

 

Zuständige Fachgruppe

Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umwelt

Annahme in der Fachgruppe

17.5.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

31.5.2017

Plenartagung Nr.

526

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

192/0/2

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Mit den von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Änderungen wird zwar ein ab 2017 spezifisch für Luftfahrtunternehmen geltender Rechtsrahmen beibehalten, die Flüge zwischen Flughäfen innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums durchführen, gleichzeitig aber auch der Weg für die Unterstützung und Umsetzung des nicht wettbewerbsverzerrenden globalen Mechanismus CORSIA (Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation) (1) ab 2020 durch die EU geebnet.

1.2.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) unterstützt den Vorschlag der Europäischen Kommission mit einigen Vorbehalten. Mit Annahme des Vorschlags würden die Umweltziele des Emissionshandelssystems der EU (EU-EHS) im Verhältnis zu seinem vollen Anwendungsbereich eingeschränkt, was im Prinzip den Klimaschutzzielen und den internationalen Verpflichtungen der EU zuwiderlaufen könnte; gleichzeitig würde die EU glaubhaft ihre Unterstützung für eine globale Maßnahme unter Beweis stellen, so dass die globalen Klimaschutzanstrengungen fortgesetzt werden können.

1.3.

Die Ausweitung des Geltungsbereichs des aktuellen EU-EHS für alle Flüge von und nach Flughäfen im EWR könnte internationale Handelsstreitigkeiten über die Gültigkeit einer einseitigen extraterritorialen Anwendung von EU-Zielen auslösen und die Konsensbildung zur Gewährleistung der einheitlichen Anwendung eines multilateral vereinbarten Mechanismus verzögern.

1.4.

Ein Handeln der EU ist notwendig, um Wettbewerbsverzerrungen im Luftverkehrsbinnenmarkt im Zuge der Umsetzung eines globalen marktbasierten Mechanismus in der Europäischen Union zu vermeiden und gleichzeitig anhand der EHS-Erfahrungswerte eine möglichst hohe Umweltintegrität des CORSIA sicherzustellen. Bei der politischen Debatte über die Funktion einer eigenständigen EU-Lösung müssen die Entwicklung und letztlich Zweckdienlichkeit des CORSIA berücksichtigt werden.

1.5.

Das Legislativverfahren muss zügig abgeschlossen werden. Die Annahme des Vorschlags muss vor Ende 2017 erfolgen, damit die Vorbereitungsmaßnahmen für die Umsetzung des CORSIA Anfang 2018 unternommen werden können. EU-spezifische Rechtsvorschriften sollten nur zur Förderung globaler marktorientierter Maßnahmen genutzt und geändert werden. Der EWSA fordert den Rat und das Europäische Parlament auf, das Momentum für eine zügige einheitliche und nicht wettbewerbsverzerrende Umsetzung des CORSIA aufrechtzuerhalten.

1.6.

Der EWSA unterstützt den ausgewogenen Ansatz der Europäischen Kommission, mit dem zum einen die Hebelwirkung, die die Kommission mit dem EU-EHS aufgebaut hat, gewahrt bleibt und zum anderen ein globales Problem auch global angegangen wird, wodurch das dauerhafte Risiko von Emissionsverlagerungen und Wettbewerbsnachteilen für Europa verringert wird. Die Europäische Kommission muss den Verbrauchern vermitteln, dass Emissionen aus dem internationalen Luftverkehr ein globales Problem sind. Bei angemessener Vorgehensweise aller in der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) vertretenen Mitgliedstaaten wird CORSIA zu einem CO2-neutralen Wachstum und somit einer Entkoppelung von Verkehrswachstum und Emissionssteigerung führen, ganz gleich wo der Luftverkehr stattfindet.

1.7.

Der EWSA hat beschlossen, eine öffentliche Konferenz unter Einbeziehung aller einschlägigen Interessenträger zu organisieren, um ihnen Gelegenheit zu geben, die Standpunkte der Zivilgesellschaft zu den politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen dieser Regulierungsinitiative dazulegen.

2.   Hintergrund

2.1.

Das Emissionshandelssystem der EU (EU-EHS) wurde 2005 eingerichtet; damit wurde eine Obergrenze für die Emissionen der Industrie im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) festgesetzt. Diese Obergrenze ist in Form von Zertifikaten geregelt, die insgesamt der Menge an CO2-Emissionen in Tonnen entsprechen, die im Rahmen dieser Obergrenze ausgestoßen werden können. Die allgemeine Obergrenze wird jährlich um 1,74 % gesenkt, d. h. sie begünstigt Industriezweige, die weniger Zertifikate benötigen, und verpflichtet umweltverschmutzende Industriezweige, mehr Zertifikate zu erwerben. Gemäß diesem System müssen die Mitgliedstaaten bestimmen, wie die übergeordneten Emissionsminderungsziele erreicht werden können, um die CO2-Emissionen der EU insgesamt zu verringern.

2.2.

Im Jahr 2008 vereinbarte die EU, die Luftfahrt ab 2012 als eigenen Sektor in ihr Emissionshandelssystem aufzunehmen. Anstelle von Mitgliedstaaten wurde damit zum ersten Mal ein Wirtschaftssektor auf Emissionsreduktionsziele verpflichtet. Die Obergrenze für die Emissionen aus dem Luftverkehr wurde zunächst beim mittleren Wert des Zeitraums 2004 bis 2006 angesetzt, d. h., unabhängig von der Obergrenze für die Gesamtemissionen im EU-EHS wurde eine eigene Obergrenze für den Luftverkehr eingeführt. Gemäß dem EU-EHS für den Luftverkehr mussten Luftfahrzeugbetreiber ab 2012 Emissionszertifikate für jede ausgestoßene Tonne CO2 für Flüge von und nach Flughäfen innerhalb des EWR abgeben. Zur Bewältigung des Verkehrszuwachses und zur Gewährleistung des hierfür nötigen Luftverkehrswachstums wurde Luftfahrtunternehmen das Recht eingeräumt, zusätzliche Zertifikate im Rahmen von Versteigerungen zu erwerben, in denen andere Sektoren Zertifikate verfügbar machten. Die Obergrenze für die Luftverkehrszertifikate wurde 2012 von 97 % der ursprünglichen Emissionen (Zeitraum 2004-2006) auf 95 % für den Zeitraum 2013-2020 festgesetzt. In diesem Zeitraum werden den Luftfahrzeugbetreibern 82 % der Zertifikate kostenlos zugeteilt, 15 % werden versteigert.

2.3.

Die Einbeziehung des Luftverkehrssektors in ein Emissionshandelssystem war Gegenstand heftiger Kontroversen. Die Schwierigkeiten ergeben sich aus dem Wesen der Luftfahrt als internationale Dienstleistungsindustrie: Die Emissionsverursacher sind mobil, weshalb es schwierig ist, CO2-Emissionen in einem bestimmten Luftraum einer nationalen Regierung zuzuweisen. Einige grundlegende Punkte sind indes international unbestritten:

2.3.1.

Auf den Luftverkehr entfallen mindestens 2 % der globalen Emissionen, auf die internationale Luftfahrt 1,3 %.

2.3.2.

Kein Sektor darf von den Anstrengungen zur Eindämmung der durch die Emissionen verursachten Klimafolgen ausgenommen werden, sprich der See- und der Luftverkehr sollten in globale Mechanismen zur Verringerung der Auswirkungen der CO2-Emissionen auf das Klima eingebunden werden.

2.3.3.

Im Laufe der Zeit hat sich ein Konsens herausgebildet, dass die Nachteile der Besteuerung von CO2-Emissionen die Vorteile marktbasierter Mechanismen überwiegen. Steuern werden ab dem ersten Tag in ihrer Gesamtheit entrichtet, wohingegen in Mechanismen wie dem Emissionshandelssystem die Vorab-Bereitstellung kostenloser Zertifikate als Anreiz gesehen wird, um die größtmögliche Effizienz zu erreichen und durch den Handel mit ungenutzten Zertifikaten einen Kostenpunkt zu einer Einnahmequelle zu machen. Außerdem sind Steuern per definitionem nicht zweckgebunden, sondern fließen in die Staatshaushalte, wohingegen marktbasierte Mechanismen an direkte Ausgleichsmaßnahmen für die Emissionen gekoppelt werden können.

2.4.

Im Mittelpunkt des Streits über die Einbeziehung des Luftverkehrs in das EU-EHS stand die internationale Anwendung dieses Mechanismus. Die Europäische Kommission argumentierte, dass der Klimawandel als weltweites Phänomen nicht allein durch regionale Maßnahmen wirksam bekämpft werden kann. Sie wollte daher das EU-EHS für den Luftverkehr auf alle Luftfahrtunternehmen anwenden, die von oder nach Flughäfen in der Europäischen Union fliegen, unabhängig davon, ob sie in einem der EU-Mitgliedstaaten registriert sind. Die einseitige Festlegung eines derartigen Mechanismus für Drittländer ist jedoch ein direkter Verstoß gegen die Souveränität aller Staaten weltweit. Aufgrund des Fehlens eines bilateralen oder multilateralen internationalen Übereinkommens über die Einführung einer marktbasierten Maßnahme für Dienste zwischen souveränen Staaten stellte sich die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage die EU Drittländern einen derartigen Mechanismus vorschreiben könnte. Der Europäische Gerichtshof bestätigte 2016 (2) die Rechtmäßigkeit der Einbeziehung von Flügen mit Ziel- und Startflughäfen in Drittländern durch die EU. Neben den rechtlichen Schwierigkeiten (3) sah sich die EU auch mit der Gefahr von Handelssanktionen als Vergeltungsmaßnahmen größerer Handelsnationen konfrontiert.

2.5.

Einige größere Handelsnationen wie beispielsweise China, die USA, Indien und Russland koordinierten ihre Anstrengungen gegen die einseitige Anwendung des Mechanismus. Am 12. November 2012 veröffentlichte die Europäische Kommission einen Vorschlag, das Emissionshandelssystem für den Luftverkehr für ein Jahr auszusetzen (den sogenannten „Stop the clock“-Beschluss). Dieser Aussetzungsvorschlag wurde vom Rat und vom Europäischen Parlament formell im April 2013 angenommen, kurz bevor die Luftfahrtunternehmen Zertifikate für 2012 abgeben mussten; damit wurde der Geltungsbereich des Emissionshandelssystems für den Luftverkehr rückwirkend auf EWR-interne Flüge beschränkt.

2.6.

Im März 2014 wurde die Verordnung (EU) Nr. 421/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) angenommen, mit der der Aussetzungsbeschluss und somit die Anwendung des EU-EHS auf nur EWR-interne Flüge bis Ende 2016 verlängert wurde, wobei eine automatische Rückkehr zum ursprünglichen Geltungsbereich des Emissionshandelssystems (alle Flüge von und nach Flughäfen im EWR) vorgesehen war, sofern die Versammlung der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) 2016 keine ausreichend soliden Fortschritte hin zur Schaffung eines weltweiten Mechanismus erzielte.

2.7.

Das Übereinkommen von Paris zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (5), das am 12. Dezember 2015 unterzeichnet wurde, war trotz der Zweifel einiger NGO an seiner Zweckdienlichkeit ein großer Durchbruch in Richtung eines internationalen Konsens über die Notwendigkeit weiterer, international koordinierter Maßnahmen zur Verringerung der Auswirkungen des Klimawandels. Das Übereinkommen diente als Katalysator für ein gemeinsames Vorgehen auf allen Ebenen. In den Monaten nach seiner Veröffentlichung unterzeichnete eine zunehmende Zahl von Regierungen das Übereinkommen (6).

2.8.

Das Übereinkommen von Paris beruht auf dem Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (United Nations Framework Convention on Climate Change — UNFCCC) und bringt zum allerersten Mal alle Länder zusammen, um gemeinsam ehrgeizige Anstrengungen zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Anpassung an seine Folgen zu unternehmen, wobei Entwicklungsländer in ihren einschlägigen Bemühungen verstärkt unterstützt werden. Damit wird ein Kurswechsel in den globalen Klimabemühungen eingeleitet (7).

2.8.1.

Hauptziel des Übereinkommens von Paris ist es, die globale Antwort auf die Gefahr des Klimawandels zu stärken, indem die Erderwärmung deutlich unter 2 oC gegenüber dem vorindustriellen Niveau gehalten und weltweit Anstrengungen fortgeführt werden, sie sogar auf 1,5 oC zu begrenzen. Außerdem soll die Fähigkeit der Länder zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels gestärkt werden. Zur Verwirklichung dieser ehrgeizigen Ziele werden angemessene Finanzierungsmechanismen, ein neuer Technologierahmen und ein verbesserter Rahmen für den Kapazitätenaufbau entwickelt, wodurch Maßnahmen der Entwicklungsländer und der am stärksten gefährdeten Länder im Einklang mit ihren eigenen nationalen Zielen unterstützt werden. Ferner sind eine Erhöhung der Transparenz der Maßnahmen und der Unterstützung durch einen solideren Transparenzrahmen vorgesehen (8).

2.8.2.

Mit dem Übereinkommen von Paris sind alle Vertragsparteien verpflichtet, ihre Anstrengungen in Form nationaler Klimaschutzbeiträge (nationally determined contributions — NDC) vorzulegen und diese in den Folgejahren zu steigern. Dazu zählt auch die Verpflichtung, dass alle Vertragsparteien regelmäßig Bericht über ihre Emissionen und ihre Fortschritte bei der Umsetzung des Übereinkommens erstatten (9). 2018 nehmen die Vertragsparteien eine erste globale Bestandsaufnahme der gemeinsamen Anstrengungen vor, um die Verwirklichung der Ziele des Übereinkommens von Paris voranzubringen und über die Vorbereitungen der nationalen Klimaschutzbeiträge zu informieren. Eine derartige gemeinsame Bestandsaufnahme findet anschließend alle fünf Jahre statt, um den gemeinsamen Fortschritt zur Erreichung der Ziele des Übereinkommens zu bewerten und weitere individuelle Maßnahmen der Vertragsparteien anzustoßen.

2.9.

Das Übereinkommen von Paris hat der allgemeinen Einschätzung nach wesentliche Impulse für das Ergebnis der ICAO-Versammlung 2016, insbesondere im Bereich Zivilluftfahrt, geliefert (10). Nach seit der 38. Versammlung im Jahr 2013 drei Jahre andauernden Verhandlungen einigten sich die ICAO-Mitgliedstaaten am 6. Oktober 2016 auf die Anwendung eines globalen marktbasierten Mechanismus (Global Market Based Mechanism — GMBM) zur Kompensation der Zunahme der Emissionen im internationalen Luftverkehr ab 2020. Das Plenum nahm eine Entschließung zur Einführung des Ausgleichs- und Reduktionsmechanismus für den internationalen Flugverkehr (Carbon Offset and Reduction Scheme for International Aviation — CORSIA) (11) an. Gemäß diesem Mechanismus müssen die Luftverkehrsunternehmen ihre Emissionen teilweise ausgleichen, aber nicht notwendigerweise auch verringern.

2.10.

Laut der Entschließung der ICAO-Versammlung ist der mittlere Wert der CO2-Emissionen aus der internationalen Luftfahrt, die im Zeitraum 2019-2020 in diesem Mechanismus erfasst werden, der Ausgangspunkt für ein CO2-neutrales Wachstum ab 2020 und wird als Vergleichsgrundlage für künftige Emissionen herangezogen. Sollten die CO2-Emissionen in der internationalen Luftfahrt, die unter diesen Mechanismus fallen, die durchschnittlichen Referenz-Emissionen der Jahre 2019-2020 überschreiten, entspricht diese Differenz ab 2021 jährlich den Ausgleichsanforderungen des Sektors für das jeweilige Jahr.

2.11.

Die ICAO hat eine schrittweise Einführung dieses Mechanismus beschlossen, um besonderen Umständen und den jeweiligen Fähigkeiten (Special Circumstances and Respective Capabilities — SCRC) der Vertragsstaaten Rechnung zu tragen. Die Teilnahme an diesem Mechanismus erfolgt zunächst auf freiwilliger Basis, ehe dann alle Länder abgesehen von bestimmten Ländern, die von den Regelungen ausgenommen sind, zur Teilnahme verpflichtet werden.

Die ICAO hat sich für einen streckenbasierten Ansatz entschieden, um die wettbewerblichen Auswirkungen des CORSIA auf die Betreiber zu minimieren. Strecken, für die Ausnahmen herrschen, werden für alle Luftfahrtunternehmen, die diese Strecke bedienen, ausgenommen.

2.12.

Die Pilotphase (2021-2023) und die erste Phase (2024-2026) gelten für diejenigen Länder, die sich zur freiwilligen Teilnahme bereiterklärt haben. Mit Stand vom 12. Oktober 2016 hatten sich 66 Länder zur freiwilligen Teilnahme an dem globalen marktbasierten Mechanismus von Beginn an angemeldet. Die zweite Phase (2027-2035) gilt dann für alle Länder, abgesehen von den Ländern, die ausgenommen sind, sich aber freiwillig beteiligen können. Der EWSA begrüßt diese Übereinkunft, wobei es sich aufgrund des freiwilligen Charakters als nötig erweisen könnte, dass andere Sektoren eventuelle Abweichungen ausgleichen müssen, damit die EU-Klimaziele erreicht werden.

2.13.

Die Eckpfeiler des CORSIA, die von der ICAO vereinbart und veröffentlicht werden müssen, sind die Methodik für Überwachung, Berichterstattung und Prüfung (monitoring, reporting and verification — MRV) der Emissionen individueller Luftfahrzeugbetreiber, die Kriterien für die Emissionseinheiten (Emissions Unit Criteria — EUC) und die Register. Die ICAO wird gleichzeitig allen Mitgliedstaaten Ressourcen für den Aufbau der notwendigen Infrastruktur zur Verfügung stellen (12). Diese noch nicht im Einzelnen geregelten Aspekte sind für die Umweltwirksamkeit von CORSIA entscheidend, die hohen Standards genügen sollte.

2.14.

Die Luftfahrtunternehmen können ihre Kompensationspflichten durch den Erwerb von Kompensationsgutschriften auf den Kohlenstoffmärkten erfüllen. Die Emissionseinheiten (eine Einheit entspricht einer Tonne CO2) werden somit außerhalb des internationalen Luftfahrtsektors verringert. Die Kriterien für die Emissionseinheiten müssen jedoch erst noch ausgearbeitet werden. Dabei muss unbedingt gewährleistet werden, dass eine Tonne CO2, die im Luftverkehr ausgestoßen wird, auch wirklich einer Tonne CO2 entspricht, die in einem anderen Sektor eingespart wird.

2.15.

Angesichts der Diskussionen von mehr als einem Jahrzehnt innerhalb der ICAO wurde das Übereinkommen aus dem Jahr 2016 als historisch gewürdigt. Es trägt den Unterschieden Rechnung, die in der Vergangenheit wiederholt die Verwirklichung eines Konsens verhindert hatten. Die Meinungsunterschiede der ICAO-Mitgliedstaaten sind auf die unterschiedliche wirtschaftliche Reife des jeweiligen Landes sowie seine Wirtschaftskraft und seine allgemeine Politik in Umweltfragen zurückzuführen. Die große Zahl an Ländern, die sich zur Teilnahme an dem CORSIA-Mechanismus von Beginn an bereiterklärt haben, wird eine Dynamik auslösen, die auch andere Länder erfassen und zum Mitmachen bewegen wird. Allerdings muss erst noch eine Einigung über die Überwachungs-, Berichterstattungs- und Überprüfungsmethodik (bis 1. Januar 2019), die EUC (bis 2018), die Umsetzung des Regelungsrahmens (bis 2020) und die Einrichtung der Register (bis Januar 2021) für das CORSIA erzielt werden.

3.   Bewertung des Vorschlags

3.1.

Wird die Verordnung (EU) Nr. 421/2014 nicht geändert, wird in der geltenden Fassung das EU-Emissionshandelssystem (EU-EHS) für die Luftfahrt wieder in seinem ursprünglichen Geltungsbereich und somit auf alle internationalen Flüge von und nach Flughäfen innerhalb des EWR Anwendung finden. Dies würde bedeuten, dass Luftfahrzeugbetreiber bis zum 30. April 2018 Zertifikate für ihre Gesamtemissionen aus Flügen von und nach Drittländern abgeben müssten (13). Wie oben erläutert (14) wurde die Verordnung (EU) Nr. 421/2014 ausgesetzt, bis eine Bewertung des Ergebnisses der Versammlung der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) im Jahr 2016 vorgenommen wurde. In ihrer Bewertung (15) kommt die Europäische Kommission zum Schluss, dass die ICAO-Entschließung über einen globalen marktbasierten Mechanismus (Global Market Based Mechanism — GMBM) im Einklang mit den angestrebten Zielen und Maßnahmen der EU steht. Daher muss der Wortlaut der Verordnung (EU) Nr. 421/2014 geändert werden, um die erneute Anwendung eines EU-Instruments trotz EU-Konsens über einen globalen marktbasierten Mechanismus zu verhindern. Der Kommissionsvorschlag beruht auf folgenden Überlegungen:

3.1.1.   Rechtsinstrument

Angesichts der knappen Zeit für den Abschluss des Legislativverfahrens schlägt die Europäische Kommission vor, dass die Maßnahme in Form einer Verordnung erlassen wird, die unmittelbar in allen Mitgliedstaaten gilt und in allen Teilen verbindlich ist, damit die Änderungen von allen Mitgliedstaaten vor Ablauf der Compliance-Fristen (März oder April 2018) einheitlich angewendet und umgesetzt werden können.

3.1.2.   Folgenabschätzung  (16)

Die Europäische Kommission bevorzugt eine Beibehaltung des Status quo, d. h. des derzeitigen Geltungsbereichs des EU-EHS für EWR-interne Flüge für den Zeitraum 2017-2020 (und somit keine Rückkehr zu dem ursprünglichen Geltungsbereich für internationale Flüge ab 2017). Die Europäische Kommission bekräftigt, dass das EU-EHS mit seinem derzeitigen Geltungsbereich für EWR-interne Flüge zur Verringerung der CO2-Emissionen um ca. 17 Mio. Tonnen pro Jahr beigetragen hat, d. h. dass der Luftverkehr wie jeder andere Sektor einen Beitrag zu den Klimaschutzzielen leistet. Sie betont außerdem, dass die Beibehaltung des Geltungsbereichs für EWR-interne Flüge von Drittländern begrüßt wird und die Möglichkeit bietet, sich auf die Erarbeitung der notwendigen Maßnahmen für die rechtzeitige und einheitliche Umsetzung des globalen marktbasierten Mechanismus zu konzentrieren.

3.1.3.   Fristen

Die Europäische Kommission schlägt vor, die Aussetzungsregelung effektiv über 2016 hinaus zu verlängern und sie 2017 wie 2016 anzuwenden, um der ICAO die Möglichkeit zu geben, die notwendigen Instrumente zur effektiven Umsetzung des globalen marktbasierten Mechanismus zu schaffen. Mit Blick auf die Zeit nach 2020 würde die Europäische Kommission das EU-EHS weiter bewerten und überarbeiten. Für diese neue Überarbeitung der Verordnung sind keine Fristen festgelegt.

3.1.4.

Artikel 28a wird dahingehend geändert, dass internationale Flüge von und nach Flughäfen innerhalb des EWR auch nach 2016 von der Anwendung ausgenommen sind, während interne EWR-Flüge weiterhin vollständig erfasst werden.

3.1.5.

Zur Vorbereitung der Einführung eines globalen marktbasierten Mechanismus wird ein neuer Artikel 28b eingefügt. In diesem Artikel wird die Einführung des globalen marktbasierten Mechanismus an die Berichterstattungspflicht der Europäischen Kommission gegenüber dem Europäischen Parlament betreffend den Stand der Umsetzung und das Ausmaß der notwendigen Änderungen des EU-EHS gebunden, damit er auch im EWR umfassend angewendet werden kann (17).

3.1.6.

Mit Artikel 28c wird die Europäische Kommission zur Festlegung von Überwachungs-, Berichterstattungs- und Prüfungsmechanismen für die Zwecke der Anwendung des globalen marktbasierten Mechanismus ermächtigt.

3.1.7.

Als Formsache wird Anhang I dahingehend geändert, dass die Ausnahme für nichtgewerbliche Luftfahrzeugbetreiber mit jährlichen Gesamtemissionen von weniger als 1 000 Tonnen CO2 von 2020 auf 2030 verlängert wird. Diese machen nur 0,2 % der Gesamtemissionen aus, ihre Einbeziehung würde einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand bewirken.

3.2.

Die Diskussionen in verschiedenen Gremien, auf die auch die Europäische Kommission hinweist (18), lassen potenzielle Meinungsverschiedenheiten in drei Bereichen vermuten:

3.2.1.

Die Notwendigkeit strengerer Vorschriften in der EU-EHS-Richtlinie für den Zeitraum 2017-2020: Abgesehen von der Durchführbarkeit stellt sich hier auch die Frage, ob eine derart kontroverse Debatte zu einem Zeitpunkt, wo der Schwerpunkt auf der Umsetzung eines globalen marktbasierten Mechanismus liegen sollte, wirklich hilfreich ist, dabei nicht etwa die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und die Position der EU in den internationalen Verhandlungen über die technische Ausgestaltung des globalen marktbasierten Mechanismus untergräbt; außerdem steht in Zweifel, ob Änderungen des EU-EHS zum gegenwärtigen Zeitpunkt einen ausreichend hohen Mehrwert im Sinne der Emissionsminderung bringen würden, sodass sich globale wirtschaftliche, politische und handelstechnische Risiken lohnen. Solche Debatten scheinen, gelinde gesagt, verfrüht, solange es nicht mehr Klarheit über die Perspektiven des CORSIA gibt.

3.2.2.

Die Notwendigkeit einer Frist für die neue Überarbeitung des EU-EHS: Diese Notwendigkeit ist verständlich, da wiederholte Änderungen zur Verlängerung des Aussetzungsbeschlusses keine endgültige regulatorische Lösung sein können. Gleichzeitig steht die endgültige Form von CORSIA noch nicht fest, und seine Integration in die EU-Politik muss näher am Zeithorizont 2020 erneut beurteilt werden. Allerdings könnte die Planungsstabilität beeinträchtigt werden, wenn die Interessenträger zwar wissen, dass eine Verordnung zeitlich begrenzt ist, gleichzeitig aber nicht wissen, ob eine neue Verordnung die alte ersetzen oder die ursprüngliche Regelung zum Tragen kommen wird, mit der internationale Handelsstreitigkeiten erneut angefacht würden, was viele Interessenträger lieber vermeiden würden. Das Fehlen einer Frist hat den klaren Vorteil, dass die Europäische Kommission ihre Folgenabschätzungen und Überprüfungen vor der Vorlage eines Änderungsvorschlags für die EU-EHS-Richtlinie abschließen kann.

3.2.3.

Die Notwendig eines raschen Konsenses zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat: Beide EU-Organe sollten keine langwierigen Diskussionen über die frühere Wirkung des EU EHS führen, sondern ihre politischen Diskussionen auf die bestmögliche Förderung einer einheitlichen und rechtzeitigen Umsetzung eines globalen marktbasierten Mechanismus ausrichten. Die Verhandlungen über den Kommissionsvorschlag sollten vor Ende 2017 abgeschlossen werden, um eine automatische Rückkehr zum ursprünglichen Geltungsbereich zu vermeiden.

4.

Aufgrund seiner einzigartigen Zusammensetzung und Sachkenntnis ist der EWSA bestens aufgestellt, um die Standpunkte der organisierten Zivilgesellschaft über die politischen, sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen dieser Regulierungsinitiative in die politische Debatte einzubringen. Infolgedessen wird er im Zusammenhang mit dieser Stellungnahme eine Konferenz unter Teilnahme aller einschlägigen Interessenträger organisieren.

Brüssel, den 31. Mai 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Das Plenum der 39. Versammlung der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) empfahl die Annahme einer endgültigen Entschließung zur Einführung des „Carbon Offset and Reduction Scheme for International Aviation“ (CORSIA).

(2)  Dokument 62015CJO272 — Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 21. Dezember 2016 in der Rechtssache C-272/15.

(3)  Im Anschluss an den Beschluss von 2008 zur Einbeziehung des Luftverkehrs in das EU-EHS ab 2012 reichten US-amerikanische Luftverkehrsunternehmen im Vereinigten Königreich Klage mit dem Argument ein, dass das Emissionshandelssystem gemäß internationalem Recht illegal war.

(4)  ABl. L 129 vom 30.4.2014, S. 1.

(5)  http://unfccc.int/documentation/documents/advanced_search/items/6911.php?priref=600008865.

(6)  Bislang haben 43 der 197 Vertragsstaaten das Übereinkommen von Paris ratifiziert. Am 5. Oktober 2016 wurde der Schwellenwert für sein Inkrafttreten erreicht. Das Übereinkommen ist schließlich am 4. November 2016 in Kraft getreten. Die erste Tagung der als Tagung der Vertragsparteien des Übereinkommens von Paris dienenden Konferenz der Vertragsparteien (Conference of the Parties serving as the meeting of the Parties to the Paris Agreement CMA 1) fand vom 15. bis 18. November 2016 in Marrakesch, Marokko, statt.

(7)  Siehe UNFCCC-Website.

(8)  Weitere (englischsprachige) Informationen zu den grundlegenden Aspekten des Übereinkommens können hier aufgerufen werden.

(9)  Weitere (englischsprachige) Informationen zu den nationalen Klimaschutzbeiträgen können hier aufgerufen werden.

(10)  Es gibt keine vergleichbare internationale UN-Unterorganisation, die sich mit den Emissionen der Militärluftfahrt befasst. Auch im EU-EHS sind Emissionen der Militärluftfahrt ausgenommen. Die Studiengruppe hat ihr Interesse an einer Bewertung der Auswirkungen von Flügen zu militärischen Zwecken auf die CO2-Emissionen bekundet, wobei Flüge in offizieller Mission eindeutig ausgenommen und ausschließlich Übungsflüge berücksichtigt werden sollten. Es liegen keinerlei Daten zu den Emissionen der Militärluftfahrt auf regionaler, nationaler oder globaler Ebene vor.

(11)  CORSIA ist Teil eines Maßnahmenbündels, das sich auf Flugzeug- und Triebwerkstechnologie, Flugbetrieb und nachhaltige alternative Treibstoffe als neue Energiequellen erstreckt.

(12)  Eine detaillierte Liste der Anforderungen ist in Anhang 1 beigefügt.

(13)  Siehe Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 275 vom 25.10.2003, S. 32).

(14)  Siehe Ziffer 2.6.

(15)  Siehe Begründung zu dem Vorschlag für eine Verordnung COM(2017) 54 final — 2017/0017 (COD).

(16)  Siehe Begründung, S. 6.

(17)  Dieser Artikel beruht auf der Tatsache, dass es sich bei EWR-internen Flügen um internationale Flüge handelt und CORSIA laut der ICAO-Entschließung aus dem Jahr 2016 als einzige marktbasierte Maßnahme auf den internationalen Luftverkehr angewendet werden sollte.

(18)  Folgenabschätzung — Begleitunterlage zum Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG.


31.8.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 288/81


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen und die Europäische Investitionsbank — Schnellere Innovation im Bereich der sauberen Energie“

(COM(2016) 763 final)

(2017/C 288/11)

Berichterstatter:

Christophe QUAREZ

Befassung

Europäische Kommission, 17.2.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

Annahme in der Fachgruppe

16.5.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

1.6.2017

Plenartagung Nr.

526

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

173/2/7

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt, dass die Europäische Kommission ihre Absicht untermauert, den Übergang zu einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft mit niedrigen CO2-Emissionen mithilfe einer umfassenden Strategie zu beschleunigen, die auf Anreize für private Investitionen, geeignete Finanzierungsinstrumente sowie Forschungs- und Innovationsförderung setzt.

1.2.

Die Europäische Kommission geht in ihrer Mitteilung (1) auf ein breites Spektrum von Finanzierungsinstrumenten und -arten ein, die auf die Unterstützung von Innovationen im Bereich Niedrigemission abheben. Der EWSA unterstützt das Bestreben der Europäischen Kommission, neue Investitionen über die gesamte Innovations-Wertschöpfungskette anzuschieben.

1.3.

Der EWSA hegt jedoch Bedenken angesichts der Komplexität und Vielfalt dieser Fördermöglichkeiten. Er begrüßt deshalb die Absicht der Kommission, eine einzige Anlaufstelle zur Beratung anzubieten, um Projektträgern und Investoren Orientierung zu geben, fordert indes auch eine Vereinfachung des Fördermittelangebots. Insbesondere befürchtet er, dass diese Vielzahl Finanzhilfen für die Kleinstunternehmen und Gebietskörperschaften schwer zugänglich ist.

1.4.

Der EWSA schlägt vor, dass die Europäische Kommission die Mitgliedstaaten anregen sollte, ihre Ressourcen für große Innovationsprojekte im Bereich Niedrigemission zusammenzulegen, um so die Zusammenarbeit zwischen den wichtigsten europäischen Forschungsakteuren zu verbessern, ihre Koordination voranzubringen und dadurch ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

1.5.

Der EWSA weist darauf hin, dass die europäischen Klimaschutzmaßnahmen durch Investitionen und Innovation den Wandel, keinesfalls aber den Niedergang in diesen Bereichen vorantreiben sollten. Produktionsverlagerungen können unter keinen Umständen an die Stelle von Klimaschutzmaßnahmen treten.

1.6.

Nach Meinung des EWSA ist der beste Vektor für Innovation im Niedrigemissionsbereich ein Regelungsrahmen mit einem hohen Kohlenstoffpreis (der derzeit bei 7 EUR/t liegt), der ein klares Signal an die Investoren aussendet, dass fossile Technologie mittelfristig in Europa keinen Platz mehr hat.

1.7.

Der EWSA ist sich darüber im Klaren, dass die Europäische Union weltweit führend in Forschung und Innovation im Bereich der umweltfreundlichen Energieträger ist, wofür sie als einer der größten öffentlichen Geldgeber jährlich über 10 Mrd. EUR bereitstellt. Forschung und Innovation sind eine entscheidende Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit Europas und seine weltweite Vorreiterrolle im Bereich moderner Energietechnologien und Energieeffizienzlösungen.

1.8.

Der EWSA begrüßt, dass beiden Enden der Innovationskette Bedeutung eingeräumt wird. In diesem Kontext kommt dem Programm Horizont 2020 eine Schlüsselrolle zu, das zum einen mithilfe des Europäischen Forschungsrats eine Bottom-up-Strategie bei der Finanzierung bahnbrechender Grundlagenforschung verfolgt und zum anderen über die geplante Einrichtung eines Europäischen Innovationsrats die Unternehmen und insbesondere die KMU bei der Eroberung neuer Märkte unterstützen soll.

1.9.

Der EWSA würde einen besseren Einblick in das Vorhaben der Europäischen Kommission begrüßen, neue Konzepte für auftragsorientierte Forschung und Innovation zu prüfen. Insbesondere das Verfahren zur Ermittlung und Auswahl der einschlägigen Projekte sollte detaillierter erläutert werden.

1.10.

Der EWSA plädiert für Einbindung der Zivilgesellschaft in die neue Plattform zur Energieforschung, die die Europäische Kommission einzurichten gedenkt, um Energieexperten aus dem Bereich der Sozial- und Geisteswissenschaften sowie aus technischen Fachrichtungen zusammenzubringen.

2.   Wesentlicher Inhalt der Kommissionsmitteilung

2.1.

Die Europäische Kommission bekräftigt ihr Bestreben, den Übergang zu einer wettbewerbsfähigen Niedrigemissionswirtschaft voranzutreiben.

2.2.

Dazu legt die Europäische Kommission ein auf folgende drei übergeordnete Zielsetzungen gestütztes Legislativpaket vor:

Vorrang für Energieeffizienz;

Europas weltweite Führung auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien;

ein faires Angebot für die Verbraucher.

2.3.

In diesem Kontext legt die Europäische Kommission eine umfassende Strategie dar, wie die EU die wichtigsten ihr zur Verfügung stehenden politischen Hebel ansetzen kann, damit mehr private Investitionen in Innovationen im Bereich der umweltfreundlichen Energieträger fließen:

Schaffung starker und konsistenter Anreize für private Investitionen in die Erforschung und Entwicklung umweltfreundlicher Energieträger;

gezielte Einsetzung von Finanzierungsinstrumenten, um das Risiko privater Investitionen in noch unerprobte, jedoch vielversprechende Technologien oder Geschäftsmodelle im Bereich umweltfreundlicher Energieträger abzufedern, die im Hinblick auf den Markt, technologisch oder wissenschaftlich mit Unsicherheiten behaftet sind;

Ausrichtung der finanziellen Förderung seitens der EU auf Forschung und Innovation (insbesondere im Rahmen des Programms Horizont 2020);

Weiterentwicklung des Rechtsrahmens, um die Subventionen der Mitgliedsstaaten im Energiebereich von fossilen auf bevorzugt umweltfreundliche Energieträger umzulenken.

2.4.

Die Europäische Kommission stellt in ihrer Mitteilung vier Technologieschwerpunkte in den Vordergrund:

die Dekarbonisierung des EU-Gebäudebestands bis 2050. Auf Gebäude entfallen in der EU 40 % der Endenergienachfrage, und der Gebäudebestand in der EU muss zu ca. 75 % energetisch saniert werden;

die Stärkung und Wahrung der EU-Führungsrolle im Bereich der erneuerbaren Energieträger und Energietechnologien;

die Entwicklung von Lösungen für eine erschwingliche Energiespeicherung und die Förderung der Wiederaufnahme der Produktion von Batteriezellen in Europa;

die Förderung von Elektromobilität durch die Entwicklung von preiswerteren Batterien mit größerer Reichweite sowie von technischen Lösungen für schnelleres Aufladen.

2.5.

Die Europäische Kommission schlägt ferner vor, die Koordinierung der Innovationanstrengungen im Bereich der sauberen Energien mit Städten, Regionen und Mitgliedstaaten zu erleichtern.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Am 30. November 2016 hat die Europäische Kommission ein sehr kompaktes Maßnahmenpaket unter dem Titel „Saubere Energie für alle Europäer“ vorgelegt, das eine Reihe von Vorschlägen zur Neuorganisation des Energiemarkts, insbesondere für erneuerbare Energieträger, beinhaltet, um den mit der Unterzeichnung des Weltklimaübereinkommens von Paris eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen.

3.2.

Im Rahmen des Übereinkommens von Paris hat die EU zugesagt, ihren Klimagasausstoß bis 2030 um 40 % zu senken. Bereits im Oktober 2014 hatte sie sich mit dem Rahmen für die Klima- und Energiepolitik bis 2030 die zwei weiteren Ziele gesteckt, den Anteil der erneuerbaren Energieträger an der Energieerzeugung bis 2020 auf 20 % und bis 2030 auf mindestens 27 % zu erhöhen und in den gleichen Zeiträumen die Energieeffizienz um 20 % bzw. 27 % zu verbessern.

3.3.

In zahlreichen Stellungnahmen hat der EWSA die Notwendigkeit bekräftigt, unter Berücksichtigung der Standpunkte und Vorschläge der Zivilgesellschaft die Umstellung auf eine wettbewerbsfähige europäische Niedrigemissionswirtschaft voranzubringen.

3.4.

Der EWSA hat sich stets für einen „gerechten Übergang“ stark gemacht und es abgelehnt, Beschäftigungspolitik und Umweltschutz gegeneinander auszuspielen. Beide Ziele müssen zusammen verfolgt werden.

3.5.

Nach Meinung des EWSA müssen die europäischen Klimaschutzmaßnahmen durch Investitionen und Innovation den Wandel, nicht aber den Niedergang in diesen Bereichen vorantreiben. Produktionsverlagerungen können auf keinen Fall an die Stelle von Klimaschutzmaßnahmen treten.

3.6.

Im Bereich Energieinnovation hat die EU bisher den Schwerpunkt vor allem auf die technologische Entwicklung gelegt und das eigentliche Anliegen der Bürger — die Deckung ihres Energiebedarfs für Heizung, Mobilität oder Beleuchtung — außer Acht gelassen.

3.7.

In ihrer Mitteilung rückt die Europäische Kommission nun die Verbraucher, die in dezentralen Energienetzen als Erzeuger agieren oder die wettbewerbsfähige Niedrigemissionslösungen fordern, in den Mittelpunkt des Energiesystems.

3.8.

Der EWSA begrüßt diese Entwicklung, denn eine Innovationsstrategie für die Bürger setzt bei einer Analyse ihrer Bedürfnisse und Verhaltensweisen im Energiebereich an.

3.9.

Die Europäische Kommission geht in ihrer Mitteilung auf die unterschiedlichen Förder- und Finanzierungsinstrumente ein, die auf die Unterstützung von Innovationen im Bereich Niedrigemission abheben. Der EWSA unterstützt das Bestreben der Europäischen Kommission, zusätzliche Investitionen über die gesamte Innovations-Wertschöpfungskette anzuschieben, befürchtet jedoch, dass diese Fördermöglichkeiten zu komplex und unübersichtlich und deshalb für innovative Kleinstunternehmen und die Gebietskörperschaften schwer zugänglich sind.

3.10.

Der EWSA begrüßt deshalb die Absicht der Kommission, eine einzige Anlaufstelle zur Beratung anzubieten, um Projektträgern und Investoren Orientierung zu geben, fordert indes auch eine Vereinfachung des Fördermittelangebots.

3.11.

Bei der Auswahl zwischen dem Innovationsfonds des Emissionshandelssystems, dem Europäischen Fonds 2020 für Energie, Klimaschutz und Infrastruktur, der InnovFin-Fazilität, der Wissens- und Innovationsgemeinschaft „InnoEnergy“, dem Europäischen Fonds für strategische Investitionen oder der Europäischen Investitionsbank (EIB) ist es schwierig, den Überblick zu behalten (2).

3.12.

In seiner Stellungnahme zum Thema „Technologien und Innovationen im Energiebereich“ (3) wies der EWSA darauf hin, dass die besonders bedeutenden Innovationen nicht aus den am Markt jeweils vorherrschenden Industriezweigen, sondern von „Außenseitern“, z. B. aus dem Bereich der KMU, stammen.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1.

Der EWSA begrüßt die Absicht der Europäischen Kommission, die von einigen Mitgliedsstaaten noch aufrechterhaltenen Subventionen für Öl und Kohle abzubauen, weist indes darauf hin, das dem industriellen Wandel vorgegriffen werden muss und den betroffenen Arbeitnehmern, vor allem im Bergbau, alternative Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten vorgeschlagen werden müssen.

4.2.

Die soziale Akzeptanz der Beschäftigungsauswirkungen der Energiewende ist unerlässliche Voraussetzung für die politische Unterstützung der Mitgliedsstaaten.

4.3.

Der beste Vektor für Innovation im Niedrigemissionsbereich ist ein Regelungsrahmen mit einem hohen Kohlenstoffpreis (der derzeit bei 7 EUR/t liegt), der ein klares Signal an die Investoren aussendet, dass fossile Technologie mittelfristig in Europa keinen Platz mehr hat.

4.4.

Die CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) wird kaum erwähnt, obwohl die Europäische Kommission der Auffassung ist, dass die Ziele für 2050 ohne diese Technologie nicht erreicht werden können.

4.5.

Der EWSA ist diesbezüglich befremdet, dass die Europäische Kommission nicht erklärt, warum die seit 2008 eingesetzten Instrumente zur Förderung des Ausbaus der CCS-Technologie nicht gegriffen haben.

4.6.

Der EWSA begrüßt die von der Europäischen Kommission geplante Dekarbonisierung des EU-Gebäudebestands bis 2050. Auf ihn allein entfallen über 40 % der Endenergienachfrage in der EU.

4.7.

Die energetische Sanierung des Gebäudebestands ist eine enorme Herausforderung, jedoch sieht der EWSA dafür in der Mitteilung keine konkreten Instrumente und Fördermittel.

4.8.

Für Neubauten gibt es einschlägige technische Lösungen (Isolierung, Nutzung erneuerbarer Energieträger für Beheizung und Warmwasserbereitung), häufig aufgrund spezifischer einzelstaatlicher Energievorschriften, jedoch ist die Unterstützung für energetische Sanierung von Bestandsgebäuden im Allgemeinen unzureichend, obwohl Wohngebäude mit sehr hohem Energieverbrauch meistens von den am stärksten benachteiligten Familien bewohnt werden.

4.9.

Der EWSA befürwortet die Ziele der Europäischen Kommission im ebenfalls emissionsintensiven Verkehrsbereich, hegt jedoch einige Bedenken:

Es ist in jedem Fall notwendig, die Elektromobilität durch die Produktion von Batteriezellen in Europa und die Integration von Speicherkonzepten in die Stromversorgungssysteme zu fördern, doch bemängelt der EWSA, dass in der Mitteilung kein Hinweis auf Rechts- oder Finanzvorschriften für den Ausbau der Ladestationen im Straßen- und Autobahnnetz der Union erfolgt, die doch für die Einführung von Elektrofahrzeugen unabdingbar sind.

Um das Maßnahmenspektrum im Bereich technologischer Innovation zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors zu vervollständigen, fordert der EWSA die Europäische Kommission auf, sich mit dem Güterkraftverkehr auseinanderzusetzen und durch den Ausbau des Huckepackverkehrs und des Güterverkehrs auf den Wasserstraßen intermodale Lösungen zu fördern. Ebenso sollte die Verkehrsverlagerung vom motorisierten Individualverkehr auf öffentliche Verkehrsträger unterstützt werden.

4.10.

Nach Meinung des EWSA kann Crowd-Finanzierung eine wichtige Rolle bei der Finanzierung von Innovationen spielen. Das dynamische Modell der Crowd-Finanzierung, das zunehmend mit der Risikokapitalfinanzierung konkurriert, ermöglicht es den Bürgern, unmittelbar an Innovationen zur Förderung sauberer Energie teilzuhaben.

4.11.

Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, Crowd-Finanzierung zu fördern und auf die vier von ihr als vorrangig eingestuften Technologiebereiche (erneuerbare Energieträger, Speicherkonzepte, Elektromobilität, Plus-Energie-Gebäude) auszurichten.

Brüssel, den 1. Juni 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  COM(2016) 763 final.

(2)  ABl. C 268 vom 14.8.2015, S. 27.

(3)  ABl. C 67 vom 6.3.2014, S. 132.


31.8.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 288/85


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Eine europäische Strategie für Kooperative Intelligente Verkehrssysteme — ein Meilenstein auf dem Weg zu einer kooperativen, vernetzten und automatisierten Mobilität“

(COM(2016) 766 final)

(2017/C 288/12)

Berichterstatter:

Stefan BACK

Befassung

Europäische Kommission, 27.1.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

 

 

Zuständige Fachgruppe

Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

Annahme in der Fachgruppe

16.5.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

31.5.2017

Plenartagung Nr.

526

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

150/0/0

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die Mitteilung der Kommission zu einer europäischen Strategie für Kooperative Intelligente Verkehrssysteme (COM(2016) 766 final) (im Folgenden „die Strategie“) und ihr ehrgeiziges Ziel, 2019 ein erstes Paket von Diensten (Dienste für den Tag 1) umzusetzen, dem die Ausarbeitung eines zweiten Pakets von Diensten (Dienste für den Tag 1,5) folgen soll.

1.2.

Der EWSA ist sich der zahlreichen Vorteile bewusst, die durch die Umsetzung dieser Strategie entstehen können, u. a. ein effizienterer Personen- und Güterverkehr, auch im transeuropäischen Verkehrsnetz, eine höhere Energieeffizienz, geringere Emissionen und ein niedrigeres Unfallrisiko im Straßenverkehr. Die Strategie ist ein wichtiger Meilenstein bei der Entwicklung kooperativer Verkehrssysteme (cooperative intelligent transport systems — C-ITS) und letztlich der automatisierten Mobilität. Der EWSA befürwortet dieses Vorhaben und verweist auf die umfangreiche Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Sektoren wie Verkehr, Energie und Telekommunikation, die für die Einführung digitaler Verkehrssysteme, darunter Infrastrukturen, Fahrzeuge und innovative Dienstleistungen, erforderlich ist.

1.3.

Der EWSA begrüßt den Mehrwert, den die Dienste für den Tag 1 und den Tag 1,5 für die Mobilität, insbesondere im Personen- und Güterverkehr einschl. Verteilersysteme, bieten, und weist darauf hin, dass in europäischen Ballungsgebieten bereits Pilotprojekte laufen, die über die Strategie hinausgehen und auch den Einsatz automatisierter Fahrzeuge für die Personenbeförderung beinhalten. Diesbezüglich hält der EWSA außerdem fest, dass die Strategie darauf abhebt, Nebeneffekte wie eine Zunahme des Verkehrs und der Emissionen durch Maßnahmen zur Integration kooperativer, vernetzter und automatisierter Fahrzeuge in die nachhaltige Mobilitäts- und Logistikplanung und in die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs zu vermeiden.

1.4.

Darüber hinaus nimmt der EWSA die positiven Auswirkungen auf die IT-Kompetenzen, die Entwicklung neuer Fertigkeiten und die Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Daten-, Automobil- und Verkehrssektor, vor allem langfristig, zur Kenntnis.

1.5.

Der EWSA macht zudem auf die Bedeutung des Schutzes der Privatsphäre und des Datenschutzes aufmerksam, auf die er bereits in seiner Stellungnahme zur ITS-Richtlinie hingewiesen hat (1). C-ITS-Daten sollten nur für C-ITS genutzt und nicht für andere Zwecke gespeichert oder verwendet werden, es sei denn, der Nutzer hat seine Einwilligung gegeben. Nach Ansicht des EWSA muss dies unbedingt in Form rechtsverbindlicher Bestimmungen präzisiert werden, um Vertrauen in das System zu schaffen und den EU-Rechtsvorschriften, u. a. Artikel 8 der Charta der Grundrechte der EU, Genüge zu tun (2).

1.6.

Der EWSA betont die Notwendigkeit gemeinsamer Normen und grenzübergreifender Interoperabilität für die Vollendung des digitalen Binnenmarkts und die Gewährleistung eines effizienten grenzüberschreitenden Verkehrs.

1.7.

Der EWSA unterstreicht, dass bei der Umsetzung der Strategie Raum für lokale und/oder unternehmensspezifische Lösungen bleiben muss, auch wenn diese Lösungen, die hinreichend begründet und verhältnismäßig sein sowie einen Mehrwert bringen müssen, zulasten der allgemeinen Gewährleistung von Interoperabilität und Transparenz gehen. Zudem darf die Umsetzung der Normungs- und Transparenzanforderungen Innovationen nicht erschweren.

1.8.

Der EWSA verweist auf die Bedeutung hoher Sicherheitsstandards zum Schutz vor Hacker- und Cyberangriffen sowie hoher Datenschutzstandards und einer effizienten Compliance-Bewertung. Aus ebendiesen Gründen werden konkrete Sicherheitslösungen häufig geheim gehalten werden müssen.

1.9.

Die Umsetzung der Strategie kann ein äußerst anspruchsvoller Prozess sein, in dem die gewählte Koordinierungsmethode kontinuierliche Kommunikations-, Monitoring- und Follow-up-Anstrengungen seitens der Kommission erfordert. Die Vertrauensbildung zwischen den am Umsetzungsprozess beteiligten Partnern und in der breiten Öffentlichkeit, u. a. bei den Verbrauchern, kann für eine erfolgreiche Umsetzung von entscheidender Bedeutung sein. Der EWSA verweist in diesem Zusammenhang auf die Rechte von Menschen mit Behinderungen auf Integration, die in dem UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen aus dem Jahr 2006 verankert sind. Der EWSA bekräftigt, dass er durch seine Verbindungen zur Zivilgesellschaft ein wertvoller Partner für den Aufbau eines Dialogs zur Umsetzung der Strategie sein könnte.

1.10.

Der EWSA betont, dass die in der Strategie genannten Legislativmaßnahmen nicht zu präskriptiv sein dürfen. Interoperabilitätsstandards und gemeinsame Normen dürfen daher kein Selbstzweck werden, sondern sollten nur dann Anwendung finden, wenn sie einem Zweck dienen, der einen zusätzlichen Nutzen bringt und Innovationen nicht erschwert, bzw. spezifische Probleme vor Ort oder in einem Unternehmen lösen.

1.11.

Die erste der in der Strategie vorgesehenen Phasen der Umsetzung von C-ITS wird vergleichsweise geringe Auswirkungen auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen haben (Dienste für den Tag 1 und den Tag 1,5). Die nächste Phase wird voraussichtlich die Einführung automatisierter Fahrzeuge sein, die weitreichendere Folgen für die Arbeitnehmer haben wird. Aus diesem Grund und zur Schaffung eines Klimas des gegenseitigen Vertrauens hält es der EWSA für wichtig, einen sozialen Dialog zu einem frühen Zeitpunkt einzuleiten, um etwaige Probleme in Bezug auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen aufzugreifen.

1.12.

Der EWSA betont, dass dringend die nächste Phase der Umsetzung von C-ITS in Angriff genommen werden muss, das heißt, die Entwicklung von Systemen, die auch die C2C-Kommunikation und das Verkehrsmanagement umfassen. In Mitgliedstaaten, die über eine Automobilindustrie verfügen, scheinen Pilotprojekte und die Legislativplanung bereits auf gutem Weg. Nach Ansicht des EWSA ist daher Eile geboten, wenn die EU eine wichtige Rolle bei der Förderung gesamteuropäischer Anstrengungen spielen will.

1.13.

Die im Oktober 2016 eingerichtete C-Roads-Plattform soll eine wesentliche Rolle bei der Umsetzung der Strategie spielen. Bislang arbeiten noch nicht alle Mitgliedstaaten auf dieser Plattform mit. Nach Meinung des EWSA sollten alle Mitgliedstaaten dieser Plattform möglichst rasch beitreten.

1.14.

Der EWSA begrüßt die Bereitschaft der Kommission, die Umsetzung der Strategie finanziell zu unterstützen. Diesbezüglich weist er auch darauf hin, dass Spielraum für eine angemessene Planung der Umsetzungsmaßnahmen auf Unternehmensebene geschaffen werden muss, wobei u. a. die finanziellen Zwänge des Güterkraftverkehrs berücksichtigt werden müssen.

1.15.

Der EWSA bedauert, dass es keinen klaren Zeitplan für die Einführung der Dienste für den Tag 1,5 und darüber hinaus gibt. Er bedauert außerdem, dass keine Folgenabschätzung vorgesehen ist. Die Berichterstattung der C-ITS-Plattformen umfasst zwar Faktoren, die eine Bewertung bestimmter Aspekte der Strategie ermöglichen, nach Ansicht des EWSA reichen diese jedoch nicht aus.

2.   Hintergrund

2.1.

Die Mitteilung der Kommission zu einer europäischen Strategie für Kooperative Intelligente Verkehrssysteme (cooperative intelligent transport systems — C-ITS) (COM(2016) 766 final) (im Folgenden „die Strategie“) steht in engem Zusammenhang mit den politischen Schwerpunkten der Kommission, insbesondere mit ihrer Agenda für Arbeitsplätze, Wachstum und Investitionen und den Strategien für den digitalen Binnenmarkt und die Energieunion. Sie wurde als Teil des sogenannten Winterpakets vorgelegt, zu dem hauptsächlich Vorschläge zum Strommarktdesign, zur Energieeffizienz und zu erneuerbaren Energien gehören.

2.2.

In der Strategie werden Energiefragen nicht direkt behandelt. Es geht darin vielmehr in erster Linie um die Entwicklung kooperativer Verkehrssysteme sowie die damit verbundenen praktischen und rechtlichen Aspekte, u. a. vernetzte Fahrzeuge/automatisierte Fahrzeuge und Infrastruktur. Die Strategie steht auch in Zusammenhang mit der Vollendung des digitalen Binnenmarkts und der europäischen Strategie für emissionsarme Mobilität.

2.3.

In der Strategie wird das Potenzial der Entwicklung der C-ITS für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie aufgrund ihres großen Markt- und Beschäftigungspotenzials herausgestellt. Der Mehrwert von Maßnahmen auf EU-Ebene ergibt sich aus größeren Volumen auf einem größeren Markt mit gemeinsamen Normen. Die Entwicklung der C-ITS ist ein erster Schritt hin zu automatisierten Fahrzeugen. C-ITS-Dienste müssen auf gemeinsamen Normen fußen und bis 2019 und darüber hinaus eingeführt werden. Sie beruhen auf dem funkbasierten Austausch von Informationen zwischen Fahrzeugen (Car-to-Car, C2C) und zwischen Fahrzeugen und Verkehrsinfrastruktur (Car-to-Infrastructure, C2I), wobei der Fahrer unverzichtbar bleibt.

2.4.

In der Strategie werden eine Reihe von C-ITS-Diensten festgelegt, die direkt eingeführt werden können (Liste der C-ITS-Dienste für den Tag 1), sowie weitere Dienste, die in einer zweiten Phase zum Einsatz kommen, da die Spezifikation oder Normung für die Einführung bis 2019 möglicherweise noch nicht vollständig abgeschlossen ist (Liste der C-ITS-Dienste für den Tag 1,5). Zur Liste für den Tag 1 gehören Warnungen vor gefährlichen Situationen sowie Anzeigen und Hinweise, die Liste für den Tag 1,5 umfasst Funktionen wie Informationen über Tankstellen und Ladestationen, Parkraummanagement und Information (straßenseitig und abseits der Straße), Park & Ride-Informationen, vernetztes und kooperatives Navigieren aus der Stadt heraus oder in die Stadt hinein, Verkehrsinformation und intelligente Routenführung.

2.5.

In der Strategie wird der branchenübergreifende Charakter der Einführung von C-ITS betont, die alle Verkehrsträger, die Industrie und den Telekommunikationssektor betrifft. Die Verkehrserleichterung aufgrund der Umsetzung der Strategie darf nicht zu einer Zunahme des Verkehrs und der Emissionen führen.

2.6.

Für die Umsetzung der Strategie sind einige konkrete Maßnahmen vorgesehen, die die folgenden acht Bereiche umfassen:

umfassende Einführung zumindest der Dienste für den Tag 1 im Jahr 2019 durch Maßnahmen der Mitgliedstaaten, lokalen Behörden, Fahrzeughersteller, Straßenbetreiber und der ITS-Industrie mit finanzieller Unterstützung (Fazilität „Connecting Europe“, Europäischer Fonds für strategische Investitionen, Europäische Struktur- und Investitionsfonds). Die für den Tag 1,5 und darüber hinaus vorgesehenen C-ITS-Dienste sind noch nicht ausgereift. Ihre Entwicklung wird von der Kommission nach Möglichkeit durch das Programm Horizont 2020 und die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds unterstützt. Die Liste der Dienste wird im Zuge der Fortführung des Prozesses der C-ITS-Plattform aktualisiert;

die Entwicklung einer gemeinsamen Sicherheitsstrategie und Certificate Policy wird durch die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und allen relevanten Interessenträgern fortgesetzt. Dies wird auch die Grundlage dafür bilden, dass die Dienste höhere Automatisierungsebenen erreichen (C2C, C2I). Die Kommission wird die Aufgaben und Zuständigkeiten des europäischen Trust Models für C-ITS daraufhin untersuchen, inwieweit Leitungsaufgaben von der Kommission übernommen werden sollten;

die C-ITS-Diensteanbieter sollten den Endnutzern klare und verständliche Geschäftsbedingungen anbieten. Die Kommission wird 2018 einen ersten Leitfaden zum Schutz der Privatsphäre veröffentlichen. Die Initiativen für die Einführung von C-ITS sollten Informationen bereitstellen und Vertrauen bei den Endnutzern schaffen, den Mehrwert der Nutzung personenbezogener Daten aufzeigen und in Absprache mit den EU-Datenschutzbehörden eine Vorlage für die Datenschutz-Folgenabschätzung ausarbeiten;

Maßnahmen der Kommission und relevanter Interessenträger zur Sicherstellung einer funktionierenden Kommunikation auf einem von der Kommission bereitgestellten Frequenzband;

Nutzung der C-Roads-Plattform für die Koordinierung der C-ITS-Einführung auf operativer Ebene, einschließlich für die Prüfung und Validierung. Weitere Mitgliedstaaten werden aufgefordert, sich der Plattform anzuschließen;

Entwicklung und Veröffentlichung eines Compliance-Bewertungsverfahren für die Dienste für den Tag 1 durch die C-ITS-Initiativen. Die Kommission wird eine Vorlage für dieses Verfahren ausarbeiten;

die Kommission wird bis 2018 gemäß der IVS-Richtlinie delegierte Rechtsakte zur Kontinuität und Sicherheit von C-ITS-Diensten, zur praktischen Durchführung der Datenschutz-Grundverordnung im Bereich von C-ITS, zu einem Ansatz für die hybride Kommunikation und zur Interoperabilität beim Compliance-Bewertungsverfahren erlassen;

die Kommission wird die internationale Zusammenarbeit im C-ITS-Bereich weiterentwickeln.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Der EWSA begrüßt die Strategie; er ist sich der zahlreichen Vorteile bewusst, die durch die erfolgreiche Umsetzung dieser Strategie entstehen können, u. a. ein effizienterer Güter- und Personenverkehr, eine höhere Energieeffizienz, geringere Emissionen, eine bessere Straßenverkehrssicherheit und die Entwicklung der digitalen Wirtschaft.

3.2.

Die Strategie ist mit mehreren wichtigen Strategien verbunden, die derzeit umgesetzt werden, insbesondere der Strategie für den digitalen Binnenmarkt, der Rahmenstrategie für die Energieunion sowie der Europäischen Strategie für emissionsarme Mobilität, die der EWSA allesamt begrüßt hat. Der EWSA unterstützt auch den branchenübergreifenden Ansatz der Strategie und die neue Dimension, die die Verkehrspolitik dadurch erhält.

3.3.

In diesem Kontext verweist der EWSA darauf, dass in der Strategie für die Digitalisierung der europäischen Industrie kooperative, vernetzte und automatisierte Fahrzeuge als ein Schwerpunktbereich für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie genannt werden, und nimmt die Aussage zur Kenntnis, dass der Markt für diese Fahrzeuge schätzungsweise „ein Potenzial von jährlich etwa zwölf Milliarden Euro [hat] und […] bis zu hunderttausenden von Arbeitsplätzen schaffen“ dürfte. Diesbezüglich bekräftigt der EWSA seinen in der Stellungnahme TEN/574 zur Strategie für den digitalen Binnenmarkt zum Ausdruck gebrachten Standpunkt, dass die Auflistung derartiger möglicher Ergebnisse ein unnötiges Risiko ist und schlimmstenfalls das Vertrauen untergraben könnte, insbesondere in einem Fall wie diesem, wo die erfolgreiche Umsetzung der Strategie weitgehend vom Interesse der Mitgliedstaaten, der lokalen Behörden, der Automobilindustrie und sonstiger Interessenträger abhängt.

3.4.

Der EWSA verweist außerdem auf die Bedeutung dieser Strategie für eine effiziente Mobilität, u. a. auch in der Stadt, und für die sogenannte erste und letzte Meile im Güter- und Personenverkehr.

3.5.

Der EWSA hält zudem die Umsetzung der grenzübergreifenden Interoperabilität der Dienste für wichtig, damit ein reibungsloser Verkehrsfluss auf grenzüberschreitenden Verbindungen sichergestellt werden kann. Sowohl die bereits heute verfügbaren Dienste (Dienste für den Tag 1) als auch die beinahe einsatzbereiten Dienste und die Dienste, deren Einführung 2019 beginnen soll, auch wenn sie noch nicht umfassend für eine Nutzung in großem Maßstab bereit sind, (Dienste für den Tag 1,5) werden für die effiziente Einrichtung des TEN-V, insbesondere der TEN-V-Kernnetzkorridore, sehr nützlich sein.

3.6.

Da diese Strategie als Teil des Winterpakets zur Energiepolitik vorgelegt wurde, hätte es der EWSA begrüßt, wenn nicht lediglich die bekannten Zahlen zum Anteil des Straßenverkehrs an den Emissionen wiederholt, sondern auch Anhaltspunkte zu den erwarteten Auswirkungen dieser Strategie in Form einer verbesserten Energieeffizienz und geringerer Emissionen geliefert worden wären.

3.7.

Die Strategie soll größtenteils im Zuge einer Zusammenarbeit zwischen der Kommission, den Mitgliedstaaten, den lokalen Behörden und der Industrie umgesetzt werden. Die Kommission beabsichtigt, die im Oktober 2016 eingerichtete C-Roads-Plattform zu nutzen, an der bislang zwölf Mitgliedstaaten mitwirken, um die Einführung der C-ITS-Dienste sowie die Prüfung und Validierung zur Sicherstellung der Interoperabilität zu koordinieren und Systemprüfungen zu entwickeln. Sie wird diese Entwicklung durch den Einsatz eines Compliance-Bewertungsverfahrens unterstützen. Der EWSA stimmt der Kommission zu, dass eine Koordinierungsfunktion für einen erfolgreichen Umsetzungsprozess unerlässlich ist, bedauert jedoch, dass sich noch nicht alle Mitgliedstaaten der C-Roads-Plattform angeschlossen haben, die offenbar bei Weitem noch nicht in der Lage ist, als effizientes Koordinierungsforum zu agieren (derzeit acht Voll-Mitgliedstaaten und vier assoziierte Mitgliedstaaten). Der EWSA schlägt daher vor, dass die Kommission dringend politischen Druck auf die Mitgliedstaaten ausübt, damit sich alle Mitgliedstaaten an der Plattform beteiligen.

3.8.

Der EWSA begrüßt die Absicht der Kommission, Maßnahmen zur Gewährleistung der Kohärenz in einigen wichtigen Punkten zu ergreifen. Die Kommission wird beispielsweise 2017 Leitfäden zur C-ITS-Sicherheitsstrategie und Certificate Policy in Europa und 2018 Leitfäden zum Datenschutz veröffentlichen. Sie wird auch das derzeit für sicherheitsrelevante Anwendungen der Europäischen Telekommunikationsnorm (3) genutzte Frequenzband für C-ITS-Dienste vorhalten. Der EWSA nimmt allerdings auch zur Kenntnis, dass die Kommission außerdem erwägt, 2018 gegebenenfalls delegierte Rechtsakte gemäß der IVS-Richtlinie 2010/40/EG zur Sicherheit der IVS, zum Datenschutz, zum Ansatz für die Kommunikation und zur Interoperabilität zu erlassen. Zusätzlich dazu werden möglicherweise Rechtsvorschriften zur Kontinuität von IVS-Diensten und Compliance-Bewertung erlassen. Der EWSA bedauert, dass es keinerlei Hinweis darauf gibt, auf welcher Grundlage die Kommission ihre Entscheidung treffen wird, ob sie Rechtsvorschriften erlässt oder sich auf Leitfäden beschränkt, die nicht rechtlich bindend sind. Im Hinblick auf die Pläne der Kommission, delegierte Rechtsakte gemäß der Richtlinie 2010/40/EU über intelligente Verkehrssysteme (IVS) zu erlassen, bekräftigt der EWSA den bereits in seiner einschlägigen Stellungnahme geäußerten Standpunkt, dass die durch Artikel 290 AEUV gesetzten Grenzen für diese Rechtsakte beachtet werden müssen. Er betont zudem, dass die siebenjährige Frist für das Mandat zum Erlass delegierter Rechtsakte gemäß der Richtlinie 2010/40/EU dringend verlängert werden muss, da dieses Mandat im August 2017 ausläuft.

3.9.

Der EWSA befürwortet das Ziel, die Akteure, die von der Einführung der C-ITS-Dienste betroffen sind, das heißt Mitgliedstaaten, lokale Behörden, Fahrzeughersteller und Verkehrsunternehmer, branchenübergreifend und auf mehreren Ebenen einzubeziehen. Durch ihre erfolgreiche Einbeziehung in den Umsetzungsprozess könnte Vertrauen in die neuen Dienste geschaffen und für gute Ausgangsbedingungen gesorgt werden. Der EWSA verweist in diesem Zusammenhang auf die Rechte von Menschen mit Behinderungen auf Integration, die in dem am 13. Dezember 2006 angenommenen UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verankert sind.

3.10.

Der EWSA begrüßt, dass eine klare und verständliche Sprache in allen Beziehungen zu den Endnutzern als wichtig erachtet wird; sie wird als wichtiges Mittel hervorgehoben, um das Vertrauen in die vorgeschlagenen Dienste zu gewinnen. Etwaige Legislativakte sollten im Einklang mit den Grundsätzen der Initiative „Bessere Rechtsetzung“ stehen.

3.11.

Der EWSA weist außerdem darauf hin, dass übermäßig präskriptive Vorgaben für die Umsetzung der Strategie zu vermeiden sind. Es muss einen Spielraum für parallele oder maßgeschneiderte Lösungen für spezifische Zwecke oder für Innovation geben. Allzu detaillierte und starre Vorschriften könnten hier ein Hindernis sein und sich daher als kontraproduktiv erweisen.

3.12.

Der EWSA begrüßt die Schwerpunktsetzung auf die Finanzierung und die Bereitschaft der Kommission, Finanzmittel aus EU-Fonds wie der Fazilität „Connecting Europe“ (CEF), dem Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) und den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESIF) für die Einführung der bereits anwendbaren Dienste sowie Mittel aus dem Programm Horizont 2020 für solche Dienste zur Verfügung zu stellen, die noch im Entwicklungsstadium sind. Er betont, dass der Mehrwert der Projekte bewertet werden muss, um die bestmögliche Nutzung der begrenzten Mittel zu gewährleisten. Diesbezüglich verweist er auch auf den starken Wettbewerb im Güterkraftverkehr, der in der Strategie besonders hervorgehoben wird und für den Vorhersehbarkeit und Spielraum für eine langfristige Planung der benötigten Investitionen für die Einführung bzw. Modernisierung von C-ITS-Komponenten erforderlich sind.

3.13.

In der Einleitung der Mitteilung über die Strategie wird der Entwicklung des automatisierten Fahrens, das heißt von Fahrzeugen, die ohne Eingreifen eines Fahrers bewegt werden können, große Aufmerksamkeit gewidmet. Der EWSA hält jedoch fest, dass die Strategie nicht über die Einführung von C2C und C2I hinausgeht. Bei den Diensten für den Tag 1, die 2019 entwickelt werden sollen, handelt es sich um Warnungen vor gefährlichen Situationen sowie Anzeigen und Hinweise, während es bei den Diensten für den Tag 1,5 um Verkehrsplanung, Informationen über Tankstellen und Ladestationen, Parkplatzinformationen usw. geht. Nach Ansicht des EWSA stellen sich wichtige Fragen wie die Haftung für Systemfehler oder Fehlfunktionen sowie grundlegende soziale Probleme, die auftreten, wenn Arbeitnehmer durch Roboter ersetzt werden, hier somit nicht, da die in der Strategie erfassten Dienste von Menschen betrieben und überwacht werden. Seiner Meinung nach sollte bei der Entwicklung von C-ITS-Systemen, einschließlich voll automatisierter Fahrzeuge, besonderes Augenmerk auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen gerichtet werden.

3.14.

Der EWSA begrüßt die geplante Kohärenz bei der Umsetzung der Strategie durch eine branchenübergreifende Sichtweise der Rolle von C-ITS im Verkehr aufgrund der Synergien zwischen Verkehrsträgern und der besseren Möglichkeiten für die Mobilitäts-/Logistikplanung, die bestimmte C-ITS-Dienste bieten, und durch die Entwicklung verschiedener Kompetenzen.

3.15.

Der EWSA nimmt die Kosten-Nutzen-Analyse zur Kenntnis, die im Januar 2016 im Abschlussbericht der C-ITS-Plattform vorgelegt wurde und die ein mögliches Ergebnis der erfolgreichen Einführung von Diensten für den Tag 1 im Zeitraum zwischen 2018 und 2030 vorwegnimmt; demnach würde der Nutzen die jährlichen Kosten bei Weitem überwiegen und das Kosten-Nutzen-Verhältnis für den gesamten Zeitraum 3:1 betragen. In dem Bericht wird außerdem der Schluss gezogen, dass zwischen fünf und zehn Jahren nach den Erstinvestitionen Gewinne erzielt werden und das erhoffte Ergebnis von einer starken Nutzung der Dienste abhängt. Der EWSA bedauert jedoch, dass die Kommission offenbar keine Kosten-Nutzen-Analyse der Strategie selbst durchgeführt hat.

3.16.

Der EWSA betont erneut, dass aktiv und ständig Druck auf den Umsetzungsprozess ausgeübt werden muss, um zu vermeiden, dass sich ein Fall wie die bislang erfolglose Einführung des europäischen elektronischen Mautsystems wiederholt, das ursprünglich 2004 beschlossen und trotz wiederholter Anstrengungen noch nicht eingeführt wurde.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1.

Der EWSA nimmt den Verweis auf die Vernetzung zwischen vernetzten Fahrzeugen und den europäischen Satellitennavigationssystemen EGNOS und GALILEO zur Kenntnis und unterstreicht, dass die Fähigkeit von Fahrzeugen zur Kommunikation mit Satellitennavigationssystemen technologieneutral sein muss und daher die Verbindung mit allen Satellitennavigationssystemen möglich sein sollte, wobei jedoch den europäischen Systemen nach Möglichkeit der Vorzug eingeräumt werden sollte.

4.2.

Der EWSA betont, dass ein Dialog mit den Sozialpartnern zu einem frühen Zeitpunkt eingeleitet werden muss, um für Transparenz und Vertrauen zu sorgen. Seiner Ansicht nach ist dies bereits in der aktuellen Phase der Einführung der C-ITS, in der es kaum oder gar keine Auswirkungen auf die sozialen Bedingungen und/oder Beschäftigungsbedingungen zu geben scheint, äußerst wichtig, um angesichts der wesentlich bedeutenderen Folgen, die sich aus der Einführung automatisierter Fahrzeuge ergeben werden, ein Klima des Vertrauens zu schaffen. In diesem Zusammenhang verweist der EWSA auf die Bedeutung des Schutzes der Privatsphäre und die Notwendigkeit, sicherzustellen, dass personenbezogene Daten ohne Einwilligung nicht für andere Zwecke als für C-ITS verwendet werden. Hierfür sollte ein eindeutiger und verbindlicher Rechtsrahmen geschaffen werden.

4.3.

Der EWSA begrüßt, dass die Frage der Sicherheit, einschließlich der Gefahr von Hacker- und Cyberangriffen, aufgegriffen wird. Seiner Meinung nach ist dies eine sehr wichtige Frage, und es ist dringend notwendig, dass in allen Mitgliedstaaten und bei einer möglichen Zusammenarbeit mit Drittstaaten die gleichen hohen Sicherheitsstandards gelten. Der EWSA weist darauf hin, dass durch die Pflicht zur Offenlegung sicherheitsbezogener Maßnahmen der Zweck dieser Systeme infrage gestellt werden könnte.

4.4.

Der EWSA betont die Bedeutung von Kontinuität bei der Einführung von Kommunikationssystemen, damit möglichst keine Investitionen getätigt werden, die sich später als nicht sinnvoll erweisen.

Brüssel, den 31. Mai 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Richtlinie 2010/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 207 vom 6.8.2010, S. 1) und ABl. C 277 vom 17.11.2009, S. 85.

(2)  ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31, ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1, und ABl. C 229 vom 31.7.2012, S. 90.

(3)  Entscheidung 2008/671/EG der Kommission (ABl. L 220 vom 15.8.2008, S. 24).


31.8.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 288/91


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Elektrizitätsbinnenmarkt (Neufassung)

(COM(2016) 861 final — 2016/0379 (COD))

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Risikovorsorge im Elektrizitätssektor und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/89/EG

(COM(2016) 862 final — 2016/0377 (COD))

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Gründung einer Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (Neufassung)

(COM(2016) 863 final — 2016/0378 (COD))

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt (Neufassung)

(COM(2016) 864 final — 2016/0380 (COD))

(2017/C 288/13)

Berichterstatter:

Alfred GAJDOSIK

Befassung

Europäisches Parlament, 16.1.2017

Rat der Europäischen Union, 19.1.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 194 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

 

 

Zuständige Fachgruppe

Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

Annahme in der Fachgruppe

16.5.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

31.5.2017

Plenartagung Nr.

526

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

185/2/2

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Europäischen Kommission für ein neues Marktdesign, eine Verordnung über Risikovorsorge und eine Neuorganisation der Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden. Damit wird ein weiterer Schritt weg von auf nationaler Ebene regulierten Märkten hin zu einem marktbasierten Elektrizitätsversorgungsansatz in der EU vollzogen, der auf Versorgungssicherheit zu niedrigstmöglichen Kosten abhebt und somit im Wesentlichen im Interesse aller, d. h. industriellen, gewerblichen und privaten, europäischen Stromverbraucher liegt. Dieses Ziel kann jedoch nur erreicht werden, wenn Schritte zu einer stärkeren Elektrifizierung der Wirtschaft erfolgen, wodurch es am wirksamsten und flexibelsten umgesetzt werden kann.

1.2.

Wie bereits in früheren Stellungnahmen hebt der EWSA hervor, dass reibungslos funktionierende Strommärkte eine Voraussetzung für die Verwirklichung der Ziele der Energieunion sind (1). Der EWSA stimmt der Europäischen Kommission darin zu, dass der Energiemarkt insbesondere aufgrund der zunehmenden Nutzung fluktuierender erneuerbarer Energie erheblich umgestaltet werden muss, um gut funktionieren zu können (2). Es ist nicht mit der Integration der erneuerbaren Energien in den bestehenden Markt getan. Ein neuer Markt wird benötigt. Der EWSA ist der Meinung, dass der dem Marktdesign-Paket zugrundeliegende allgemeine Ansatz diesen Erfordernissen gerecht wird und die Voraussetzungen für eine kosteneffiziente und finanziell tragbare Energiewende schafft.

1.3.

Der EWSA begrüßt den allgemeinen Ansatz des Marktdesign-Pakets und insbesondere die Ziele, die Verbraucher ins Zentrum des Energiemarkts zu rücken, die Stromerzeugung auszubauen und die regionale Zusammenarbeit zu stärken. Die Anpassung der Marktvorschriften und des Rechtsrahmens ist ein wichtiger Schritt hin zur zuverlässigen, möglichst kostengünstigen Versorgung aller europäischen Verbraucher mit umweltverträglicher Energie. Indes gibt es bei einigen Aspekten noch Raum für weitere Verbesserungen. Insbesondere sind spezifischere Vorschriften erforderlich (3).

1.4.

Dekarbonisierung ist eines der strategischen Ziele der Energieunion und deshalb ist die Förderung von Investitionen in die Dekarbonisierung des Elektrizitätsmarkts zu unterstützen. Die beste Voraussetzung dafür sind gleiche und gerechte Marktbedingungen, die sowohl den Verbrauchern als auch dem ökologischen Wandel zugutekommen. Im Interesse einer effizienten und effektiven Dekarbonisierung ist es unerlässlich, die externen Kosten der konventionellen Stromerzeugung vollständig zu internalisieren und dabei auch Klima- und Gesundheitsschadenskosten einzuberechnen. Eine angemessene Besteuerung ist der beste Ansatz, um Investitionen in den Ökostromsektor zu lenken.

1.5.

Der EWSA unterstützt mit großem Nachdruck, dass als ein Recht von allen Verbrauchern — Industrie, Gewerbetreibende, Privathaushalte — definiert wird, Strom selbst zu erzeugen, zu speichern und zu handeln, und dass lokalen Energiegemeinschaften das Recht eingeräumt wird, gemeinschaftliche Netze zu unterhalten, einzurichten oder zu mieten. Allerdings sind spezifischere Vorschriften notwendig, um diese Rechte durchzusetzen und bestehende Hemmnisse (Netzzugang, unfaire und unverhältnismäßige Netzentgelte, rechtliche und bürokratische Hürden usw.) auszuräumen.

1.6.

Darüber hinausgehend muss das Ziel sein, die europäischen Verbrauchers in die Lage zu versetzen, umfassend am gesamten Strommarkt und damit auch am Handel bzw. der Lieferung von Strom teilzunehmen. In den Vorschlägen der Europäischen Kommission fehlen spezifische Bestimmungen, um die hierfür notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Es müssen dezentrale Handelsplätze und Handelsstrukturen geschaffen werden, die den direkten Handel auch von kleinen Mengen Energie ermöglichen. Voraussetzung für eine umfassende Teilhabe der Verbraucher am Markt ist die Dezentralisierung der Stromversorgung und des Stromhandels, was jedoch nicht mit einer Zersplitterung des europäischen Elektrizitätssystems gleichzusetzen ist.

1.7.

Zwar spricht die Europäische Kommission zu Recht das Ziel an, Kurzfristmärkte zu stärken, doch wird dies auf lange Sicht nicht ausreichen, um Investitionen in erneuerbare Energien auf der Grundlage von Marktmechanismen zu fördern. Dazu muss regenerativer Strom in dezentralen Märkten auch in Termingeschäften gehandelt werden können, was nur dann möglich ist, wenn Regelenergieprodukte unter Nutzung von Flexibilitätsoptionen gehandelt werden.

1.8.

Da viele europäische Länder heutzutage eher zu viele als zu wenige Erzeugungskapazitäten haben, sollten Kapazitätsmechanismen für konventionelle Stromerzeugung nur als kurzfristige Lösung eingesetzt werden, wenn Regelenergieprodukte unter Berücksichtigung der notwendigen Investitionssicherheit für alle Marktteilnehmer nicht die erforderliche Versorgungssicherheit bieten können.

1.9.

Der EWSA erinnert daran, dass dem Problem der Energiearmut bei der Umstellung auf eine Niedrigemissionsgesellschaft Rechnung getragen werden muss. Prosum bietet sich als Lösungsmöglichkeit an, solange schutzbedürftige Verbraucher über öffentliche Darlehen oder mit Hilfe von Kommunen, Regionen oder Einrichtungen wie NGO Zugang zum erforderlichen Kapital erhalten.

1.10.

Der EWSA hebt hervor, dass aufgrund der im Allgemeinen eher kleinmaßstäblichen Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern und Kraft-Wärme-Kopplung in Blockheizkraftwerken gut funktionierende, moderne und intelligente Verteilnetze immer wichtiger werden. Die Regulierung auf nationaler Ebene muss die Netzbetreiber in die Lage versetzen und dazu anhalten, die erforderlichen Investitionen zu tätigen. Auch Investitionen in die Verbesserung des Verbunds der nationalen Stromnetze sind notwendig. Beides wird zur Energieversorgungssicherheit und zur Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa beitragen.

1.11.

Der EWSA betont, dass das Ziel einer hohen Stromversorgungssicherheit in einem Marktumfeld, in dem die Verbraucher eine zentrale Rolle spielen, die intensive Nutzung der IKT (Informations- und Kommunikationstechnologien) und neue Planungsmethoden sowie neue Instrumente zum Betrieb des Stromsystems erfordert, wodurch sich die Verbrauchernachfrage und der Netzbedarf in Echtzeit ermitteln lassen, was aber große Investitionen in Forschung, Entwicklung und Innovation voraussetzt (siehe Ziffer 3.13).

1.12.

Der EWSA unterstützt die Absicht der Europäischen Kommission, die Entwicklung der wichtigen Märkte für Flexibilitäten, Elektromobilität, Speicher und weitere Regelenergieoptionen durch eine Vorzugsbehandlung unabhängiger Marktakteure voranzutreiben, bevor die Verwaltung oder der Betrieb der betreffenden Anlagen den Netzbetreibern übertragen wird.

2.   Inhalt der Kommissionsmitteilung

2.1.

In ihrem Vorschlagspaket hebt die Europäische Kommission hervor, dass eine gründliche Reform des Elektrizitätsmarkts Voraussetzung für die Verwirklichung der Ziele der Energieunion ist. Es ist nicht mit der Integration der erneuerbaren Energien in den bestehenden Markt getan. Ein neuer Markt wird benötigt.

2.2.

Die Europäische Kommission richtet ihr neues Marktkonzept an zwei Grundsätzen aus:

Neue Marktvorschriften, die den Hauptmerkmalen der erneuerbaren Energie — Dezentralisierung und Flexibilität — gerecht werden und die zur Verbesserung von Versorgungssicherheit und Kosteneffizienz beitragen, müssen aufgestellt werden;

Verbraucher sollen im Zentrum des neuen Energiemarkts stehen.

2.3.

In ihrem Vorschlag befasst sich die Europäische Kommission auch mit der Verbesserung der Versorgungssicherheit durch einen Risikovorsorgeansatz.

2.4.

Und als Viertes schlägt sie eine Reform der Regulierungsaufsicht und die Überarbeitung der Aufgaben und Zuständigkeiten der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) vor.

In dieser sektorbezogenen Stellungnahme werden die Gesetzestexte vorrangig danach beurteilt, inwieweit sie die in Ziffer 2.2 genannten Prämissen erfüllen. Deshalb werden in dieser Stellungnahme in erster Linie die Vorschläge zum Elektrizitätsbinnenmarkt (COM(2016) 861 final und COM(2016) 864 final), die sich vorrangig auf diese Fragen beziehen, erörtert.

3.   Allgemeine Bemerkungen zum Marktdesign

3.1.

Voraussetzung für die Dekarbonisierung des gesamten Energiesystems einschließlich des Wärme- und Mobilitätssektors ist ein entsprechend hoher Anteil von erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung. Der EWSA befürwortet grundsätzlich den Ansatz der Europäischen Kommission, dass der europäische Strommarkt vor diesem Hintergrund so entwickelt werden muss, dass er zu erneuerbaren Energien passt. Er begrüßt diesen klaren Ansatz als wichtigen Schritt hin zur Vollendung des Elektrizitätsbinnenmarkts und zur Überwindung der bestehenden Hemmnisse wie Engpässe aufgrund fehlender Verbindungsleitungen und regulatorische und steuerliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten.

3.2.

Ernst zu nehmen ist dabei zunächst, dass fluktuierende erneuerbare Energien in ihrem Wesen dezentral sind, das heißt:

Wind-Onshore- und PV-Anlagen sind im Schnitt erheblich kleiner als herkömmliche Kraftwerke;

Onshore-Windenergie und Sonnenenergie stehen praktisch überall zur Verfügung;

Sie sind theoretisch verbrauchsorientiert planbar, sofern es die richtigen Marktanreize gibt. Die Erzeugung erneuerbarer Energie lässt sich zwar nicht steuern, ihre Verfügbarkeit aber lässt sich mit großer Genauigkeit vorhersehen.

Häufig weisen auch andere Technologien diese Merkmale auf, beispielsweise Kraft-Wärme-Kopplung in Blockheizkraftwerken, der auf den künftigen Energiemärkten aufgrund ihrer hohen Effizienz eine wichtige Funktion als Flexibilitäts- und Regelenergieoption zukommen wird.

3.3.

Aus diesen Eigenschaften erwachsen einerseits spezifische Vorteile, die die Europäische Kommission in ihren Vorschlägen für das neue Marktdesign zum Teil erwähnt. Indes könnte der Vorschlag der Europäischen Kommission kohärenter und präziser darauf abheben, die Marktvorschriften stringent auf diese Vorteile auszurichten. Diesbezüglich sei auf die einschlägigen Bemerkungen des EWSA in seiner Stellungnahme zum Thema „Änderung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie“ (TEN/622) (4) verwiesen. Für das Marktdesign spielt eine besondere Rolle, dass erneuerbare Energien und andere dezentrale Energietechnologien zu einer deutlichen Verbesserung der Marktliquidität beitragen.

3.4.

Wie die Europäische Kommission richtigerweise hervorhebt, wird es auf dem neuen Energiemarkt im Vergleich zur herkömmlichen, durch nur wenige Kraftwerke gekennzeichneten Erzeugungsstruktur sehr viel mehr Erzeugungseinheiten geben. Infolgedessen wird sich die Vielfalt der bei der Stromerzeugung tätigen Akteure deutlich erhöhen. Eine besondere Rolle spielt dabei die Aktivierung der Verbraucher. Durch die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energieträgern und Kraft-Wärme-Kopplung werden Verbraucher zu Produzenten, wie die Europäische Kommission in ihrem Vorschlag einräumt.

3.5.

Die Aktivierung der Verbraucher sollte in allen Verbraucherkategorien stattfinden, auch bei gewerblichen und industriellen Energieverbrauchern, die durch Investitionen in dezentrale Energieerzeugungstechnologien für den Eigenverbrauch erhebliche Kosteneinsparungen erzielen können. Die Aktivierung der Verbraucher wird somit nicht nur die Liquidität der Strommärkte verbessern, sondern weitere wirtschaftliche Impulse geben: Kleine und große Unternehmen können sich Wettbewerbsvorteile zunutze machen, vor Ort wird Mehrwert generiert, neue Arbeitsplätze können entstehen. Indes verfügen viele private Haushalte nicht über die für Prosum erforderlichen finanziellen Ressourcen. Verbraucherfreundliche Darlehen und eine aktive Förderung seitens Kommunen und Regionen könnten hilfreich sein.

3.6.

Jedoch wird die Aktivierung der Verbraucher durch drei Aspekte behindert.

3.6.1.

Einmal werden die externen Kosten der Kohle- und Kernkraftwerke praktisch nicht internalisiert. Dabei sind insbesondere die Gesundheits- und Klimaschadenskosten zu berücksichtigen. Durch die unterlassene Internalisierung dieser Kosten sind die erneuerbaren Energien, die keine vergleichbaren externen Kosten verursachen, einem erheblichen Wettbewerbsnachteil ausgesetzt. Da die Aktivierung von Verbrauchern überwiegend durch erneuerbare Energien zustande kommt, ist daraus zu folgern, dass die begrenzte Beteiligung von Verbrauchern politisch gewollt ist oder zumindest billigend in Kauf genommen wird. Im gesamten Winterpaket wird keinerlei Anstrengung unternommen, diese Marktverzerrung zu beseitigen. Die Verzerrung wird dadurch noch krasser, dass die Nicht-Internalisierung der externen Kosten der konventionellen Stromerzeugung es umso nötiger macht, erneuerbare Energien massiv zu subventionieren.

3.6.2.

Dezentrale Technologien wie erneuerbare Energien oder Blockheizkraftwerke werden aus einem weiteren Grund gegenüber konventionellen Kraftwerken systematisch benachteiligt. Die derzeitige Großhandelsmarktstruktur begünstigt großmaßstäbliche Erzeugungseinheiten. Die durchschnittlichen Erneuerbare-Energien- und Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen sind kleiner, weisen deshalb nicht die erforderlichen Größenvorteile auf und haben dadurch einen Wettbewerbsnachteil.

3.6.3.

Zum anderen ist der Zugang zum Energiehandelsmarkt durch rechtliche Beschränkungen, administrative Vorschriften, Lizenzen und bürokratischen Aufwand für viele kleine Akteure versperrt. Private Haushalte, gewerbliche und sogar industrielle Verbraucher sind gleichermaßen betroffen.

3.7.

Diese drei Defizite des heutigen Strommarkts ließen sich sofort beheben, wenn hierfür der politische Wille vorhanden wäre. Der EWSA befürchtet jedoch, dass die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen einschlägigen Vorschriften diesbezüglich keine hinreichende Klarheit schaffen.

3.8.

Um die in Ziffer 3.6.1 beschriebene Marktverzerrung zu Gunsten der konventionellen Stromerzeugung zu beenden, ist mindestens eine korrekte Besteuerung der CO2-Emissionen, die im Zusammenhang mit den o. g. externen Kosten eines der gravierendsten Probleme ausmachen, erforderlich. Der EWSA hat dies vielfach gefordert (5).

3.9.

Um die in Ziffer 3.6.2 und 3.6.3 genannten Nachteile auszugleichen, sollte der Strommarkt und insbesondere der Stromhandel für dezentralere Strukturen geöffnet werden.

3.10.

Dezentralisierung darf nicht mit einer Zersplitterung des europäischen Elektrizitätssystems gleichgesetzt werden. Die Europäische Kommission hat grundsätzlich Recht, dass sichergestellt werden sollte, „dass Strom jederzeit (…) dahin gelangt, wo er am meisten benötigt wird“. Für den Verbund der nationalen Netze sind jedoch umfangreiche Investitionen und ein Refinanzierungsmodell, das die Verbraucher nicht zu stark belastet, erforderlich.

3.11.

Lastmanagement mit Unterstützung von Flexibilitäts- und Regelenergieoptionen wie Batteriespeicher, Power-to-Heat, Power-to-Gas und Vehicle-to-Grid ist der beste Ansatz, um die Netzausbaukosten so niedrig wie möglich zu halten. Wie von der Europäischen Kommission vorgeschlagen, sind deshalb Prosum, direkte Transaktionen zwischen Stromerzeugern und Verbrauchern sowie die Klärung der Zuständigkeit für den Bilanzausgleich wichtige Instrumente zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit.

3.12.

In den Vorschlägen der Europäischen Kommission kommen diese Mechanismen generell zum Tragen. Der EWSA begrüßt diesen Ansatz, der sich insbesondere auf unterentwickelte und gleichzeitig überregulierte Strommärkte in einigen Mitgliedsstaaten positiv auswirken wird.

3.13.

Allerdings wird das Potenzial der Digitalisierung in dem Vorschlag der Europäischen Kommission weitgehend vernachlässigt. Die Digitalisierung ermöglicht nämlich die granulare Erfassung von Verbrauchs- und Erzeugungsdaten auch auf geringstem Niveau (meint: von einzelnen Kilowatt). Die spezifische Erfassung von individuellen Verbrauchsprofilen über intelligente Zähler, perspektivisch auch durch das Internet der Dinge, in Verbindung mit der Akteursvielfalt im Erzeugungsbereich, versetzt buchstäblich jeden Verbraucher in die Lage, seine eigene Bilanz zu steuern. Durch Bildungs- und Schulungsprogramme sollte möglichst vielen Verbrauchern die erforderliche Handlungskompetenz vermittelt werden, wodurch der strukturelle Nachteil (nämlich die geringe Liquidität der Märkte) von dezentralen Handelsformen wie bspw. Peer-to-Peer-Transkationen beseitigt würde.

3.14.

Als erster Schritt sollten die Regeln für die Bilanzierung von Strom (Artikel 4 und 5 des Verordnungsvorschlags COM(2016) 861 final) so angepasst werden, dass Energiemaßeinheiten in zeitlich hochaufgelöster Form erfasst werden. Für den Handel dieser kleinsten Mengen Energie sollten eigene Kurzfristmärkte geschaffen werden. Artikel 6 und 7 des Verordnungsvorschlags COM(2016) 861 final ist entsprechend anzupassen.

3.15.

Die Europäische Kommission lässt bedauerlicherweise diesbezüglich jede Initiative vermissen. Stattdessen sieht sie in Artikel 3 des Verordnungsvorschlags COM(2016) 861 final vor, dass die Marktpartizipation von Verbrauchern oder kleinen Unternehmen über Aggregatoren erfolgen soll. Die Legitimation von Aggregatoren ergibt sich vor allem durch Portfolioeffekte und Transaktionskosten. Diese würden allerdings, wenn eine Dezentralisierung des Stromhandels eingeleitet würde, wegfallen. Dann hätten die Stromverbraucher und kleinen Unternehmen die Möglichkeit, vollständig und unmittelbar am Strommarkt teilzunehmen, wenn sie eine aktive Rolle übernehmen wollen und können. Es ist bezeichnend, dass die Europäische Kommission in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe i den Stromhandel nicht erwähnt, wenn es um „gleichberechtigte“ Marktteilnahme geht.

3.16.

In diesem Kontext erscheinen Direkttransaktionen zwischen Erzeugern und Verbrauchern energiewirtschaftlich besonders vielversprechend, weil sie in einem Preissignal vielschichtige Preiskomponenten abbilden können, die — anders als dies heute in vielen Mitgliedstaaten der Fall ist — zu einem Großteil marktlich gebildet werden. So ist es beispielsweise möglich, in das Preissignal von Direkttransaktionen eine Vielzahl von Informationen abzubilden, etwa:

einen pauschalen Beitrag zur Finanzierung der Netzinfrastruktur;

einen sich dynamisch ändernden, transaktionsspezifischen Beitrag, der die Inanspruchnahme von Systemdienstleistungen wiedergibt, die für die spezifische Transaktion im Stromnetz notwendig ist;

eine Kapazitätsprämie für die Finanzierung der Anlagen zur Erzeugung, Speicherung, und Wandlung von Strom, deren Höhe zwischen den Transaktionsteilnehmern ausgehandelt wird.

3.17.

Nicht nur in einigen Mitgliedstaaten (etwa Niederlande, Estland) werden Geschäftsmodelle für den dezentralen Stromhandel entwickelt. Vielmehr gibt es sehr ambitionierte Modelle, die bereits auf etlichen außereuropäischen Märkten wie USA und Australien zum Einsatz kommen. Es ist offensichtlich, dass es sich hierbei um einen globalen Trend handelt. Europa kann seine Exportchancen auf den weltweiten Energiemärkten nur dann behaupten, wenn europäische Unternehmen überzeugende Konzepte für den dezentralen, digitalisierten Stromhandel entwickeln. Dann sollte die europäische Union ihren Unternehmen aber auch die Möglichkeit schaffen, diese Konzepte auf ihren Heimatmärkten zuerst zu realisieren.

4.   Besondere Bemerkungen zu den Details des Richtlinienvorschlags COM(2016) 864 final sowie der Verordnungsvorschläge COM(2016) 861 final, COM(2016) 862 final und COM(2016) 863 final

4.1.

Der EWSA begrüßt das klare Bekenntnis der Europäischen Kommission zur Dekarbonisierung des Strommarkts. Aufgrund der in Ziffer 3.6 vorgebrachten Überlegungen macht aber die Einschränkung des vorrangigen Dispatch, die in Artikel 11 des Verordnungsvorschlags COM(2016) 861 final vorgesehen wird, die Erreichung des Ziels zumindest so lang schwieriger, wie es keine umfassende Internalisierung der durch die konventionelle Stromerzeugung verursachten externen Kosten gibt. Grundsätzlich ist es korrekt, die Einsatzplanung auf Technologieneutralität zu stützen, doch setzt dies gleiche Ausgangsbedingungen voraus. Infolge der Nicht-Internalisierung der durch die konventionelle Stromerzeugung verursachten externen Kosten sind gleiche Ausgangsbedingungen nicht gegeben. Bevor das vorrangige Dispatch tatsächlich so stark eingeschränkt wird wie in dem Kommissionsvorschlag vorgesehen, müssen die externen Kosten umfassend internalisiert werden.

4.2.

Daher ist vorzusehen, dass das vorrangige Dispatch in allen Mitgliedsstaaten, in denen der Anteil von erneuerbaren Energien unter 15 % liegt, vorübergehend bestehen bleibt. Die Mitgliedsstaaten, in denen der Anteil höher liegt, sollten bei der Europäischen Kommission entsprechende Einsatzplanung zur Prüfung einreichen. Diese Einsatzplanung sollte nicht den freien Marktmechanismus für emissionsarme und kosteneffiziente Flexibilitätsoptionen verzerren. Die Europäische Kommission soll das Regelwerk darauf prüfen, ob es geeignet ist, die Dekarbonisierung zu unterstützen.

4.3.

In jedem Fall sind die in Artikel 11 Absatz 3 des Verordnungsvorschlags COM(2016) 861 final genannten De-minimis-Werte durch die festgelegten Zahlen (Randnummern 125 und 127 der Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014-2020 (6)) zu ersetzen, damit kleine Marktteilnehmer weiterhin eine Chance auf fairen Wettbewerb haben.

4.4.

Als weitere Belastung für das Ziel Dekarbonisierung tritt die Regelung für Redispatch und Einschränkung nach Artikel 12 des Verordnungsvorschlags COM(2016) 861 final hinzu. Da insbesondere Kohlekraftwerke relativ hohe Anfahr- und Abschaltkosten haben, werden die Betreiber diese Kraftwerke die Kosten bei ihren Angeboten für Redispatch einpreisen. Bei Windenergie- und Solaranlagen fallen diese Kosten nicht an. Die Folge: Windenergie- und Solaranlagen werden häufiger vom Netz genommen, und dies wirft Europa bei der Dekarbonisierung zurück. Daher ist das marktbasierte Redispatch auf nicht-erneuerbare Energien zu begrenzen.

4.5.

Der EWSA unterstützt die Position der Europäischen Kommission, dass Marktverzerrungen im Sinne der Verbraucher zu vermeiden sind. Er hält die Europäische Kommission an, mehr zu tun, um bestehende und künftige Marktverzerrungen zu vermeiden. Kapazitätsmechanismen für konventionelle Kraftwerke, wie in Verordnungsvorschlag COM(2016) 861 final vorgesehen, könnten zu weiteren gravierenden Marktverzerrungen führen, was die Europäische Kommission selbst einräumt. Kapazitätsmechanismen dürfen daher nur als letzte Option zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit und als kurzfristige Lösung genutzt werden. Hier wäre eine sehr viel spezifischere Regelung, wann Kapazitätsmechanismen zulässig sind, dringend zu wünschen.

4.6.

Zu bedenken ist, dass erneuerbarer Strom aus fluktuierenden Quellen (Wind und Solarstrahlung) als solcher nicht ohne weiteres an Kapazitätsmechanismen teilnehmen und auch nicht an Terminmärkten gehandelt werden kann. Zwar ist es daher richtig, den Interday- und Intraday-Handel zu stärken. Aber dies wird aufgrund der besonderen Kostenstruktur von Sonnen- und Windstrom (Stichwort: Grenzkosten von Null) nicht zu einer Refinanzierung von Investitionen und erneuerbaren Energien führen. Strom aus erneuerbaren Energieträgern muss am Terminmarkt gehandelt werden können. Dies kann absehbar nur gelingen, wenn erneuerbare Energien mit Regelenergie- und Flexibilitätsoptionen verbunden werden. Dazu gehören neben Batteriespeichern vor allem technische Optionen wie Power-to-Heat und Power-to-Gas (7).

4.7.

Tatsächlich bestehen aber erhebliche regulative Hürden auf mitgliedsstaatlicher Ebene, so dass Regelenergieprodukte derzeit kein Geschäftsmodell finden. Die Gesetzestexte zum Marktdesign bieten hierfür keine Lösung an. Mindestens wäre in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe f des Verordnungsvorschlags COM(2016) 861 final hinzufügen, dass die Marktregeln und der von der Mitgliedstaaten aufzustellende Rahmen für die Einsatzplanung einen Anreiz für die Nutzung von Flexibilitätsoptionen bieten müssten. Dies kann auch zur Beseitigung bzw. Vermeidung von Engpässen beitragen.

4.8.

Der EWSA fordert vor diesem Hintergrund eine klare Priorisierung. Mechanismen für die Kapazitätsbereitstellung von konventionellen Kraftwerken sollen erst dann zur Anwendung kommen dürfen, wenn die Mitgliedstaaten nachweisen können, dass die Kapazitätsengpässe nicht durch die Bereitstellung erneuerbarer Energie als Regelleistung über Flexibilitätsoptionen lösbar sind. Eine entsprechende Pflicht ist in Artikel 8 des Richtlinienvorschlags COM(2016) 864 final aufzunehmen, und Artikel 14 des Verordnungsvorschlags COM(2016) 861 final ist entsprechend zu ändern.

4.9.

Solche Regelleistungskonzepte haben zwei weitere Vorteile. Weil sie erneuerbaren Strom terminmarktfähig machen, stellen sie aus heutiger Sicht die einzige Option dar, die verspricht, dass Investitionen in Erneuerbare-Energien-Anlagen am Markt eine Refinanzierung erreichen können. Zweitens sind sie lokal ausgerichtet, machen sich also die quasi ubiquitäre Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien zunutze (vgl. Ziffer 3.2) und stärken auf diese Weise den lokalen Mehrwert erneuerbarer Energie.

4.10.

Wenn es geeignete marktbasierte Anreize gibt, kann dezentrale Stromerzeugung das Netz entlasten. Dies ist jedoch nicht der Fall. Mindestens die Berechnung der Netzzugangsentgelte (Artikel 16 von COM(2016) 861 final) sollte so geändert werden, dass im Einklang mit der Verursachergerechtigkeit ein Anreiz für eine verbrauchsnahe Erzeugung gegeben wird. Generell ermöglichen intelligente Zähler, die spezifischen Netzkosten einzelner Erzeugungs- und Verbrauchstransaktionen zu erfassen, und der Grundsatz der Verursachergerechtigkeit legt nahe, diese der Berechnung von Netzzugangsentgelten zu Grunde zu legen.

4.11.

Im Übrigen wird die verbrauchsgerechte Erzeugung von Elektrizität auch durch akkurat bestimmte Preiszonen ermöglicht. Daher unterstützt der EWSA die entsprechenden und in Erwägungsgrund 14 und Artikel 13 des Richtlinienvorschlags COM(2016) 864 final formulierten Positionen. Solange aber die in Ziffer 4.10. beschriebene Forderung nicht umgesetzt ist, könnte der durch genauere Preiszonen erreichte Effizienzgewinn durch eine nicht verursachergerechte Festlegung der Netzentgelte überlagert werden und verloren gehen. Ein europäischer Energiesteuer-Referenzwert zur Verstärkung von Preissignalen wäre außerdem hilfreich.

4.12.

Genauere Preiszonen sollten nicht als Abkehr von der Notwendigkeit eines europäischen Verbundnetzes missverstanden werden, das die beste Möglichkeit bietet, auf kosteneffiziente Weise eine hohe Versorgungssicherheit zu erreichen.

4.13.

Wie in Ziffer 3.14 hervorgehoben, ist die Öffnung des Stromhandels für Verbraucher bzw. Prosumenten Voraussetzung für ihre umfassende Teilhabe am Energiemarkt. Artikel 3 des Richtlinienvorschlags COM(2016) 864 final ist daher zu präzisieren. Die Partizipation der Verbraucher, die in Absatz 1 auf Erzeugung, Speicherung, Elektromobilität beschränkt ist, muss auch den Stromhandel umfassen. In Artikel 3 Absatz 2 sind die Markteintrittsbarrieren genauer zu erfassen. Gemäß Ziffer 3.6.3 dieser Stellungnahme gehören dazu vor allem auch Größenvorteile und administrative Hürden.

4.14.

Diese können zum Beispiel dadurch reduziert werden, dass die Mitgliedstaaten spezielle Handelsstrukturen für kleine Erzeuger, Verbraucher und Prosumenten einführen. Die Umsetzung dieser Vorgabe zu prüfen, ist eine Aufgabe, die die Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden übernehmen sollte. Außerdem könnten für kleine Verbraucher-Erzeuger-Gemeinschaften in Artikel 4 des Verordnungsvorschlags COM(2016) 861 final vereinfachte Bilanzregeln eingeführt werden. Schließlich ist in Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe a des Richtlinienvorschlags COM(2016) 864 final das Wort „verkaufen“ durch das Wort „handeln“ zu ersetzen.

4.15.

Bezüglich Energiearmut (Erwägungsgrund 14 und Artikel 5 des Richtlinienvorschlags COM(2016) 864 final und Artikel 28 und 29 des Verordnungsvorschlags COM(2016) 861 final): Der EWSA hat bereits vielfach deutlich gemacht, dass Energiearmut ein Problem ist, das gelöst und im Zuge der Umstellung auf eine Niedrigemissionsgesellschaft berücksichtigt werden muss. Diesbezüglich bekräftigt der EWSA den Standpunkt, den er in seiner einschlägigen Stellungnahme (8) zum Ausdruck gebracht hat, und unterstützt ebenfalls die Position der Europäischen Kommission und die konkreten Vorschläge. Der EWSA weist aber auf die bereits in früheren Stellungnahmen (9) vorgebrachte Position hin, dass erneuerbare Energien und insbesondere Prosum unter bestimmten Umständen ein nachhaltiges Mittel darstellen, Energiearmut dauerhaft zu vermeiden, wenn schutzbedürftige Verbraucher mit Hilfe von Behörden (Kommunen, Regionen) oder privaten Akteuren wie NGO öffentliche Darlehen bzw. besseren Zugang zu Kapital erhalten. Auch vor diesem Hintergrund ist die Wichtigkeit der in Artikel 15 und 16 des Richtlinienvorschlags COM(2016) 864 final vorgeschlagenen Regelungen zu aktiven Verbrauchern und lokalen Energiegemeinschaften zu verstehen. Prosum als mögliches Mittel zur Vermeidung von Energiearmut sollte in Artikel 5 Absatz 2 des Richtlinienvorschlags COM(2016) 864 final speziell erwähnt werden.

4.16.

Hinsichtlich Verbraucherrechten: Der EWSA begrüßt, dass der Befähigung und dem Schutz des Verbrauchers ein eigenes Kapitel im Richtlinienvorschlag COM(2016) 864 final gewidmet werden. Als weiteres, explizites Recht sollte in Artikel 10 eingefügt werden, dass Verbraucher die Möglichkeit haben müssen, spezifische Präferenzen für die Stromlieferung zu äußern und zu befriedigen. In Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe b ist zu ergänzen, dass die Netzzugangsentgelte spezifisch sein müssen, so dass der Verbraucher tatsächlich nur mit den spezifischen Netzkosten, die durch seine jeweilige Aktivität, also durch die Erzeugung, die Speicherung, den Verbrauch oder den Handel von Elektrizität entstehen, belastet werden darf. Bei der Festlegung der Netzzugangsentgelte sollten Anreize für netzentlastende Maßnahmen wie Lastverschiebung, Eigenverbrauch und Speicherung gegeben werden. Die Mitgliedstaaten haben den Nachweis zu erbringen, mit welcher Methode diese verursachergerechte Bemessung der Netzkosten erfolgt. Die Verbraucher sind in diesem Zusammenhang auf Planbarkeit angewiesen, um die entsprechenden Investitionen tätigen zu können.

4.17.

Der EWSA begrüßt, dass in Artikel 16 des Richtlinienvorschlags COM(2016) 864 final lokale Energiegemeinschaften definiert werden und entsprechende Rechte erhalten. Er hat dies in seiner Stellungnahme zum Thema „Bürgerenergie und Energiegenossenschaften“ (10) selbst gefordert. Allerdings sind die in Absatz 1 Buchstabe d genannten Entgelte verursachergerecht, also nach demselben Prinzip wie in Ziffer 4.16 dieser Stellungnahme für Artikel 15 des Richtlinienvorschlags COM(2016) 864 final beschrieben, zu ermitteln.

4.18.

Der EWSA befürwortet, dass lokale Energiegemeinschaften das Recht haben, ihre eigenen Netze zu betreiben, macht jedoch geltend, dass sie auch als Grundversorger agieren dürfen. Deshalb gelten für sie auch alle damit verbundenen Pflichten.

4.19.

Sowohl in Bezug auf Artikel 15 als auch auf Artikel 16 des Richtlinienvorschlags COM(2016) 864 final ist eine Warnung auszusprechen: Sowohl die Aktivierung der Verbraucher als auch das Entstehen von lokalen Energiegemeinschaften gründen auf der Nutzung erneuerbarer Energien. Soweit die in Ziffer 3.6 beschriebenen Probleme und die Defizite in dem Erneuerbare-Energien-Vorschlag (11) nicht korrigiert werden, werden die Aktivierung von Verbrauchern und lokale Energiegemeinschaften erheblich geschwächt und existenziell gefährdet.

4.20.

Zu Daten aus intelligenter Verbrauchsmessung: Wie in Ziffer 3.13 dieser Stellungnahme beschrieben, stellt die Digitalisierung eine große Chance dar. Auf der anderen Seite bringt sie in Bezug auf Datenschutz und -sicherheit Risiken mit sich. Der EWSA begrüßt, dass die Europäische Kommission diese in den Artikeln 19-23 des Richtlinienvorschlags COM(2016) 864 final behandelt.

4.21.

Der EWSA nimmt zufrieden zur Kenntnis, dass die Europäische Kommission dem wirksamen Schutz der über intelligente Verbrauchsmessung erhobenen Daten gebührende Bedeutung beimisst und dass der EU-Datenschutzstandard auch für stromverbrauchsrelevante Daten gelten soll. Die Aspekte Datenmanagement, Datenhoheit und Open Data werden jedoch ignoriert. In Artikel 23 ist daher sicherzustellen, dass die Daten ohne Beeinträchtigung des Datenschutzes und der Privatsphäre in anonymisierter und hinreichend aggregierter Form allen Interessierten zugänglich gemacht werden müssen. Im Hinblick auf eine umfassende Erschließung des Digitalisierungspotenzials müssen über Bildungs- und Schulungsmaßnahmen der digitale Analphabetismus und die Ausgrenzung von Verbrauchern bekämpft werden.

4.22.

Bezüglich der Aufgabe von Netzbetreibern: Dezentralisierung bedeutet im Allgemeinen, dass Verteilernetze sowie der Verbund nationaler Netze an strategischer Bedeutung gewinnen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Mitgliedstaaten für geeignete Rahmenbedingungen sorgen, um den Netzbetreibern wirksame und effiziente Anreize für Investitionen in die Verbesserung der europäischen Stromnetze zu geben. Dies trägt auch zur Förderung von Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum bei. Vor diesem Hintergrund befürwortet der EWSA den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Stärkung der Befugnisse der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER), die die diesbezüglichen nationalen Maßnahmen beaufsichtigen sollte.

4.23.

In Artikel 32, 33 und 36 des Richtlinienvorschlags COM(2016) 864 final werden Verteilnetzbetreibern bedingte Rechte zum Betrieb von Flexibilitätsoptionen und Ladestationen für Elektroautos eingeräumt. So sehr der EWSA schnelle Fortschritte bei der Flexibilitätsbereitstellung, bei Elektromobilität und der Marktdurchdringung von Speichern begrüßt, ist es doch wichtig, dass die in dem Richtlinienvorschlag der Kommission vorgesehene Vorzugsbehandlung unabhängiger Marktakteure in die Praxis umgesetzt und von den Verteilnetzbetreibern und nationalen Regulierungsbehörden akzeptiert wird. Entsprechendes gilt in Bezug auf Artikel 54 des Richtlinienvorschlags COM(2016) 864 final für den Betrieb von Speichern durch die Übertragungsnetzbetreiber.

4.24.

Die in Artikel 50 des Verordnungsvorschlags COM(2016) 861 final vorgesehene Einrichtung einer europäischen Organisation der Verteilnetzbetreiber (EU-VNB) sollte nicht zu einer autonomen Festlegung von Netzkodizes führen, da dies die potenzielle Marktmacht der Verteilnetzbetreiber weiter stärkt. Die Zuständigkeit für die Entwicklung eines geeigneten Rahmens sollte der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden übertragen werden, und die nationalen Regulierungsbehörden sollten diesbezüglich gestärkt werden.

Brüssel, den 31. Mai 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  ABl. C 383 vom 17.11.2015, S. 84, ABl. C 264 vom 20.7.2016, S. 117.

(2)  Siehe auch die Stellungnahme TEN/626 „Lage der Energieunion 2016“ (siehe S. 100 dieses Amtsblatts).

(3)  Siehe auch die Stellungnahme TEN/624 „Paket ‚Saubere Energie für alle‘“ (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(4)  Noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht.

(5)  ABl. C 82 vom 3.3.2016, S. 13.

(6)  ABl. C 200 vom 28.6.2014, S. 1.

(7)  ABl. C 82 vom 3.3.2016, S. 13.

(8)  ABl. C 341 vom 21.11.2013, S. 21.

(9)  ABl. C 198 vom 10.7.2013, S. 1; ABl. C 34 vom 2.2.2017, S. 44; ABl. C 82 vom 3.3.2016, S. 13.

(10)  ABl. C 34 vom 2.2.2017, S. 44.

(11)  Siehe auch die Stellungnahme TEN/622 „Änderung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie“ (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).


31.8.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 288/100


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen und die Europäische Investitionsbank — Zweiter Bericht über die Lage der Energieunion“

(COM(2017) 53 final)

Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Fortschrittsbericht „Erneuerbare Energiequellen“

(COM(2017) 57 final)

(2017/C 288/14)

Berichterstatterin:

Tellervo KYLÄ-HARAKKA-RUONALA

Befassung

Europäische Kommission, 17.2.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

 

 

Zuständige Fachgruppe

Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

Annahme in der Fachgruppe

16.5.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

31.5.2017

Plenartagung Nr.

526

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

190/0/1

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den Zweiten Bericht über die Lage der Energieunion im Zusammenhang mit der Überwachung der Durchführung und Entwicklung der Rahmenstrategie für die Energieunion. Der EWSA plädiert erneut für einen engen Energiedialog mit der Zivilgesellschaft auf EU-, nationaler, regionaler und nationaler Ebene, um konkrete Maßnahmen für eine starke Energieunion zu erleichtern und zu fördern.

1.2

Der EWSA hat stets die Meinung vertreten, dass die Energieunion außerordentlich wichtig für den Erfolg der Europäischen Union ist. Deshalb sollte der Fortschritt nicht nur an den Elementen der Energieunion selbst, sondern auch an ihren Vorteilen für die Bürger und Unternehmen einschl. KMU gemessen werden.

1.3

Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, den Fortschritt aus verschiedenen Blickwinkeln — des wirtschaftlichen Nutzens, der Beschäftigungsentwicklung, des Fortschritts im Alltag der Bürger, des Energiesystems, der politischen und gesellschaftlichen Impulsgeber und der Nutzung strategischer Instrumente — zu überwachen.

1.4

Der EWSA fordert eine umstandslose Annahme der bislang aufgelegten Initiativen und vor allem ihre fristgerechte Umsetzung auf EU-Ebene und in den Mitgliedstaaten. Die nationalen Pläne sind von maßgeblicher Bedeutung, und die Mitgliedstaaten müssen die unvermeidlichen Auswirkungen ihrer Maßnahmen auf andere Länder berücksichtigen.

1.5

Trotz der Fortschritte gibt es immer noch Defizite im Bereich der Energieinfrastruktur und auf den Energiemärkten. Ausreichende und zuverlässige Energieinfrastruktur und -erzeugungskapazitäten sowie gut funktionierende Energiemärkte und Energieeffizienz sind entscheidend für Energiesicherheit. In diesem Sinn müssen Initiativen der regionalen Zusammenarbeit weitergeführt, einheimische Energiequellen entwickelt und die geografische Diversifizierung der Energieeinfuhren fortgesetzt werden.

1.6

Der EWSA erachtet es als wichtig, weiterhin für eine positive Entwicklung im Bereich der erneuerbaren Energieträger zu sorgen. Markante Veränderungen im Stromsystem aufgrund der zunehmenden Nutzung fluktuierender und dezentral erzeugter erneuerbarer Energie müssen gezielt berücksichtigt und beherrscht werden.

1.7

Der EWSA begrüßt die zweite Phase des Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) als Möglichkeit zur Förderung öffentlich-privater Investitionen. Vom Markt gehen derzeit nur schwache Anreize für private Investitionen aus, großenteils aufgrund inkohärenter Politiken. Um private Investoren anzuziehen, ist ein berechenbares Investitionsumfeld unverzichtbar, wofür langfristige und verlässliche politische Entscheidungen und Rechtsvorschriften entscheidend sind.

1.8

Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, eine umfassende Bewertung der gegenwärtigen politischen Instrumente zur Förderung von Niedrigemission durchzuführen, um sicherzustellen, dass geeignete Instrumente genutzt werden, um die Ziele so effizient wie möglich zu erreichen. Es sollte gezielter auf Probleme eingegangen werden wie Steuern und Abgaben, durch die die Verbraucherpreise steigen, oder Subventionen, die den Wettbewerb auf den Energiemärkten verzerren und Investitionssignale verfälschen.

1.9

Die Energieunion bringt über die Schaffung von Arbeitsplätzen und die direkte und indirekte Energienutzung im Bürgeralltag soziale Vorteile. Die gewaltige Aufgabe der Umstellung auf ein emissionsarmes Energiesystem muss so bewältigt werden, dass ein gerechter Wandel sichergestellt wird.

1.10

Im Rahmen ihres globalen Führungsanspruchs bei der Umstellung auf saubere Energie sollte die EU eine Vergrößerung ihres globalen ökologischen Handabdrucks anstreben und sich nicht nur auf ihre eigenen Emissionen konzentrieren. Dazu ist es erforderlich, die Rolle der Innovations-, Handels- und Investitionspolitik sowie die Notwendigkeit eines globalen Kohlenstoffpreises hervorzuheben.

2.   Hintergrund

2.1

Gegenstand der Stellungnahme sind der Zweite Bericht der Europäischen Kommission über die Lage der Energieunion mit den dazugehörigen Anhängen sowie der Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission „Erneuerbare Energiequellen“. In diesen Dokumenten werden die in den verschiedenen Bereichen der Energieunion erzielten Fortschritte dargelegt und die Fragestellungen und Gebiete herausgestellt, die weitere Maßnahmen erfordern.

2.2

In dem Hauptbericht wird die Lage der Energieunion unter folgenden Gesichtspunkten beurteilt: die Umstellung auf eine emissionsarme, energie- bzw. ressourceneffiziente Wirtschaft, Verbraucher als Akteure, zukunftsfähige Infrastrukturen, Investitionsbedarf und Stärkung der Außendimension der Energieunion. Bei der Beurteilung werden auch die fünf Säulen der Energieunion miteinbezogen: Sicherheit der Energieversorgung, Energiebinnenmarkt, Energieeffizienz, Dekarbonisierung sowie Forschung, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit.

2.3

Ferner wird in dem Bericht eine neue Besuchsreise der Europäischen Kommission in die Mitgliedstaaten in Sachen Energieunion angekündigt, die im Zusammenhang mit der Ausarbeitung der nationalen Energie- und Klimapläne steht und auch die Kontaktaufnahme zu Akteuren vor Ort zum Ziel hat.

2.4

In dem separaten Fortschrittsbericht „Erneuerbare Energiequellen“ wird die Lage in den Mitgliedstaaten und in verschiedenen Sektoren — Strom-, Wärme-, Kälte- und Verkehrssektor — beschrieben. Auch werden die administrativen Hürden, die die Durchführung von Erneuerbare-Energien-Vorhaben erschweren, zur Sprache gebracht und die Nachhaltigkeit von Biokraftstoffen und Bioenergie erörtert.

2.5

Hinsichtlich der künftigen Entwicklungen wird in den Berichten auf die Maßnahmen verwiesen, die die Europäische Kommission im Rahmen des Pakets „Saubere Energie für alle Europäer“ vom November 2016 vorgeschlagen hat. Im Hauptbericht wird zudem ein aktualisierter Fahrplan für die Energieunion vorgelegt, der auf dem ursprünglichen, 2015 im Zuge der Rahmenstrategie für eine krisenfeste Energieunion vorgelegten Fahrplan beruht.

3.   Bemerkungen zu dem übergeordneten Energieunion-Gedanken

3.1

Der EWSA hat stets die Meinung vertreten, dass die Energieunion außerordentlich wichtig für den Erfolg der Europäischen Union ist. Die Energieunion sollte daher den Anliegen der europäischen Bürger und Unternehmen gerecht werden.

3.2

Der Energieunion liegt u. a. die Überlegung zugrunde, dass durch die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten der Nutzen maximiert wird. Politikkohärenz und Einigkeit sind unerlässliche Voraussetzungen für sinnvollen Fortschritt. Dies gilt sowohl für die Entwicklung des Energiebinnenmarkts als auch für die Energieaußenbeziehungen.

3.3

Dies ist umso wichtiger, als die EU gegenwärtig zahlreichen Unwägbarkeiten, Risiken und Bedrohungen auf globaler Ebene gegenübersteht. Gleichzeitig machen sich innerhalb der EU Nationalismus und Protektionismus breit und könnten die Vollendung des Energiebinnenmarkts gefährden. Die Energieunion könnte im optimalen Fall maßgeblich zur Untermauerung der Einheit und folglich zur globalen Stärke der EU beitragen.

3.4

Aufgrund der internen und externen Entwicklungen im Energiebereich an sich hat die Energieunion zusehends an Bedeutung gewonnen. Intern machen sich die gegenseitige Abhängigkeit der Mitgliedstaaten und die Auswirkungen von energiepolitischen Entscheidungen eines Mitgliedstaats auf die anderen Mitgliedstaaten deutlich im Alltag bemerkbar, während die externen energiepolitischen Entwicklungen zunehmend unberechenbar sind.

3.5

Der EWSA stimmt der Europäischen Kommission darin zu, dass die Energieunion mehr beinhaltet als nur Klima- und Energiepolitik. Die Energieunion ist eine der Voraussetzungen für wirtschaftliche Entwicklung, Beschäftigungsförderung und Wohlergehen der Bürger. Insgesamt geht es um den wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Nutzen, sprich: die nachhaltige Entwicklung der EU.

3.6

Die Energieunion kann auf verschiedene Weise wirtschaftlichen Nutzen generieren: durch Wirtschaftstätigkeiten, die durch die Nutzung von Energie als Produktionsfaktor Mehrwert schaffen, durch den Energiesektor an sich und durch wirtschaftliche Akteure, die im Wege von Technologien, Diensten oder neuen Geschäftsmodellen energie- und klimapolitische Lösungen bereitstellen. Voraussetzung dafür ist, dass die Energieunion europäischen Unternehmen stabile und günstige Rahmenbedingungen bietet und Kostenwettbewerbsfähigkeit sowie Differenzierung durch Innovation ermöglicht, um sie in die Lage zu versetzen und ihnen Anreize zu geben, dass sie investieren und Arbeitsplätze schaffen, wobei insbesondere das Potenzial der KMU zu berücksichtigen ist.

3.7

Soziale Vorteile entstehen dadurch, dass Arbeitsplätze geschaffen werden und die Bürger in ihrem Alltag auf vielfältige Weise direkt und indirekt Energie nutzen. Die gewaltige Aufgabe der Umstellung auf ein emissionsarmes Energiesystem muss so ausgeführt werden, dass ein gerechter Wandel und die Schaffung menschenwürdiger Arbeitsplätze sichergestellt werden, vor allem in von CO2-intensiven Tätigkeiten abhängigen Regionen. Der EWSA hebt die Notwendigkeit hervor, in die nationalen Pläne Anpassungsmaßnahmen aufzunehmen, und fordert die Kommission auf, entsprechende Bemühungen zu unterstützen.

3.8

Die Verfügbarkeit und der physische Zugang zu erschwinglicher Energie sind wesentliche Voraussetzungen für die Vermeidung von Energiearmut, die ihrerseits verhindert, dass Bürger auf emissionsarme Lösungen umsteigen. Zudem sollte die Beobachtungsstelle für Energiearmut endlich ihre Arbeit aufnehmen. „In den Augen der Bürger wird sich der Erfolg der Energieunion auch an sehr konkreten Dingen messen lassen müssen, insbesondere am Preis (…), am Netzzugang, an der Versorgungssicherheit (…) und an den Verbraucherinformationen für Gebrauchsgegenstände“, hatte der EWSA bereits in seiner Stellungnahme zum (ersten) Bericht zur Lage der Energieunion 2015 festgestellt.

3.9

Was den Klimanutzen anbelangt, so gelten die Energie- und Klimaziele häufig als Selbstzweck. Indes dürfen sie nur als Mittel zum Zweck angesehen werden, um das übergeordnete Ziel zu erreichen: im Einklang mit den im Übereinkommen von Paris eingegangenen Verpflichtungen den Anliegen der Bürger gerecht zu werden und wirtschaftliches Wohlergehen bei gleichzeitiger Eindämmung des Klimawandels sicherzustellen. Zudem trägt die Energieunion zur Verringerung der Luftverschmutzung bei und bewirkt somit positive Auswirkungen für die Gesundheit.

3.10

Der EWSA stimmt der Europäischen Kommission darin zu, dass die Energieunion nicht losgelöst von anderen wichtigen europäischen Politikbereichen wie Digitalisierung, Kapitalmarkt, Investitionen, Kompetenzen, Kreislaufwirtschaft und Sicherheit betrachtet werden kann. Er betont auch den engen Zusammenhang zwischen Energieunion und Verkehrspolitik. Die Energie- und Klimaaspekte des Verkehrs sollten nicht abgekoppelt von Aspekten des Verkehrsmarkts betrachtet werden.

3.11

Der EWSA betont, dass die Veränderungen in der Praxis schlussendlich von den Unternehmen, Arbeitnehmern, Verbrauchern und Bürgern realisiert werden. Deshalb bekräftigt er seine Forderung nach einem engen Energiedialog mit der Zivilgesellschaft, der auf allen Ebenen geführt werden sollte: bei der Politikgestaltung auf EU-Ebene, bei der Aufstellung der Energie- und Klimapläne auf nationaler Ebene und schließlich bei der Förderung von Maßnahmen auf lokaler Ebene.

4.   Bemerkungen zur Lage der Energieunion und zu Folgemaßnahmen

4.1   Umsetzung

4.1.1

Die Europäische Kommission bezeichnet 2016 als das „Jahr der Ergebnisse“. Sie hat die meisten der im Rahmen der Energieunion geplanten Initiativen bereits veröffentlicht, doch müssen sie erst noch angenommen und durchgeführt werden. Der EWSA fordert eine umstandslose Annahme dieser Initiativen und vor allem die fristgerechte Umsetzung der Maßnahmen auf EU-Ebene und in den Mitgliedstaaten.

4.1.2

Die nationalen Energie- und Klimapläne sind ein wesentlicher Bestandteil der Durchführung der Energieunion-Rahmenstrategie In Anbetracht der unterschiedlichen Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten ist die Aufstellung nationaler Pläne ein rationaler Ansatz. Sie sollte auf Partizipation und Kooperation gründen. Gleichzeitig ist es wichtig, ein geeignetes Governance-System aufzubauen, um nicht nur die Durchführung, sondern auch die Kohärenz dieser Pläne und ihre Übereinstimmung mit den gemeinsamen Zielen sicherzustellen. Ferner sollten die Aufgaben und Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten, der EU und der anderen Akteure klar abgegrenzt werden.

4.1.3

Die im Rahmen der Energieunion getroffenen Entscheidungen sind langfristig und teilweise unumkehrbar. Der EWSA betont deshalb, dass die langfristigen Ziele fortwährend im Auge behalten werden müssen. Gleichzeitig muss auf nationaler und EU-Ebene für ausreichende Flexibilität gesorgt sein, da die praktischen Maßnahmen nicht von Jahr zu Jahr linear weitergeführt werden und sich verändernde Voraussetzungen Anpassungsfähigkeit erfordern.

4.1.4

Bei der Bewertung der Lage der Energieunion sollten nicht ausschließlich die Umsetzung der politischen Ziele und die Durchführung der Rechtsvorschriften ins Visier genommen werden, sondern vor allem die realen Verhältnisse auf EU-Ebene und in den Mitgliedstaaten. In Anbetracht der Vielschichtigkeit der zahlreichen Ziele, Säulen und quantifizierten Zielwerte der Energieunion ist dies von besonderem Belang. Der EWSA erwartet, dass die Europäische Kommission im nächsten Bericht über die Lage der Energieunion die erzielten praktischen Fortschritte darlegt, Beispiele für erfolgreich abgeschlossene Projekte gibt und geplante weitere Maßnahmen zur Förderung von Interkonnektivität, besser funktionierenden Märkten und sozialer Anpassung an den Wandel erläutert.

4.1.5

Der EWSA verweist an dieser Stelle auf seine Stellungnahmen zu den verschiedenen Aspekten des Maßnahmenpakets „Saubere Energie für alle Europäer“, in denen er sich eingehender mit der Governance-Thematik und den verschiedenen Bereichen der Energieunion auseinandersetzt.

4.2   Infrastruktur, Investitionen und Märkte

4.2.1

Das Energiesystem als solches, das im Mittelpunkt der Energieunion steht, muss richtig funktionieren und weiterentwickelt werden. Aus der Sicht der Bürger wie auch der Unternehmen muss es den drei grundlegenden Zielen — Energiesicherheit, vertretbare Kosten und Preise sowie Klimaschutz — gerecht werden.

4.2.2

Energiesicherheit ist ein essenzielles Ziel, da die moderne Wirtschaft und Gesellschaft nicht, auch nicht nur für kurze Zeit, ohne Energie funktionieren können. Ausreichende und zuverlässige Energieinfrastruktur und -erzeugungskapazitäten sowie gut funktionierende Energiemärkte und Energieeffizienz sind entscheidend für Energiesicherheit. Energiesicherheit ist nicht mit Energieautarkie gleichzusetzen. Wie bei anderen Rohstoffen auch verbessert der grenzüberschreitende Austausch im Binnenmarkt sowie mit Drittländern die Versorgungssicherheit und trägt zu wettbewerbsfähigen Preisen bei. Dies tut indes der Tatsache keinen Abbruch, dass eine hohe Energieaußenabhängigkeit aus politischen Gründen zu vermeiden ist. Die Entwicklung einheimischer Energiequellen ist auch unter Beschäftigungsgesichtspunkten relevant.

4.2.3

Der Europäischen Kommission zufolge hat die Energieaußenabhängigkeit in einigen Mitgliedstaaten zwar abgenommen, in anderen jedoch aufgrund des Rückgangs der einheimischen Erzeugung fossil basierter Energie zugenommen. Die meisten Mitgliedstaaten können ihren Erdgasbedarf mittlerweile dank neuer Verbindungsleitungen und LNG-Terminals über alternative Versorgungswege decken. Dennoch sind nach wie vor Infrastrukturinvestitionen und Energiediplomatie als grundlegendes Instrument zur Förderung der Energiezusammenarbeit notwendig. Der EWSA nimmt an dieser Stelle Bezug auf seine früheren einschlägigen Stellungnahmen.

4.2.4

Ein gesunder Wettbewerb und der freie Fluss von insbesondere Elektrizität im Energiebinnenmarkt werden nach wie vor durch Regulierungs- und Infrastrukturengpässe behindert. Das Stromversorgungssystem durchläuft derzeit vor allem infolge des immer schnelleren Ausbaus der fluktuierenden und dezentralen erneuerbaren Energien einen tief greifenden Wandel. Zur Bewältigung der daraus erstehenden Herausforderungen sind regionale Zusammenarbeit und ein angemessener gemeinsamer Rechtsrahmen notwendig, denn in einem Mitgliedstaat ergriffene Maßnahmen wirken sich zumindest in den angrenzenden Staaten aus. Regionale Initiativen der Zusammenarbeit wie BEMIT (Verbundplan für den baltischen Energiemarkt) und CESEC (Erdgas-Verbindungsleitungen in Mittel- und Südosteuropa) sind entscheidend für die Beseitigung von Regulierungs- und Infrastrukturengpässen.

4.2.5

Die Entwicklung der digitalen Wirtschaft wirkt sich auch tief greifend auf die Energiesysteme aus. Neben der Energieinfrastruktur muss eine moderne digitale Infrastruktur ausgebaut werden. Dazu gehört eine intelligente Verbrauchserfassung als Voraussetzung für intelligente Energieversorgungsnetze. Die Digitalisierung der Energiesysteme muss Hand in Hand mit Maßnahmen zur Verbesserung der Cybersicherheit, zur Gewährleistung eines angemessenen Schutzes von personenbezogenen Daten und Privatsphäre sowie zur Sicherstellung digitaler Kompetenz gehen.

4.2.6

Mit Blick auf den Kapitalaufwand im Energiesystem sind umfangreiche Investitionen in die Energieinfrastruktur, aber auch in Energieeffizienz, u. a. durch die energetische Sanierung von Gebäuden, notwendig. Der EWSA nimmt die durch den Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) eröffneten Möglichkeiten zur Kenntnis und begrüßt, dass in der zweiten Phase die Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Sektor gefördert wird. Dabei müssen die Mitgliedstaaten dann auch öffentliche Mittel für energierelevante Investitionen bereitstellen.

4.2.7

Vom Markt gehen derzeit nur schwache Anreize für private Investitionen aus, großenteils aufgrund inkohärenter Politiken. Um private Investoren anzuziehen, ist ein stabiles und berechenbares Investitionsumfeld unverzichtbar. Der EWSA betont daher, dass dafür langfristige, verlässliche politische Entscheidungen und Rechtsvorschriften entscheidend sind.

4.2.8

Der EWSA betont die immer wichtigere Rolle der Bürger auf den Energiemärkten und die Ausweitung von Prosum und lokaler Zusammenarbeit. Maßnahmen zur Förderung der Handlungskompetenz der Verbraucher als Prosumenten müssen gefördert und verstärkt werden. Der EWSA hat sich bereits in mehreren Stellungnahmen mit diesen Maßnahmen befasst.

4.2.9

In diesem Sinn müssen für Bürger jeden Alters angemessene und einfach verständliche Informationen über Energiebelange (wie bspw. Energieeffizienzkennzeichnung) bereitgestellt werden. Außerdem müssen der faire Zugang zum Energiemarkt und die Finanzierung kleiner Projekte verbessert werden. Die Vereinfachung der Rechtsvorschriften im Energiebereich im Rahmen der REFIT-Initiative sollte den Energieverbrauchern greifbare Vorteile bringen. Auch sollte verstärkt auf Probleme in Verbindung mit Steuern und Abgaben eingegangen werden, die — ungeachtet der Großhandelsenergiepreise — die Verbraucherpreise in die Höhe treiben und zu Energiearmut beitragen.

4.3   Erneuerbare Energie und Dekarbonisierung

4.3.1

Der EWSA begrüßt den von der Europäischen Kommission vorgelegten separaten Fortschrittsbericht „Erneuerbare Energiequellen“ und befürwortet weitgehend die darin enthaltenen Analysen und dargelegten Problemstellungen. Anstatt Empfehlungen verweist er in diesem Zusammenhang auf seine Ausführungen zu verschiedenen Aspekten erneuerbarer Energie in zahlreichen früheren und aktuellen Stellungnahmen.

4.3.2

Laut diesem Bericht ist die EU insgesamt bei der Verwirklichung der verbindlichen Ziele bis 2020 gut vorangekommen, auch wenn weitere Verbesserungen notwendig sind. Der EWSA bekräftigt, dass er es als wichtig erachtet, weiterhin für eine positive Entwicklung in diesem Bereich zu sorgen. Er weist darauf hin, dass der Wärme- und Kältesektor bei der Nutzung der Erneuerbaren in absoluten Zahlen ganz vorn liegt. Er unterstreicht ferner die maßgebliche Rolle des Verkehrssektors bei der Verwirklichung der ehrgeizigen langfristigen Emissionsziele und befürwortet den Ausbau erneuerbaren Stroms und moderner Biokraftstoffe zur Verringerung der verkehrsbedingten Emissionen.

4.3.3

Es wird darauf hingewiesen, dass die Durchführung von Erneuerbare-Energien-Vorhaben nach wie vor durch bedeutende administrative Hürden erschwert wird. Mängel betreffen zentrale Anlaufstellen, Online-Antragstellung, zeitliche Obergrenzen für Verfahren, vereinfachte Verfahren für Kleinerzeuger und die Ermittlung geografischer Standorte. Der EWSA fordert, diese Hemmnisse, die auch in anderen Bereichen an der Tagesordnung sind, schleunigst auszuräumen.

4.3.4

Der EWSA begrüßt die Schlussfolgerung der Europäischen Kommission, dass die EU auch auf dem richtigen Weg ist, um ihre für 2020 gesetzten Ziele für Energieeffizienz und Treibhausgasemissionen zu erreichen. Die Wirksamkeit und Ergebnisse der politischen Instrumente zur Förderung des Wandels hin zu einer Niedrigemissionswirtschaft sind durch die unzulässige Nutzung von Subventionen (u. a. von Umweltzertifikaten), Emissionshandelssystemen und Steuern beeinträchtigt worden, da es keine marktgesteuerten Anreize für Investitionen in emissionsarme Stromerzeugung gibt.

4.3.5

Der EWSA fordert deshalb die Europäische Kommission auf, eine umfassende Bewertung der gegenwärtigen politischen Instrumente zur Förderung von Niedrigemission durchzuführen, um sicherzustellen, dass geeignete Instrumente genutzt werden, um die Ziele so effizient wie möglich und ohne ungebührliche Belastung der Energieverbraucher zu erreichen.

4.3.6

Der EWSA befürwortet das Ziel, dass die EU eine weltweite Führungsrolle bei der Umstellung auf saubere Energien übernehmen und dadurch Geschäftsmöglichkeiten und Arbeitsplätze schaffen soll. In diesem Zusammenhang sollte die EU eine Vergrößerung ihres globalen ökologischen Handabdrucks anstreben und sich nicht nur auf ihre eigenen Emissionen konzentrieren. Erreichen kann sie dies, indem sie Klimaschutzlösungen entwickelt und exportiert und emissionsärmere Produkte herstellt als ihre Konkurrenten, wobei der globale Wettbewerb scharf ist.

4.3.7

Eine weltweite Führungsrolle setzt verstärkte und vor allem öffentliche Investitionen, deren Anteil zurückgegangen ist, in Innovation voraus. Der EWSA hebt auch den Beitrag der Handels- und Investitionspolitik zu Energie- und Klimalösungen hervor. Um die Einführung von Niedrigemissionslösungen auf neutrale und wirksame Weise zu fördern, ist ein weltweites System für die Kohlenstoffbepreisung notwendig. Der EWSA appelliert an die Europäische Kommission, aktiv auf die Einführung eines solchen Mechanismus hinzuwirken, der gleiche Ausgangsbedingungen für die europäischen Unternehmen auf den Export- und Importmärkten begünstigen würde.

5.   Bemerkungen zum Überwachungssystem und zu den Indikatoren

5.1

Da die Lage der Energieunion durch bestimmte Schlüsselindikatoren bestimmt wird, muss sichergestellt werden, dass es sich auch um die aussagekräftigsten Indikatoren handelt. Der EWSA begrüßt das Vorhaben der Europäischen Kommission, die Indikatoren weiterzuentwickeln und bspw. auch die Handlungskompetenz der Verbraucher zu messen. In seiner Stellungnahme zum (ersten) Bericht zur Lage der Energieunion hatte der EWSA die Europäische Kommission aufgefordert, bei der Beurteilung der Energieunion und der Auswirkungen der Energiewende auch soziale Kriterien anzulegen.

5.2

Die Überwachung stützt sich derzeit im Wesentlichen auf die fünf Säulen der Energieunion und die damit verknüpften politischen und regulatorischen Ziele. „You get what you measure“ — man bekommt, was man misst. Eingedenk dessen hält der EWSA es auch für notwendig, die Fortschritte bei der Verwirklichung der grundlegenden Ziele der Energieunion zu überwachen, d. h. den für die Bürger und Unternehmen und folglich für die Zukunft der EU entstehenden Nutzen.

5.3

Der EWSA fordert die Europäische Kommission in diesem Sinne auf, die Entwicklung energierelevanter Wirtschaftstätigkeiten zu beobachten, um den wirtschaftlichen Wert der Energieunion zu verdeutlichen. Die Beschäftigungsfortschritte im Energiebereich sollten deshalb beobachtet werden. Dabei sollten auch mögliche Investitionen und die Abwanderung von Arbeitsplätzen bewertet werden.

5.4

Zur Förderung einer bürgerfreundlichen Energieunion erachtet der EWSA es als wichtig, den Fortschritt aus dem Blickwinkel des Verbraucheralltags zu verfolgen und darüber zu berichten. Zu berücksichtigen wären dabei Energierechnungen, energiebezogene Produktinformationen, der Ausbau lokaler dezentraler Energieerzeugung, intelligente Verbrauchserfassung, Stromtankstationen, finanzielle Unterstützung von Prosumenten, Anreize für energetische Gebäudesanierung usw.

5.5

Zur Ermittlung gesellschaftlicher Impulsgeber könnten Veränderungen in der Wahrnehmung von Energiefragen beobachtet werden, wie z. B. eine zunehmende Besorgnis über die Luftverschmutzung, wachsendes Interesse an energierelevanten Beschäftigungsmöglichkeiten, die Auswirkungen technologischer Entwicklungen und das Auftreten neuer Akteure.

5.6

Es wäre auch sinnvoll, die Maßnahmen der Mitgliedstaaten danach zu bewerten, ob sie Kohärenz oder Ungleichheit im Binnenmarkt und in den Außenbeziehungen förderlich sind. Als wichtigste Frage erhebt sich in diesem Zusammenhang, welche Folgen der Brexit für die Energieunion hat.

5.7

Schließlich hat die Datenqualität einen wesentlichen Anteil an der Verbesserung des Überwachungsmechanismus. Die Daten sollten aktuell, präzise, vergleichbar und zuverlässig sein. Dazu ist eine fortwährende Weiterentwicklung von Datenerfassungs- und Datenverarbeitungsverfahren erforderlich.

Brüssel, den 31. Mai 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


31.8.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 288/107


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG“

(COM(2017) 8 final — 2017/0002 (COD))

(2017/C 288/15)

Berichterstatter:

Jorge PEGADO LIZ

Befassung

Europäische Kommission, 26.4.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 16 Absatz 2 AEUV

 

 

Zuständige Fachgruppe

Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

Annahme in der Fachgruppe

16.5.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

31.5.2017

Plenartagung Nr.

526

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

161/0/2

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Aus rein technisch-rechtlicher Sicht trägt die Kommission mit dem vorliegenden Verordnungsvorschlag im Allgemeinen korrekt und angemessen der Notwendigkeit Rechnung, die geltenden Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates  (1) und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission  (2) zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union an die neue Datenschutz-Grundverordnung (3) anzupassen, die ab 25. Mai 2018 EU-weit gelten wird.

1.2.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) bekräftigt indes den Tenor seiner Bemerkungen und Empfehlungen zu dem ursprünglichen Vorschlag für eine Datenschutz-Grundverordnung, die nunmehr angenommen wurde, und bedauert, dass diese in der endgültigen Fassung der Datenschutz-Grundverordnung nicht berücksichtigt wurden. Durch die Verzögerungen in Bezug auf ihre Annahme und ihr Inkrafttreten befürchtet der EWSA angesichts der raschen technologischen Entwicklungen in diesem Bereich, dass die Risiken einer unrechtmäßigen Aneignung der Daten sowie ihrer missbräuchlichen Verarbeitung und kommerziellen Nutzung erhöht werden und die Datenschutz-Grundverordnung bereits vor ihrer Umsetzung schon wieder überholt ist. Da der vorliegende Vorschlag eine Anpassung eben dieser Datenschutz-Grundverordnung an die Funktionsweise der europäischen Institutionen ist, gelten diese Bedenken in gleicher Weise auch für diesen Vorschlag, insbesondere in Bezug auf die undurchsichtigen Formulierungen, die für normale Bürger nur schwer verständlich sind.

1.3.

Da die Abläufe in den Organen und Institutionen der EU gleichzeitig beispielgebend für die Verfahren in den Mitgliedstaaten sein müssen, sollte bei der Ausarbeitung dieses Vorschlags nach Ansicht des EWSA besondere Sorgfalt an den Tag gelegt werden.

1.4.

Daher betont der EWSA, dass Aspekte wie die Zusammenhänge zwischen diesem Vorschlag und dem Statut der Beamten der Europäischen Union, der Umgang mit Situationen wie Belästigung, Cyberbullying und Whistleblowing in den Organen und Einrichtungen der EU, die Anwendung des Vorschlags in Verbindung mit dem Internet der Dinge, Massendaten und der Nutzung von Suchmaschinen für den Zugang zu sowie die Erstellung und Nutzung von personenbezogenen Daten und persönlichen Informationen, die auf den Websites der Institutionen in sozialen Netzwerken (Facebook, Twitter, Instagram, LinkedIn usw.) veröffentlicht werden, auch ausdrücklich hätten behandelt werden sollen.

1.5.

Desgleichen hätte die Kommission in ihrem Vorschlag auf die Sicherheit der IT-Systeme für die Datenverarbeitung und die Garantien gegen Cyberangriffe und Verletzungen des Schutzes personenbezogener Daten bzw. den Verlust dieser Daten eingehen sollen, um ihre Technologieneutralität sicherzustellen und sie nicht internen Regelungen der einzelnen Dienststellen zu überlassen. Außerdem hätte die Verbindung zwischen Datenschutz und Verbrechens- und Terrorismusbekämpfung deutlicher aufgezeigt werden sollen, was indes nicht mit der Annahme unverhältnismäßiger oder überzogener Überwachungsmaßnahmen gleichbedeutend ist, die ohnehin der Kontrolle des Europäischen Datenschutzbeauftragten unterliegen.

1.6.

Die Kommission hätte ferner die Anforderungen in punkto Kompetenzen, Ausbildung und persönliche Zuverlässigkeit festlegen sollen, die für die Ernennung zum Datenschutzbeauftragten, zum Verantwortlichen und zum Auftragsverarbeiter in sämtlichen Organen und Einrichtungen der EU erforderlich sind und auch der Kontroll- und Überwachungsbefugnis des Europäischen Datenschutzbeauftragten unterliegen sollten.

1.7.

Der EWSA ist der Auffassung, dass die erhobenen Daten, die unmittelbar die Privatsphäre der betroffenen Personen berühren, insbesondere Gesundheits-, Steuer- und Sozialdaten, angesichts ihrer Spezifizität auf das für ihren Verwendungszweck unbedingt notwendige Mindestmaß beschränkt werden sollten und dass ein Höchstmaß an Sicherheit und Garantien bei der Verarbeitung dieser besonders sensiblen personenbezogenen Daten im Einklang mit internationalen Normen und den fortschrittlichsten nationalen Gesetzen sowie den am besten bewährten Verfahren einiger Mitgliedstaaten sichergestellt werden sollte.

1.8.

Der EWSA betont, dass in den Vorschlag ausdrücklich die Aufstockung der Mittel für den Europäischen Datenschutzbeauftragten sowie die Bereitstellung einer ausreichenden Zahl an Mitarbeitern mit umfassenden Kenntnissen und hoher fachlicher Kompetenz im Bereich Datenschutz aufgenommen werden sollte.

1.9.

Der EWSA bekräftigt erneut die Notwendigkeit, auch die Daten rechtmäßig niedergelassener juristischer Personen (Unternehmen, NGO, Handelsgesellschaften usw.) im Rahmen ihrer Erhebung und Verarbeitung zu schützen.

1.10.

Abschließend empfiehlt der EWSA in seiner detaillierten Prüfung eine Reihe von Änderungen verschiedener Bestimmungen, die, sofern sie angenommen werden, einen wirksameren Schutz personenbezogener Daten innerhalb der Organe und Einrichtungen der EU nicht nur für EU-Beamte, sondern auch für die tausenden Unionsbürger bieten würden, die sich an sie wenden. Er fordert die Europäischen Kommission, das Europäische Parlament und den Rat daher auf, diese bei der Ausarbeitung der endgültigen Fassung zu berücksichtigen.

2.   Gründe und Ziele des Vorschlags

2.1.

Wie von der Kommission in ihrer Begründung erläutert, sollen mit diesem Vorschlag die Verordnung (EG) Nr. 45/2001  (4) und der Beschluss Nr. 1247/2002/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union mit folgenden zwei Zielen aufgehoben werden:

Schutz des Grundrechts auf Datenschutz;

Garantie des freien Verkehrs personenbezogener Daten zwischen den Mitgliedstaaten.

2.2.

Nach einer langen und langwierigen Vorbereitung haben der Rat und das Europäische Parlament nun endlich die Datenschutz-Grundverordnung (5) angenommen, die ab dem 25. Mai 2018 EU-weit gelten wird. Diese Verordnung erfordert auch eine Anpassung verschiedener Rechtsinstrumente (6), u. a. der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG.

2.3.

Unter Berücksichtigung der Ergebnisse von Erhebungen, der Konsultation der Interessenträger und der Studie zur Bewertung der Anwendung der Verordnung in den letzten 15 Jahren, auf die die Kommission umfassend eingeht, kommt die Kommission insbesondere zu dem Schluss, dass:

die Verordnung (EG) Nr. 45/2001 durch die Verhängung von Sanktionen durch den Europäischen Datenschutzbeauftragten besser durchgesetzt werden könnte;

eine verstärkte Nutzung seiner Aufsichtsbefugnisse die Umsetzung der Datenschutzvorschriften verbessern könnte;

eine Vereinfachung des Systems der Meldung und Vorabkontrolle notwendig ist, um die Effizienz zu erhöhen und den Verwaltungsaufwand zu verringern;

die für die Datenverarbeitung Verantwortlichen vor Verarbeitungsvorgängen zunächst ein Konzept für das Risikomanagement festlegen und Risikobewertungen vornehmen sollten, um die Anforderungen in Bezug auf Vorratsdatenspeicherung und Sicherheit besser erfüllen zu können;

die Bestimmungen über die Telekommunikation überholt sind und dieses Kapitel der Verordnung an die e-Datenschutz-Richtlinie angepasst werden muss;

einige grundlegende Begriffsbestimmungen der Verordnung präzisiert werden müssen, u. a. in Bezug auf die Definition der in den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union für die Datenverarbeitung Verantwortlichen und der Empfänger sowie die Ausweitung der Verpflichtung zur Vertraulichkeit auf externe Auftragsverarbeiter.

2.4.

Aufgrund der Art und des Umfangs der Änderungen bestehender Rechtsinstrumente beschloss die Kommission, diese insgesamt aufzuheben und durch eine Verordnung zu ersetzen, die nun Gegenstand dieser Stellungnahme ist und in Verbindung mit den weiteren genannten Rechtsinstrumenten steht, die gemäß Artikel 98 der Verordnung (EU) 2016/679 gleichzeitig mit eben dieser Datenschutz-Grundverordnung in Kraft treten.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Aus rein rechtlich-technischer Sicht stimmt der EWSA grundsätzlich folgenden Punkten zu:

der Notwendigkeit und der Zweckdienlichkeit dieses Vorschlags;

der Wahl des Rechtsinstruments, d. h. einer Verordnung;

der Entscheidung, die geltenden Rechtsinstrumente insgesamt aufzuheben;

der für die Annahme gewählten Rechtsgrundlage;

den Nachweisen für die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips, des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Grundsatzes der Rechenschaftspflicht (accountability);

der Klarheit und der Struktur der Artikel;

der besseren Begriffsbestimmung bestimmter Konzepte wie beispielsweise der ausdrücklichen Einwilligung;

der Kohärenz mit den weiteren Rechtsinstrumenten, mit denen diese Verordnung in Verbindung steht, insbesondere der Verordnung (EU) 2016/679, dem Vorschlag für eine Verordnung über Privatsphäre und elektronische Kommunikation (COM(2017) 10 final) und der Kommissionsmitteilung „Aufbau einer europäischen Datenwirtschaft“ (7);

der Entscheidung, zum ersten Mal ausdrücklich die Verhängung von Geldstrafen bei Nichtbefolgung und Verstößen vorzusehen;

der Stärkung der Befugnisse des Europäischen Datenschutzbeauftragten;

der Ausnahme dieser Initiative aus dem REFIT-Programm;

den Bemühungen um Vereinbarkeit mit anderen Grundrechten, beispielsweise insbesondere den in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Rechten wie die Freiheit der Meinungsäußerung (Artikel 11), das Eigentumsrecht und insbesondere der Schutz des geistigen Eigentums (Artikel 17 Absatz 2), das Verbot einer Diskriminierung unter anderem wegen der Rasse, der ethnischen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, einer Behinderung oder der sexuellen Ausrichtung (Artikel 21), die Rechte des Kindes (Artikel 24), das Recht auf ein hohes Gesundheitsschutzniveau (Artikel 35), das Recht auf Zugang zu Dokumenten (Artikel 42) und das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein faires Verfahren (Artikel 47).

3.2.

Dies ändert jedoch nichts an den Bemerkungen und Empfehlungen des EWSA zu dem Vorschlag für eine Datenschutz-Grundverordnung (8), die nunmehr angenommen wurde (9), die in der endgültigen Fassung der Datenschutz-Grundverordnung nicht umfassend berücksichtigt wurden. Durch die Verzögerungen in Bezug auf ihre Annahme und ihr Inkrafttreten befürchtet der EWSA angesichts der raschen technologischen Entwicklungen in diesem Bereich, dass die Risiken einer unrechtmäßigen Aneignung der Daten sowie ihrer missbräuchlichen Verarbeitung und kommerziellen Nutzung erhöht werden und die Datenschutz-Grundverordnung bereits vor ihrer Umsetzung schon wieder überholt ist. Da der vorliegende Vorschlag eine Anpassung eben dieser Datenschutz-Grundverordnung an die Funktionsweise der europäischen Institutionen ist, gelten diese Bedenken in gleicher Weise auch für diesen Vorschlag, insbesondere in Bezug auf die undurchsichtigen Formulierungen, die für normale Bürger nur schwer verständlich sind; dieser Vorschlag hätte besser gleichzeitig mit dem Vorschlag für die Datenschutz-Grundverordnung vorgelegt und erörtert werden sollen.

3.3.

Da die Abläufe in den Organen und Institutionen der EU beispielgebend für die Verfahren in den Mitgliedstaaten sein müssen, hätten nach Ansicht des EWSA bestimmte Aspekte in diesem Vorschlag berücksichtigt werden müssen.

3.4.

So ist absolut nicht klar, ob dieser Vorschlag im Einklang mit dem Statut der Beamten der Europäischen Union steht (Verordnung Nr. 31 (EWG) (10)), da spezifische Rechtsvorschriften fehlen, um einen effizienteren Schutz der personenbezogenen Daten von Beamten und Bediensteten der Organe und Einrichtungen der EU betreffend ihre Einstellung, ihre Laufbahn, die Laufzeit ihres Vertrags und etwaiger Verlängerungen sowie ihrer Beurteilung sicherzustellen.

3.4.1.

In diesem oder einem anderen Rechtsakt sollten allgemeine Vorschriften mit Bestimmungen betreffend die Gesundheitsdaten der Beamten und ihrer Familienangehörigen, den Schutz der von den Beamten generierten oder genutzten Daten und der jeweiligen genetischen Daten, die Behandlung und den Schutz von E-Mail-Nachrichten, die zum einen von den Unionsbürgern an die EU-Institutionen gerichtet werden und zum anderen zwischen Beamten der Organe und Einrichtungen der EU ausgetauscht sowie von diesen nach außen geschickt werden, sowie der Webinhalte und Websites, auf die die Beamten zugreifen, vorgesehen werden (11).

3.4.2.

Unbeschadet von Artikel 68 muss auch Cyberbullying und Whistleblowing innerhalb der Organe und Einrichtungen der EU besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.

3.4.3.

Der EWSA hegt außerdem Bedenken in Bezug auf die Anwendung des vorliegenden Vorschlags und der Verordnung (EU) 2016/679 in Verbindung mit dem Internet der Dinge, Massendaten und der Nutzung von Suchmaschinen für den Zugang zu sowie die Erstellung und Nutzung von personenbezogenen Daten sowie persönlichen Informationen, die ohne ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Personen auf den Websites der Institutionen in sozialen Netzwerken (Facebook, Twitter, Instagram, LinkedIn usw.) veröffentlicht werden.

3.5.

Der EWSA empfiehlt, dass die Kommission in ihrem Verordnungsvorschlag neben dem Verweis auf die Vertraulichkeit der elektronischen Kommunikation in Artikel 34 spezifisch auf die Sicherheit der IT-Systeme für die Datenverarbeitung und die Garantien gegen Cyberangriffe und missbräuchliche Nutzung personenbezogener Daten bzw. den Verlust dieser Daten (12) eingeht, um ihre Technologieneutralität sicherzustellen und nicht internen Regelungen der einzelnen Dienststellen zu überlassen. Außerdem sollte die Verbindung zwischen Datenschutz und Verbrechens- und Terrorismusbekämpfung deutlicher aufgezeigt werden, was indes nicht mit der Annahme unverhältnismäßiger oder überzogener Überwachungsmaßnahmen gleichbedeutend ist, die ohnehin der Kontrolle des Europäischen Datenschutzbeauftragten unterliegen.

3.6.

Der EWSA betont, dass die Verknüpfung personenbezogener Daten innerhalb der Organe und Einrichtungen der EU nicht einzig und allein dem in Erwägungsgrund 16 genannten Grundsatz der Rechenschaftspflicht unterliegen darf, und fordert die Kommission diesbezüglich auf, eine spezifische Bestimmung in den Vorschlag aufzunehmen, gemäß der diese Verknüpfung erst nach Genehmigung durch den Europäischen Datenschutzbeauftragten erfolgen darf, die von dem Verantwortlichen bzw. von diesem gemeinsam mit dem Auftragsverarbeiter eingeholt wird.

3.7.

Unbeschadet der Bestimmungen in Erwägungsgrund 51 und Artikel 44 Absatz 3 empfiehlt der EWSA, die Anforderungen in punkto Kompetenzen, Ausbildung und persönliche Zuverlässigkeit festzulegen, die für die Ernennung zum Datenschutzbeauftragten, zum Verantwortlichen und zum Auftragsverarbeiter in sämtlichen Organen und Einrichtungen der EU erforderlich sind (13); eine etwaige Verletzung ihrer Pflichten als Beamte sollte Gegenstand wirklich abschreckender disziplinar-, zivil- und strafrechtlicher Sanktionen sein, die in dem Vorschlag aufgelistet werden und stets der Kontroll- und Überwachungsbefugnis des Europäischen Datenschutzbeauftragten unterliegen.

3.8.

Der EWSA ist sich zwar bewusst, dass mit dem vorliegenden Verordnungsvorschlag das Datenschutzniveau im Vergleich zur geltenden Verordnung (EG) Nr. 45/2001 erhöht wird, ist jedoch der Auffassung, dass die Verordnung die erhobenen Daten, die sich unmittelbar auf die Privatsphäre der betroffenen Personen beziehen, insbesondere Gesundheits-, Steuer- und Sozialdaten, angesichts ihrer Spezifizität auf das unbedingt notwendige Mindestmaß für ihren Verwendungszweck beschränken und im Einklang mit den internationalen Normen und den fortschrittlichsten nationalen Gesetzen sowie den am besten bewährten Verfahren einiger Mitgliedstaaten ein Höchstmaß an Sicherheit und Garantien für die Verarbeitung personenbezogener Daten bieten sollte (14).

3.9.

Der EWSA weist darauf hin, dass die Verordnung (EU) 2016/679 ebenso wie der in dieser Stellungnahme erörterte Verordnungsvorschlag nur für Daten natürlicher Personen Anwendung finden; er bekräftigt daher die Notwendigkeit, auch die Daten rechtmäßig niedergelassener juristischer Personen (Unternehmen, NGO, Handelsgesellschaften usw.) in Verbindung mit ihrer Erhebung und Verarbeitung zu schützen.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1.

Aufgrund der detaillierten Prüfung des Verordnungsvorschlags hegt der EWSA einige Zweifel und Vorbehalte mit Blick auf die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundrechte zum Schutz der Privatsphäre sowie das Subsidiaritätsprinzip und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

4.2.   Artikel 3

Die Organe und Einrichtungen der Union sind in Absatz 2, Buchstabe a als die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union definiert, die durch den Vertrag über die Europäische Union, den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union oder den Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft oder auf deren Grundlage geschaffen wurden. Der EWSA fragt sich, ob diese Begriffsbestimmung auch Arbeitsgruppen, beratende Ausschüsse, Beiräte, Plattformen, Ad-hoc-Gruppen usw. sowie internationale IT-Netze umfasst, an denen die Organe und Einrichtungen der EU lediglich mitwirken, ohne jedoch für sie verantwortlich zu sein.

4.3.   Artikel 4

4.3.1.

Da die Verordnung für Daten gilt, die innerhalb der Organe und Einrichtungen der EU verarbeitet werden, empfiehlt der EWSA die ausdrückliche Aufnahme des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung für die Verarbeitung der Daten.

4.3.2.

Die in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b genannte Weiterverarbeitung für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke, für wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke sollte Gegenstand einer Genehmigung des Europäischen Datenschutzbeauftragten sein; diese ist in Artikel 58 nicht vorgesehen.

4.3.3.

Außerdem sollte die Verordnung in Bezug auf die Übermittlung personenbezogener Daten zwischen Organen oder Einrichtungen der Union eine ausdrückliche Bestimmung enthalten, die Artikel 7 der geltenden Verordnung (EG) Nr. 45/2001 entspricht.

4.4.   Artikel 5

4.4.1.

Es ist nicht klar, warum die in Artikel 5 Absatz 2 genannte Anforderung nicht auch auf Absatz 1 Buchstabe b des gleichen Artikels Anwendung findet, wohingegen gemäß Artikel 6 Buchstaben c und e beide Bestimmungen Artikel 3 der Datenschutz-Grundverordnung unterliegen.

4.4.2.

Nach Meinung des EWSA muss Buchstabe d dahingehend ergänzt werden, dass für die Einwilligung der betroffenen Person der Grundsatz von Treu und Glauben gilt.

4.5.   Artikel 6

4.5.1.

Die Anwendung dieses Artikels darf erst nach Genehmigung seitens des Europäischen Datenschutzbeauftragten erfolgen.

4.5.2.

In diesen Fällen muss die durch die Datenverarbeitung betroffene Person vorab zum Zeitpunkt der Datenerhebung oder zu dem Zeitpunkt, zu dem eine neue Entscheidung getroffen wird, über diese Möglichkeit unterrichtet werden, damit sie gegebenenfalls die Berichtigung oder Löschung der Daten oder eine Einschränkung ihrer Verarbeitung verlangen oder ihrer Verarbeitung insgesamt widersprechen kann.

4.6.   Artikel 8

4.6.1.

Der EWSA vertritt den Standpunkt, dass die Ausnahme von der Bestimmung über die Rechtmäßigkeit der Einwilligung von Kindern unter 16 Jahren (zwischen 13 und 16 Jahren), die als abwegig anzusehen ist, aufgrund nationalen Rechts in kulturellen Angelegenheiten in den Mitgliedstaaten zulässig ist (Artikel 8 der Datenschutz-Grundverordnung), nicht aber als Regel für die Organe und Einrichtungen der EU vorgesehen werden darf, in der diese Altersgrenze auf 13 Jahre festgelegt ist (Artikel 8 Absatz 1).

4.6.2.

Gleichzeitig wird nicht präzisiert, wie der Europäische Datenschutzbeauftragte die in Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b genannte „besondere Beachtung“ eigens an Kinder gerichteter Maßnahmen wahrnehmen soll, insbesondere in Bezug auf die in Artikel 36 genannten Nutzerverzeichnisse, die der Öffentlichkeit zugänglich sind.

4.7.   Artikel 10

4.7.1.

In Absatz 1 sollten die Parteizugehörigkeit (die nicht gleichbedeutend mit den politischen Meinungen ist) sowie das Privatleben hinzugefügt werden.

4.7.2.

In Bezug auf Absatz 2 Buchstabe b muss selbst zum Zwecke der Erfüllung von Pflichten sowie der Ausübung der besonderen Rechte der betroffenen Person diese immer vorab darüber informiert werden.

4.7.3.

In Bezug auf Absatz 2 Buchstabe d darf die Verarbeitung nur nach Einwilligung der betroffenen Person erfolgen.

4.7.4.

Absatz 2 Buchstabe e sollte lediglich eine Ausnahme sein, wenn aus den Erklärungen der betroffenen Person eindeutig auf ihre Einwilligung zur Datenverarbeitung zu schließen ist.

4.8.   Artikel 14

Da die Organe und Einrichtungen der EU nicht berechtigt sind, Gebühren für die erbrachten Leistungen zu verlangen, darf die Weigerung, einem Ersuchen Folge zu leisten, nur als letztes Mittel eingesetzt werden.

4.9.   Artikel 15, 16 und 17

4.9.1.

Betreffend die in Artikel 15 Absatz 2 genannten zusätzlichen Informationen sollte die Anforderung hinzugefügt werden, dass die betroffene Person über den obligatorischen oder fakultativen Charakter der Antwort des für die Datenverarbeitung Verantwortlichen sowie mögliche Folgen einer Nichtbeantwortung zu unterrichten ist.

4.9.2.

In Bezug auf die Datenerhebung aus offenen Netzen muss die betroffene Person stets darüber informiert werden, sofern ihre personenbezogenen Daten in diesen Netzen ohne Sicherheitsvorkehrungen verfügbar sind und das Risiko besteht, dass sie durch unbefugte Dritte gesehen oder genutzt werden.

4.9.3.

Das in Artikel 17 Absatz 1 enthaltene Recht sollte frei und ohne Einschränkungen, in angemessenen Zeiträumen, zügig oder unverzüglich und kostenlos in Anspruch genommen werden können.

4.9.4.

Der EWSA schlägt vor, dass die betroffene Person auch verpflichtend eine Bestätigung erhalten sollte, ob die sie betreffenden personenbezogenen Daten verarbeitet werden.

4.9.5.

Die in Artikel 17 Absatz 1 genannten Informationen sollten in intelligenter, klarer und verständlicher Form bereitgestellt werden, insbesondere in Bezug auf die Daten, die verarbeitet werden, und ihren Ursprung.

4.10.   Artikel 21

Nach Auslegung des EWSA bedeutet die Bestimmung, dass Vorschriften, die identisch mit den Bestimmungen in Artikel 21 Absatz 2 und 3 der Datenschutz-Grundverordnung sind, von der vorliegenden Verordnung ausgenommen sind, dass Daten niemals zum Zwecke der Direktwerbung verwendet werden dürfen, was zu begrüßen ist. Da er jedoch nicht sicher ist, dass diese Auslegung richtig ist, sollte dies in diesem Artikel ausdrücklich präzisiert werden.

4.11.   Artikel 24

4.11.1.

Nach Ansicht des EWSA sollte in Absatz 2 Buchstabe c hinzugefügt werden, dass die Einwilligung der betroffenen Person erst nach ausdrücklicher Unterrichtung über die Folgen der Entscheidung, die der betroffenen Person gegenüber rechtliche Wirkungen entfaltet, erfolgen kann, da nur auf diese Weise sichergestellt werden kann, dass die Einwilligung in gebührender Kenntnis der Fakten erfolgt ist.

4.11.2.

In Bezug auf Absatz 3 betont der EWSA, dass die geeigneten Maßnahmen vom Europäischen Datenschutzbeauftragten und nicht vom für die Datenverarbeitung Verantwortlichen getroffen werden sollten.

4.12.   Artikel 25

4.12.1.

Der EWSA befürchtet, dass der Wortlaut von Artikel 25 des Verordnungsvorschlags eine zu weite Auslegung der Bestimmungen von Artikel 23 der Datenschutz-Grundverordnung betreffend die Einschränkungen der Anwendung der Bestimmungen ist, in denen die Grundrechte der betroffenen Person verankert sind, und empfiehlt, diesen Artikel auf der Grundlage einer sorgfältigen und ggf. restriktiven Analyse der verschiedenen Aufzählungspunkte kritisch zu überarbeiten, insbesondere in Bezug auf die Beschränkung des Rechts auf Vertraulichkeit in den elektronischen Kommunikationsnetzen gemäß Artikel 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die auch in der geltenden e-Datenschutz-Richtlinie enthalten ist und in dem einschlägigen Verordnungsvorschlag, der Gegenstand einer weiteren Stellungnahme des Ausschusses ist, beibehalten wird.

4.12.2.

Der EWSA lehnt die in Artikel 25 Absatz 2 vorgesehene Möglichkeit rundweg ab, dass die Organe und Einrichtungen der Union die Anwendung der Beschränkung in Bezug auf die Rechte der betroffenen Personen beschränken können, die sich nicht aus ausdrücklichen Rechtsakten ergeben, die sie dazu ermächtigen. Dies gilt auch für Artikel 34.

4.13.   Artikel 26

Es sollte präzisiert werden, dass die Verantwortlichen für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten, Auftragsverarbeiter und andere Personen, die bei der Ausübung ihrer Pflichten Kenntnis der verarbeiteten personenbezogenen Daten erhalten, auch nach dem Ausscheiden aus dieser Funktion und für einen angemessenen Zeitraum dem Berufsgeheimnis verpflichtet sind.

4.14.   Artikel 29 und 39

Obwohl die Bestimmungen in Artikel 24 Absatz 3 und Artikel 40 ff. der Datenschutz-Grundverordnung zu Recht keinen Eingang in den Verordnungsvorschlag (Verhaltensregeln) gefunden haben, was in dem Erwägungsgrund zu Artikel 26 ausdrücklich betont wird, scheint es nicht angemessen, dass in Artikel 29 Absatz 5 und Artikel 39 Absatz 7 des Verordnungsvorschlags akzeptiert wird, dass die bloße Einhaltung von Verhaltensregeln gemäß Artikel 40 der Datenschutz-Grundverordnung als ausreichende Garantie anerkannt werden kann, dass der Auftragnehmer, der kein Organ oder keine Einrichtung der Union ist, seine Pflichten erfüllt.

4.15.   Artikel 31

Nach Ansicht des EWSA sollte die in Artikel 31 Absatz 5 vorgesehene reine Kann-Bestimmung, die Listen der Verarbeitung in einem zentralen, öffentlich zugänglichen Register zu führen, in eine verpflichtende Bestimmung geändert werden.

4.16.   Artikel 33

Der EWSA schlägt außerdem vor, dass der Verantwortliche und der Auftragsverarbeiter die Kontrolle über die Datenträger, die Eingabe, Nutzung und Übermittlung der Daten ausüben müssen, um:

zu verhindern, dass Unbefugte Zugang zu den Datenverarbeitungsanlagen erhalten;

zu verhindern, dass Datenträger unbefugt gelesen, kopiert, verändert oder entfernt werden können;

zu verhindern, dass gespeicherte personenbezogene Daten unbefugt eingegeben, gelesen, verändert oder gelöscht werden;

zu verhindern, dass automatisierte Datenverarbeitungssysteme mit Hilfe von Einrichtungen zur Datenübertragung von Unbefugten genutzt werden können;

die Überprüfung der Stellen zu gewährleisten, an die die personenbezogenen Daten übermittelt werden können;

sicherzustellen, dass ermächtigte Personen ausschließlich Zugang zu den Daten haben, für die zuvor eine Genehmigung erteilt wurde.

4.17.   Artikel 34

Der EWSA empfiehlt, diesen Artikel an die Bestimmungen des Vorschlags für die e-Datenschutz-Richtlinie anzupassen und die Organe und Einrichtungen der Union in Bezug auf die Vertraulichkeit der elektronischen Kommunikation der Prüfung durch den Europäischen Datenschutzbeauftragten zu unterziehen.

4.18.   Artikel 42

Der EWSA zeigt sich besorgt, dass der Begriff „nach“ in Absatz 1 so ausgelegt werden kann, dass der Europäische Datenschutzbeauftragten erst nach Annahme des Gesetzgebungsakt konsultiert werden muss und nicht einmal mehr auch nur informell vorab konsultiert wird.

4.19.   Artikel 44

Nach Meinung des EWSA dürfen im Grunde nur Beamte als Datenschutzbeauftragte benannt werden. Sollte dies ausnahmsweise nicht möglich sein, sollten die Datenschutzbeauftragten auf der Grundlage der Vorschriften für die öffentliche Auftragsvergabe für die Erbringung von Dienstleistungen ausgewählt werden und der Beurteilung durch den Europäischen Datenschutzbeauftragten unterliegen.

4.20.   Artikel 45

4.20.1.

Ungeachtet der vorstehenden Bemerkungen muss der Datenschutzbeauftragte, wenn er kein Beamter ist, aufgrund der Art seiner Aufgabe jederzeit seines Amtes enthoben werden können, wofür die Zustimmung des Europäischen Datenschutzbeauftragten erforderlich ist (Artikel 45 Absatz 8 des Verordnungsvorschlags).

4.20.2.

Die Amtszeit sollte auf fünf Jahre mit einmaliger Wiederernennung festgelegt werden.

4.21.   Artikel 56

Aufgrund jüngster, allgemein bekannter Vorkommnisse betreffend hochrangige Beamte der Organe der EU empfiehlt der EWSA festzulegen, welche Funktionen, insbesondere in Privatunternehmen, nach Ausscheiden aus dem Amt für einen angemessenen Zeitraum nicht ausgeübt werden dürfen.

4.22.   Artikel 59

In einigen Sprachfassungen, insbesondere in der englischen Sprachfassung, ist der in Absatz 5 verwendete Begriff „actions“ zu eng und sollte durch den Begriff „proceedings“ ersetzt werden (in der portugiesischen und deutschen Sprachfassung ist das Konzept bereits korrekt übersetzt worden).

4.23.   Artikel 63

Mit Blick auf den sensiblen Inhalt der Bestimmung des Vorschlags unterstreicht der EWSA, dass der in Absatz 3 genannte Grundsatz der stillschweigenden Ablehnung umgekehrt und der Europäische Datenschutzbeauftragte auf diese Weise verpflichtet werden sollte, schleunig auf alle Beschwerden, die bei ihm eingelegt werden, zu antworten; im Unterlassungsfall werden diese Beschwerden als berechtigt erachtet.

4.24.   Artikel 65

Wie in seiner Stellungnahme zu dem ursprünglichen Vorschlag für die Datenschutz-Grundverordnung (Verordnung (EU) 2016/679) hervorgehoben, betont der EWSA, dass in dem Vorschlag neben den Bestimmungen von Artikel 67 auch die Möglichkeit vorgesehen werden muss, auf Verletzungen des Schutzes personenbezogener Daten im Rahmen einer Sammelklage zu reagieren, d. h. ohne Einzelmandat, da im Allgemeinen im Fall derartiger Verletzungen nicht nur eine Person, sondern eine oftmals unbekannte Vielzahl von Personen betroffen ist.

4.25.

Der Verordnungsvorschlag enthält zahlreiche unklare und subjektive Ausdrücke und Begriffe, die überarbeitet und ersetzt werden sollten. Dies gilt beispielsweise für die Begriffe „soweit möglich“, „wenn möglich“, „wenn machbar“, „ein hohes Risiko“, „gebührend“, „innerhalb einer angemessenen Frist“, „von besonderer Bedeutung“.

Brüssel, den 31. Mai 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  ABl. L 8 vom 12.1.2001, S. 1.

(2)  ABl. L 183 vom 12.7.2002, S. 1.

(3)  Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1).

(4)  Der EWSA hat eine Stellungnahme zu diesem Vorschlag angenommen (ABl. C 51 vom 23.2.2000, S. 48).

(5)  Verordnung (EU) 2016/679 vom 27.4.2016.

(6)  COM(2017) 10 final und COM(2017) 9 final.

(7)  COM(2017) 9 final.

(8)  ABl. C 229 vom 31.7.2012, S. 90.

(9)  Verordnung (EU) 2016/679.

(10)  ABl. P 45 vom 14.6.1962, S. 1385/62, und darauffolgende Änderungen.

(11)  Siehe beispielsweise die Stellungnahme mit Empfehlungen der belgischen Datenschutzinstitution „Commission de la Vie privée de la Belgique“ zum Schutz der Privatsphäre am Arbeitsplatz „Avis et Recommandations sur la vie privée sur le lieu de travail“ von Januar 2013.

(12)  Siehe beispielsweise die Empfehlung der belgischen Datenschutzinstitution „Commission de la Vie privée de la Belgique“ für eine Initiative zu Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz gegen Datenverlust „Recommandation d’initiative relative aux mesures de sécurité à respecter afin de prévenir les fuites de données“ (01/2013) vom 21. Januar 2013.

(13)  Siehe beispielsweise die Leitlinien zu Datenschutzbeauftragten „Guidelines on Data Protection Officers“, Artikel 29 Datenschutzgruppe, WP 243 vom 13. Dezember 2016.

(14)  Siehe beispielsweise das portugiesische Datenschutzgesetz (Lei n.o 67/98 vom 26. Oktober 1998).


31.8.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 288/115


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/59/EG über die Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer bestimmter Kraftfahrzeuge für den Güter- oder Personenkraftverkehr und der Richtlinie 2006/126/EG über den Führerschein“

(COM(2017) 47 final — 2017/0015 (COD))

(2017/C 288/16)

Berichterstatter:

Pasi MOISIO

Befassung

Rat der Europäischen Union, 20.2.2017

Europäisches Parlament, 1.3.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 91 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

 

 

Zuständige Fachgruppe

Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

Annahme in der Fachgruppe

16.5.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

31.5.2017

Plenartagung Nr.

526

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

185/0/0

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der EWSA erkennt an, dass sich die Richtlinie zur Regelung der Qualifikation und Weiterbildung von Fahrern im Schwerlastverkehr (1) trotz bestimmter Mängel grundsätzlich positiv auf den Straßentransportsektor in Europa ausgewirkt hat. Die Einführung eines einheitlichen Ausbildungssystems hat dazu beigetragen, das Berufskönnen der Berufskraftfahrer zu verbessern, das allgemeine Dienstleistungsniveau im Straßentransportsektor anzuheben und die Attraktivität des Sektors für Berufseinsteiger zu verbessern.

1.2.

Der EWSA ist der Ansicht, dass der vorliegende Vorschlag (2) zur Modernisierung der Richtlinie zur weitere Unterstützung des Grundsatzes der Freizügigkeit innerhalb der EU beiträgt und ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einem solideren, offeneren und stark wettbewerbsorientierten Gemeinschaftsmarkt für Transportleistungen ist, der nun auch wirksamer und ausgewogener überwacht werden kann.

1.3.

Der EWSA unterstützt die mit der Modernisierung der Richtlinie über die Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer verfolgten Ziele, die Straßenverkehrssicherheit sowie den Schutz und die Sicherheit der Berufskraftfahrer zu erhöhen. Der EWSA nimmt insbesondere zur Kenntnis, dass im Bereich der Straßenverkehrssicherheit in den vergangenen Jahren hervorragende Ergebnisse erzielt wurden, und forderte die Kommission auf, die Maßnahmen zur weiteren Stärkung dieser positiven Entwicklung fortzuführen.

1.4.

Der EWSA befürwortet ferner das Ziel, die administrativen Verfahren in den verschiedenen Mitgliedstaaten zu harmonisieren und zu straffen, damit in einem anderen Mitgliedstaat gemäß der Richtlinie durchgeführte Schulungen und Programme der Fahrausbildung automatisch anerkannt und ohne Interpretationsspielraum und ohne zusätzliche Anforderungen gegenseitig akzeptiert werden. Der EWSA weist jedoch darauf hin, dass die gegenseitige Anerkennung der Ausbildung eine vollkommene Einheitlichkeit in Umfang und Qualität der in den verschiedenen Mitgliedstaaten organisierten Ausbildungen erfordert. Um dies zu gewährleisten, bedarf es einer effizienteren Überwachung und einer engeren Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Behörden der Mitgliedstaaten.

1.5.

Gefälschte personengebundene Dokumente über eine bestehende berufliche Qualifikation des Fahrers und gefälschte Nachweise für Ausbildungen, die in Wirklichkeit gar nicht absolviert wurden, verursachen Wettbewerbsverzerrungen auf dem Transportmarkt und schaden den Interessen der rechtmäßig tätigen Berufskraftfahrer. Der EWSA dringt darauf, dass ein lückenloses System geschaffen wird, das die Echtheit der Führerscheine und Fahrerqualifizierungsnachweise sicherstellt. Darüber hinaus wird unter Verweis auf Ziffer 1.4 der Empfehlungen vorgeschlagen, die Aufsicht über die in verschiedenen Ländern tätigen zugelassenen Ausbildungseinrichtungen in der Zukunft zu intensivieren, damit Umfang und Qualität der Ausbildung jederzeit und ohne Ausnahme überprüft werden können.

1.6.

Ebenso muss unbedingt die Gleichwertigkeit und Kohärenz der EU-Rechtsvorschriften für ein und derselben Zielgruppe oder ein und demselben Sektor — hier die Berufskraftfahrer im Schwerlastverkehr — gestärkt werden. Das erhöht nicht nur die Rechtssicherheit der im Rahmen dieser Vorschriften tätigen Akteure, sondern auch die allgemeine Glaubwürdigkeit der EU-Rechtsvorschriften.

1.7.

Mit der Modernisierung der Richtlinie wird eine engere Ausrichtung an den neuen großen Tendenzen im Verkehrsbereich wie Digitalisierung und Dekarbonisierung angestrebt. Der EWSA stimmt dem Ansatz zu und weist darauf hin, dass der Verkehrsbereich zwar zügig automatisiert wird und die Robotisierung rasch voranschreitet, es aber auch in Zukunft die zentrale Rolle des Faktors „Mensch“ zu berücksichtigen gilt. Bei der Fahrerausbildung müssen die zunehmende Notwendigkeit digitaler Kompetenzen sowie die wachsende Bedeutung der Fähigkeiten des Fahrers im Hinblick auf die angestrebte Senkung der Kohlenstoffemissionen anerkannt werden.

1.8.

Eine der zentralen Herausforderungen im Geltungsbereich der Richtlinie ist, dass insbesondere die Weiterbildung auf die individuellen Erfordernisse der Berufskraftfahrer abgestimmt und inhaltlich so zugeschnitten werden muss, dass die spezifischen Aufgaben der einzelnen Fahrer bestmöglich unterstützt werden. Daher sollte die Richtlinie eine gewisse Flexibilität und Handlungsspielraum in Bezug auf die Inhalte der zu belegenden Fortbildungskurse und auf die Lehrmethoden bieten.

1.9.

Der EWSA betont, dass es bereits während der Fahrausbildung einheitlich die Möglichkeit geben sollte, noch vor Erwerb der Grundqualifikation ein Fahrzeug zu führen. Dies ist notwendig und sollte auch in Zukunft den Auszubildenden gewährt werden, zum Beispiel während der Arbeitspraktika in Unternehmen, jeweils unter Aufsicht und Anleitung, und auch im Hinblick auf das Recht zum Führen von Nutzfahrzeugen im gewerblichen Verkehr. Das erfolgreiche Absolvieren solcher Fahrten sollte Teil der zum Erhalt der Berufsqualifikation notwendigen Ausbildung sein. Bei der Überarbeitung der Richtlinie darf dieser Punkt nicht wegfallen. Gleichzeitig muss jedoch sichergestellt werden, dass das Recht, gewerblichen Transport und Ausbildung miteinander zu verknüpfen, nicht zu unlauterem Wettbewerb führt oder sich nachteilig auf die Lage der Arbeitnehmer im Verkehrssektor auswirkt.

1.10.

Obgleich der Vorschlag der Kommission grundsätzlich ausgewogen ist und in die richtige Richtung geht, möchte der Ausschuss eine Reihe spezifischer Änderungen, Ergänzungen und Vorschläge unterbreiten, die seiner Ansicht nach die Umsetzung der Richtlinie und ihre Anwendung bezüglich der Fahrerausbildung noch weiter verbessern würden. Diese Vorschläge werden in den allgemeinen und besonderen Bemerkungen in dieser Stellungnahme eingehender dargelegt.

2.   Hintergrund

2.1.

In den Jahren 2007-2009 wurde in der EU die Richtlinie 2003/59/EG in die Praxis umgesetzt, durch die alle Fahrer von Lastkraftwagen und Bussen auf dem Gebiet der EU, alle Personen, die für ein in den EU-Mitgliedstaaten registriertes Verkehrsunternehmen arbeiten, sowie alle im gewerblichen Verkehr tätigen selbständigen Berufskraftfahrer zur Absolvierung einer Erstausbildung und so zum Erwerb der erforderlichen beruflichen Qualifikation verpflichtet werden.

2.2.

Darüber hinaus wurde in der Richtlinie 2003/59/EG der Grundsatz des lebenslangen Lernens als Voraussetzung für die berufliche Tätigkeit von Kraftfahrern verankert, die gemäß den Bestimmungen der Richtlinie in regelmäßigen Abständen an Weiterbildungen teilnehmen müssen, um dadurch ihre Berufsqualifikation zu erhalten.

2.3.

Nach Schätzungen der Europäischen Kommission gibt es in den 28 EU-Mitgliedstaaten etwa 3,6 Mio. in Verkehrsunternehmen beschäftigte Fahrer von Lastkraftwagen und Bussen, die in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fallen (2,8 Mio. LKW-Fahrer und 0,8 Mio. Busfahrer) (3).

2.4.

Die Erstausbildung umfasst je nach Alter und etwaigen bereits erworbenen Berufsqualifikationen 140 oder 280 Stunden. Jeder Fahrer muss alle fünf Jahre an einer mindestens 35-stündigen Weiterbildung teilnehmen.

2.5.

Zahlreiche großangelegte Studien im Auftrag der Kommission in den letzten Jahren und die Folgenabschätzung haben ergeben, dass in mehreren Punkten Reformbedarf besteht. Gleichzeitig wurden Probleme und Unterschiede bei der Anwendung der Richtlinie und ihrer Auslegung in den einzelnen Mitgliedstaaten festgestellt.

2.6.

Im Zuge der öffentlichen Konsultation (4) zur vorgeschlagenen Überprüfung der Richtlinie gingen bei der Kommission aus verschiedenen Mitgliedstaaten nahezu 400 Antworten von Berufskraftfahrern, Verkehrsunternehmen und Beschäftigten des Transportwesens sowie von Arbeitgeberverbänden des Transportgewerbes ein.

2.7.

Sowohl die Konsultation als auch verschiedene Studien ergaben identische Befunde für die Probleme mit dieser Richtlinie. Nach Ansicht der Kommission sind die beobachteten Probleme in der alltäglichen praktischen Arbeit im Güter- und Personenkraftverkehr allgemein bekannt, und sie werden als Hindernis für ein einheitliches und gleichberechtigtes Handeln auf den Verkehrsmärkten der EU gesehen.

2.8.

Diese Probleme können in drei Gruppen unterteilt werden (5):

Die Aus- und Weiterbildung wird nicht immer gegenseitig anerkannt;

Das individuelle Tätigkeitsprofil des Fahrers ergibt einen Bedarf, der inhaltlich nicht immer in vollem Umfang durch die Schulungen abgedeckt wird;

Bei der Auslegung der möglichen Ausnahmen in Bezug auf den Geltungsbereich der Richtlinie treten Probleme und Unterschiede auf, die eine Rechtsunsicherheit unter den Berufskraftfahrern zur Folge haben.

2.9.

Zusätzlich zu den oben geschilderten Problemen gibt es bei den Altersgrenzen nachweislich schwerwiegende Unstimmigkeiten und Widersprüche zwischen der Richtlinie über die Grundqualifikation und Weiterbildung von Kraftfahrern und der Führerscheinrichtlinie, die allgemeine Regelungen über die Fahrerlaubnis enthält. Das hat in den Mitgliedstaaten zu echten Problemen geführt und erfordert rasche Lösungen.

2.10.

Für eine Überprüfung der Richtlinie spricht nach Ansicht der Kommission auch die angestrebte bessere und vereinfachte Rechtsetzung gemäß den Grundsätzen der REFIT-Initiative.

2.11.

Die Überprüfung der Richtlinie sollte zu mehr Klarheit und Kohärenz und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze im Transportsektor, darunter auch KMU, führen. Die Lösung der ermittelten Probleme und die entsprechende Überprüfung der Richtlinie versprechen nach Ansicht der Kommission auch erhebliche Kosteneinsparungen sowohl für die Fahrer als auch für deren Arbeitgeber.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Derzeit müssen die Mitgliedstaaten mit Blick auf die einzelstaatliche Herangehensweise an die Grundqualifikation zwischen zwei Alternativen wählen: a) Teilnahme an einer Weiterbildung und Ablegen einer kürzeren Prüfung oder b) lediglich Ablegen einer längeren Prüfung. Um Flexibilität und Wahlfreiheit zu erhöhen, schlägt der EWSA auch mit Blick auf die unterschiedlichen individuellen Qualifizierungsniveaus vor, die Richtlinie in dieser Hinsicht auch dadurch zu modernisieren, dass das Recht, beide Modelle nebeneinander zu verwenden, klar festgeschrieben wird (6).

3.2.

Es ist wichtig, dass in der praktischen Weiterbildung von Berufskraftfahrern besonderer Wert auf Themenbereiche im Zusammenhang mit der Sicherheit im Verkehr und auf den Straßen sowie Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, die Entwicklung digitaler Kompetenzen und Fertigkeiten sowie Unterricht für eine umweltfreundliche, wirtschaftliche und vorausschauende Fahrweise gelegt wird.

3.3.

Bei der Prüfung dieser Frage muss der größte, von Berufskraftfahrern und anderen Akteuren des Verkehrssektors in den Konsultationen genannte Missstand berücksichtigt werden: Die Inhalte der Schulungen und der auf der jeweiligen individuellen Stellenbeschreibung beruhende Schulungsbedarf der Fahrer stehen nicht in Einklang miteinander. Daher sind maßgeschneiderte Schulungsinhalte gefordert, die bestmöglich auf die Bedürfnisse der einzelnen Fahrer ausgerichtet sind. Der EWSA weist darauf hin, dass Schulungen dadurch auch sinnvoller werden und die Motivation der Berufskraftfahrer zur Teilnahme an Weiterbildungen steigt.

3.4.

Sollte mit der neuen Richtlinie demnach versucht werden, bestimmte Themenbereiche obligatorisch in die Programme zur Aus- und Weiterbildung von Berufskraftfahrern einzubeziehen, sollten sie unter Berücksichtigung der in Ziffer 3.1 enthaltenen Ansichten des EWSA möglichst flexibel, weitreichend und offen formuliert werden.

3.5.

Da von Berufskraftfahrern im Schwerlastverkehr bedingt durch ihre Tätigkeit oftmals verlangt wird, auch an anderen Schulungen gemäß dem EU-Recht teilzunehmen, wäre es sinnvoll, diese Schulungen in höherem Maße als Teil der beruflichen Weiterbildung im Sinne der Richtlinie über die Qualifikation anzuerkennen. Dadurch würden Doppelungen bei den Schulungen vermieden, die Verwaltungslast gemindert, Kosten eingespart und die Motivation der Fahrer zur Teilnahme an Weiterbildungen erhöht.

3.6.

Im Zuge der Überprüfung der Richtlinie wird die Möglichkeit geschaffen, Online-Weiterbildungsangebote wahrzunehmen. Der EWSA begrüßt dies und sieht darin einen notwendigen Fortschritt in der Ausbildung von Berufskraftfahrern. Diese Maßnahmen führen zur Verbesserung der digitalen Kompetenzen der Lernenden und sind insbesondere für Akteure in abgelegenen Gebieten eine große Hilfe. Über das Internet kommen die Bildungsangebote zu den Lernenden, die auf diese Weise nicht mehr die oftmals langen Strecken zurücklegen müssen, um an herkömmlichen Ausbildungsmaßnahmen teilzunehmen.

3.7.

Es ist bedauerlich, dass die Kommission nicht die Möglichkeit vorsieht, einen siebenstündigen Schulungstag in kleinere Einheiten zu unterteilen. Gemäß dem Richtlinienentwurf muss er weiterhin als Blockveranstaltung absolviert werden. Das ist für Fahrer und Transportunternehmen ein echtes Problem. Um Arbeit und Weiterbildung miteinander in Einklang zu bringen und gleichzeitig die Bildungsergebnisse sowie die Möglichkeit des internetbasierten Lernens zu verbessern, ist mehr Flexibilität erforderlich. Nicht die Länge eines Unterrichtstages, sondern die Gesamtzahl von 35 Unterrichtsstunden ist maßgeblich, um die Schulungsziele zu erreichen. Dies entspräche auch den Grundsätzen der REFIT-Initiative.

3.8.

Die erlangte berufliche Qualifikation wird durch einen separaten Fahrerqualifizierungsnachweis oder durch die Eintragung der gültigen Qualifikation in Form eines Gemeinschaftscodes in den Führerschein nachgewiesen. Die Mitgliedstaaten können zwischen diesen beiden Optionen frei wählen. Gefälschte Nachweise erweisen sich in der Praxis zunehmend als Problem. So schlägt der EWSA vor, auf EU-Ebene rasch eine Datenbank einzurichten, damit die verschiedenen Stellen in Echtzeit prüfen können, ob die beruflichen Qualifikationen eines Fahrers tatsächlich erworben wurden. Dies könnte möglicherweise dadurch bewerkstelligt werden, dass die Daten über Berufsqualifikationen in die Datenbank RESPER (7) eingespeist werden, in der die Führerscheininformationen aus den Mitgliedstaaten zusammenlaufen. Dann könnten die Behörden der einzelnen Mitgliedstaaten gleichzeitig die Gültigkeit sowohl von Fahrerlaubnissen als auch von Berufsqualifikationen prüfen.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1.

Der EWSA unterstreicht, dass die zwischen der EU-Führerscheinrichtlinie (8) und der Richtlinie über die Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer bestehenden Widersprüche hinsichtlich des geforderten Mindestalters unverzüglich ausgeräumt werden müssen. Dies sollte durch eine Ausnahmeregelung zur Führerscheinrichtlinie bewerkstelligt werden, der zufolge eine Fahrerlaubnis gemäß den in der Richtlinie 2003/59/EG festgelegten Altersgrenzen bewilligt werden kann.

4.2.

Der EWSA ist der Ansicht, dass die in die Richtlinie aufzunehmenden Ausnahmen bezüglich des Geltungsbereichs unbedingt in allen Punkten mit den in der Verordnung über Lenk- und Ruhezeiten (9) enthaltenen Ausnahmen (10) für Fahrer im Schwerlastverkehr identisch sein müssen. In diesem Zusammenhang wird zwar mit dem Vorschlag zur Überprüfung der Richtlinie ein Schritt in die richtige Richtung gemacht, doch gibt es nach wie vor Unterschiede zwischen den Ausnahmen zu den erwähnen Rechtsakten. Ohne eine vollständige Harmonisierung der Ausnahmen werden auch die Widersprüche und Inkohärenzen der Rechtsvorschriften über Berufskraftfahrer nicht völlig beseitigt.

4.3.

Das Ziel, die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen, ist unbedingt zu begrüßen. Für bedenklich hält der EWSA jedoch die im Richtlinienvorschlag enthaltene Verpflichtung, im Rahmen der Weiterbildung mindestens einen Kenntnisbereich (in der Praxis einen von fünf Weiterbildungstagen) ausschließlich der Straßenverkehrssicherheit zu widmen. Stattdessen könnte man die Verpflichtung gemäß der Empfehlung der jetzigen Richtlinie (11) formulieren und zusätzlich dadurch ergänzen, dass die Weiterbildung mindestens einen Tag umfassen muss, „der ganz im Zeichen der Verkehrssicherheit, der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz sowie dem rationelleren Kraftstoffverbrauch steht“. Dadurch wird eine sparsame und vorausschauende Fahrweise in das Ausbildungsprogramm eines jeden Berufskraftfahrers in der EU aufgenommen, gehört sie doch untrennbar zur Straßenverkehrssicherheit.

4.4.

Eine Lehrlingsausbildung ist in mehreren Mitgliedstaaten wichtiger Bestandteil der Ausbildung zum Erwerb der beruflichen Grundqualifikation eines Fahrers, der unter Kontrolle und Aufsicht an der Erfüllung echter gewerblicher Beförderungsaufträge teilnimmt. Diese Möglichkeit sollte beibehalten werden, um auch weiterhin dafür zu sorgen, dass Berufseinsteiger sich bereits während der Ausbildung mit der Arbeit vertraut machen, und auf diese Weise gleichzeitig zu gewährleisten, dass Berufsanfänger eine umfassende Berufsausbildung absolviert haben. Der EWSA lehnt daher die im Richtlinienvorschlag enthaltene Änderung strikt ab, durch die gewerbliche Beförderungen während der Ausbildung zum Erwerb der beruflichen Grundqualifikation unmöglich würden. Es sollte jedoch betont werden, dass dieses Recht auf Durchführung gewerblicher Transporte immer an eine gleichzeitige Kontrolle im Rahmen der Ausbildung gebunden sein muss und in keinem Fall zu Wettbewerbsverzerrungen oder Sozialdumping führen darf.

4.5.

Der EWSA begrüßt die durch die Überprüfung der Richtlinie gebotene Möglichkeit, für eine Zeiteinheit von sieben Stunden bzw. einen Unterrichtstag obligatorische Schulungen auf Grundlage anderer EU-Rechtsvorschriften (wie beispielsweise die Schulung für die Behindertenbelange bei der Fahrgastbeförderung, Schulungen über die Beförderung gefährlicher Güter, Schulungen für den Transport von Tieren) als Teil der beruflichen Fortbildung anzuerkennen. Allerdings wäre es wichtig, diese Anerkennungsmöglichkeit auf mehrere Schulungstage auszuweiten, um Doppelungen in der Ausbildung zu vermeiden und Kosten zu sparen. Mehrfachanforderungen an die Aus- und Weiterbildung stehen nicht im Einklang mit den Grundsätzen einer vereinfachten und besseren Rechtsetzung, und die Fahrer in den verschiedenen Verkehrssektoren werden diesbezüglich nicht gleich behandelt: Einige von ihnen sind verpflichtet, regelmäßig Weiterbildungsveranstaltungen im Sinne der Richtlinie zu besuchen und zusätzlich dazu andere gesetzlich vorgeschriebene Schulungen aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit zu absolvieren.

4.6.

Der Vorschlag zur Änderung der Richtlinie würde in der Folge auch das E-Learning ermöglichen, mit dessen Hilfe ein Teil der beruflichen Qualifikation durch Aus- und Weiterbildungsangebote über das Internet selbständig erworben werden kann. Dies ist für sich genommen eine sehr begrüßenswerte Neuerung, doch ist der EWSA der Auffassung, dass die Höchstzahl an Schulungen, die über das Internet absolviert werden können, genauer angegeben werden sollte, damit die ungenaue Formulierung „zum Teil“ des Richtlinienvorschlags nicht zu unterschiedlichen Auslegungen und Praktiken in den einzelnen Mitgliedstaaten führt.

4.7.

Der EWSA hält es für unbedingt erforderlich, den Schulungstag in kleinere Lerneinheiten gliedern zu können. Leider ist das im Richtlinienvorschlag nicht vorgesehen, und es besteht die reale Gefahr, dass es dadurch zu praktischen Konfliktsituationen kommen kann. Wenn ein Teil der Aus- und Weiterbildung online absolviert werden kann, sollte auch die flexible Möglichkeit bestehen, eine beispielsweise siebenstündige Unterrichtseinheit über dasselbe Thema derart zu teilen, dass an einem Tag ein Teil als Gruppenunterricht oder als praktische Übung und der andere Teil am zweiten Tag als Online-Unterricht durchgeführt wird. Dies ist schon deshalb erforderlich, weil die nötigen Unterrichtsmittel sich häufig an unterschiedlichen Orten befinden.

Brüssel, den 31. Mai 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Richtlinie 2003/59/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ( ABl. L 226 vom 10.9.2003, S. 4).

(2)  COM(2017) 47 final.

(3)  SWD(2017) 27 final — Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen, Folgenabschätzung, 1. Februar 2017, Seite 10.

(4)  Ergebnis der Konsultation:

https://ec.europa.eu/transport/road_safety/sites/roadsafety/files/pdf/consultations/cpc_main_conclusions.pdf

(5)  Begleitunterlage der Kommission SWD(2017) 26 final, Zusammenfassung der Folgenabschätzung bezüglich des Vorschlags für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2003/59/EG und der Richtlinie 2006/126/EG.

(6)  COM(2012) 385 final, Tabelle 1, Seite 6.

(7)  https://www.eucaris.net/kb/resper/.

(8)  Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 403 vom 30.12.2006, S. 18).

(9)  Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 102 vom 11.4.2006, S. 1).

(10)  Verordnung (EG) Nr. 561/2006, Artikel 3 und 13.

(11)  Richtlinie 2003/59/EG, Artikel 7 Absatz 1.


31.8.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 288/120


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Gemeinsamen Mitteilung der Europäischen Kommission und der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik an das Europäische Parlament und den Rat über die künftige Strategie der EU für internationale Kulturbeziehungen“

(JOIN(2016) 29 final)

(2017/C 288/17)

Berichterstatter:

Luca JAHIER

Befassung

Europäische Kommission, 23.9.2016

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

 

 

Zuständige Fachgruppe

Außenbeziehungen

Annahme in der Fachgruppe

2.5.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

31.5.2017

Plenartagung Nr.

526

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

165/0/0

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Kultur kommt im derzeitigen globalen politischen Umfeld, in dem die Achtung der Menschenrechte, Toleranz, Zusammenarbeit und gegenseitige Solidarität erneut bedroht sind, eine wichtige Rolle zu. Folglich begrüßt der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) die gemeinsame Mitteilung, die ein gutes Verständnis für die Wirkung der Kultur offenbart, eine beeindruckende Aufstellung auf EU- und nationaler Ebene bestehender Programme enthält und in der mögliche Handlungsfelder im Bereich des internationalen Kulturaustausches hervorgehoben werden.

1.2.

Der EWSA ruft nun zu einem Schritt nach vorn auf, von einer Mitteilung über die „künftige EU-Strategie“ hin zu der Annahme und anschließenden Umsetzung einer klaren Strategie und eines Aktionsplans. Der Aktionsplan sollte vier strukturellen Erfordernissen entsprechen: Schaffung klarer Entscheidungsstrukturen auf EU-Ebene; Streben nach Koordinierung und Subsidiaritätsunterstützung auf der Ebene der Mitgliedstaaten; Klärung finanzieller Aspekte; Förderung von Netzwerken miteinander verbundener kultureller Akteure, die eine blühende kulturelle Zivilgesellschaft repräsentieren.

1.3.

Mit Blick auf die uneingeschränkte Anerkennung der Bedeutung der Kultur für die Nachhaltigkeit fordert der EWSA die Anerkennung der Kultur als vierte Säule der nachhaltigen Entwicklung, gleichberechtigt mit den Säulen Wirtschaft, Soziales und Umwelt.

1.4.

Der EWSA begrüßt es, dass die Kultur als entscheidendes Fundament für Frieden und Stabilität anerkannt wird. Deshalb ist die Kultur von ausschlaggebender Bedeutung für die Weiterverfolgung des wichtigsten Ziels der Europäischen Union, nämlich „den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern“ (Artikel 3 EUV). Der EWSA appelliert daher an die EU, ausgehend von den eigenen Erfahrungen Europas ihre Rolle als globaler Vorreiter bei der Verwirklichung, dem Schutz und der Förderung des Friedens in der Welt wahrzunehmen.

1.4.1.

Dies könnte beispielsweise durch die Entwicklung experimenteller Initiativen gefördert werden, wie z. B. die neue Initiative „Weiße Taube“ — nach dem Vorbild der Rolle der EU im nordirischen Friedensprozess —, wodurch Konfliktlösungsstrategien um eine dringend benötigte Komponente der Kultur und der Friedenskonsolidierung ergänzt würden.

1.4.2.

Die Förderung der Kultur als Säule für Frieden und Stabilität geht einher mit dem Verweis auf die Freiheit des künstlerischen Ausdrucks als Menschenrecht und mit der Förderung weltweiter Initiativen zum Schutz der Künstlerrechte sowie mit dem Ausbau solcher Initiativen auf europäischer Ebene.

1.4.3.

Der EWSA ist sich der Gefahren eines möglichen Missbrauchs und einer Manipulation der Kultur zu autoritären, populistischen oder anderen politischen Zwecken bewusst. Der innereuropäische Austausch ermöglicht es, dass die Ansichten zahlreicher Interessenträger und pluralistische Ansätze zum Ausdruck kommen, und zwar ohne das für Propaganda typische Element der Kontrolle. Weil sie den außerordentlichen Reichtum der Vielfalt ausdrückt, kann und wird Kultur unweigerlich populistischen Tendenzen und staatlich gelenkter Kulturpropanda entgegenwirken, Brücken zwischen den Völkern bauen und Möglichkeiten für eine engere Zusammenarbeit und einen stärkeren Austausch eröffnen.

1.5.

Der EWSA unterstreicht die Bedeutung der Organisationen der Zivilgesellschaft als Protagonisten einer nachhaltigen Gesellschaft und für die Entwicklung sämtlicher Initiativen im Bereich der Kultur. Die EU sollte deshalb in die Förderung der Entwicklung einer strukturierten Zivilgesellschaft im Kulturbereich investieren.

1.5.1.

Der EWSA betont den Nutzen von Programmen zur Auslotung der Verbindungen zwischen der Kultur und Strategien für wirtschaftliche, soziale und politische Entwicklung, so dass die Kultur vom Rande in den Mittelpunkt der Politik rückt.

1.5.2.

Der EWSA spricht sich für die Entwicklung von Studien- und Austauschprogrammen im Bereich der Kultur im weiteren Sinne aus, wozu auch die Anpassung des modellhaften, erfolgreichen Programms ERASMUS+ gehört.

1.5.3.

Der EWSA begrüßt die Einrichtung eines Forums der kulturellen Zivilgesellschaft unter Einbeziehung aller einschlägigen Interessenträger. Der EWSA wird sich in den kommenden Jahren für die Unterstützung dieser strukturierten Konsultation und dieses strukturierten Dialogs engagieren.

1.6.

Der EWSA erkennt die Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft als eines entscheidenden Faktors für Wirtschaftswachstum, die Schaffung von Arbeitsplätzen und nachhaltige Entwicklung an. In der Mitteilung wird eine Reihe von Aspekten und Programmen hervorgehoben, die der EWSA voll und ganz unterstützt. Der Ausschuss spricht sich daher für angemessene Investitionen in diesem Bereich aus.

1.6.1.

Die Entwicklung von Kompetenzen in der Kultur- und Kreativwirtschaft bereitet den Boden für die Entfaltung dieses Potenzials.

1.6.2.

Der EWSA begrüßt das Vorhaben, auf internationaler Ebene in Zusammenarbeit mit dem Europarat und der UNESCO ein System der „Kulturhauptstädte Europas“ zu entwickeln sowie den Austausch der bestehenden Städtenetze in kulturellen Fragen auszubauen.

1.7.

Der Ausschuss unterstreicht, dass der kulturelle Aspekt zu den Kernelementen sämtlicher künftiger internationaler Abkommen gehören sollte, zum Beispiel die neue Partnerschaft mit den AKP-Staaten nach 2020.

1.8.

Nach Ansicht des EWSA sollte die positive Dynamik des 2018 bevorstehenden Europäischen Jahres für das kulturelle Erbe genutzt werden, um die Annahme und anschließende Umsetzung eines Aktionsplans für Kultur in den internationalen Beziehungen voranzutreiben.

2.   Überblick über die gemeinsame Mitteilung der Kommission und der Hohen Vertreterin

2.1.

In der gemeinsamen Mitteilung werden Ansätze für eine EU-Strategie für internationale Kulturbeziehungen im Rahmen der Rolle der EU als globaler Akteur beschrieben.

2.2.

In der Mitteilung werden für diese Strategie drei Säulen vorgeschlagen: 1) Leitprinzipien für das Vorgehen der EU, 2) drei Hauptlinien für ein solches Vorgehen und 3) ein Vorschlag für einen strategischen Ansatz für Kulturdiplomatie.

2.3.

In den vorgeschlagenen Leitprinzipien wird die Notwendigkeit betont, die kulturelle Vielfalt und die Achtung der Menschenrechte, einschließlich der Meinungsfreiheit und der Freiheit des künstlerischen Ausdrucks, als grundlegende Fundamente der Demokratie, Stabilität und nachhaltigen Entwicklung zu fördern. Es sei erforderlich, über eine reine Projektion der Vielfalt europäischer Kulturen hinauszugehen, indem Gegenseitigkeit und damit gegenseitiger Respekt und interkultureller Dialog unterstrichen werden. Darüber hinaus wird in der Mitteilung die Notwendigkeit der Komplementarität und Subsidiarität im Hinblick auf bestehende Bemühungen der Mitgliedstaaten betont. Es wird zu einem übergreifenden Ansatz ermuntert, der über die Künste im strengsten Wortsinn hinausgeht und Strategien und Aktivitäten in den Bereichen interkultureller Dialog, Fremdenverkehr, Bildung, Forschung und Kreativwirtschaft umfasst. Zuletzt wird in der Mitteilung die Notwendigkeit erläutert, Doppelarbeit zu vermeiden, indem bestehende Kooperationsrahmen und Finanzierungsinstrumente sowie damit bereits von der EU vorgeschlagene spezifische thematische Programme und geografische Kooperationsstrukturen berücksichtigt werden.

2.4.

Die drei vorgeschlagenen Arbeitslinien zum Vorantreiben der kulturellen Kooperation mit Partnerländern sind a) die Unterstützung der Kultur als Triebkraft für eine nachhaltige soziale und wirtschaftliche Entwicklung, b) die Förderung von Kultur und interkulturellem Dialog für ein friedliches Zusammenleben und c) die Verstärkung der Kooperation im Bereich des interkulturellen Erbes.

2.5.

In der Arbeitslinie zur Unterstützung der Kultur als Triebkraft für ein nachhaltiges gesellschaftliches und wirtschaftliches Wachstum wird vorgeschlagen, anderen Ländern bei der Entwicklung kultureller Grundsätze zu helfen, mit denen die Kultur- und Kreativwirtschaft gestärkt und die Rolle der lokalen Behörden in Partnerländern unterstützt wird.

2.6.

Die Entwicklung kultureller Maßnahmen kann durch die Vertiefung von Grundsatzdialogen und durch die Stärkung von Steuerungssystemen, auch über einen gezielten Erfahrungsaustausch, unterstützt werden.

2.7.

Die Rolle der kulturellen und kreativen Branchen bei der Förderung eines intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstums wird betont und gezeigt, dass die Kultur in Niedrig- und Mittellohnländern zu 1,5-3,7 % des BIP beiträgt (Kennziffern der UNESCO zu Kultur für Entwicklung). Somit wird in der Mitteilung vorgeschlagen, Erfahrungen auszutauschen, um diesen Sektor weiterzuentwickeln, kreative Knotenpunkte und Cluster zu stärken und relevante Fähigkeiten zu entwickeln sowie einen soliden Regelungsrahmen zu schaffen, um KMU und territoriale Kooperation zu unterstützen.

2.8.

Die Bedeutung der Unterstützung der Kultur in der städtischen Entwicklung wird hervorgehoben und deren Auswirkungen auf Wachstum und gesellschaftlichen Zusammenhalt betont. Ebenso wird die Notwendigkeit erwähnt, öffentlichen Raum für alle verfügbar zu machen, und es wird auf die Auswirkung audiovisueller Programme und Architektur verwiesen.

2.9.

Die zweite in der Mitteilung vorgeschlagene Arbeitslinie zur Förderung der Kultur und des interkulturellen Dialogs für ein friedliches Zusammenleben sieht eine Unterstützung der Kooperation, des Dialogs und der Mobilität kultureller Akteure und Kunstwerke vor.

2.10.

Es werden die Fähigkeit des interkulturellen Dialogs zur Förderung von Friedenskonsolidierung erwähnt und verschiedene bestehende Instrumente aufgezählt, wobei Kultur sowohl als Instrument zur Konfliktvermeidung als auch zur Aussöhnung in ehemaligen Konfliktgesellschaften dienen soll.

2.11.

Bei der dritten in der Mitteilung vorgeschlagenen Arbeitslinie handelt es sich um die Verstärkung der Kooperation im Bereich des kulturellen Erbes als einer bedeutenden Manifestation der kulturellen Vielfalt und als Instrument zur Förderung des Fremdenverkehrs und des Wirtschaftswachstums. Es wird deshalb vorgeschlagen, die Forschung zu kulturellem Erbe zu unterstützen, den illegalen Handel zu bekämpfen und zu den internationalen, unter der Ägide der UNESCO geführten Bemühungen zum Schutz von Kulturerbestätten beizutragen.

2.12.

Unter der dritten Säule wird in der Mitteilung ein strategischer Ansatz der EU im Hinblick auf Kulturdiplomatie vorgeschlagen, die im Interesse von Komplementarität und Synergie eine Kooperation zwischen allen Akteuren fördern soll: zwischen staatlichen Einrichtungen auf allen Ebenen, örtlichen Kulturorganisationen und der Zivilgesellschaft, der Kommission und der Hohen Vertreterin, den Mitgliedstaaten und deren Kulturinstituten. Es werden diverse Formate für eine verbesserte Kooperation vorgeschlagen.

2.13.

Darüber hinaus wird in der Mitteilung die Bedeutung des interkulturellen Austauschs von Studenten, Forschern und Alumni im Wege bereits existierender oder noch nicht entwickelter Austauschprogramme betont.

3.   Allgemeine Bemerkungen zu der Mitteilung

3.1.

Der EWSA begrüßt die von der Europäischen Kommission und der Hohen Vertreterin vorgeschlagene gemeinsame Mitteilung. In der heutigen Zeit, da soziale Fragmentierung und populistische Tendenzen an Boden gewinnen, kommt der Kultur eine immer wichtigere Rolle zu, wenn es gilt, die Verbindungen zwischen der Zivilgesellschaft zu stärken, das gegenseitige Verständnis zu fördern, die Vielfalt und den gegenseitigen Austausch zu unterstützen und vereinfachenden Ansichten entgegenzutreten.

3.2.

Die Mitteilung offenbart ein gutes Verständnis der Wirkung der Kultur, sie enthält eine beeindruckende Aufstellung bestehender Maßnahmen auf EU- und nationaler Ebene und hebt verschiedene potenzielle Handlungsfelder im Bereich kultureller Austauschprogramme und der Kulturdiplomatie hervor.

3.3.

Der Ausschuss hält es nunmehr jedoch für nötig, die Strategie einen Schritt weiter zu führen. In einem Aktionsplan müssen präzise Brennpunkte und strategisch relevante Länder definiert werden, um einen gezielten Ansatz und eine konsequente Bewertung einer ersten Phase der Strategie unter Berücksichtigung des bestehenden Finanzierungsinstruments für die Entwicklungszusammenarbeit (DCI 2014-2020) zu ermöglichen. Die Relevanz der Strategie für eine Kooperation mit der Nachbarschaft der EU und Erweiterungsländern wäre hervorzuheben.

3.4.

Kultur in den Außenbeziehungen kann nicht als neutral und unabhängig vom politischen Kontext der beteiligten Länder angesehen werden. Sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart gibt es Beispiele für den möglichen Missbrauch und die mögliche Manipulation der Kultur zu autoritären, populistischen oder anderen politischen Zwecken. Daher ist es wichtig zu betonen, dass die Kultur im innereuropäischen Austausch zwar durchaus einem Zweck dienst, dass es der Austausch in der EU aber — im Gegensatz zur Propaganda — möglich macht, dass die Ansichten zahlreicher Interessenträger und pluralistische Ansätze darin zum Ausdruck kommen. Folglich tritt in der EU das für Propaganda typische Element der Kontrolle nicht auf. Dementsprechend werden mit einer auf der außerordentlich reichen Vielfalt basierenden Kultur unweigerlich populistische Tendenzen und staatlich gelenkte Kulturpropanda bekämpft, Brücken zwischen den Völkern gebaut, vielerorts neu errichtete Mauern niedergerissen, zunehmende Vorurteile beseitigt und Chancen für eine engere Zusammenarbeit und einen stärkeren Austausch eröffnet.

3.5.

Durch eine auf kreativen Verfahren und der Aufwertung der Vielfalt, auch auf dem interkulturellen Austausch, beruhende kulturelle Bildung können die Menschen stärker sensibilisiert und ihr Widerstand gegenüber der populistischen Nutzung der Kultur weiter gefestigt werden.

3.6.

Der Ausschuss betont außerdem, dass angesichts der zahlreichen beteiligten Direktionen und Interessenträger eine klare Führungsstruktur eingerichtet werden muss, um die Kooperation zu leiten, damit eindeutige Vorschläge und Ergebnisse hervorgebracht werden. Die Struktur sollte dennoch flexibel sein, um keinen zusätzlichen Verwaltungsaufwand zu verursachen. Es sollte ein federführender Verwalter der verfügbaren Gelder bestimmt werden.

3.7.

Während die Kultur auch als ein eigenständiger Bereich anzusehen ist, betont der EWSA zugleich die Notwendigkeit, sie in benachbarten Politikfeldern zu etablieren, damit die Kultur vereinbarte Ziele und Maßnahmen fördern kann und ihre Bedeutung für das europäische Projekt gewürdigt wird. Derzeit fehlt die Kultur jedoch in bestehenden Aktionsplänen, auch im Arbeitsprogramm der Kommission für 2017. Die Kultur muss in den Prioritäten und Maßnahmen der Europäischen Kommission zunehmend präsent sein, und erste konkrete Maßnahmen müssen in das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2018 aufgenommen werden.

3.8.

Die Kultur ist ein Schlüsselelement zur Stärkung der Rolle der EU als globaler Akteur, auch in den unmittelbar erwähnten Schwerpunktbereichen und insbesondere in der EU-Strategie für Syrien, der globalen Strategie der EU und der Partnerschaft EU-Afrika.

3.9.

Angesichts der Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft schlägt der EWSA vor, durch geeignete Vorkehrungen sicherzustellen, dass Fragen im Zusammenhang mit der Kultur- und Kreativwirtschaft in allen künftigen Verhandlungen auf internationaler Ebene berücksichtigt werden, schon ab dem nächsten Verhandlungsmandat für die neue Partnerschaft mit den AKP-Staaten nach 2020. Dies gilt auch für Handelsverhandlungen, in denen die EU die für die Unterstützung, den Schutz und die Förderung europäischer Kulturaktivitäten erforderlichen Maßnahmen ergreifen sollten (1).

3.10.

Der EWSA sollte das Thema Kultur in die von ihm verwalteten ständigen Arbeitsorgane und in seine reguläre Arbeit aufnehmen.

3.11.

Der EWSA begrüßt, dass die Bedeutung der Kultur für die Entwicklung unserer Gesellschaften und deren Auswirkungen auf grundlegende Strategieaspekte anerkannt wird. Dennoch unterstreicht der EWSA, dass Künste und Kultur nicht nur auf ihren strategischen und materiellen Wert reduziert werden dürfen, sondern vielmehr ihrem eigentlichen Wesen nach als weithin sichtbarer Ausdruck unserer gemeinsamen Menschlichkeit aufzufassen sind.

3.12.

„Kulturelle Rechte“ werden kurz erwähnt, doch sollte die Strategie diesem Grundsatz der europäischen Werte als Fundament des kulturellen Verständnisses, Austausches und der kulturellen Entwicklung Rechnung tragen. In der Strategie könnte auch die wichtige Arbeit des Sonderberichterstatters im Bereich der kulturellen Rechte (OHCHR) (2) berücksichtigt werden.

3.13.

Auch wenn es in der Mitteilung heißt, dass die Menschen häufig mit digitalen Hilfsmitteln über die Grenzen hinweg kommunizieren und der Bedarf an Austausch und interkultureller Kooperation im Gleichtakt mit der digitalen Revolution gewachsen ist, werden die Implikationen und das Potenzial dieser digitalen Veränderungen für die internationalen Kulturbeziehungen zu knapp behandelt. Es ist somit grundlegend, die Auswirkungen des digitalen Wandels zu erforschen und zu verinnerlichen, wobei insbesondere die Auswirkungen auf den interkulturellen Austausch der Menschen zu berücksichtigen sind, und sowohl dessen Potenzial als auch dessen Risiken im Hinblick auf Einseitigkeit und Fehlinformation zu untersuchen. In diesem Sinne kann der kulturelle Austausch bei den Menschen Interesse wecken und sie anregen, Zugang zu online verfügbaren Informationen und Ressourcen zu suchen.

3.14.

Die Erwähnung digitaler Instrumente als Antrieb für diesen wachsenden Austausch ist fragwürdig, da wirtschaftliche Änderungen und gesellschaftliche Herausforderungen als dominante Kraft für den Fortschritt globaler Bewegungen angesehen werden können.

3.15.

Im Lichte der aktuellen Ereignisse schlägt der EWSA vor, den Dialog zwischen den Religionen als Element des interkulturellen Dialogs in die Mitteilung aufzunehmen, darunter auch philosophische und nicht-konfessionelle Organisationen, entsprechend der Präambel des Vertrags über die Europäische Union, in der das „kulturelle, religiöse und humanistische Erbe Europas“ als Inspirationsquelle genannt wird, und Artikel 17 AEUV. Dies könnte mit experimentellen Initiativen gefördert werden, wie Maßnahmen für Studierende und Dozenten von glaubensgebundenen Hochschulen und Religionsschulen im Rahmen des Programms Erasmus+.

3.16.

In der Mitteilung wird die Auswirkung der Kultur auf die nachhaltige Entwicklung als ein Unterbereich des integrativen und ausgewogenen wirtschaftlichen Wachstums erwähnt (3). Der EWSA bedauert angesichts von Ideen, die Kultur zu einer gleichwertigen Säule zur Unterstützung von Nachhaltigkeit zu machen, dass dieser Aspekt nicht weiter betont wird. In den letzten Jahren hat eine wachsende Anzahl an Organisationen (4) diese Darstellung begrüßt und betont, dass die Kultur als genauso bedeutend wie andere Dimensionen der Entwicklung zu erachten ist: Wirtschaft, gesellschaftliche Inklusion und Umwelt. Der EWSA unterstützt diesen Ansatz nachdrücklich. Dies steht wiederum im Zusammenhang damit, dass Kultur als Schlüsselelement eines integrativen Gemeinschaftsaufbaus erachtet wird.

3.17.

Der EWSA unterstreicht die zentrale Wichtigkeit von Ko-Kreationsprozessen für die künstlerische Entwicklung und den künstlerischen Austausch — ein Faktor, der nicht in der Mitteilung erwähnt wird. Ko-Kreation verbessert nicht nur einen Austausch und das Lernen auf Augenhöhe, sondern kann auch zu innovativen Werken führen, die sowohl die künstlerische Entwicklung als auch das Wachstum, darunter auch die wirtschaftliche und soziale Entwicklung, vorantreiben.

3.18.

Der Ausschuss unterstreicht, dass kultureller Austausch und Dialog auf objektiven Daten basieren sollten, sodass die kulturellen und künstlerischen Beziehungen zu einem bestimmten Land oder einer bestimmten Region bestmöglich aufeinander abgestimmt werden können. Die erfordert das Studium der kulturellen Praxis und der Stärken und Herausforderungen in Partnerländern wie auch zusammen mit diesen. Eine interessante Initiative ist diesbezüglich das „Compendium of cultural policies and trends in Europe“ des Europarates.

3.19.

Darüber hinaus erfordern die notwendigen langfristigen Ansätze eine kontinuierliche Überwachung und Revision, um die Auswirkungen und die gegenseitigen Vorteile von kulturellen Austauschprogrammen und Interaktionen sicherzustellen.

3.20.

Die Finanzierung der Übersetzung und Verdolmetschung bei Austauschmaßnahmen sollte in der Planung von Programmen zur Förderung des kulturellen Austauschs berücksichtigt werden.

3.21.

Hinsichtlich der Konzipierung neuer Programme unterstreicht der EWSA die Notwendigkeit, das Programm sowohl innerhalb der EU als auch gegenüber Partnerländern und deren Bürgern bekanntzumachen, wobei der Ansatz zu erklären, die Initiativen zu fördern und Wissen über Finanzierungsmöglichkeiten bereitzustellen sind. Verschiedene bestehende Kanäle (Euronews, Kulturpreise) könnten ausgebaut werden, um diese Anstrengungen zu unterstützen.

3.22.

Der Ausschuss betont ferner, dass die Rolle der subnationalen Strukturen, Regionen und Städte berücksichtigt werden muss, wie in der am 7./8. Februar 2017 verabschiedeten Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen betont wird.

3.23.

Der Ausschuss hält es für außerordentlich wichtig, einen offenen Austausch und die Beilegung zwischenstaatlicher Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf den Besitz von Kulturgütern, die Teil des nationalen Kulturerbes sind, zu fördern.

3.24.

Der EWSA begrüßt diese Mitteilung und befürwortet eine Umsetzung der Vorschläge in konkrete Maßnahmen, doch sollten weitere Bereiche ausgearbeitet werden, die in dem Vorschlag nicht ausreichend betont werden: a) Kultur als Faktor für Frieden und Stabilität, b) Kultur und Zivilgesellschaft sowie c) Kultur- und Kreativwirtschaft als treibende Kraft für nachhaltiges Wachstum und nachhaltige Entwicklung.

3.25.

In Anbetracht der Bedeutung und Sichtbarkeit des anstehenden Europäischen Jahres des kulturellen Erbes schlägt der EWSA vor, diesen Rahmen und diese positive Dynamik zu nutzen, um 2018 den Aktionsplan für Kultur in den Außenbeziehungen auszuarbeiten und auf den Weg zu bringen.

4.   Kultur als Faktor für Frieden, Stabilität und Sicherheit

4.1.

Der EWSA begrüßt es, dass die Kultur als entscheidendes Fundament für Frieden und Stabilität anerkannt wird. Demnach ist die Kultur von zentraler Bedeutung für die Verwirklichung des wichtigsten Ziels der Europäischen Union, „den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern“ (Artikel 3 EUV).

4.2.

Die Europäische Union muss den ihr gebührenden Platz als globaler Vorreiter bei der Verwirklichung, dem Schutz und der Förderung des Friedens in der Welt wahrnehmen. Dieses mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Modell, das nach den Weltkriegen den längsten Zeitraum des Friedens und des Wohlstands in Europa geschaffen hat, ist ein Zeugnis für ihre Fähigkeit, der Welt in dieser Hinsicht ein Vorbild zu sein. Die Erfolgsbilanz der EU im Bereich von Menschenrechten und Demokratie, Gleichstellung, Toleranz, Völkerverständigung und gegenseitiger Achtung ist auf der internationalen Bühne unerreicht. Das Motto der EU „In Vielfalt geeint“ hat angesichts der globalen Herausforderungen der heutigen Welt eine größere Resonanz als je zuvor in ihrer sechzigjährigen Geschichte.

4.3.

Der EWSA betont, wie wichtig der Austausch im Bereich der Konfliktverhütung, Konfliktbeilegung und Aussöhnung nach Konflikten ist. Der durch Kultur und die Künste geschaffene Raum ermöglicht einen offenen Austausch und die Entwicklung von gegenseitigem Vertrauen. Zwar wird die Kultur in Situationen vor und nach Konflikten erwähnt, doch muss dieser Aspekt besonders ausgearbeitet werden, da kulturelle Akteure aus Drittländern hierbei ebenfalls über umfassende Erfahrungen verfügen und somit Überlegungen zum gegenseitigen Nutzen anstellen können. Die Achtung der kulturellen Menschenrechte sollte in Friedensabkommen aufgenommen werden, um auch die Achtung kultureller Minderheiten in ehemaligen Konfliktgebieten zu ermöglichen (5).

4.4.

Die Rolle der EU im nordirischen Friedensprozess ist als eine mögliche Grundlage für eine globale Strategie der Friedenskonsolidierung von Interesse. So könnte sich beispielsweise eine neue „Weiße-Taube“-Initiative an der Rolle orientieren, welche die EU im nordirischen Friedensprozess durch ihr einzigartiges PEACE-Programm (6) gespielt hat. Mit globaler Reichweite könnte sie allumfassend sein und einen von der Basis ausgehenden Beitrag der Zivilgesellschaft und der politischen Akteure gewährleisten. Sie könnte mit dem neuen Europäischen Solidaritätskorps verknüpft werden und nach dem Modell von ERASMUS+ funktionieren, würde sich jedoch nicht ausschließlich an junge Menschen richten. Diese Initiative könnte das Zusammenspiel mit allen EU-Maßnahmen auf dem Gebiet der Verteidigung, Sicherheit und Diplomatie umfassen und würde Konfliktlösungsstrategien um einen dringend benötigten Aspekt der Kultur und der Friedenskonsolidierung erweitern. Sie würde somit den interkulturellen Dialog, den gegenseitigem Respekt, Toleranz und das gegenseitige Verständnis durch Kultur, Bildung und Medien fördern.

4.5.

Der EWSA verweist auf die Rolle der organisierten Zivilgesellschaft, politischer Stiftungen und örtlicher Behörden bei der Friedenskonsolidierung und Aussöhnung. Ihre Fachkenntnisse müssen genutzt und ihre Sichtweisen integriert und gefördert werden.

4.6.

Der Ausschuss betont, dass zur Förderung von Frieden und Stabilität kulturelle Initiativen und Austauschprogramme in Kooperation mit örtlichen Akteuren entwickelt werden müssen, und es müssen Anstrengungen unternommen werden, die örtlichen Bürger zu erreichen und über die gewöhnlich von kulturellen und künstlerischen Programmen angesprochenen Kreise hinauszukommen.

4.7.

Auf zwischenstaatlicher Ebene sind die Initiativen des Europarats löblich. Die Kooperation mit dem Europarat könnte verstärkt werden, um dessen Expertise im Hinblick auf jene Länder unter seinen Mitgliedern zu nutzen, die Nachbarländer der EU sind. Der EWSA verweist zum Beispiel auf den Indikatorrahmen für Kultur und Demokratie sowie auf die Initiative für Jugendfriedenscamps, die es jungen Menschen und Jugendorganisationen aus konfliktbelasteten Regionen ermöglicht, in Dialog zu treten und an Aktivitäten zur Konflikttransformation basierend auf der Erziehung in Menschenrechten und interkulturellem Lernen teilzunehmen. Dieses Programm könnte ein Vorbild für den kulturellen Dialog zwischen jungen Menschen sein.

4.8.

Der EWSA verweist außerdem auf die Auswirkungen der Kultur auf Sicherheitsfragen in städtischen Gebieten, wie in seiner unlängst vorgelegten Studie „Culture, Cities and Identity in Europe“ dargelegt, und schlägt vor, einen Austausch über einschlägige positive Erfahrungen zu fördern (7).

4.9.

Es sollte ein weiterreichendes Verständnis der Wirkung von Kultur — und deren Verlust — auf die Radikalisierung der Jugend entwickelt werden. Die Auswirkungen der kulturellen Aktivitäten und des kulturellen Erbes auf die Stabilität und den Zusammenhalt der Gesellschaft sind zu unterstreichen, und der Missbrauch der Kultur und des kulturellen Erbes zur Förderung radikaler und nationalistischer Zwecke muss verhindert werden.

4.10.

Die Förderung der Kultur als Faktor für Frieden und Stabilität muss Hand in Hand mit einem Verweis auf die Freiheit künstlerischen Ausdrucks als Menschenrecht gehen. Globale Initiativen zur Unterstützung verfolgter Künstler gibt es auf der Ebene zivilgesellschaftlicher Organisationen (z. B. Freemuse, Observatoire de la Liberté de la Création Artistique). Ihre Entwicklung und ihre Vernetzung innerhalb der europäischen Organisationen der Zivilgesellschaft sollten gefördert werden.

5.   Kultur und Zivilgesellschaft

5.1.

Der EWSA unterstreicht den Bedarf am Aufbau einer aktiven Zivilgesellschaft, um ein partizipatives und integratives Wachstum und eine kulturelle Entwicklung zu fördern. Die Aktivitäten der Zivilgesellschaft sollten durch kulturellen Dialog und Austausch sowie Maßnahmen des Kapazitätsaufbaus gestärkt werden (8). Der Aufbau der Verwaltungskapazitäten zivilgesellschaftlicher Organisationen ist ein Schlüsselelement für die Mitgestaltung und den Austausch auf Augenhöhe.

5.2.

Der EWSA ist folglich mit der Zielsetzung einverstanden, die Unterstützung von Organisationen der Zivilgesellschaft auszubauen, die in den Partnerländern im Kulturbereich aktiv sind. Die Notwendigkeit, kulturelle Akteure zu integrieren, wird zu Recht betont, und der EWSA möchte die Bedeutung dieser Bemühungen nicht nur für den interkulturellen Dialog, sondern auch für kulturelle Vielfalt und kulturelle Rechte unterstreichen.

5.3.

Der EWSA unterstreicht, dass nichtstaatliche Organisationen und Stiftungen sowohl in Europa als auch in Partnerländern als wertvolle Akteure und Ressourcen für einen erfolgreichen Austausch und Dialog zu beteiligen sind. Als solche sollten Programme nationaler Akteure aufgewertet und Kräfte vereinigt und von ihnen gelernt werden, so z. B. die Aktivitäten der Robert-Bosch-Stiftung in internationalen Beziehungen und die Projekte von Interarts, beispielsweise ihr von der EU finanziertes Projekt „Communities of practice for the public value of culture in the Southern Mediterranean — SouthMed CV“ (finanziert durch die GD NEAR über das Programm EUROMED), das darauf abzielt, die Kultur vom Rand ins Zentrum der öffentlichen Sphäre zu bringen, indem die potenziellen Verknüpfungen mit wirtschaftlichen, sozialen und politischen Entwicklungsstrategien ermittelt werden.

5.4.

Es wird darauf hingewiesen, dass (inter-)kulturelle Austauschprogramme nicht auf Künstler und kulturelle Akteure beschränkt werden dürfen, sondern eine starke Dimension der Öffentlichkeitsarbeit und Beteiligung aller Bürger umfassen sollten. Trotz gegenteiliger Bemühungen, hier Abhilfe zu schaffen, tendieren kulturelle und künstlerische Austauschmaßnahmen dazu, sich an einen begrenzten Personenkreis zu richten, die oftmals einen ähnlichen gesellschaftlichen und kulturellen Hintergrund und einen vergleichbaren Bildungsgrad haben. Somit sollten Austauschmaßnahmen zu partizipativen kulturellen Initiativen und die Entwicklung von Kunsterziehung explizit in Kulturprogramme aufgenommen werden. Nur dann können Künste und Kultur bestmöglich zur Förderung von Stabilität, Frieden und nachhaltiger Entwicklung eingesetzt werden.

5.5.

Der EWSA schätzt das ERASMUS+-Programm und dessen Bedeutung für den Austausch und das gegenseitige Verständnis und Lernen sehr. Ähnliche Initiativen für kulturelle Akteure und in der Kultur und Kunst aktive Bürger gibt es auf EU-Ebene nicht. Die Entwicklung eines spezifischen Austausch- und Mobilitätsprogramms für die Künste und die Kultur in einem weiteren Sinne sollte erwogen werden.

5.6.

Es gibt viele Austausch- und Studienbesuchsprogramme für Künstler und Kulturschaffende, die auf bilateraler Basis über nationale Kulturinstitutionen finanziert werden. Eine größere Synergie dieser Programme ist zu untersuchen, auch im Hinblick auf nichtstaatliche Initiativen wie den Roberto Cimetta Fund.

5.7.

Internationale Kooperation und Mobilität müssen als Plus für die Entwicklung kultureller Identität in einer Zeit anerkannt werden, in der demografische, soziale und wirtschaftliche Veränderungen auch in Richtung einer Verringerung von Entfernungen zwischen Ländern und innerhalb der Länder gehen. Diese Veränderungen haben Auswirkungen auf kulturelle Prozesse und bieten ein wachsendes Potenzial für grenzüberschreitendes kulturelles Networking. Diese Mobilität kann, wenn sie richtig unterstützt wird, neben ihrer positiven Auswirkung auf einen wirtschaftlichen Austausch auch zur Entwicklung kultureller Identität beitragen und damit wiederum die Friedenskonsolidierung und den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern. Es gilt, diese Mobilität sorgfältig mit Unterstützung auszubalancieren und dadurch die Entwicklung stabiler Strukturen für künftige kulturelle und kreative Initiativen zu gewährleisten.

5.8.

Der EWSA hebt die Fähigkeit kultureller Netzwerke hervor, den Austausch zwischen beruflich in der Kultur Tätigen zu fördern, die kulturelle Landschaft zu strukturieren und eine aktive kulturelle Zivilgesellschaft zu entwickeln. Es wird deshalb vorgeschlagen, einen Austausch mit europäischen kulturellen Netzwerken anhand einer Finanzierungslinie im Programm Creative Europe zu stärken. Es könnten Verknüpfungen zu bestehenden Netzwerken auf internationaler Ebene und die Entwicklung von Netzwerken in verschiedenen Regionen gefördert werden.

5.9.

In ähnlicher Weise unterstreicht der EWSA auch den Nutzen anderer Teile des laufenden Programms Creative Europe und plädiert dafür, alle Finanzierungsmöglichkeiten im Lichte ihres Potenzials für den Kulturaustausch auf internationaler Ebene zu untersuchen.

5.10.

Der EWSA begrüßt die Gründung eines Forums der Zivilgesellschaft, das alle relevanten Akteure einschließt und eine Schlüsselrolle in der Entwicklung des oben erwähnten Handlungsplans für internationale Kulturbeziehungen spielt. Dies könnte in Form eines jährlichen Forums auf der Grundlage eines horizontalen Austausches und horizontaler Debatten mit Satellitentreffen in verschiedenen geografischen Regionen inner- und außerhalb der EU stattfinden.

5.11.

Der EWSA wird sich in den kommenden Jahren für die Unterstützung dieser strukturierten Konsultation und dieses strukturierten Dialogs mit einschlägigen Interessenträgern im Bereich der auswärtigen Beziehungen einsetzen. Der EWSA wird weitere Überlegungen darüber anstellen, wie die Rolle und die Arbeitsmethoden einen konkreten und strukturierten Beitrag zur Verbesserung der Entwicklung des genannten Aktionsplans leisten können.

6.   Kultur und Kreativwirtschaft für nachhaltiges Wachstum und nachhaltige Entwicklung

6.1.

Kultur sollte voll und ganz als vierte Säule der nachhaltigen Entwicklung anerkannt werden. Dies ermöglicht es, die Sichtweisen von Kultur — entweder als Instrument für wirtschaftliches Wachstum oder als Träger eines inhärenten Wertes, der keinen wirtschaftlichen Prioritäten untergeordnet werden darf — miteinander zu versöhnen.

6.2.

Der EWSA unterstreicht die Bedeutung der Nachhaltigkeit und alternativer Wachstumsmaßnahmen, wie ein größeres Wohlbefinden in den Gesellschaften.

6.3.

In der Mitteilung wird eine Reihe wichtiger Punkte zu dem Beitrag der Kultur und der Kreativindustrie, hauptsächlich KMU (9), für nachhaltige Entwicklung, Wirtschaftswachstum und Schaffung von Arbeitsplätzen hervorgehoben, was der EWSA ausdrücklich bejaht. Wie in der Kommissionsmitteilung unterstrichen wird, hat sich der weltweite Handel mit kreativen Produkten zwischen 2004 und 2013 mehr als verdoppelt (10), wobei auf die Kultur- und Kreativwirtschaft rund 3 % des weltweiten BIP und mehr als 30 Millionen Arbeitsplätze entfallen (11).

6.4.

Es ist zu betonen, dass in die Entwicklung relevanter Kompetenzen zur Nutzung des Wachstumspotenzials im Kreativsektor investiert werden muss. Lokale Märkte müssen gefördert werden. Mobilitätsprogramme zur Förderung der Kompetenzentwicklung dürfen den Brain-Drain-Effekt nicht verschärfen, der den Partnerländern schaden würde.

6.5.

Die Erfahrung mit den Europäischen Kulturhauptstädten hat die Wirkung der kulturellen Entwicklung auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in städtischen Gebieten belegt. Es könnten Maßnahmen zum Austausch und Aufbau von Kapazitäten mit anderen Ländern im Hinblick auf Herausforderungen und Strategien, die zu diesem Wachstum geführt haben, entwickelt werden.

6.6.

Als Modell einer bewährten Vorgehensweise haben andere länderübergreifende Organisationen und Regionen das Konzept der Kulturhauptstädte übernommen (z. B. die Nominierung islamischer Kulturhauptstädte durch die ISESCO, die Islamische Organisation für Erziehung, Wissenschaften und Kultur). Eine mögliche Kooperation und Synergie sollten geprüft werden, um den gegenseitigen Nutzen zu erhöhen und das Voneinanderlernen zu fördern. Es könnten ein internationales Kulturhauptstadtprogramm oder Städtepartnerschaften im Rahmen dieses Programms erwogen werden.

6.7.

Ein weiteres Beispiel für Verknüpfungen zwischen Orten und Städten sind die Kulturwege des Europarats. Dieses Programm könnte untersucht und auf internationaler Ebene weiterentwickelt werden, indem sein Potenzial zur Steigerung des Kulturtourismus und des Verständnisses gemeinsamer internationaler kultureller Wurzeln weiterentwickelt wird.

6.8.

Der EWSA betont, dass eine Zusammenarbeit und Vernetzung inner- und außereuropäischer Städte gefördert und erleichtert werden müssen. Viele europäische Städte haben Erfahrung mit der Kulturpolitik und deren Beziehung zu anderen Bereichen nachhaltiger Entwicklung (z. B. Wirtschaftswachstum, Schaffung von Arbeitsplätzen, gesellschaftliche Integration, kreative Bildung, Kulturtourismus usw.). Dies ist ein Plus für eine langfristige Zusammenarbeit zwischen Europa und den Ländern des Südens, und die EU könnte auch eine Rolle bei der Erleichterung der Zusammenarbeit und Vernetzung inner- und außereuropäischer Städte spielen. In diesem Zusammenhang bestehen bereits relevante Initiativen, die angemessene Beiträge zu einer langfristigen Zusammenarbeit leisten können, darunter die Programme „Pilot Cities“ und „Leading Cities“.

6.9.

Das Bestehen von Stadtnetzwerken, die Maßnahmen zur Kultur entwickeln, wie zum Beispiel Eurocities, Mercociudades, Africities, das Creative Cities Netzwerk der UNESCO, Les Arts et la Ville, Australiens Netzwerk zur kulturellen Entwicklung oder das kanadische Creative City Network sollten diesbezüglich ebenfalls als wertvolle positive Beispiele erachtet werden.

6.10.

Der EWSA bedauert das Fehlen eines geschlechterbezogenen Fokus in den vorgeschlagenen Schritten zu einer gemeinsamen Strategie. Obgleich die Gleichstellung der Geschlechter ein zentrales Element unserer europäischen Werte ist, zeigen Studien ein unausgewogenes Verhältnis bei Künstlern und Künstlerinnen in Bezug auf Sichtbarkeit und Schlüsselpositionen. In ähnlicher Weise hat die UNESCO Einseitigkeiten im Hinblick auf die Gewinne aus Kulturtourismus und Maßnahmen der kulturellen Entwicklung beschrieben. Der EWSA ist daher nachdrücklich für die Einbeziehung dieses Aspektes.

Brüssel, den 31. Mai 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  In diesem Zusammenhang bekräftigt der EWSA seine Unterstützung für die Kulturausnahme, wie in der Stellungnahme des EWSA zum Thema „Die Kultur- und Kreativwirtschaft — eine Trumpfkarte Europas im weltweiten Wettbewerb“ (ABl. C 13 vom 15.1.2016, S. 83) unterstrichen wird.

(2)  http://www.ohchr.org/EN/Issues/CulturalRights/Pages/SRCulturalRightsIndex.aspx.

(3)  Siehe Entschließung 70/214 zum Thema „Kultur und nachhaltige Entwicklung“, von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 22. Dezember 2015 verabschiedet.

(4)  Z. B. in Bezug auf die Tätigkeiten durch die Agenda 21 für Kultur und „Culture Action Europe“ im Rahmen der Kampagne „The future we want includes culture“ zur Rolle der Kultur bei den Zielen für nachhaltige Entwicklung.

(5)  Siehe auch „Information presented by the Northern Ireland Human Rights Commission to the United Nations on The Derry/Londonderry Report on Upholding the Human Right to Culture in Post-Conflict Societies“ (Generalversammlung der Vereinten Nationen A/HRC/25/NI/5 vom 27. Februar 2014).

(6)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Der Beitrag der Europäischen Union zur Friedenskonsolidierung im Bereich der Außenbeziehungen: Bewährte Methoden und Aussichten“ (ABl. C 68 vom 6.3.2012, S. 21).

(7)  Vom EWSA in Auftrag gegebene Studie: „Culture, Cities and Identity in Europe“ http://www.eesc.europa.eu/?i=portal.en.events-and-activities-europe-culture-cities-study.

Schlussfolgerungen der Konferenz „A hope for Europe: Culture, cities and new narratives“, organisiert von der Gruppe Verschiedene Interessen des EWSA, Brüssel 20.-21. Juni 2016: http://www.eesc.europa.eu/?i=portal.en.events-and-activities-europe-culture-cities-conclusions.

(8)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Europäisches Jahr des interkulturellen Dialogs“ (ABl. C 185 vom 8.8.2006, S. 42).

(9)  Eurostat 2013: Key size-class indicators for enterprises in selected cultural sectors, EU-28.

(10)  „The Globalisation of Cultural Trade: A Shift in Cultural Consumption — International flows of cultural goods and services 2004-2013“, UNESCO Institute for Statistics (UIS), 2016.

(11)  „Cultural Times“, Bericht der CISAC und der UNESCO, 2015.


31.8.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 288/129


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Bewirtschaftungs-, Erhaltungs- und Kontrollmaßnahmen für den Übereinkommensbereich der Regionalen Fischereiorganisation für den Südpazifik (SPRFMO)“

(COM(2017) 128 final — 2017/0056 (COD))

(2017/C 288/18)

Befassung

Europäisches Parlament, 3.4.2017

Rat, 10.4.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 43 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umwelt

Verabschiedung auf der Plenartagung

31.5.2017

Plenartagung Nr.

526

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

181/0/1

Da der Ausschuss dem Vorschlag vorbehaltlos zustimmt und keine Bemerkungen zu dieser Thematik vorzubringen hat, beschloss er auf seiner 526. Plenartagung am 31. Mai/1. Juni 2017 (Sitzung vom 31. Mai 2017) mit 181 Stimmen ohne Gegenstimme bei einer Enthaltung, eine befürwortende Stellungnahme zu diesem Vorschlag abzugeben.

Brüssel, den 31. Mai 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


31.8.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 288/130


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festsetzung des Anpassungssatzes für Direktzahlungen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 für das Kalenderjahr 2017“

(COM(2017) 150 final — 2017/0068 COD)

(2017/C 288/19)

Befassung

Europäisches Parlament, 6.4.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 43 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umwelt

Verabschiedung auf der Plenartagung

31.5.2017

Plenartagung Nr.

526

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

177/0/0

Da der Ausschuss sich bereits in seiner Stellungnahme CESE 2942/2013 vom 25. Mai 2013 (*1) zu dem Inhalt dieses Vorschlags geäußert hat, beschloss er auf seiner 526. Plenartagung am 31. Mai/1. Juni 2017 (Sitzung vom 31. Mai 2017) mit 177 Stimmen ohne Gegenstimme und ohne Stimmenthaltungen, von der Ausarbeitung einer neuen Stellungnahme abzusehen und auf den Standpunkt zu verweisen, den er in der oben genannten Stellungnahme vertreten hat.

Brüssel, den 31. Mai 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(*1)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festsetzung des Anpassungssatzes für die Direktzahlungen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates für das Kalenderjahr 2013, COM(2013) 159 final — 2013/0087 COD (ABl. C 271 vom 19.9.2013, S. 143).