ISSN 1725-2407

doi:10.3000/17252407.C_2009.319.deu

Amtsblatt

der Europäischen Union

C 319

European flag  

Ausgabe in deutscher Sprache

Mitteilungen und Bekanntmachungen

52. Jahrgang
23. Dezember 2009


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IV   Informationen

 

INFORMATIONEN DER ORGANE UND EINRICHTUNGEN DER EUROPÄISCHEN UNION

 

Rat

2009/C 319/01

Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (unterzeichnet am 30. Oktober 2007 in Lugano) — Erläuternder Bericht von Professor Fausto Pocar, Inhaber des Lehrstuhls für Völkerrecht an der Universität Mailand

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DE

 


IV Informationen

INFORMATIONEN DER ORGANE UND EINRICHTUNGEN DER EUROPÄISCHEN UNION

Rat

23.12.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 319/1


Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen

(unterzeichnet am 30. Oktober 2007 in Lugano)

ERLÄUTERNDER BERICHT

von Professor Fausto Pocar,

Inhaber des Lehrstuhls für Völkerrecht an der Universität Mailand

2009/C 319/01

KAPITEL I

ALLGEMEINE ÜBERLEGUNGEN

1.   Vorbemerkungen und Hintergrund der Revision

1.

Das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen wurde am 30. Oktober 2007 in Lugano unterzeichnet (im Folgenden: „Lugano-Übereinkommen“ oder „Übereinkommen“); Vertragsparteien sind die Europäische Gemeinschaft, das Königreich Dänemark (1), die Republik Island, das Königreich Norwegen und die Schweizerische Eidgenossenschaft. Es ersetzt das Übereinkommen vom 16. September 1988 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (2) (im Folgenden: „Lugano-Übereinkommen von 1988“ oder „Übereinkommen von 1988“), das zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) geschlossen worden war. Das Lugano-Übereinkommen von 1988 war ein Parallelübereinkommen zum Brüsseler Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: „Brüsseler Übereinkommen“), das die sechs Gründungsmitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft in Anwendung des Artikels 220 (jetzt Artikel 293) EG-Vertrag geschlossen hatten und das in der Folge mehrfach geändert wurde, um seine Anwendung auf der Gemeinschaft neu beigetretene Staaten auszudehnen (3). Nach 1988 traten mehrere Vertragsstaaten des Lugano-Übereinkommens (4) der Europäischen Gemeinschaft bei und wurden damit Parteien des Brüsseler Übereinkommens, so dass sie fortan in anderer Eigenschaft am Lugano-Übereinkommen teilnahmen. Im Jahre 1997, als die Beratungen über eine Revision des Lugano-Übereinkommens aufgenommen wurden, gehörten dem Übereinkommen die fünfzehn damaligen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften sowie Island, Norwegen und die Schweiz an.

2.

Im Jahre 1997 leitete der Rat der Europäischen Union die gleichzeitige Revision des Brüsseler Übereinkommens und des Lugano-Übereinkommens von 1988 in die Wege; dabei bestand das Ziel darin, beide Übereinkommen vollständig aufeinander abzustimmen und Änderungen vorzunehmen, um bestimmte Probleme, die bei der Auslegung der Übereinkommen durch den Gerichtshof zutage getreten waren, zu beheben. Man war der Auffassung, dass beide Übereinkommen zusammen einer Revision unterzogen werden sollten, um unter anderem den Entwicklungen im internationalen Leben und in der Technik – insbesondere mit Blick auf den elektronischen Geschäftsverkehr – Rechnung zu tragen, die Vollstreckung von Entscheidungen zu beschleunigen (ein Erfordernis, dem später mit Artikel 65 des Vertrags von Amsterdam vom 2. Oktober 1997 (5), der bei Beginn der Beratungen noch nicht in Kraft war, Rechnung getragen wurde), Aspekte der gerichtlichen Zuständigkeit und der Abstimmung zwischen den zuständigen Gerichten zu vereinfachen, Unklarheiten bzw. Punkte, die sich in der Praxis als problematisch erwiesen hatten, auszuräumen bzw. eindeutiger zu regeln, und nicht zuletzt einige Bestimmungen der Übereinkommen an die Rechtsprechung des Gerichtshofs anzupassen, obwohl sich in der Folge herausstellte, dass dies nicht immer notwendig war.

3.

Auf seiner Tagung vom 4./5. Dezember 1997 setzte der Rat der Europäischen Union eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe von Experten ein, die aus Vertretern der Mitgliedstaaten und der dem Lugano-Übereinkommen angehörenden EFTA-Länder (Schweiz, Norwegen und Island) bestand und die die Vorschläge der Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission zur Änderung des Brüsseler Übereinkommens und des Lugano-Übereinkommens unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs und bestimmter Entscheidungen der nationalen Gerichte, auf die im Protokoll Nr. 2 zum Lugano-Übereinkommen von 1988 Bezug genommen wird, prüfen und einen Übereinkommensentwurf erstellen sollte, mit dem die geltenden Texte verbessert und aneinander angeglichen würden. Im Mandat der Arbeitsgruppe waren die vorrangigen Aufgaben angegeben: So sollte sie die praktischen Aspekte der beiden Übereinkommen prüfen, eine Reihe von Bestimmungen modernisieren, gewisse technische Berichtigungen vornehmen, die Texte an das Übereinkommen von Rom vom 19. Juni 1980 angleichen und sich außerdem mit einigen spezifischen Aspekten des Lugano-Übereinkommens, die im Brüsseler Übereinkommen anders geregelt waren, befassen; sonstige Vorschläge zur Revision sollten erst nach Prüfung der als vorrangig eingestuften Artikel in Betracht gezogen werden.

Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe, deren Mandat auf Artikel 220 EG-Vertrag beruhte, stützte sich bei ihrer Arbeit auf Vorschläge der Kommission sowie auf Arbeitsvorlagen des Rates und der Delegationen der Vertragsstaaten, wobei sie die Rechtsprechung des Gerichtshofs und Meinungen, die im juristischen Schrifttum und von Vereinigungen von Rechtswissenschaftlern (6) vertreten wurden, in vollem Umfang berücksichtigte. Die Arbeitsgruppe trat sieben Mal in Brüssel unter dem Vorsitz des finnischen Vertreters Gustaf Möller zusammen; stellvertretende Vorsitzende war die Vertreterin der Schweiz Monique Jametti Greiner, Berichterstatter der italienische Vertreter Fausto Pocar. Die Europäische Kommission war an den Beratungen der Arbeitsgruppe in vollem Umfang beteiligt (7). Bei ihrer letzten Zusammenkunft vom 19. bis 23. April 1999 erreichte die Arbeitsgruppe grundsätzliches Einvernehmen über eine geänderte Fassung der beiden Übereinkommen (8).

4.

Am 1. Mai 1999 trat jedoch der Vertrag von Amsterdam in Kraft; damit erhielt die Europäische Gemeinschaft neue Zuständigkeiten für die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen, so dass der von der Ad-hoc-Arbeitsgruppe vorgeschlagene Entwurf nicht mehr als neue Fassung des Brüsseler Übereinkommens und – parallel dazu – als neues Lugano-Übereinkommen angenommen werden konnte. Der Entwurf wurde vom Rat am 12. Mai 1999„auf Eis gelegt“, bis die Kommission nach Artikel 61 EG-Vertrag den Entwurf eines gemeinschaftlichen Rechtsakts vorlegen würde, der das Brüsseler Übereinkommen im Gemeinschaftsrahmen ersetzen sollte. Auf seiner Tagung vom 27./28. Mai 1999 billigte der Rat grundsätzlich die in der Ad-hoc-Arbeitsgruppe erzielte Einigung.

5.

Am 14. Juli 1999 unterbreitete die Kommission dem Rat einen Vorschlag für eine Gemeinschaftsverordnung (9), der weitgehend auf dem Entwurf der Ad-hoc-Arbeitsgruppe beruhte und nur die Anpassungen, die durch die neue Rechtsform des geplanten Instruments erforderlich geworden waren, sowie neue Verbraucherschutzbestimmungen enthielt. Dieser Vorschlag wurde vom Ausschuss für Zivilrecht des Rates geprüft. Am 22. Dezember 2000 erließ der Rat den Vorschlag als Verordnung (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel-I-Verordnung) (10). Die Verordnung, die in der Folge geändert wurde, um dem Beitritt neuer Staaten zur Europäischen Gemeinschaft Rechnung zu tragen, trat am 1. März 2002 in Kraft und ersetzte das Brüsseler Übereinkommen im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, mit Ausnahme Dänemarks, das sich nach Artikel 69 EG-Vertrag nicht an Rechtsakten beteiligt, die auf Grundlage von Titel IV des Vertrags angenommen werden. Am 19. Oktober 2005 unterzeichneten die Gemeinschaft und Dänemark in Brüssel ein Abkommen (11), nach dem die Brüssel-I-Verordnung und spätere Änderungen dieser Verordnung im Verhältnis zwischen der Gemeinschaft und Dänemark Anwendung finden.

6.

Angesichts der neuen Zuständigkeiten, die der Europäischen Gemeinschaft mit dem Vertrag von Amsterdam übertragen wurden, stellte sich die Frage, ob das neue Lugano-Übereinkommen von der Gemeinschaft allein oder aber von der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten gemeinsam ausgehandelt und geschlossen werden sollte. Am 25. März 2002 unterbreitete die Kommission eine Empfehlung für einen Beschluss des Rates zur Ermächtigung der Kommission, Verhandlungen aufzunehmen im Hinblick auf die Annahme eines Übereinkommens zwischen der Gemeinschaft und Dänemark einerseits sowie Island, Norwegen, der Schweiz und Polen andererseits über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zur Ersetzung des Übereinkommens von Lugano vom 16. September 1988 (12). Auf seiner Tagung vom 14./15. Oktober 2002 ermächtigte der Rat die Kommission, Verhandlungen im Hinblick auf die Annahme eines neuen Lugano-Übereinkommens aufzunehmen, wobei er jedoch offen ließ, ob der Abschluss des neuen Übereinkommens in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft oder in die gemischte Zuständigkeit der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten fiel. Dem Ratsbeschluss waren Verhandlungsrichtlinien sowie eine gemeinsame Erklärung des Rates, der Kommission und der Mitgliedstaaten beigefügt, der zufolge der Ratsbeschluss keinerlei rechtliche Auswirkungen hinsichtlich der Frage der jeweiligen Zuständigkeiten der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten hatte. Der Rat kam überein, den Gerichtshof gemäß Artikel 300 Absatz 6 EG-Vertrag diesbezüglich um ein Gutachten zu ersuchen.

7.

Am 7. März 2003 übermittelte der Rat dem Gerichtshof einen entsprechenden Antrag, in dem er darlegte, dass beabsichtigt sei, die inhaltlichen Bestimmungen des geplanten Übereinkommens möglichst weitgehend an die Bestimmungen der Brüssel-I-Verordnung anzupassen, und folgende Frage formulierte: „Fällt der Abschluss des neuen Lugano-Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, so wie er unter den Nummern 8 bis 12 des vorliegenden Schriftsatzes in Betracht gezogen wird, voll und ganz in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft oder in eine gemischte Zuständigkeit der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten?“ Hierzu äußerte sich der Gerichtshof (Plenum) am 7. Februar 2006 wie folgt: „Der Abschluss des neuen Übereinkommens von Lugano über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, wie er unter den in Randnummer 26 des vorliegenden Gutachtens wiedergegebenen Nummern 8 bis 12 des Antrags auf Gutachten in Betracht gezogen wird, fällt vollständig in die ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft.“ (13)

8.

Im Anschluss an die Vorlage des Gutachtens des Gerichtshofs fand vom 10. bis 12. Oktober 2006 in Lugano eine diplomatische Konferenz zur abschließenden Überarbeitung des neuen Lugano-Übereinkommens statt, an der die Vertreter der Europäischen Gemeinschaft, Dänemarks, Islands, Norwegens und der Schweiz teilnahmen und der auch mehrere Gemeinschaftsorgane und Mitgliedstaaten als Beobachter beiwohnten. Den Vorsitz führte die Delegierte der Schweiz Monique Jametti Greiner, Berichterstatter war Fausto Pocar. Auf der Tagung wurden sämtliche Bestimmungen, die von dem von der Ad-hoc-Arbeitsgruppe 1999 vereinbarten Text abwichen – und über die größtenteils bereits im Ständigen Ausschuss nach Artikel 3 des Protokolls Nr. 2 zum Lugano-Übereinkommen von 1988 informell verhandelt worden war –, geprüft; anschließend wurde das neue Übereinkommen förmlich verabschiedet. Allerdings gelang es nicht, über alle erörterten Punkte Einvernehmen zu erzielen, so dass weitere Verhandlungen erforderlich waren und das neue Übereinkommen erst am 28. März 2007 in Brüssel paraphiert und am 30. Oktober 2007 in Lugano von den Vertragsparteien unterzeichnet wurde.

2.   Art und Zweck dieses erläuternden Berichts

9.

In den auf der Tagung des Rates vom 14./15. Oktober 2002 gebilligten Verhandlungsrichtlinien, mit denen die Kommission zur Aufnahme von Verhandlungen im Hinblick auf die Annahme eines neuen Lugano-Übereinkommens ermächtigt wurde, hatte der Rat präzisiert, dass – wie beim Lugano-Übereinkommen von 1988 – ein erläuternder Bericht über das revidierte Übereinkommen zu erstellen ist. Der vorliegende erläuternde Bericht schließt somit an den Bericht an, der dem Lugano-Übereinkommen von 1988 beigegeben war (im Folgenden: „Jenard/Möller-Bericht“) (14). Ein solcher erläuternder Bericht hat den Vorteil, dass er den Gerichten Anhaltspunkte für die Auslegung des Übereinkommens bietet und somit – nicht zuletzt mit Blick darauf, dass in Zukunft vielleicht weitere Länder dem Übereinkommen beitreten werden – dessen einheitliche Anwendung fördert, denn anders als bei dem System, zu dem die Brüssel-I-Verordnung gehört, gibt es im System des Übereinkommens keinen Gerichtshof, dem Auslegungsfragen, die sich in Verfahren vor nationalen Gerichten ergeben, zur Entscheidung vorgelegt werden könnten.

10.

Was den Inhalt betrifft, so war in den Verhandlungsrichtlinien des Rates vorgesehen, dass in dem Bericht alle Angelegenheiten behandelt werden sollten, die Gegenstand des Übereinkommens und der dazugehörigen Protokolle sind. Während der Verhandlungen präzisierten die Delegationen, dass in dem erläuternden Bericht alle Bestimmungen des Übereinkommens erläutert und der genaue Verhandlungsverlauf sowie die zunehmende Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den parallelen Bestimmungen des Brüsseler Übereinkommens und der Brüssel-I-Verordnung beschrieben werden sollten. Wie bereits dargelegt, ist das neue Lugano-Übereinkommen Teil einer langen, komplexen Entwicklung, die sich über mehrere Jahrzehnte erstreckt hat und an deren Anfang das Brüsseler Übereinkommen stand, das 1968 von den sechs ursprünglichen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft geschlossen wurde und dem eine Reihe von Rechtsakten – darunter das Lugano-Übereinkommen von 1988 – folgten. Diese Entwicklung lässt sich am Text des Übereinkommens ablesen; vielfach wurden Klauseln, die bereits in früheren Rechtsinstrumenten enthalten waren, zum Teil unverändert oder lediglich mit formalen Änderungen übernommen.

Jedem dieser Rechtsinstrumente mit Ausnahme der Brüssel-I-Verordnung wurde ein erläuternder Bericht beigegeben, in dem die einzelnen Bestimmungen weiter ausgeführt werden. Bei Bestimmungen, die nicht neu sind oder an denen nur formale oder sprachliche Änderungen vorgenommen wurden, dürfte ein Hinweis auf die früheren erläuternden Berichte genügen. Daher wird im vorliegenden Bericht häufig auf die Berichte zum Brüsseler Übereinkommen von 1968 („Jenard-Bericht“) (15), zum Beitrittsübereinkommen von 1978 („Schlosser-Bericht“) (16), zum Beitrittsübereinkommen von 1982 („Evrigenis/Kerameus-Bericht“) (17), zum Beitrittsübereinkommen von 1989 (Almeida Cruz/Desantes Real/Jenard-Bericht) (18) sowie auf den bereits erwähnten Jenard/Möller-Bericht zum Lugano-Übereinkommen von 1988 verwiesen, ohne das dort Gesagte zu wiederholen. Der Brüssel-I-Verordnung wurde kein entsprechender Bericht beigefügt, doch finden sich explizite Erläuterungen zu einzelnen ihrer Bestimmungen hier und da in ihren einleitenden Erwägungsgründen, auf die im Folgenden gegebenenfalls verwiesen wird.

11.

In dem vorliegenden erläuternden Bericht müssen alle Bestimmungen des Lugano-Übereinkommens im Lichte der grundlegenden Urteile nicht nur zu dem Vorläuferübereinkommen, sondern auch zu der inhaltlich weitgehend identischen Brüssel-I-Verordnung behandelt werden; dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass ausschließlich das Lugano-Übereinkommen Gegenstand des Berichts ist und dieser keinesfalls den Standpunkt der Staaten oder der Gemeinschaft zur Brüssel-I-Verordnung widerspiegelt. Dass es keinen erläuternden Bericht zur Brüssel-I-Verordnung gibt, bedeutet nicht, dass diese vermeintliche Lücke mit dem vorliegenden Bericht geschlossen werden soll. Mit anderen Worten: Dieser Bericht dient nicht dazu, die Verordnung zu erläutern oder Hinweise zu geben, wie sie auszulegen ist oder wie ihre Bestimmungen anzuwenden sind; vielmehr dient er einzig und allein dazu, die Vorschriften des Lugano-Übereinkommens in der revidierten Fassung zu erläutern.

KAPITEL II

STRUKTUR UND ANWENDUNGSBEREICH DES ÜBEREINKOMMENS

1.   Struktur

12.

Ziel des Übereinkommens ist es laut seiner Präambel, in den Hoheitsgebieten der Vertragsparteien den Rechtsschutz der dort ansässigen Personen zu verstärken und zu diesem Zweck die internationale Zuständigkeit der Gerichte festzulegen, die Anerkennung von gerichtlichen Entscheidungen, öffentlichen Urkunden und gerichtlichen Vergleichen zu erleichtern und ein beschleunigtes Verfahren für ihre Vollstreckung einzuführen. Zu diesem Zweck werden darin unter Berücksichtigung der weiter oben beschriebenen Weiterentwicklung des internationalen Rechts und des Gemeinschaftsrechts die Grundsätze der Brüssel-I-Verordnung auf die Vertragsparteien ausgedehnt, wobei die Bestimmungen dieser Verordnung im Wesentlichen übernommen werden. Auf die Parallelität zur Brüssel-I-Verordnung wird auch in der Präambel des Protokolls 2 zum Übereinkommen hingewiesen; dort wird hervorgehoben, dass eine sachliche Verknüpfung zwischen den beiden Rechtsakten besteht, obwohl es sich nach wie vor um zwei verschiedene Instrumente handelt. Das Übereinkommen folgt in seinem Aufbau infolgedessen den Grundsätzen der Verordnung, die ihrerseits denen des Brüsseler Übereinkommens entsprechen.

Somit handelt es sich bei dem Übereinkommen um ein Doppelübereinkommen, das im Rahmen seines Anwendungsbereichs die unmittelbare Zuständigkeit der Gerichte der durch das Übereinkommen gebundenen Staaten regelt und zugleich Bestimmungen über die Koordinierung zwischen den Gerichten im Falle konkurrierender Zuständigkeiten, die Bedingungen für die Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen und ein vereinfachtes Verfahren für ihre Vollstreckung umfasst. In allen diesen Punkten weicht das neue Übereinkommen von dem Übereinkommen von 1988 ab, weil der Text entweder an die Brüssel-I-Verordnung angeglichen oder um besondere Bestimmungen ergänzt wurde, um der Weiterentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs Rechnung zu tragen oder das Verhältnis zwischen dem Übereinkommen und der Verordnung zu regeln.

13.

Unter den Grundsätzen, auf denen das Übereinkommen basiert, ist insbesondere der Grundsatz hervorzuheben, dass die darin enthaltenen Bestimmungen über die gerichtliche Zuständigkeit umfassend sind, d.h. dass das System des Übereinkommens sogar Vorschriften umfasst, mit denen die Zuständigkeit durch Verweisung auf das innerstaatliche Recht der durch das Übereinkommen gebundenen Staaten geregelt wird, wie es – von einigen Ausnahmen abgesehen – der Fall ist, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Staat hat, der dem Übereinkommen nicht beigetreten ist. In seinem bereits angeführten Gutachten 1/03 hat der Gerichtshof die Auffassung vertreten, dass die zur Regelung der Zuständigkeit in Artikel 4 der Brüssel-I-Verordnung vorgenommene Verweisung auf das innerstaatliche Recht als Wahrnehmung der Gemeinschaftsbefugnisse und nicht als Anerkennung einzelstaatlicher Befugnisse, die den Anwendungsbereich der Zuständigkeitsregeln der Verordnung begrenzen, zu werten sei. Die Zuständigkeitsregeln des Übereinkommens sind umfassend, und der Umstand, dass ein Beklagter seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines durch das Übereinkommen gebundenen Staates hat oder nicht, ist kein Kriterium, mit dem der Anwendungsbereich des Übereinkommens in Bezug auf die gerichtliche Zuständigkeit begrenzt wird (siehe auch weiter unten Nummer 31).

2.   Sachlicher Anwendungsbereich (Artikel 1 Absätze 1 und 2)

14.

Der sachliche Anwendungsbereich des Übereinkommens ist gegenüber dem Lugano-Übereinkommen von 1988 in keiner Weise geändert worden; der neue Wortlaut deckt sich mit dem des Brüsseler Übereinkommens und der Brüssel-I-Verordnung. Wie bei den früheren Texten beschränkt sich der Anwendungsbereich des neuen Übereinkommens auf Verfahren und Entscheidungen, die Rechtsverhältnisse mit internationalen Bezügen betreffen, unter anderem auch solche Rechtsverhältnisse, bei denen nicht zwei Vertragsstaaten, sondern ein Vertragsstaat und ein Drittstaat einbezogen sind (19). Das Übereinkommen gelangt automatisch zur Anwendung, gleich, ob die Parteien sich auf es berufen oder nicht, und es gilt ausschließlich für Zivil- und Handelssachen, unabhängig von der Art des Gerichts. Das Übereinkommen erstreckt sich nicht auf Steuer- und Zollsachen und verwaltungsrechtliche Angelegenheiten, kann jedoch Rechtsstreitigkeiten zwischen einer Behörde und einer Privatperson erfassen, sofern die Behörde nicht in Ausübung hoheitlicher Befugnisse tätig geworden ist (20). Überdies wird der sachliche Anwendungsbereich des Übereinkommens durch eine Auflistung der ausgeschlossenen Rechtsgebiete eingegrenzt, die unverändert geblieben ist und auf die in den Berichten zu den früheren Übereinkommen (Jenard-Bericht, S. 10-13, Schlosser-Bericht, Nummern 30-65, Evrigenis/Kerameus-Bericht, Nummern 24-37) ausführlicher eingegangen wurde.

15.

Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe hat erörtert, ob der sachliche Anwendungsbereich des Übereinkommens erweitert und die Zahl der ausgeschlossenen Rechtsgebiete reduziert werden sollte. Die Kommission schlug vor, das Übereinkommen auf eheliche Güterstände auszudehnen, unter anderem in Anbetracht ihrer Verbindung zu Unterhaltsfragen, die bereits Gegenstand des Übereinkommens sind (21). Da sich jedoch die nationalen Rechtsvorschriften erheblich voneinander unterscheiden und man nicht über eine Revision des bestehenden Textes hinausgehen wollte, wurde beschlossen, die etwaige Einbeziehung ehelicher Güterstände in das Übereinkommen auf einen Zeitpunkt in der Zukunft zu verschieben. Die Arbeitsgruppe prüfte auch den Vorschlag, das Übereinkommen auf die soziale Sicherheit auszudehnen. Die soziale Sicherheit war ursprünglich aufgrund der unterschiedlichen nationalen Systeme, die teils öffentlich, teils privat organisiert sind, ausgenommen worden. Die Arbeitsgruppe hielt es jedoch für besser, sich nicht weiter mit einer Frage zu befassen, in der schon bei der Annahme der Verordnung 1408/71 (22) keine Einigung erzielt werden konnte; gleichwohl stellte sie fest, dass das Rechtsgebiet – anders als der Wortlaut von Artikel 1 nahelegen könnte – nicht völlig aus dem Übereinkommen ausgeschlossen ist, da Gerichtsverfahren, die Sozialversicherungsträger im Namen eines oder mehrerer ihrer Leistungsempfänger gegen Dritte, etwa gegen Verursacher schädigender Ereignisse, anstrengen, sehr wohl dem Übereinkommen unterfallen (siehe auch Schlosser-Bericht, Nummer 60). Ferner erstreckt sich das Übereinkommen auch auf Rückgriffsklagen, mit denen öffentliche Stellen gegenüber Privatpersonen die Rückzahlung von Beträgen verfolgen, die sie als Sozialhilfe an die geschiedenen Ehegatten und an die Kinder dieser Personen gezahlt haben, soweit für die Grundlage dieser Klagen und die Modalitäten ihrer Erhebung die allgemeinen (privatrechtlichen) Vorschriften über Unterhaltsverpflichtungen gelten. Nicht abgedeckt sind dagegen Rückgriffsklagen, die sich auf Bestimmungen stützen, mit denen der Gesetzgeber der öffentlichen Stelle eine eigene, besondere Befugnis verliehen hat, die ihr eine von den allgemein geltenden Vorschriften abweichende Rechtsstellung einräumt (23).

3.   Den Verpflichtungen aus dem Übereinkommen unterworfene Parteien (Artikel 1 Absatz 3)

16.

Im Übereinkommen von 1988 wurden die den Verpflichtungen aus dem Übereinkommen unterworfenen Parteien als „Vertragsstaaten“ bezeichnet. Mit dem Vertrag von Amsterdam erhielt die Gemeinschaft die ausschließliche Zuständigkeit für den Abschluss solcher Übereinkommen; damit handelt es sich bei dem Übereinkommen nicht länger um ein Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und Drittstaaten, sondern um ein Abkommen, bei dem die Gemeinschaft selbst als Vertragspartei im Namen ihrer Mitgliedstaaten (mit Ausnahme Dänemarks) auftritt. Daher ist die Bezeichnung „Vertragsstaaten“ nicht mehr passend und in Artikel 1 Absatz 3 durch den Ausdruck „durch dieses Übereinkommen gebundene Staaten“ ersetzt worden, der im früheren Übereinkommen noch nicht vorkam. Die neue Formulierung zur Bezeichnung der Parteien, die den Verpflichtungen aus dem Übereinkommen unterworfen sind, wurde auch aus der Überlegung heraus gewählt, dass für die Anwendung des Übereinkommens sowohl in Bezug auf die gerichtliche Zuständigkeit als auch in Bezug auf die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in der Regel die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft zuständig sind und nicht die Gemeinschaft als solche. Eine einfache Bezugnahme auf die Vertragsparteien des Übereinkommens würde demnach nicht ausreichen, um eine korrekte Anwendung des Übereinkommens zu gewährleisten. Mit der neuen Fassung von Absatz 3 werden sowohl die Staaten, die Vertragsparteien des Übereinkommens sind – d.h. die nicht der Gemeinschaft angehörenden Staaten Island, Norwegen und Schweiz sowie zusätzlich Dänemark – als auch die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, die das Übereinkommen in ihren jeweiligen nationalen Rechtssystemen anwenden müssen, erfasst.

17.

Aus der Bestimmung geht allerdings auch hervor, dass mit der Bezeichnung ebenso die Europäische Gemeinschaft als eigenständige Vertragspartei des Übereinkommens gemeint ist, denn bestimmte, in dem Übereinkommen vorgesehene Verpflichtungen können unmittelbar für die Gemeinschaft selbst gelten oder die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen des Gerichtshofs oder der mit ihm verbundenen anderen Gemeinschaftsgerichte, beispielsweise des Gerichts erster Instanz oder des Gerichts für den öffentlichen Dienst, betreffen.

In Anbetracht der Beratungen über Artikel 70 Absatz 1 Buchstabe c wurde schließlich vereinbart, Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration nicht unter den durch das Übereinkommen gebundenen Parteien aufzuführen, obwohl auch sie Vertragsparteien werden können.

4.   Verhältnis zwischen dem Übereinkommen und der Brüssel-I-Verordnung (Artikel 64)

18.

Da ein enger Zusammenhang zwischen dem Übereinkommen und der Brüssel-I-Verordnung besteht, wurde versucht, die Anwendungsbereiche der beiden Instrumente in einer besonderen Bestimmung (Artikel 64) genauer voneinander abzugrenzen. Dieser Artikel deckt sich inhaltlich weitgehend mit der Bestimmung des Übereinkommens von 1988, die das Verhältnis zum Brüsseler Übereinkommen regelte (Artikel 54b) (24), trägt aber der bisher erfolgten Weiterentwicklung des Gemeinschaftsrechts Rechnung. Wie zuvor schon richten sich die ersten beiden Absätze im Wesentlichen an die Gerichte der durch die Brüssel-I-Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, die in die Lage kommen könnten, beide Rechtsinstrumente anwenden zu müssen, da die Gerichte der nur durch das Lugano-Übereinkommen gebundenen Staaten das Lugano-Übereinkommen ohnehin anwenden müssen. Absatz 3 ist weiter gefasst, denn er richtet sich auch an die Gerichte der nur durch das Lugano-Übereinkommen gebundenen Staaten. Doch bietet die Bestimmung eine klare Richtschnur für alle Gerichte, insbesondere in Fragen der Rechtshängigkeit und im Zusammenhang stehenden Verfahren sowie bei der Anerkennung von Entscheidungen.

19.

Das Übereinkommen berührt nach Artikel 64 Absatz 1 nicht die Anwendung der Brüssel-I-Verordnung, des Brüsseler Übereinkommens und des Protokolls von 1971 über die Auslegung jenes Übereinkommens noch des Abkommens zwischen der EG und Dänemark durch die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (25). Das heißt, der Anwendungsbereich dieser Rechtsinstrumente bleibt unverändert und wird durch das Lugano-Übereinkommen grundsätzlich nicht eingeschränkt. Die Gerichte der durch die Brüssel-I-Verordnung bzw. durch das Abkommen zwischen der EG und Dänemark gebundenen Staaten nehmen demnach ihre Zuständigkeit gegenüber Personen, die ihren Wohnsitz in diesen Staaten haben, sowie gegenüber Personen, die ihren Wohnsitz in Staaten haben, die nicht Vertragsparteien des Lugano-Übereinkommens sind, weiterhin gemäß der Verordnung wahr. Ebenso muss jede Entscheidung, die in einem durch die Verordnung gebundenen Staat ergeht, in allen anderen durch die Verordnung gebundenen Staaten nach Maßgabe der Verordnung anerkannt und vollstreckt werden.

20.

Gemäß Absatz 2 wird das Lugano-Übereinkommen jedoch in bestimmten Situationen in jedem Fall angewandt, sei es durch die Gerichte eines durch die Brüssel-I-Verordnung und das Lugano-Übereinkommen gebundenen Staates oder sei es durch die Gerichte eines nur durch das Lugano-Übereinkommen gebundenen Staates.

Bei Fragen der gerichtlichen Zuständigkeit ist das Lugano-Übereinkommen in allen Fällen von den Gerichten der durch das Übereinkommen gebundenen Staaten anzuwenden, auch von den Gerichten der durch die Brüssel-I-Verordnung gebundenen Staaten, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Staates hat, in dem das Übereinkommen, aber nicht die Verordnung gilt. Das Gleiche gilt, wenn die Gerichte eines solchen Staates aufgrund von Artikel 22 oder Artikel 23 des Übereinkommens zuständig sind, da es sich dann um ausschließliche Zuständigkeiten handelt, die stets beachtet werden müssen.

Außerdem muss das Lugano-Übereinkommen bei Fragen der Rechtshängigkeit und im Zusammenhang stehenden Verfahren im Sinne der Artikel 27 und 28 in jedem Fall angewandt werden, wenn in einem Staat, in dem das Übereinkommen, aber nicht die Brüssel-I-Verordnung gilt, oder in einem Staat, in dem sowohl das Übereinkommen als auch die Verordnung gilt, Klage erhoben wird. Hinsichtlich der Koordinierung der gerichtlichen Zuständigkeit werden die durch das Lugano-Übereinkommen gebundenen Staaten somit als ein einziges Hoheitsgebiet betrachtet.

Schließlich muss das Lugano-Übereinkommen in Fragen der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in allen Fällen angewandt werden, in denen entweder der Ursprungsstaat oder der Vollstreckungsstaat nicht die Brüssel-I-Verordnung anwendet. Infolgedessen gelangt das Übereinkommen zur Anwendung, wenn beide Staaten nur dem Lugano-Übereinkommen angehören oder wenn nur einer der Staaten dem Übereinkommen angehört und der andere durch die Verordnung gebunden ist.

21.

In Absatz 3 wurde ebenfalls die Bestimmung des entsprechenden Artikels aus dem Übereinkommen von 1988 übernommen, wonach das angerufene Gericht, das nach dem Lugano-Übereinkommen zuständig ist, die Anerkennung oder Vollstreckung einer im Ausland ergangenen Entscheidung versagen kann, wenn sich der Zuständigkeitsgrund, den das Ursprungsgericht seiner Entscheidung zugrundegelegt hat, von demjenigen unterscheidet, der sich aus dem Übereinkommen ergibt, und wenn die Anerkennung oder Vollstreckung gegen einen Beklagten geltend gemacht wird, der seinen Wohnsitz in einem Staat hat, in dem das Übereinkommen, nicht aber die Brüssel-I-Verordnung gilt. Diese Vorschrift ist nicht anwendbar, wenn die Entscheidung anderweitig nach dem Recht des ersuchten Staates anerkannt oder vollstreckt werden kann. Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe hat erörtert, ob diese Bestimmung, die von einem mangelnden Vertrauen der dem Übereinkommen angehörenden Staaten in die durch die Verordnung gebundenen Staaten zeugt, beibehalten werden sollte. Doch auch wenn die Bestimmung höchstwahrscheinlich niemals angewandt werden wird, kann sie – ungeachtet des beträchtlichen Vertrauens, das zwischen den durch die Verordnung gebundenen Staaten besteht – dennoch eine nützliche Garantie bieten, da die durch die Brüssel-I-Verordnung gebundenen Staaten ihre Zuständigkeitsregeln jederzeit im Wege der Gemeinschaftsverfahren zur Änderung der Gemeinschaftsvorschriften ändern können, ohne dass die Staaten, die nur dem Lugano-Übereinkommen angehören, zustimmen müssten.

22.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass alles, was bislang über die Beziehung zwischen dem Lugano-Übereinkommen und der Brüssel-I-Verordnung gesagt wurde, sinngemäß auch für die Beziehung zwischen dem Lugano-Übereinkommen und dem Brüsseler Übereinkommen sowie zwischen dem Lugano-Übereinkommen und dem Abkommen zwischen der EG und Dänemark gilt.

KAPITEL III

ZUSTÄNDIGKEIT

1.    Allgemeine Vorschriften

1.   Allgemeine Zuständigkeitsregel (Artikel 2)

23.

In dem neuen Übereinkommen ist die gleiche allgemeine Zuständigkeitsregel wie im Übereinkommen von 1988 enthalten. Diese beruht auf dem Grundsatz „actor sequitur forum rei“, d.h. die Zuständigkeit knüpft weiterhin an den Wohnsitz des Beklagten an, sofern sich dieser in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat befindet. Damit wird bekräftigt, dass die Staatsangehörigkeit des Beklagten bei der gerichtlichen Zuständigkeit keine Rolle spielt (zu den Gründen im Einzelnen siehe Jenard-Bericht, S. 14ff.). Personen, die ihren Wohnsitz in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat haben, müssen daher vor den Gerichten dieses Staates verklagt werden, ob sie nun die Staatsangehörigkeit dieses Staates besitzen oder nicht (Absatz 1). Nach Absatz 2 gelten für Personen, die nicht die Staatsangehörigkeit des Staates besitzen, in dem sie ihren Wohnsitz haben, weiter die gleichen Zuständigkeitsvorschriften wie für Inländer. Es sei darauf hingewiesen, dass – wie schon im Übereinkommen von 1988 – nach der allgemeinen Regel die Gerichte des Staates zuständig sind, in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat; welches Gericht innerhalb dieses Staates zuständig ist, bestimmt sich allerdings nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht.

24.

Anhand des Kommissionsvorschlags (26) hat die Ad-hoc-Arbeitsgruppe erneut geprüft, ob nicht statt des Wohnsitzes der gewöhnliche Aufenthalt des Beklagten herangezogen werden sollte, wie es in vielen Übereinkommen, insbesondere in den im Rahmen der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht ausgearbeiteten Übereinkommen, und in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung („Brüssel-IIa-Verordnung“) der Fall ist (27). Die Arbeitsgruppe kam zu dem Ergebnis, dass an dem Kriterium des Wohnsitzes aus mehreren Gründen festgehalten werden sollte: Einige Staaten, etwa das Vereinigte Königreich, sähen sich anderenfalls vor Probleme gestellt, weil sie für die Zwecke der Anwendung des Brüsseler Übereinkommens und des Lugano-Übereinkommens eigens eine Definition des Begriffs „Wohnsitz“ in ihr innerstaatliches Recht aufgenommen haben. Der Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt“ eignet sich nach Auffassung einiger Experten besser im Falle persönlicher und familiärer Beziehungen als im Falle von Beziehungen kommerzieller Art. Der gewöhnliche Aufenthalt wurde im Falle von Gesellschaften und juristischen Personen nicht als geeigneter Anknüpfungspunkt erachtet. Der Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt“ hätte in jedem Fall einer eigenen Definition bedurft, über die vielleicht nur schwer Einigkeit erzielt worden wäre.

25.

Die Möglichkeit, den gewöhnlichen Aufenthaltsort neben dem Wohnsitz als alternatives Kriterium für die Begründung der Zuständigkeit heranzuziehen, wurde ebenfalls verworfen, da sich damit die möglichen Gerichtsstände in Fällen, in denen sich der Wohnsitz und der gewöhnliche Aufenthaltsort in zwei verschiedenen Staaten befinden, vervielfacht hätten (28). Auch wurde darauf hingewiesen, dass die Heranziehung des Wohnsitzes als Hauptkriterium für die Begründung der Zuständigkeit bei der praktischen Anwendung des Brüsseler Übereinkommens und des Lugano-Übereinkommens bislang keine besonderen Schwierigkeiten aufgeworfen habe, zumindest nicht in Verfahren, bei denen der Beklagte eine natürliche und keine juristische Person ist, und dies ungeachtet der Tatsache, dass der Begriff „Wohnsitz“ im innerstaatlichen Recht unterschiedlich ausgelegt wird.

a)   Wohnsitz natürlicher Personen (Artikel 59)

26.

Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe hat geprüft, ob anstelle des Verweises auf das innerstaatliche Recht – wie im Brüsseler Übereinkommen und im Lugano-Übereinkommen von 1988 – nicht eine autonome Definition des Begriffs „Wohnsitz“ in das Übereinkommen aufgenommen werden sollte. Einige Experten hatten vorgeschlagen, dass als Kriterium für eine gemeinsame Definition des Wohnsitzes einer natürlichen Person insbesondere herangezogen werden könnte, wie lange der Beklagte in dem Staat des angerufenen Gerichts bereits anwesend war; doch in Anbetracht der Tatsache, dass die bestehenden Übereinkommen gut funktioniert haben, hielt es die Arbeitsgruppe nicht für zweckmäßig, eine solche Definition aufzunehmen. Zwar räumte die Arbeitsgruppe ein, dass eine gemeinsame Definition Vorteile bieten könne, doch war sie der Auffassung, dass es den Staaten überlassen bleiben sollte, in ihrem Recht den Begriff „Wohnsitz“ so zu definieren, dass die Dauer der Anwesenheit des Beklagten in ihrem Hoheitsgebiet berücksichtigt wird, wenn sie dies für notwendig halten. Deshalb wurde Artikel 52 des Übereinkommens von 1988 unverändert als Artikel 59 in das neue Übereinkommen übernommen; der Wohnsitz natürlicher Personen bestimmt sich somit weiterhin nach dem innerstaatlichen Recht des Staates, in dem diese Personen ihren Wohnsitz haben.

b)   Wohnsitz von Gesellschaften und anderen juristischen Personen (Artikel 60)

27.

Der Fall der Gesellschaften und juristischen Personen ist anders gelagert, da die Bestimmung ihres „Sitzes“, der für diesen Zweck dem Wohnsitz gleichgestellt wird, mit Artikel 53 des Übereinkommens von 1988 den Vorschriften des Internationalen Privatrechts des Staates des angerufenen Gerichts unterworfen wurde. Die Bezugnahme auf die innerstaatlichen Kollisionsnormen, die auf höchst unterschiedlichen Kriterien basieren, hat in der Praxis kaum Probleme aufgeworfen, könnte dies jedoch in Zukunft tun. Daher hat die Kommission die Annahme einer gemeinsamen Definition für den Wohnsitz von Gesellschaften vorgeschlagen, nach der als Wohnsitz der Ort ihrer zentralen Verwaltung oder anderenfalls ihres satzungsmäßigen Sitzes gelten würde (29), so dass eine Gesellschaft anhand von faktischen Elementen einem Rechtssystem zugeordnet werden könnte. Mit der Regelung im neuen Artikel 60 des Übereinkommens wurde dem Vorschlag der Kommission Rechnung getragen, zugleich aber auch sichergestellt, dass die Gerichte der durch das Übereinkommen gebundenen Staaten selbst dann zuständig sind, wenn die betreffende Gesellschaft ihren Sitz nicht in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat hat, ihre Hauptverwaltung sich aber in einem solchen Staat befindet, und umgekehrt. Diese Lösung geht also über den Vorschlag der Kommission hinaus.

28.

In der neuen Definition werden der satzungsmäßige Sitz, die Hauptverwaltung bzw. die Hauptniederlassung der Gesellschaft oder der juristischen Person als Alternativen aufgeführt. Wenn sich also nur einer dieser drei Orte in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat befindet, kann die Gesellschaft vor den Gerichten dieses Staates verklagt werden, auch wenn die beiden anderen Orte sich in einem Nichtvertragsstaat oder aber in einem anderen Vertragsstaat befinden. Im letztgenannten Fall kommt es im Rahmen des Systems des Übereinkommens zu konkurrierenden Zuständigkeiten; die Wahl des Gerichtsstands bleibt dem Kläger überlassen. Diese Definition eröffnet in bestimmtem Maße die Möglichkeit des „forum shopping“, wie es in gewissem Umfang auch in Bezug auf den Wohnsitz natürlicher Personen möglich ist. Rechtfertigend kann angeführt werden, dass sich eine Gesellschaft, die ihre Hauptverwaltung und ihre Hauptniederlassung an unterschiedlichen Orten ansiedelt, aus freien Stücken der Gefahr aussetzt, an beiden Orten verklagt zu werden.

29.

Vor allem aber wurde mit der Definition dem Umstand Rechnung getragen, dass es einen Anknüpfungspunkt geben muss, der sicherstellt, dass Streitigkeiten über die Tätigkeiten einer Gesellschaft, die in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat gegründet wurde oder dort Geschäfte tätigt, unter die Gerichtsbarkeit der durch das Übereinkommen gebundenen Staaten fallen, damit der Kläger ein nach dem Übereinkommen zuständiges Gericht anrufen kann. Gleichzeitig erhält er die Möglichkeit, vor den Gerichten des Ortes Klage zu erheben, an dem die Entscheidung voraussichtlich vollstreckt werden muss. Keines der in Betracht gezogenen Kriterien hätte diese Erfordernisse für sich allein genommen erfüllt. Der satzungsmäßige Sitz bietet ein erhebliches Maß an Sicherheit, da er einfach zu ermitteln ist, doch befindet er sich oft an einem anderen Ort als das Gesellschaftsvermögen und eignet sich daher nicht für die Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung; überdies könnte eine Gesellschaft ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat, ihren satzungsmäßigen Sitz jedoch anderswo haben und sich damit der Gerichtsbarkeit der durch das Übereinkommen gebundenen Staaten entziehen. Dagegen gewährleistet die Hauptverwaltung eine Verbindung zu einem Ort, der im Hinblick auf die Vollstreckung einer Entscheidung nützlich ist. Es handelt sich hierbei aber um einen gesellschaftsinternen Faktor, der sich oft nicht ohne weiteres feststellen lässt, wodurch die Bestimmung des zuständigen Gerichts erschwert. Zudem könnte eine Gesellschaft, die ihre Hauptverwaltung in einem nicht dem Übereinkommen angehörenden Staat hat, dann nicht in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat verklagt werden, selbst wenn sich ihr satzungsmäßiger Sitz oder ihre Hauptniederlassung dort befände. Wo sich die Hauptniederlassung befindet, lässt sich sicher leichter feststellen und überprüfen, doch wenn sie als einziger Anknüpfungspunkt genommen wird, könnte gegen eine Gesellschaft, deren Hauptniederlassung sich außerhalb der durch das Übereinkommen gebundenen Staaten befindet, nicht Klage erhoben werden, selbst wenn sie ihren satzungsmäßigen Sitz und ihre Hauptverwaltung in einem dieser Staaten hätte und dort in erheblichem Umfang Geschäfte tätigte.

30.

Alle diese Überlegungen sprechen für eine weit gefasste Definition, die es ermöglicht, eine Gesellschaft oder eine juristische Person in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat zu verklagen, zu dem sie eine eindeutige Verbindung in Form ihrer Hauptverwaltung, ihrer Hauptniederlassung oder aber ihres satzungsmäßigen Sitzes aufweist. Das Konzept des „satzungsmäßigen Sitzes“ eignet sich allerdings nicht als Anknüpfungspunkt für Gesellschaften oder juristische Personen im Vereinigten Königreich und Irland, denn die dortigen Rechtssysteme sehen stattdessen eine Anknüpfung an den Ort, an dem die Gesellschaft in das hierfür vorgesehene Register eingetragen ist, oder an den Ort, an dem sie ihre Rechtsfähigkeit erlangt hat, vor. Mit dem Kriterium der Registrierung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Vorschrift nicht nur Gesellschaften als solche, sondern alle Einrichtungen, die keine natürlichen Personen sind, betrifft, so dass das „registered office“ wichtiger ist als der in den Gründungsdokumenten genannte „Sitz“. Nach Artikel 60 Absatz 2 ist deshalb im Falle des Vereinigten Königreichs und Irlands unter dem Ausdruck „satzungsmäßiger Sitz“ das „registered office“ oder, wenn ein solches nirgendwo besteht, der „place of incorporation“ (Ort der Erlangung der Rechtsfähigkeit) oder, wenn ein solcher nirgendwo besteht, der Ort, nach dessen Recht die „formation“ (Gründung) erfolgt ist, zu verstehen. Mit dieser letzteren Bezugnahme auf das Recht, das zur Bestimmung des Gründungsorts, der als satzungsmäßiger Sitz gilt, heranzuziehen ist, wird insbesondere der Fall einer Partnerschaft nach schottischen Recht berücksichtigt, bei dem einzig und allein das Kriterium ausschlaggebend ist, nach welchem Recht und nicht an welchem Ort die Partnerschaft gegründet wurde.

31.

Die Ausarbeitung des Konzepts des Wohnsitzes von Gesellschaften und juristischen Personen (Artikel 60) war auch von der Überlegung geleitet, dass es wünschenswert ist, das allgemeine Zuständigkeitskriterium in Bezug auf Gesellschaften und die Anknüpfungspunkte, die in Artikel 48 EG-Vertrag für die Zwecke der Anerkennung des Niederlassungsrechts von Gesellschaften im Hoheitsgebiet der Gemeinschaft herangezogen werden, miteinander in Übereinstimmung zu bringen. Nach Artikel 48 müssen diese ihren „satzungsmäßigen Sitz“, ihre „Hauptverwaltung“ oder ihre „Hauptniederlassung“ innerhalb der Gemeinschaft haben. Auch wenn mit Artikel 48 ein anderer Zweck verfolgt wird – nämlich zu bestimmen, welche Gesellschaften in allen Mitgliedstaaten tätig sein dürfen – erschien es berechtigt, dieselben Anknüpfungspunkte heranzuziehen, um zu entscheiden, ob Gesellschaften vor den Gerichten eines durch das Übereinkommen gebundenen Staates verklagt werden können. Mit anderen Worten: Wenn einer der in Artikel 48 genannten Anknüpfungspunkte ausreicht, um aus einer Gesellschaft eine Gesellschaft der Gemeinschaft mit sämtlichen damit verbundenen Vorteilen zu machen, dann sollte diese Gesellschaft in Bezug auf alle Zwecke als Gesellschaft der Gemeinschaft behandelt werden und somit auch der Zivilgerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten, in denen sie tätig ist und tätig sein darf, unterworfen sein.

32.

Das Konzept des Wohnsitzes, um das es hier geht, betrifft den allgemeinen Gerichtsstand („forum generale“) von Gesellschaften und juristischen Personen, unbeschadet der Definition des Wohnsitzes einer Gesellschaft für die Zwecke der Begründung eines besonderen Gerichtsstands („forum speciale“) bei bestimmten Arten von Streitigkeiten, die beispielsweise die Gültigkeit, die Nichtigkeit oder die Auflösung einer Gesellschaft oder juristischen Person mit Sitz in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat oder die Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe zum Gegenstand haben (Artikel 22 Absatz 2 des Übereinkommens, auf den weiter unten zurückzukommen sein wird). Für Streitigkeiten, die Versicherungs-, Verbraucher- und individuelle Arbeitsverträge zum Gegenstand haben, enthält das Übereinkommen in den Artikeln 9, 15 und 18 spezielle Vorschriften, die unverändert aus dem Übereinkommen von 1988 übernommen wurden. Das oben erläuterte Konzept berührt auch nicht die gerichtliche Zuständigkeit für Streitigkeiten aus dem Betrieb einer Zweigniederlassung, einer Agentur oder einer sonstigen Niederlassung einer Gesellschaft, die durch Artikel 5 Nummer 5 des Übereinkommen abgedeckt werden (der ebenfalls unverändert übernommen wurde).

33.

Die neue Fassung des Übereinkommens lässt auch die Vorschrift unverändert, wonach der Wohnsitz eines „trust“ nach dem Internationalen Privatrecht des angerufenen Gerichts bestimmt wird. Die Anwendung dieser Vorschrift bereitet in Staaten, in denen der „trust“ eine anerkannte Rechtsform darstellt, zwar keine besonderen Probleme, wohl aber in Staaten, die diese Rechtsform nicht kennen; wenn es im Rechtssystem des angerufenen Gerichts keine geeigneten Kollisionsregeln gibt, nach denen sich der Wohnsitz eines „trust“ bestimmen ließe, kann diese Frage nach dem Recht entschieden werden, dem der „trust“ untersteht (Schlosser-Bericht, Nummern 109-120).

2.   Nichtanwendbarkeit innerstaatlicher Zuständigkeitsvorschriften (Artikel 3)

34.

Wie bereits im Übereinkommen von 1988 vorgesehen, darf von der allgemeinen Regel, wonach sich die Zuständigkeit nach dem Wohnsitz des Beklagten richtet, nur gemäß den in Titel II Abschnitte 2 bis 7 des Übereinkommens festgelegten Zuständigkeitsvorschriften abgewichen werden. Dies bedeutet, dass eine – natürliche oder juristische – Person, die ihren Wohnsitz in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat hat, nur gemäß diesen Vorschriften vor den Gerichten eines anderen durch das Übereinkommen gebundenen Staates verklagt werden kann. Obwohl in Artikel 3 Absatz 1 ganz allgemein auf die „Gerichte“ eines anderen durch das Übereinkommen gebundenen Staates Bezug genommen wird, kann diese Bestimmung auch die interne Zuständigkeit der Gerichte dieses Staates berühren: Vielfach wirken sich die Zuständigkeitsvorschriften des Titels II nämlich nicht nur auf die Zuständigkeit eines bestimmten Staates aus, sondern auch auf die Verteilung der örtlichen Zuständigkeit unter seinen Gerichten, so dass die Zuständigkeit einem bestimmten Gericht übertragen wird.

35.

Da es sich hierbei um eine Ausnahme von der allgemeinen Regel handelt, ist die Bezugnahme auf die Zuständigkeitsvorschriften des Übereinkommens als endgültige Verweisung anzusehen, mit der alle anderen – exorbitanten oder sonstigen – innerstaatlichen Zuständigkeitsvorschriften (z.B. eine nationale Zuständigkeitsvorschrift, die auf den Aufenthaltsort des Beklagten verweist, sofern sich dieser von dessen Wohnsitz unterscheidet) ausgeschlossen werden. Das System des Übereinkommens beruht auf der Vereinheitlichung der Zuständigkeitsregeln und nicht auf dem bloßen Ausschluss exorbitanter Zuständigkeiten, auch wenn die innerstaatlichen Vorschriften, deren Anwendung ausgeschlossen wird, in der Tat oft exorbitant sind.

36.

Vor diesem Hintergrund ist Artikel 3 Absatz 2 zusammen mit Anhang I, auf den er verweist und in dem die innerstaatlichen Vorschriften, die nicht geltend gemacht werden können, aufgeführt sind (zu den Gründen, aus denen die Liste der innerstaatlichen Vorschriften aus Artikel 3 in einen Anhang übernommen wurde, siehe unten die Erörterungen zu Artikel 77), lediglich als Beschreibung und Richtschnur für Rechtsanwender zu betrachten, der die wichtigsten innerstaatlichen Vorschriften zu entnehmen sind, die nicht angewandt werden dürfen. Nach Absatz 1 kann nur vor den in Titel II Abschnitte 2 bis 7 genannten Gerichten Klage erhoben werden, d.h. alle anderen Zuständigkeitskriterien werden ausgeschlossen, gleich, ob die entsprechende Vorschrift in Anhang I aufgeführt ist oder nicht. Somit erscheint es unerheblich, dass das Wort „insbesondere“, das sich im Einleitungssatz zu der Auflistung der innerstaatlichen Vorschriften im Übereinkommen von 1988 fand, nicht in alle Sprachfassungen des Absatzes 2 Eingang gefunden hat (30). Die Liste in Anhang I ist nur als eine Aufzählung von Beispielen anzusehen, mit der die Wirkung von Absatz 1, wonach alle den Vorschriften des Übereinkommens entgegenstehenden innerstaatlichen Vorschriften als nicht anwendbar zu betrachten sind, nicht eingeschränkt wird.

3.   Beklagter ohne Wohnsitz in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat (Artikel 4)

37.

Hat der Beklagte keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines durch das Übereinkommen gebundenen Staates, so bestimmt sich die Zuständigkeit gemäß dem System des Übereinkommens nach dem innerstaatlichen Recht; dies wird in Artikel 4 des neuen Übereinkommens bestätigt. Diesbezüglich legt das Übereinkommen keine eigenen Zuständigkeitsregeln fest, sondern regelt die Frage nur mittelbar, indem es auf das Rechtssystem des Staates des angerufenen Gerichts verweist. Somit ist der Wohnsitz des Beklagten auch ein Kriterium, das den Anwendungsbereich der Vorschriften des Übereinkommens, die die Zuständigkeit unmittelbar und autonom regeln, einschränkt; allerdings ist er kein Kriterium, das die Regelung der gerichtlichen Zuständigkeit durch das Übereinkommen generell einschränkt.

Dass diese Auffassung, die bereits im Schrifttum zu dem Übereinkommen von 1988 vertreten worden war, richtig ist, hat der Europäische Gerichtshof in seinem Gutachten 1/03 bestätigt; darin stellt er im Zusammenhang mit der Verordnung Nr. 44/2001 Folgendes fest: „Die genannte Verordnung enthält ein Regelwerk, das ein umfassendes System bildet und dessen Vorschriften nicht nur für die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten gelten […] sondern auch für die Beziehungen zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat.“ Weiter heißt es dort insbesondere, dass „Artikel 4 Absatz 1 […] dahin auszulegen [ist], dass er Teil des mit dieser Verordnung errichteten Systems ist, da diese den angesprochenen Fall durch Verweisung auf das Recht des Mitgliedstaats regelt, dessen Gericht angerufen worden ist“ (31).

38.

Diese Verweisung auf das innerstaatliche Recht des angerufenen Gerichts erfährt auch eine Einschränkung durch die Vorschriften, die in dem Übereinkommen direkt festgelegt sind und die unabhängig vom Wohnsitz des Beklagten gelten. Es handelt sich dabei um die Vorschriften betreffend die ausschließliche Zuständigkeit (Artikel 22) und die Vorschriften betreffend die Vereinbarung über die Zuständigkeit (Artikel 23), die nun auch in Artikel 4 ausdrücklich erwähnt werden, obwohl sie schon in der Vergangenheit die Verweisung auf das innerstaatliche Recht einschränkten. Sieht man von diesen beiden Bestimmungen einmal ab, so besagt die Verweisung auf das innerstaatliche Recht, dass in den Fällen, in denen der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Staat hat, der nicht durch das Übereinkommen gebunden ist, die Zuständigkeitsvorschriften nach Anhang I angewandt werden können, auch wenn diese eine exorbitante Zuständigkeit begründen. Hervorhebenswert ist schließlich noch, dass sich nach Artikel 4 Absatz 2 ausländische Kläger genauso wie die Angehörigen des Staates des angerufenen Gerichts auf die dort geltenden Zuständigkeitsregeln berufen können, sofern sie ihren Wohnsitz in diesem Staat haben (siehe Jenard-Bericht, S. 21 und 22).

2.    Besondere Zuständigkeiten

1.   Allgemeines

39.

Neben und alternativ zu der allgemeinen Regel, dass der Beklagte seinen Wohnsitz in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat haben muss, wurde im Übereinkommen die bestehende Struktur der besonderen Zuständigkeiten beibehalten, die es dem Kläger ermöglicht, die Gerichte eines anderen durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates anzurufen. Diese Zuständigkeiten werden in den Artikeln 5 bis 7 des Übereinkommens (die den Artikeln 5, 6 und 6a des Übereinkommens von 1988 entsprechen) geregelt. Während die allgemeine Regel voraussetzt, dass ein Bezug zwischen dem Beklagten und dem Gericht besteht, gehen die besonderen Zuständigkeitsvorschriften davon aus, dass ein Bezug zwischen einer Streitigkeit und dem zur Entscheidung über sie berufenen Gericht besteht. Diese Zuständigkeiten beruhen auf dem Grundsatz einer sachgerechten Gestaltung des Prozesses und sind nur dann gerechtfertigt, wenn im Hinblick auf das Verfahren unter dem Gesichtspunkt der Beweiserhebung und der Prozessgestaltung eine hinreichende Verbindung zwischen der Streitigkeit und dem angerufenen Gericht besteht (32) oder wenn die Interessen der Parteien, gegen die sich das Verfahren richtet, besser geschützt werden sollen. Da die Zuständigkeiten im Übereinkommen selbst umfassend geregelt sind, gelten diese Vorschriften unabhängig davon, ob im innerstaatlichen Recht der durch das Übereinkommen gebundenen Staaten entsprechende Zuständigkeiten vorgesehen sind (33).

40.

Die im Übereinkommen von 1988 vorgesehenen besonderen Zuständigkeiten bleiben zum Teil unverändert, wobei allerdings kleinere, rein redaktionelle Änderungen am Wortlaut vorgenommen wurden. Im Folgenden werden daher nur diejenigen Änderungen erörtert, die über eine rein redaktionelle Überarbeitung hinausreichen, jene, bei denen die redaktionelle Überarbeitung in Wirklichkeit auf ein inhaltliches Problem hindeutet, sowie jene, die aufgrund der Weiterentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs weiter erläutert werden müssen.

Kaum geändert worden sind die Vorschriften, die vorsehen, dass für Klagen gegen einen Begründer, „trustee“ oder Begünstigten eines „trust“ die Gerichte des Staates zuständig sind, in dessen Hoheitsgebiet der „trust“ seinen Sitz hat (Artikel 5 Nummer 6; siehe Schlosser-Bericht, Nummern 109-120), bzw. dass für Streitigkeiten wegen der Zahlung eines Berge- und Hilfslohn das Gericht zuständig ist, das die Ware oder Frachtforderung mit Arrest belegt hat, wenn behauptet wird, dass der Beklagte Rechte an der Ladung oder an der Frachtforderung hat oder zur Zeit der Bergungs- oder Hilfeleistungsarbeiten hatte (Artikel 5 Nummer 7; siehe Schlosser-Bericht, Nummern 121-123); darum brauchen hier die diesbezüglichen Erläuterungen, die sich in den Berichten zu den früheren Übereinkommen finden, nicht weiter ergänzt zu werden.

41.

Dasselbe gilt für die besonderen Vorschriften, nach denen bei einer Widerklage, die auf denselben Vertrag oder Sachverhalt wie die Klage selbst gestützt wird, das Gericht zuständig ist, bei dem die Klage selbst anhängig ist (Artikel 6 Absatz 3; siehe Jenard-Bericht, S. 28), bzw. bei einer Klage im Zusammenhang mit einem Vertrag oder Ansprüchen aus einem Vertrag, die mit einer Klage wegen dinglicher Rechte an unbeweglichen Sachen gegen denselben Beklagten verbunden werden kann, die Gerichte des durch das Übereinkommen gebundenen Staates, in dessen Hoheitsgebiet die unbewegliche Sache belegen ist (Artikel 6 Absatz 4; siehe Jenard/Möller-Bericht, S. 46 und 47, und Almeida Cruz/Desantes Real/Jenard-Bericht, Nummer 24).

2.   Verträge (Artikel 5 Nummer 1)

42.

Von den in den Artikeln 5 bis 7 vorgesehenen besonderen Zuständigkeiten, die es dem Kläger gestatten, nicht – wie es der allgemeinen Regel entsprechen würde – im Wohnsitzstaat des Beklagten, sondern in einem anderen durch das Übereinkommen gebundenen Staat zu klagen, war zweifellos die Zuständigkeit in Vertragssachen am umstrittensten. Artikel 5 Nummer 1 des Lugano-Übereinkommens von 1988 wie auch die entsprechende Bestimmung des Brüsseler Übereinkommens sieht vor, dass eine Person, die ihren Wohnsitz in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat hat, in einem anderen durch dieses Übereinkommen gebundenen Staat verklagt werden kann, und zwar „wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre“; diese Vorschrift hat eine Reihe von Problemen nach sich gezogen, was die Auslegung des Begriffs „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ sowie die Bestimmung der zu erfüllenden Verpflichtung und die Bestimmung des Erfüllungsorts betrifft. Zu diesen Problemen hat sich der Gerichtshof in zahlreichen Verfahren immer wieder geäußert, wobei er entweder zu autonomen Lösungen gelangt ist oder aber festgestellt hat, dass die Sache nach innerstaatlichem Recht entschieden werden muss, ohne dass damit alle durch das Übereinkommen aufgeworfenen Schwierigkeiten beseitigt worden wären.

43.

Was den Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ betrifft, der im innerstaatlichen Recht der Vertragsstaaten unterschiedlich ausgelegt wird, so ist der Gerichtshof zu der Auffassung gelangt, dass es sich dabei um einen autonomen Begriff handelt; es hat keine allgemeine oder abstrakte Definition festgelegt, aber in einzelnen Fällen Hinweise gegeben, wann eine vertragliche Verpflichtung vorliegt und wann nicht (34). Ist das Bestehen oder die Gültigkeit eines Vertrags Gegenstand des Verfahrens, so geht es um einen Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag (35). Klagen, bei denen sowohl Vertragsbruch als auch außervertragliche Haftungsansprüche geltend gemacht werden, eröffnen keine Annexzuständigkeit: Bei der erstgenannten Klage bestimmt sich die gerichtliche Zuständigkeit nach Artikel 5 Nummer 1, bei der zweiten Klage nach Artikel 5 Nummer 3 (Haftungsansprüche aus einer unerlaubten Handlung), selbst wenn der Kläger dann zwei getrennte Verfahren vor verschiedenen Gerichten anstrengen muss (36), was sich allerdings immer dadurch vermeiden lässt, dass die Klage der allgemeinen Regel entsprechend am Wohnsitz des Beklagten eingereicht wird.

44.

Was die Bestimmung der erfüllten bzw. zu erfüllenden „Verpflichtung“ betrifft, so lässt Artikel 5 Nummer 1 ausdrücklich mehrere Zuständigkeiten für ein und denselben Vertrag zu, wobei einer echten Verbindung zwischen dem Gericht und dem speziellen Rechtsstreit der Vorzug vor einer einheitlichen Behandlung des Vertrags gegeben wird. In dem Bestreben, beide Anforderungen – nämlich eine echte Verbindung zu dem Rechtsstreit und die Einheit des Vertrags – in ausgewogener Weise zu berücksichtigen, hat der Gerichtshof festgestellt, dass der Ausdruck „Verpflichtung“ sich auf die vertragliche Verpflichtung bezieht, die Gegenstand der Klage bildet und deren Nichterfüllung der Kläger geltend macht, und nicht auf die Verpflichtung, deren Erfüllung vom Kläger ausdrücklich eingefordert wird (37).

Ebenso hat der Gerichtshof befunden, dass bei einer Klage, die auf verschiedene Verpflichtungen aus ein und demselben Vertrag gestützt ist, das angerufene Gericht unter Hinweis auf die Hauptverpflichtung feststellen kann, ob es zuständig ist (38); die Frage, welche Verpflichtungen nachrangig und welche gleichrangig sind, ist dabei von dem angerufenen Gericht in der Regel auf Grundlage des auf den Vertrag anwendbaren Rechts zu entscheiden (39). Ungeachtet dieser Urteile kommt es immer wieder vor, dass für einen Vertrag mehrere Gerichte zuständig sind, insbesondere wenn eine Klage auf gleichrangige Verpflichtungen aus ein und demselben Vertrag gestützt wird (40). Es wurde darauf hingewiesen, dass diese Situation nicht immer befriedigend ist, vor allem weil eine Zahlungsverpflichtung vom übrigen Vertrag abgetrennt und in dieser Sache das Gericht an dem Ort, an dem diese Verpflichtung zu erfüllen ist und der sich meist mit dem Wohnort des Klägers deckt, angerufen werden kann.

45.

Was die Bestimmung des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, anbelangt, so wären zwar vielleicht andere Lösungen möglich gewesen – etwa ein autonomes Konzept oder eine Verweisung auf die lex fori –, doch hat sich der Gerichtshof für eine Verweisung auf die lex causae der streitigen Verpflichtung entschieden, die nach den Kollisionsnormen des angerufenen Gerichts bestimmt wird (41), und zwar auch dann, wenn der Erfüllungsort von den Parteien in einer nach dem auf den Vertrag anwendbaren innerstaatlichen Recht wirksamen Vereinbarung bestimmt worden ist (42). Diese Auslegung, die zunächst keinerlei Vereinheitlichung der unterschiedlichen Kollisionsnormen der Vertragsstaaten brachte und die Möglichkeit des „forum shopping“ nicht unterband, wurde später durch das Übereinkommen von Rom vom 19. Oktober 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht untermauert: Obwohl das Übereinkommen von Rom einen flexiblen, objektiven Anknüpfungspunkt verwendet, ist das auf den Vertrag anzuwendende Recht und somit der Ort, an dem die Verpflichtungen aus dem Vertrag zu erfüllen sind, in der Regel für die Parteien vorhersehbar. Die Bezugnahme auf das anwendbare Recht, mit dem gleichzeitig der Ort bestimmt wird, an dem die Verpflichtung zu erfüllen ist, lässt jedoch die erheblichen Unterschiede zwischen den innerstaatlichen Rechtsvorschriften über finanzielle Verpflichtungen weiterbestehen und löst auch nicht das Problem, dass immer dann, wenn es sich bei der vor dem Gericht geltend gemachten Verpflichtung um eine finanzielle Verpflichtung handelt, der Erfüllungsort sich meist mit dem Wohnort des Klägers deckt, wodurch das „forum shopping“ begünstigt wird.

46.

Ungeachtet der Auslegung in der Rechtsprechung, mit der einige Probleme ausgeräumt wurden, empfanden viele die oben beschriebenen Vorschriften weiterhin als unbefriedigend, und die Kommission und die Vertragsstaaten haben zahlreiche Vorschläge zu deren Änderung unterbreitet. Die Vorschläge sind recht unterschiedlich, doch laufen alle darauf hinaus, dass die Funktion der Bezugnahme auf den Erfüllungsort einer Verpflichtung abgeschwächt würde, ein einheitlicher Vertragsgerichtsstand zumindest in gewissem Grade gewahrt bliebe und sich der Erfüllungsort, der als Grundlage für die gerichtliche Zuständigkeit jeweils herangezogen würde, leichter bestimmen und vorhersehen ließe. Die Vorschläge und die diesbezüglichen Beratungen der Ad-hoc-Arbeitsgruppe werden nachstehend beschrieben, soweit dies erforderlich ist, um zu verstehen, wie der jetzige Wortlaut zustande gekommen ist.

47.

Der radikalste Vorschlag, der auch im Schrifttum nachdrückliche Unterstützung findet (43), zielte darauf ab, den Gerichtsstand des Erfüllungsorts der Verpflichtung abzuschaffen, so dass für Vertragssachen der allgemeine Gerichtsstand des Beklagten oder alternativ der von den Parteien gewählte Gerichtsstand gelten würde. Diese Lösung wurde von der Ad-hoc-Arbeitsgruppe mit der Begründung verworfen, dass der Gerichtsstand des Beklagten weniger geeignet sein könnte, wenn an dem Ort, an den die beweglichen Sachen geliefert bzw. an dem die Dienstleistungen erbracht werden sollten, Inaugenscheinnahmen durchgeführt werden müssen, und dass die Parteien vielleicht keinen Gerichtsstand für ihre Streitigkeiten vereinbaren. Die Arbeitsgruppe hat sich daher mit anderen Vorschlägen befasst, nach denen es weiterhin einen Vertragsgerichtsstand gäbe, gleichzeitig aber die Probleme des geltenden Textes umgangen oder zumindest begrenzt würden.

48.

Zu diesen Vorschlägen zählt insbesondere der Vorschlag, auf den Erfüllungsort der charakteristischen Verpflichtung des Vertrags zu verweisen; damit soll vermieden werden, dass mehrere Gerichte für einen Vertrag zuständig sind und die gerichtliche Zuständigkeit auf die Zahlungsverpflichtung gegründet wird, es sei denn natürlich, die finanzielle Verbindlichkeit bildete die charakteristische Verpflichtung des Vertrags. Diesem Vorschlag wurde aus mehreren Gründen nicht gefolgt: Internationale Verträge sind oft kompliziert, und es ist nicht immer leicht festzustellen, welches die charakteristische Verpflichtung ist; um die charakteristische Verpflichtung zu ermitteln, muss eine umfassende Bewertung des Vertrags vorgenommen werden, was in der Phase, in der das zuständige Gericht bestimmt wird, verfrüht wäre; die Bestimmung des Ortes, an dem die charakteristische Verpflichtung zu erfüllen ist, richtet sich nach dem anwendbaren Recht, so dass auch hier wiederum auf die Kollisionsnormen verwiesen werden müsste; und schließlich stellt die charakteristische Verpflichtung nicht unbedingt eine hinreichende Verbindung zwischen der Streitigkeit und einem bestimmten Gericht dar, wenn eine andere vertragliche Verpflichtung Gegenstand des Streits ist. Es ist nämlich eine Sache, das anwendbare Recht zu bestimmen, indem versucht wird, eine umfassende vertragliche Beziehung einheitlich zu definieren, auch wenn einige Teile deutlich weniger eng zusammenhängen und eventuell mehrere Gerichte zuständig sein mögen, und eine andere Sache, die Verbindung festzulegen, die zwischen einer Streitigkeit und dem Gericht, das am besten darüber entscheiden kann, bestehen muss.

49.

Nachdem die Ad-hoc-Arbeitsgruppe die Möglichkeit einer Bezugnahme auf die charakteristische Verpflichtung des Vertrags verworfen hatte, prüfte sie die Möglichkeit, den Anwendungsbereich von Artikel 5 Nummer 1 auf bestimmte Verträge zu begrenzen, und zwar – wie die Kommission vorgeschlagen hatte – auf Kaufverträge, bei denen der Erfüllungsort der Ort ist, an dem die Lieferung der beweglichen Sachen ausgeführt wurde oder hätte ausgeführt werden sollen, außer wenn die beweglichen Sachen an verschiedene Orte geliefert wurden oder hätten geliefert werden sollen; damit verlöre die Zahlungsverpflichtung vollständig an Bedeutung (44). Gegen eine solche begrenzte Lösung wurde eingewandt, dass ein Vertragsgerichtsstand nicht nur bei Kaufverträgen, sondern mindestens ebenso sehr bei Dienstleistungsverträgen wünschenswert sei. Auf der anderen Seite sei gerade in derartigen Verträgen die Zahlungsverpflichtung in den meisten Fällen nicht der Hauptaspekt, auf den die Zuständigkeit gestützt werden könne, außer natürlich bei Verträgen über Gelddienstleistungen.

Nach reiflicher Überlegung hat die Ad-hoc-Arbeitsgruppe beschlossen, den geltenden Text nicht von Grund auf zu ändern, sondern ihn nur in der Weise anzupassen, dass deutlich wird, welche Verpflichtung bei Kauf- oder Dienstleistungsverträgen diejenige ist, deren Erfüllungsort einen alternativen Gerichtsstand neben dem Gerichtsstand des Beklagten begründen kann, und dass eine Bezugnahme auf den Zahlungsort im Rahmen solcher Verträge ausgeschlossen wird, und bei allen anderen Verträgen und für die Fälle, in denen sich die beschriebenen besonderen Vorschriften als nicht anwendbar erwiesen haben, hingegen an der geltenden Bestimmung festzuhalten (45).

50.

Artikel 5 Nummer 1 Buchstabe a des neuen Übereinkommens ist identisch mit der entsprechenden Bestimmung aus dem Übereinkommen von 1988, wonach das Gericht des Ortes zuständig ist, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Die Auslegung der Tragweite dieser Vorschrift bleibt nicht allein dem Rechtsanwender überlassen, wie dies vorher der Fall war: Bezüglich der Anwendung von Buchstabe a wird in Buchstabe b nämlich präzisiert, dass bei Verträgen über den Kauf beweglicher Sachen oder die Erbringung von Dienstleistungen der Erfüllungsort der Verpflichtung der Ort in einem durch dieses Übereinkommen gebundenen Staat ist, an dem die beweglichen Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen bzw. an dem die Dienstleistungen nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen. Somit wird in Buchstabe b die Verpflichtung, deren Erfüllungsort die Zuständigkeit für solche Verträge begründet, autonom festgelegt, ohne dass es auf die Verpflichtung, deren Erfüllung Gegenstand des Rechtsstreits ist, ankommt. Ohne dass der Ausdruck verwendet würde, wird damit der Grundsatz der charakteristischen Verpflichtung aufgegriffen und folglich eine Bezugnahme auf die Zahlungsverpflichtung ausgeschlossen, auch wenn diese Verpflichtung in der Klage geltend gemacht wird.

Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe entschied sich gegen eine Aufnahme des ursprünglichen Vorschlags der Kommission, wonach in Buchstabe b ausdrücklich die Fälle ausgeschlossen worden wären, in denen im Rahmen eines Kaufvertrags bewegliche Sachen an mehreren Orten geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen. Werden in einem solchen Fall alle Lieferverpflichtungen in der Klageschrift gleichzeitig geltend gemacht, so sind – unbeschadet der künftigen Auslegungen dieser Bestimmung durch den Gerichtshof – jeweils verschiedene Lösungen denkbar, etwa eine Bezugnahme auf den Ort der Hauptlieferung, eine Wahl des Klägers in Bezug auf den Lieferort, an dem er seine Klage insgesamt oder nur in Bezug auf den an diesem Ort auszuführenden Teil der Lieferung anstrengt, oder sogar eine Bezugnahme auf den Ort der Erfüllung der Zahlungsverpflichtung, sofern diese Verpflichtung in der Klageschrift geltend gemacht wird. Der Gerichtshof hat sich im Zusammenhang mit der Parallelbestimmung in Artikel 5 Nummer 1 Buchstabe b der Brüssel-I-Verordnung bereits geäußert und wie folgt entschieden: „Im Fall mehrerer Lieferorte in einem Mitgliedstaat“„ist für die Entscheidung über sämtliche Klagen aus einem Vertrag über den Verkauf beweglicher Sachen das Gericht zuständig, in dessen Sprengel sich der Ort der nach wirtschaftlichen Kriterien zu bestimmenden Hauptlieferung befindet. Lässt sich der Ort der Hauptlieferung nicht feststellen, so kann der Kläger den Beklagten vor dem Gericht des Lieferorts seiner Wahl verklagen.“ (46) Dabei hat sich der Gerichtshof bewusst nicht zu der Frage geäußert, welche Probleme im Fall mehrerer Lieferorte in verschiedenen Mitgliedstaaten auftreten und welche Lösungen dann am zweckmäßigsten sind (47). Vergleichbare Probleme ergeben sich natürlich auch im Falle mehrerer Dienstleistungsorte in verschiedenen Mitgliedstaaten.

51.

Die Bestimmung des Erfüllungsorts hat gemäß Buchstabe b aufgrund einer Tatsachenprüfung zu erfolgen, wodurch ein Rückgriff auf das Internationale Privatrecht vermieden werden soll; danach muss der Ort der Lieferung der beweglichen Sachen bzw. der Ort der Erbringung von Dienstleistungen „nach dem Vertrag“ bestimmt werden, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben. Hervorzuheben ist, dass diese Bestimmung nur gilt, sofern von den Parteien „nichts anderes vereinbart worden ist“; damit wird die Parteiautonomie ausdrücklich gewahrt, und zwar auch in Bezug auf die Bestimmung des Erfüllungsorts. Es bleibt die Frage, ob sich mit dieser Bestimmung vollständig verhindern lässt, dass die Kollisionsnormen des angerufenen Gerichts ins Spiel kommen, wenn die Parteien den Lieferort bzw. den Dienstleistungsort nicht hinreichend genau angegeben haben und dieser gegebenenfalls mit Hilfe des auf den Vertrag anwendbaren Rechts bestimmt wird oder wenn der Ort, an dem die beweglichen Sachen geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen, bzw. der Ort, an dem die Dienstleistungen erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen, den Gegenstand des Rechtsstreits bildet.

Buchstabe b wirkt dann wie eine besondere, auf Kauf- und Dienstleistungsverträge beschränkte Vorschrift zur Anwendung des in Buchstabe a festgelegten allgemeinen Grundsatzes der Anknüpfung an den Ort, an dem die fragliche Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Er gilt nicht für Verträge, die keiner dieser beiden Kategorien zuzuordnen sind, und – wenn sich der Erfüllungsort des Vertrags in einem nicht durch das Übereinkommen gebundenen Staat befindet – nicht einmal für Verträge, bei denen es sich um Kauf- bzw. Dienstleistungsverträge handelt. Immer wenn Buchstabe b sich als nicht anwendbar erweist, gilt Buchstabe a; dies ergibt sich nämlich aus Buchstabe c, der eine Schlussfolgerung präzisiert und bestätigt, die sich ohnehin aus den Buchstaben a und b ableiten lässt. Beispielsweise kann im Falle eines Kaufvertrags, bei dem die Verpflichtung zur Lieferung der beweglichen Sachen in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat zu erfüllen ist, zur Begründung der Zuständigkeit nicht an den Ort, an dem die Zahlungsverpflichtung zu erfüllen ist, angeknüpft werden; wenn jedoch die Lieferverpflichtung in einem nicht durch das Übereinkommen gebundenen Staat zu erfüllen ist, könnte der Kläger für seine Ansprüche den Ort, an dem die Zahlung hätte erfolgen müssen, geltend machen, allerdings immer unter der Voraussetzung, dass dieser Ort sich in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat befindet, da dann Buchstabe a zur Anwendung gelangen würde, der die Berücksichtigung der spezifischen Verpflichtung, die geltend gemacht wird, ermöglicht.

52.

Hinsichtlich der Zuständigkeit für individuelle Arbeitsverträge, die in Artikel 5 Nummer 1 des Übereinkommens von 1988 genannt werden, wurden mehrere Änderungsvorschläge vorgelegt; die Ad-hoc-Arbeitsgruppe hat sich dafür entschieden, diese Frage separat in Titel II zu regeln (siehe weiter unten, in Verbindung mit Abschnitt 5).

3.   Unterhaltspflichten (Artikel 5 Nummer 2)

53.

Der erste Teil der Vorschrift – Buchstaben a und b – wurde gegenüber dem Wortlaut der Bestimmung im Übereinkommen von 1988 nicht geändert; dieser wiederum deckte sich mit der entsprechenden Bestimmung im Brüsseler Übereinkommen in der Fassung des Beitrittsübereinkommens von 1978. Zu näheren Erläuterungen hierzu wird deshalb auf die früheren Berichte (Jenard-Bericht, S. 24-25; Schlosser-Bericht, Nummern 90-108) verwiesen.

54.

Der Gerichtshof hat sich mehrfach mit dieser Bestimmung befasst und dabei mehrere Aspekte geklärt. So hat er festgestellt, dass der Begriff der Unterhaltspflicht weit auszulegen ist und alle Pflichten einschließt, die dazu bestimmt sind, den Unterhalt einer Person zu sichern, gleich, ob es sich dabei um regelmäßige Zahlungen handelt oder nicht und ob die Mittel und Bedürfnisse der Betroffenen bei der Festsetzung der Unterhaltspflicht berücksichtigt wurden oder nicht. Die Unterhaltspflicht kann daher in einem Pauschalbetrag bestehen, wenn der Betrag des Kapitals so festgesetzt wird, dass er ein zuvor festgesetztes Einkommensniveau sichert, oder in einer Übertragung von Eigentum, die dazu bestimmt ist, den Unterhalt einer Person zu sichern. Wenn eine solche Leistung dazu bestimmt ist, den Unterhalt eines Ehegatten zu sichern, oder wenn die Bedürfnisse und die Mittel beider Ehegatten bei seiner Festsetzung berücksichtigt werden, geht es bei der Zahlung um eine Unterhaltspflicht und nicht um eheliche Güterstände, die nicht unter das Übereinkommen fallen (48). Weist eine Verpflichtung diese Merkmale einer Unterhaltspflicht auf, so fällt sie unter Artikel 5 Nummer 2 und damit in den Anwendungsbereich des Übereinkommens, auch wenn über sie im Zusammenhang mit einem anderen Verfahren, beispielsweise einem Ehescheidungsverfahren, zu entscheiden ist, das selbst nicht dem Anwendungsbereich unterfällt (49).

55.

Beim Begriff des „Unterhaltsberechtigten“ handelt es sich um einen autonomen Begriff, der im Lichte der Zwecke des Übereinkommens und ohne Rückgriff auf das innerstaatliche Recht des angerufenen Gerichts zu bestimmen ist. Artikel 5 Nummer 2 lässt keine Unterscheidung zwischen einer Person, der Unterhaltsansprüche bereits zuerkannt wurden, und einer Person. deren Ansprüche noch nicht festgestellt wurden, zu; mit dem der Begriff werden folglich nicht nur Personen erfasst, deren Unterhaltsansprüche bereits in einem früheren Urteil festgestellt wurden, sondern auch Personen, die zum ersten Mal Unterhalt beantragen, gleich, ob das innerstaatliche Recht den Begriff des Unterhaltsberechtigten auf die erstgenannte Personengruppe beschränkt (50). In Anbetracht der Rechtsprechung des Gerichtshofs hielt es die Ad-hoc-Arbeitsgruppe nicht für erforderlich, Artikel 5 Nummer 2 zu ändern und den Ausdruck „Unterhaltsberechtigter“ durch den Ausdruck „der auf Unterhalt Klagende“ zu ersetzen, wie es die Kommission vorgeschlagen hatte (51).

Der Begriff „Unterhaltsberechtigter“ erstreckt sich nicht auf öffentliche Einrichtungen, die im Wege einer Regressklage die Rückzahlung von Beträgen verlangen, die sie einem Unterhaltsberechtigten gezahlt haben, dessen Ansprüche gegen den Unterhaltsverpflichteten auf sie übergegangen sind, da in diesem Fall kein Anlass besteht, dem Unterhaltsverpflichteten den durch die allgemeine Regel des Artikels 2 des Übereinkommens gebotenen Schutz zu nehmen (52).

56.

Neu ist die Bestimmung in Buchstabe c, die Unterhaltssachen betrifft, über die im Zusammenhang mit einem Verfahren in Bezug auf die elterliche Verantwortung zu entscheiden ist: Danach ist das nach seinem Recht für dieses Verfahren zuständige Gericht zuständig, es sei denn, diese Zuständigkeit beruht nur auf der Staatsangehörigkeit einer der Parteien. Doch ist darauf hinzuweisen, dass damit Artikel 5 Nummer 2 in seiner jetzigen Fassung, wie er sich im Übereinkommen von 1988 und in der Brüssel-I-Verordnung findet, in keiner Weise geändert wird (53). Mit Buchstabe c soll lediglich die Parallelität zwischen dem Gemeinschaftsrecht und dem Lugano-Übereinkommen sichergestellt werden. In Erwägungsgrund 11 der Brüssel-IIa-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003) (54) wird insbesondere die Bedeutung der Zuständigkeitsregel für Unterhaltssachen, über die im Zusammenhang mit einem Verfahren in Bezug auf die elterliche Verantwortung zu entscheiden ist, dahingehend präzisiert, dass die für diese Unterhaltssachen zuständigen Gerichte auf der Grundlage von Artikel 5 Nummer 2 der Brüssel-I-Verordnung zu bestimmen sind. Um alle Zweifel auszuschließen, hielt die Arbeitsgruppe es für zweckmäßig, in das Lugano-Übereinkommen eine Bestimmung aufzunehmen, in der dieser Punkt präzisiert wird.

4.   Unerlaubte Handlung oder Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist (Artikel 5 Nummer 3)

57.

Nach Artikel 5 Nummer 3 des Übereinkommens von 1988 (und zuvor schon des Brüsseler Übereinkommens) ist für Verfahren, die „eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist,“ zum Gegenstand haben, „das Gericht des Ortes“ zuständig, „an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“; zu dieser Bestimmung hat sich der Gerichtshof in zahlreichen Urteilen geäußert, teilweise infolge des Jenard-Berichts, der sich selbst mit dem Hinweis begnügt, dass der Ausschuss, dessen Berichterstatter Herr Jenard war, „es nicht für erforderlich [hielt], ausdrücklich festzulegen, ob damit der Ort gemeint ist, an dem die schädigende Handlung begangen worden ist, oder der Ort, an dem der Schaden eingetreten ist. Er hielt es für vorteilhafter, sich an die Fassung zu halten, die sich in mehreren nationalen Rechten […] findet“ (55); damit ließ er offen, wie diese Formulierung selbst auszulegen ist. Die Frage wurde dem Gerichtshof unterbreitet, der entschied, dass die Formulierung in Artikel 5 Nummer 3 so zu verstehen ist, dass sie sowohl den Ort, an dem der Schaden eingetreten ist, als auch den Ort des ursächlichen Geschehens meint, und der Beklagte daher nach Wahl des Klägers vor dem Gericht des einen oder des anderen Ortes verklagt werden kann (56).

Mit dieser Auslegung wird keiner der verschiedenen Lösungen, die sich in den innerstaatlichen Rechtvorschriften finden, der Vorzug gegeben; diese Vorschriften gehen bei der Bestimmung des Ortes, an dem Schäden aufgrund „anderswo“ begangener unerlaubter Handlungen eingetreten sind, teils vom Begriff des Handlungsorts und teils vom Begriff des Erfolgsorts aus, wodurch die Möglichkeiten des „forum shopping“ sich erweitern. Allerdings ist zu bedenken, dass bei einer Bezugnahme nur auf den Handlungsort der besondere Gerichtsstand des Ortes der unerlaubten Handlung seine Bedeutung gänzlich verloren hätte, da der Handlungsort häufig mit dem Wohnsitz des Beklagten, der die unerlaubte Handlung zu verantworten hat, zusammenfällt, wohingegen eine Bezugnahme allein auf den Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, eine Aufsplitterung des Gerichtsstands in vielen Fällen keineswegs verhindert hätte.

58.

Die Kommission hatte vorgeschlagen, die Rechtsprechung des Gerichtshofs im Wortlaut von Artikel 5 Nummer 3 zu berücksichtigen und darin sowohl auf den „Ort des schadensursächlichen Geschehens“ als auch auf den „Ort, an dem der Schaden oder ein Teil des Schadens eingetreten ist,“ zu verweisen (57). Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe ist diesem Vorschlag nicht gefolgt: Eine eindeutige und unangefochtene Rechtsprechung in einem Rechtsakt zu bestätigen, hielt sie für unnötig, wenn nicht gar gefährlich, denn die verwendeten Formulierungen könnten, wenn sie in den Rechtstext aufgenommen würden, zu neuen Auslegungen Anlass geben. Überdies war unter dem Gesichtspunkt einer Bezugnahme auf den Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, der Vorschlag, dass die Gerichte „des Ortes, an dem der Schaden oder ein Teil des Schadens eingetreten ist,“ zuständig sein sollten, in mehrerer Hinsicht problematisch. Er ließ nämlich die Urteile außer Acht, mit denen der Gerichtshof sein ursprüngliches Urteil im Nachhinein präzisiert hatte. In diesen Urteilen hatte der Gerichtshof deutlich gemacht, dass die Wendung „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist,“ den Ort bezeichnet, an dem das haftungsauslösende Ereignis den unmittelbar Betroffenen direkt geschädigt hat (58), und nicht den Ort, an dem der Geschädigte einen Vermögensschaden in der Folge eines in einem anderen Vertragsstaat entstandenen und dort von ihm erlittenen Erstschadens erlitten zu haben behauptet; sie kann also nicht so weit ausgelegt werden, dass sie jeden Ort erfasst, an dem die nachteiligen Folgen eines Umstands spürbar werden können, der bereits einen – tatsächlich an einem anderen Ort entstandenen – Schaden verursacht hat (59). Hätte nur ein Teil der Rechtsprechung des Gerichtshofs Eingang in den Rechtstext gefunden, nicht aber sämtliche nachfolgenden Weiterentwicklungen, so hätten Zweifel hinsichtlich des vom Gesetzgeber intendierten Anwendungsbereichs der Vorschrift aufkommen können.

59.

Die Zuständigkeit des Gerichts „des Ortes, an dem der Schaden oder ein Teil des Schadens eingetreten ist,“ zu begründen, hätte außerdem bedeutet, dass in Fällen, in denen der Schaden in mehreren Staaten eingetreten ist, der Kläger wegen des Gesamtschadens in allen diesen Staaten klagen könnte, was im Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofs steht: In einem Fall, in dem es um eine Ehrverletzung durch eine Zeitung ging, hat der Gerichtshof das Problem, dass durch ein und dieselbe Handlung mehrfach Schaden entstanden war, so entschieden, dass die Gerichte jedes Staates, in dem das Ansehen des Betroffenen beeinträchtigt worden ist, jeweils für die Entscheidung über den Ersatz des in dem betreffenden Staat verursachten Schadens zuständig sind, wohingegen für die Entscheidung über den Ersatz sämtlicher entstandener Schäden allein die Gerichte des Wohnsitzes des Beklagten zuständig sind (60).

Diese vom Gerichtshof entwickelten Lösungen freilich zwingen Kläger, die in mehreren Staaten geschädigt wurden, mehrere Verfahren anzustrengen; angesichts der Unterschiede im anwendbaren Recht kann dies zu einander widersprechenden Entscheidungen über ein und dieselbe kausale Handlung führen (61). An jedem Ort, an dem ein Teil des Schadens eingetreten ist, einen Gerichtsstand für die Entscheidung über den Gesamtschaden zu begründen, würde jedoch die Möglichkeiten des „forum shopping“ erweitern und den Kläger über die Maßen begünstigen. Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe hat auch den Alternativvorschlag geprüft, dass das Gericht des Staates zuständig sein sollte, in dem der größte Teil oder ein entscheidender Teil des Schadens eingetreten ist. Doch auch diese Lösung ist letztlich verworfen worden, da befürchtet wurde, dass die Prüfung dieses Kriteriums zu häufigen Auseinandersetzungen darüber führen könnte, welches der größte oder entscheidende Teil des Schadens ist, wobei die Parteien und das Gericht gezwungen wären, in der Phase, in der das zuständige Gericht bestimmt wird, bereits inhaltliche Fragen zu klären.

60.

Nachdem die Ad-hoc-Arbeitsgruppe beschlossen hatte, Artikel 5 Nummer 3 nicht in der von der Kommission vorgeschlagenen Weise zu ändern, prüfte sie eingehend, ob der Anwendungsbereich dieser Bestimmung dahingehend präzisiert werden sollte, dass sie nicht – wie eine wörtliche Auslegung des Übereinkommens von 1988 vielleicht nahelegt – nur für Klagen aufgrund eines bereits eingetretenen Schadens gilt, sondern auch für Klagen aufgrund eines Schadens, der in der Zukunft eintreten könnte.

Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe dachte hierbei insbesondere an die Fälle, in denen die Klage einer öffentlichen oder privaten Verbraucherorganisation zu einer gerichtlichen Anordnung zum Schutz kollektiver Verbraucherinteressen führt, denn eine solche Klage betrifft Verhaltensweisen, die einen Schaden verursachen können, und würde sonst nicht in den sachlichen Anwendungsbereich von Artikel 5 Nummer 3 fallen.

Derartige Klagen sind in den skandinavischen Ländern üblich und insbesondere im schwedischen Recht vorgesehen; sie müssen im Hinblick auf die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung von Entscheidungen einheitlich behandelt werden, damit Wirtschaftsbeteiligte, die durch betrügerische Praktiken – wie irreführende Werbung oder missbräuchliche Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen – die Verbraucher in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft schädigen, sich nicht allen Klagen oder Rechtsmitteln entziehen, wenn sich ihr Geschäftssitz in einem anderen als dem Staat befindet, in dem sie tatsächlich tätig sind.

Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe hat festgestellt, dass diese Situation durch Artikel 31 abgedeckt ist, dem zufolge die im innerstaatlichen Recht vorgesehenen einstweiligen oder auf eine Sicherung gerichteten Maßnahmen bei einem Gericht beantragt werden können, denn diese Vorschrift gilt auch dann, wenn diese Maßnahmen faktisch definitiv wirken (62). Sie hat ferner festgestellt, dass der Verbraucherschutz durch Gemeinschaftsrichtlinien ausgedehnt worden ist, beispielsweise durch die Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (63), nach deren Artikel 7 Absätze 1 und 2 die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen haben, dass angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln in Verbraucherverträgen ein Ende gesetzt wird, wobei diese Mittel auch Rechtsvorschriften einschließen müssen, wonach Personen oder Organisationen, die nach dem innerstaatlichen Recht ein berechtigtes Interesse am Schutz der Verbraucher haben, im Einklang mit den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften die Gerichte oder die zuständigen Verwaltungsbehörden anrufen können, damit diese darüber entscheiden, ob Vertragsklauseln, die im Hinblick auf eine allgemeine Verwendung abgefasst wurden, missbräuchlich sind, und angemessene und wirksame Mittel anwenden, um der Verwendung solcher Klauseln ein Ende zu setzen, oder durch die Richtlinie 98/27/EG über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (64), nach deren Artikel 2 die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die Gerichte oder Verwaltungsbehörden bestimmen, die dafür zuständig sind, die Einstellung oder das Verbot eines Verstoßes gegen die im Anhang aufgeführten Verbraucherschutzrichtlinien zu verlangen und gegebenenfalls Maßnahmen, wie die Veröffentlichung der Entscheidung oder die Veröffentlichung einer Richtigstellung, anzuordnen, um die fortdauernde Wirkung des Verstoßes abzustellen, sowie Geldbußen aufzuerlegen, um die Beachtung der Entscheidungen zu gewährleisten.

61.

Obwohl auf diese unterschiedlichen Rechtsvorschriften zurückgegriffen werden kann, hat die Ad-hoc-Arbeitsgruppe auch dem Umstand Rechnung getragen, dass diese Richtlinien keine Regeln über die gerichtliche Zuständigkeit enthalten und in den Mitgliedstaaten nicht einheitlich angewandt werden könnten, dass vielleicht Zweifel darüber aufkommen könnten, ob sie bestimmte nach innerstaatlichem Recht eingereichte Unterlassungsklagen abdecken, und schließlich dass solche Klagen in Fällen angestrengt werden könnten, die nicht den Verbraucherschutz betreffen, beispielsweise wenn ein Kläger versucht, zu verhindern, dass seine Rechte des geistigen Eigentums durch den Beklagten verletzt werden; dies hat die Arbeitsgruppe bewogen, eine besondere Bestimmung in Artikel 5 Nummer 3 aufzunehmen, nach der die Gerichte des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, zuständig sind.

Mit der Änderung soll lediglich der Anwendungsbereich der Vorschrift präzisiert, die Vorschrift aber nicht inhaltlich geändert werden; dass Unterlassungsklagen mit erfasst sind, lässt sich aus dem früheren Wortlaut eindeutig ableiten (65). Diesbezüglich sei daran erinnert, dass der besondere Gerichtsstand des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, deshalb geschaffen worden ist, weil das Gericht dieses Ortes in der Regel aufgrund seiner räumlichen Nähe zu dem Rechtsstreit und der leichteren Beweisaufnahme am besten in der Lage ist, über die Sache zu entscheiden, und dass dies nicht nur für Klagen auf Ersatz eines bereits eingetretenen Schadens gilt, sondern auch für Klagen, mit denen verhindert werden soll, dass ein Schaden überhaupt eintritt. Der Gerichtshof hat diese Auffassung später auch in Bezug auf das Brüsseler Übereinkommen vertreten, wobei er sich in seiner Argumentation allerdings zum Teil auf den geänderten Wortlaut des Artikels 5 Absatz 3 der Brüssel-I-Verordnung stützte, der genau dem jetzt in das Lugano-Übereinkommen aufgenommenen Wortlaut entspricht (66).

62.

Die Vorschrift, der zufolge die Gerichte auch des Ortes, an dem das schädigende Ereignis einzutreten droht, zuständig sind, ist so zu verstehen, dass diesbezüglich die Feststellungen des Europäischen Gerichtshofs gelten, wonach der Kläger entweder an dem Ort klagen kann, an dem die schadensursächliche Handlung verhindert werden soll, oder an dem Ort, an dem der Schaden selbst verhindert werden soll. Die Bestimmung des Ortes, an dem das schädigende Ereignis „einzutreten droht“, ist im Wesentlichen eine Tatbestandsfeststellung und somit Sache des angerufenen Gerichts. Entsprechend dem Ansatz des Gerichtshofs muss es sich dabei jedoch um den Ort handeln, an dem ein Schaden unmittelbar einzutreten droht, und nicht um den Ort, an dem ein indirekter finanzieller Schaden entstehen könnte. Ob eine Gefahr vorliegt, die eine gerichtliche Anordnung rechtfertigt, bestimmt sich nach dem Recht des Staates, in dem der Antrag auf gerichtliche Anordnung gestellt wird: Die Vorschrift regelt hier nur die Zuständigkeit und legt nicht genauer fest, welche Anordnungen erlassen werden können; wie sie formal und inhaltlich beschaffen sein müssen, unter welchen Bedingungen sie ergehen können und welche Personen sie beantragen können, richtet sich somit nach dem Recht des angerufenen Gerichts bzw. den Gemeinschaftsbestimmungen zur Harmonisierung der einschlägigen einzelstaatlichen Vorschriften.

63.

Wie bereits erwähnt, gilt der hier erörterte besondere Gerichtsstand für gerichtliche Anordnungen auf Unterlassung nur für Klagen wegen Verhaltensweisen, die einen Schaden verursachen könnten, bei dem es sich nicht um einen Vertragsbruch handelt. Im Fall eines Vertragsbruchs ist alternativ zum Gerichtsstand des Beklagten auch der Gerichtsstand des Vertrags nach Artikel 5 Nummer 1 eröffnet. Es ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff „unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist,“ ebenso wie der Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ autonom auszulegen ist, wobei in erster Linie das System und der Anwendungsbereich des Übereinkommens zu beachten sind; das innerstaatliche Recht ist hier nicht maßgebend. So hat der Gerichtshof festgestellt, dass sich der Begriff „unerlaubte Handlung oder Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist“ auf alle Klagen bezieht, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen Vertrag mit einer von einer Partei gegenüber einer anderen freiwillig eingegangenen Verpflichtung anknüpfen (67).

5.   Klagen aufgrund einer mit Strafe bedrohten Handlung (Artikel 5 Nummer 4)

64.

Die Bestimmung, wonach für Klagen auf Schadensersatz oder auf Wiederherstellung des früheren Zustands, die auf eine mit Strafe bedrohte Handlung gestützt werden, das Strafgericht zuständig ist, wurde in dem neuen Übereinkommen beibehalten. Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe hat erörtert, ob diese Bestimmung im Wortlaut belassen oder ob sie geändert oder sogar gestrichen werden sollte. Nach einem Vorschlag, dem zufolge Strafgerichte nur dann über zivilrechtliche Klagen entscheiden können, wenn die Zivilgerichte desselben Ortes wegen derselben mit Strafe bedrohten Handlung gemäß dem Übereinkommen angerufen werden können, wäre sie nämlich gestrichen worden. Die Arbeitsgruppe hat beschlossen, die Vorschrift beizubehalten, da sich die Begründung einer besonderen Zuständigkeit der Strafgerichte als sinnvoll erwiesen hat, soweit nach dem innerstaatlichen Recht zivilrechtliche Ansprüche im Rahmen eines Strafverfahrens geltend gemacht werden können; diese Zuständigkeit fällt nicht unbedingt mit dem in Artikel 5 Absatz 3 vorgesehenen Gerichtsstand des Ortes der unerlaubten Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, zusammen.

65.

Der Änderungsvorschlag zu Artikel 5 Nummer 4 war teilweise mit einer Neufassung der anderen Bestimmung über zivilrechtliche Klagen vor einem Strafgericht (Artikel II des Protokolls Nr. 1 zum Übereinkommen von 1988) verknüpft, wonach sich Personen, die ihren Wohnsitz in einem Vertragsstaat haben und die vor den Strafgerichten eines anderen Vertragsstaats, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, wegen einer fahrlässig begangenen Straftat verfolgt werden, von einem Anwalt verteidigen lassen können, ohne persönlich erscheinen zu müssen. Ordnet das Gericht ihr persönliches Erscheinen an und wird diese Anordnung nicht befolgt, so braucht die Entscheidung des Strafgerichts, die über den Anspruch aus einem Rechtsverhältnis des Zivilrechts ergangen ist, in den anderen durch das Übereinkommen gebundenen Staaten weder anerkannt noch vollstreckt zu werden (68). Einige schlugen vor, diese Vorschrift auf vorsätzlich begangene Handlungen auszudehnen, andere empfahlen, sie einzuschränken, so dass sie nur noch besagen würde, dass in den Fällen, in denen das Strafgericht auch über die zivilrechtliche Klage entscheidet, der Beklagte sich in der zivilrechtlichen Sache vertreten lassen darf, ohne persönlich erscheinen zu müssen, und die Bestimmung über die sich daraus ergebenden Folgen für die Anerkennung der Entscheidung entfallen zu lassen. Dies Vorschläge wurden verworfen, auch um zu vermeiden, dass mit einem Übereinkommen über Zivil- und Handelssachen in das Strafrecht der Staaten eingegriffen wird.

66.

Artikel II des Protokolls wurde somit nicht geändert (69) und im Interesse der Parallelität mit der Brüssel-I-Verordnung als Artikel 61 in den Text des Übereinkommens übernommen. Allerdings ist die Entscheidung, die Vorschrift nicht auf vorsätzlich begangene Handlungen auszudehnen, vom Gerichtshof abgeschwächt worden, als er befand, dass Artikel II des Protokolls nicht dahin ausgelegt werden kann, dass er das Gericht des Vollstreckungsstaats daran hinderte, im Rahmen der Ordre-public-Klausel des Artikels 34 Nummer 1 des Übereinkommens zu berücksichtigen, dass das mit einer Klage auf Schadensersatz wegen einer Straftat befasste Gericht des Ursprungsstaats dem Angeklagten das Recht versagt hat, sich verteidigen zu lassen, ohne persönlich zu erscheinen (70). Dies bedeutet, dass die Bestimmung in der geltenden Fassung des Artikels 61, der sich ausdrücklich auf fahrlässig begangene Straftaten bezieht, auch für vorsätzlich begangene Straftaten gilt, da anderenfalls die Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen mit der Begründung verweigert werden kann, dass sie der öffentlichen Ordnung (ordre public) zuwiderlaufen (71).

6.   Zweigniederlassungen (Artikel 5 Nummer 5)

67.

Die Bestimmung betreffend den Gerichtsstand einer Zweigniederlassung, einer Agentur oder einer sonstigen Niederlassung bei Streitigkeiten aus deren Betrieb ist nicht geändert worden. Artikel 5 Nummer 5 sieht die besondere und örtliche Zuständigkeit des Gerichts des Ortes vor, an dem sich die Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung befindet, um eine Bezugnahme auf das innerstaatliche Recht zu vermeiden. Somit handelt es sich bei dem Begriff der Zweigniederlassung, Agentur oder sonstigen Niederlassung um einen autonomen Begriff; dies gilt für alle durch das Übereinkommen gebundenen Staaten und gewährleistet Rechtssicherheit. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass mit dem Begriff der Zweigniederlassung, der Agentur oder der sonstigen Niederlassung ein Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit gemeint ist, der als Außenstelle eines Stammhauses hervortritt, eine Geschäftsführung hat und sachlich so ausgestattet ist, dass er in der Weise Geschäfte mit Dritten betreiben kann, dass diese wissen, dass sie ein Rechtsverhältnis mit dem Stammhaus begründen können, ohne sich unmittelbar an dieses wenden zu müssen (72). Diese Merkmale sind auch dann vorhanden, wenn die Geschäfte von einer Gesellschaft geführt werden, die aus der Sicht des nationalen Gesellschaftsrechts vom Stammhaus unabhängig ist, denselben Namen trägt und eine identische Geschäftsführung hat und die als Außenstelle des Stammhauses verhandelt und Geschäfte abschließt, da sich Dritte auf den so erweckten Anschein verlassen können müssen (73). Der Schutz Dritter erfordert in diesem Fall, dass der Anschein mit dem Bestehen einer Zweigniederlassung ohne rechtliche Unabhängigkeit gleichgesetzt werden kann.

Auf der Grundlage dieses Begriffs hat der Gerichtshof im jeweiligen Fall zu prüfen, ob vom Bestehen einer echten Tochtergesellschaft auszugehen ist.

68.

Bei den bisher entstandenen Streitigkeiten im Zusammenhang mit Zweigniederlassungen, Agenturen oder sonstigen Niederlassungen, für die der genannte Artikel eine besondere Zuständigkeit vorsieht, die an die Stelle des üblichen Gerichtsstands des Beklagten treten kann, ging es um vertragliche und außervertragliche Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Verwaltung der Niederlassung (Miete, Beziehungen zum Personal usw.), vertragliche Pflichten, die von der Niederlassung im Namen des Stammhauses eingegangen wurden und in dem Staat zu erfüllen sind, in dem die Niederlassung sich befindet, sowie außervertragliche Pflichten, die sich aus den im Namen des Stammhauses durchgeführten Tätigkeiten am Ort der Niederlassung ergeben (74).

Auch in diesem Fall ist es Sache des angerufenen Gerichts, im Lichte des hier beschriebenen Begriffs einer Streitigkeit aus dem Betrieb einer Zweigniederlassung, Agentur oder sonstigen Niederlassung die zugrunde gelegte Beziehung zu prüfen und einzustufen.

7.   Mehr als ein Beklagter und Klage auf Gewährleistung oder Interventionsklage (Artikel 6 Nummern 1 und 2)

69.

Von den verschiedenen Fällen, in denen die Zuständigkeit auf eine Verbindung zwischen der erhobenen Klage und einer anderen Klage, für die eine Zuständigkeit nach dem Übereinkommen begründet ist, gestützt werden kann, wurde der Fall für klärungsbedürftig erachtet, in dem es mehr als einen Beklagten gibt, wobei der Kläger die Möglichkeit hat, das Gericht am Wohnort irgendeines dieser Beklagten anzurufen; hinsichtlich des effektiven Anwendungsbereichs der Bestimmung bestand eine gewisse Unklarheit. Da der ursprüngliche Text des Brüsseler Übereinkommens diesbezüglich keinen näheren Hinweis enthält, wurde im Jenard-Bericht darauf hingewiesen, dass der Gerichtsstand des Wohnsitzes eines der Beklagten in Betracht gezogen wurde, weil durch diesen Gerichtsstand vermieden werden kann, dass in einzelnen Vertragsstaaten unter sich unvereinbare Entscheidungen ergehen; diese Zuständigkeit ist nicht gerechtfertigt, wenn die Klage allein zu dem Zweck erhoben wurde, den Beklagten der Gerichtsbarkeit seines Wohnsitzstaats zu entziehen (75).

Nach Auffassung des Gerichtshofs verlangt Artikel 6 Nummer 1, dass die vom Kläger erhobenen Klagen auf eine Art und Weise miteinander in Zusammenhang stehen müssen, dass in getrennten Verfahren widersprechende Urteile ergehen könnten (76). Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe hielt es für zweckmäßig, die diesbezügliche Rechtsprechung zu kodifizieren und festzulegen, welche Beziehung zwischen den Klagen bestehen muss, wenn für alle Beklagten das Gericht am Wohnsitz eines dieser Beklagten zuständig sein soll. Es sei darauf hingewiesen, dass die zur Festlegung dieser Beziehung gewählte Formulierung mit der in Artikel 28 Absatz 3 übereinstimmt, auch wenn der letzteren Bestimmung andere Voraussetzungen und Zwecke zugrunde liegen: Sie zielt darauf ab, die Zuständigkeit der Gerichte der durch das Übereinkommen gebundenen Staaten zu koordinieren, und nicht darauf, das zuständige Gericht oder die zuständigen Gerichte eines dieser Staaten zu bestimmen.

70.

Anders als die Kommission (77) hielt es die Ad-hoc-Arbeitsgruppe nicht für erforderlich, den anderen im Jenard-Bericht genannten Grundsatz zu kodifizieren, wonach die Zuständigkeit nur gerechtfertigt ist, wenn die Klage nicht allein zu dem Zweck erhoben wurde, einen der Beklagten der Gerichtsbarkeit seines Wohnsitzstaats zu entziehen. Die Gruppe erachtete die Anforderung, dass eine enge Beziehung zwischen den erhobenen Klagen bestehen muss, verbunden mit der Anforderung, dass es sich bei dem angerufenen Gericht um das Gericht am Wohnsitz eines der Beklagten handeln muss (78), als ausreichend, um einen Missbrauch der Regelung auszuschließen (79). Dies war nicht der Fall in Bezug auf Klagen auf Gewährleistung oder Interventionsklagen gemäß Artikel 6 Nummer 2; dort wurde dieser Grundsatz ausdrücklich angeführt, um zu verhindern, dass ein Dritter vor einem nicht geeigneten Gericht verklagt wird. Es sei darauf hingewiesen, dass die Zuständigkeit in Fällen, in denen mehrere Personen verklagt werden, objektiv an die enge Beziehung zwischen den Klagen anknüpft, die vom Kläger nachzuweisen ist, während bei Klagen auf Gewährleistung oder Interventionsklagen eine solche enge Beziehung nicht erforderlich ist. Statt dessen reicht aus, dass ein „Zusammenhang zwischen der Hauptklage und dem Antrag auf Zulassung der Gewährleistungsklage“ (80) besteht, unabhängig davon, auf welcher Bestimmung die Zuständigkeit für den Hauptprozess beruht. Aus diesem Grund empfiehlt sich eine Bestimmung, mit der das Recht des Beklagten, vor dem für seinen Fall zuständigen Gericht verklagt zu werden, geschützt wird, auch wenn der Beklagte dann selbst nachweisen muss, dass er dieser Gerichtsbarkeit entzogen wurde.

71.

Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe hielt es auch nicht für erforderlich, in Artikel 6 Nummer 1 eine Bestimmung aufzunehmen, mit der verhindert werden soll, dass diese Bestimmung auf Beklagte angewandt wird, die gemäß Artikel 23 des Übereinkommens eine Gerichtsstandsvereinbarung mit dem Kläger geschlossen haben. Die Kommission hatte einen diesbezüglichen Vorschlag vorgelegt, aber die ausschließliche Zuständigkeit nach Artikel 23 hat Vorrang vor jeder anderen Zuständigkeit, die im Übereinkommen vorgesehen ist, vorbehaltlich nur der Bestimmungen des Artikels 23 Absatz 5, so dass keine Zweifel hinsichtlich der Auslegung aufkommen können, und es besteht kein Grund, diesen Grundsatz in einer besonderen Zuständigkeitsregel zu wiederholen. Dass der Bericht auf den Vorrang der Zuständigkeit nach Artikel 23 nur in den Erläuterungen zu Artikel 6 Nummer 2 eingeht, belegt nicht das Gegenteil, denn die genannte Zuständigkeitsregel hat Vorrang vor allen anderen Zuständigkeitsregeln des Übereinkommens, ausgenommen die in Artikel 23 selbst aufgeführten Regeln. Dies gilt selbstverständlich nicht für Gerichtsstandsvereinbarungen, denen die Parteien keinen ausschließlichen Charakter verleihen wollten (siehe weiter unten die Ausführungen im Zusammenhang mit Artikel 23).

72.

Schließlich sei darauf hingewiesen, dass die in einigen durch das Übereinkommen gebundenen Staaten bestehenden Besonderheiten in Bezug auf Gewährleistungsklagen, die in einer speziellen Vorschrift geregelt waren, welche Artikel 6 Nummer 2 des Brüsseler Übereinkommens für nicht anwendbar erklärt und welche sich auch in Artikel V des Protokolls Nr. 1 zum Übereinkommen von 1988 findet, im neuen Übereinkommen wieder auf die gleiche Weise behandelt werden, und zwar speziell in Artikel II von Protokoll 1. Dieser Artikel bestimmt, dass die in Artikel 6 Nummer 2 und Artikel 11 vorgesehene Zuständigkeit in den durch das Übereinkommen gebundenen Staaten, die in Anhang IX zum Übereinkommen aufgeführt sind (Deutschland, Österreich, Ungarn und die Schweiz (81), nicht uneingeschränkt geltend gemacht werden kann, während Personen, die ihren Wohnsitz in einem anderen durch das Übereinkommen gebundenen Staat haben, vor den Gerichten dieses Staates nach Maßgabe der geltenden Vorschriften für Interventionsklagen verklagt werden können. Entscheidungen, die in den anderen Staaten aufgrund des Artikels 6 Nummer 2 und des Artikels 11 ergangen sind, werden in den betreffenden Staaten nach der besonderen Bestimmung in Titel III des Übereinkommens jedoch anerkannt und vollstreckt (zu Erläuterungen zu den Gründen für diese besondere Bestimmung in Bezug auf einige Staaten siehe Jenard-Bericht, Seite 27 und 28, Schlosser-Bericht, Nummer 135, und Jenard/Möller-Bericht, Nummer 105) (82). In Artikel II des Protokolls 1 wurde ein neuer Absatz aufgenommen (Absatz 2), wonach die Europäische Gemeinschaft zum Zeitpunkt der Ratifizierung erklären kann, dass die in Artikel 6 Nummer 2 und Artikel 11 genannten Verfahren in bestimmten anderen Mitgliedstaaten nicht in Anspruch genommen werden können, und sie in diesem Fall Angaben zu den stattdessen geltenden Vorschriften mitzuteilen hat (83). Auch in der Brüssel-I-Verordnung (Artikel 65) wird anerkannt, dass Artikel 6 Nummer 2 und Artikel 11 in Deutschland, Österreich und Ungarn nicht in Anspruch genommen werden können.

3.    Schutzzwecken dienende Zuständigkeiten

1.   Versicherungssachen (Artikel 8 bis 14)

73.

In dem Übereinkommen wird für Versicherungssachen ein eigenständiges und umfassendes System beibehalten, mit Ausnahme einer Bezugnahme auf Artikel 4 und Artikel 5 Nummer 5; in Artikel 9 Absatz 2 wird die Zuständigkeit im Falle einer Zweigniederlassung, Agentur oder sonstigen Niederlassung erweitert; dadurch wird es möglich, dass die Zuständigkeit durch das Vorhandensein einer Zweigniederlassung, Agentur oder sonstigen Niederlassung begründet ist, auch wenn der Versicherer in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat keinen Wohnsitz hat. Um die schwächere Partei in einem Versicherungsverhältnis zu schützen, wird in dem Übereinkommen die vorherige Struktur beibehalten und zwischen der Stellung des Versicherers auf der einen Seite und der Stellung des Versicherungsnehmers, des Versicherten oder des Begünstigten auf der anderen Seite unterschieden und verschiedene Kriterien für die Zuständigkeit vorgesehen, und zwar je nachdem, wer von beiden als Kläger bzw. als Beklagter auftritt (siehe Jenard-Bericht, Seiten 30 bis 33, und Schlosser-Bericht, Nummern 136 bis 152).

74.

Gemäß dem Übereinkommen von 1988 konnte der Versicherer nicht nur vor den Gerichten des Staates, in dem er seinen Wohnsitz hat – und in besonderen Fällen vor anderen Gerichten –, verklagt werden, sondern bei Klagen des Versicherungsnehmers auch vor den Gerichten des Staates, in dem der Versicherungsnehmer seinen Wohnsitz hat; der Versicherer konnte jedoch nur vor einem Gericht des Staates klagen, in dem der Versicherungsnehmer, der Versicherte oder der Begünstigte seinen Wohnsitz hat. Mit dieser Zuständigkeitsregel erhielt der Versicherungsnehmer eine herausgehobene Stellung und genoss größeren Schutz als der Versicherte oder der Begünstigte: Gegen sie konnte ebenfalls nur vor einem Gericht des Staates, in dem sie ihren Wohnsitz haben, geklagt werden, traten sie aber als Kläger auf, so konnten sie gegen den Versicherer nicht vor einem Gericht des Staates klagen, in dem sie ihren Wohnsitz haben; dieses Recht hatte ausschließlich der Versicherungsnehmer. Im Jenard-Bericht wird erläutert, dass dieser Unterscheidung der Gedanke zugrunde liegt, dass nur der Versicherungsnehmer in einer Geschäftsverbindung mit dem Versicherer steht und dass „es zu weit gehen würde, wenn man [den Versicherer] verpflichten wollte, sich in dem Gerichtsstand des Versicherten oder des Begünstigten verklagen zu lassen, deren genauen Wohnsitz er im Zeitpunkt des Entstehens des Rechtsstreits nicht zu kennen braucht.“ (84)

Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe war der Auffassung, dass dieses Argument nicht mehr den Anforderungen des Versicherungsgewerbes, wie es sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat, gerecht wird; dabei ist es zu stärkerem Wettbewerb, neuen Versicherungsformen und vor allem einem größeren Maß an Harmonisierung der Rechtsvorschriften aufgrund der von der Gemeinschaft erlassenen Binnenmarkt-Richtlinien gekommen, durch die es für Versicherer weniger schwierig geworden ist, sich auf ein Verfahren vor einem Gericht eines anderen Staates im Binnenmarkt einzulassen. Für Privatpersonen ist es hingegen trotz des Ausbaus der justiziellen Zusammenarbeit in Europa nach wie vor recht schwierig, ein Unternehmen in einem anderen Staat, nämlich vor den Gerichtes des Staates, in dem das Unternehmen seinen Wohnsitz hat, zu verklagen. Aufgrund dieser Erwägungen ist die erläuterte Unterscheidung aufgehoben worden und sind der Versicherte und der Begünstigte nun neben dem Versicherungsnehmer in Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b aufgeführt und diesem damit gleichgestellt (85).

75.

Abgesehen davon, dass Versicherungsnehmer, Versicherter und Begünstigter nun den Versicherer vor einem Gericht des Staates, in dem sie ihren Wohnsitz haben, verklagen können, sind sie zusätzlich dadurch geschützt, dass der allgemeine Grundsatz, der es den Parteien ermöglicht, von den Zuständigkeitsregeln des Übereinkommens – außer im Falle der ausschließlichen Zuständigkeit – abzuweichen, eingeschränkt wird. Nach Artikel 13 kann eine Vereinbarung über die Zuständigkeit nur in speziellen und begrenzten Fällen getroffen werden, etwa im Falle eines Versicherungsvertrags zur Deckung eines oder mehrerer der in Artikel 14 aufgeführten Risiken, insbesondere Risiken im Zusammenhang mit der Beförderung mit Seeschiffen oder Luftfahrzeugen und der kombinierten Beförderung von Gütern und Passagieren. Diese Einschränkung in Bezug auf Gerichtsstandsklauseln in Verträgen gewährleistet ein hohes Schutzniveau; sie gilt nicht nur für von privaten Verbrauchern, sondern auch von Unternehmen und freiberuflich Tätigen geschlossene Versicherungsverträge. Es gab jedoch einige Zweifel daran, ob ein so weit gefasster Schutz in Bezug auf Versicherungsverträge, die im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit geschlossen werden, gerechtfertigt ist.

Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe hat daher die Möglichkeit geprüft, der Vertragsfreiheit der Parteien größeren Raum zu geben, indem unterschieden wird zwischen Versicherungsverträgen, die von Verbrauchern, und solchen, die im Rahmen einer gewerblichen, geschäftlichen oder beruflichen Tätigkeit geschlossen werden, und bei letzteren die Wahl des Gerichtsstands zuzulassen. Als besser wurde jedoch die Möglichkeit erachtet, dass die Verträge, bei denen den Parteien eine größere Vertragsfreiheit eingeräumt werden kann, nicht durch Bezugnahme auf den Versicherungsnehmer, sondern auf die vom Vertrag abgedeckten Risiken, bestimmt werden sollten, wobei die bereits in Artikel 12a des Übereinkommens von 1988 aufgeführten Risiken um weitere Risiken ergänzt werden. Diese Lösung hat den Vorteil, dass die Struktur des Übereinkommens nicht verändert wird, so dass der Abschnitt über Versicherungssachen weiterhin vom Abschnitt über Verbrauchersachen getrennt ist. Darüber hinaus wird dadurch eine Bezugnahme auf einen Verbraucher als Versicherungsnehmer vermieden, so dass mit dieser Lösung nicht nur Verbrauchern Schutz geboten wird, sondern auch Einzelunternehmern, kleinen und mittleren Unternehmen und freiberuflich Tätigen, die in Versicherungssachen den gleichen Schutz verdienen wie Verbraucher, auch wenn sie eine industrielle, gewerbliche oder berufliche Tätigkeit ausüben.

76.

Die bereits in Artikel 14 aufgeführten Risiken (auf die in Artikel 13 Nummer 5 Bezug genommen wird) bleiben nach einem kumulativen Ansatz daher unverändert; hinzugefügt werden im neuen Übereinkommen „alle Großrisiken“. Die Formulierung, die verwendet wird, um die Risiken zu bestimmen, die es den Parteien im Rahmen eines Versicherungsvertrags ermöglichen, von den ansonsten bindenden Bestimmungen dieses Abschnitts abzuweichen, weicht vom entsprechenden Artikel 14 Nummer 5 der Brüssel-I-Verordnung ab. Diese Verordnung nimmt Bezug auf alle Großrisiken „entsprechend der Begriffsbestimmung in der Richtlinie 73/239/EWG des Rates, geändert durch die Richtlinie 88/357/EWG und die Richtlinie 90/618/EWG, in der jeweils geltenden Fassung“ und damit sowohl auf gegenwärtige als auch auf künftige Gemeinschaftsvorschriften. Der Wortlaut im Übereinkommen ist anders gefasst, da es nicht angemessen gewesen wäre, dass sich in einem Übereinkommen mit Vertragsstaaten, die nicht der Europäischen Gemeinschaft angehören, eine genaue Bezugnahme auf Gemeinschaftsvorschriften findet. Die allgemeine Bezugnahme auf „Großrisiken“ in Artikel 14 Nummer 5 des Übereinkommens ist jedoch so zu verstehen, dass tatsächlich die gleichen Risiken wie die in den Richtlinien aufgeführten Risiken gemeint sind.

Diese Großrisiken sind in Artikel 5 der Richtlinie 1988/357/EWG (86) definiert, in dem auf Buchstabe A des Anhangs der Richtlinie 73/239/EWG (87) und insbesondere auf die unter den Zweigen 4 bis 7 eingestuften Risiken (Beschädigung oder Verlust von Schienenfahrzeugen, Luftfahrzeugen, See-, Binnensee- und Flussschiffen sowie Transportgütern und Gepäckstücken, unabhängig von dem jeweils verwendeten Transportmittel) und die unter den Zweigen 11 und 12 eingestuften Risiken (Luftfahrzeughaftpflicht und See-, Binnensee- und Flussschifffahrtshaftpflicht einschließlich derjenigen des Frachtführers) sowie auf folgende Risiken Bezug genommen wird: Risiken unter den Zweigen 14 und 15 (Kredit und Kaution), wenn der Versicherungsnehmer eine Erwerbstätigkeit im industriellen oder gewerblichen Sektor oder eine freiberufliche Tätigkeit ausübt und das Risiko damit im Zusammenhang steht, Risiken unter den Zweigen 8 und 9 (Feuer- und Elementarschäden und sonstige Sachschäden), Risiken unter Zweig 13 (Allgemeine Haftpflicht) und Risiken unter Zweig 16 (Verschiedene finanzielle Verluste), sofern der Versicherungsnehmer bei mindestens zwei von drei Kriterien, nämlich Bilanzsumme, Nettoumsatz und durchschnittliche Beschäftigtenzahl im Verlauf des Wirtschaftsjahres, die Obergrenze überschreitet.

Von den unter Buchstabe A des Anhangs eingestuften Risiken gelten als Großrisiken somit in erster Linie diejenigen Risiken, bei denen der Versicherungsnehmer ein Unternehmen einer bestimmten Größe ist oder jedenfalls eine industrielle, gewerbliche oder berufliche Tätigkeit ausübt; ausgeschlossen sind Risiken, die unter die Zweige Unfall, Krankheit, Kraftfahrzeuge und Rechtsschutz fallen, bei denen der Versicherungsnehmer in der Regel als Privatperson auftritt. Das Übereinkommen stellt daher – wenn auch nicht ausdrücklich, wie es die Brüssel-I-Verordnung tut – eine Verbindung zwischen gerichtlicher Zuständigkeit und freiem Dienstleistungsverkehr bei Unternehmen und bei Versicherungszweigen (mit Ausnahme der Lebensversicherung) her, die von der Ersten Richtlinie erfasst werden, und zwar sogar in den durch das Übereinkommen gebundenen Staaten, die nicht der Europäischen Gemeinschaft angehören.

77.

Wie dargelegt, werden in der Brüssel-I-Verordnung Großrisiken durch ausdrückliche Bezugnahme auf Gemeinschaftsrichtlinien definiert, was etwaige künftige Änderungen mit einschließt. Das Übereinkommen enthält keine derartige Bezugnahme, aber die bloßen Worte „alle Großrisiken“ in Artikel 14 Nummer 5 sind im Lichte der gegenwärtigen und künftigen Gemeinschaftsvorschriften auszulegen, zumindest soweit der Ansatz für die Behandlung von Großrisiken in den Gemeinschaftsvorschriften nicht grundlegend geändert wird. Diese Sichtweise wird auch durch den Erwägungsgrund in der Präambel untermauert, in dem es heißt, dass das Übereinkommen auf die Ausdehnung der Grundsätze der Brüssel-I-Verordnung auf die Vertragsparteien des Übereinkommens gestützt ist, und durch das Protokoll 2, mit dem eine möglichst einheitliche Auslegung des Übereinkommens und der Brüssel-I-Verordnung angestrebt wird. Etwaige Probleme aufgrund von Änderungen der Gemeinschaftsvorschriften sind im Rahmen des durch Protokoll 2 eingesetzten Ständigen Ausschusses (siehe unten Nummer 203) zu erörtern.

2.   Verbrauchersachen (Artikel 15 bis 17)

78.

In dem Übereinkommen werden für Verbrauchersachen die vorherigen Vorschriften zum Schutz der schwächeren Vertragspartei aus dem Übereinkommen von 1988 gleichlautend beibehalten und wird unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 ein eigenständiges System festgelegt. Während der Verbraucher den anderen Vertragspartnern nicht nur von dem Gericht des Staates, in dem der andere Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, sondern auch vor dem Gericht des Staates, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, verklagen kann, kann der andere Vertragspartner nur vor den Gerichten des durch das Übereinkommen gebundenen Staates klagen, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat (Artikel 16). Das Übereinkommen lässt eine Gerichtsstandsvereinbarung nur zu, wenn die Vereinbarung nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen wird oder wenn sie dem Verbraucher die Befugnis einräumt, andere Gerichte anzurufen, oder wenn die Vereinbarung die Zuständigkeit der Gerichte des Staates begründet, in dem sowohl der Verbraucher als auch sein Vertragspartner zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, es sei denn, dass eine solche Vereinbarung nach dem Recht dieses Staates nicht zulässig ist (Artikel 17). Zu diesen Bestimmungen siehe auch die früheren Berichte (Jenard-Bericht, S. 33–34; Schlosser-Bericht, Nummern 159–161).

79.

Die Schutzregelung ändert sich zwar nicht, jedoch wird mit dem Übereinkommen das Spektrum der von ihm erfassten Verträge noch erweitert. Im Übereinkommen von 1988, das den Wortlaut des Brüsseler Übereinkommens in der damals geltenden Fassung übernommen hatte, war vorgesehen, dass sich der durch das Übereinkommen gebotene Schutz erstreckt auf den Kauf beweglicher Sachen auf Teilzahlung, auf ein in Raten zurückzuzahlendes Darlehen oder andere Kreditgeschäfte, die zur Finanzierung eines Kaufs beweglicher Sachen dienen, und auf andere Verträge, wenn sie die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand haben, sofern dem Vertragsabschluss in dem Staat des Wohnsitzes des Verbrauchers ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist und der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat (Artikel 13 Absatz 1). Mit diesem letzten Teil der Bestimmung wurde der Anwendungsbereich des Schutzes im Vergleich zum ursprünglichen Brüsseler Übereinkommen, bei dem sich der Schutz auf den Kauf beweglicher Sachen auf Teilzahlung und auf in Raten zurückzuzahlende Darlehen beschränkte, erheblich ausgeweitet, galt aber dennoch nicht als ausreichend, um einen angemessenen Schutz der Verbraucher durch die Gerichte – parallel zu dem durch die Gemeinschaftsrichtlinien gebotenen umfangreichen Schutz – zu gewährleisten. Das Übereinkommen von 1988 enthält keine Definition der Parteien eines Verbrauchervertrags und insbesondere keine Definition der anderen Vertragspartner, es erfasst nicht alle Verbraucherverträge, und mit seinem Wortlaut wird nicht sichergestellt, dass es auch in nicht traditioneller und insbesondere digitaler Form geschlossene Verträge erfasst.

80.

Was die Definition des Begriffs des Verbrauchers anbelangt, so wird in Artikel 15 des Übereinkommens im Wesentlichen die Definition aus dem Übereinkommen von 1988 übernommen, wonach ein Verbraucher eine natürliche Person ist, die einen Vertrag „zu einem Zweck“ schließt, der nicht ihrer „beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit … zugerechnet werden kann“. Dies entspricht der Definition in anderen Gemeinschaftsrechtsakten (88), insbesondere in der Verordnung über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (89). Das Übereinkommen von 1988 enthält jedoch keine Definition der anderen Partei eines Verbrauchervertrags; dies ließ Zweifel aufkommen, ob ein Vertrag, der zu einem Zweck geschlossen wird, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit beider Vertragspartner zugerechnet werden kann, unter die speziellen Regeln für Verbrauchersachen oder aber unter die allgemeinen Regeln des Übereinkommens fällt. Es sei darauf hingewiesen, dass die Anwendung der speziellen Regeln in den Artikeln 15 bis 17 nur gerechtfertigt ist, wenn die Stellung der Vertragspartner von einem Ungleichgewicht geprägt ist, so dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, um das Ungleichgewicht zu verringern oder aufzuheben und so die schwächere Partei zu schützen. Dies ist nur dann der Fall, wenn die andere Partei eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt. Damit jedoch alle Zweifel hinsichtlich der Auslegung ausgeschlossen werden, heißt es in Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe c, der auf die meisten Verbraucherverträge Anwendung findet, nun ausdrücklich, dass er für Verträge gilt, die von einem Verbraucher mit einem Vertragspartner, der „eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt“, geschlossen werden. Diese Klarstellung wurde in den besonderen Fällen von Verträgen über den Kauf beweglicher Sachen auf Teilzahlung oder über ein in Raten zurückzuzahlendes Darlehen, bei denen es nur schwer vorstellbar ist, dass der Verkäufer bzw. der Darlehensgeber außerhalb seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt, nicht für erforderlich gehalten.

81.

Mit Artikel 15 des Übereinkommens wird ferner das Spektrum der Verbraucherverträge, auf die es sich bezieht, erheblich ausgeweitet. Während in Artikel 13 Absatz 1 Nummer 3 des Übereinkommens von 1988 Bezug genommen wird auf „andere Verträge, wenn sie die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand haben“, wird in Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe c des neuen Übereinkommens die Formulierung „in allen anderen Fällen“ verwendet und damit auf jeden anderen Vertrag als einen Vertrag über den Kauf beweglicher Sachen auf Teilzahlung oder ein in Raten zurückzuzahlendes Darlehen, der mit einer Person geschlossen wird, die eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt, sofern der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt, Bezug genommen. Mit diesem weiter gefassten Begriff des Verbrauchervertrags wird der Anwendungsbereich des gebotenen Schutzes ausgeweitet und die Bestimmung der erfassten Verträge vereinfacht, in Übereinstimmung mit dem Schutz entsprechend den Gemeinschaftsrichtlinien über Verbraucherschutz. Der Begriff umfasst alle Verträge, die als Verbraucherverträge in Gemeinschaftsrichtlinien geregelt werden, einschließlich Verträge, bei denen ein Kreditgeber einem Verbraucher einen Kredit in Form eines Zahlungsaufschubs, eines Darlehens oder einer sonstigen ähnlichen Finanzierungshilfe gewährt oder zu gewähren verspricht, soweit sie in der Richtlinie 87/102/EWG über den Verbraucherkredit (90) geregelt sind.

Es besteht nun kein Zweifel mehr daran, dass dieser Begriff auch Verträge über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien umfasst, die Gegenstand der Richtlinie 94/47/EG (91) sind; anderenfalls wäre nicht sicher gewesen, dass diese Verträge als Verbraucherverträge und nicht als Verträge über den Erwerb dinglicher Rechte an unbeweglichen Sachen, die Gegenstand von Artikel 22 Nummer 1 sind, einzustufen sind, da in den einzelnen innerstaatlichen Rechtsordnungen der durch das Übereinkommen gebundenen Staaten hier Unterschiede bestehen. Diese Sichtweise ist vom Gerichtshof bestätigt worden, der entschieden hat, dass Verträge über Teilzeitnutzungsrechte, die unter die Richtlinie 94/47/EG fallen, zugleich unter die Richtlinie 85/577/EG fallen, wenn die Voraussetzungen für deren Anwendung im Übrigen erfüllt sind (92), und dass diese Auslegung in Anbetracht des zwischen dem Übereinkommen und der Gemeinschaftsrechtsordnung bestehenden Zusammenhangs für die Zwecke der Auslegung des Übereinkommens zu berücksichtigen ist (93).

82.

Mit dem Übereinkommen wird auch der Anwendungsbereich der Vorschriften über Verbraucherverträge ausgeweitet, was die Anknüpfung an den Staat anbelangt, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. Es enthält keine Neuerung in Bezug auf den Kauf beweglicher Sachen auf Teilzahlung oder in Raten zurückzuzahlende Darlehen, bei denen es keiner Sachnähe zwischen dem Vertrag und dem Wohnsitzstaat des Verbrauchers bedarf. Bei anderen Verträgen wäre jedoch die Ausweitung des Schutzes auf alle Verbraucherverträge und die Ausweitung des Klägergerichtsstands, die dies mit sich bringt, ohne eine Anknüpfung zwischen dem anderen Vertragspartner und dem Wohnsitzstaat des Verbrauchers nicht gerechtfertigt. Im Übereinkommen von 1988 wurde das Bestehen eines bestimmten Bezugs im Falle von Verträgen über die Erbringung einer Dienstleistung oder die Lieferung beweglicher Sachen verlangt – nämlich dass dem Vertragsabschluss ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung im Staat des Wohnsitzes des Verbrauchers vorausgegangen ist und dass der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat –; die Ad-hoc-Arbeitsgruppe erachtete dies jedoch als unzureichend und angesichts der gegenwärtigen Verbraucherschutzerfordernisse als nicht geeignet. Das neue Übereinkommen verlangt daher, dass die berufliche oder gewerbliche Tätigkeit der Person, mit der der Verbraucher einen Vertrag schließt, in dem Staat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, ausgeübt wird oder dass eine solche auf diesen Staat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Staates, ausgerichtet wird.

83.

Die neue Anknüpfung an den Staat, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, kann auf Verträge jeder Art angewandt werden und soll insbesondere dazu dienen, dem Bedarf an Verbraucherschutz, der sich aus dem elektronischen Geschäftsverkehr ergibt (94), gerecht zu werden. Maßgebend ist nicht der Ort, an dem der Verbraucher handelt, oder der Ort, an dem der Vertrag geschlossen wird – dies kann in einem anderen Staat als dem Wohnsitzstaat des Verbrauchers erfolgen –, sondern allein die Tätigkeit der anderen Partei: diese muss in dem Staat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, ausgeübt werden oder auf diesen Staat, möglicherweise unter Verwendung elektronischer Mittel, ausgerichtet sein. Im Falle eines Internetgeschäfts beispielsweise verliert der Verbraucher nicht dadurch, dass er die beweglichen Sachen von einem anderen Staat als seinem Wohnsitzstaat aus bestellt hat, den durch das Übereinkommen gebotenen Schutz, sofern die Tätigkeit des Verkäufers auf den Staat, in dem er seinen Wohnsitz hat, oder neben anderen Staaten auch auf diesen Staat ausgerichtet ist. Auch in diesem Fall kann der Verbraucher nach Artikel 16 des Übereinkommens die Gerichte des Staates, in dem er seinen Wohnsitz hat, anrufen, und zwar unabhängig davon, wo der Vertrag geschlossen wurde und wo eine elektronisch erbrachte Dienstleistung in Anspruch genommen wurde.

Diese Anknüpfung besteht nur, wenn die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit unbestritten auf den Staat ausgerichtet ist, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. Es ist hier unerheblich, ob eine Website als aktiv oder passiv gilt. Der Rat der EU und die Europäische Kommission haben zu Artikel 15 der Brüssel-I-Verordnung ausgeführt, „dass es für die Anwendung von Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe c nicht ausreicht, dass ein Unternehmen seine Tätigkeiten auf den Mitgliedstaat, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, oder auf mehrere Staaten – einschließlich des betreffenden Mitgliedstaats –, ausrichtet, sondern dass im Rahmen dieser Tätigkeiten auch ein Vertrag geschlossen worden sein muss. Diese Bestimmung betrifft mehrere Absatzformen, darunter Vertragsabschlüsse im Fernabsatz über Internet. In diesem Zusammenhang betonen der Rat und die Kommission, dass die Zugänglichkeit einer Website allein nicht ausreicht, um die Anwendbarkeit von Artikel 15 zu begründen; vielmehr ist erforderlich, dass diese Website auch den Vertragsabschluss im Fernabsatz anbietet und dass tatsächlich ein Vertragsabschluss im Fernabsatz erfolgt ist, mit welchem Mittel auch immer. Dabei sind auf einer Website die benutzte Sprache oder die Währung nicht von Bedeutung.“ (95)

84.

Der Anwendungsbereich der Zuständigkeitsregeln zum Schutz von Verbrauchern ist weiter ausgeweitet worden und umfasst nun auch Beförderungsverträge, die im Übereinkommen von 1988 vom Anwendungsbereich ausgeschlossen waren; dort unterlagen sie den allgemeinen Regeln für Verträge. Der Ausschluss aller Beförderungsverträge erschien in Anbetracht der Praxis des Abschlusses von Verträgen über kombinierte Beförderungs- und Unterbringungsleistungen für einen Pauschalpreis nicht gerechtfertigt. Wären Beförderungsverträge weiterhin ausgeschlossen gewesen, so hätte dies auch bedeutet, dass unterschiedliche Zuständigkeitsregeln auf die verschiedenen Dienstleistungen angewandt werden müssten, die in einem einzigen Vertrag, der wirtschaftlich gesehen eine einzige kommerzielle Transaktion darstellt, kombiniert sind. Artikel 15 Absatz 3 beschränkt daher den Ausschluss von den Regeln des Titels II Abschnitt 4 auf Beförderungsverträge, die keine kombinierten Beförderungs- und Unterbringungsleistungen für einen Pauschalpreis vorsehen; die Bestimmung wird auf diese Weise an die Bestimmung für Verbraucherverträge im Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht angeglichen (96).

3.   Individuelle Arbeitsverträge (Artikel 18 bis 21)

85.

Individuelle Arbeitsverträge waren im ursprünglichen Brüsseler Übereinkommen nicht eigens berücksichtigt worden und unterlagen daher den allgemeinen Zuständigkeitsregeln sowie der besonderen Zuständigkeitsregel in Artikel 5 Nummer 1 betreffend einen Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, ohne dass eine spezielle Beschränkung der Wahl des Gerichtsstands vorgesehen war. Im Übereinkommen von 1988 waren sie Gegenstand besonderer Regeln (Artikel 5 Nummer 1 zweiter Halbsatz und Artikel 17 Absatz 5). Sie werden nunmehr in besonderen Regeln in Titel II Abschnitt 5 behandelt, der auf die Abschnitte über Versicherungssachen und über Verbrauchersachen folgt und die Vorschriften, mit denen der schwächere Vertragspartner geschützt wird, vervollständigt. Der neue Abschnitt folgt dem gleichen Schema und den gleichen Lösungsansätzen wie die anderen Abschnitte und weicht in mancherlei Hinsicht von den Regelungen des Übereinkommens von 1988 ab.

86.

Wie die Bestimmungen in den anderen Abschnitten bekräftigt Artikel 18 Absatz 1 den eigenständigen und umfassenden Charakter der in Abschnitt 5 enthaltenen Zuständigkeitsregeln für individuelle Arbeitsverträge, unbeschadet des Artikels 4, der gilt, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in einem nicht durch das Übereinkommen gebundenen Staat hat, und unbeschadet des Artikels 5 Nummer 5, der bei Streitigkeiten in Bezug auf eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung gilt. Wie in Artikel 9 Absatz 2 und in Artikel 15 Absatz 2 wird in Artikel 18 Absatz 2 das Vorhandensein einer Zweigniederlassung, Agentur oder sonstigen Niederlassung des Arbeitgebers in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat für Streitigkeiten aus ihrem Betrieb so behandelt, wie wenn der Arbeitgeber in diesem Staat seinen Wohnsitz hätte, auch wenn er seinen Wohnsitz in einem nicht durch das Übereinkommen gebundenen Staat hat.

87.

Die Zuständigkeit für eine Klage gegen einen Arbeitgeber, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines durch das Übereinkommen gebundenen Staates hat, wird in Artikel 19 geregelt, der zum größten Teil die Bestimmung in Artikel 5 Nummer 1 zweiter Halbsatz des Übereinkommens von 1988 aufgreift. Dies bedeutet, dass ein Arbeitgeber nicht nur vor den Gerichten des Staates, in dem er seinen Wohnsitz hat, verklagt werden kann, sondern auch vor dem Gericht des Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat (Nummer 2 Buchstabe a). Der letzte Satz, der sich im Übereinkommen von 1988 nicht fand, ist aufgenommen worden, da festgestellt wurde, dass ein Arbeitnehmer einen Arbeitgeber häufig erst dann verklagt, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist oder der Arbeitnehmer seine Arbeit nicht mehr verrichtet. Es wäre nicht angemessen, dem Arbeitnehmer in solchen Fällen den alternativen Gerichtsstand des Ortes seiner Arbeit vorzuenthalten. Ferner ist zu berücksichtigen, dass sich der Arbeitnehmer an seinem Arbeitsort während des Beschäftigungsverhältnisses oder nach dessen Beendigung danach in der Regel an eine Gewerkschaft wenden kann, damit diese ihm hilft, seine Rechte vor Gericht geltend zu machen.

Wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet oder verrichtet hat, kann von ihm vor dem Gericht des Ortes geklagt werden, an dem sich die Niederlassung, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, befindet bzw. befand (Nummer 2 Buchstabe b). Diese Lösung entspricht der Lösung im Übereinkommen von Rom vom 19. Juni 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (97). Es sei darauf hingewiesen, dass diese Lösung nur erforderlich ist, wenn kein Staat bestimmt werden kann, der die beiden Anforderungen erfüllt, nämlich dass eine wesentliche Verbindung zwischen der Streitigkeit und dem Ort besteht, dessen Gericht am besten in der Lage ist, über den Fall zu entscheiden, damit der Arbeitnehmer als der schwächere Vertragspartner angemessen geschützt ist, und dass die Zuständigkeit mehrerer Gerichte vermieden wird. Erfüllt der Arbeitnehmer, auch wenn er in mehr als einem Staat seine Arbeit verrichtet, den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber dem Arbeitgeber an ein und demselben Ort, so ist davon auszugehen, dass er an diesem Ort seine Arbeit gewöhnlich verrichtet, und ist demgemäß Artikel 19 Nummer 2 Buchstabe a des Übereinkommens anzuwenden (98).

88.

Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe hat den Vorschlag geprüft, die Gerichtsstände nach Artikel 19 um einen weiteren Gerichtsstand zu ergänzen, um es einem Arbeitnehmer, der für einen begrenzten Zeitraum in einen anderen durch das Übereinkommen gebundenen Staat entsandt wird, um dort seine Arbeit zu verrichten, zu ermöglichen, die Gerichte dieses Staats anzurufen, wenn es um die Arbeit und die Bedingungen, unter denen sie in diesem Staat verrichtet wird, geht. Dieser Vorschlag wurde im Lichte der Richtlinie 1996/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern (99) geprüft, deren Artikel 6 wie folgt lautet: „Zur Durchsetzung des Rechts auf die in Artikel 3 gewährleisteten Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen kann eine Klage in dem Mitgliedstaat erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer entsandt ist oder war; dies berührt nicht die Möglichkeit, gegebenenfalls gemäß den geltenden internationalen Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit in einem anderen Staat Klage zu erheben“. Diese Bestimmung hat, im Rahmen der Richtlinie ausgelegt, offensichtlich einen anderen Anwendungsbereich als die Bestimmung des Übereinkommens, mit der zugunsten des Arbeitnehmers eine allgemeine Zuständigkeit der Gerichte des Staates, in den er entsandt wird, begründet wird.

Die Richtlinie enthält eine Reihe von Definitionen für die verwendeten Begriffe – wie „entsandter Arbeitnehmer“, „Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen“ usw. –, auf die Bezug genommen werden müsste, wenn die Bestimmungen des Übereinkommens ausgelegt werden. Darüber hinaus wird die Zuständigkeit des Gerichts des Ortes, an den der Arbeitnehmer entsandt worden ist, durch die Richtlinie auf „die in Artikel 3 gewährleisteten Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen“ beschränkt und ist nicht allgemeiner Art. Bei der Begründung einer allgemeinen Zuständigkeit dieses Gerichts wären nicht alle Fragen erfasst, die von Artikel 3 der Richtlinie abgedeckt werden, da die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, auf die er sich bezieht, Fragen wie Gesundheitsschutz, Sicherheit und Hygiene am Arbeitsplatz umfassen, die als Regelungsbereiche des öffentlichen Rechts und nicht in das Übereinkommen von Lugano, das sich auf Zivil- und Handelssachen beschränkt, einbezogen werden könnten. Schließlich stünde ein zusätzlicher Gerichtsstand, der in das Übereinkommen aufgenommen würde, ausschließlich Arbeitnehmern zur Verfügung, während Artikel 6 der Richtlinie nicht zwischen der Stellung der Parteien unterscheidet und auch eine Rechtsgrundlage für die Zuständigkeit bei Klageerhebung durch den Arbeitgeber bietet. Bei Begründung der Zuständigkeit der Gerichte des Staates, in den ein Arbeitnehmer entsandt ist, würde die Zuständigkeit nicht in der gleichen Weise wie in der Richtlinie geregelt und würden zwei Systeme geschaffen, die unterschiedlichen Auslegungs- und Anwendungsregeln unterliegen, wodurch die Rechtssicherheit in Bereichen, in denen Schutz gewährleistet sein muss, beeinträchtigt werden könnte.

Diese Erwägungen haben die Ad-hoc-Arbeitsgruppe dazu veranlasst, dem Vorschlag, eine allgemeine Zuständigkeit des Gerichts des Ortes zu begründen, an den ein Arbeitnehmer entsandt ist, nicht zu folgen und die Zuständigkeitsregeln im Bereich der Arbeitsverhältnisse nicht zu ändern, obwohl die Richtlinie weiterhin in ihrem eigenen Anwendungsbereich zum Tragen kommt und in jedem Falle zulässt, dass eine Klage gemäß den geltenden internationalen Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit, unter anderem nach dem Übereinkommen von Lugano, dessen Anwendungsbereich unverändert bleibt, erhoben wird.

89.

Wie bei den anderen, Schutzzwecken dienenden Zuständigkeiten kann die Klage des Arbeitgebers nur vor den Gerichten des durch das Übereinkommen gebundenen Staates erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz hat, außer im Falle einer Widerklage vor dem Gericht, bei dem die Hauptklage gemäß den Bestimmungen des Abschnitts über Arbeitsverträge anhängig ist. Artikel 20 folgt damit dem gleichen Kriterium wie bei Versicherungs- und Verbraucherverträgen und ändert somit Artikel 5 Nummer 1 des Übereinkommens von 1988, der es dem Arbeitgeber auch gestattet, Klage vor dem Gericht des Ortes zu erheben, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, und, wenn er seine Arbeit in mehr als einem Land verrichtet, am Ort der Niederlassung, die den Arbeitnehmer eingestellt hat. Die Entscheidung, diese Klagemöglichkeit des Arbeitgebers entfallen zu lassen, wurde nach sorgfältiger Bewertung der Rolle, die dieses Zuständigkeitskriterium spielt, getroffen. Die Bezugnahme auf den Ort, an dem die Arbeit verrichtet wird, dient dazu, dem Arbeitnehmer einen alternativen Gerichtsstand zur Verfügung zu stellen, wenn er zu der Auffassung gelangt, dass er seinen Anspruch dort leichter geltend machen kann, auch wenn das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist; sie dient nicht dazu, dem Arbeitgeber einen für ihn vorteilhaften Klägergerichtsstand für Streitigkeiten mit einem Arbeitnehmer zu eröffnen.

90.

Auch die Vorschriften über Gerichtsstandsvereinbarungen lehnen sich an das System für Versicherungs- und Verbrauchersachen an. Im Einklang mit Artikel 5 Nummer 1 des Übereinkommens von 1988 heißt es in Artikel 21 Nummer 1, dass die Zuständigkeit eines anderen Gerichts nur nach der Entstehung der Streitigkeit vereinbart werden kann, so dass der Arbeitnehmer imstande ist, zu prüfen, ob dies wünschenswert ist. Nach Artikel 21 Nummer 2 kann mit einer Vereinbarung über den Gerichtsstand auch von den allgemeinen Regeln abgewichen werden, wenn sie dem Arbeitnehmer die Befugnis einräumt, andere als die in Artikel 19 angeführten Gerichte anzurufen. Anders als in den anderen Abschnitten findet sich jedoch keine Bezugnahme auf die Zulässigkeit einer Klausel, mit der die Zuständigkeit der Gerichte des Staates begründet wird, in dem sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, da dies Artikel 3 der vorerwähnten Gemeinschaftsrichtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen widersprechen würde.

4.    Ausschließliche Zuständigkeiten

1.   Allgemeines

91.

Bei einigen Arten von Streitgegenständen ist aus Gründen, die keiner besonderen Erläuterung bedürfen, eine ausschließliche Zuständigkeit vorgesehen; diese Gründe beziehen sich allesamt auf die besondere Verknüpfung zwischen dem Gericht und der Art der Situation. In Bezug auf bestimmte Fragen sollten im Interesse einer geordneten Rechtspflege die Gerichte ausschließlich zuständig sein, die am besten in der Lage sind, über die Streitigkeit zu befinden und die örtlichen Vorschriften und Gepflogenheiten anzuwenden bzw. zu berücksichtigen. Das neue Übereinkommen bestätigt die Merkmale der ausschließlichen Zuständigkeit: Die ausschließliche Zuständigkeit gilt ohne Rücksicht auf den Wohnsitz der Parteien in den durch das Übereinkommen gebundenen Staaten (Artikel 22); von ihr kann weder durch Vereinbarung zwischen den Parteien (Artikel 23) noch stillschweigend (Artikel 24) abgewichen werden; ein Gericht, das wegen einer Streitigkeit angerufen wird, für die das Gericht eines anderen durch das Übereinkommen gebundenen Staates ausschließlich zuständig ist, muss sich von Amts wegen für unzuständig erklären (Artikel 25); Entscheidungen werden nicht anerkannt, wenn die Vorschriften über die ausschließliche Zuständigkeit verletzt worden sind (Artikel 35), und sind gegebenenfalls nicht vollstreckbar (Artikel 45).

Nur die ausschließlichen Zuständigkeiten nach Artikel 22 Nummern 1, 2 und 4 sind geändert worden und bedürfen einer besonderen Erläuterung. Die ausschließlichen Zuständigkeiten nach Artikel 22 Nummern 2 und 5 bleiben unverändert gegenüber dem Übereinkommen von 1988; hierzu wird auf die früheren Berichte verwiesen (Jenard-Bericht, S. 35 und 36).

2.   Unbewegliche Sachen (Artikel 22 Nummer 1)

92.

Die Regel, dass für dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen die Gerichte des durch das Übereinkommen gebundenen Staates, in dem die unbewegliche Sache belegen ist, zuständig sind, bleibt unverändert; auf die Gründe für diese Zuständigkeit, die bereits in Bezug auf das Übereinkommen von 1988 (Jenard/Möller-Bericht, Nummern 49-54) und das Brüsseler Übereinkommen (Jenard-Bericht, S. 34-35, Schlosser-Bericht, Nummern 162-165) erläutert worden sind, braucht hier nicht näher eingegangen werden.

Es ist auch nicht erforderlich, den Anwendungsbereich der Bestimmung in Bezug auf die übrigen Zuständigkeitsregeln des Übereinkommens genauer zu beschreiben; dieser ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Brüsseler Übereinkommen mehrfach geprüft worden. Es sei hier lediglich darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof anerkannt hat, dass die ausschließliche Zuständigkeit für Miete oder Pacht auf Streitsachen beschränkt ist, die eindeutig die Anmietung einer Immobilie zum Gegenstand haben und die in den Bereich fallen, in dem die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Staates, in dem die Immobilie belegen ist, ihre Daseinsberechtigung hat. Ein Vertrag, kraft dessen gegen einen vom Kunden gezahlten Gesamtpreis eine Gesamtheit von Dienstleistungen zu erbringen ist, ist kein eigentlicher Miet- oder Pachtvertrag im Sinne der Vorschrift (100). Die Vorschrift ist jedoch auf eine Klage auf Schadensersatz wegen mangelhafter Instandhaltung und Beschädigung einer Wohnung, die eine Privatperson gemietet hatte, um dort einige Wochen Urlaub zu verbringen, auch dann anwendbar, wenn die Klage nicht unmittelbar vom Eigentümer der unbeweglichen Sache, sondern von einem gewerblichen Reiseveranstalter erhoben worden ist, der dem Mieter die Wohnung vermietet hatte und aus abgetretenem Recht des Eigentümers der unbeweglichen Sache klagt (101).

Die Frage, ob und inwieweit ein Teilzeitnutzungsrecht an einer Immobilie der ausschließlichen Zuständigkeit für Klagen, die unbewegliche Sachen zum Gegenstand haben, unterliegen sollte, ist von der Ad-hoc-Arbeitsgruppe im Einklang mit den Gemeinschaftsvorschriften und ihrer Auslegung durch den Gerichtshof geklärt worden, ohne dass es einer speziellen Vorschrift bedarf (siehe oben Nummer 81).

93.

Auf Vorschlag der Kommission hat die Ad-hoc-Arbeitsgruppe die Frage geprüft, ob Artikel 22 Nummer 1 dahin gehend auszulegen ist, dass er eine ‚Reflexwirkung‘ hat, wonach auch die Gerichte der durch das Übereinkommen gebundenen Staaten nicht zuständig wären, wenn die unbewegliche Sache in einem Staat belegen ist, der nicht durch das Übereinkommen gebunden ist. Wie im Jenard/Möller-Bericht erläutert (102), findet Artikel 16 Nummer 1 des Übereinkommens von 1988 nur Anwendung, „wenn die unbewegliche Sache in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats belegen ist“; ist die unbewegliche Sache in einem nicht dem Übereinkommen angehörenden Staat belegen, so gelten Artikel 2 des Übereinkommens und möglicherweise die besonderen Gerichtsstände, die das Übereinkommen vorsieht, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Vertragsstaat hat; Artikel 4 kommt zur Anwendung, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in einem nicht dem Übereinkommen angehörenden Staat hat.

Nach eingehender Prüfung hat die Ad-hoc-Arbeitsgruppe entschieden, dass es sich nicht empfiehlt, von dieser Lesart des Anwendungsbereichs der ausschließlichen Zuständigkeit für Klagen, die unbewegliche Sachen zum Gegenstand haben, abzurücken bzw. diese Frage im Text des Übereinkommens eindeutiger zu regeln, selbst wenn man berücksichtigt, dass in Fällen, in denen die unbewegliche Sache in einem nicht dem Übereinkommen angehörenden Staat belegen ist, Artikel 4 wahrscheinlich häufig geltend gemacht würde und dass erhebliche Unterschiede zwischen den jeweiligen einschlägigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften bestehen (103). Aufgrund der Ausführungen des Gerichtshofs in seinem Gutachten 1/03 (104) können die Frage, ob Artikel 22 Nummer 1 eine Reflexwirkung hat, und die Auswirkungen einer solchen Wirkung am besten erneut geprüft werden, wenn die innerstaatlichen Vorschriften zur Zuständigkeit für Klagen, die unbewegliche Sachen zum Gegenstand haben, in Fällen, in denen der Beklage seinen Wohnsitz in einem Drittstaat hat, innerhalb der Europäischen Gemeinschaft vereinheitlicht werden sollten.

94.

Besonders große Aufmerksamkeit galt der Frage, ob die Gerichte des Staates, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat, alternativ zu den Gerichten des Staates, in dem die unbewegliche Sache belegen ist, zuständig sein sollten, wenn es um die Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen zum vorübergehenden privaten Gebrauch für höchstens sechs aufeinander folgende Monate geht. Das Brüsseler Übereinkommen unterscheidet sich hier vom Übereinkommen von 1988. Das Brüsseler Übereinkommen knüpft an diese Klagemöglichkeit zwei Bedingungen, nämlich dass beide Parteien natürliche Personen sind und dass beide ihren Wohnsitz in demselben Staat haben, während das Übereinkommen von 1988 die konkurrierende Zuständigkeit der Gerichte des Staates, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat, weiter fasst; die Bedingungen sind hier lediglich, dass eine der Parteien, der Mieter oder Pächter, eine natürliche Person ist und dass keine der Parteien ihren Wohnsitz in dem Staat hat, in dem die unbewegliche Sache belegen ist, ohne dass es darauf ankommt, ob die Parteien ihren Wohnsitz in demselben Staat haben oder nicht. Da die Ad-hoc-Arbeitsgruppe den Auftrag hatte, die beiden Übereinkommen im Wortlaut so weit wie möglich aneinander anzugleichen, hat sie geprüft, ob das Lugano-Übereinkommen in dieser Hinsicht an das Brüsseler Übereinkommen angepasst werden sollte oder umgekehrt. Die gewählte Lösung – die auch in der Brüssel-I-Verordnung zum Tragen kommt – vereint Elemente beider Übereinkommen: Nur der Mieter oder Pächter muss eine natürliche Person sein, aber die Vertragsparteien müssen ihren Wohnsitz in demselben Staat haben.

Für diese Lösung spricht insbesondere, dass es zu weit gegangen wäre, zu verlangen, dass beide Vertragsparteien natürliche Personen sind, da mit dieser Vorschrift auch bezweckt wird, Schutz in den sehr häufigen Fällen zu bieten, in denen Urlauber eine Unterkunft von einem Unternehmen mieten, das Immobilien im Ausland besitzt. Überdies werden mit der Anforderung, dass die Vertragsparteien ihren Wohnsitz in demselben Staat haben müssen, die meisten Fälle erfasst, in denen es zweckmäßig ist, von der ausschließlichen Zuständigkeit des Staates, in dem die unbewegliche Sache belegen ist, abzuweichen, ohne dass der Anwendungsbereich dieser Ausnahme zu weit ausgedehnt wird.

95.

Nach Artikel Ib des Protokolls Nr. 1 des Übereinkommens von 1988 konnte ein Staat erklären, dass er Entscheidungen in Bezug auf die Miete oder Pacht einer unbeweglichen Sache nicht anerkennt, wenn die unbewegliche Sache in seinem Hoheitsgebiet belegen ist, auch wenn es sich um eine Miete oder Pacht der Art handelt, die nach der Vorschrift in Betracht kommt, und wenn die Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsstaats dadurch begründet ist, dass der Beklagte seinen Wohnsitz in dem Ursprungsstaat hat; diese Vorschrift wurde nicht mehr als erforderlich betrachtet und ist in das neue Übereinkommen nicht übernommen worden.

3.   Gesellschaften (Artikel 22 Nummer 2)

96.

Es ergibt sich keine Änderung gegenüber dem Übereinkommen von 1988 hinsichtlich der ausschließlichen Zuständigkeit für Klagen, die „die Gültigkeit, die Nichtigkeit oder die Auflösung einer Gesellschaft oder juristischen Person oder der Beschlüsse ihrer Organe“ zum Gegenstand haben – oder genauer „die Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe“, wie es nun heißt, womit die Auslegung bestätigt wird, der zufolge beabsichtigt war, dass „Beschlüsse ihrer Organe“ auf den ersten Halbsatz zu beziehen ist (105). Mit dieser Vorschrift, die in Artikel 16 Nummer 2 des alten Übereinkommens enthalten war, wird die Zuständigkeit der Gerichte des Staates begründet, in dessen Hoheitsgebiet die Gesellschaft oder juristische Person ihren Sitz hat, im Einklang mit der Vorschrift, die den Sitz dem Wohnsitz gleichstellt.

In der neuen Vorschrift ist die Anknüpfung an den „Sitz“ beibehalten worden, aber der Bezug ist nicht mehr zwangsläufig derselbe wie in der allgemeinen Regel. So wird der Wohnsitz einer Gesellschaft in dem neuen Übereinkommen durch eine Bezugnahme auf den satzungsmäßigen Sitz oder die Hauptverwaltung oder die Hauptniederlassung definiert. Dabei handelt es sich um eine autonome Definition, die es leichter macht, vor einem Gericht eines durch das Übereinkommen gebundenen Staates eine Gesellschaft zu verklagen, die eine wesentliche Verbindung zu den Staaten hat, für die das Übereinkommen gilt, aber sie wurde nicht als geeignete Grundlage für die ausschließliche Zuständigkeit in Streitigkeiten in den hier betrachteten Bereichen erachtet. Die Zuständigkeiten nach Artikel 22 sind ausschließliche Zuständigkeiten; dies ist nur schwer mit einer Definition des Wohnsitzes vereinbar, bei der alternative Kriterien angewandt werden und die zu Unsicherheit hinsichtlich dessen führen kann, welches Recht auf die Frage der Gültigkeit einer Gesellschaft anzuwenden ist. Anders ausgedrückt: Der normale Gerichtsstand für Gesellschaften kann zweckmäßigerweise auf einen weit gefassten Begriff des Wohnsitzes gestützt werden, während für die Frage der Gültigkeit einer Gesellschaft ein eng gefasster Begriff, der sich auf nur einen Anknüpfungsfaktor stützt, angewandt werden muss.

Die Arbeitsgruppe hat sich dafür entschieden, die Bezugnahme nur auf den „Sitz“, wie im Übereinkommen von 1988, beizubehalten, wobei das angerufene Gericht bei der Entscheidung darüber, wo der Sitz sich befindet, wie im Falle des Übereinkommens von 1988 die Vorschriften seines Internationalen Privatrechts anwendet. Es sei daher betont, dass der „Sitz“ der Gesellschaft hier nicht wie der „satzungsmäßige Sitz“ in Artikel 60 ein autonomer Begriff ist. Mit einer einfachen Bezugnahme auf den „satzungsmäßigen Sitz“ hätte vermieden werden können, dass unter Umständen mehr als ein Gericht ausschließlich zuständig ist, wenn sich der „satzungsmäßige Sitz“ und der tatsächliche Sitz in verschiedenen Staaten befinden; es wurde jedoch entschieden, dass die in dem Übereinkommen enthaltenen Vorschriften über die Koordinierung der Zuständigkeit zur Lösung dieses Problems ausreichen.

97.

Mit der vereinbarten Lösung wird in der Regel sichergestellt, dass Gerichtsstand und Recht zusammenfallen; sie ist von dem Bestreben geleitet, zu gewährleisten, dass es eine vorhersehbare und feststehende einzige Zuständigkeit gibt, wenn über die Frage der Gültigkeit einer Gesellschaft zu entscheiden ist. In der Arbeitsgruppe ist darauf hingewiesen worden, dass eine solche Zuständigkeit möglicherweise weniger erstrebenswert erscheint, wenn es bei der Streitigkeit um die Beschlüsse der Organe einer Gesellschaft geht. Die Arbeitsgruppe hat sich jedoch dafür entschieden, auch hier an der ausschließlichen Zuständigkeit des Gerichts des Staates, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat, festzuhalten, da dieses Gericht in der Regel am besten in der Lage ist, über die Frage der Gültigkeit solcher Beschlüsse zu befinden. Um der Möglichkeit vorzubeugen, dass diese Zuständigkeit durch Auslegung ausgeweitet wird, wird in dem neuen Übereinkommen, wie bereits erläutert, ausdrücklich auf die „Gültigkeit“ von Beschlüssen und nicht, wie zuvor, auf die „Beschlüsse“ selbst Bezug genommen (106); dadurch wird deutlich, dass sich die ausschließliche Zuständigkeit nicht auf den Inhalt oder die Wirkungen der Beschlüsse bezieht.

4.   Rechte des geistigen Eigentums (Artikel 22 Nummer 4)

98.

Für Klagen, die die Gültigkeit von Patenten, Marken, Mustern und Modellen sowie ähnlicher Rechte, die einer Hinterlegung oder Registrierung bedürfen, zum Gegenstand haben, gilt grundsätzlich die im Übereinkommen von 1988 festgelegte Zuständigkeitsregel. Ausschließlich zuständig sind die Gerichte des durch das Übereinkommen gebundenen Staates, in dessen Hoheitsgebiet die Hinterlegung oder Registrierung beantragt oder vorgenommen worden ist oder aufgrund eines zwischenstaatlichen Übereinkommens oder, wie der neue Wortlaut verdeutlicht, eines Gemeinschaftsrechtsakts als vorgenommen gilt. Dieser letzte Punkt ist hinzugefügt worden, um jeden Zweifel an der Gleichwertigkeit des Gemeinschaftsrechts in Bezug auf Rechte des geistigen Eigentums und gewerbliche Schutzrechte mit geltenden zwischenstaatlichen Übereinkommen auszuräumen.

99.

Die ausschließliche Zuständigkeit gilt auch in Bezug auf Patente, die auf der Grundlage des am 5. Oktober 1973 in München unterzeichneten Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente erteilt wurden. Die zuvor in Artikel Vd des Protokolls Nr. 1 zum Übereinkommen von 1988 enthaltene Regel, nach der unbeschadet der Zuständigkeit des Europäischen Patentamts die Gerichte eines jeden durch das Übereinkommen gebundenen Staates für alle Verfahren ausschließlich zuständig sind, welche die Erteilung oder die Gültigkeit eines europäischen Patents, das für diesen Staat erteilt wurde, zum Gegenstand haben, ist nun in Artikel 22 Nummer 4 aufgenommen worden. Der letzte Teil der im Protokoll enthaltenen Bestimmung ist weggefallen: Er sah eine Ausnahme von der ausschließlichen Zuständigkeit der Gerichte der durch das Übereinkommen gebundenen Staaten vor, wenn das Patent ein Gemeinschaftspatent nach Artikel 86 des am 15. Dezember 1975 in Luxemburg unterzeichneten Übereinkommens über das europäische Patent für den Gemeinsamen Markt war (107).

Das Übereinkommen von Luxemburg, das durch eine am 15. Dezember 1989 in Luxemburg unterzeichnete Vereinbarung über Gemeinschaftspatente geändert wurde, sah die Erteilung eines Gemeinschaftspatents ähnlich den nationalen Patenten, aber unabhängig von ihnen und mit gleichen Auswirkungen in allen Vertragsstaaten, vor. Gemäß dem Übereinkommen war das Brüsseler Übereinkommen bei allen Klagen zu Gemeinschaftspatenten anzuwenden, galt aber eine besondere Zuständigkeit für Streitigkeiten über die Verletzung und Gültigkeit von Patenten. Das Übereinkommen von Luxemburg ist nie in Kraft getreten; im neuen Lugano-Übereinkommen wird auf dieses nicht Bezug mehr genommen.

100.

Die Frage einer Ausnahme von der in Artikel 22 Nummer 4 vorgesehenen ausschließlichen Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedstaaten ist jedoch aufgrund der Bemühungen um die Schaffung eines Gemeinschaftspatents mittels gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften nach wie vor aktuell; die Kommission hat im Jahr 2000 einen Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Gemeinschaftspatent (108) vorgelegt, gefolgt im Jahr 2003 von einem Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Übertragung der Zuständigkeit in Gemeinschaftspatentsachen auf den Gerichtshof und einem Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Errichtung des Gemeinschaftspatentgerichts und betreffend das Rechtsmittel vor dem Gericht erster Instanz (109). Der allgemeine Ansatz besteht darin, dem Gerichtshof eine weitreichende Zuständigkeit, insbesondere für Streitigkeiten wegen Verletzung, einschließlich Feststellung der Nichtverletzung, für Streitigkeiten wegen der Gültigkeit eines Gemeinschaftspatents, die entweder in der Hauptklage oder durch Gegenklage angefochten wird, sowie für Streitigkeiten wegen der Benutzung einer Erfindung nach Veröffentlichung der Anmeldung des Gemeinschaftspatents oder wegen des Vorbenutzungsrechts zu geben, mit ausschließlicher Zuständigkeit zur Anordnung einstweiliger Maßnahmen in Fällen, die in diese Bereiche fallen, wobei die Gerichte der Staaten nach Artikel 22 Nummer 4 ausschließlich zuständig nur für Fälle wären, die nicht ausdrücklich dem Gemeinschaftsgericht vorbehalten sind.

101.

Auf der diplomatischen Konferenz, die vom 10. bis 12. Oktober 2006 stattfand, ist erörtert worden, ob es zweckmäßig wäre, dem Lugano-Übereinkommen ein Protokoll anzufügen, mit dem dem Gerichtshof die ausschließliche Zuständigkeit für Klagen im Zusammenhang mit gemeinschaftlichen Titeln für den gewerblichen Rechtsschutz übertragen würde (110). Ein solches Protokoll hätte den Vorteil, dass ein einziges Gericht für Streitigkeiten wegen der Gültigkeit von Patenten und für Streitigkeiten wegen Verletzungen zuständig wäre, für die nach dem Lugano-Übereinkommen sonst verschiedene Gerichte anzurufen wären. Gegen das vorgeschlagene Protokoll wurde indessen eingewandt, dass es die betreffenden Streitigkeiten nicht genau genug umschrieben und ihre Definition später zu erlassenden Gemeinschaftsvorschriften überlassen habe und dass mit der Einbeziehung von Klagen wegen Verletzung stark von den Zuständigkeitsregeln des Lugano-Übereinkommens abgewichen und dessen einheitlicher Gesamtaufbau beeinträchtigt worden sei. Es erwies sich als nicht möglich, zu einer zufriedenstellenden Formulierung zu gelangen, und die diplomatische Konferenz zog es daher vor, die Prüfung dieses Protokolls auf einen späteren Zeitpunkt, wenn die Verordnung über das Gemeinschaftspatent angenommen ist, zu verschieben.

102.

Das Protokoll zur Übertragung der ausschließlichen Zuständigkeit auf den Gerichtshof für Klagen im Zusammenhang mit gemeinschaftlichen Titeln für den gewerblichen Rechtsschutz lenkte die Aufmerksamkeit auf bestimmte lösungsbedürftige Fragen, auf die in der sich daran anschließenden Rechtsprechung des Gerichtshofs zumindest teilweise eine Antwort gegeben wurde: Vor der Unterzeichnung des neuen Übereinkommens hatte der Gerichtshof in der Frage zu entscheiden, ob die Regel der ausschließlichen Zuständigkeit in Verfahren, die die Erteilung oder die Gültigkeit eines Patents zum Gegenstand haben, unabhängig davon gilt, ob die Frage klageweise oder einredeweise aufgeworfen wird (111). Der Gerichtshof bejahte dies: Unter Berücksichtigung der Stellung des Artikels 16 Nummer 4 des Übereinkommens in dessen Systematik und des verfolgten Zweckes sei davon auszugehen, dass die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Staates, in dem die Registrierung des Patents erfolgt ist, „unabhängig davon zu gelten hat, wie der verfahrensrechtliche Rahmen beschaffen ist, in dem sich die Frage der Gültigkeit eines Patents stellt, also unabhängig davon, ob dies klage- oder einredeweise geschieht, bei Klageerhebung oder in einem späteren Verfahrensstadium“ (112). Der Gerichtshof hat somit entschieden, dass das angerufene Gericht bei einer Verletzungsklage nicht – wie nach dem innerstaatlichen Recht einiger der durch das Übereinkommen gebundenen Staaten geschehen – inzident die Nichtigkeit des betreffenden Patents feststellen kann, auch wenn sich die Auswirkungen der Entscheidung auf die Parteien des Rechtsstreits beschränken (113).

Aufgrund dieses grundlegenden Urteils muss sich ein Gericht, vor dem ein Verfahren wegen einer Patentverletzung anhängig ist, in dem die Frage der Gültigkeit des Patents aufgeworfen wird, nach Artikel 25 des Übereinkommens von Amts wegen für unzuständig erklären, es sei denn, es ist nach Artikel 22 Nummer 4 ausschließliche zuständig, über die Gültigkeit des Patents zu befinden; je nach den Verfahren, die nach anwendbarem nationalen Recht zulässig sind, muss es außerdem möglicherweise das Verfahren wegen der Patentverletzung bis zu einer Entscheidung des ausschließlich zuständigen Gerichts aussetzen, bevor es in der Sache entscheidet. Der Wortlaut von Artikel 22 Nummer 4 des neuen Übereinkommens ist daher gegenüber der entsprechenden Bestimmung im Lugano-Übereinkommen von 1988 und Artikel 22 Nummer 4 der Brüssel-I-Verordnung geändert worden, um das GAT-Urteil des Gerichtshofs zu berücksichtigen (114).

Die Haltung des Gerichtshofs kommt den mit dem Vorschlag für ein Protokoll über die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtshofs beabsichtigten Zwecken im Großen und Ganzen dadurch entgegen, dass eine einzige ausschließliche Zuständigkeit für Klagen wegen der Gültigkeit und wegen der Verletzung eines Patents verlangt wird, wodurch verhindert wird, dass Entscheidungen über die Gültigkeit eines Patents von mehreren Gerichten gefällt werden, auch wenn sie sehr unterschiedliche Aspekte der Sache prüfen, und die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen vermieden wird. Wenn die Europäische Gemeinschaft eine Verordnung über ein Gemeinschaftspatent annimmt und der Gerichtshof die ausschließliche Zuständigkeit in Bezug auf die Registrierung und die Gültigkeit von Patenten erhält, könnte ein Gericht eines durch das Übereinkommen gebundenen Staates, vor dem Klage wegen Verletzung eines Gemeinschaftspatents erhoben wurde, nicht einmal inzident über die Gültigkeit des Patents entscheiden und müsste in dieser Frage die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtshofs anerkennen und den Gerichtshof wie ein anderes nationales Gericht behandeln (115).

5.    Vereinbarung über die Zuständigkeit

1.   Allgemeines (Artikel 23)

103.

Das System, das die Freiheit der Parteien regelt, zu bestimmen, welches Gericht über Streitigkeiten aus dem zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnis entscheiden soll, ist eine besonders heikle Materie, wie aus der umfangreichen Rechtsprechung des Gerichtshofs seit dem Brüsseler Übereinkommen ersichtlich ist, das über die Jahre hinweg größerer Änderungen bedurfte, damit es den Bedürfnissen des internationalen Handels in angemessener Weise gerecht wird (116). Das Übereinkommen von 1988 war Ergebnis dieser Entwicklung in der Rechtsprechung und der Rechtsetzung. Es ist daher nicht überraschend, dass sich die Ad-hoc-Arbeitsgruppe hier mit verschiedenen Problemen konfrontiert sah, von denen einige Fragen betrafen, die bereits zuvor erörtert worden waren, während andere sich daraus ergaben, dass Lösungen für neuere Fragen gefunden werden mussten, die die Gepflogenheiten des internationalen Handels aufwerfen.

Was Artikel 23 über Gerichtsstandsvereinbarungen in Verträgen anbelangt, so rührten die Schwierigkeiten vor allem daher, dass eine Anknüpfung an einen durch das Übereinkommen gebundenen Staat vorhanden sein muss, wenn die Regeln des Übereinkommens angewandt werden sollen. Die Arbeitsgruppe hat dann geprüft, ob die von den Parteien vereinbarte Zuständigkeit ausschließlich sein sollte oder nicht. Sie hat drittens die Formerfordernisse für eine Gerichtsstandsvereinbarung geprüft, insbesondere die Frage, wie eine solche Vereinbarung den Anforderungen des elektronischen Geschäftsverkehrs gerecht werden könnte. Schließlich hat sie eine Reihe von Problemen in Bezug auf die unterschiedliche Stellung der Parteien im Hinblick auf die Vereinbarung, die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Frage der Gültigkeit einer Vereinbarung und die Beziehung zwischen Artikel 23 und dem übrigen Übereinkommen erörtert.

2.   Verbindung zu einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat

104.

Artikel 23 gilt nur, wenn das betreffende Rechtsverhältnis internationale Bezüge aufweist, die nicht allein darin bestehen können, dass die Zuständigkeit der Gerichte eines bestimmten Staates vereinbart wurde (117), und überdies nur, wenn mindestens eine der Parteien ihren Wohnsitz in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat hat. Hat keine der Parteien ihren Wohnsitz in einem solchen Staat, so kann ein Gericht eines durch das Übereinkommen gebundenen Staates, das in einer Gerichtsstandsvereinbarung vereinbart worden ist, die Gültigkeit der Vereinbarung auf der Grundlage seines nationalen Rechts prüfen, und die Gerichte der anderen durch das Übereinkommen gebundenen Staaten dürfen sich nicht mit dem Fall befassen, bis das vereinbarte Gericht oder die vereinbarten Gerichte sich für unzuständig erklärt hat/haben. Die Arbeitsgruppe hat erörtert, ob es zweckmäßig ist, weiterhin vorzuschreiben, dass mindestens eine der Parteien ihren Wohnsitz in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat haben muss, da doch bezweckt wird, die Regeln zu vereinfachen und allen Vereinbarungen, mit denen die Zuständigkeit eines Gerichts oder der Gerichte eines durch das Übereinkommen gebundenen Staates begründet wird, gleiche Wirkung zu verleihen.

Auch bei Berücksichtigung dieser Argumente wurde es jedoch nicht als zweckmäßig erachtet, den Anwendungsbereich des Übereinkommens durch eine Änderung von Artikel 23 in der vorgeschlagenen Weise auszuweiten. Vor allem war man der Auffassung, dass nach wie vor kein Anlass besteht, in das Übereinkommen Regeln darüber aufzunehmen, unter welchen Voraussetzungen das von Parteien, die ihren Wohnsitz außerhalb des Gebiets haben, in dem das Übereinkommen Anwendung findet, vorgesehene Gericht seine Zuständigkeit annehmen muss (118), obwohl Übereinstimmung darüber bestand, dass eine Vereinbarung über die Zuständigkeit in allen durch das Übereinkommen gebundenen Staaten wirksam sein sollte, wenn das in der Vereinbarung bestimmte Gericht die Abweichung von den üblichen Regeln als gültig anerkannt hat. Der Wortlaut von Artikel 23 Absatz 1 ist daher in dieser Hinsicht mit der entsprechenden Bestimmung des Übereinkommens von 1988 identisch, außer dass sich der zweite Teil des Absatzes betreffend die Behandlung einer Vereinbarung von Parteien, die beide ihren Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet eines durch das Übereinkommen gebundenen Staates haben, nun in einem gesonderten Absatz, nämlich Absatz 3, befindet.

105.

Die Ad-hoc-Gruppe hat die Frage geprüft, zu welchem Zeitpunkt eine der Parteien ihren Wohnsitz in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat haben muss, damit Artikel 23 Absatz 1 Anwendung findet, und zwar im Lichte von Artikel 13 Nummer 3 und Artikel 17 Nummer 3, die auf den Wohnsitz der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abstellen, wenn auf den einschlägigen Wohnsitz Bezug genommen wird. Man einigte sich darauf, dass dies auch für die Zwecke von Artikel 23 der entscheidende Zeitpunkt ist, aber hielt es nicht für erforderlich, eine entsprechende Erläuterung in den Text aufzunehmen. Dies ist dadurch begründet, dass der entscheidende Zeitpunkt im Interesse der Rechtssicherheit und des Vertrauens der Vertragsparteien, die die Vereinbarung getroffen haben, der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu sein hat. Wäre der Bezugszeitpunkt der Zeitpunkt, zu dem das Gericht angerufen wird, so könnte eine Partei ihren Wohnsitz in einen durch das Übereinkommen gebundenen Staat verlegen, nachdem der Vertrag unterzeichnet wurde und bevor das Gericht angerufen wird, dadurch Artikel 23 Absatz 1 anwendbar machen und die Voraussetzungen ändern, unter denen das vereinbarte Gericht seine eigene Zuständigkeit prüfen muss.

3.   Ausschließlicher oder nicht ausschließlicher Charakter des vereinbarten Gerichtsstands

106.

Im Übereinkommen von 1988 ist festgeschrieben, dass eine Vereinbarung über die Zuständigkeit, die die Anforderungen des Übereinkommens erfüllt, dem vereinbarten Gericht bzw. den vereinbarten Gerichten stets eine ausschließliche Zuständigkeit überträgt. Nach dem Recht einiger durch das Übereinkommen gebundener Staaten – insbesondere nach dem Recht des Vereinigten Königreichs – vereinbaren die Parteien jedoch oftmals die Zuständigkeit eines Gerichts auf nicht ausschließlicher Basis, wodurch andere Gerichte konkurrierend zuständig sind, und damit dem Kläger ermöglichen, zwischen mehreren Gerichten zu wählen; nach englischer Rechtsprechung ist eine Vereinbarung über eine nicht ausschließliche Zuständigkeit eine gültige Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des Übereinkommens (119). Auf Vorschlag der Delegation des Vereinigten Königreichs hat die Ad-hoc-Arbeitsgruppe die Frage des ausschließlichen Charakters einer Gerichtsstandsvereinbarung erneut geprüft und ist aufgrund dessen, dass eine Vereinbarung über die Zuständigkeit Ergebnis einer Willenseinigung zwischen den Parteien ist, zu dem Schluss gekommen, dass es keinen Grund dafür gibt, die Freiheit der Vertragsparteien einzuschränken, indem sie daran gehindert werden, im Vertrag zwischen ihnen zusätzlich zu dem/den nach dem Übereinkommen objektiv zuständigen Gericht/en eine nicht ausschließliche Zuständigkeit zu vereinbaren.

Eine ähnliche Möglichkeit wurde, wenn auch innerhalb bestimmter Grenzen, bereits durch das Übereinkommen von 1988 geboten; nach Artikel 17 Absatz 4 des Übereinkommens konnte eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten von nur einer der Parteien geschlossen werden, die dann weiterhin das Recht hatte, jedes andere Gericht, das nach dem Übereinkommen zuständig war, anzurufen, so dass in diesem Falle die Vereinbarung nur für die andere Partei ausschließlichen Charakter hatte. Diese Bestimmung war offensichtlich ein Vorteil für die Partei, die bei der Aushandlung eines Vertrags die stärkere Partei war, bot aber keinen nennenswerten Nutzen für den internationalen Handel. Das Übereinkommen von 1988 ist nun geändert worden, damit die Gültigkeit einer Vereinbarung über eine nicht ausschließliche Zuständigkeit allgemein anerkannt wird; zugleich ist die Bestimmung im Übereinkommen von 1988, das eine Vereinbarung zugunsten von nur einer Partei zuließ, gestrichen worden.

107.

Artikel 23, in dem es heißt, dass die vereinbarte Zuständigkeit „ausschließlich [ist], sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben“, gibt der Ausschließlichkeit der vereinbarten Zuständigkeit noch immer den Vorzug. Es wird daher davon ausgegangen, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung ausschließlichen Charakter hat, es sei denn, die Vertragsparteien bringen die gegenteilige Absicht zum Ausdruck; sie wird nicht, wie ursprünglich vorgeschlagen, als eine nicht ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung betrachtet, wenn die Parteien nicht vereinbart haben, sie zu einer ausschließlichen Vereinbarung zu machen.

4.   Formerfordernisse für die Gerichtsstandsvereinbarung

108.

Die im Übereinkommen von 1988 enthaltenen Vorschriften über die Formerfordernisse für eine Vereinbarung über die Zuständigkeit spiegelten wichtige Entwicklungen in der Rechtsprechung zu der entsprechenden Bestimmung im Brüsseler Übereinkommen in seiner ursprünglichen Form wider, deren Strenge in Bezug auf die Formerfordernisse die Urteile auf verschiedene Weise abzumildern suchten. Im Übereinkommen von 1988 ist diese Rechtsprechung berücksichtigt worden; es enthält die wichtige Änderung, die mit dem Beitrittsübereinkommen von 1978 hinsichtlich der formalen Gültigkeit von Vereinbarungen, die dem Handelsbrauch im internationalen Handel entsprechen (120), am Brüsseler Übereinkommen vorgenommen wurde; außerdem ist vorgesehen worden, dass solche Vereinbarungen in einer Form, die den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den Parteien entstanden sind, geschlossen werden müssen (121).

Die Auslegung der Vorschrift im Übereinkommen von 1988 durch die Gerichte erforderte keine fundamentalen Änderungen bei der Abfassung des neuen Lugano-Übereinkommens. Das neue Übereinkommen bekräftigt, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung nur gültig ist, wenn sie schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung oder in einer Form, welche den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den Parteien entstanden sind, oder in einer Form, die im internationalen Handel einem Handelsbrauch im Sinne des Artikels 23 Absatz 1 Buchstabe c entspricht, geschlossen wurde.

Was die schriftliche Bestätigung einer mündlichen Vereinbarung betrifft, so wurde die Frage aufgeworfen, ob es ausreicht, dass die Bestätigung durch eine der Parteien erfolgt, oder ob die Bestätigung durch beide Parteien erfolgen muss. Die Entscheidung muss zugunsten der ersten Möglichkeit ausfallen. Eine mündlich geschlossene Vereinbarung wird oft von einer der Parteien vorgeschlagen, wobei der anderen Partei das Recht vorbehalten ist, die mündliche Vereinbarung schriftlich festzuhalten, und die Bestätigung dieser anderen Partei reicht aus, um das Bestehen und den Inhalt der Vereinbarung zu belegen. Diese Auslegung ist enger an den Wortlaut von Artikel 23 Absatz 1 Buchstabe a in einigen der Sprachfassungen angelehnt, insbesondere der englischen Fassung, die insofern expliziter ist, als die Schriftform als Nachweis der mündlichen Vereinbarung und nicht ihres Abschlusses verlangt wird (122). Eine andere Auslegung der Vorschrift würde ferner in anderen Sprachfassungen die Bezugnahme auf eine „schriftliche Bestätigung“ im zweiten Teil von Buchstabe a praktisch überflüssig machen, da eine schriftliche Bestätigung, die von beiden Parteien erfolgen müsste, letzten Endes eine „schriftliche“ Vereinbarung im Sinne des ersten Teils der Bestimmung wäre.

109.

Die wichtigste Frage, auf die sich die Ad-hoc-Arbeitsgruppe in Bezug auf die Formerfordernisse für eine Gerichtsstandsvereinbarung konzentrierte, war die Frage, ob Artikel 23 der Entwicklung bei elektronischen Übermittlungen in Anbetracht dessen, dass der elektronische Geschäftsverkehr nicht durch unangemessene Formerfordernisse behindert werden soll, gerecht werden kann. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Buchstaben b und c von Absatz 1 auch auf elektronische Übermittlungen angewandt werden können, da sie sich auf Gepflogenheiten, die zwischen den Parteien entstanden sind bzw. die im internationalen Handel gebräuchlich sind, beziehen.

Problematischer ist die Entscheidung, ob Buchstabe a angewandt werden kann, das heißt ob die vorgeschriebene Schriftform im Falle elektronischer Übermittlungen vorliegt. Es bestand die Auffassung, dass sich eine ausdrückliche Vorschrift empfiehlt, damit jeder Zweifel von vornherein ausgeräumt wird. In Artikel 23 Absatz 2 heißt es daher nun, dass elektronische Übermittlungen der Schriftform gleichgestellt sind, wenn sie „eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen“. Das Kriterium für die Prüfung, ob das Formerfordernis nach Artikel 23 Absatz 1 erfüllt ist, ist daher die Frage, ob es möglich ist, die elektronisch übermittelte Vereinbarung dauerhaft aufzuzeichnen, indem sie ausgedruckt oder auf einem Sicherungsband oder einer Sicherungsdiskette oder auf andere Weise gespeichert wird. Die Arbeitsgruppe stützte sich hier auf die Formerfordernisse für Schiedsvereinbarungen im UNCITRAL-Modellgesetz über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, in dem es heißt, dass eine Vereinbarung, die mündlich, durch Verhalten der Parteien oder auf sonstige Weise geschlossen wurde, als schriftlich gilt, wenn sie in irgendeiner Form aufgezeichnet ist, und dass eine elektronische Übermittlung als schriftlich gilt, wenn die darin enthaltenen Informationen so zur Verfügung stehen, dass sie für eine spätere Bezugnahme verwendet werden können; es folgen dann ausdrückliche Definitionen für die Begriffe „elektronische Übermittlung“ und „Datennachricht“ (123).

Die Vorschrift schließt nur elektronische Übermittlungen aus, die keine dauerhafte Aufzeichnung ermöglichen. Derartige Übermittlungen können daher nicht verwendet werden, um eine Gerichtsstandsvereinbarung zu schließen, die für die Zwecke des Buchstabens a der Form nach gültig ist; sie können aber für die Zwecke der Buchstaben b und c relevant sein, wenn die Anforderungen dieser Bestimmungen erfüllt sind. In Artikel 23 Absatz 2 heißt es lediglich, dass elektronische Übermittlungen als schriftlich gelten, wenn sie „eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen“, auch wenn eine solche dauerhafte Aufzeichnung tatsächlich gar nicht erfolgt ist; das heißt die Aufzeichnung wird nicht als Voraussetzung für die förmliche Gültigkeit oder für das Bestehen der Vereinbarung verlangt, sondern nur, wenn sich der Nachweis, der auf andere Weise natürlich schwer zu erbringen wäre, als erforderlich erweist.

5.   Stillschweigende Vereinbarung über die Zuständigkeit (Artikel 24)

110.

Es liegt eine stillschweigende Vereinbarung über die Zuständigkeit zugunsten eines Gerichts vor, das nicht bereits nach anderen Vorschriften des Übereinkommens zuständig ist, wenn der Kläger dieses Gericht anruft und der Beklagte sich vor ihm einlässt, ohne den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen; diese Bestimmung unterscheidet sich von der Vereinbarung über die Zuständigkeit nach Artikel 23 insofern, als keine Abmachung zwischen den Parteien erforderlich ist, und sie verpflichtet das Gericht nicht, zu prüfen, ob die Vereinbarung, mit der seine Zuständigkeit begründet wird, tatsächlich Gegenstand einer Willenseinigung zwischen den Parteien war, was eindeutig und genau nachzuweisen ist, da der Zweck der in Artikel 23 vorgesehenen Formerfordernisse darin besteht, dass ein Nachweis erbracht wird (124). Artikel 24 gründet die Zuständigkeit allein darauf, dass sich der Beklagte vor dem Gericht, das angerufen wurde, zur Sache einlässt, ohne den Mangel der Zuständigkeit des Gerichts geltend zu machen, so dass es nicht erforderlich ist, nachzuweisen, dass zwischen den Parteien eine Vereinbarung erfolgt ist.

Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe prüfte die Frage, ob die Zuständigkeit nur gegeben ist, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat hat (125), oder auch, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Staat hat, der dem Übereinkommen nicht angehört, hielt es aber nicht für erforderlich, Präzisierungen des Wortlauts vorzunehmen. Obwohl Artikel 24 Satz 1, in dem allgemein auf Fälle Bezug genommen wird, in denen sich die Zuständigkeit eines Gerichts nicht aus dem Übereinkommen ableitet, offensichtlich mehrdeutig ist, führt ein Vergleich der Systeme nach Artikel 23 und nach Artikel 24 zu dem Schluss, dass – wenn der Wohnsitz eines Beklagten nicht in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat liegen muss – die stillschweigende Vereinbarung einer Zuständigkeit einen breiteren Anwendungsbereich haben kann als die ausdrückliche Vereinbarung, bei der mindestens eine der Parteien ihren Wohnsitz in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat haben muss (eine Anforderung, die die Gruppe nicht streichen wollte).

111.

Der Wortlaut von Artikel 24 hat zu Auslegungsschwierigkeiten mit Bezug auf die entsprechende Bestimmung des Brüsseler Übereinkommens geführt, insbesondere was die Möglichkeit, den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen und sich gleichzeitig zur Sache einzulassen, und den Zeitpunkt anbelangt, zu dem der Mangel der Zuständigkeit geltend gemacht werden muss.

Die erste Frage, nämlich ob die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts durch Rüge der fehlenden Zuständigkeit verhindert werden kann, wenn sich der Beklagte auch zur Sache einlässt, geht auf Unterschiede zwischen den Sprachfassungen des Brüsseler Übereinkommens (und später des Lugano-Übereinkommens) zurück: In einigen Sprachfassungen, wie in der englischen und der italienischen Fassung, hieß es, dass die Vorschrift über die stillschweigende Vereinbarung der Zuständigkeit nicht gilt, wenn der Beklagte „sich nur einlässt, um den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen“, und nicht einfach „sich einlässt, um den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen“. Nach dem Recht einiger Staaten müssen alle Einlassungen, einschließlich der Einlassungen zur Sache, beim ersten Verteidigungsvorbringen erfolgen; dadurch wurde es schwierig, die Vorschrift wörtlich anzuwenden, da dies verhindert hätte, dass der Beklagte sich zur Sache einlassen kann, wenn seine Einlassung bezüglich des Mangels der Zuständigkeit zurückgewiesen wurde, und mit dem Schutz der Rechte des Beklagten im Hauptprozess, der zu den mit dem Übereinkommen gewährten Garantien gehört, unvereinbar gewesen wäre.

Der Gerichtshof hat diesen Zweifel ausgeräumt; er hat die Bestimmung dahin gehend ausgelegt, dass die Einlassung des Beklagten vor dem Gericht nicht die Zuständigkeit des Gerichts begründet, wenn der Beklagte nicht nur die fehlende Zuständigkeit rügt, sondern darüber hinaus zur Hauptsache Stellung nimmt (126), und dass ein Beklagter nicht nur den Mangel der Zuständigkeit geltend machen, sondern sich gleichzeitig hilfsweise zur Sache einlassen kann, ohne deshalb die Einrede der Unzuständigkeit zu verlieren (127). Damit jeder weitere Zweifel ausgeräumt und die Auslegung des Gerichtshofs bekräftigt wird, ist der Wortlaut von Artikel 24 in den verschiedenen Sprachfassungen aneinander angeglichen worden, indem das Wort „nur“ gestrichen wurde; damit ist deutlich gemacht worden, dass es ausreicht, dass der Beklagte die fehlende Zuständigkeit rügt, auch wenn er sich gleichzeitig zur Sache einlässt.

112.

Die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt der Mangel der Zuständigkeit geltend gemacht werden muss, um die stillschweigende Zuständigkeit zu verhindern, bestimmt sich nach dem innerstaatlichen Recht des Staates, dessen Gericht angerufen wurde; nach dessen Verfahrensregeln bestimmt sich auch, wie der Begriff der Einlassung auf das Verfahren zu verstehen ist (128). Die Bezugnahme auf innerstaatliches Recht ist hier vom Gerichtshof bestätigt worden, der jedoch eine autonome Auslegung der Bestimmung vorgenommen und festgestellt hat, „dass die Rüge der fehlenden Zuständigkeit, soweit sie nicht vor jedem Vortrag zur Hauptsache vorgebracht wird, keinesfalls mehr nach Abgabe derjenigen Stellungnahme erhoben werden kann, die nach dem innerstaatlichen Prozessrecht als das erste Verteidigungsvorbringen vor dem angerufenen Gericht anzusehen ist.“ (129) Wird die Rüge vor einem Vortrag zur Hauptsache vorgebracht, so bestimmt sich andererseits die Frage des Zeitpunkts, bis zu dem sie vorgebracht werden muss, ausschließlich nach innerstaatlichem Recht.

6.    Prüfung der Zuständigkeit

1.   Ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts (Artikel 25)

113.

Nicht geändert werden musste die Bestimmung, wonach das Gericht eines durch das Übereinkommen gebundenen Staates sich von Amts wegen für unzuständig zu erklären hat, wenn das Gericht eines anderen durch das Übereinkommen gebundenen Staates aufgrund des Artikels 22 ausschließlich zuständig ist (130). Diese Verpflichtung bleibt selbst dann bestehen, wenn der Beklagte sich auf das Verfahren einlässt und den Mangel der Zuständigkeit nicht geltend macht, da ein Verzicht der Parteien auf die ausschließliche Zuständigkeit weder nach Artikel 23 noch nach Artikel 24 möglich ist. Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe hat die Frage erörtert, ob die in der Bestimmung enthaltene Verpflichtung, dass das Gericht sich von Amts wegen für unzuständig zu erklären hat, über die nach Artikel 22 bestehenden ausschließlichen Zuständigkeiten hinaus dahin gehend ausgeweitet werden sollte, dass sie sowohl für eine von den Parteien nach Artikel 23 vereinbarte Zuständigkeit – allerdings nur dann, wenn nach der Gerichtsstandsklausel eine ausschließliche Zuständigkeit besteht – als auch für eine durch eine Schiedsklausel begründete Zuständigkeit gilt. Die Arbeitsgruppe ist zu dem Schluss gelangt, dass keine Ausweitung erfolgen sollte, da Artikel 25 den Fall betrifft, dass die Parteien sich auf das Verfahren eingelassen haben. Eine Nichtanfechtung der Zuständigkeit sollte daher als eine Änderung der Gerichtsstandsklausel nach Artikel 24 betrachtet werden, während eine Anfechtung, wenn das Gericht zustimmt, zu einer Entscheidung des Gerichts führen würde, die nicht von Amts wegen ergeht. Der Fall eines Beklagten, der sich nicht auf das Verfahren einlässt, wurde in Artikel 26 berücksichtigt. Hinsichtlich der Zuständigkeit aufgrund einer Schiedsklausel wurde darauf hingewiesen, dass die Schiedsgerichtsbarkeit nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fällt; eine Prüfung dieses Aspekts durch die Arbeitsgruppe wurde daher nicht für zweckmäßig gehalten.

2.   Nichteinlassung des Beklagten (Artikel 26)

114.

Wie bei Artikel 25 musste auch bei Artikel 26, der die Prüfung der Zuständigkeit im Falle der Nichteinlassung des Beklagten betrifft, keine größere Änderung vorgenommen werden (131). In dieser Bestimmung wird unterschieden zwischen dem Fall, in dem das angerufene Gericht nach dem Abkommen nicht zuständig ist, und dem Fall, in dem es nach dem Abkommen zuständig ist, allerdings aufgrund der Bestimmung in beiden Fällen verpflichtet ist, seine Zuständigkeit anhand des Klagevorbringens des Klägers zu überprüfen (132).

Nach Absatz 1 hat sich das Gericht, wenn es feststellt, dass es für einen Beklagten, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines durch das Übereinkommen gebundenen Staates hat, nicht zuständig ist, von Amts wegen für unzuständig zu erklären, und zwar entweder, weil seine Zuständigkeit nach dem Übereinkommen nicht begründet ist, oder aber, weil die Parteien seine Zuständigkeit mit einer Gerichtsstandsklausel abbedungen und ein anderes Gericht als zuständig bestimmt haben. Anders gesagt: Die Nichteinlassung des Beklagten kann nicht als Anerkennung der Zuständigkeit angesehen werden und auch nicht so ausgelegt werden, als würde sie das Fehlen anderer Zuständigkeitskriterien ausgleichen. Die Tatsache, dass Artikel 24 ein autonomes Zuständigkeitskriterium darstellt, bedeutet, dass das Gericht überprüfen muss, dass alles getan wurde, um den Beklagten gemäß Artikel 26 Absatz 2 von der Klage in Kenntnis zu setzen, um es ihm zu ermöglichen, sich auf das Verfahren einzulassen und die Zuständigkeit des Gerichts anzuerkennen, wenn er dies für zweckmäßig hält.

Der zweite beschriebene Fall ist von größerer Tragweite. Ist das Gericht nach dem Übereinkommen zuständig, muss es ein Versäumnisverfahren durchführen, wenn und soweit das innerstaatliche Recht des Gerichts dies im Fall der Nichteinlassung des Beklagten zulässt. Vor der Fortsetzung der Verhandlung ist das Gericht jedoch nach Artikel 26 Absatz 2 verpflichtet, das Verfahren so lange auszusetzen, bis festgestellt ist, dass es dem Beklagten möglich war, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück so rechtzeitig zu empfangen, dass er sich verteidigen konnte oder dass alle hierzu erforderlichen Maßnahmen getroffen worden sind.

115.

Diese Bestimmung muss auf alle Fälle anwendbar sein, in denen das angerufene Gericht im Sinne des Übereinkommens zuständig ist, und zwar unabhängig davon, ob der Beklagte seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines durch des Übereinkommen gebundenen Staates hat oder nicht (133). Anderenfalls würden Fälle der ausschließlichen Zuständigkeit nicht erfasst, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines nicht dem Übereinkommen angehörenden Staates hätte. Das Erfordernis, dass alle Anstrengungen unternommen werden müssen, um sicherzustellen, dass der Beklagte das verfahrenseinleitende Schriftstück empfangen hat, ist mit der Anerkennung der Entscheidung in den anderen durch das Übereinkommen gebundenen Staaten verknüpft, die nicht vom Wohnsitz des Beklagten im Hauptprozess abhängt, jedoch von der Frage abhängen kann, ob alle Anstrengungen unternommen wurden, um den Beklagten im Voraus von der Erhebung der Klage zu unterrichten (134).

116.

Wurde das verfahrenseinleitende Schriftstück nach dem Haager Übereinkommen vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen übermittelt, tritt – wie im Übereinkommen von 1988 – Artikel 15 des Haager Übereinkommens an die Stelle von Artikel 26 Absatz 2 des Übereinkommens von Lugano (135). Aufgrund des Erlasses der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 vom 29. Mai 2000 (136) und des nachfolgenden Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen (137), das am 19. Oktober 2005 in Brüssel unterzeichnet wurde, ist ein zusätzlicher Absatz in den Text aufgenommen worden; im Verhältnis zwischen den durch die Verordnung oder das Übereinkommen gebundenen Staaten ersetzt dieser neue Absatz die Bezugnahme auf Artikel 15 des Haager Übereinkommens durch eine Bezugnahme auf Artikel 19 der Verordnung, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück nach der Verordnung oder dem Abkommen übermittelt wurde. Es sei darauf hingewiesen, dass die Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 durch die neue Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 (138) ersetzt wurde, die seit dem 13. November 2008 angewendet wird. Gemäß Artikel 25 Absatz 2 der Verordnung gilt die im Übereinkommen von Lugano enthaltene Bezugnahme auf die Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 als Bezugnahme auf die Verordnung (EG) Nr. 1393/2007.

117.

Um den Erfordernissen einer sicheren und schnellen Zustellung zu genügen, wurde beschlossen, die in Artikel IV des Protokolls Nr. 1 zum Übereinkommen von 1988 enthaltene Bestimmung über die Übermittlung von Schriftstücken bestehen zu lassen; die Bestimmung ist nun in Artikel I des Protokolls 1 zum neuen Übereinkommen enthalten. Dieser Bestimmung zufolge sind die Schriftstücke nach den Übereinkünften zu übermitteln, die zwischen den durch das Übereinkommen gebundenen Staaten gelten. Sofern der ersuchte Staat nicht widersprochen hat, kann ein Schriftstück auch von den gerichtlichen Amtspersonen des Staates, in dem es ausgefertigt worden ist, unmittelbar den gerichtlichen Amtspersonen des Staates übersandt werden, in dessen Hoheitsgebiet sich der Empfänger befindet, wobei die Übermittlung an den Empfänger in den Formen vorzunehmen ist, die das Recht des ersuchten Staates vorsieht. Die Übermittlung ist durch eine Bescheinigung festzustellen, die der gerichtlichen Amtsperson des Ursprungsstaats unmittelbar zugesandt wird. Diese Form der Übermittlung entspricht der in Artikel 10 Buchstabe b des Haager Übereinkommens vom 15. November 1965 getroffenen Festlegung.

Artikel I des Protokolls 1 enthält eine neue Bestimmung, wonach die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, die durch die Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 (139) oder durch das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark vom 19. Oktober 2005 gebunden sind, in ihrem Verhältnis untereinander Schriftstücke nach den in der Verordnung oder dem Abkommen festgelegten Verfahren zu übermitteln haben, wobei der unmittelbaren Übermittlung (140) Vorrang eingeräumt wird, andere Arten der Übermittlung (141) jedoch nicht ausgeschlossen werden.

7.    Rechtshängigkeit und im Zusammenhang stehende Verfahren

1.   Rechtshängigkeit (Artikel 27, 29 und 30)

118.

Aufgrund des Umstands, dass alternative Gerichtsstände für die durch das Übereinkommen geregelten Streitigkeiten zur Verfügung stehen, ist es möglich, dass die Gerichte verschiedener durch das Übereinkommen gebundener Staaten mit ein und derselben Rechtssache befasst werden, wobei die Gefahr besteht, dass einander widersprechende Entscheidungen ergehen. Damit das ordnungsgemäße Funktionieren des Justizsystems in einem gemeinsamen Rechtsraum gewährleistet ist, sollte diese Gefahr auf ein Minimum reduziert werden, indem – wann immer möglich – vermieden wird, dass gleichzeitig in verschiedenen Staaten parallele Verfahren geführt werden. Die Verfasser des Übereinkommens von 1988 – und auch des zuvor geschlossenen Brüsseler Übereinkommens – wollten eine klare und wirksame Regelung zur Klärung von Fragen der Rechtshängigkeit und der im Zusammenhang stehenden Verfahren festlegen; hierbei mussten sie den erheblichen Unterschieden zwischen den innerstaatlichen Rechtsvorschriften der einzelnen Staaten Rechnung tragen: So ziehen bestimmte Staaten die Reihenfolge der Klageerhebung in Betracht, während andere die forum-non-conveniens-Regel anwenden. Das Übereinkommen von 1988 enthielt keine Bezugnahme auf die forum-non-conveniens-Regel, sondern beruhte auf dem Kriterium der vorrangigen Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts. Danach musste ein später angerufenes Gericht das Verfahren aussetzen, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststand; sobald dessen Zuständigkeit feststand, hatte sich das später angerufene Gericht zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts für unzuständig zu erklären.

Diese Regelung erwies sich als besser als die ursprüngliche Regelung des Brüsseler Übereinkommens, wonach das später angerufene Gericht das Verfahren nur dann auszusetzen hatte, wenn die Zuständigkeit des anderen Gerichts angefochten wurde, und sich anderenfalls unverzüglich für unzuständig erklären musste, wodurch die Gefahr bestand, dass vermehrt negative Kompetenzkonflikte auftreten (142); gleichwohl warf auch die neue Lösung eine Reihe von Problemen auf. Insbesondere war es aufgrund der gewählten Formulierung gemäß ihrer Auslegung durch den Gerichtshof nicht möglich, die Rechtshängigkeit als autonomen Begriff zu definieren, der alle in Frage stehenden Aspekte abdeckt. Einerseits enthielt die Vorschrift mehrere wesentliche Bedingungen als Bestandteile einer Definition des Begriffs „Rechtshängigkeit“ – zum Beispiel, dass an den gleichzeitig anhängigen Verfahren dieselben Parteien beteiligt sein müssen, dass derselbe Anspruch geltend gemacht wird und dass derselbe Streitgegenstand vorliegt –, so dass der Gerichtshof zu der Feststellung gelangen konnte, dass die zur Umschreibung der Rechtshängigkeit verwendeten Begriffe als autonom verstanden werden müssen (143). Andererseits enthielt die Vorschrift jedoch keine autonome und einheitliche Regelung dahingehend, wie zu bestimmen ist, welches Gericht früher angerufen wurde, d.h. zu welchem Zeitpunkt eine Klage als vor dem Gericht anhängig zu betrachten ist (144). Unter Hinweis auf das Fehlen einer autonomen Begriffsbestimmung hat der Gerichtshof die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsstreit als rechtshängig gilt, nach dem nationalen Recht eines jeden Gerichts zu beurteilen sind (145).

Der Verweis auf nationales Recht zum Zwecke der Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem ein Gericht als angerufen gilt, hat unter anderem zur Folge, dass diese Frage je nachdem, welches Gericht angerufen wurde, auf sehr unterschiedliche Weise entschieden wird. Die Rechtsvorschriften der durch das Übereinkommen gebundenen Staaten weichen diesbezüglich erheblich voneinander ab, zuweilen sogar in Bezug auf unterschiedliche Arten von Verfahren im Rahmen der innerstaatlichen Rechtsordnungen. Selbst wenn man sich auf den Fall einer gewöhnlichen Klage beschränkt, gilt ein Gericht in einigen Ländern wie Italien oder den Niederlanden für die Zwecke der Rechtshängigkeit dann als angerufen, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück dem Beklagten durch einen Gerichtsvollzieher zugestellt wird. In diesen Ländern wird das verfahrenseinleitende Schriftstück zunächst dem Beklagten und erst dann dem Gericht zugestellt. In anderen Ländern hingegen tritt die Rechtshängigkeit dann ein, wenn die Klage bei dem zuständigen Gericht eingereicht wird; dies ist der Fall in Dänemark, Spanien, Irland, Finnland, Norwegen, den meisten Kantonen der Schweiz (146) und in Schweden. Gleiches gilt für Frankreich und Luxemburg, allerdings mit der Ausnahme, dass das verfahrenseinleitende Schriftstück dort dem Beklagten zugestellt wird, bevor die Rechtssache in das Register des Gerichts eingetragen wird; der maßgebliche Zeitpunkt ist hier nicht die Einreichung bei Gericht, sondern der Tag, an dem das betreffende Schriftstück dem Beklagten zugestellt wird. In einigen anderen Ländern schließlich müssen die Eintragung der Rechtssache in das Register des Gerichts und die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks an den Beklagten erfolgt sein, bevor die Rechtshängigkeit eintritt. Dies ist der Fall in Österreich, Belgien, Deutschland, Griechenland (147), Portugal und dem Vereinigten Königreich.

Noch komplizierter wird die Lage, wenn der Eintritt der Rechtshängigkeit davon abhängt, wann der Beklagte über die Klage unterrichtet wurde, da dieser Zeitpunkt je nach Staat unterschiedlich ist und auch von dem angewandten Verfahren abhängen kann. In diesem Zusammenhang ist die Gemeinschaftsverordnung über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke (148) zu berücksichtigen, deren Artikel 9 – entsprechend den Bestimmungen des europäischen Übereinkommens zum gleichen Gegenstand (149) – gemeinsame Vorschriften über das Datum der Zustellung vorsieht, wonach für das Datum der Zustellung eines Schriftstücks das Recht des Empfangsmitgliedstaats maßgeblich ist; hat jedoch die Zustellung eines Schriftstücks im Rahmen eines im Übermittlungsmitgliedstaat einzuleitenden oder anhängigen Verfahrens innerhalb einer bestimmten Frist zu erfolgen, so ist im Verhältnis zum Antragsteller als Datum der Zustellung der Tag maßgeblich, der sich aus dem Recht dieses Mitgliedstaats ergibt, es sei denn, der betreffende Staat hat erklärt, dass er die Bestimmung nicht anwenden wird.

119.

Diese Unterschiede in innerstaatlichen Rechtsvorschriften können gravierende Probleme aufwerfen, und zwar nicht nur deshalb, weil sie das „forum shopping“ begünstigen, das sich angesichts des Bestehens konkurrierender Zuständigkeiten nicht immer verhindern lässt, oder weil sie einen Wettlauf zu den Gerichten fördern können, was in gewissem Maße darauf zurückzuführen ist, dass Artikel 27 dem zuerst angerufenen Gericht Vorrang einräumt (150), sondern auch deshalb, weil sie Parallelklagen vor den Gerichten verschiedener durch das das Übereinkommen gebundener Staaten fördern, die es einem Beklagten in manchen Fällen gestatten, eine Klage zu erheben, die auf denselben Anspruch wie die gegen ihn erhobene Klage gestützt ist, und so dafür zu sorgen, dass seine eigene Klage nach dem Recht des damit befassten Gerichts Vorrang erhält.

Um derartige Situationen zu vermeiden, wurde in dem neuen Übereinkommen eine autonome Begriffsbestimmung für den Zeitpunkt, zu dem ein Gericht für die Zwecke der Rechtshängigkeit als angerufen gilt, festgelegt; sie berücksichtigt die Unterschiede zwischen den Rechtsvorschriften der verschiedenen Staaten und verweist zur Regelung bestimmter Aspekte bis zu einem gewissen Maße, jedoch restriktiver als in der früheren Regelung, auf die innerstaatlichen Verfahrensvorschriften. In Artikel 30 werden ausdrücklich die beiden Hauptkriterien genannt, die von den durch das Übereinkommen gebundenen Staaten angewendet werden, um zu bestimmen, wann ein Gericht als angerufen gilt, nämlich der Zeitpunkt, zu dem das verfahrenseinleitende Schriftstück dem Beklagten zugestellt worden ist, und der Zeitpunkt, zu dem die Klage bei Gericht eingereicht worden ist; die Regelung ist zudem so angelegt, dass der anhand dieser Kriterien festgelegte Zeitpunkt den unterschiedlichen Systemen Rechnung trägt, gleichzeitig aber eine möglichst hohe Übereinstimmung gewährleistet.

Die Vorschrift unterscheidet zwischen Fällen, in denen nach innerstaatlichem Recht das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück bei Gericht eingereicht worden ist, und Fällen, in denen die Zustellung an den Beklagten vor Einreichung des Schriftstücks bei Gericht zu bewirken ist. Wird der Zeitpunkt, zu dem das Gericht als angerufen gilt, durch die Einreichung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks bei Gericht bestimmt, so gilt das Gericht zu diesem Zeitpunkt als angerufen, vorausgesetzt, dass der Kläger es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um die Zustellung des Schriftstücks an den Beklagten zu bewirken; wird hingegen der Zeitpunkt, zu dem das Gericht als angerufen gilt, durch die Zustellung an den Beklagten bestimmt, so gilt das Gericht als angerufen, wenn die für die Zustellung verantwortliche Stelle das verfahrenseinleitende Schriftstück erhält, vorausgesetzt, dass der Kläger es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um das Schriftstück bei Gericht einzureichen.

Die Lösung erscheint kompliziert, allerdings nur deswegen, weil sie eine zusätzliche Prüfung erfordert, die über die üblichen Erfordernisse nach innerstaatlichem Recht hinausgeht. Sie ermöglicht die Ermittlung eines Zeitpunkts, zu dem das Gericht als angerufen gilt, der eine weitgehende Übereinstimmung gewährleistet, gleichzeitig jedoch den innerstaatlichen Verfahrensordnungen, in denen recht unterschiedliche und weit auseinanderliegende Zeitpunkte festgelegt sind, entspricht und mit diesen in Einklang steht. Wird der Zeitpunkt, zu dem das Gericht als angerufen gilt, durch die Zustellung des Schriftstücks an den Beklagten bestimmt, bietet die gewählte Lösung auch die notwendige Rechtssicherheit, indem die schwierige Bestimmung des Zustellungszeitpunkts vermieden wird, der sich häufig nur schwer ermitteln lässt, wenn das Schriftstück dem Empfänger nicht persönlich zugestellt wird (151). In jedem Fall wird die Vorschrift für beide Parteien die Vor- oder Nachteile verringern, die sich aus dem alleinigen Verweis auf innerstaatliches Recht ergeben könnten.

120.

In Artikel 29 des Übereinkommens wurde unverändert die Bestimmung übernommen, die den seltenen Fall regelt (152), dass für Klagen, zwischen denen Rechtshängigkeit besteht, die ausschließliche Zuständigkeit verschiedener Gerichte gegeben ist; in diesem Fall hat sich das später angerufene Gericht zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts für unzuständig zu erklären. Auch hier ist anhand der in Artikel 30 festgelegten Kriterien zu bestimmen, welches Gericht zuerst angerufen wurde. Anders als in Artikel 25 wird in Artikel 29 keine Rechtsgrundlage für die ausschließliche Zuständigkeit genannt, aufgrund deren das Gericht sich zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts für unzuständig erklären könnte. Die Vorschrift gilt daher auch, wenn die ausschließliche Zuständigkeit durch eine Gerichtsstandsklausel im Sinne von Artikel 23 begründet wird, allerdings nur dann, wenn sie mit der einem anderen Gericht aufgrund desselben Artikels übertragenen ausschließlichen Zuständigkeit konkurriert (153). Konkurriert hingegen die ausschließliche Zuständigkeit nach Artikel 23 mit einer anderen, auf Artikel 22 beruhenden ausschließlichen Zuständigkeit, so hat Letztere ungeachtet des Zeitpunkts, zu dem das Gericht als angerufen gilt, aufgrund von Artikel 25 Vorrang.

Nicht durch die Bestimmung über Rechtshängigkeit geregelt ist der Fall, in dem nur das später angerufene Gericht ausschließlich zuständig ist, weil in diesem Fall das andere Gericht weiterhin verpflichtet ist, sich nach Artikel 25 des Übereinkommens von Amts wegen für unzuständig zu erklären, und zwar ungeachtet des Zeitpunkts seiner Befassung.

2.   Im Zusammenhang stehende Verfahren (Artikel 28)

121.

Die Bestimmung über im Zusammenhang stehende Verfahren ist ein wichtiger Aspekt bei der Koordinierung der Zuständigkeit in den durch das Übereinkommen gebundenen Staaten. Ist zwischen mehreren nicht identischen Klagen eine so enge Beziehung gegeben, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass widersprechende Entscheidungen ergehen könnten, die von den betreffenden Staaten nicht gegenseitig anerkannt würden, sieht das Übereinkommen eine Koordinierung der Verfahren der Gerichte der verschiedenen Staaten vor, bei denen diese Klagen anhängig sind. In Artikel 28 wird der Zusammenhang zwischen den Klagen nicht zu einem allgemeinen Zuständigkeitskriterium erhoben, wie es in einigen nationalen Rechtsordnungen der Fall ist, und insbesondere wird nicht die Zuständigkeit eines Gerichts, bei dem eine Klage anhängig ist, mit der es gemäß dem Übereinkommens befasst wurde, zur Entscheidung über eine andere Klage, die mit der anhängigen Klage im Zusammenhang steht, begründet (154); vielmehr werden in Artikel 28 Verfahrensweisen festgelegt, die die Behandlung zusammenhängender Rechtssachen in einem einzigen Verfahren oder in koordinierten Verfahren erleichtern sollen.

122.

Sind die Kriterien nach Artikel 28 Absatz 3 erfüllt, so ist ein später angerufenes Gericht daher berechtigt – jedoch nicht verpflichtet –, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des zuerst angerufenen Gerichts abzuwarten, bevor es in der Rechtssache, mit der es befasst ist, entscheidet. Nach dem neuen Wortlaut von Artikel 28 Absatz 1 ist es im Gegensatz zur bisherigen Fassung nicht mehr erforderlich, dass die im Zusammenhang stehenden Klagen im ersten Rechtszug anhängig sind. Die für dieses Erfordernis genannte Begründung, nämlich dass „andernfalls der Gegenstand des Rechtsstreits nicht derselbe und weil zu befürchten wäre, dass eine Partei eines Rechtszugs verlustig ginge“ (155), erscheint nicht überzeugend. Die Aussetzung des Verfahrens durch das später angerufene Gericht berührt in keiner Weise das Verfahren vor diesem Gericht, dem es frei steht, das Verfahren fortzuführen, sobald das Verfahren über die im Zusammenhang stehenden Klage vor dem ausländischen Gericht abgeschlossen ist. Dies ist auch der geeignete Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob die ausländische Entscheidung die durch das Übereinkommen garantierten Rechte des Beklagten gewahrt hat und für die Zwecke des Verfahrens vor dem später angerufenen Gericht berücksichtigt werden kann.

Dennoch ist das Erfordernis, dass beide Verfahren in erster Instanz anhängig sein müssen, von wesentlicher Bedeutung (weshalb es aufrechterhalten und in Artikel 28 Absatz 2 speziell angeführt wurde), wenn das später angerufene Gericht beschließt – auch hier handelt es sich um ein Recht, nicht um eine Verpflichtung –, den Fall abzulehnen, indem es sich zugunsten des zuerst mit der Klage befassten Gerichts für unzuständig erklärt. Anderenfalls – und zwar dann, wenn die Rechtssache vor dem zuerst angerufenen Gericht in der Rechtsmittelinstanz verhandelt würde – wäre es in der Tat so, dass eine Partei eines Rechtszugs verlustig ginge. Wäre hingegen die Rechtssache vor dem später angerufenen Gericht in der Rechtsmittelinstanz anhängig, so wäre es aus Gründen der Prozessökonomie nicht sinnvoll, wenn dieses Gericht sich zugunsten einer neuen Verhandlung in erster Instanz für unzuständig erklärte.

Ohnehin kann sich das später angerufene Gericht nur dann für unzuständig erklären, wenn eine Partei dies beantragt, wenn das zuerst angerufene Gericht für die betreffenden Klagen zuständig ist und wenn die Verbindung der Klagen nach dem Recht dieses Gerichts zulässig ist. Der in der Bestimmung verwendete Ausdruck – „Verbindung der Klagen“, d.h. „der im Zusammenhang stehenden Klagen“ und nicht „Verbindung im Zusammenhang stehender Verfahren“ wie im Übereinkommen von 1988 – bedeutet, dass nach dem Recht des zuerst angerufenen Gerichts die Verbindung der in dem betreffenden Fall im Zusammenhang stehenden Klagen zulässig sein muss und nicht die Verbindung von Klagen im Allgemeinen. Bevor sich ein Gericht für unzuständig erklärt, muss es sich daher vergewissert haben, dass sich das andere Gericht für zuständig erklärt.

123.

Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe hat die Frage erörtert, ob Artikel 28 insofern flexibler gestaltet werden sollte, als dem zuerst angerufenen Gericht das Recht eingeräumt wird, sich zugunsten des später angerufenen Gerichts für unzuständig zu erklären, wenn die Umstände des Falles dies angezeigt erscheinen lassen; sie hat sich jedoch dagegen entschieden. Mit der Einräumung dieses Rechts wäre eine weitere Anwendung der Lehre vom forum non conveniens, die der Rechtstradition der meisten durch das Übereinkommen gebundenen Staaten fremd ist, in das Übereinkommen aufgenommen worden.

8.    Einstweilige Maßnahmen einschließlich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind

124.

In der Vorschrift über einstweilige und auf eine Sicherung gerichtete Maßnahmen im neuen Übereinkommen wurden nur formale Änderungen gegenüber der Fassung von 1988 vorgenommen (siehe Jenard-Bericht, S.42, Schlosser-Bericht, Nummer 183, und Jenard/Möller-Bericht, Nummer 65). In seiner prägnanten Formulierung besagt Artikel 31 lediglich, dass derartige Maßnahmen, wenn sie im Recht eines durch das Übereinkommen gebundenen Staates vorgesehen sind, bei den Gerichten dieses Staates auch dann beantragt werden können, wenn für die Entscheidung in der Hauptsache das Gericht eines anderen durch das Übereinkommen gebundenen Staates aufgrund des Übereinkommens zuständig ist. Nach dem Jenard-Bericht impliziert die entsprechende Vorschrift im Brüsseler Übereinkommen (Artikel 24), dass die zuständigen Behörden „ohne Rücksicht auf die Zuständigkeitsregeln des Übereinkommens“ entscheiden. Die Bestimmung ist demnach ein bloßer Verweis auf die innerstaatlichen Rechtsvorschriften des angerufenen Gerichts anzusehen, das sowohl in Bezug auf die Festlegung der anzuordnenden Maßnahmen als auch in Bezug auf seine eigene Befugnis, die Maßnahmen anzuordnen, sein Recht anwendet.

125.

Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe hat ausgehend von verschiedenen Vorschlägen der Kommission und der Delegationen nationaler Experten sehr eingehend die Frage erörtert, ob die Vorschrift des Übereinkommens als zufriedenstellend anzusehen ist. Bei den Beratungen stand insbesondere die Frage im Mittelpunkt, ob eine einheitliche Definition für den Ausdruck „einstweilige Maßnahmen einschließlich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind“, worunter auch die als „référé-Verfahren“ bekannte französische Maßnahme gefasst werden kann, festgelegt werden sollte. Mangels einer ausdrücklichen Definition im Übereinkommen hat der Gerichtshof festgestellt, dass unter „einstweiligen Maßnahmen einschließlich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind“ Maßnahmen zu verstehen sind, die „eine Sach- oder Rechtslage erhalten sollen, um Rechte zu sichern, deren Anerkennung im übrigen bei dem in der Hauptsache zuständigen Gericht beantragt wird“ (156). Es hat sich jedoch erwiesen, dass eine solche Anknüpfung an das Verfahren in der Hauptsache nicht in jedem Fall zu befriedigenden Ergebnissen führte: Wenn eine Maßnahme, die auf eine Sicherung gerichtet ist, ohne Rücksicht auf das Ergebnis des Verfahrens in der Hauptsache vorab vollstreckt wird, könnten die in dem Übereinkommen vorgesehenen Regeln über die Zuständigkeit für Klagen in der Hauptsache in der Praxis umgangen werden. Es wurde daher das Argument angeführt, dass die Anordnung vollstreckbarer Maßnahmen gegebenenfalls Einschränkungen unterliegen sollte, beispielsweise dem Erfordernis der Dringlichkeit oder einem Schutzbedürfnis. Ferner wurde argumentiert, dass der Wortlaut geändert werden sollte, damit verdeutlicht wird, dass vorläufige Mahnbescheide nicht in den Anwendungsbereich der spezifischen Vorschrift des Übereinkommens fallen und nur von dem Gericht erlassen werden können, das in der Hauptsache zuständig ist; anderenfalls würden die Zuständigkeitsregeln des Übereinkommens untergraben und der Fall entschieden, bevor eine ordnungsgemäße Verhandlung stattgefunden hat.

Es wurde daher vorgeschlagen, dass Artikel 31 nicht als Verweis auf die lex fori auszulegen ist, sondern als eine materiellrechtliche Bestimmung, deren Anwendungsbereich auf Maßnahmen beschränkt ist, die in dem Staat, in dem sie beantragt werden, tatsächlich vollstreckt werden können, ohne dass es eines weiteren Vollstreckungsverfahrens bedarf (157). Das Gericht des Staates, in dem eine Maßnahme vollstreckt werden soll, sollte für die Anordnung der Maßnahme ausschließlich zuständig sein. Zugunsten der Zuständigkeit des Gerichts des Staates, in dem die Maßnahme vollstreckt werden kann und muss, wurde ausgeführt, dass dann, wenn die Festlegung der Art solcher Maßnahmen und der Umstände, unter denen sie angeordnet werden können, dem innerstaatlichen Recht überlassen wäre, die Möglichkeit der Begründung exorbitanter Zuständigkeiten, der durch das Übereinkommen begegnet werden soll, eröffnet würde.

126.

Bevor die Beratungen der Ad-hoc-Arbeitsgruppe zum Abschluss kamen, wurden diese Fragen in einem Urteil des Gerichtshofs behandelt, das verschiedene Aspekte des Themenbereichs berührte (158). Der Gerichtshof befand, dass das Gericht, das nach dem Übereinkommen für die Entscheidung eines Rechtsstreits in der Hauptsache zuständig ist, auch für die Anordnung einstweiliger oder sichernder Maßnahmen zuständig ist, ohne dass diese Zuständigkeit von weiteren Voraussetzungen abhängt (159). Die einschlägige Bestimmung des Übereinkommens enthält eine weitere Zuständigkeitsregel, wonach ein Gericht einstweilige oder sichernde Maßnahmen, die in dem Recht des Staates des angerufenen Gerichts vorgesehen sind, auch dann anordnen kann, wenn es für die Entscheidung in der Hauptsache nicht zuständig ist, sofern der Streitgegenstand in den sachlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens fällt (160). Die Tatsache allein, dass bei einem Gericht eines durch das Übereinkommen gebundenen Staates ein Hauptsacheverfahren anhängig ist oder werden kann, nimmt dem Gericht eines anderen durch das Übereinkommen gebundenen Staates somit nicht seine Zuständigkeit (161). Eine solche Zuständigkeit hängt nicht von der Zuständigkeitsregel nach dem Übereinkommen ab und kann auch auf eine der exorbitanten Zuständigkeitsregeln, die in Artikel 3 des Übereinkommens aufgeführt sind, gestützt werden. Was die Voraussetzungen für die Anordnung einstweiliger oder sichernder Maßnahmen im Sinne der einschlägigen Bestimmung des Übereinkommens anbelangt, so setzt die Anordnung solcher Maßnahmen insbesondere voraus, dass zwischen dem Gegenstand der beantragten Maßnahmen und der gebietsbezogenen Zuständigkeit des Staats des angerufenen Gerichts eine reale Verknüpfung besteht (162).

Die Definition einstweiliger und sichernder Maßnahmen hängt vom innerstaatlichen Recht des Gerichts ab, aber das innerstaatliche Recht ist so auszulegen, dass dem Ansatz des Gerichtshofs gefolgt wird, wonach unter solchen Maßnahmen, wie bereits erläutert wurde, Maßnahmen zu verstehen sind, die eine Sach- oder Rechtslage erhalten sollen, um Rechte zu sichern, deren Anerkennung bei dem in der Hauptsache zuständigen Gericht beantragt wird. Im Lichte dieses Ansatzes kann eine Maßnahme, mit der die vorläufige Erbringung einer vertraglichen Hauptleistung angeordnet wird, ihrem Wesen nach die Entscheidung des in der Hauptsache zuständigen Gerichts vorwegnehmen und stellt nur dann eine einstweilige Maßnahme im Sinne der Bestimmung des Übereinkommens dar, wenn erstens die Rückzahlung des zugesprochenen Betrages an den Antragsgegner in dem Fall, dass der Antragsteller nicht in der Hauptsache obsiegt, gewährleistet ist und wenn zweitens die beantragte Maßnahme nur bestimmte Vermögensgegenstände des Antragsgegners betrifft, die sich im örtlichen Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts befinden oder befinden müssten (163).

127.

Unter Berücksichtigung dieses Urteils des Gerichtshofs hat die Ad-hoc-Arbeitsgruppe die Frage erörtert, ob die in dem Urteil enthaltenen Grundsätze in Artikel 31 kodifiziert werden müssten; sie ist zu dem Schluss gelangt, dass dies nicht der Fall ist, unter anderem aufgrund der weiteren Klärung, der sie im Falle der Aufnahme in einen Rechtsetzungstext bedürften, insbesondere hinsichtlich der Art der Verknüpfung zwischen dem Gegenstand der Maßnahme und der gebietsbezogenen Zuständigkeit des Gerichts, die in dem Urteil ausschließlich in Bezug auf den konkreten Fall, der Gegenstand der Rechtssache war, bestimmt wurde.

Ein weiteres Problem betrifft die Anerkennung von im Rahmen des Artikels 31 angeordneten Maßnahmen durch die anderen durch das Übereinkommen gebundenen Staaten. Maßnahmen, die von dem Gericht angeordnet wurden, das nach dem Übereinkommen in der Hauptsache zuständig ist, müssen nach Titel III des Übereinkommens zweifellos anerkannt werden, aber es scheint selbstverständlich, dass die aufgrund der Zuständigkeit nach Artikel 31 erlassenen Entscheidungen grundsätzlich nicht zur Anerkennung und Vollstreckung im Ausland führen sollten. Auch hier hat es die Ad-hoc-Arbeitsgruppe vorgezogen, keine ausdrücklichen Bestimmungen in das Übereinkommen aufzunehmen.

KAPITEL IV

ANERKENNUNG UND VOLLSTRECKUNG

1.    Allgemeines

128.

Die Vereinfachung der Verfahren für die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen, die in den Anwendungsbereich des Lugano-Übereinkommens fallen, ist ein grundlegender Aspekt des Übereinkommens, ebenso wie des Brüsseler Übereinkommens, bei dem sie erklärtermaßen oberstes Ziel war. Mit Titel III soll ein Verfahren festgelegt werden, das die Freizügigkeit von Entscheidungen so weit wie möglich herstellt und die bestehenden Hindernisse weiter abbaut, wobei allerdings die Regeln für die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen im Brüsseler Übereinkommen von 1968 bereits als äußerst liberal betrachtet werden können (164).

Es steht außer Zweifel, dass in einem einheitlichen Rechtsraum, wie ihn der EG-Vertrag fordert und der sich so gut für die Ausweitung auf die EFTA-Staaten nach dem Lugano-Übereinkommen eignet, die Freizügigkeit von Entscheidungen erreicht würde, indem jedes Exequaturverfahren in durch das Übereinkommen gebundenen Staaten für Entscheidungen aus anderen durch das Übereinkommen gebundenen Staaten abgeschafft würde, so dass solche Entscheidungen unmittelbar vollstreckt werden könnten, ohne dass eine Prüfung erforderlich wäre. Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe hat diese Option sorgfältig geprüft, hat jedoch entschieden, dass sie in Anbetracht der nationalen Hoheitsrechte, die für die Staaten Europas noch immer charakteristisch sind, verfrüht wäre; ein wichtiger Bestandteil dieser Hoheitsrechte ist die Rechtspflege, zumindest was den großen Bereich der Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen betrifft (165).

Die Änderungen an den Vorschriften über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen basieren jedoch auf der Auffassung, dass die Rolle der Behörden des Vollstreckungsstaats noch weiter eingeschränkt und die Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung auf kaum mehr als eine reine Formalität reduziert werden kann. Dieses Fazit wird auch durch eine Prüfung der nationalen Rechtsprechung zu den genannten Übereinkommen untermauert, die zeigt, dass Rechtsbehelfe gegen Vollstreckbarerklärungen im Rahmen des Brüsseler Übereinkommens und des Lugano-Übereinkommens so selten vorkommen, dass sie beinahe zu vernachlässigen sind.

129.

Titel III des Übereinkommens stützt sich daher auf das Prinzip, dass die Vollstreckbarerklärung in gewissem Maße automatisch erfolgen muss und allein einer Formprüfung unterliegt, wobei in diesem ersten Abschnitt des Verfahrens keine Prüfung der Gründe für die Versagung der Anerkennung nach dem Übereinkommen durchgeführt wird. Es wird somit in dieser Phase darauf vertraut, dass der Ursprungsstaat ordnungsgemäß gehandelt hat, ein Konzept, das auch in anderen Bereichen der Vorschriften, die den europäischen Binnenmarkt regeln, seinen Ausdruck findet. Eine Prüfung der Gründe für eine Versagung der Anerkennung erfolgt erst im zweiten Abschnitt des Verfahrens, in dem eine Partei, gegen die eine Vollstreckbarerklärung ergangen ist und die einen Rechtsbehelf dagegen einlegt, darlegen muss, dass solche Gründe vorliegen. Diese Vereinfachung des Verfahrens für die Vollstreckbarerklärung geht mit einer Revision der Versagungsgründe einher, die im Vergleich zum Übereinkommen von 1988 eingeengt werden, ohne dass jedoch der Grundsatz aufgeweicht wird, dass das Verfahren im Ursprungsstaat den Anforderungen an einen fairen Prozess und die Rechte der Verteidigung gerecht werden muss.

130.

Was die anzuerkennenden und zu vollstreckenden Entscheidungen anbelangt, so wurden Änderungen nicht für erforderlich gehalten, und Artikel 32 gibt die entsprechende Bestimmung des Übereinkommens von 1988 wieder (166). Demnach ist unter „Entscheidung“ jede Entscheidung eines Gerichts ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung zu verstehen, wozu auch Kostenfestsetzungsbeschlüsse eines Urkundsbeamten gehören, wie sie in einigen europäischen Rechtssystemen ergehen. Es sei darauf hingewiesen, dass die weit gefasste Definition von „Gericht“ in Artikel 62 bedeutet, dass Artikel 32 hinsichtlich der Einstufung der Behörde, die die zur Anerkennung und Vollstreckung vorgelegte Entscheidung erlassen hat, ebenso weit gefasst auszulegen ist. Die Definition erfasst daher Entscheidungen eines Gerichts oder eines Organs oder einer Person, das bzw. die eine gerichtliche Funktion ausübt, wie es bei Mahnbescheiden eines Urkundsbeamten der Fall ist, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Person, die die Entscheidung erlässt, formal als „Richter“ bezeichnet wird. Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe hat es nicht für erforderlich gehalten, Artikel 32 zu ändern, um eine weit gefasste Auslegung zu erlauben, mit der der steigenden Zahl innerstaatlicher Verfahren, die auf das Bestreben zurückgehen, Gerichtsverfahren zu beschleunigen, Rechnung getragen würde.

Einstweilige Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen fallen ebenfalls unter die Definition von „Entscheidungen“, wenn sie von einem Gericht angeordnet werden, sofern im Ursprungsstaat zunächst beiden Parteien Gelegenheit gegeben wurde, gehört zu werden. Der Gerichtshof hat entschieden, dass aufgrund der dem Beklagten im Urteilsverfahren eingeräumten Garantien das Übereinkommen die Anerkennung und Vollstreckung großzügig handhabt, so dass die Voraussetzungen nach Titel III hinsichtlich der von einem Richter angeordneten oder zugelassenen einstweiligen oder auf eine Sicherung gerichteten Maßnahmen nicht erfüllt sind, wenn die Gegenpartei nicht geladen worden ist oder wenn die Vollstreckung der Entscheidung ohne vorherige Zustellung an diese Partei erfolgen soll (167).

Schließlich sei darauf hingewiesen, dass zu Entscheidungen nach Titel III die Urteile des Gerichtshofs oder anderer Gerichte der Europäischen Gemeinschaft gehören (168), da – wie weiter oben erläutert – der Ausdruck „durch das Übereinkommen gebundener Staat“ gemäß Artikel 1 Absatz 3 auch die Europäische Gemeinschaft bezeichnen kann.

2.    Anerkennung

131.

Die Struktur des Abschnitts über die Anerkennung von Entscheidungen als Hauptgegenstand eines Streits oder inzident in einem Rechtsstreit vor einem Gericht eines durch das Übereinkommen gebundenen Staates ist im Vergleich zum Übereinkommen von 1988 nicht verändert worden (Artikel 33; siehe Jenard-Bericht, S. 43-44). Hier ist des Weiteren lediglich darauf hinzuweisen, dass die Vorschriften des Abschnitts über die Anerkennung gemäß der Präzisierung in Artikel 1 Absatz 3 auch für die Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften gelten, wenn sich die Frage ihrer Anerkennung in Staaten, die nicht der Europäischen Gemeinschaft angehören, stellt. Die einzigen Änderungen, die vorgenommen wurden, um die Prüfung ausländischer Urteile weiter einzuschränken, sind diejenigen Änderungen, die die Gründe der Versagung der Anerkennung betreffen.

1.   Öffentliche Ordnung (ordre public) (Artikel 34 Nummer 1)

132.

Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, dass die Bezugnahme auf die öffentliche Ordnung (ordre public) des Staates, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, als Versagungsgrund gestrichen wird, da sie nur sehr selten in Entscheidungen nationaler Gerichte zum Brüsseler Übereinkommen und zum Lugano-Übereinkommen geltend gemacht wurde und der Gerichtshof nie ersucht wurde, ihren Anwendungsbereich zu klären. Trotz eines gewissen Zuspruchs fand dieser Vorschlag in der Ad-hoc-Arbeitsgruppe nicht genügend Rückhalt; es wurde der Einwand erhoben, dass der Staat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, imstande sein muss, seine grundlegenden Interessen zu schützen, indem er einen Grundsatz wie den Grundsatz der öffentlichen Ordnung (ordre public) geltend macht, auch wenn dies nur selten geschieht. Um den Ausnahmecharakter dieses Versagungsgrunds hervorzuheben, heißt es in der Bestimmung nun, dass die Anerkennung nur versagt werden kann, wenn sie der öffentlichen Ordnung (ordre public) „offensichtlich“ widersprechen würde.

133.

Der Begriff der öffentlichen Ordnung (ordre public) wird in erster Linie durch das innerstaatliche Recht des Staates, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, definiert. Der Gerichtshof hat jedoch erklärt, dass er dafür zuständig ist, über die Grenzen zu wachen, innerhalb deren sich das Gericht eines Vertragsstaats auf diesen Begriff stützen darf, um der Entscheidung eines Gerichts eines anderen Vertragsstaats die Anerkennung zu versagen, und hat entschieden, dass die Anwendung der Ordre-Public-Klausel des Artikels 34 Nummer 1 des Übereinkommens nur dann in Betracht kommt, wenn die Anerkennung gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz verstieße und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats stünde; bei dem Verstoß muss es sich um eine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats als wesentlich geltenden Rechtsnorm handeln (169). Ist der Verstoß gegen die öffentliche Ordnung indes nicht dieser Art, so würde die Anwendung der Ordre-Public-Klausel gegen das Verbot der Nachprüfung der ausländischen Entscheidung in der Sache selbst, das in Artikel 36 des Übereinkommens niedergelegt ist, verstoßen (170).

Es stellt sich hier die Frage, ob der Begriff der öffentlichen Ordnung im Übereinkommen nur materiellrechtliche Aspekte der öffentlichen Ordnung betrifft, oder ob er auch verfahrensrechtliche Aspekte der öffentlichen Ordnung mit einschließt, oder ob verfahrensrechtliche Aspekte der öffentlichen Ordnung nur insoweit eine Rolle spielen, als sie die Wahrung des Rechts auf ein faires Verfahren nach Artikel 34 Nummer 2 betreffen. Die Frage ist von der Ad-hoc-Arbeitsgruppe und ebenso in der Fachliteratur eingehend erörtert worden; dabei wurden unterschiedliche Standpunkte vertreten. Auch hier ist ein Blick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs von Interesse: Nachdem er festgestellt hat, dass das Recht auf einen Verteidiger zu den Grundrechten gehört, die sich aus den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten ergeben, und durch die Europäische Menschenrechtskonvention garantiert ist, kam er zu dem Schluss, dass ein nationales Gericht berechtigt ist, es als eine offensichtliche Grundrechtsverletzung anzusehen, wenn dem Verteidiger eines Angeklagten verwehrt wird, für diesen aufzutreten (171). Das betreffende Urteil erging jedoch unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Falles, d.h. einer zivilrechtlichen Entscheidung über die Zahlung von Schadensersatz zusätzlich zu einer strafrechtlichen Verurteilung in Abwesenheit, und kann nicht so ausgelegt werden, dass sich eine Partei wegen jedweden Verstoßes gegen die Verteidigungsrechte, ja sogar eines Verstoßes, der – wie gemäß den Ausführungen des Gerichtshofs in dem obengenannten Urteil – nicht offensichtlich der öffentlichen Ordnung des Staates, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, widerspricht, auf Artikel 34 Nummer 1 berufen kann.

2.   Verstoß gegen die Rechte eines Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat (Artikel 34 Nummer 2)

134.

Gemäß dem Übereinkommen von 1988 wird eine Entscheidung, die ergangen ist, ohne dass sich der Beklagte auf das Verfahren eingelassen hat, nicht anerkannt, wenn der Antrag oder ein gleichwertiges, das Verfahren vor dem Ursprungsgericht einleitende Schriftstück dem Beklagten nicht „ordnungsgemäß“ und „nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte“ (172). Diese Bestimmung enthält zwei Voraussetzungen, deren eine die Ordnungsgemäßheit der Zustellung betrifft und die eine auf die Rechtsvorschriften des Urteilsstaats und die Übereinkommen, an die dieser in Bezug auf die Zustellung gebunden ist, gestützte Entscheidung erfordert, während die andere die dem Beklagten für seine Verteidigung belassene Zeit betrifft und Tatsachenwürdigungen verlangt, da zu prüfen ist, ob der von dem Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Zustellung an zu berechnende Zeitraum dem Beklagten ausreichend Zeit für seine Verteidigung gelassen hat (173). Die Prüfung, ob diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind, hat in der Praxis zu einigen Schwierigkeiten geführt und wiederholt die Einschaltung des Gerichtshofs erforderlich gemacht, insbesondere hinsichtlich der zweiten Voraussetzung und der kumulativen Wirkung beider Voraussetzungen.

Der Gerichtshof hat, wie noch erläutert wird, verschiedene Aspekte der Vorschrift positiv kommentiert, aber auch Mängel dargelegt, durch die ein Missbrauch durch einen bösgläubigen Schuldner möglich wird. Insbesondere hat der Gerichtshof zu der Frage, ob das Schriftstück ordnungsgemäß zugestellt worden ist, befunden, dass die beiden Voraussetzungen eine kumulative Wirkung haben, so dass eine im Versäumnisverfahren ergangene Entscheidung nicht anerkannt werden darf, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, nicht ordnungsgemäß, jedoch so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte (174); er hat weiter ausgeführt, dass das Gericht, vor dem die Anerkennung geltend gemacht wird, jeden Zustellungsmangel berücksichtigen kann, der vor dem Hintergrund des Rechts des Ursprungsgerichts zu bewerten ist, einschließlich internationaler Übereinkommen, die gegebenenfalls relevant sind. Zur Rechtzeitigkeit der Zustellung hat der Gerichtshof entschieden, dass der Umstand, dass der Beklagte möglicherweise von dem Verfahren Kenntnis erhalten hat, irrelevant ist, wenn dies geschehen ist, nachdem die Entscheidung ergangen ist, auch wenn er dagegen keinen nach der Verfahrensordnung des Urteilsstaats zulässigen Rechtsbehelf eingelegt hat (175).

Diese Urteile des Gerichtshofs gehen von einer wörtlichen Auslegung der Vorschrift aus und sind von der offensichtlichen Absicht getragen, den Schuldner zu schützen; sie sind in der Fachliteratur diskutiert worden, in der betont wurde, dass der Gläubiger ebenfalls zu schützen sei und dass es einem bösgläubigen Schuldner nicht gestattet sein sollte, rein formale und unerhebliche Zustellungsmängel oder eine Verzögerung der Zustellung auszunutzen, um in dem Vertrauen darauf untätig zu bleiben, dass er imstande sein wird, die in dem Übereinkommen festgeschriebenen Gründe für eine Versagung anzuführen, wenn die Anerkennung der Entscheidung geltend gemacht wird. Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe hat an diese Diskussion angeknüpft und sich besonders aufmerksam mit dieser Frage befasst; sie hat nach einer Lösung gesucht, bei der die Interessen des Schuldners und des Gläubigers gleichermaßen berücksichtigt werden und es einem Schuldner, der Kenntnis von dem Verfahren gegen ihn hatte, nicht gestattet wäre, untätig zu bleiben und dann eine Vorschrift geltend zu machen, die aus formalen Gründen zur Versagung der Anerkennung der Entscheidung führen würde.

135.

Aus diesem Grunde wird in Artikel 34 Absatz 2 nicht mehr ausdrücklich auf eine ordnungsgemäße Zustellung Bezug genommen; die Frage wird vielmehr im Zusammenhang mit der Gelegenheit für den Beklagten, sich zu verteidigen, sowie mit der dafür erforderlichen Zeit behandelt. Ein Schriftstück muss dem Beklagten nun „in einer Weise zugestellt“ werden, „dass er sich verteidigen konnte“. Nach diesem Wortlaut ist nicht mehr allein zu prüfen, ob die Zustellung nach dem geltenden Recht erfolgt ist, sondern stattdessen eine Tatsachenbewertung vorzunehmen, bei der die Einhaltung der Zustellungsvorschriften zwar eine wichtige, aber keine entscheidende Rolle spielen wird: Das Gericht, vor dem die Anerkennung geltend gemacht wird, wird alle weiteren Faktoren zu berücksichtigen haben, die ihm dabei behilflich sein können, festzustellen, ob die Zustellung trotz der ein oder anderen Unzulänglichkeit in einer Weise erfolgt ist, dass der Beklagte sich verteidigen konnte. Ein Zustellungsmangel ist demnach nur ein Grund für die Versagung nach Artikel 34 Nummer 2, wenn er dem Beklagten in der Weise geschadet hat, dass er sich nicht verteidigen konnte (176), und ist nicht relevant, wenn der Beklagte sich im Ursprungsstaat hätte einlassen und verteidigen können, möglicherweise sogar, um den Zustellungsmangel zu rügen.

Diese Tatsachenbewertung muss, ebenso wie nach dem Übereinkommen von 1988, mit einer weiteren ebensolchen Bewertung einhergehen, mit der festgestellt wird, ob die Zeit, die dem Beklagten zur Verfügung stand, um sich zu verteidigen, ausreichend war; dafür kann das Gericht alle relevanten Umstände berücksichtigen, auch wenn sie erst nach der Zustellung eingetreten sind (177), ebenso wie die Bestimmung in Artikel 26 Absatz 2, die das Gericht des Ursprungsstaats in jedem Falle einzuhalten hat (178). Artikel 34 Nummer 2 verlangt nicht den Nachweis, dass das verfahrenseinleitende Schriftstück dem Beklagten tatsächlich zur Kenntnis gebracht wurde, sondern nur, dass der von dem Zeitpunkt der Zustellung an zu berechnende Zeitraum dem Beklagten ausreichend Zeit für seine Verteidigung gelassen hat (179).

136.

Der dem Schuldner in dem Fall, dass die Zustellung mangelhaft war, durch Artikel 34 Nummer 2 gewährte Schutz ist noch auf andere Weise eingeschränkt worden: auch wenn die Zustellung nicht so rechtzeitig und in einer Weise erfolgt ist, dass der Beklagte sich verteidigen konnte, ist die Entscheidung anzuerkennen, wenn der Beklagte gegen die Entscheidung im Ursprungsstaat keinen Rechtsbehelf eingelegt hat, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte. Der Schutz eines Beklagten, der sich nicht eingelassen hat, im Falle von Zustellungsmängeln sollte nicht auf Fälle ausgedehnt werden, in denen der Beklagte untätig bleibt; mit der Vorschrift soll dieses Problem ausgeräumt werden, indem dem Beklagten auferlegt wird, dass er, wenn es ihm möglich ist, einen Rechtsbehelf im Ursprungsstaat einlegt und dort alle Mittel ausschöpft, statt sie sich für die folgende Phase aufzuheben, in der die Entscheidung in einem anderen durch das Übereinkommen gebundenen Staat anerkannt werden soll. Die in Artikel 34 Nummer 2 festgeschriebene Ausnahme schließt daher eindeutig die frühere Auslegung der entsprechenden Bestimmung im Übereinkommen von 1988 aus (180).

137.

Artikel 34 Nummer 2 hat einen allgemeinen Anwendungsbereich und soll gewährleisten, dass die für den freien Verkehr in den durch das Übereinkommen gebundenen Staaten zugelassenen Entscheidungen unter Einhaltung der Verteidigungsrechte ergangen sind. Der Artikel gilt folglich ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des Beklagten, der sich in einem anderen durch das Übereinkommen gebundenen Staat oder einem Staat außerhalb des Geltungsbereichs des Übereinkommens oder im Ursprungsstaat befinden kann (181).

Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass Artikel III Absatz 1 von Protokoll 1, eingefügt auf Antrag der Schweiz, vorsieht, dass sich die Schweiz das Recht vorbehält, bei der Ratifizierung zu erklären, dass sie den Teil von Artikel 34 Nummer 2, der sich darauf bezieht, dass der Schuldner im Ursprungsstaat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt hat, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte, nicht anwenden wird. Die Schweizer Delegation war der Auffassung, dass mit dieser Ausnahme das Recht des Beklagten auf ein faires Verfahren nicht ausreichend geachtet wird. Artikel III von Protokoll 1 sieht selbstverständlich auch vor, dass die anderen Vertragsparteien denselben Vorbehalt gegenüber Entscheidungen der schweizerischen Gerichte anwenden, falls die Schweizerische Eidgenossenschaft diese Erklärung abgibt. Die Vertragsparteien können denselben Vorbehalt in Bezug auf Entscheidungen, die in einem beitretenden Staat gemäß Artikel 70 Absatz 1 Buchstabe c ergangen sind, geltend machen.

3.   Unvereinbarkeit von Entscheidungen (Artikel 34 Nummern 3 und 4)

138.

In Artikel 34 Nummer 3 waren keine Änderungen erforderlich; darin ist der Grundsatz festgelegt, dass eine in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat ergangene Entscheidung nicht anerkannt wird, wenn sie mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die in einem Rechtsstreit zwischen denselben Parteien in dem Staat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, ergangen ist. Die Bestimmung wird in Anbetracht der Regeln für die Koordinierung der Zuständigkeit im Hinblick auf die Rechtshängigkeit und im Zusammenhang stehende Verfahren nur selten angewandt werden; sie hat einen weiten Anwendungsbereich und soll dazu dienen, in dem Staat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, Rechtssicherheit zu gewährleisten, die durch zwei sich widersprechende Entscheidungen in Frage gestellt würde (182). Entscheidungen können somit unvereinbar sein, auch wenn die einzige Gemeinsamkeit der betreffenden Verfahren die Parteien sind und Streitgegenstand bzw. Anspruch nicht identisch sind (183). Auch ist es für die Versagung der Anerkennung nicht erforderlich, dass die Entscheidung in dem ersuchten Staat vor der ausländischen Entscheidung ergangen ist.

Die Frage, welche von zwei Entscheidungen zuerst ergangen ist, muss jedoch geprüft werden, um festzustellen, welche von zwei unvereinbaren ausländischen Entscheidungen in dem Staat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, anzuerkennen ist (184). Im Übereinkommen von 1988 (Artikel 27 Nummer 5) wurde lediglich auf die Anerkennung einer Entscheidung eingegangen, die in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat ergangen und mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist, die in einem nicht durch das Übereinkommen gebundenen Staat ergangen ist; in Artikel 34 Nummer 4 des neuen Übereinkommens kommt der Fall einer Entscheidung hinzu, die in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat ergangen und mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist, die in einem anderen durch das Übereinkommen gebundenen Staat ergangen ist, und wird auf die gleiche Stufe gestellt. In Fällen dieser Art ist die Anerkennung der späteren Entscheidung aufgrund der Unvereinbarkeit der Entscheidungen ausgeschlossen, allerdings nur wenn die Entscheidungen in Streitigkeiten zwischen denselben Parteien wegen desselben Gegenstandes bzw. desselben Anspruchs ergangen sind, natürlich unter der Bedingung, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung in dem Staat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, erfüllt sind. Geht es nicht um denselben Gegenstand bzw. denselben Anspruch, so werden beide Entscheidungen anerkannt, auch wenn sie miteinander unvereinbar sind. Die Unvereinbarkeit wird dann von dem nationalen Gericht, vor dem die Vollstreckung geltend gemacht wird, zu klären sein, das dafür die Vorschriften seines eigenen Rechts anwenden und andere Faktoren als die zeitliche Reihenfolge der Entscheidungen berücksichtigen kann, beispielsweise die Reihenfolge, in der die Verfahren eingeleitet wurden, oder die Reihenfolge, in der in den betreffenden Verfahren rechtskräftig entschieden wurde, die keine Anerkennungsvoraussetzungen nach dem Übereinkommen sind.

4.   Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsstaats (Artikel 35)

139.

Entscheidungen, die in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat ergangen sind, sind wie gemäß dem Übereinkommen von 1988 in dem Staat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, grundsätzlich anzuerkennen, ohne dass die Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsstaats nachgeprüft wird. In Artikel 35 wird bekräftigt, dass eine solche Nachprüfung nicht erfolgen darf und dass die Vorschriften über die Zuständigkeit nicht zur öffentlichen Ordnung (ordre public) gehören, aber es werden auch die Ausnahmen aufgegriffen, die bereits zuvor für die Regel, dass die Zuständigkeit der Gerichte des Ursprungsstaats nicht nachgeprüft wird, bestanden haben. Es wurde vorgeschlagen, sämtliche Ausnahmen zu streichen, so dass jegliche Nachprüfung der Zuständigkeit wegfällt (185), aber die Ad-hoc-Arbeitsgruppe hat nach gründlicher Prüfung entschieden, dass dies verfrüht wäre. Es gibt daher Ausnahmen, wenn die Zuständigkeitsvorschriften in Versicherungs- und Verbrauchersachen oder die Vorschriften der ausschließlichen Zuständigkeit (Titel II Abschnitte 3, 4 und 6) verletzt worden sind, wenn ein Fall des Artikels 68 vorliegt und wenn ein Fall des Artikels 64 Absatz 3 oder des Artikels 67 Absatz 4 vorliegt (186). Es wurde erörtert, ob eine Verletzung der Zuständigkeitsvorschriften in Bezug auf individuelle Arbeitsverträge zu diesen Ausnahmen hinzukommen sollte. Dies wurde aber abgelehnt, da bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten die Klage in der Regel vom Arbeitnehmer erhoben wird, so dass die zur Nichtanerkennung führende Nachprüfung in den meisten Fällen ein Vorteil für den Arbeitgeber als Beklagter wäre.

5.   Abschaffung der Nachprüfung des vom Gericht des Ursprungsstaats angewandten Rechts

140.

Nach Artikel 27 Absatz 4 des Übereinkommens von 1988 konnte die Anerkennung abgelehnt werden, wenn das Gericht des Ursprungsstaats bei seiner Entscheidung hinsichtlich einer Vorfrage, die den Personenstand, die Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie die gesetzliche Vertretung einer natürlichen Person, die ehelichen Güterstände oder das Gebiet des Erbrechts einschließlich des Testamentsrechts betrifft (ausschließlich Sachen, die nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen), sich in Widerspruch zu einer Vorschrift des Internationalen Privatrechts des Staates, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, gesetzt hat; es wurde die Auffassung vertreten, dass diese Regel nun überflüssig ist, und zwar nicht zuletzt wegen der Fortschritte bei der Harmonisierung des Internationalen Privatrechts in diesen Bereichen in der Europäischen Gemeinschaft und insbesondere wegen des Fehlens dieser Bestimmung in der Brüssel-II-Verordnung. Die Bestimmung ist in das neue Übereinkommen nicht aufgenommen worden, so dass es künftig nicht möglich sein wird, diesen Versagungsgrund geltend zu machen, der ein Relikt aus der Zeit der Nachprüfung einer ausländischen Entscheidung in der Sache war.

Eine Nachprüfung in der Sache selbst wird durch Artikel 36 des Übereinkommens gänzlich ausgeschlossen, in dem der Wortlaut der entsprechenden Bestimmung des früheren Übereinkommens wiedergegeben ist (187).

6.   Rechtsbehelf gegen ausländische Entscheidungen, deren Anerkennung geltend gemacht wird (Artikel 37)

141.

Es ist keine Änderung an der Vorschrift vorgenommen worden, dass das Gericht, vor dem die Anerkennung einer Entscheidung geltend gemacht wird, die in einem anderen durch das Übereinkommen gebundenen Staat ergangen ist, das Verfahren aussetzen kann, wenn gegen die Entscheidung in dem anderen Staat ein Rechtsbehelf eingelegt worden ist. Artikel 37, in dem Artikel 30 des Übereinkommens von 1988 wiedergegeben ist, bedarf keines besonderen Kommentars (siehe Jenard-Bericht, S. 46, und Schlosser-Bericht, Nummern 195 bis 204).

3.    Vollstreckung

142.

Titel III Abschnitt 2 des Übereinkommens betrifft die Vollstreckung und enthält Vorschriften, die wie bereits erwähnt (188) im Zuge der Revision des Übereinkommens erheblich geändert wurden, damit die Verfahren zur Vollstreckbarerklärung von Entscheidungen im ersuchten Staat – und ebenso zur Anerkennung, wenn die Anerkennung als Gegenstand eines Streits nach Artikel 33 Absatz 2, in dem auf die Verfahren nach Titel III Abschnitte 2 und 3 Bezug genommen wird, geltend gemacht wird – weiter vereinfacht werden. Der Grundsatz, dass für die Vollstreckung eine Vollstreckbarerklärung erforderlich ist, bleibt jedoch unverändert; er ist in Artikel 38 in den gleichen Worten niedergelegt wie in Artikel 31 des Übereinkommens von 1988. Eine Vollstreckbarerklärung kann demnach nur für eine Entscheidung, die in dem Staat, in dem sie ergangen ist, bereits vollstreckbar ist, und nur auf Antrag eines Berechtigten ergehen (189). Sobald die Entscheidung für vollstreckbar erklärt worden ist, kann sie im ersuchten Staat vollstreckt werden; im Vereinigten Königreich muss eine Entscheidung jedoch zur Vollstreckung registriert werden (190). Aus Artikel 1 Absatz 3 wird deutlich, dass der Abschnitt über die Vollstreckung auch für Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften gilt, wenn sie in Drittländern vollstreckt werden sollen. Urteile des Gerichtshofs sind daher in solchen Staaten ebenso zu vollstrecken wie Entscheidungen nationaler Gerichte, die in durch das Übereinkommen gebundenen Staaten ergangen sind.

1.   Vollstreckbarerklärung: erster Abschnitt des Verfahrens (Artikel 39 bis 42 und 53 bis 56)

a)   Gericht oder sonst befugte Stelle (Artikel 39)

143.

Wie zuvor nennt das Übereinkommen ausdrücklich die Gerichte oder sonst befugten Stellen der durch das Übereinkommen gebundenen Staaten, an die Anträge auf Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheidungen zu richten sind. Sie sind nun in einem Anhang aufgeführt (Anhang II) und nicht mehr im verfügenden Teil des Übereinkommens; damit wird die Darstellung des Verfahrens vereinfacht (zu den Gründen für die Übernahme der Liste zuständiger Gerichte oder sonst befugter Stellen in einen Anhang siehe auch die Diskussion zu Artikel 77). Es sei darauf hingewiesen, dass Artikel 39 Absatz 1 auf „das Gericht oder die sonst befugte Stelle“ Bezug nimmt. Den durch das Übereinkommen gebundenen Staaten steht es somit frei, den ersten Abschnitt des Verfahrens einer Stelle zu übertragen, bei der es sich nicht um ein Gericht handelt. Alle diese Staaten haben im Allgemeinen Gerichte benannt, aber es sei darauf hingewiesen, dass in Frankreich und Deutschland der Antrag auf Vollstreckbarerklärung einer notariellen Urkunde an eine notarielle Stelle (den président de la chambre départementale des notaires) beziehungsweise einen Notar zu richten ist, während Malta für Entscheidungen in Unterhaltssachen die Gerichtskanzlei (Reġistratur tal-Qorti) benannt hat. Andere Länder könnten diesem Beispiel durchaus folgen, da es sich nicht um ein kontradiktorisches Verfahren handelt und die durchzuführenden Überprüfungen rein formaler Art sind.

144.

Was die örtliche Zuständigkeit der benannten Gerichte betrifft, so wurde sie gemäß dem Übereinkommen von 1988 durch den Wohnsitz des Schuldners bestimmt und, wenn dieser keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats hatte, durch den Ort der Vollstreckung. Dies bot dem Gläubiger den Vorteil, dass er im Falle mehrerer Vollstreckungsorte nur eine Vollstreckbarerklärung zu beantragen brauchte, obwohl er sich dann für die Vollstreckung an mehrere Gerichte wenden musste. Es hatte jedoch den Nachteil, dass der Gläubiger gezwungen war, sich an zwei Gerichte zu wenden, wenn der Wohnsitz des Schuldners und der Ort der Vollstreckung nicht zusammenfielen, nämlich zunächst an das Gericht des Wohnsitzes und dann an das Gericht des Vollstreckungsorts. Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe hat die Frage geprüft und hat trotz einiger gegenteiliger Auffassungen bekräftigt, dass es wünschenswert ist, die interne Zuständigkeit unmittelbar im Übereinkommen zu bestimmen, damit es für einen Gläubiger einfacher wird, das richtige Gericht zu ermitteln (191). Sie war der Auffassung, dass die örtliche Zuständigkeit im konkreten Einzelfall am besten so bestimmt wird, dass dem Gläubiger die Wahl zwischen dem Wohnsitz des Schuldners und dem Vollstreckungsort gelassen und ihm auf diese Weise ermöglicht wird, sich unmittelbar an das Gericht des Ortes zu wenden, an dem die Vollstreckung durchgeführt werden soll.

Artikel 39 Absatz 2, in dem es heißt, dass die örtliche Zuständigkeit durch den Wohnsitz des Schuldners oder durch den Ort bestimmt wird, an dem die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll, spiegelt dieses Konzept wider. Der Wortlaut bedeutet, dass nicht mehr ausdrücklich auf den Fall Bezug genommen werden muss, dass der Schuldner seinen Wohnsitz in einem Staat hat, der nicht dem Übereinkommen angehört, obwohl dem Gläubiger in diesem Fall natürlich nur der Ort der Vollstreckung zur Verfügung steht.

Es wurde ferner vorgeschlagen, dass in Artikel 39 für Fälle, in denen die Vollstreckung gegen mehr als eine Partei beantragt wird, die Zuständigkeitsregel in Artikel 6 Nummer 1 wiedergegeben und die örtliche Zuständigkeit der Gerichte des Ortes, an dem eine der Parteien ihren Wohnsitz hat, vorgesehen wird. Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe war jedoch der Auffassung, dass es besser sei, nicht für jeden spezifischen Aspekt Regeln vorzusehen, wenn es um die interne Zuständigkeit geht. Die Frage, wie vorzugehen ist, wenn die Vollstreckung gegen mehr als eine Partei beantragt wird, ist daher auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts eines jeden durch das Übereinkommen gebundenen Staates zu klären.

b)   Der Antrag (Artikel 40 und Artikel 53 bis 56)

145.

Wie im Übereinkommen von 1988 ist für die Stellung des Antrags das Recht des Vollstreckungsstaats maßgebend, wobei jedoch die im Übereinkommen unmittelbar festgelegten Vorschriften zu berücksichtigen sind. Das Übereinkommen sieht weiterhin vor, dass der Antragsteller im Bezirk des angerufenen Gerichts ein Wahldomizil zu begründen hat und dass er einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen hat, wenn das Wahldomizil im Recht des Vollstreckungsstaats nicht vorgesehen ist (192).

Die Liste der dem Antrag beizufügenden Urkunden ist jedoch geändert worden. In den Artikeln 46 und 47 des Übereinkommens von 1988 war eine Reihe von Urkunden aufgelistet, die belegen sollten, dass die Entscheidung die Voraussetzungen für die Anerkennung erfüllt; im neuen Artikel 40 Absatz 3 wird jedoch auf die in Artikel 53 aufgeführten Urkunden Bezug genommen; in Artikel 53 wiederum wird nur vorgeschrieben, dass eine Ausfertigung der Entscheidung, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, und eine Bescheinigung nach Artikel 54 vorzulegen sind. In Artikel 54 ist vorgeschrieben, dass das Gericht oder die sonst befugte Stelle des Staates, in dem die Entscheidung ergangen ist, auf Antrag eines Berechtigten eine Bescheinigung unter Verwendung des Formblatts in Anhang V des Übereinkommens ausstellt.

146.

Es wurde sehr ausführlich die Frage erörtert, ob es zweckmäßig ist, vom Antragsteller die Vorlage einer Bescheinigung anstelle der Dokumente selbst zu verlangen. Diese Bestimmung lässt sich durch das allgemeine Konzept begründen, dass jede Nachprüfung der ausländischen Entscheidung in diesem ersten Abschnitt des Verfahrens ausgeschlossen werden soll. Mit der Bescheinigung wird ein zweifacher Zweck erfüllt, nämlich zum einen wird die Stellung des Gläubigers erleichtert, der nur ein einziges Dokument vorzulegen hat, und zum anderen wird das ersuchte Gericht in die Lage versetzt, rasch diejenigen Angaben betreffend die Entscheidung zu erfassen, die es benötigt, um die Vollstreckbarerklärung auszustellen. Nicht selten ist es für das ersuchte Gericht schwierig, der Entscheidung des Ursprungsgerichts bestimmte Angaben rasch und verlässlich zu entnehmen; dies kann an der Sprache, in der die Entscheidung verfasst ist, oder aber an der unterschiedlichen Art und Weise liegen, in der gerichtliche Dokumente in den verschiedenen Rechtssystemen der durch das Übereinkommen gebundenen Staaten abgefasst werden.

Die Bescheinigung muss, wie aus dem Formblatt in Anhang V hervorgeht, folgende Angaben enthalten: den Ursprungsstaat der Entscheidung, das Gericht oder die sonst befugte Stelle, das/die die Bescheinigung ausgestellt hat, das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, die wichtigsten Angaben zu der Entscheidung (Datum, Aktenzeichen, die Parteien der Entscheidung und das Datum der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks, wenn die Entscheidung in einem Verfahren ergangen ist, auf das sich der Beklagte nicht eingelassen hat), den Wortlaut des Urteilsspruchs (im eigentlichen Sinne, d. h. nur der volle Wortlaut des Tenors), Name(n) der Partei(en), der(denen) Prozesskostenhilfe gewährt wurde, und eine Erklärung, dass die Entscheidung im Ursprungsstaat vollstreckbar ist. Die Bescheinigung wird in der Regel, aber nicht zwangsläufig, von dem Gericht ausgestellt, das sie auch erlassen hat. Die Bescheinigung enthält allein sachliche Angaben und keine Informationen zu den Gründen für eine Versagung der Anerkennung nach Artikel 34 und 35 des Übereinkommens, so dass die Bescheinigung durchaus auch von einer anderen Person am Gericht oder einer anderen Stelle, die im Ursprungsstaat dazu befugt ist, ausgestellt werden könnte (193).

147.

Zweck der Bescheinigung ist die Vereinfachung des Verfahrens, und ein Gläubiger sollte keine Bescheinigung vorlegen müssen, wenn das Urteil auch ohne die Bescheinigung schnell für vollstreckbar erklärt werden kann. Im Übereinkommen wird daher in Bezug auf die Bescheinigung die zuvor in Artikel 48 des Übereinkommens von 1988 niedergelegte Bestimmung zu den mit dem Antrag vorzulegenden Nachweisen wieder aufgenommen (194). Artikel 55 Absatz 1 des neuen Übereinkommens sieht demgemäß für den Fall, dass die Bescheinigung nicht vorgelegt wird, vor, dass das Gericht eine Frist bestimmen kann, innerhalb deren sie vorzulegen ist, oder sich mit einem gleichwertigen Schriftstück begnügen oder von der Vorlage befreien kann, wenn es eine weitere Klärung nicht für erforderlich hält. Daraus wird deutlich, dass das Gericht eine unvollständige Bescheinigung akzeptieren oder erforderlichenfalls eine Frist für die Vorlage eines vollständig ausgefüllten Formblatts bestimmen kann. Wird keine Bescheinigung vorgelegt oder ist die Bescheinigung unvollständig, so kann das Gericht selbstverständlich auch entscheiden, den Antrag abzulehnen.

Nicht geändert wird die frühere Regelung betreffend die Übersetzung der Bescheinigung, die nur auf Verlangen des Gerichts erforderlich ist (Artikel 55 Absatz 2), und betreffend die Befreiung von jeglicher Legalisation der Dokumente einschließlich einer Urkunde über die Prozessvollmacht (Artikel 56) (195).

c)   Entscheidung, mit der der erste Abschnitt des Verfahrens abgeschlossen wird, und Vollstreckbarerklärung (Artikel 41 und 42)

148.

Das Gericht oder die sonst befugte Stelle muss unverzüglich über einen nach dem Übereinkommen gestellten Antrag entscheiden, und wenn die in Artikel 53 vorgesehenen Förmlichkeiten erfüllt sind, d. h. wenn die Bescheinigung und eine Ausfertigung der Entscheidung, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, vorgelegt wurden, muss es die Entscheidung für vollstreckbar erklären. Der Wortlaut von Artikel 41 lässt hier keine Zweifel zu: Er besagt, dass die Entscheidung „unverzüglich“ für vollstreckbar erklärt wird, sobald die Förmlichkeiten erfüllt sind. Es schien hier besser, das Adverb „unverzüglich“ zu verwenden und keine genaue Frist festzulegen, da es schwierig gewesen wäre, eine Sanktion für die Überschreitung der Frist zu verhängen; die Formulierung gleicht daher der Formulierung im Übereinkommen von 1988, in dem für den ersten Abschnitt des Verfahrens vorgesehen war, dass das mit dem Antrag befasste Gericht seine Entscheidung „unverzüglich“ erlässt, aber keine genaue Frist niedergelegt war (196).

149.

Artikel 41 erlaubt es dem ersuchten Gericht nicht, zu prüfen, ob Gründe für eine Versagung der Anerkennung nach den Artikeln 34 und 35 vorliegen. Die Angaben, die auf der Bescheinigung stehen müssen, sind nicht für eine solche Prüfung gedacht, sondern sollen dem ersuchten Gericht lediglich die Arbeit bei der Entscheidung erleichtern, ob die Vollstreckbarkeit erklärt wird oder nicht. Selbst die Angabe des Datums der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks im Falle einer Entscheidung, die ergangen ist, ohne dass sich der Beklagte auf das Verfahren eingelassen hat, soll nur dazu dienen, festzustellen, dass dem Versäumnisverfahren die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks vorausgegangen ist, was die Mindestvoraussetzung für die Kenntnisnahme eines Versäumnisurteils ist; sie soll das ersuchte Gericht nicht in die Lage versetzen zu prüfen, ob die Voraussetzungen nach Artikel 34 Absatz 2 erfüllt worden sind. Es sei darauf hingewiesen, dass auf der Bescheinigung kein Zustellungsdatum angegeben werden kann, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht zugestellt wurde. Aber auch in diesem Fall ist nur die Frage nach den Folgen der fehlenden Angabe des Zustellungsdatums auf der Bescheinigung zulässig, ohne dass die Feststellung getroffen werden darf, dass die Zustellung nicht erfolgt ist. Die Prüfung durch das Gericht ist daher auch hier rein formal.

Das Verbot einer Nachprüfung auf der Grundlage der Artikel 34 und 35 schließt ferner die Ablehnung des Antrags aus anderen Gründen als den in diesen Artikeln festgelegten Gründen aus, die die einzigen Gründe für eine Versagung der Anerkennung einer Entscheidung sind, die in einem anderen durch das Übereinkommen gebundenen Staat ergangen ist. Der Antrag darf daher nicht aus dem Grunde abgelehnt werden, dass das ersuchte Gericht erklärt, dass die Entscheidung nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fällt. Dadurch, dass das Ursprungsgericht die Bescheinigung nach Anhang V ausgestellt hat, wird bereits belegt, dass die Entscheidung in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fällt. Eine Überprüfung der Richtigkeit der Bescheinigung würde dem Grundsatz widersprechen, dass der erste Abschnitt des Verfahrens auf eine rein formale Prüfung zu beschränken ist. Für eine Überprüfung der Richtigkeit der Bescheinigung wäre eine rechtliche Bewertung der Entscheidung erforderlich; ein solche Überprüfung muss dem zweiten Abschnitt des Verfahrens vorbehalten sein.

Es darf in diesem ersten Abschnitt des Verfahrens auch nicht geltend gemacht werden, dass die Entscheidung der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht, obwohl dieser Grund für die Versagung der Anerkennung im allgemeinen Interesse ist. Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe hat lange darüber beraten, ob es sich nicht empfehlen würde, die Überprüfung der Vereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung im ersten Abschnitt des Verfahrens beizubehalten, und es hat nicht an Stellungnahmen zugunsten dieser Option gefehlt, aber letzten Endes hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass dies nicht der Fall sein sollte, und zwar teils weil die öffentliche Ordnung bei der praktischen Anwendung des früheren Übereinkommens nur selten geltend gemacht wurde und teils weil dies bei der Ausstellung der Vollstreckbarerklärung möglicherweise zu Verzögerungen geführt hätte. Wie die übrigen Gründe für eine Versagung ist auch die Einlassung, dass die Entscheidung der öffentlichen Ordnung widerspricht, im zweiten Abschnitt des Verfahrens vorzubringen.

150.

Die einzige Ausnahme von diesen Vorschriften findet sich in Artikel III Absatz 2 Buchstabe b von Protokoll 1, wenn sich eine Vertragspartei in Bezug auf Entscheidungen, die in einem beitretenden Staat gemäß Artikel 70 Absatz 1 Buchstabe c ergangen sind, durch Erklärung das Recht eines/einer für die Vollstreckbarerklärung zuständigen Gerichts / sonst befugten Stelle vorbehalten hat, von Amts wegen zu prüfen, ob Gründe für die Versagung der Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung vorliegen. Die Möglichkeit eines Vorbehalts dieser Art widerspricht dem Grundsatz, dass es im ersten Abschnitt eines Verfahrens keine Nachprüfung geben darf, was im System des Übereinkommens von entscheidender Bedeutung ist, ist aber dennoch mit Bedacht zugelassen worden. Ein solcher Vorbehalt gilt für fünf Jahre, es sei denn, die Vertragspartei verlängert ihn (Artikel III Absatz 4). Diese Klausel kann so ausgelegt werden, dass der Vorbehalt überprüft und, sofern er nicht unerlässlich ist, aufgehoben werden sollte.

151.

Aufgrund der rein formalen Art der in diesem Abschnitt vom ersuchten Gericht durchgeführten Überprüfung ist die aktive Beteiligung des Schuldners nicht erforderlich. In Artikel 41 wird daher erklärt, dass der Schuldner in diesem Abschnitt des Verfahrens keine Erklärungen abgeben kann.

Die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung wird dem Antragsteller unverzüglich in der Form mitgeteilt, die das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats vorsieht. Wird in der Entscheidung die Vollstreckbarkeit erklärt, so muss die Entscheidung auch dem Schuldner zugestellt werden. Es kann geschehen, dass die Vollstreckbarerklärung ergeht, bevor dieser Partei die ausländische Entscheidung zugestellt wird. Artikel 42 Absatz 2 sieht vor, dass die ausländische Entscheidung in diesem Falle zusammen mit der Vollstreckbarerklärung zugestellt wird.

2.   Vollstreckbarerklärung: zweiter Abschnitt des Verfahrens (Artikel 43 bis 46)

a)   Rechtsbehelf gegen die Vollstreckbarerklärung (Artikel 43 bis 44)

152.

Gegen die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung kann jede Partei bei dem in Anhang III des Übereinkommens aufgeführten Gericht einen Rechtsbehelf einlegen. Die Rechtsbehelfe gegen die Entscheidung, mit der der erste Abschnitt des Verfahrens abgeschlossen wird, sind somit vereinheitlicht worden. Im Übereinkommen von 1988 waren wie im Brüsseler Übereinkommen zwei verschiedene Rechtsbehelfe vorgesehen, ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung, den der Schuldner einlegen konnte (Artikel 36 bis 39), und ein weiterer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung über die Ablehnung des Antrags, den der Gläubiger einlegen konnte (Artikel 40 und 41). In Anbetracht dessen, dass der erste Abschnitt des Verfahrens nun auf eine reine Formalität beschränkt worden ist, hat die Ad-hoc-Arbeitsgruppe den Vorschlag geprüft, dass der Rechtsbehelf gegen die Ablehnung gestrichen werden sollte, da eine Ablehnung des Antrags unwahrscheinlich ist. Bei einer fehlerhaften Bescheinigung würde das ersuchte Gericht in der Regel verlangen, dass der Fehler korrigiert wird, bzw. bei fehlenden Angaben verlangen, dass die Bescheinigung vervollständigt wird. So unwahrscheinlich eine Ablehnung des Antrags auch sein mag, so ist es aber dennoch möglich, dass der Antrag abgelehnt wird und dass die Entscheidung überprüft werden muss, damit die Rechte des Antragstellers gewahrt werden; es wurde daher beschlossen, die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs beizubehalten, jedoch ohne besondere Regeln, die sich von den Regeln für einen Rechtsbehelf gegen eine Vollstreckbarerklärung unterscheiden.

153.

Artikel 43 sieht vor, dass jede Partei einen Rechtsbehelf einlegen kann, also unabhängig davon, ob mit der Entscheidung der Antrag zugelassen oder abgelehnt wird. In der Praxis wird jedoch allein der Schuldner ein Interesse daran haben, eine Vollstreckbarerklärung anzufechten, und allein der Antragsteller wird ein Interesse daran haben, eine Ablehnung des Antrags anzufechten. Darüber hinaus muss eine Entscheidung über die Ablehnung des Antrags gemäß Artikel 42 Absatz 1 nur dem Antragsteller mitgeteilt werden, so dass der Schuldner darüber nicht förmlich unterrichtet wird und daher nicht imstande ist, einen Rechtsbehelf einzulegen. Die beiden Arten des Rechtsbehelfs mögen zwar in der Formulierung der Vorschriften zusammengefasst worden sein, sind aber wie im Übereinkommen von 1988 weiterhin in der Sache unterschiedlich.

Sie unterscheiden sich auch hinsichtlich der Frist, in der sie eingelegt werden müssen. Im Übereinkommen wird keine Frist für den Rechtsbehelf eines Antragstellers gegen eine Entscheidung über einen Antrag auf Vollstreckbarerklärung bestimmt. Es handelt sich dabei um einen Rechtsbehelf im Interesse des Antragstellers gegen eine Entscheidung, die dem Schuldner nicht einmal mitgeteilt wurde, und es ist daher dem Antragsteller überlassen, den Zeitpunkt für den Rechtsbehelf zu wählen, der in der Praxis einer erneuten Vorlage des Antrags gleichkommt, wobei dieses Mal der Schuldner gehört wird. Bei einem Rechtsbehelf gegen eine Vollstreckbarerklärung bedarf es jedoch einer Frist, nach der, wenn der Schuldner keinen Rechtsbehelf eingelegt hat, die Entscheidung vollstreckt werden kann. Artikel 43 Absatz 5 sieht daher eine Frist von einem Monat nach Zustellung der Vollstreckbarerklärung vor. Hat der Schuldner seinen Wohnsitz in einem anderen durch das Übereinkommen gebundenen Staat als dem, in dem die Vollstreckbarerklärung ergangen ist, so beträgt die Frist zwei Monate ab dem Tag, an dem ihm die Vollstreckbarerklärung in Person oder in seiner Wohnung zugestellt worden ist. Die Frist ist hier länger, da der Beklagte möglicherweise Schwierigkeiten dabei hat, seine Verteidigung in einem anderen Staat als dem Staat seines Wohnsitzes zu organisieren; er muss dort möglicherweise erst einmal einen Rechtsanwalt finden und sehr wahrscheinlich Dokumente übersetzen lassen. Nach Artikel 43 Absatz 5 ist eine Verlängerung dieser Frist wegen weiter Entfernung ausgeschlossen, und diese Vorschrift hat Vorrang vor innerstaatlichen Bestimmungen, die möglicherweise Gegenteiliges besagen. Im Übereinkommen wird keine Frist für den Fall angegeben, dass der Schuldner seinen Wohnsitz in einem Staat hat, der nicht durch das Übereinkommen gebunden ist. Fehlt eine solche Angabe, so hat die Bestimmung der Frist nach dem innerstaatlichen Recht des ersuchten Staates zu erfolgen.

154.

Über beide Arten des Rechtsbehelfs wird in Verfahren mit beiderseitigem rechtlichen Gehör entschieden. In Artikel 43 Absatz 3 wird lediglich auf die Vorschriften, „die für Verfahren mit beiderseitigem rechtlichen Gehör maßgebend sind“, Bezug genommen. Mangels näherer Angaben ist das übliche nach dem innerstaatlichen Recht des ersuchten Gerichts vorgesehene Verfahren anzuwenden, sofern es so angelegt ist, dass beide Parteien gehört werden. Lässt sich ein Schuldner in einem Verfahren wegen eines Rechtsbehelfs, der vom Antragsteller eingelegt wurde, nicht ein, so muss das Gericht Artikel 26 Absätze 2 bis 4 anwenden, und zwar auch wenn der Schuldner seinen Wohnsitz nicht in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat hat (197). Mit dieser letzten Bestimmung wird darauf abgezielt, die Verteidigungsrechte zu wahren; sie sind besonders zu schützen, da das Verfahren zum Rechtsbehelf des Antragstellers gegen die Ablehnung einer Vollstreckbarerklärung für den Schuldner die letzte Chance ist, sich zu verteidigen und zu versuchen, darzulegen, dass die Anforderungen für die Anerkennung der ausländischen Entscheidung nicht erfüllt sind (198).

b)   Umfang einer Überprüfung aufgrund eines Rechtsbehelfs nach Artikel 43 (Artikel 45)

155.

Das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung über eine Vollstreckbarerklärung befasste Gericht hat die Entscheidung im Lichte der Gründe zu prüfen, die der Anerkennung und somit der Vollstreckbarerklärung entgegenstehen würden. Auch in diesem Abschnitt des Verfahrens wird insofern von der Anerkennung ausgegangen, als das Gericht nicht darüber befindet, ob die Voraussetzungen für die Anerkennung erfüllt sind, sondern darüber, ob einer der Gründe für eine Versagung gemäß den Artikeln 34 und 35 vorliegt.

Legt ein Gläubiger, der den Antrag im ersten Abschnitt des Verfahrens gestellt hat, einen Rechtsbehelf ein, so wird er, da der Antrag nach einer rein formalen Prüfung der Bescheinigung abgelehnt worden sein muss, im Zuge des Rechtsbehelfs unweigerlich auf alle Gründe für eine Ablehnung eingehen und versuchen müssen zu zeigen, dass sie in dem Fall nicht vorliegen; das Gericht wird über alle Gründe befinden müssen, da der Rechtsbehelf zurückgewiesen werden müsste, wenn auch nur einer dieser Gründe vorliegen würde.

Wird der Rechtsbehelf dagegen vom Schuldner eingelegt, so kann er sich auf einen oder mehrere der Versagungsgründe stützen, ohne zwangsläufig auf alle eingehen zu müssen. Dies wirft die Frage auf, inwieweit sich das mit dem Rechtsbehelf befasste Gericht auf die Einlassungen der Partei, die den Rechtsbehelf einlegt, beschränken muss.

156.

Als die Ad-hoc-Arbeitsgruppe das neue Verfahren für die Vollstreckung von Entscheidungen konzipiert hat, hat sie recht ausführlich die Frage erörtert, ob das mit dem Rechtsbehelf befasste Gericht von sich aus alle oder nur einige der Gründe für die Versagung der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung prüfen darf, insbesondere wenn die Anerkennung offensichtlich der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht. Zahlreiche Experten waren der Auffassung, dass in Fällen, in denen die Anerkennung der öffentlichen Ordnung widersprechen würde, mit der Versagung der Anerkennung ein öffentliches Interesse verfolgt wird, dessen Geltendmachung nicht allein den Parteien überlassen werden darf, und dass die Streichung der Prüfung im ersten Abschnitt des Verfahrens dadurch ausgeglichen werden sollte, dass dem Gericht gestattet wird, die Versagung im zweiten Abschnitt von sich aus zu prüfen, auch wenn der Schuldner sie nicht geltend gemacht hat. Um ein Gegengewicht zur Aufhebung der Prüfung der Versagungsgründe im ersten Abschnitt des Verfahrens zu schaffen, war eine Reihe von Experten ferner der Auffassung, dass im zweiten Abschnitt die Prüfung der so genannten verfahrensrechtlichen Aspekte der öffentlichen Ordnung über die spezifischen Bestimmungen des Artikels 34 Absatz 2 hinaus in der Weise gestärkt werden sollte, dass das Gericht sie von sich aus vornimmt.

Diese Debatte kam in den Bestimmungen über die Befugnisse der mit Rechtsbehelfen befassten Gerichte letzten Endes nicht zum Ausdruck. In Artikel 45 Absatz 1 wird lediglich erklärt, dass „die Vollstreckbarerklärung von dem Gericht nur aus einem der in den Artikeln 34 und 35 aufgeführten Gründe versagt“ [bei einem Rechtsbehelf des Antragstellers] „oder aufgehoben“ [bei einem Rechtsbehelf des Schuldners] „werden darf“. Der Artikel geht auf den Zweck der Überprüfung durch das Gericht und die Gründe für seine Entscheidung ein, nicht jedoch darauf, wie die Überprüfung durchzuführen ist. Das Fehlen von Angaben dazu im Übereinkommen bedeutet, dass das Gericht die Frage, ob es die Gründe für eine Versagung von sich aus oder auf Antrag einer Partei prüfen darf, vor dem Hintergrund des öffentlichen Interesses, das in der für das Gericht maßgeblichen Rechtsordnung ein Tätigwerden zur Versagung der Anerkennung der Entscheidung rechtfertigen kann, selbst zu klären hat. Liegt kein solches öffentliches Interesse vor und ist der Grund für die Versagung in erster Linie eine Frage der Interessen des Schuldners, so liegt die Last dafür, die Frage aufzuwerfen, bei der berechtigten Partei. Eine solche Bewertung kann nur auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts vorgenommen werden.

157.

Es wurden ferner Zweifel daran geäußert, ob im zweiten Abschnitt des Verfahrens geltend gemacht werden kann, dass die ausländische Entscheidung nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fällt. Wie bereits erwähnt, belegt der Umstand, dass das Ursprungsgericht die Bescheinigung ausgestellt hat, an sich bereits, dass die Entscheidung in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fällt. Insofern die Bescheinigung das Ergebnis einer rechtlichen Bewertung ist, kann sie in der Phase des Rechtsbehelfs angefochten werden, und jede Frage der Auslegung des Übereinkommens müsste dann im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs und, wenn die Zweifel weiter bestehen und die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind, dadurch geklärt werden, dass sie dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vorgelegt wird. Artikel 45 Absatz 2 des Übereinkommens verbietet allerdings ausdrücklich, dass dieser Weg beschritten wird, um die ausländische Entscheidung in der Sache selbst nachzuprüfen.

158.

Der zweite Abschnitt des Verfahrens kann aufgrund der Überprüfung länger dauern als der erste, aber auch im zweiten Abschnitt muss das Gericht unverzüglich in der kürzesten Frist, die im innerstaatlichen Recht vorgesehen ist, entscheiden, damit der Grundsatz gewahrt wird, dass die Freizügigkeit von Entscheidungen nicht durch Hemmnisse wie Fristen in Vollstreckungsverfahren beeinträchtigt werden darf.

c)   Weitere Arten des Rechtsbehelfs (Artikel 44)

159.

Gegen die Entscheidung, die über den Rechtsbehelf des Antragstellers oder des Schuldners ergangen ist und mit der der zweite Abschnitt des Verfahrens abgeschlossen wird, kann nur ein Rechtsbehelf nach Anhang IV des Übereinkommens eingelegt werden; darin ist für die einzelnen durch das Übereinkommen gebundenen Staaten ein Rechtsbehelf vor einem höheren Gericht vorgesehen oder aber ein solcher Rechtsbehelf gänzlich ausgeschlossen (199). Artikel 44 des Übereinkommens geht nicht darauf ein, wie dieser weitere Rechtsbehelf, der den Parteien zur Verfügung steht, zu erfolgen hat. Daraus lässt sich schließen, dass sich der Rechtsbehelf nach dem innerstaatlichen Recht des jeweiligen Staates richtet und in der Weise zu erfolgen hat, die dieses Recht beispielsweise hinsichtlich der Frist, in der ein Rechtsbehelf eingelegt werden muss, vorsieht, und dass der Rechtsbehelf in den durch dieses Recht zugelassenen Grenzen zur Verfügung steht, da solche Rechtsbehelfe in der Regel auf Rechtsfragen beschränkt sind. Auch hier ist die Überprüfung des Gerichts gemäß Artikel 45 des Übereinkommens auf die in den Artikeln 34 und 35 aufgeführten Versagungsgründe beschränkt. Da das innerstaatliche Recht Rechtsbehelfe auf dieser Ebene in der Regel auf Rechtsfragen beschränkt, wird die Überprüfung der Entscheidung der niedrigeren Instanz hinsichtlich der in den Artikeln 34 und 35 aufgeführten Versagungsgründe auf die Korrektur von Rechtsfragen beschränkt und wird keine Sachfragen betreffen.

Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass ausländische Entscheidungen keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden dürfen und dass die Gerichte unverzüglich entscheiden müssen.

d)   Rechtsbehelf gegen die ausländische Entscheidung, deren Vollstreckung beantragt wird (Artikel 46)

160.

Es war keine Änderung der Vorschrift erforderlich, nach der ein nach Artikel 43 oder 44 mit dem Rechtsbehelf befasstes Gericht das Verfahren aussetzen kann, wenn gegen die Entscheidung im Ursprungsstaat ein Rechtsbehelf eingelegt worden ist. Artikel 46 gibt Artikel 38 des Übereinkommens von 1988 wieder und bedarf keines weiteren Kommentars (200).

4.    Einstweilige Maßnahmen einschließlich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind (Artikel 47)

161.

Artikel 47 enthält eine wichtige und bedeutungsreiche Neuerung im Vergleich zur entsprechenden Bestimmung in Artikel 39 des Übereinkommens von 1988, nach dem die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners nicht über Maßnahmen zur Sicherung hinausgehen durfte, solange die vorgesehene Frist für den Rechtsbehelf lief und solange über den Rechtsbehelf nicht entschieden war. Diese Vorschrift, nach der Sicherungsmaßnahmen erst erfolgen durften, wenn die erste Phase der Ausstellung der Vollstreckbarerklärung abgeschlossen war, ist in Artikel 47 Absatz 3 wieder aufgenommen worden, aber Artikel 47 Absatz 1 macht deutlich, dass Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden können, bevor die Vollstreckbarerklärung zugestellt wird und über etwaige Rechtsbehelfe entschieden worden ist. Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe war sich über das Erfordernis einer solchen Vorschrift einig, hat jedoch lange darüber beraten, an welcher Stelle diese vorgesehen werden sollte, d.h. ob sie in den Abschnitt über die Vollstreckung gehört oder vielmehr, wie die Kommission ursprünglich vorgeschlagen hatte, unmittelbar auf die Bestimmung folgen sollte, dass ausländische Entscheidungen anerkannt werden, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf (Artikel 33) (201).

162.

Die Frage der Platzierung der neuen Bestimmung war zum Teil mit der Frage verbunden, ob die Vollstreckung in dem Fall, dass eine Entscheidung die Kriterien für die Vollstreckbarkeit offensichtlich erfüllt, beginnen könnte, noch bevor die Vollstreckbarerklärung ergeht, so dass Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen werden könnten, auch wenn sie nicht endgültig wären. Es wurde jedoch argumentiert, dass es einen Unterschied zwischen Sicherungsmaßnahmen und einer einstweiligen Vollstreckung gibt und dass es zu Schwierigkeiten kommen kann, wenn die Vollstreckung in einem Staat beginnt und dann abgebrochen wird, weil keine Vollstreckbarerklärung ausgestellt wurde. In einigen Rechtssystemen sind Sicherungsmaßnahmen der erste Schritt im Verfahren der Vollstreckung, aber eine Verallgemeinerung dieses Konzepts wäre möglicherweise ein Eingriff in innerstaatliches Verfahrensrecht gewesen und hätte bedeutet, dass von dem in der Regel befolgten Grundsatz abgewichen worden wäre, dass die Vollstreckung dem Recht der einzelnen Staaten unterliegt und durch das Übereinkommen nicht berührt wird (202).

Aus diesen Gründen und um zu verhindern, dass die neue Bestimmung so ausgelegt wird, als ändere sie innerstaatliches Recht, wurde beschlossen, dass sie in den Artikel über einstweilige Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Vollstreckbarerklärung der Entscheidung aufgenommen wird. Nach Artikel 47 Absatz 1 ist der Antragsteller, wenn eine Entscheidung anzuerkennen ist, nicht daran gehindert, einstweilige Maßnahmen einschließlich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind, in Anspruch zu nehmen, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf, das heißt also vor der Ausstellung der Erklärung; dies darf so verstanden werden, dass die Beantragung solcher Maßnahmen bedeutet, dass der Gläubiger beabsichtigt, die Entscheidung vollstrecken zu lassen.

Mit Artikel 47 Absatz 1 wird also vom früheren Text insofern abgewichen, als einstweilige Maßnahmen einschließlich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind, erfolgen können, sobald die ausländische Entscheidung im Ursprungsstaat vollstreckbar ist, gleich ob eine Vollstreckbarerklärung ergangen ist oder nicht, immer vorausgesetzt, dass die Kriterien für eine Anerkennung im ersuchten Staat erfüllt sind. Was die in Frage kommenden Maßnahmen an sich betrifft, so überlässt Artikel 47 deren Klassifizierung, die Art und den Wert der Gegenstände, die hiervon erfasst werden können, die Voraussetzungen für die Gültigkeit der Maßnahmen und die genauen Bestimmungen über ihre Vollstreckung sowie die Prüfung ihrer Rechtmäßigkeit dem innerstaatlichen Recht des ersuchten Staates (203). Es ist ferner zu berücksichtigen, dass das innerstaatliche Recht, auf das im Übereinkommen Bezug genommen wird, in keinem Fall dazu führen darf, dass die diesbezüglich vom Übereinkommen selbst ausdrücklich oder stillschweigend aufgestellten Grundsätze in Frage gestellt werden, und daher in einer Weise angewandt werden muss, die mit den Grundsätzen von Artikel 47 vereinbar ist (204); letztere berechtigen den Antragsteller, einstweilige Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen von dem Zeitpunkt an zu beantragen, in dem die Entscheidung im Ursprungsstaat vollstreckbar wird.

163.

In den beiden übrigen Absätzen von Artikel 47 werden Absatz 1 und Absatz 2 von Artikel 39 des früheren Übereinkommens in umgekehrter Reihenfolge wieder aufgenommen; damit bleibt die Möglichkeit unangetastet, Sicherungsmaßnahmen gegen das Vermögen des Schuldners durchzuführen, solange die in Artikel 43 Absatz 5 vorgesehene Frist für den Rechtsbehelf gegen die Vollstreckbarerklärung läuft und solange über den Rechtsbehelf nicht entschieden ist, das heißt also nach der Ausstellung der Vollstreckbarerklärung. Da die Vollstreckbarerklärung die Befugnis gibt, solche Maßnahmen zu veranlassen, kann der Gläubiger wie gemäß dem Übereinkommen von 1988 solche Maßnahmen unmittelbar ohne eine spezielle Genehmigung veranlassen, auch wenn das innerstaatliche Verfahrensrecht des ersuchten Gerichts dies sonst verlangen würde (205). Auch hier darf die Anwendung innerstaatlichen Rechts in keinem Fall dazu führen, dass die vom Übereinkommen selbst aufgestellten Grundsätze in Frage gestellt werden; nach diesen Grundsätzen wird das Recht auf Veranlassung einstweiliger Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen aus der Vollstreckbarerklärung abgeleitet, so dass es keinerlei Rechtfertigung für eine zweite nationale Entscheidung gibt, mit der eine spezifische andere Genehmigung erteilt würde. Das innerstaatliche Recht darf die Befugnis des Gläubigers, Sicherungsmaßnahmen zu veranlassen, auch nicht von der Hinterlegung einer Garantie abhängig machen, da dies eine weitere Bedingung für die Maßnahmen selbst wäre, was dem eindeutigen Wortlaut des Übereinkommens widersprechen würde; die Ad-hoc-Arbeitsgruppe hat einen Vorschlag, Artikel 47 dahin gehend zu ändern, geprüft, hat den Vorschlag jedoch verworfen.

164.

Die Aufnahme der neuen Bestimmung bedeutet, dass das Übereinkommen einstweilige Maßnahmen oder Sicherungsmaßnahmen nun in drei verschiedenen Situationen vorsieht: die erste Situation allgemeiner Art wird durch Artikel 31 geregelt, der sich in erster Linie, aber nicht ausschließlich, auf den Zeitraum bezieht, in dem das Hauptverfahren im Ursprungsstaat geführt wird; die zweite Situation entsteht im ersuchten Staat, wenn die Vollstreckbarkeit der ausländischen Entscheidung erklärt werden soll, die Erklärung aber noch nicht ergangen ist (Artikel 47 Absatz 1); die dritte Situation liegt nach der Vollstreckbarerklärung vor, solange die Frist für den Rechtsbehelf läuft und solange über den Rechtsbehelf noch nicht entschieden ist (Artikel 47 Absatz 3). Hinsichtlich der Art der Maßnahmen, die in diesen Situationen erfolgen können, und der Regeln für diese Maßnahmen sowie ihre Mechanismen und ihre Zulässigkeit nimmt das Übereinkommen ausgiebig auf innerstaatliches Recht Bezug, aber innerstaatliches Recht gilt nur vorbehaltlich der im Übereinkommen selbst festgelegten Grundsätze und darf, wie oben erläutert wurde, nicht zu Ergebnissen führen, die mit diesen Grundsätzen unvereinbar sind. Dies ist von besonderer Bedeutung für die Voraussetzungen, die im konkreten Einzelfall Sicherungsmaßnahmen rechtfertigen. Die Voraussetzungen werden durch innerstaatliches Recht geregelt, aber wenn das nationale Gericht im Hinblick auf die Anordnung der Maßnahmen prüft, ob die grundlegenden Voraussetzungen für einen Prima-facie-Fall (fumus boni juris) und für Dringlichkeit (periculum in mora) erfüllt sind, muss es dies in Anbetracht und unter Achtung der Zwecke der Bestimmungen des Übereinkommens für die drei genannten Situationen tun.

Ein Gericht, das eine Maßnahme im Rahmen von Artikel 31 anordnet, kann frei entscheiden, ob es sich um einen Prima-facie-Fall handelt oder nicht und ob eine Dringlichkeit vorliegt oder nicht, während im Rahmen von Artikel 47 Absatz 1 das Vorliegen eines Prima-facie-Falles aus der Entscheidung folgt, um deren Anerkennung es geht, und es nicht mit dem Grundsatz vereinbar wäre, dass der Antragsteller berechtigt ist, Sicherungsmaßnahmen auf der Grundlage einer ausländischen Entscheidung zu veranlassen, wenn das Gericht selbst eine Prüfung vornimmt; die Prüfung des Gerichts ist daher auf die Frage der Dringlichkeit beschränkt. Bei Sicherungsmaßnahmen im Rahmen von Artikel 47 Absatz 3 wiederum darf weder das Vorliegen eines Prima-facie-Falles noch der Dringlichkeit geprüft werden, da die Vollstreckbarerklärung die Befugnis gibt, solche Maßnahmen zu veranlassen, und eine Prüfung, ob diese notwendig sind, die sich von der Prüfung der Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung unterscheidet, ist nach dem Übereinkommen nicht zulässig.

5.    Sonstige Vorschriften über die Vollstreckung

a)   Vollstreckung nur hinsichtlich bestimmter Ansprüche; Vollstreckung eines Teils des Gegenstands (Artikel 48)

165.

Artikel 48 Absatz 1 sieht vor, dass die Vollstreckbarkeit nur für einen oder mehrere der Ansprüche, die Gegenstand der ausländischen Entscheidung waren, erklärt werden kann; er ist mit Artikel 42 des Übereinkommens von 1988 identisch, außer was die redaktionellen Änderungen betrifft, die aufgrund des neuen Verfahrens erforderlich waren, in dem das Gericht nicht mehr die Vollstreckung „zulässt“, sondern lediglich die Vollstreckbarerklärung „erteilt“. Die wahrscheinlichsten Fälle für eine Vollstreckbarerklärung dieser Art sind Fälle, in denen ein Teil der Entscheidung der öffentlichen Ordnung (ordre public) widersprechen könnte oder in denen der Antragsteller die Vollstreckbarerklärung nur für einen Teil oder mehrere Teile der Entscheidung beantragt, da er an den übrigen Teilen keine Interesse hat, oder, was häufiger vorkommt, die ausländische Entscheidung sich auf einige Gegenstände, die in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen, und auf einige, die nicht in dessen Anwendungsbereich fallen, bezieht. Es sei darauf hingewiesen, dass die Ansprüche, die Gegenstand der Entscheidung sind, nicht formal unterschiedlich sein müssen, damit diese Vorschrift angewandt werden kann. Wenn durch eine Entscheidung verschiedene Pflichten auferlegt werden, von denen nur einige in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen, so kann die Entscheidung teilweise vollstreckt werden, sofern die Zwecke, zu denen die verschiedenen Teile der Entscheidung dienen, eindeutig dargelegt werden (206).

166.

Ebenfalls unverändert bleibt, abgesehen von einigen redaktionellen Änderungen, die Vorschrift in Absatz 2, die es dem Antragsteller gestattet, die Vollstreckbarerklärung nur für einen Teil des Gegenstands der Verurteilung zu beantragen, und zwar auch innerhalb eines einzelnen Entscheidungssatzes, bei dem es nicht möglich ist, zwischen verschiedenen Teilen je nach ihrem Zweck zu unterscheiden. Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe hat geprüft, ob diese Bestimmung wegen des automatischen Charakters des ersten Abschnitts des Verfahrens und der Wirkung von Artikel 52, der die Erhebung von nach dem Streitwert abgestuften Stempelabgaben oder Gebühren verbietet, gestrichen werden sollte (207). Die Vorschrift ist jedoch nicht durch finanzielle Erwägungen begründet, und ihre Streichung hätte zu der Annahme führen können, dass der Gläubiger immer verpflichtet ist, die Vollstreckung aller Teile der Entscheidung zu beantragen. Nach Absatz 2, der infolgedessen nicht geändert wurde, kann ein Antragsteller, dessen Anspruch teilweise erloschen ist, seitdem die ausländische Entscheidung ergangen ist, daher beantragen, dass die die Bescheinigung ausstellende Behörde vermerkt, dass die Vollstreckung nur bis zu einem bestimmten Betrag beantragt wird, und er kann diesen Antrag auch im zweiten Abschnitt des Verfahrens stellen, wenn ein Rechtsbehelf vom Antragsteller selbst oder vom Schuldner eingelegt wird.

b)   Entscheidungen, die auf Zahlung eines Zwangsgelds lauten (Artikel 49)

167.

In diesem Artikel ist die entsprechende Bestimmung des Übereinkommens von 1988 Wort für Wort wiedergegeben; sie besagt, dass ausländische Entscheidungen, die auf Zahlung eines Zwangsgelds lauten (beispielsweise wegen Nichteinhaltung einer Frist), im Vollstreckungsstaat nur vollstreckbar sind, wenn die Höhe des Zwangsgelds durch die Gerichte im Ursprungsstaat endgültig festgesetzt ist (208). Es ist darauf hingewiesen worden, dass diese Vorschrift die Frage offen lässt, ob auch Zwangsgeld für die Missachtung einer Gerichtentscheidung, das nicht dem Gläubiger, sondern dem Staat zufließt, erfasst ist (209). Bei der Revision ist vorgeschlagen worden, dass der Wortlaut sinnvollerweise entsprechend präzisiert werden könnte. Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe hat es jedoch vorgezogen, Zwangsgelder an den Staat nicht ausdrücklich in den Wortlaut aufzunehmen, da eine Entscheidung zugunsten des Staates strafrechtlichen Charakter haben könnte, so dass mit einer Änderung hier möglicherweise ein strafrechtlicher Aspekt in ein Übereinkommen aufgenommen würde, das sich mit zivil- und handelsrechtlichen Fragen befasst. Die Bestimmung kann daher so verstanden werden, dass Zwangsgelder an den Staat nur erfasst sind, wenn sie eindeutig zivilrechtlicher Art sind und sofern ihre Vollstreckung von privater Seite im Verfahren der Vollstreckbarerklärung der Entscheidung beantragt wird, und zwar ungeachtet dessen, dass die Zahlungen an den Staat zu erfolgen haben.

c)   Prozesskostenhilfe (Artikel 50)

168.

Es gibt keine Änderung des in diesem Artikel festgelegten Grundsatzes, nach dem ein Antragsteller, dem im Ursprungsstaat ganz oder teilweise Prozesskostenhilfe oder Kosten- und Gebührenbefreiung gewährt worden ist, hinsichtlich der Prozesskostenhilfe oder der Kosten- und Gebührenbefreiung die günstigste Behandlung genießt, die das Recht des Vollstreckungsstaats vorsieht (siehe Jenard-Bericht, S. 54, und Schlosser-Bericht, Nummern 223-224). Der Anwendungsbereich ist jedoch weiter gefasst, da er das gesamte Verfahren nach Abschnitt 2 über die Vollstreckung, einschließlich der Rechtsmittelverfahren, erfasst (210). Die Gründe für die Prozesskostenhilfe oder die Kosten- und Gebührenbefreiung sind nicht relevant: sie werden durch das Recht des Ursprungsstaats bestimmt und unterliegen keiner Nachprüfung. Es sei daran erinnert, dass auf der Bescheinigung der Stelle, die die Entscheidung erlassen hat, deren Anerkennung und Vollstreckung beantragt wird, anzugeben ist, ob der Antragsteller Prozesskostenhilfe erhalten hat oder nicht; dies reicht dafür aus, dass der Antragsteller im ersuchten Staat gegebenenfalls entsprechend berechtigt ist.

Artikel 50 Absatz 2 ist dadurch begründet, dass der Rolle der Verwaltungsbehörden einiger Länder, die in Unterhaltssachen unentgeltlich tätig sind, Rechnung getragen werden muss; auch im Falle von Norwegen ist festgestellt worden, dass dies notwendig ist, und Norwegen kommt daher zu Dänemark und Island hinzu, die in der entsprechenden Bestimmung des Übereinkommens von 1988 bereits aufgeführt waren.

d)   Sicherheitsleistung für Kosten, Stempelabgaben oder Gebühren (Artikel 51 und 52)

169.

In Artikel 51 ist die entsprechende Bestimmung des Übereinkommens von 1988 wiedergegeben (211). Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe hat erörtert, ob für Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat das Verbot der Auferlegung einer Sicherheitsleistung für die Prozesskosten (cautio judicatum solvi) auf das Ursprungsverfahren ausgeweitet werden sollte. Damit wäre jedoch eine einheitliche Regel eingeführt worden, die für die Freizügigkeit von Entscheidungen nicht unbedingt erforderlich ist, und die Arbeitsgruppe hat es vorgezogen, nicht in die einzelstaatlichen Regelungen einzugreifen. Es sei auch darauf hingewiesen, dass die Auferlegung einer Sicherheitsleistung wegen der Eigenschaft als Ausländer oder wegen Fehlens eines inländischen Wohnsitzes oder Aufenthalts in einigen durch das Übereinkommen gebundenen Staaten bereits durch das Haager Übereinkommen vom 1. März 1954 über den Zivilprozess (Artikel 17) und das Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über den internationalen Zugang zur Justiz (Artikel 14) untersagt ist und dass eine Sicherheitsleistung wegen der Staatsangehörigkeit in Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft ohnehin untersagt ist.

In Artikel 52 ist Artikel III des Protokolls Nr. 1 zum Übereinkommen von 1988 wiedergegeben; demnach dürfen im Vollstreckungsstaat im Vollstreckbarerklärungsverfahren keine nach dem Streitwert abgestuften Stempelabgaben oder Gebühren erhoben werden.

KAPITEL V

ÖFFENTLICHE URKUNDEN UND PROZESSVERGLEICHE

1.    Öffentliche Urkunden (Artikel 57)

170.

In Artikel 57 ist im Wesentlichen die entsprechende Bestimmung des Übereinkommens von 1988 (Artikel 50; zu Erläuterungen siehe Jenard-Bericht, S. 56, und Schlosser-Bericht, Nummer 226) wiedergegeben, an der jedoch einige Änderungen vorgenommen wurden, um sie an das neue Übereinkommen anzupassen (212). Der Gerichtshof hat objektive Kriterien aufgestellt, anhand deren sich bestimmen lässt, ob es sich um eine Urkunde handelt, die nach dieser Bestimmung für vollstreckbar erklärt werden kann. Er hat befunden, dass die Beweiskraft der Urkunde unbestreitbar sein muss und dass Privaturkunden, da ihnen als solchen keine derartige Beweiskraft zukommt, erst durch die Beteiligung einer Behörde oder einer anderen vom Ursprungsstaat ermächtigten Stelle zu öffentlichen Urkunden werden können (213). Die Auslegung des Gerichtshofs stützt sich hier auf den Bericht über das Übereinkommen von 1988, dem zufolge die Beurkundung von einer Behörde vorgenommen worden sein und sich auf den Inhalt der Urkunde und nicht nur auf die Unterschrift beziehen muss (214). Selbstverständlich dürfen Urkunden nur für vollstreckbar erklärt werden, wenn sie im Ursprungsstaat vollstreckbar sind.

Nach Artikel 57 Absatz 2 werden auch vor Verwaltungsbehörden geschlossene oder von ihnen beurkundete Unterhaltsvereinbarungen oder -verpflichtungen als öffentliche Urkunden angesehen. Diese Bestimmung wurde aufgenommen, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass in einigen Staaten Unterhaltsfragen nicht vor Gerichten, sondern vor Verwaltungsbehörden verhandelt werden, die ermächtigt sind, Vereinbarungen zwischen den Parteien entgegenzunehmen, sie zu beglaubigen und sie somit vollstreckbar zu machen.

171.

Öffentliche Urkunden unterliegen dem in Artikel 38ff. des Übereinkommens niedergelegten neuen Verfahren zur Vollstreckbarerklärung. Im zweiten Abschnitt des Verfahrens kann das Gericht die Vollstreckbarerklärung nur versagen oder aufheben, wenn die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Vollstreckungsstaats offensichtlich widersprechen würde. Die Einschränkung, wonach die öffentliche Ordnung (ordre public) der einzige Versagungsgrund ist, wurde aus der entsprechenden Bestimmung des Übereinkommens von 1988 übernommen. Wie bei gerichtlichen Entscheidungen beginnt das Verfahren zur Vollstreckbarerklärung damit, dass die zuständige Behörde des durch das Übereinkommen gebundenen Staates, in dem die Urkunde aufgenommen oder registriert wurde, eine Bescheinigung unter Verwendung des Formblatts in Anhang VI des Übereinkommens ausstellt. In dem Formblatt ist die befugte Stelle anzugeben, aufgrund deren Mitwirkung eine öffentliche Urkunde vorliegt; dabei kann diese Behörde/Stelle an der Aufnahme der Urkunde mitgewirkt oder die Urkunde lediglich registriert haben. Die Benennung der Behörden bzw. Stellen, die zur Ausstellung der Bescheinigung befugt sind, ist Sache des betreffenden Mitgliedstaats; in Staaten, die das Amt des Notars kennen, kann es sich dabei auch um einen Notar handeln.

Die Anwendung des zur Vollstreckbarerklärung führenden Verfahrens erfordert möglicherweise einige Anpassungen in Bezug auf öffentliche Urkunden, damit der spezifischen Art der zu vollstreckenden Urkunde Rechnung getragen wird. So kann beispielsweise die in Artikel 46 vorgesehene Aussetzung des Verfahrens für den Fall, dass im Ursprungsstaat ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt worden ist, sich bei öffentlichen Urkunden auch auf erstinstanzliche Verfahren beziehen, wenn im Ursprungsstaat die Anfechtung der Gültigkeit einer öffentlichen Urkunde nach diesen Verfahren erfolgt.

2.    Prozessvergleiche (Artikel 58)

172.

Artikel 58 bestätigt, dass Vergleiche, die vor einem Gericht im Laufe eines Verfahrens geschlossen und in dem durch das Übereinkommen gebundenen Staat, in dem sie errichtet wurden, vollstreckbar sind, für die Zwecke der Vollstreckbarerklärung wie öffentliche Urkunden behandelt werden, wie es auch im Übereinkommen von 1988 vorgesehen war (siehe Jenard-Bericht, S. 56). Allerdings stützt sich das Verfahren zur Vollstreckbarerklärung nicht auf die Bescheinigung über öffentliche Urkunden, sondern auf der Bescheinigung über Urteile in Anhang V.

KAPITEL VI

ALLGEMEINE VORSCHRIFTEN UND ÜBERGANGSVORSCHRIFTEN

1.    Allgemeine Vorschriften (Artikel 59 bis 62)

1.   Wohnsitz (Artikel 59-60)

173.

Die Artikel 59 und 60 betreffen die Definition des Begriffs „Wohnsitz“ bei natürlichen und juristischen Personen. Diese Frage wurde bereits im Zusammenhang mit den allgemeinen Regeln für die gerichtliche Zuständigkeit (Nummern 26-3) erörtert.

2.   Fahrlässig begangene Straftaten vor Strafgerichten (Artikel 61)

174.

In Artikel 61 ist die entsprechende Bestimmung aus Artikel II des Protokolls Nr. 1 zum Übereinkommen von 1988 übernommen worden; er wurde bereits im Zusammenhang mit Artikel 5 Nummer 4 behandelt (siebe oben Nummern 64-66).

3.   Definition des Begriffs „Gericht“ (Artikel 62)

175.

In dem Übereinkommen wird mehrfach der Begriff „Gericht“ verwendet, wenn es um die Zuständigkeit eines Gerichts, seine Befugnisse hinsichtlich der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und ganz allgemein seine Rolle im System der in dem Übereinkommen vorgesehenen und geregelten justiziellen Zusammenarbeit geht. Würde der Begriff in einigen Rechtssystemen im engeren Sinne dahingehend ausgelegt, dass er eine der Justizstruktur eines Staates förmlich zugeordnete Behörde bezeichnet, so würde er möglicherweise nicht alle Behörden erfassen, die in diesen Rechtssystemen eine oder mehrere der Funktionen ausüben, die in dem Übereinkommen einem „Gericht“ zugewiesen werden. Als Beispiel lassen sich hier die Befugnisse in Bezug auf Unterhaltsverpflichtungen anführen, die nach norwegischem und isländischem Recht den Verwaltungsbehörden zukommen, während das Übereinkommen sie den Gerichten zuordnet, oder auch die Befugnisse, die nach schwedischem Recht den regionalen Verwaltungsbehörden zustehen, welche in bestimmten Fällen gerichtliche Funktionen in summarischen Mahnverfahren ausüben.

Dass diese Behörden als „Gerichte“ zu gelten haben, war bereits in Artikel Va des Protokolls Nr. 1 zum Übereinkommen von 1988 vorgesehen (215). Das Übereinkommen legt nun eine allgemeinere Regel fest; der Begriff „Gericht“ wird weiter gefasst und bezeichnet nun jede Behörde in einem nationalen Rechtssystem, die für die in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallenden Rechtsgebiete zuständig ist. Mit der entsprechenden Formulierung werden die „Gerichte“, die das Übereinkommen anwenden müssen, aufgrund der von ihnen ausgeübten Funktionen und nicht nach ihrer förmlichen Einordnung im nationalen Recht bestimmt. Im Unterschied zu der spezifischen Bestimmung in Artikel Va des Protokolls Nr. 1 – und der analogen Bestimmung in Artikel 62 der Brüssel-I-Verordnung (216) – hat der neue Artikel 62 allgemeinen Charakter und erfasst sogar andere als die derzeit in den durch das Übereinkommen gebundenen Staaten bestehenden Verwaltungsbehörden; damit entfällt die Notwendigkeit zur Änderung des Übereinkommens im Falle des Beitritts weiterer Staaten. Ferner lassen sich unter den Begriff „Gericht“ auch die im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft errichteten Behörden oder Ämter und Agenturen fassen, wie etwa das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) mit Sitz in Alicante, das in Bezug auf gewerbliche Schutzrechte bestimmte gerichtliche Funktionen ausübt.

2.    Übergangsvorschriften (Artikel 63)

176.

In Artikel 63 ist die entsprechende Bestimmung des Übereinkommens von 1988 (Artikel 54) wiedergegeben: Absatz 1 sieht vor, dass das Übereinkommen nur auf solche Klagen und öffentliche Urkunden anzuwenden ist, die erhoben oder aufgenommen worden sind, nachdem das Übereinkommen im Ursprungsstaat und, sofern die Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung oder einer öffentlichen Urkunde geltend gemacht wird, im ersuchten Staat in Kraft getreten ist. In Absatz 2 wird bekräftigt, dass, wenn die Klage im Ursprungsstaat vor dem Inkrafttreten des Übereinkommens erhoben worden ist, die nach diesem Zeitpunkt erlassenen Entscheidungen nach Maßgabe des Titels III anerkannt werden, sofern die Zuständigkeitsvorschriften des Titels II eingehalten wurden oder die Zuständigkeit auf einem Abkommen beruht, das zwischen dem Ursprungsstaat und dem ersuchten Staat in Kraft ist. In Absatz 2 geht dieser Vorschrift jedoch eine Bestimmung vor, wonach die Zuständigkeit nicht überprüft werden muss, wenn die Klage im Ursprungsstaat erhoben wurde, nachdem das Übereinkommen von 1988 sowohl im Ursprungsstaat als auch im ersuchten Staat in Kraft getreten war. Entscheidungen über Klagen, die eingereicht wurden, während das Übereinkommen von 1988 in Kraft war, werden daher genau so behandelt wie Entscheidungen, die nach dem Inkrafttreten des neuen Übereinkommens ergangen sind.

Gestrichen wurde Absatz 3 des früheren Artikels 54, der die Zuständigkeit der Gerichte Irlands und des Vereinigten Königreichs in den Fällen, in denen das auf einen Vertrag anzuwendende Recht vor dem Inkrafttreten jenes Übereinkommens vereinbart worden war, betraf, da er hinfällig geworden ist.

Der neue Text enthält auch nicht mehr die Bestimmung des früheren Artikels 54A, wonach sich während einer Zeit von drei Jahren nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens für Dänemark, Griechenland, Irland, Island, Norwegen, Finnland und Schweden die Zuständigkeit in Seerechtssachen in jedem dieser Staaten auch nach den in den Nummern 1 bis 7 des genannten Artikels aufgeführten Vorschriften bestimmt, es sei denn, dass vor Ablauf des Dreijahreszeitraums für diese Staaten das in Brüssel am 10. Mai 1952 unterzeichnete Internationale Übereinkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über den Arrest in Seeschiffe in Kraft tritt. Diese Bestimmung ist überholt, da der Dreijahreszeitraum abgelaufen ist und das Übereinkommen von 1952 für die meisten der betreffenden Staaten in Kraft getreten ist (217).

KAPITEL VII

VERHÄLTNIS ZU ANDEREN RECHTSINSTRUMENTEN

177.

Auf das Verhältnis zwischen dem Lugano-Übereinkommen und der Brüssel-I-Verordnung, dem Brüsseler Übereinkommen und dem Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Dänemark wurde bereits eingegangen (siehe oben Nummern 18-22). Nachstehend wird nun das Verhältnis zu anderen Übereinkünften erörtert.

1.   Übereinkünfte, die sich auf dieselben Rechtsgebiete erstrecken (Artikel 65 und 66)

178.

In Artikel 65 wurde – mit den redaktionellen Änderungen aufgrund der Revision des Übereinkommens – die entsprechende Bestimmung des Übereinkommens von 1988 (Artikel 55) übernommen und der Grundsatz bestätigt, dass das Übereinkommen im Verhältnis zwischen den durch das Übereinkommen gebundenen Staaten die zwischen zwei oder mehr von ihnen bestehenden Übereinkünfte ersetzt, die sich auf die dieselben Rechtsgebiete erstrecken wie das neue Übereinkommen. Dies berührt nicht die Bezugnahmen auf andere derartige Übereinkünfte in Artikel 63 Absatz 2, Artikel 66 und Artikel 67; die letztere Bezugnahme wurde hinzugefügt, da sie in der entsprechenden Bestimmung des Übereinkommens von 1988 nicht enthalten war (218). Artikel 65 unterscheidet sich auch insoweit von dem früheren Text, als die ersetzten Übereinkommen dort nicht aufgelistet sind, sondern statt dessen auf Anhang VII verwiesen wird.

Artikel 66 bleibt ebenfalls unverändert gegenüber der entsprechenden Bestimmung des Übereinkommens von 1988 (Artikel 56): Er bestimmt, dass die ersetzten Übereinkünfte ihre Wirksamkeit für die Rechtsgebiete behalten, auf die das Lugano-Übereinkommen nicht anzuwenden ist.

2.   Übereinkünfte über besondere Rechtsgebiete (Artikel 67)

179.

Die Bestimmung des Übereinkommens von 1988, die sich mit Übereinkünften für besondere Rechtsgebiete befasst, wurde von manchen als unklar und schwer auslegbar angesehen; es wurde daher gefordert, sie erneut einer Überprüfung zu unterziehen, um Unsicherheiten der Auslegung zu vermeiden. Die Ad-hoc-Gruppe war jedoch der Ansicht, dass keine größeren Änderungen am Wortlaut vorgenommen werden sollten, da die Klarstellungen in den Berichten über das Brüsseler Einkommen in der Fassung von 1978 und über das Lugano-Übereinkommen von 1988 ihres Erachtens ausreichen, die meisten Unsicherheiten, zu denen es bei der Anwendung der Bestimmung kommen könnte, auszuschließen. (Zu Erläuterungen siehe Schlosser-Bericht, Nummern 238-246, und Jenard/Möller-Bericht, Nummern 79-84.)

Nicht geändert wird daher der Grundsatz, dass bestehende und künftige Übereinkünfte zu besonderen Rechtsgebieten dem Lugano-Übereinkommen vorgehen (Absatz 1), bzw. die Möglichkeit, die Zuständigkeit auch dann auf die besondere Übereinkunft zu stützen, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in einem anderen durch das Lugano-Übereinkommen gebundenen Staat hat, der nicht Vertragspartei der besonderen Übereinkunft ist, wobei jedoch stets Artikel 26 anzuwenden ist (Absatz 2); es sei jedoch darauf hingewiesen, dass dieser Grundsatz nur Anwendung findet, soweit dies in der besonderen Übereinkunft vorgesehen ist. Die Bestimmung, die Übereinkünften für besondere Rechtsgebiete Vorrang verleiht, stellt eine Ausnahme von der allgemeinen Regel dar, wonach das Lugano-Übereinkommen anderen zwischenstaatlichen Übereinkünften in Fragen der Zuständigkeit vorgeht; diese Ausnahme ist streng auszulegen, so dass die Anwendung des Lugano-Übereinkommens nur in Fragen ausgeschlossen wird, die in einer besonderen Übereinkunft ausdrücklich geregelt sind (219).

180.

Artikel 67 sieht ferner eine Einschränkung hinsichtlich des Abschlusses künftiger Übereinkünfte vor, die im Übereinkommen von 1988 nicht enthalten war: Das Lugano-Übereinkommen steht dem Abschluss derartiger Übereinkünfte nicht entgegen, doch ist nun bestimmt, dass dieser unbeschadet der Verpflichtungen aus anderen Übereinkünften, denen manche Vertragsparteien angehören, erfolgt. Es sei daran erinnert, dass die Brüssel-I-Verordnung (Artikel 71) nicht den Abschluss von Übereinkünften für bestimmte Rechtsgebiete vorsieht, sondern nur auf bestehende Übereinkünfte Bezug nimmt, die weiter gelten sollen. Diese Bestimmung trägt dem Umstand Rechnung, dass die Gemeinschaft – und nicht die Mitgliedstaaten – zum Abschluss von Übereinkünften über die Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen, die die Brüssel-I-Verordnung berühren könnten, befugt ist; diese Befugnis der Gemeinschaft wurde vom Gerichtshof in dem Gutachten 1/03 bestätigt; danach besitzt die Gemeinschaft eine ausschließliche Befugnis in Fragen, die in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen (220). Daher ist der Schluss zu ziehen, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft keine weiteren Übereinkünfte für besondere Rechtsgebiete schließen dürfen, außer in dem unwahrscheinlichen Fall, dass diese Übereinkünfte nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen, oder wenn die Gemeinschaft die Mitgliedstaaten zum Abschluss solcher Übereinkünfte ermächtigt.

181.

Eine Änderung hinsichtlich der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen hängt bis zu einem gewissen Maße mit dieser Frage zusammen. Nicht geändert wurde die Vorschrift, wonach Entscheidungen, die in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat von einem Gericht erlassen worden sind, das seine Zuständigkeit auf eine Übereinkunft über ein besonderes Rechtsgebiet gestützt hat, in den anderen durch das Übereinkommen gebundenen Staaten nach Titel III des Übereinkommens anerkannt und vollstreckt werden müssen (Absatz 3), bzw. der in Titel III zusätzlich aufgenommene Versagungsgrund, wonach die Anerkennung oder Vollstreckung außer den in Titel III vorgesehenen Gründen auch versagt werden kann, wenn der ersuchte Staat der Übereinkunft über ein besonderes Rechtsgebiet nicht angehört und die Partei, gegen die die Anerkennung oder Vollstreckung geltend gemacht wird, ihren Wohnsitz in diesem Staat hat (Absatz 4). In Absatz 4 ist nun jedoch ein weiterer Versagungsgrund vorgesehen: so kann die Anerkennung und Vollstreckung auch versagt werden, wenn die betreffende Partei ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft hat und wenn der ersuchte Staat ein Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ist und die Übereinkunft von der Europäischen Gemeinschaft geschlossen werden müsste; das heißt, dass der Abschluss der Übereinkunft in die Zuständigkeit der Gemeinschaft und nicht der Mitgliedstaaten fällt. Mit dieser Regel soll die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in der Europäischen Gemeinschaft ausgeschlossen werden, die aufgrund von Zuständigkeitsregeln ergangen sind, deren Inhalt von den Organen der Gemeinschaft hätte ausgehandelt werden müssen.

Diese Änderung bedeutet beispielsweise, dass die Entscheidung eines schweizerischen Gerichts, das seine Zuständigkeit auf eine Übereinkunft über ein besonderes Rechtsgebiet gestützt hat, von den anderen durch das Lugano-Übereinkommen gebundenen Staaten nach Maßgabe des Titels III anerkannt wird. Hat die Partei, gegen die die Anerkennung oder Vollstreckung geltend gemacht wird, ihren Wohnsitz im ersuchten Staat, kann die Anerkennung versagt werden. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob der ersuchte Staat ein nicht der Europäischen Gemeinschaft angehörender Staat (z. B. Norwegen) oder ein Mitgliedstaat (z. B. Frankreich) ist. Ist der ersuchte Staat jedoch ein Mitgliedstaat der Gemeinschaft, so kann er auch die Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung gegen einen Beklagten, der seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft (z. B. Italien) hat, versagen, wenn die besondere Übereinkunft, auf die das schweizerische Gericht seine Zuständigkeit gestützt hat, eine Frage betrifft, die in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fällt. Die Entscheidung kann jedoch anderweitig nach dem Recht des ersuchten Staates anerkannt werden.

182.

Ohne Änderung bleibt schließlich auch die Bestimmung in Absatz 5; diese sieht vor, dass, wenn die Voraussetzungen für die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in einer Übereinkunft über ein besonderes Rechtsgebiet geregelt sind, der sowohl der Ursprungsstaat als auch der ersuchte Staat angehören, diese Voraussetzungen zwar gelten, aber dennoch das Lugano-Übereinkommen hinsichtlich der Verfahren zur Anerkennung und Vollstreckung angewandt werden kann.

Gemeinschaftliche Rechtsinstrumente, die die gerichtliche Zuständigkeit oder die Anerkennung oder Vollstreckung von Entscheidungen in Bezug auf besondere Rechtsgebiete regeln, sind gemäß Protokoll 3 in der gleichen Weise wie Übereinkünfte für besondere Rechtsgebiete zu behandeln (siehe unten Nummer 206).

3.   Übereinkünfte über Nichtanerkennungsverpflichtungen (Artikel 68)

183.

In Artikel 68 ist weitgehend (mit einigen redaktionellen Änderungen) die entsprechende Bestimmung des Übereinkommens von 1988 (Artikel 59) wiedergegeben: Er sieht vor, dass Übereinkünfte weiter gelten, durch die sich die durch das Lugano-Übereinkommen gebundenen Staaten sich verpflichtet haben, Entscheidungen der Gerichte anderer durch das Übereinkommen gebundener Staaten gegen Beklagte, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat haben, nicht anzuerkennen, wenn die Entscheidungen in den Fällen des Artikels 4 die Entscheidung nur auf einen der in Artikel 3 Absatz 2 angeführten Zuständigkeitsgründe gestützt werden könnten. Diese Bestimmung war in das Brüsseler Übereinkommen aufgenommen worden, um innerhalb der Gemeinschaft die Auswirkungen der Anerkennung von Entscheidungen zu mildern, die auf der Grundlage exorbitanter Zuständigkeitsregeln ergangen sind (221); sie wurde anschließend in das Lugano-Übereinkommen übernommen, zusammen mit einer Beschränkung in Bezug auf die Möglichkeit, Übereinkünfte dieser Art mit Staaten, die nicht dem Übereinkommen angehören, zu schließen; solche Übereinkünfte sind nach Absatz 2 in den Fällen ausgeschlossen, in denen das Gericht des Ursprungsstaats seine Zuständigkeit auf das Vorhandensein von Vermögenswerten des Beklagten in diesem Staat oder die Beschlagnahme von dort vorhandenem Vermögen durch den Kläger gestützt hat (222).

184.

Der Anwendungsbereich dieser Bestimmung wurde im neuen Übereinkommen noch weiter eingeschränkt. Während im Übereinkommen von 1988 noch die Anwendbarkeit bestehender und künftiger Übereinkünfte dieser Art anerkannt und die Staaten damit neue Übereinkünfte dieser Art schließen konnten, wird in Artikel 68 Absatz 1 des neuen Übereinkommens nur allgemein auf vor seinem Inkrafttreten geschlossene Übereinkünfte Bezug genommen; künftig dürfen derartige Übereinkünfte nur geschlossen werden, sofern sie nicht im Widerspruch zu Verpflichtungen aus anderen Übereinkünften, denen manche Vertragsparteien angehören, stehen. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Brüssel-I-Verordnung (Artikel 72) nicht die Möglichkeit zum Abschluss künftiger Übereinkünfte vorsieht; sie bezieht sich nur auf Übereinkünfte, die vor ihrem Inkrafttreten geschlossen wurden, und untersagt so implizit den Mitgliedstaaten, neue Übereinkünfte dieser Art zu schließen. Wie bereits zu Artikel 67 ausgeführt (223), trägt diese Bestimmung dem Umstand Rechnung, dass die Gemeinschaft – und nicht die Mitgliedstaaten – befugt ist, Übereinkünfte über die Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen zu schließen, die die Brüssel-I-Verordnung berühren könnten; dies wird vom Gerichtshof im Gutachten 1/03 bestätigt, wonach die Gemeinschaft eine ausschließliche Befugnis in Fragen besitzt, die in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen (224). Daher dürfen nunmehr nur die durch das Übereinkommen gebundenen Staaten, die nicht der Europäischen Gemeinschaft angehören, nach Artikel 68 Übereinkünfte über Nichtanerkennungsverpflichtungen mit nicht durch das Übereinkommen gebundenen Staaten schließen.

Der Umstand, dass Staaten auch künftig Nichtanerkennungsübereinkünfte mit nicht durch das Übereinkommen gebundenen Staaten schließen dürfen, hat die Ad-hoc-Arbeitsgruppe bewogen, den Vorschlag nicht aufzugreifen, wonach Artikel 68 Absatz 2 gestrichen und der Artikel so an die entsprechende Bestimmung der Brüssel-I-Verordnung (die selbstverständlich keinen solchen Absatz enthält, da dieser nur greift, wenn Staaten künftig derartige Übereinkünfte schließen dürfen) angeglichen werden sollte, und an der in Absatz 2 bereits vorgesehenen Beschränkung hinsichtlich der Handlungsfreiheit der Staaten festzuhalten.

KAPITEL VIII

SCHLUSSVORSCHRIFTEN

1.    Unterzeichnung, Ratifikation und Inkrafttreten (Artikel 69)

185.

Das Übereinkommen liegt für die Europäische Gemeinschaft, Dänemark und die Staaten, die Mitglieder der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) sind, zur Unterzeichnung auf. Wie bereits erwähnt (Nummer 8), wurde das Übereinkommen am 30. Oktober 2007 von der Europäischen Gemeinschaft, der Schweiz, Norwegen und Island und am 5. Dezember 2007 von Dänemark unterzeichnet. Das Übereinkommen bedarf der Ratifikation; wie beim Übereinkommen von 1988 fungiert der Schweizerische Bundesrat als Verwahrer des Übereinkommens, das im Schweizerischen Bundesarchiv hinterlegt wird (Artikel 79). Es tritt am ersten Tag des sechsten Monats in Kraft, der auf den Tag folgt, an dem die Europäische Gemeinschaft und ein EFTA-Mitglied ihre Ratifikationsurkunden hinterlegt haben. Dieser Zeitraum ist doppelt so lang wie der Zeitraum, der für das Inkrafttreten des Übereinkommens von 1988 vorgesehen war; bei der Festlegung des Zeitraums wurde der Zeitbedarf für die Anpassung des innerstaatlichen Rechts in den durch das Übereinkommen gebundenen Staaten berücksichtigt. Für später ratifizierende oder beitretende Staaten tritt das Übereinkommen jedoch am ersten Tag des dritten Monats in Kraft, der auf die Hinterlegung ihrer Ratifikations- oder Beitrittsurkunde folgt.

Das neue Übereinkommen ersetzt ab dem Tag seines Inkrafttretens für die Vertragsparteien, für die es in Kraft tritt, das Übereinkommen von 1988. Eine Ausnahme gilt für Artikel 3 Absatz 3 des Protokolls 2: Er sieht vor, dass – wie später erläutert wird (siehe unten Nummer 201) – das mit Protokoll Nr. 2 zum Übereinkommen von 1988 errichtete System für den Austausch von Informationen über nationale Entscheidungen beibehalten wird, bis das neue System an seine Stelle tritt. Sobald dies erfolgt ist, wird das frühere Übereinkommen vollständig ersetzt: In Artikel 69 Absatz 6 ist bestimmt, dass jede Bezugnahme auf das Übereinkommen von 1988 in anderen Rechtsinstrumenten als Bezugnahme auf das neue Übereinkommen gilt.

186.

Die außereuropäischen Gebiete der Mitgliedstaaten, für die das Brüsseler Übereinkommen galt, waren gemäß Artikel 299 EG-Vertrag vom territorialen Geltungsbereich der Brüssel-I-Verordnung ausgenommen worden (Artikel 68 der Brüssel-I-Verordnung); das neue Übereinkommen bot Gelegenheit, dieses Problem zu lösen. Nach Artikel 69 Absatz 7 ersetzt das neue Übereinkommen im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und den betreffenden Gebieten ab dem Tag seines Inkrafttretens für diese Gebiete gemäß Artikel 73 Absatz 2 das Brüsseler Übereinkommen (und das Protokoll von 1971 über dessen Auslegung).

2.    Beitritt (Artikel 70 bis 73)

187.

Mit dem Übereinkommen wurde das Verfahren für den Beitritt weiterer Staaten geändert und vereinfacht; zuvor waren die Übernahme einer „Patenschaft“ durch einen Vertragsstaat und eine aktive Rolle des Verwahrers bei der Sammlung der Informationen vorgesehen, die erforderlich sind, um feststellen zu können, ob der Staat, der dem Übereinkommen beitreten will, für einen Beitritt in Frage kommt (225). Diese Regelung wurde nicht als sehr effektiv empfunden, unter anderem deshalb, weil sie dazu führen konnte, dass der Beitritt eines Staates trotz Befürwortung durch den als „Pate“ fungierenden Vertragsstaat abgelehnt wurde, und weil sie einen Wettlauf um die Übernahme der „Patenschaft“ für einen beitrittswilligen Staat auslösen konnte. Es wurde ferner argumentiert, dass der Verwahrstaat eine neutrale Rolle einnehmen und das Beitrittsverfahren nicht auf einer von ihm auszusprechenden Einladung zum Beitritt beruhen sollte. Daher wurde ein anderes Verfahren festgelegt, wonach die Zustimmung zu dem Antrag auf Beitritt nach ordnungsgemäßer Prüfung des Justizsystems und des Prozessrechts des betreffenden Staates erteilt wird.

Das Übereinkommen unterscheidet zwischen Staaten, die nach Auflage des Übereinkommens zur Unterzeichnung Mitglieder der Europäischen Freihandelsassoziation werden (Artikel 70 Absatz 1 Buchstabe a), Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, im Namen bestimmter außereuropäischer Gebiete, die Teil ihres Hoheitsgebiets sind oder für deren Außenbeziehungen sie zuständig sind (Artikel 70 Absatz 1 Buchstabe b) (226) und anderen nicht dem Übereinkommen angehörenden Staaten, einschließlich außereuropäischer Staaten (Artikel 70 Absatz 1 Buchstabe c). In jedem dieser Fälle beginnt das Beitrittsverfahren mit einem an den Verwahrer gerichteten Ersuchen – dem eine englische und französische Übersetzung beizufügen ist, damit der Verwahrer nicht die Übersetzungskosten tragen muss –, doch dann läuft das Verfahren unterschiedlich weiter: für die in Artikel 70 Absatz 1 Buchstaben a und b genannten Staaten richtet es sich nach Artikel 71, für die in Artikel 70 Absatz 1 Buchstabe c genannten Staaten nach Artikel 72.

Artikel 71 bestimmt, dass der Staat, der dem Übereinkommen beitreten will, lediglich die zur Anwendung des Übereinkommens erforderlichen Angaben nach Maßgabe der Anhänge I bis IV und des Anhangs VIII mitteilen muss und Erklärungen nach Maßgabe der Artikel I und III des Protokolls 1 abgeben kann. Diese Angaben sind dem Verwahrer und den anderen Vertragsparteien mitzuteilen. Anschließend kann der betreffende Staat seine Beitrittsurkunde hinterlegen.

Artikel 72 sieht ein unterschiedliches Verfahren für antragstellende andere Staaten im Sinne des Artikels 70 Absatz 1 Buchstabe c vor. Außer den für die Anwendung des Übereinkommens erforderlichen Angaben und den Erklärungen nach Protokoll 1 müssen andere Staaten, die dem Übereinkommen beitreten wollen, dem Verwahrer Auskünfte über ihr Justizsystem, ihr innerstaatliches Zivilprozess- und Vollstreckungsrecht und ihr Internationales Zivilprozessrecht erteilen. Der Verwahrer übermittelt diese Angaben den anderen Vertragsparteien, die ihre Zustimmung zu dem Beitritt des betreffenden Staates erteilen müssen; die Zustimmung der Vertragsparteien muss spätestens innerhalb eines Jahres vorliegen. Sobald die Vertragsparteien ihre Zustimmung erteilt haben, obliegt es dem Verwahrer, den betreffenden Staat zum Beitritt durch Hinterlegung seiner Beitrittsurkunde einzuladen. Die Vertragsparteien können jedoch Einwände gegen den Beitritt erheben, bevor dieser wirksam wird (erster Tag des dritten Monats, der auf die Hinterlegung der Beitrittsurkunde folgt). In diesem Fall tritt das Übereinkommen nur im Verhältnis zu den Vertragsparteien in Kraft, die keine Einwände gegen den Beitritt erhoben haben.

188.

Das beschriebene Verfahren gilt nicht nur für andere Staaten, sondern auch für Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration außer der Europäischen Gemeinschaft, da diese dem Übereinkommen bereits angehört und das Übereinkommen die erforderlichen Bestimmungen für ihre Teilnahme enthält. Auf der diplomatischen Konferenz vom Oktober 2006 wurde die Frage erörtert, ob in Artikel 70 Absatz 1 Buchstabe c nicht nur auf „jeden anderen Staat“, sondern auch ausdrücklich auf Organisationen der genannten Art Bezug genommen werden sollte. Es wurde hervorgehoben, dass mit einer ausdrücklichen Bezugnahme der Beitritt dieser Organisationen ermöglicht würde, ohne dass das Übereinkommen geändert werden müsste; ferner könne tatsächlich mit einem Beitritt von Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration gerechnet werden, da im Rahmen der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht bereits Verhandlungen mit solchen Organisationen geführt würden. Diese Vorteile verloren jedoch an Bedeutung angesichts dessen, dass das neue Übereinkommen sehr flexibel angelegt ist und so die für den Beitritt dieser Organisationen erforderlichen Änderungen unter Berücksichtigung der spezifischen Merkmale der jeweiligen Organisation leichter vorgenommen werden können. Schließlich wurde einvernehmlich festgestellt, dass weder derzeit noch in naher Zukunft die Aufnahme einer ausdrücklichen Bezugnahme auf Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration erforderlich ist, auch wenn feststeht, dass das Übereinkommen derartigen Organisationen tatsächlich zum Beitritt offen steht.

189.

Im Zusammenhang mit dem Beitrittsverfahren nach den Artikeln 71 und 72 wurde ferner die Frage erörtert, ob in das Übereinkommen eine „Bundesstaatsklausel“ aufgenommen werden sollte, die den Beitritt von Staaten ermöglicht, in deren einzelnen Gebietseinheiten zwei oder mehr unterschiedliche Rechtsordnungen gelten; das Übereinkommen müsste dann nicht geändert werden, um den Erfordernissen dieser Staaten in Bezug auf die Durchführung ihrer Verpflichtungen aus dem Übereinkommen Rechnung tragen zu können. Einige föderativ verfasste Staaten verfügen über keine Zentralgewalt, die das Übereinkommen im Namen der föderativen Einheiten annehmen könnte, so dass zu diesem Zweck einige Vorschriften angepasst werden müssten; durch Aufnahme einer Bundesstaatsklausel wäre dies ohne Änderung des Übereinkommens möglich. Andererseits bestanden aber auch Zweifel, ob eine solche Klausel erforderlich ist, da das Übereinkommen für den Beitritt ein spezifisches Verfahren vorsieht, das es ermöglicht, etwaige Vorbehalte, die durch föderative Strukturen bedingt sind, zu prüfen. Schließlich wurde der Gedanke einer Bundesstaatsklausel aufgegeben; das Übereinkommen enthält daher keine Bezugnahme auf Staaten, in deren Gebietseinheiten unterschiedliche Rechtsordnungen gelten. Die Möglichkeit, geeignete Verfahren für den Beitritt föderativ verfasster Staaten zu dem Übereinkommen zu vereinbaren, bleibt natürlich gewahrt.

3.    Kündigung und Revision des Übereinkommens sowie Änderung der Anhänge (Artikel 74 bis 77)

190.

Artikel 74 bestimmt, dass das Übereinkommen auf unbegrenzte Zeit geschlossen wird und jederzeit durch eine an den Verwahrer gerichtete Notifikation gekündigt werden kann, wobei die Kündigung am Ende des Kalenderjahres wirksam wird, das auf einen Zeitraum von sechs Monaten folgt, gerechnet vom Eingang ihrer Notifikation beim Verwahrer.

191.

Artikel 76 bestimmt, dass jede Vertragspartei eine Revision des Übereinkommens beantragen kann. Das Revisionsverfahren sieht hierzu die Einberufung des Ständigen Ausschusses nach Artikel 4 des Protokolls 2 (siehe unten Nummer 202) vor, der aus Vertretern der Vertragsparteien besteht; der Ausschuss führt die für die Revision erforderlichen Konsultationen, an die sich erforderlichenfalls eine diplomatische Konferenz anschließt, auf der die Änderungen am Übereinkommen angenommen werden. Dieses Verfahren gilt für das Übereinkommen und die drei dazugehörigen Protokolle, die in Artikel 75 aufgeführt sind und dort zu Bestandteilen des Übereinkommens erklärt werden.

Es sei darauf hingewiesen, dass in dem Übereinkommensentwurf, welcher der diplomatischen Konferenz von 2006 unterbreitet wurde, zwei weitere Protokolle aufgeführt waren, nämlich ein Protokoll 4 über gemeinschaftliche Titel für den gewerblichen Rechtsschutz, auf das bereits im Zusammenhang mit Artikel 22 Nummer 4 eingegangen wurde (227), und ein Protokoll 5 über das Verhältnis zwischen dem Lugano-Übereinkommen und dem Haager Gerichtsstandsübereinkommen von 2005 (228). Im Entwurf des Protokolls 5 war die Anwendung der Bestimmungen des Artikels 26 Absätze 2 und 3 des Haager Übereinkommens durch die Gerichte der durch das Lugano-Übereinkommen gebundenen Staaten vorgesehen (229); in diesen Bestimmungen ist geregelt, in welchen Fällen das Haager Übereinkommen die Anwendung anderer Übereinkommen – und somit auch des Lugano-Übereinkommens – unberührt lässt. Nach dem Protokollentwurf hatte das Gericht eines durch das Lugano-Übereinkommen gebundenen Staates das vor ihm anhängige Verfahren nach Artikel 6 des Haager Übereinkommens auszusetzen, wenn der Beklagte die Zuständigkeit des Gerichts wegen des Bestehens einer Gerichtsstandsklausel zugunsten eines Gericht eines anderen durch das Übereinkommen gebundenen Staates angefochten hat, und es hatte sich für unzuständig zu erklären, wenn das von den Streitparteien vereinbarte Gericht sich aufgrund von Artikel 5 des Haager Übereinkommens für zuständig erklärte. Letztlich entschied sich die diplomatische Konferenz, dieses Protokoll nicht aufzunehmen, weil das Haager Übereinkommen noch nicht in Kraft getreten war, weil die in dem Protokoll vorgeschlagene Regelung sich im Falle des Bestehens einer Gerichtsstandsklausel auf die Regelung der Rechtshängigkeit im Lugano-Übereinkommen auswirken könnte und weil die Anwendung der beiden internationalen Übereinkünfte in den meisten Fällen nicht zu Zuständigkeitskonflikten führen dürfte, so dass die Festlegung spezieller Koordinierungsvorschriften nicht unbedingt erforderlich war.

192.

Andere Verfahren gelten in Bezug auf die neun Anhänge des Übereinkommens, auf die bereits mehrfach in diesem erläuternden Bericht Bezug genommen wurde. Das Revisionsverfahren ist vereinfacht worden, damit die Anhänge ohne Rückgriff auf das komplexe und förmliche ordentliche Revisionsverfahren geändert werden können; verschiedene Angaben zur Anwendung des Übereinkommens sowie die Formblätter für die Bescheinigungen, die in einigen Bestimmungen vorgesehen sind, finden sich nun in den Anhängen und nicht mehr im verfügenden Teil des Übereinkommens, wie dies noch im Übereinkommen von 1988 der Fall war.

Artikel 77 sieht zwei unterschiedliche Verfahren für die Revision der Anhänge entsprechend deren Inhalt vor, die jeweils ein unterschiedliches Maß an Vereinfachung aufweisen.

Das erste Verfahren gilt für die Anhänge mit den Angaben zur Anwendung des Übereinkommens, die von den durch das Übereinkommen gebundenen Staaten mitgeteilt werden müssen: die innerstaatlichen Zuständigkeitsvorschriften im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 und Artikel 4 Absatz 2 des Übereinkommens (Anhang I); die Gerichte oder zuständigen Behörden, bei denen Anträge nach Artikel 39 des Übereinkommens einzureichen sind (Anhang II); die Gerichte, bei denen die Rechtsbehelfe nach Artikel 43 Absatz 2 des Übereinkommens einzulegen sind (Anhang III); die Rechtsbehelfe, die nach Artikel 44 des Übereinkommens eingelegt werden können (Anhang IV); die Übereinkünfte, die gemäß Artikel 65 des Übereinkommens ersetzt werden (Anhang VII). Die Staaten müssen diese Angaben dem Verwahrer rechtzeitig vor dem Inkrafttreten – und bei Änderungen, Zusätzen oder Streichungen danach – mitteilen. Die Anhänge werden vom Verwahrer nach Anhörung des Ständigen Ausschusses gemäß Artikel 4 des Protokolls 2 dann entsprechend angepasst.

Andere Regelungen gelten für die übrigen Anhänge betreffend das Formblatt für die Bescheinigung über Urteile und gerichtliche Vergleiche im Sinne der Artikel 54 und 58 des Übereinkommens (Anhang V), das Formblatt für die Bescheinigung über öffentliche Urkunden im Sinne des Artikels 57 Absatz 4 des Übereinkommens (Anhang VI), die Sprachen im Sinne des Artikels 79 des Übereinkommens (Anhang VIII) und die Anwendung des Artikels II des Protokolls 1 (Anhang IX). Die Anträge auf Änderungen werden dem Ständigen Ausschuss nach Artikel 4 des Protokolls 2 vorgelegt, der die Änderungen dann direkt annimmt, ohne dass es erforderlich, eine diplomatische Konferenz der Vertragsparteien abzuhalten.

4.    Notifikationen des Verwahrers, Sprachen des Übereinkommens (Artikel 78 und 79)

193.

Hierbei handelt es sich um Standardklauseln in Übereinkommen, die keiner besonderen Erläuterung bedürfen.

KAPITEL IX

PROTOKOLLE ZU DEM ÜBEREINKOMMEN

1.    Protokoll 1 über bestimmte Zuständigkeits-, Verfahrens- und Vollstreckungsfragen

194.

Dieses Protokoll ist gegenüber dem entsprechenden Protokoll Nr. 1 zum Übereinkommen von 1988 beträchtlich vereinfacht worden, zum Teil aufgrund der damit verbundenen Revision des Brüsseler Übereinkommens, die zur Brüssel-I-Verordnung führte, in der die unterschiedliche Behandlung gleichartiger Situationen auf ein Mindestmaß beschränkt wurde, um dem Erfordernis der Einheitlichkeit, das die Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft kennzeichnet, Rechnung zu tragen. So ist beispielsweise die Bestimmung entfallen, die eine Sonderbehandlung in Bezug auf Beklagte mit Wohnsitz in Luxemburg dahingehend vorsah, dass für diese Beklagten Artikel 5 Nummer 1 über vertragliche Verpflichtungen nicht galt und dass jede Gerichtsstandsvereinbarung für eine Person, die ihren Wohnsitz in Luxemburg hat, nur dann wirksam wurde, wenn diese sie ausdrücklich und besonders angenommen hatte (Artikel I des früheren Protokolls). Diese Sonderbehandlung wurde in der Brüssel-I-Verordnung (Artikel 63) zwar beibehalten, aber nur für einen Zeitraum von sechs Jahren ab deren Inkrafttreten, so dass sie jetzt keine Geltung mehr hat.

In dem Protokoll wird nicht mehr auf Streitigkeiten zwischen dem Kapitän und einem Mitglied der Mannschaft eines in einem von mehreren Staaten eingetragenen Seeschiffes (Artikel Vb des früheren Protokolls) Bezug genommen; die betreffende Bestimmung wurde in der Brüssel-I-Verordnung für einen Zeitraum von sechs Jahren – allerdings nur in Bezug auf Griechenland – beibehalten (Artikel 64 der Brüssel-I-Verordnung). Andere Bestimmungen wurden in geänderter Fassung oder unverändert in den verfügenden Teil des Übereinkommens übernommen. So wurde beispielsweise die in Artikel Vd des früheren Protokolls enthaltene Bestimmung über die Zuständigkeit des Europäischen Patentamts mit einigen Änderungen in Artikel 22 Nummer 4 des Übereinkommens aufgenommen (siehe oben Nummer 99).

195.

Auf die im Protokoll verbliebenen Bestimmungen wurde bereits an anderer Stelle in diesem erläuternden Bericht eingegangen: So wurde insbesondere Artikel I über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Zusammenhang mit Artikel 26 erörtert; Artikel II über Gewährleistungs- oder Interventionsklagen war bereits Gegenstand von Erläuterungen im Zusammenhang mit Artikel 6 Nummer 2; Artikel III über Vorbehalte in Bezug auf Artikel 34 Absatz 2 oder in Bezug auf Staaten, die dem Übereinkommen beitreten, wurde bereits im Zusammenhang mit Artikel 34 bzw. Artikel 41 behandelt. Daher wird auf die Erläuterungen zu den genannten Artikeln verwiesen.

Hinzuzufügen bleibt lediglich, dass in Artikel IV des Protokolls ausdrücklich bestimmt ist, dass die Erklärungen nach dem Protokoll jederzeit durch Notifikation an den Verwahrer zurückgenommen werden können. Die Rücknahme wird am ersten Tag des dritten Monats nach der Notifikation wirksam. Diese Bestimmung umschreibt nur ein den Vertragsparteien ohnehin zustehendes Recht; sie soll darauf aufmerksam machen, dass die betreffenden Erklärungen überprüft und zurückgenommen werden sollten, wenn sie nicht mehr unbedingt erforderlich sind, um so die Einheitlichkeit der Vorschriften des Übereinkommens zu stärken.

2.    Protokoll 2 über die einheitliche Auslegung des Übereinkommens und den Ständigen Ausschuss

1.   Allgemeines

196.

Wie beim Übereinkommen von 1988 betrifft das Protokoll 2 die einheitliche Auslegung des Übereinkommens sowie – worauf jetzt zusätzlich auch im Titel hingewiesen wird – den mit dem früheren Protokoll eingesetzten Ständigen Ausschuss. Allerdings sind die Bestimmungen über die Auslegung und die Rolle des Ständigen Ausschusses wesentlich geändert worden. Mit den Änderungen soll großenteils dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Europäische Gemeinschaft anstelle ihrer Mitgliedstaaten an dem Übereinkommen teilnimmt; daher erschien es zweckmäßig, dem Gerichtshof eine umfassendere Rolle zuzuweisen und einen möglichst flexiblen und rasch greifenden Mechanismus für die Revisionen des Übereinkommens einzurichten, mit denen das Übereinkommen an die Entwicklung des Gemeinschaftsrechts angepasst werden soll.

Dieser Ansatz kommt schon in der Präambel klar zum Ausdruck; diese beschränkt sich nicht darauf, auf die sachliche Verknüpfung zwischen dem Übereinkommen und den in Artikel 64 genannten Rechtsinstrumenten und auf die daraus resultierende Zuständigkeit des Gerichtshofs für Entscheidungen über die Auslegung dieser Rechtsinstrumente hinzuweisen, sondern stellt auch fest, dass das Übereinkommen Teil des Gemeinschaftsrechts wird und der Gerichtshof deshalb für Entscheidungen über die Auslegung des Übereinkommens in Bezug auf dessen Anwendung durch die Gerichte der Mitgliedstaaten zuständig ist. Ferner findet sich in der Präambel die Erwägung, dass sich die gleichzeitige Revision des Lugano-Übereinkommens und des Brüsseler Übereinkommens, die zum Abschluss eines revidierten Texts dieser Übereinkommen geführt hat, sachlich auf die Entscheidungen des Gerichtshofs und der nationalen Gerichte stützte und dass der revidierte Text in die Brüssel-I-Verordnung Eingang gefunden hat, die auch die Grundlage für das neue Lugano-Übereinkommen bildete; abschließend ist in der Präambel festgehalten, dass voneinander abweichende Auslegungen vermieden werden sollen und eine möglichst einheitliche Auslegung der Bestimmungen der verschiedenen Rechtsinstrumente erreicht werden soll; dies stellt in der Tat eine notwendige Voraussetzung für die Schaffung eines gemeinsamen Rechtsraums der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und der dem Lugano-Übereinkommen angehörenden Staaten dar.

2.   Verpflichtung zur Beachtung der Rechtsprechung (Artikel 1 und 2)

197.

Ausgehend von den Grundsätzen der Präambel ist in Artikel 1 des Protokolls bestimmt, dass die Gerichte nicht nur den Entscheidungen der Gerichte der anderen durch das Übereinkommen gebundenen Staaten – wie dies bereits in der entsprechenden Bestimmung des Protokolls Nr. 2 zum Übereinkommen von 1988 vorgesehen war –, sondern auch den Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu den Bestimmungen des Übereinkommens, des früheren Übereinkommens von 1988 und der in Artikel 64 Absatz 1 genannten Rechtsinstrumente, insbesondere der Brüssel-I-Verordnung, gebührend Rechnung tragen müssen.

Diese Verpflichtung ist dadurch begründet, dass die Bestimmungen des Übereinkommens und der Verordnung weitgehend identisch sind; die Verpflichtung gilt, soweit sich der Wortlaut einer Bestimmung in beiden Rechtsinstrumenten völlig deckt. In den Fällen, in denen die beiden Texte voneinander abweichen, müssen die Gerichte der durch das Übereinkommen gebundenen Staaten nur die in Anwendung des Übereinkommens ergangenen Entscheidungen der nationalen Gerichte berücksichtigen.

Was die Gerichte der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft anbelangt, so ist diese Verpflichtung ihren Verpflichtungen aus dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und aus dem Abkommen von 2005 zwischen der Gemeinschaft und Dänemark nachgeordnet. Obwohl das Übereinkommen ein eigenständiges und förmlich von der Brüssel-I-Verordnung getrenntes Rechtsinstrument ist, können die Gerichte der Mitgliedstaaten Bestimmungen des Übereinkommens dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung über ihre Auslegung nach Maßgabe des Artikels 234 und des Artikels 68 EG-Vertrag vorlegen, da diese Bestimmungen integraler Bestandteil des Gemeinschaftsrechts sind. Jedoch können sie auch Vorabentscheidungen über die Auslegung der Brüssel-I-Verordnung anfordern, die möglicherweise Bestimmungen betreffen, deren Wortlaut mit denen des Übereinkommens identisch ist; so wirkt sich auch in diesem Falle die Auslegung durch den Gerichtshof zwangsläufig auf die Klärung von Bedeutung und Tragweite der Bestimmungen des Übereinkommens aus.

Wird der Gerichtshof um Auslegung einer Bestimmung ersucht, so ist diese Auslegung in dem konkreten Fall verbindlich; das heißt, das vorlegende Gericht ist verpflichtet, die Auslegung nicht nur zu berücksichtigen, sondern sie auch zur Entscheidung der Streitigkeit anzuwenden. Damit ist die Verpflichtung, der die Gerichte der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft nachkommen müssen, strenger als die Verpflichtung, die für die Gerichte der nicht der Gemeinschaft angehörenden Vertragsstaaten des Lugano-Übereinkommens gilt; diese sind an die weniger spezifische Verpflichtung gebunden, den Grundsätzen, die in maßgeblichen Entscheidungen des Gerichtshofs entwickelt worden sind, „gebührend Rechnung“ zu tragen.

198.

Es sei daran erinnert, dass mit dem Protokoll bezweckt wird, voneinander abweichende Auslegungen zu vermeiden und zu einer möglichst einheitlichen Auslegung der Bestimmungen des Übereinkommens, der Brüssel-I-Verordnung und der anderen in Artikel 64 genannten Rechtsinstrumente zu gelangen. Wird der Gerichtshof um Auslegung einer Bestimmung im Wege der Vorabentscheidung ersucht, so muss er daher in der Lage sein, auch die Standpunkte der nicht der Gemeinschaft angehörenden Staaten zu berücksichtigen. Da die Gerichte der Staaten, die nicht der Gemeinschaft angehören, keine entsprechenden Ersuchen um Vorabentscheidung stellen können, haben diese Staaten nach Artikel 2 des Protokolls das Recht, Schriftsätze einzureichen oder schriftliche Erklärungen abzugeben, wenn ein Gericht eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung vorlegt. Die Einreichung dieser Schriftsätze bzw. Erklärungen ist in Artikel 23 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofs (230) geregelt; diese können nicht nur in Bezug auf das Übereinkommen, sondern auch in Bezug auf die in Artikel 64 Absatz 1 genannten Rechtsinstrumente eingereicht werden, da deren Auslegung auch Auswirkungen auf die in der Regel gleichlautenden Bestimmungen des Übereinkommens hat.

3.   Austausch von Informationen über nationale und gemeinschaftliche Entscheidungen (Artikel 3)

199.

Wenn die Gerichte der durch das Übereinkommen gebundenen Staaten den Entscheidungen des Gerichtshofs und der nationalen Gerichte pflichtgemäß Rechnung tragen sollen, bedarf es eines effektiven Systems für den Austausch von Informationen über die Entscheidungen, die in Anwendung des Übereinkommens, des früheren Übereinkommens von 1988, der Brüssel-I-Verordnung und der in Artikel 64 genannten anderen Rechtsinstrumente ergangen sind. Das Erfordernis eines effektiven Mechanismus wird besonders deutlich im Falle von Entscheidungen der nationalen Gerichte, bedenkt man die Vielzahl der durch das Übereinkommen gebundenen Staaten mit ihren unterschiedlichen Verfahrensregelungen und Sprachen, deren Kenntnis möglicherweise nicht bei allen nationalen Gerichten vorausgesetzt werden kann.

Das mit Protokoll Nr. 2 zum Übereinkommen von 1988 geschaffene ein System für den Austausch von Informationen bestand im Wesentlichen darin, dass alle Vertragsstaaten die in Anwendung des Lugano-Übereinkommens und des Brüsseler Übereinkommens ergangenen Entscheidungen an eine Zentralstelle (den Kanzler des Gerichtshofs) übermittelten, die die diese Entscheidungen klassifizierte und die einschlägigen Dokumente dann den zuständigen nationalen Behörden der Vertragsstaaten und der Europäischen Kommission zuleitete. Ein aus Vertretern der Vertragsstaaten bestehender Ständiger Ausschuss (siehe unten) konnte zu einem Meinungsaustausch über die von der Zentralstelle den Vertragsstaaten übermittelte Rechtsprechung einberufen werden.

Aufgrund dieser Bestimmungen wurde der Ständige Ausschuss einmal jährlich vom Schweizerischen Bundesrat als Verwahrer des Übereinkommens von 1988 einberufen. In den ersten Jahren erfolgte ein unmittelbarer Austausch von Informationen, aber ab der fünften Tagung, die am 18. September 1998 in Interlaken stattfand, beriet der Ausschuss auf der Grundlage eines von regelmäßig sich abwechselnden Vertretern erstellten Berichts über die im vorangegangenen Jahr ergangenen Entscheidungen; dieser Bericht wurde dann mit dem Ziel erörtert, abweichende Auslegungen durch die nationalen Gerichte herauszustellen und dabei jene Bestimmungen zu ermitteln, bei denen es auch in Zukunft zu abweichenden Auslegungen kommen könnte und hierfür im Vorfeld eine Lösung zu finden.

200.

Dieses System für den Informationsaustausch wurde mit Artikel 3 des neuen Protokolls erheblich geändert. Der Europäischen Kommission wird die Aufgabe übertragen, ein neues System einzurichten, für das mehrere Kriterien vorgegeben wurden: Das System soll öffentlich zugänglich sein und Entscheidungen letztinstanzlicher Gerichte sowie Entscheidungen des Gerichtshofs und andere besonders wichtige, rechtskräftig gewordene Entscheidungen enthalten, die in Anwendung des neuen Übereinkommens, des Lugano-Übereinkommens von 1988 und der in Artikel 64 Absatz 1 des neuen Übereinkommens genannten Rechtsinstrumente, insbesondere der Brüssel-I-Verordnung, ergangen sind. Die Entscheidungen sind zu klassifizieren und mit einer Zusammenfassung zu versehen. Anders als im früheren Protokoll werden in Artikel 3 Übersetzungen nicht erwähnt, aber es ist klar, dass die klassifizierten Entscheidungen zumindest teilweise übersetzt werden müssen – wenn nicht in alle Sprachen der durch das Übereinkommen gebundenen Staaten, so doch zumindest in einige dieser Sprachen, damit die Entscheidungen den ordentlichen Gerichten, die ihnen bei der Anwendung des Übereinkommens Rechnung tragen müssen, zugänglich gemacht werden.

Die Verpflichtung, ein öffentlich zugängliches System einzurichten, ist sehr wichtig; sie bedeutet eine Abkehr von dem früheren System, bei dem die Informationen nur den Staaten und ihren Vertretern im Ständigen Ausschuss zu übermitteln waren, auch wenn der Kanzler des Gerichtshofs die Informationen gewöhnlich einem breiten Kreis von Angehörigen der Rechtsberufe (Anwälten, Richtern, Notaren, Hochschullehrern usw.) zur Verfügung stellte. Mit der neuen Regelung soll allen Interessierten ein besser strukturierter Zugang zu den Entscheidungen gewährt werden, so dass die zu dem Übereinkommen entwickelte Rechtsprechung leichter und umfassender genutzt werden kann.

Die durch das Übereinkommen gebundenen Staaten sind weiterhin verpflichtet, die Entscheidungen der Kommission mitzuteilen. Der Kanzler des Gerichtshofs hat die Aufgabe, die für die Anwendung des Übereinkommens besonders interessanten Fälle auszuwählen und diese gemäß Artikel 5 des Protokolls (siehe weiter unten) den Sachverständigen zur Erörterung in einer Sitzung vorzulegen.

201.

Bis zur Einrichtung des neuen Systems durch die Kommission gilt weiterhin das bisherige System, für das der Gerichtshof zuständig ist. Eine Regelung kann jedoch bereits jetzt angewendet werden, nämlich die Regelung, wonach die Informationen über Entscheidungen vom Kanzler zusammengetragen und den Staaten gemäß Artikel 5 des Protokolls im Rahmen einer Sitzung der Sachverständigen vorgelegt werden; die Informationen werden also nicht mehr durch den in Artikel 3 des früheren Protokolls genannten Ständigen Ausschuss aus Vertretern der Vertragsstaaten übermittelt, dem in Artikel 4 des neuen Protokolls nunmehr andere Aufgaben zugewiesen werden.

4.   Ständiger Ausschuss der Vertreter der Vertragsparteien (Artikel 4)

202.

Das Protokoll Nr. 2 zum Übereinkommen von 1988 sah die Einrichtung eines Ständigen Ausschusses aus Vertretern der Vertragsstaaten vor, an dessen Sitzungen die Europäischen Gemeinschaften (Kommission, Rat und Gerichtshof) und die EFTA als Beobachter teilnehmen konnten und dessen Aufgabe darin bestand, die Entwicklung der Rechtsprechung, die Gegenstand des oben beschriebenen Informationsaustauschsystems war, sowie das Verhältnis zwischen dem Übereinkommen und anderen Übereinkünften über besondere Rechtsgebiete zu prüfen und auf dieser Grundlage zu erwägen, ob das Übereinkommen in einzelnen Aspekten einer Revision unterzogen werden sollte, und entsprechende Empfehlungen abzugeben.

In Artikel 4 des neuen Protokolls ist weiterhin die Einrichtung eines Ständigen Ausschusses vorgesehen, doch hat dieser einen kleineren Teilnehmerkreis als der frühere Ausschuss, da er auf die Vertragsparteien begrenzt ist und nunmehr die Gemeinschaft an die Stelle der Mitgliedstaaten tritt. Damit weist der neue Ausschuss nicht die optimale Zusammensetzung für den Austausch von Informationen über nationale Entscheidungen und für deren Erörterung auf, wie sie im Rahmen des Übereinkommens von 1988 stattfanden; dem Ausschuss wurden andere, gewichtigere Aufgaben im Zusammenhang mit der Wirkungsweise und der Revision des Übereinkommens übertragen.

203.

Der Ausschuss ist nun mit Konsultations- und Revisionsaufgaben betraut. Ihm obliegt die Durchführung von Konsultationen in Bezug auf das Verhältnis zwischen dem Übereinkommen und anderen internationalen Rechtsinstrumenten, in Bezug auf die Anwendung des Artikels 67 einschließlich des beabsichtigten Beitritts zu Rechtsinstrumenten über ein besonderes Rechtsgebiet und Rechtsetzungsvorschläge gemäß Protokoll 3, in Bezug auf eine Revision des Übereinkommens gemäß Artikel 76 sowie in Bezug auf Änderungen der Anhänge I bis IV und des Anhangs VII gemäß Artikel 77 Absatz 1. Ferner hat der Ausschuss die Aufgabe, den Beitritt neuer Staaten zu prüfen; er kann an beitretende Staaten im Sinne von Artikel 70 Absatz 1 Buchstabe c Fragen über ihr Justizsystem und die Umsetzung des Übereinkommens richten und Anpassungen des Übereinkommens in Betracht zu ziehen, die für dessen Anwendung in den beitretenden Staaten notwendig sind. Auf all diesen Gebieten ist es Aufgabe des Ausschusses, die Aspekte der Wirkungsweise des Übereinkommens zu erörtern und erforderlichenfalls Vorbereitungen für eine Konferenz zur Revision des Übereinkommens zu treffen.

204.

Im Zusammenhang mit der Revision des Übereinkommens kommen dem Ausschuss Funktionen zu, die über die bloße Erörterung und Vorbereitung von Beschlüssen hinausgehen. Der Ausschuss entscheidet selbst über bestimmte Fragen, die eine Änderung des Übereinkommens und seiner Anhänge erfordern. Er muss über die Annahme neuer verbindlicher Sprachfassungen nach Artikel 73 Absatz 3 befinden und die erforderlichen Änderungen an Anhang VIII vornehmen. Er kann ferner gemäß Artikel 77 Absatz 2 Änderungen an den Anhängen V und VI vornehmen. Zu guter Letzt kann er einberufen werden, um die Rücknahme von Vorbehalten und Erklärungen der Vertragsparteien nach Protokoll 1 und die Auswirkungen dieser Rücknahmen zu erörtern und die notwendigen Änderungen des Anhangs IX vorzunehmen. Zur Wahrnehmung dieser wichtigen Aufgaben hätte nach dem Übereinkommen von 1988 eine diplomatische Konferenz der Vertragsparteien zur Änderung des Übereinkommens einberufen werden müssen; diese Aufgaben können aber nun im Rahmen eines vereinfachten Revisionsverfahrens erledigt werden, das noch weiter dadurch erleichtert wird, dass eine erhebliche Anzahl von Angaben aus dem verfügenden Teil des Übereinkommens in die Anhänge übernommen worden sind.

Das Verfahren wurde auch dadurch weiter vereinfacht, dass der Ausschuss seine Arbeitsweise und sein Beschlussfassungsverfahren in einer Geschäftsordnung selbst regeln darf, in der auch die Möglichkeit vorzusehen ist, dass Konsultation und Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren erfolgen, ohne dass eine Tagung der Vertragsparteien einberufen werden muss. Ungeachtet dieser Bestimmung der Geschäftsordnung muss jede Vertragspartei nach wie vor die Einberufung einer Sitzung des Ausschusses verlangen können.

5.   Sitzungen der Sachverständigen (Artikel 5)

205.

Zur Erörterung der zu dem Übereinkommen entwickelten Rechtsprechung bedarf es eines Forums, an dem alle durch das Übereinkommen gebundenen Staaten teilnehmen, eine Funktion, die zuvor der Ständige Ausschuss erfüllte; nunmehr ist eine andere Form der Konsultation dergestalt vorgesehen, dass immer dann, wenn dies notwendig oder zweckdienlich erscheint, eine Sitzung der Sachverständigen einberufen wird. Der Verwahrer kann im Bedarfsfall auch ohne ein an ihn gerichtetes förmliches Ersuchen eine Sitzung der Sachverständigen einberufen, wie dies bereits in Bezug auf die Einberufung des mit dem Übereinkommen von 1988 eingesetzten Ausschusses der Fall war. Zweck einer Sitzung der Sachverständigen ist es, einen Meinungsaustausch über die Wirkungsweise des Übereinkommens zu führen, insbesondere über die Entwicklung der Rechtsprechung und neue Rechtsvorschriften (für gewöhnlich Rechtsvorschriften der Gemeinschaft), die die Anwendung des Übereinkommens beeinflussen können. Ein derartiger Meinungsaustausch ist offensichtlich sinnvoll im Hinblick auf das Ziel, zu einer parallelen und einheitlichen Auslegung des Übereinkommens und der Brüssel-I-Verordnung zu gelangen.

Der Teilnehmerkreis der Sitzungen ist umfassender als im Falle des Ständigen Ausschusses, doch finden die Sitzungen im Wesentlichen in der gleichen Zusammensetzung statt wie im Falle des mit dem früheren Protokoll Nr. 2 eingesetzten Ausschusses, da auch sie dem Meinungsaustausch über die nationale Rechtsprechung dienen. Teilnehmer an diesen Sitzungen sind daher Sachverständige der Vertragsparteien, der durch das Übereinkommen gebundenen Staaten, des Gerichtshofs und der EFTA. Die Sitzungen können in einer noch breiter angelegten Zusammensetzung stattfinden, wobei weitere Sachverständige, deren Anwesenheit zweckdienlich erscheint, teilnehmen können.

Der Aufgabenbereich für die Sitzungen der Sachverständigen ist zwar stärker eingeschränkt, doch wird eine Verbindung zum Ständigen Ausschuss hergestellt. Wenn sich im Laufe der Sitzungen Fragen bezüglich der Wirkungsweise des Übereinkommens ergeben, die nach Auffassung der Sitzungsteilnehmer weitere Konsultationen zwischen den Vertragsparteien oder eine eingehendere Prüfung im Hinblick auf die Revision des Übereinkommens erforderlich machen, so können diese Fragen dem Ständigen Ausschuss zur weiteren Behandlung vorgelegt werden.

3.    Protokoll 3 über die Anwendung von Artikel 67 des Übereinkommens

206.

Das Protokoll 3 über die Anwendung von Artikel 67 des Übereinkommens entspricht im Wesentlichen dem früheren Protokoll Nr. 3 zum Übereinkommen von 1988, das die Anwendung des Artikels 57 jenes Übereinkommens zum Gegenstand hatte. In dem Protokoll ist bestimmt, dass die Bestimmungen, die für besondere Rechtsgebiete die gerichtliche Zuständigkeit, die Anerkennung oder die Vollstreckung von Entscheidungen regeln und in Rechtsakten der Organe der Europäischen Gemeinschaften enthalten sind, ebenso behandelt werden wie die in Artikel 67 Absatz 1 bezeichneten Übereinkünfte. Die Gründe für diese Gleichstellung sind im Bericht zu dem Übereinkommen von 1988, auf den hiermit verwiesen sei, umfassend dargelegt (Jenard/Möller-Bericht, Nummern 120-125). In dem Bericht wird allerdings hervorgehoben, dass dies nur die Rechtsakte der Gemeinschaft betrifft, nicht aber die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die in Durchführung dieser Rechtsakte, wie etwa Richtlinien, harmonisiert worden sind, denn „die Gleichstellung der gemeinschaftlichen Rechtsakte mit den für besondere Rechtsgebiete geschlossenen Übereinkommen kann nämlich nur für einem solchen Übereinkommen gleichwertige Rechtsakte gelten und sich daher nicht auf nationale Rechtsvorschriften erstrecken“ (Nummer 125).

In das neue Protokoll wurde eine Bestimmung (Nummer 3) aufgenommen, die Folgendes vorsieht: Werden einige oder alle Bestimmungen, die in Rechtsakten der Organe der Europäischen Gemeinschaften enthalten sind, von einer Vertragspartei oder mehreren Vertragsparteien gemeinsam in innerstaatliches Recht umgesetzt, so werden diese Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts in gleicher Weise behandelt wie Übereinkünfte für besondere Rechtsgebiete. Mit dieser Bestimmung soll die Anpassung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften der nicht der Gemeinschaft angehörenden Staaten an die von der Gemeinschaft erlassenen Rechtsvorschriften erleichtert und diesen Staaten die erforderliche Flexibilität bei der Vornahme der erforderlichen Anpassungen eingeräumt werden, insbesondere dann, wenn es sich bei den betreffenden gemeinschaftlichen Rechtsakten um Richtlinien handelt.

207.

In Nummer 2 des Protokolls ist der entsprechende Artikel des früheren Protokolls wiedergegeben; darin ist bestimmt, dass, wenn nach Auffassung einer Vertragspartei eine Bestimmung eines vorgeschlagenen Rechtsakts der Gemeinschaft nicht mit dem Übereinkommen vereinbar ist, die Vertragsparteien unbeschadet der Anwendung des in Protokoll 2 vorgesehenen Verfahrens unverzüglich eine Änderung nach Artikel 76 ins Auge fassen müssen. Das frühere Protokoll galt nur für einen mit dem Übereinkommen nicht zu vereinbarenden gemeinschaftlichen Rechtsakt, während die neue Nummer 2 sich auch auf mit dem Übereinkommen nicht zu vereinbarende Vorschläge für gemeinschaftliche Rechtsakte erstreckt; so kann das Übereinkommen zeitgleich mit der endgültigen Annahme des gemeinschaftlichen Rechtsakts geändert werden.


(1)  Dänemark hat das Übereinkommen am 5. Dezember 2007 in Brüssel unterzeichnet.

(2)  ABl. L 319 vom 25.11.1988.

(3)  Sofern nichts anderes angegeben ist, beziehen sich die Verweise auf das Brüsseler Übereinkommen auf den im ABl. C 27 vom 26.1.1998 veröffentlichten Text in der Fassung des Übereinkommens vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland („Beitrittsübereinkommen von 1978“), des Übereinkommens vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt der Republik Griechenland („Beitrittsübereinkommen von 1982“), des Übereinkommens vom 26. Mai 1989 über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik („Beitrittsübereinkommen von 1989“) und des Übereinkommens vom 29. November 1996 über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden („Beitrittsübereinkommen von 1996“).

(4)  Finnland, Schweden und Österreich, die am 1. Januar 1995 der Gemeinschaft beitraten, aber seit dem 1. April 1993 Vertragsstaaten des Lugano-Übereinkommens waren.

(5)  Vertrag von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, ABl. C 340 vom 10.11.1997.

(6)  Zu erwähnen ist hier insbesondere die Europäische Gruppe für Internationales Privatrecht (European Group of Private International Law/Groupe européen de droit international privé, EGPIL/GEDIP), die dem Sekretariat des Ständigen Ausschusses für das Lugano-Übereinkommen und dem Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union am 7. April 1997 ein Dokument mit einer Reihe von Vorschlägen zur Revision des Brüsseler Übereinkommens und des Lugano-Übereinkommens unterbreitete; das Dokument wurde am 15. April 1997 als Arbeitsdokument des Rates an die Delegationen verteilt (im Folgenden: „Vorschläge der Europäischen Gruppe für Internationales Privatrecht“).

(7)  Polen nahm an den Sitzungen der Gruppe als Beobachter teil, nachdem alle Vertragsparteien seinem Beitritt zum Lugano-Übereinkommen zugestimmt hatten. Weitere Beobachter waren der Gerichtshof, die EFTA und die Haager Konferenz für Internationales Privatrecht.

(8)  Ratsdokument 7700/99 vom 30.4.1999.

(9)  KOM(1999) 348 endg. vom 14.7.1999.

(10)  ABl. L 12 vom 16.1.2001.

(11)  ABl. L 299 vom 16.11.2005.

(12)  SEK(2002) 298 endg. vom 22.3.2002.

(13)  Gutachten 1/03 des Gerichtshofs, Tenor.

(14)  Bericht zum Lugano-Übereinkommen vom 16. September 1988, ABl. C 189 vom 28.7.1990.

(15)  Bericht zu dem Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. C 59 vom 5.3.1979.

(16)  Bericht zu dem Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt Dänemarks, Irlands und des Vereinigten Königreichs, ABl. C 59 vom 5.3.1979.

(17)  Bericht zu dem Übereinkommen vom 25. Oktober 1982 über den Beitritt Griechenlands, ABl. C 298 vom 24.11.1986.

(18)  Bericht zu dem Übereinkommen vom 26. Mai 1989 über den Beitritt Portugals und Spaniens, ABl. C 189 vom 28.7.1990.

(19)  Gerichtshof, Rechtssache C-281/02, Owusu, Slg. 2005, I-1383. Randnummern 25-26.

(20)  Gerichtshof, Rechtssache C-266/01, Préservatrice foncière TIARD SA, Slg. 2003, I-4867, Randnummer 36.

(21)  Zu einigen Anhaltspunkten in Bezug auf die Auslegung des Ausschlusses ehelicher Güterstände aus dem Übereinkommen siehe Gerichtshof, Rechtssache 143/78, de Cavel, Slg. 1979, 1055, und Rechtssache C-220/95, Van den Boogaard gegen Laumen, Slg. 1997, I-1147.

(22)  Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige und deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ABl. L 149 vom 5.7.1971.

(23)  Gerichtshof, Rechtssache C-271/00, Gemeente Steenbergen, Slg. 2002, I-10489.

(24)  Jenard/Möller-Bericht, S. 14-17.

(25)  Die Brüssel-I-Verordnung wird, was die Bestimmungen über Unterhaltspflichten betrifft, durch die Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (ABl. L 7 vom 10.1.2009) ersetzt werden (siehe Artikel 68 der Verordnung).

(26)  KOM(1997) 609 endg. vom 26.11.1997. Für das Kriterium des gewöhnlichen Aufenthalts hat sich auch die Europäische Gruppe für Internationales Privatrecht in ihren Vorschlägen (Nummer 26) ausgesprochen.

(27)  ABl. L 338 vom 23.12.2003. Die Verordnung ersetzt die frühere Verordnung (EG) Nr. 1347/2000, bei der sich die Zuständigkeit ebenfalls auf das Kriterium des gewöhnlichen Aufenthalts stützte.

(28)  Jenard-Bericht, S. 15-16.

(29)  KOM(1997) 609 endg., Artikel 2.

(30)  Siehe insbesondere die italienische Fassung des Übereinkommens; Gleiches gilt für die italienische Fassung der Brüssel-I-Verordnung.

(31)  Gerichtshof, Gutachten 1/03, Randnummern 144 und 148.

(32)  Gerichtshof, Rechtssache 21/76, Bier, Slg. 1976, 1735.

(33)  Jenard-Bericht, S. 22.

(34)  Rechtssache 34/82, Martin Peters, Slg. 1983, 987; Rechtssache C-26/91, Jacob Handte, Slg. 1992 I-3967.

(35)  Zumindest wenn gegen eine Klage wegen Vertragsbruchs Widerspruch eingelegt wurde (Rechtssache 38/81, Effer, Slg. 1982, 825).

(36)  Gerichtshof, Rechtssache 189/87, Kalfelis, Slg. 1988, 5565.

(37)  Gerichtshof, Rechtssache 14/76, De Bloos, Slg. 1976, 1497, Randnummer 13; im Zusammenhang mit der Schadensersatzforderung wegen Vertragsbruch befand der Gerichtshof, dass „Verpflichtung“ auf die Verpflichtung zu beziehen ist, deren Nichterfüllung vom Kläger zur Begründung seines Antrags auf Schadensersatz behauptet wird, und nicht auf die Zahlung von Schadensersatz.

(38)  Gerichtshof, Rechtssache 266/85, Shenavai, Slg. 1987, 239.

(39)  Gerichtshof, Rechtssache C-440/97, Groupe concorde, Slg. 1999, I-6307, Randnummer 26.

(40)  Gerichtshof, Rechtssache C-420/97, Leathertex, Slg. 1999, I-6747.

(41)  Gerichtshof, Rechtssache 12/76, Tessili, Slg. 1976, 1473; Rechtssache C-288/92, Custom Made Commercial, Slg. 1994, I-2913, Randnummer 26 (danach kann das anwendbare Recht auch ein internationales Übereinkommen über ein Einheitsrecht umfassen); Rechtssache 440/97, Groupe Concorde, Slg. 1999, I-6307.

(42)  Rechtssache 56/79, Zelger gegen Salinitri, Slg. 1980, 89.

(43)  Droz, Delendum est forum contractus?, Rec. Dalloz, 1977, chron. S. 351.

(44)  KOM(1997) 609 endg., Artikel 5.

(45)  In die gleiche Richtung, nämlich für die Festlegung von objektiven Kriterien, nach denen der tatsächliche Ort der Lieferung bzw. der tatsächliche Ort der Erbringung der Dienstleistung bestimmt wird, gehen beispielsweise auch die Vorschläge der Europäischen Gruppe für Internationales Privatrecht (siehe Nummer 9); allerdings wird darin empfohlen, dass in den Fällen, in denen sich die objektiven Kriterien als nicht anwendbar erweisen, die allgemeine Regel gelten sollte, wonach die Gerichte des Wohnorts des Beklagten zuständig sind, und nicht – wie in Artikel 5 Nummer 1 Buchstabe a des geltenden Textes – das Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre.

(46)  Gerichtshof, Rechtssache C-386/05, Color Drack, Slg. 2007, I-3699.

(47)  Siehe Randnummer 16 des Urteils.

(48)  Gerichtshof, Rechtssache C-220/95, Van den Boogaard gegen Laumen, Slg. 1997, I-1147, Randnummer 22; zeitlich früher: Rechtssache C-120/79, de Cavel, Slg. 1979, 731, Randnummer 11.

(49)  Siehe insbesondere Gerichtshof, Rechtssache 120/79, de Cavel, Slg. 1979, 731, Randnummer 7.

(50)  Gerichtshof, Rechtssache C-295/95, Farrell gegen Long, Slg. 1997, I-1683.

(51)  KOM(1997) 609 endg., Artikel 5 Nummer 2.

(52)  Gerichtshof, Rechtssache C-433/01 Blijdenstein, Slg. 2004, I-981, Randnummern 31 und 34.

(53)  Es ist zu beachten, dass Artikel 5 Nummer 2 durch die Verordnung Nr. 4/2009 über Unterhaltssachen ersetzt werden wird: siehe oben Nummer 19.

(54)  Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000, ABl. L 338 vom 23.12.2003.

(55)  Jenard-Bericht, S. 26.

(56)  Gerichtshof, Rechtssache 21/76, Bier, Slg. 1976, 1735.

(57)  KOM(1997) 609 endg.

(58)  Gerichtshof, Rechtssache C-220/88, Dumez, Slg. 1990, I-49.

(59)  Gerichtshof, Rechtssache 364/93, Mariani, Slg. 1995, I-2719, Randnummer 21; Rechtssache C-168/02, Kronhofer, Slg. 2004, I-6009, Randnummern 19-21.

(60)  Gerichtshof, Rechtssache C-68/93, Shevill, Slg. 1995, I-415, Randnummer 33.

(61)  Die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II) (ABl. L 199 vom 31.7.2007) bietet hier nur eine Teillösung.

(62)  Unterstützend hierzu siehe auch Schlosser-Bericht, Nummer 134.

(63)  Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993, ABl. L 95 vom 21.4.1993.

(64)  Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998, ABl. L 166 vom 11.6.1998.

(65)  Siehe auch Schlosser-Bericht, Nummer 134.

(66)  Gerichtshof, Rechtssache C-167/00, Henkel, Slg. 2002, I-8111, Randnummern 49-50.

(67)  Gerichtshof, Rechtssache C-334/00, Tacconi, Slg. 2002, I-7357, Randnummern 21-23, bei der in einem Fall der vorvertraglichen Haftung auf der Brüsseler Übereinkommen Bezug genommen wird.

(68)  Jenard-Bericht, S. 68.

(69)  Diese Fußnote gilt nur für die italienische Fassung des Erläuternden Berichts. Sie verweist auf eine rein redaktionelle Änderung in der italienischen Fassung. (Die Formulierung violazione involontaria wurde durch violazione non dolosa ersetzt.]

(70)  Gerichtshof, Rechtssache C-7/98, Krombach, Slg. 2000, I-1935, Randnummern 45 und 45.

(71)  Anders der Gerichtshof in einem früheren Urteil, Rechtssache 157/80, Rinkau, Slg. 1981, 1391, Randnummer 12.

(72)  Gerichtshof, Rechtssache 33/78, Somafer gegen Saar-Ferngas, Slg. 1978, 2183.

(73)  Gerichtshof, Rechtssache 218/86, Schotte gegen Parfums Rothschild, Slg. 1987, 4905, Randnummer 17.

(74)  Gerichtshof, Rechtssache 33/78, Somafer gegen Saar-Ferngas, Slg. 1978, 2183.

(75)  Jenard-Bericht, S. 26.

(76)  Gerichtshof, Rechtssache 189/87, Kalfelis, Slg. 1988, 5565, Randnummer 12; und Rechtssache C-98/06, Freeport, Slg. 2007, I-8319.

(77)  Dok. KOM(97) 609 endg., Artikel 6.

(78)  Gerichtshof, Rechtssache C-51/97, Réunion européenne, Slg. 1998, I-6511.

(79)  Dies bedeutet nicht, dass Artikel 6 Nummer 1 so ausgelegt werden kann, dass es einem Kläger erlaubt wäre, eine Klage gegen mehrere Beklagte vor dem für einen von ihnen zuständigen Gericht allein zu dem Zweck zu erheben, die anderen Beklagten der Zuständigkeit der Gerichte ihres Wohnsitzstaats zu entziehen: siehe Gerichtshof, Rechtssache C-103/05 Reisch Montage, Slg. 2006, I-6827, Randnummer 32. Siehe auch Gerichtshof, Rechtssache C-98/06, Freeport, Slg. 2007, I-8319, Randnummer 54.

(80)  Gerichtshof, Rechtssache C-365/88, Hagen, Slg. 1990, I-1845.

(81)  Nach dem Entwurf der Ratifikationsurkunde, die der Schweizer Bundesrat am 18. Februar 2009 gebilligt hat (BBl 2009 1777, FF 2009 1497; FF 2009 1435), wird die Schweiz ihre Erklärung zu Protokoll 1 Artikel II mit Wirkung ab dem Tag, an dem das Übereinkommen in Kraft tritt, zurückziehen.

(82)  Die von der Bestimmung betroffenen Staaten sind Deutschland, Österreich, Ungarn und die Schweiz.

(83)  Im Beschluss des Rates vom 27. November 2008 betreffend den Abschluss des neuen Übereinkommens von Lugano (ABl. L 147 vom 10.6.2009) hat der Rat beschlossen, dass die Gemeinschaft eine Erklärung gemäß Artikel II Absatz 2 des Protokolls 1 zum Übereinkommen abgibt, wonach die Verfahren gemäß Artikel 6 Nummer 2 und Artikel 11 außer in den bereits in Anhang IX zum Übereinkommen erwähnten Mitgliedstaaten in den Mitgliedstaaten Estland, Lettland, Litauen, Polen und Slowenien nicht in Anspruch genommen werden können.

(84)  Jenard-Bericht, S. 31; dort heißt es weiter, dass der Wohnsitz des Versicherungsnehmers zur Zeit der Klageerhebung zu berücksichtigen ist.

(85)  Siehe auch Gerichtshof, Rechtssache C-463/06 FBTO Schadeverzekeringen, Slg. 2007, I-11321, Randnummer 24.

(86)  Zweite Richtlinie 88/357/EWG des Rates vom 22. Juni 1988 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 73/239/EWG, ABl. L 172 vom 4.7.1988.

(87)  Erste Richtlinie 73/239/EWG des Rates vom 24. Juli 1973 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung), ABl. L 228 vom 16.8.1973.

(88)  Insbesondere in Artikel 2 der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Fall von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, ABl. L 372 vom 31.12.1985, und, wenn auch in leicht unterschiedlicher Formulierung, in anderen Verbraucherrichtlinien, beispielsweise in Artikel 2 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABl. L 95 vom 21.4.1993, und in Artikel 2 der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABl. L 144 vom 4.6.1997.

(89)  Siehe Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), ABl. L 177 vom 4.7.2008. Siehe auch Artikel 5 des Übereinkommens von Rom vom 19. Juni 1980, ABl. C 334 vom 30.12.2005.

(90)  Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit, ABl. L 42 vom 12.2.1987, später ersetzt durch die Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates, ABl. L 133 vom 22.5.2008.

(91)  Richtlinie 94/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 1994 zum Schutz der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien, ABl. L 280 vom 29.10.1994.

(92)  Gerichtshof, Rechtssache C-423/97, Travel Vac, Slg. 1999, I-2195, Randnummer 22.

(93)  Gerichtshof, Rechtssache C-73/04, Klein, Slg. 2005, I-8667, Randnummern 22ff.

(94)  Entsprechend der Definition in der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“), ABl. L 178 vom 17.7.2000; in deren Artikel 1 Absatz 4 heißt es ausdrücklich, dass sich die Richtlinie nicht „mit der Zuständigkeit der Gerichte [befasst]“; dies wird somit der Brüssel-I-Verordnung und parallel dazu dem Übereinkommen von Lugano überlassen.

(95)  Die Erklärung des Rates und der Kommission ist auf der Website des Europäischen Justiziellen Netzes abrufbar: http://ec.europa.eu/civiljustice/docs/Reg_44-2000_joint_statement_14139_de.pdf.

(96)  Artikel 5 Absatz 5 des Abkommens vom 19. Juni 1980; siehe auch Artikel 6 Absatz 3 und Absatz 4 Buchstabe b der Rom-I-Verordnung.

(97)  Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe b des Übereinkommens, ABl. C 27 vom 26.1.1998; siehe auch Artikel 8 Absatz 3 der Rom-I-Verordnung.

(98)  Siehe hinsichtlich Artikel 5 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens Gerichtshof, Rechtssache C-37/00, Weber, Slg. 2002, I-2013, Randnummern 49–58.

(99)  Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen, ABl. L 18 vom 21.1.1997.

(100)  Gerichtshof, Rechtssache C-280/90, Hacker, Slg. 1992, I-1111, Randnummer 15 (mit Bezug auf Artikel 16 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens).

(101)  Gerichtshof, Rechtssache C-8/98, Dansommer, Slg. 2000, I-393, Randnummer 38 (mit Bezug auf Artikel 16 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens).

(102)  Jenard/Möller-Bericht, Nummer 54.

(103)  Hierauf wurde im Jenard-Bericht, S. 35, und im Schlosser-Bericht, Nummern 166-172, hingewiesen.

(104)  Siehe Gutachten 1/03, Randnummer 153: „Allerdings sind zwar die Übereinstimmung des Gegenstands und die Übereinstimmung des Wortlauts der Gemeinschaftsvorschriften und der Bestimmungen des geplanten Übereinkommens Gesichtspunkte, die bei der Prüfung des Vorliegens einer Beeinträchtigung dieser Vorschriften durch das Übereinkommen zu berücksichtigen sind, doch können diese Gesichtspunkte allein nicht belegen, dass es an einer solchen Beeinträchtigung fehlt. Die Kohärenz, die sich aus der Anwendung der gleichen Zuständigkeitsvorschriften ergibt, ist nicht gleichbedeutend mit dem Fehlen einer Beeinträchtigung, denn die Anwendung einer Zuständigkeitsvorschrift des geplanten Übereinkommens kann zur Zuständigkeit eines anderen Gerichts führen als desjenigen, das nach der Verordnung Nr. 44/2001 zuständig gewesen wäre. Wenn das neue Übereinkommen von Lugano mit den Artikeln 22 und 23 der Verordnung Nr. 44/2001 gleich lautende Artikel enthält und der Gerichtsstand auf dieser Grundlage in einem Drittstaat liegt, der Partei dieses Übereinkommens ist, während der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, läge der Gerichtsstand somit ohne das Übereinkommen im letztgenannten Staat, mit dem Übereinkommen dagegen im Drittstaat.“

(105)  Anm. d. Ü.: Dieser Bezug war nicht in allen Sprachfassungen eindeutig.

(106)  Vgl. Anm. d. Ü. unter Nummer 96.

(107)  Schlosser-Bericht, Nummer 173.

(108)  KOM(2000) 412 endg. vom 1.8.2000.

(109)  KOM(2003) 827 endg. und KOM(2003) 828 endg. vom 23.12.2003. Nach den Vorschlägen von 2003 würde der Gerichtshof zuständig und im Rahmen des Systems des Gerichtshofs ein Gemeinschaftspatentgericht errichtet, wobei Rechtsmittel zum Gericht erster Instanz möglich wären.

(110)  Nach dem von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Protokoll (Protokoll Nr. 4) hätte der Gerichtshof die ausschließliche Zuständigkeit bei Streitigkeiten in Bezug auf gemeinschaftliche Titel für den gewerblichen Rechtsschutz in dem Umfang besessen, wie ihm diese im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft übertragen ist. Die Titel III und IV des Lugano-Übereinkommens hätten auf die Anerkennung und Vollstreckung der in diesen ergangenen Verfahren Anwendung gefunden.

(111)  Gerichtshof, Rechtssache C-4/03 GAT, Slg. 2006, I-6509 (mit Bezug auf Artikel 16 Nummer 4 des Brüsseler Übereinkommens).

(112)  GAT-Urteil, Randnummer 25.

(113)  Der Gerichtshof hat ausdrücklich erklärt, dass die Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Staates als desjenigen der Patenterteilung für die inzidente Entscheidung über die Gültigkeit eines ausländischen Patents nicht auf jene Fälle beschränkt werden könne, in denen das anwendbare nationale Recht der zu erlassenden Entscheidung eine auf die Parteien des Rechtsstreits begrenzte Wirkung vorsehe. In mehreren Staaten habe die Entscheidung über die Nichtigkeit eines Patents eine Wirkung erga omnes, und eine solche Beschränkung würde zu Verzerrungen führen und damit die Gleichheit und Einheitlichkeit der Rechte und Pflichten in Frage stellen, die sich für die durch das Übereinkommen gebundenen Staaten und die betroffenen Personen aus dem Übereinkommen ergäben (GAT-Urteil, Randnummer 30).

(114)  Siehe auch den Beschluss des Rates vom 27. November 2008 betreffend den Abschluss des neuen Übereinkommens von Lugano (ABl. L 147 vom 10.6.2009), in dem die Europäische Gemeinschaft erklärt, dass sie beabsichtigt, den Geltungsbereich von Artikel 22 Absatz 4 der Brüssel-I-Verordnung in diesem Sinne zu präzisieren und so die Parallelität zu Artikel 22 Absatz 4 des Übereinkommens von Lugano herzustellen, und dass sie dabei die Ergebnisse der Bewertung der Anwendung der Brüssel-I-Verordnung berücksichtigten wird.

(115)  Artikel 1 Absatz 3 des Übereinkommens.

(116)  Schlosser-Bericht, Nummer 179.

(117)  Schlosser-Bericht, Nummer 174.

(118)  Schlosser-Bericht, Nummer 177.

(119)  Siehe in Bezug auf das Brüsseler Übereinkommen die Rechtssache Kurz gegen Stella Musical, 1991, 3 Weekly Law Reports (WLR) 1046.

(120)  Schlosser-Bericht, Nummer 179. Zum Nachweis des Bestehens eines internationalen Handelsbrauchs und zur Prüfung seiner Relevanz siehe insbesondere Gerichtshof, Rechtssache C-159/97, Trasporti Castelletti, Slg. 1999, I-1597.

(121)  Diese Bezugnahme wurde dann in das Brüsseler Übereinkommen in der Fassung des Übereinkommens von Donostia-San Sebastián von 1989 und später in die Brüssel-I-Verordnung übernommen. Jenard/Möller-Bericht, Nummer 58.

(122)  In der englischen Fassung von Buchstabe a ist die Rede von einer Vereinbarung, die „evidenced in writing“ ist, während in anderen Fassungen ein Wortlaut verwendet wird, der wörtlich „mündlich geschlossen mit schriftlicher Bestätigung“ bedeutet.

(123)  Artikel 7 Absätze 3 und 4 des UNCITRAL-Modellgesetzes über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, geändert durch die UNCITRAL am 7. Juli 2006, VN-Dokument A/61/17, Anhang I: „ (3) An arbitration agreement is in writing if its content is recorded in any form, whether or not the arbitration agreement or contract has been concluded orally, by conduct, or by other means. (4) The requirement that an arbitration agreement be in writing is met by an electronic communication if the information contained therein is accessible so as to be useable for subsequent reference; ‚electronic communication‘ means any communication that the parties make by means of data messages; ‚data messages‘ means information generated, sent, received or stored by electronic, magnetic, optical or similar means, including, but not limited to, electronic data interchange (EDI), electronic mail, telegram, telex or telecopy. “

(124)  Gerichtshof, Rechtssache 24/76, Estasis Salotti, Sammlung 1976, S. 1831; Rechtssache 25/76, Galeries Segoura, Slg. 1976, S. 1851.

(125)  Siehe hierzu Jenard-Bericht, Seite 38.

(126)  Gerichtshof, Rechtssache 150/80, Elefanten Schuh, Slg. 1981, S. 1671, Randnummer 17.

(127)  Gerichtshof, Rechtssache 27/81, Rohr gegen Ossberger, Slg. 1981, S. 2431, Randnummer 8.

(128)  Jenard-Bericht, S. 38.

(129)  Gerichtshof, Rechtssache 150/80 Elefanten Schuh, Slg. 1981, S. 1671, Randnummer 16.

(130)  Jenard-Bericht, S. 38.

(131)  Jenard-Bericht, S. 39.

(132)  Schlosser-Bericht, Nummer 22.

(133)  Im Jenard-Bericht (S. 40) wird ein gegenteiliger Standpunkt vertreten.

(134)  Siehe weiter unten im Zusammenhang mit Artikel 34 Absatz 2.

(135)  Siehe Artikel 26 Absatz 3 des Übereinkommens.

(136)  ABl. L 160 vom 30.6.2000.

(137)  ABl. L 300 vom 17.11.2005.

(138)  Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates (ABl. L 324 vom 10.12.2007).

(139)  Nunmehr Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 (siehe oben Nummer 116).

(140)  Artikel 4 bis 11 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000.

(141)  Artikel 12 bis 15 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000.

(142)  Jenard/Möller-Bericht, Randnummer 64.

(143)  Gerichtshof, Rechtssache 144/86, Gubisch gegen Palumbo, Slg. 1987, 4861; das Urteil enthält eine besondere Bezugnahme auf die identische Grundlage der anhängigen Rechtssachen.

(144)  Im Jenard-Bericht heißt es auf Seite 41 wie folgt: „Der Ausschuss [,der den Entwurf für das Brüsseler Übereinkommen erstellt hatte,] hielt es nicht für erforderlich, in dem Übereinkommen genauer festzulegen, in welchem Zeitpunkt die Rechtsanhängigkeit eintritt; diese Frage regelt sich deshalb nach dem innerstaatlichen Recht der Vertragsstaaten. “

(145)  Gerichtshof, Rechtssache 129/83, Zelger gegen Salinitri, Slg. 1984, 2397.

(146)  In einigen Kantonen gilt als maßgeblicher Zeitpunkt der Beginn des Schlichtungsverfahrens (d.h. die Rechtshängigkeit tritt vor der Einleitung des Gerichtsverfahrens ein).

(147)  Mit der Ausnahme, dass die Rechtshängigkeit in Griechenland rückwirkend eintritt (mit dem Tag der Einreichung der Klage bei Gericht).

(148)  Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 (ABl. L 324 vom 10.12.2007), die an die Stelle der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates getreten ist; siehe oben Nummer 116.

(149)  Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (ABl. C 261 vom 27.8.1997), auf das sich die Ad-hoc-Arbeitsgruppe bei der Überprüfung der Übereinkommen von Brüssel und Lugano stützte.

(150)  Siehe zum Beispiel Gerichtshof, Rechtssache C-406/92, Tatry gegen Maciej Rataj (Slg. 1994, I-5439), in der der Gerichtshof entschieden hat, dass eine Klage, die auf die Feststellung, dass der Beklagte für einen Schaden haftet, und auf dessen Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz gerichtet ist, denselben Anspruch betrifft wie eine von diesem Beklagten früher erhobene Klage auf Feststellung, dass er für diesen Schaden nicht haftet.

(151)  Diesbezüglich ist die vereinbarte Lösung derjenigen vorzuziehen, die von der Europäischen Gruppe für Internationales Privatrecht vorgeschlagen wurde; danach sollten für die Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem die Klage endgültig als anhängig zu betrachten ist, kumulativ der Zeitpunkt, zu dem das Gericht von der Klage Kenntnis erhält, und der Zeitpunkt, zu dem die Zustellung an den Beklagten erfolgt, herangezogen werden (Vorschläge der Europäischen Gruppe für Internationales Privatrecht, Nummern 10-12).

(152)  Es scheint, dass dieser Fall infolge der Rechtsprechung des Gerichtshofs nun noch seltener eintreten kann. In einer Rechtssache, die die Verpachtung einer unbeweglichen Sache betraf, die teils in Belgien, teils in den Niederlanden belegen war, hat der Gerichtshof entschieden, dass jeder der beiden Staaten für den in seinem Hoheitsgebiet belegenen Teil des Grundbesitzes ausschließlich zuständig ist, und damit die Anwendbarkeit der Bestimmung über den Konflikt der ausschließlichen Zuständigkeit ausgeschlossen, allerdings nur im vorliegenden Fall und somit nicht grundsätzlich: Gerichtshof, Rechtssache 158/87, Scherrens, Slg. 1988, 3791.

(153)  Siehe beispielsweise Gerichtshof, Rechtssache 23/78, Meeth gegen Glacetal, Slg. 1978, 2133.

(154)  Gerichtshof, Rechtssache 150/80, Elefanten Schuh, Slg. 1981, 1671.

(155)  Jenard-Bericht, S. 41.

(156)  Gerichtshof, Rechtssache C-261/90, Reichert, Slg. 1992, I-2149, Randnummer 34.

(157)  Siehe auch die Vorschläge der Europäischen Gruppe für Internationales Privatrecht, Nummer 13.

(158)  Gerichtshof, Rechtssache C-391/95, Van Uden, Slg. 1998, I-7091.

(159)  Van Uden, Randnummer 22.

(160)  Van Uden, Randnummern 20 und 28.

(161)  Van Uden, Randnummer 29, und, hinsichtlich der Möglichkeit, dass das Hauptsacheverfahren vor einem Schiedsgericht stattfinden müsste, Randnummer 34.

(162)  Van Uden, Randnummer 40.

(163)  Van Uden, Randnummern 43-48. Zu einer ähnlichen Schlussfolgerung siehe auch Gerichtshof, Rechtssache C-99/96, Mietz, Slg. 1999, I-2277, Randnummer 47.

(164)  Jenard-Bericht, S. 42.

(165)  Nachdem die Ad-hoc-Arbeitsgruppe ihre Beratungen abgeschlossen hatte, sind in der Gemeinschaft Exequaturverfahren für bestimmte Arten von Entscheidungen abgeschafft worden: Verordnung (EG) Nr. 805/2004 vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen, ABl. L 143 vom 30.4.2004 (geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1869/2005, ABl. L 300 vom 17.11.2005); Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens, ABl. L 399 vom 30.12.2006; und Verordnung (EG) Nr. 861/2007 vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen, ABl. L 199 vom 31.7.2007.

(166)  Siehe hierzu Jenard-Bericht, S. 42, und Schlosser-Bericht, Nummer 188.

(167)  Gerichtshof, Rechtssache 125/79, Denilauler gegen Couchet, Slg. 1980, 1553.

(168)  Siehe beispielsweise das Amt für die Harmonisierung im Binnenmarkt (OHIM), das in der Europäischen Gemeinschaft Entscheidungen hinsichtlich der Aufhebung oder Ungültigkeit bestimmter gemeinschaftlicher Rechte des geistigen Eigentums wie Warenzeichen und eingetragene Muster und Modelle erlässt, oder nationale Gerichte, die von Mitgliedstaaten der EU als Gemeinschaftsgerichte hinsichtlich der Ungültigkeit bestimmter gemeinschaftlicher Rechte des geistigen Eigentums wie Warenzeichen und eingetragene oder nicht eingetragene Muster und Modelle benannt werden.

(169)  Gerichtshof, Rechtssache C-7/98, Krombach, Slg. 2000, I-1935, Randnummern 23 und 37, in Bezug auf das Recht, sich verteidigen zu lassen.

(170)  Gerichtshof, Rechtssache C-38/98, Renault gegen Maxicar, Slg. 2000, I-2973, Randnummer 30, in Bezug auf die richtige Anwendung der Gemeinschaftsprinzipien des freien Warenverkehrs und des freien Wettbewerbs durch die Gerichte des Ursprungsstaats.

(171)  Gerichtshof, Rechtssache C-7/98, Krombach, Slg. 2000, I-1935, Randnummern 38 bis 40.

(172)  Jenard-Bericht, S. 44; Schlosser-Bericht, Nummer 194.

(173)  Gerichtshof, Rechtssache 166/80, Klomps gegen Michel, Slg. 1981, 1593, Randnummern 15-19.

(174)  Gerichtshof, Rechtssache C-305/88, Lancray gegen Peters und Sickert, Slg. 1990, I-2725, Randnummern 15, 18 und 23.

(175)  Gerichtshof, Rechtssache C-123/91, Minalmet gegen Brandeis, Slg. 1992, I-5661, Randnummer 22; Rechtssache C-78/95, Hendrikman, Slg. 1996, I-4943, Randnummern 18-21.

(176)  Zu einem vergleichbaren Konzept siehe die Vorschläge der Europäischen Gruppe für Internationales Privatrecht, Nummern 14-16.

(177)  Gerichtshof, Rechtssache 49/84, Debaecker gegen Bouwman, Slg. 1985, 1779, Tenor.

(178)  Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe hat es vorgezogen, den Wortlaut von Artikel 26 Absatz 2 nicht ausdrücklich in Artikel 34 Nummer 2 einzubeziehen, wie es die Kommission ursprünglich vorgeschlagen hatte, damit keine weitere Überprüfung der Handlungen des Gerichts, das die Entscheidung erlassen hat, vorgeschrieben wird.

(179)  Gerichtshof, Rechtssache 166/80, Klomps gegen Michel, Slg. 1981, 1593, Randnummer 19.

(180)  In den Urteilen in den Rechtssachen Minalmet und Hendrikman, siehe oben Nummer 134. Mit Bezug auf die entsprechende Bestimmung in der Brüssel-I-Verordnung hat der Gerichtshof weiter ausgeführt, dass die Möglichkeit für den Beklagten, im Ursprungsstaat einen Rechtsbehelf gegen das Versäumnisurteil einzulegen, voraussetzt, dass er über dieses Urteil unterrichtet worden ist und genügend Zeit hatte, seine Verteidigung vorzubereiten und einen Rechtsbehelf einzulegen: siehe Rechtssache C-283/05, ASML, Slg. 2006, I-12041.

(181)  Gerichtshof, Rechtssache 49/84, Debaecker gegen Bouwman, Slg. 1985, 1779, Randnummern 10-13.

(182)  Jenard-Bericht, S. 45.

(183)  Gerichtshof, Rechtssache 145/86, Hoffmann gegen Krieg, Slg. 1988, 645, Randnummer 25, in Bezug auf eine ausländische Entscheidung zwischen Ehegatten über die Frage des Unterhalts, die mit einem im ersuchten Staat ergangenen Scheidungsurteil unvereinbar war.

(184)  Schlosser-Bericht, Nummer 205.

(185)  Vorschläge der Europäischen Gruppe für Internationales Privatrecht, Nummer 28.

(186)  Jenard/Möller-Bericht, Nummern 67, 14-17, 79-84.

(187)  Jenard-Bericht, Seite 46.

(188)  Siehe oben Nummer 128.

(189)  Jenard-Bericht, S. 47.

(190)  Schlosser-Bericht, Nummern 208-213, und Jenard/Möller-Bericht, Nummern 68-69.

(191)  Es wurde auch darauf hingewiesen, dass es wünschenswert wäre, über ein Handbuch mit den praktischen Informationen für die Ermittlung des Gerichts oder der sonst befugten Stelle zu verfügen, da diese Informationen im verfügenden Teil des Übereinkommens oder in einem Anhang aus offensichtlichen Gründen nicht enthalten sein können.

(192)  Siehe Jenard-Bericht, S. 49-50.

(193)  Die Stelle, die die Bescheinigung ausstellt, muss der Entscheidung, auf die sich die Bescheinigung bezieht, die erforderlichen Angaben entnehmen, wobei sie gegebenenfalls die Unterstützung des Berechtigten benötigt. Muss beispielsweise nach dem Recht des Ursprungsstaats das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht vom Gericht, sondern vom Kläger zugestellt werden, so wird der Kläger der Stelle, die die Bescheinigung ausstellt, den Nachweis erbringen müssen, dass die Zustellung erfolgt ist, so dass das Datum in die Bescheinigung eingetragen werden kann.

(194)  Jenard-Bericht, S. 55-56.

(195)  Jenard-Bericht, S. 56.

(196)  Die einzige Folge einer Verzögerung ist daher, dass die ersuchte Stelle haftbar gemacht werden kann, wenn dies nach dem innerstaatlichen Recht oder, da das Übereinkommen Teil des gemeinschaftlichen Besitzstands sein wird, dem Gemeinschaftsrecht vorgesehen ist. Wiederholte Verzögerungen können von dem im Protokoll 2 vorgesehenen Ständigen Ausschuss geprüft werden.

(197)  Artikel 43 Absatz 4 übernimmt somit die Bestimmung von Artikel 40 Absatz 2 des Übereinkommens von 1988.

(198)  Siehe auch Jenard-Bericht, S. 53.

(199)  Wie im Falle Maltas, wo außer in Unterhaltssachen bei keinem anderen Gericht ein weiterer Rechtsbehelf möglich ist.

(200)  Siehe Jenard-Bericht, S. 52.

(201)  In Dokument KOM(97) 609 endg. war vorgeschlagen worden, nach dem derzeitigen Artikel 33 einen neuen Artikel mit folgendem Wortlaut einzufügen: „Entscheidungen, die in einem Vertragsstaat ergangen sind, begründen, auch wenn sie nicht vollstreckbar sind oder noch nicht im Vollstreckungsstaat für vollstreckbar erklärt worden sind, nach Maßgabe der Verurteilung eine Forderung, die einstweilige Maßnahmen einschließlich solcher, die auf Sicherung gerichtet sind, nach dem Recht des Vollstreckungsstaats ermöglicht. “

(202)  Gerichtshof, Rechtssache 148/84, Deutsche Genossenschaftsbank gegen Brasserie du Pêcheur, Slg. 1985, 1981, Randnummer 18.

(203)  Gerichtshof, Rechtssache 119/84, Capelloni und Aquilini gegen Pelkmans, Slg. 1985, 3147, Randnummer 11.

(204)  Gerichtshof, Capelloni and Aquilini gegen Pelkmans, Randnummer 21.

(205)  Gerichtshof, Capelloni and Aquilini gegen Pelkmans, Randnummern 25 und 26.

(206)  Gerichtshof, Rechtssache C-220/95, Van den Boogaard gegen Laumen, Slg. 1997, I-1147, Randnummern 21 und 22, in Bezug auf eine englische Entscheidung, in der in einem Scheidungsverfahren sowohl die güterrechtliche Beziehung der Parteien als auch Unterhaltsfragen geregelt wurden.

(207)  Siehe unten Nummer 169.

(208)  Jenard-Bericht, S. 53–54.

(209)  Schlosser-Bericht, Nummer 213.

(210)  In Artikel 44 des Lugano-Übereinkommens von 1988 war die Anwendung auf „Verfahren nach den Artikeln 32 bis 35“ beschränkt.

(211)  Jenard-Bericht, S. 54.

(212)  Es sei darauf hingewiesen, dass in der italienischen Fassung des Übereinkommens der zuvor verwendete Begriff „atti autentici“ („authentische Urkunden“) durch den Begriff „atti pubblici“ („öffentliche Urkunden“) ersetzt worden ist. Damit soll, wie im Text erklärt wird, die Rechtsprechung des Gerichtshofs berücksichtigt werden.

(213)  Gerichtshof, Rechtssache C-260/97, Unibank gegen Christensen, Slg. 1999, I-3715, Randnummer 15 (in Bezug auf Artikel 50 des Brüsseler Übereinkommens).

(214)  Jenard/Möller-Bericht, Nummer 72.

(215)  Jenard/Möller-Bericht, Nummern 106-107.

(216)  Dort ist ausdrücklich bestimmt, dass bei den summarischen Mahnverfahren in Schweden der Begriff „Gericht“ auch das Amt für Beitreibung („kronofogdemyndighet“) umfasst.

(217)  Das Übereinkommen wurde von Dänemark (2. Mai 1989), Norwegen (1. November 1994) und Finnland (21. Dezember 1995) ratifiziert; Irland (17. Oktober 1989) und Schweden (30. April 1993) sind ihm beigetreten. Nach Artikel 15 des Übereinkommens trat dieses sechs Monate nach der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde oder nach dem Eingang der Notifizierung des Beitritts in Kraft. Griechenland hatte das Übereinkommen bereits am 27. Februar 1967, also vor dem Übereinkommen von 1988, ratifiziert. Lediglich Island wäre damit dem Übereinkommen nicht beigetreten.

(218)  Jenard-Bericht, S. 59; Jenard/Möller-Bericht, Nummer 77.

(219)  Gerichtshof, Rechtssache C-406/92, Tatry gegen Maciej Rataj, Slg. 1994, I-5439, Randnummern 24-25 und 27, in Bezug auf die Anwendung des Brüsseler Übereinkommens auf die Rechtshängigkeit und im Zusammenhang stehende Verfahren, wenn diese Aspekte nicht in der besonderen Übereinkunft, die sich auf bestimmte Zuständigkeitsregeln beschränkt, geregelt sind (bei der besonderen Übereinkunft handelte es sich um das Brüsseler Übereinkommen von 1952 über den Arrest in Seeschiffe).

(220)  Siehe Nummer 7.

(221)  Jenard-Bericht, Seite 61.

(222)  Diese Beschränkung wurde mit dem Beitrittsübereinkommen von 1978 in das Brüsseler Übereinkommen aufgenommen: Schlosser-Bericht, Nummern 249-250.

(223)  Siehe Nummer 180.

(224)  Siehe Nummer 7.

(225)  Artikel 62 des Abkommens von 1988; siehe Jenard/Möller-Bericht, Nummern 89-90.

(226)  Auf Ersuchen Dänemarks wurde bei den Verhandlungen präzisiert, dass die derzeitige Stellung der Färöer und Grönlands in Bezug auf das Übereinkommen von 1988 im Rahmen des neuen Übereinkommens beibehalten wird. Siehe Jenard/Möller-Bericht, Nummer 95.

(227)  Siehe Nummer 101.

(228)  Von der 20. Tagung der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht angenommenes Übereinkommen vom 30. Juni 2005 über Gerichtsstandsvereinbarungen.

(229)  Siehe den Erläuternden Bericht von T. Hartley und M. Dogaouchi zum Haager Übereinkommen, Nummern 271-282.

(230)  Protokoll (Nr. 6) zum Vertrag über die Europäische Union, zum Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und zum Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft.