ISSN 1725-2407

Amtsblatt

der Europäischen Union

C 77

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Ausgabe in deutscher Sprache

Mitteilungen und Bekanntmachungen

52. Jahrgang
31. März 2009


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III   Vorbereitende Rechtsakte

 

EUROPÄISCHER WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS

 

447. Plenartagung vom 17./18. September 2008

2009/C 077/01

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung de Europäischen Parlaments und des Rates zur Festsetzung von Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen im Rahmen des Gesamtkonzepts der Gemeinschaft zur Verringerung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen und leichten NutzfahrzeugenKOM(2007) 856 endg. — 2007/0297 (COD)

1

2009/C 077/02

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sicherheit von SpielzeugKOM(2008) 9 endg. — 2008/0018 (COD)

8

2009/C 077/03

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Ein Binnenmarkt für das Europa des 21. JahrhundertsKOM(2007) 724 endg.

15

2009/C 077/04

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine europäische Initiative zur Entwicklung von Kleinstkrediten für mehr Wachstum und BeschäftigungKOM(2007) 708 endg./2

23

2009/C 077/05

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 76/769/EWG in Bezug auf Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung gewisser gefährlicher Stoffe und Zubereitungen (Dichlormethan)KOM(2008) 80 endg. — 2008/0033 (COD)

29

2009/C 077/06

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 68/151/EWG und 89/666/EWG des Rates im Hinblick auf die Veröffentlichungs- und Übersetzungspflichten von Gesellschaften bestimmter RechtsformenKOM(2008) 194 endg. — 2008/0045 (COD)

35

2009/C 077/07

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates im Hinblick auf bestimmte Angabepflichten mittlerer Unternehmen sowie die Pflicht zur Erstellung eines konsolidierten AbschlussesKOM(2008) 195 endg. — 2008/0084 (COD)

37

2009/C 077/08

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über vorgeschriebene Angaben an zweirädrigen oder dreirädrigen Kraftfahrzeugen (kodifizierte Fassung) KOM(2008) 318 endg. — 2008/0099 (COD)

41

2009/C 077/09

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Führersitz von land- oder forstwirtschaftlichen Zugmaschinen auf Rädern (kodifizierte Fassung) KOM(2008) 351 endg. — 2008/0115 (COD)

41

2009/C 077/10

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter (kodifizierte Fassung) KOM(2008) 344 endg. — 2008/0109 (COD)

42

2009/C 077/11

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung (EG) Nr. …/… des Europäischen Parlaments und des Rates vom […] über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel (kodifizierte Fassung) KOM(2008) 369 endg. — 2008/0126 (COD)

42

2009/C 077/12

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren QuellenKOM(2008) 19 endg. — 2008/0016 (COD)

43

2009/C 077/13

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Unterstützung der frühzeitigen Demonstration einer nachhaltigen Stromerzeugung aus fossilen BrennstoffenKOM(2008) 13 endg.

49

2009/C 077/14

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die erste Bewertung der durch die Richtlinie 2006/32/EG über Energieeffizienz und Energiedienstleistungen vorgeschriebenen nationalen Energieeffizienz-Aktionspläne — Gemeinsame Fortschritte bei der EnergieeffizienzKOM(2008) 11 endg.

54

2009/C 077/15

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Das Internet der Dinge

60

2009/C 077/16

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über kreative Online-Inhalte im BinnenmarktKOM(2007) 836 endg.

63

2009/C 077/17

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2005/35/EG über die Meeresverschmutzung durch Schiffe und die Einführung von Sanktionen für VerstößeKOM(2008) 134 endg. — 2008/0055 (COD)

69

2009/C 077/18

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Erleichterung der grenzübergreifenden Durchsetzung von VerkehrssicherheitsvorschriftenKOM(2008) 151 endg. — 2008/0062 (COD)

70

2009/C 077/19

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Internationale Klimaschutzverhandlungen

73

2009/C 077/20

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Information der Verbraucher über LebensmittelKOM(2008) 40 endg. — 2008/0028 (COD)

81

2009/C 077/21

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen und die Verwendung von FuttermittelnKOM(2008) 124 endg. — 2008/0050 (COD)

84

2009/C 077/22

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Die Auswirkungen der aktuellen Entwicklung auf den Energiemärkten auf die industriellen Wertschöpfungsketten in Europa

88

2009/C 077/23

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Weißbuch Gemeinsam für die Gesundheit: Ein strategischer Ansatz der EU für 2008-2013KOM(2007) 630 endg.

96

2009/C 077/24

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Ausweitung der Antidiskriminierungsmaßnahmen über die Beschäftigung hinaus auf andere Bereiche und Zweckmäßigkeit einer einzigen umfassenden Antidiskriminierungsrichtlinie

102

2009/C 077/25

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Mehrsprachigkeit

109

2009/C 077/26

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Berücksichtigung der Bedürfnisse älterer Menschen

115

2009/C 077/27

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Hin zu einer ausgewogenen städtischen Entwicklung: Herausforderungen und Möglichkeiten

123

2009/C 077/28

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Die Wirtschaft der EU: Bilanz 2007 — Die Produktivitätsgrenze Europas verschieben

131

2009/C 077/29

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Anwendung von Maßnahmen zur Missbrauchsbekämpfung im Bereich der direkten Steuern (innerhalb der EU und im Hinblick auf Drittländer)KOM(2007) 785 endg.

139

2009/C 077/30

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Governance und Partnerschaft auf nationaler und regionaler Ebene und die Grundlage für Vorhaben im Bereich der Regionalpolitik (Befassung durch das Europäische Parlament)

143

2009/C 077/31

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Steuerbefreiungen bei der endgültigen Verbringung persönlicher Gegenstände durch Privatpersonen aus einem Mitgliedstaat (kodifizierte Fassung)KOM(2008) 376 endg. — 2008/0120 (COD)

148

2009/C 077/32

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Die EU-Afrika-Strategie

148

2009/C 077/33

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu den Beziehungen EU-Ukraine: eine neue dynamische Rolle für die Zivilgesellschaft

157

DE

 


III Vorbereitende Rechtsakte

EUROPÄISCHER WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS

447. Plenartagung vom 17./18. September 2008

31.3.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 77/1


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung de Europäischen Parlaments und des Rates zur Festsetzung von Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen im Rahmen des Gesamtkonzepts der Gemeinschaft zur Verringerung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen und leichten Nutzfahrzeugen“

KOM(2007) 856 endg. — 2007/0297 (COD)

(2009/C 77/01)

Der Rat der Europäischen Union beschloss am 22. Februar 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Verordnung de Europäischen Parlaments und des Rates zur Festsetzung von Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen im Rahmen des Gesamtkonzepts der Gemeinschaft zur Verringerung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen und leichten Nutzfahrzeugen“

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 15. Juli 2008 an. Berichterstatter war Herr IOZIA.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 447. Plenartagung am 17./18. September 2008 (Sitzung vom 17. September) mit 140 gegen 4 Stimmen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der EWSA hat in seinen Stellungnahmen zur Senkung der CO2-Emissionen stets sämtliche Legislativvorschläge der Kommission mit Nachdruck unterstützt, die konkrete und klar erkennbare Ziele bei der Senkung der Treibhausgasemissionen verfolgen und ein grundlegender Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels sind.

1.2

Der EWSA befürwortet den Zweck des Verordnungsvorschlags, stufenweise konkrete Zielwerte bei der Senkung der CO2-Emissionen zu erreichen. Bis 2012 soll mittels technischer Verbesserungen der Motoren ein Wert von 130 g/km erreicht werden.

1.3

Er hofft auf das Engagement aller Beteiligter, damit im Rahmen eines integrierten Ansatzes bis 2012 das Emissionsziel von 120 g/km erreicht werden kann, das in den Mitteilungen der Kommission vom Februar 2007 vorgesehen war. Er fordert den Rat und das Europäische Parlament auf, sämtliche Legislativvorschläge, die bei der Bekämpfung des Klimawandels von Nutzen sind, zügig anzunehmen.

1.3.1

Der EWSA legt der Kommission nahe, gemäß den Anregungen des Europäischen Parlaments langfristige Ziele festzulegen: für 2020 müssen mutigere Lösungen anvisiert werden.

1.4

Der EWSA fordert insbesondere eine umgehende Annahme des Richtlinienvorschlags KOM(2005) 261 endg. über die Besteuerung von Personenkraftwagen und die Verbesserung der Richtlinie 1999/94/EG über die Kennzeichnung der CO2-Emissionen. Er fordert die Kommission auf, Initiativen für Werbung und Marketing im Automobilsektor vorzuschlagen und zu koordinieren, die Maßnahmen zur Förderung der sparsamsten Kraftfahrzeuge vorsehen.

1.5

Die Wahl des Rechtsinstruments einer Verordnung für die Branche erscheint angezeigt, die Phase der Selbstverpflichtungen der Automobilindustrie zu beenden, da diese zwar durchaus begrüßenswerte Ergebnisse in puncto CO2-Emissionsverhalten von Pkw gebracht haben, für das Erreichen der vereinbarten Zielwerte aber nicht ausreichen.

1.6

Der EWSA begrüßt die Strategie und den vorgeschlagenen Ansatz, fordert aber, dass sich die Vorschriften auch auf realistische Art und Weise umsetzen lassen und ein ausgewogenes Verhältnis angestrebt wird zwischen notwendigen ökologischen Verbesserungen, der Erhaltung der Beschäftigungslage in einer Branche mit 13 Mio. Arbeitnehmern und der umfassenden Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen in einem Sektor, der für die europäische Wirtschaft von strategischer Bedeutung ist.

1.7

Er begrüßt die Wahl des Rechtsinstruments einer Verordnung, da sie die sofortige Einhaltung der anzunehmenden Vorschriften gewährleisten kann und folglich eventuelle Wettbewerbsverzerrungen vermeidet. Es ist von grundlegender Bedeutung, die Zeitvorgaben und konkreten Grundlagen der vorgeschlagenen Maßnahmen sorgfältig zu bewerten und breiter abzustimmen, damit die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen auf dem Weltmarkt erhalten und gestärkt und die Herausbildung künstlicher Vorteile zwischen den verschiedenen Produktionsabschnitten innerhalb der Branche vermieden wird.

1.8

Zu diesem Zweck schlägt der EWSA der Kommission vor, die Aufgabe des gegenwärtigen Systems für die Festlegung der Emissionsziele ausschließlich in Abhängigkeit von der Masse der Fahrzeuge (wie in Japan praktiziert) zugunsten alternativer Parameter zu erwägen, wie z.B. die Fahrzeugstandfläche (Produkt aus Spurweite und Radstand), die bereits in den USA für Lkw herangezogen werden.

1.9

Der EWSA fordert eine stärkere Berücksichtigung der linearen Kurve („Steigung in %“), die sich unmittelbar auf die Lastenverteilung unter den Herstellern auswirkt. Die Kommission selbst stellt in ihrer Zusammenfassung der Folgenabschätzung [SEK(2007) 1724] fest: „Um ein Gleichgewicht zwischen den Kriterien zu erreichen, sollte nach einer ersten Analyse ein Bereich zwischen 50° und 80° näher untersucht werden“, womit sie implizit eingesteht, dass die Folgenabschätzung zu einer so wichtigen Frage noch erheblich verbessert werden muss. Die Entscheidung für eine Steigung von 60° löst die Probleme nicht und könnte zu Kontroversen mit einigen Herstellern führen, die diese Wahl für ungerecht und unausgewogen halten. Der EWSA empfiehlt, dass die endgültige und nach allen erforderlichen Vertiefungen getroffene Entscheidung weder zu Vorteilen führen noch Nachteile verursachen darf.

1.10

Ein weiterer Aspekt, der einer aufmerksameren Bewertung bedarf, ist die Erhebung von Abgaben gemäß Artikel 7 des zu prüfenden Verordnungsvorschlags. Der EWSA begrüßt die Einführung dieser Abgaben wegen ihrer abschreckenden Wirkung, ist jedoch der Ansicht, dass es der europäischen Industrie aufgrund ihrer starken Progression nicht möglich ist, ihre Produktionskette innerhalb der vorgesehenen Fristen auf die neuen Zielvorgaben einzustellen. Die Sanktionen scheinen unverhältnismäßig zu sein, sowohl im Vergleich zu den Sanktionen für andere Branchen, als auch innerhalb der Branche mit Blick auf den Unterschied zwischen den Herstellern von Klein- und Mittelklassefahrzeugen und den Herstellern von großen Fahrzeugen, da sie sich relativ stark auf erstere auswirken.

1.11

Der EWSA ist der Auffassung, dass diese progressiv ansteigenden Sanktionen sehr hoch sind, sich auf die Endpreise auswirken und folglich auf den Endverbraucher abgewälzt werden und den Wettbewerb verzerren könnten, sodass sich die Erneuerung des Fahrzeugparks verlangsamt. Er fordert die Kommission auf, sich dafür einzusetzen, dass diese Abgaben direkt der Automobilindustrie zugute kommen. Damit könnten Anreize für die Ersetzung umweltbelastender Altfahrzeuge geschaffen oder Informationskampagnen zur Verbrauchersensibilisierung finanziert werden, damit diese den Aspekt der CO2-Emissionen bei Kaufentscheidungen stärker berücksichtigen. Ferner könnten damit die zur Finanzierung von Forschung und Entwicklung erforderlichen umfangreichen Mittel aufgestockt werden.

1.12

Der EWSA ist der Auffassung, dass die wissenschaftliche Forschung wichtige Ergebnisse erzielen kann, die für den möglichen Fortschritt der Branche von zentraler Bedeutung sind. Können die Ergebnisse in einer ersten Phase sinnvollerweise mithilfe derzeitiger Technologien erreicht werden, so scheint es offensichtlich, dass in Zukunft eine umfassende technologische Neuausrichtung unter Einsatz von Spitzentechnologie erforderlich ist.

1.13

Der forschungsorientierte Ansatz erfordert nach Auffassung des EWSA umfangreiche Mittel und ein entschlossenes zielgerichtetes Engagement, angefangen bei der Koordinierung der in den einzelnen Mitgliedstaaten, Universitäten und in allen Technologiezentren auf verschiedenen Ebenen laufenden Initiativen, wobei die direkte Beteiligung der Hersteller vorgesehen und gefördert werden sollte.

1.14

Nach Auffassung des EWSA kann die diesbezügliche Mobilisierung des gesamten Bereichs der Wissenschaft mittels Einrichtung einer speziell für die Automobilbranche konzipierten gemeinsamen Technologieinitiative (GTI) erfolgen.

1.15

Die Folgenabschätzung ist nach Auffassung des EWSA nicht ausreichend vertieft, wie vom Ausschuss für Folgenabschätzung selbst verdeutlicht wird. Im Dokument SEK(2007) 1725 wird gefordert, die Auswirkungen auf das Erreichen der Zielwerte zu klären, indem mögliche Abweichungen von den Ergebnissen des TREMOVE-Modells und der Ex-ante-Untersuchung erläutert werden. Außerdem müssen weitere sensible Variablen wie Treibstoffpreis und autonome Gewichtszunahme untersucht werden. Ferner ist die Analyse und die Abschätzung der Folgen auf regionaler Ebene zu vertiefen, insbesondere mit Blick auf die Beschäftigung, die Automobilzulieferer und die internationale Wettbewerbsfähigkeit.

1.16

Nach Dafürhalten des EWSA müssen für den Erfolg einer so umfassenden Strategie angemessene und konkrete Begleit- und Schutzmaßnahmen für die Industriestruktur der wichtigen Unternehmen dieser Branche in Europa ergriffen werden, um ihre gegenwärtige Wettbewerbsfähigkeit sowie qualifizierte Arbeitsplätze zu erhalten und, wenn möglich, auszubauen. Der EWSA hält die Einrichtung einer Übergangsphase („phasing in“) für wünschenswert mit dem Ziel, bis 2012 mindestens 80 % der Zielwerte zu erreichen. Nach einem kontinuierlichen Anstieg dieses Werts sollen die Emissionsziele bis 2015 voll und ganz eingehalten werden.

1.17

Nach Auffassung des Ausschuss ist es für die Erreichung der Umweltziele und die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit wichtig, dass die Abgaben wegen Emissionsüberschreitung auf alle in Europa verkauften, einschließlich der in Drittstaaten produzierten Fahrzeuge erhoben werden. Die Emissionsgrenzwerte gelten für alle eingeführten Kfz.

1.18

Der EWSA erachtet diesen Vorschlag für den Beginn eines Prozesses, bei dem verkehrsbedingte Umweltprobleme mit einem integrierten Ansatz angegangen werden. Er fordert die Kommission auf, rasch neue Rechtsvorschriften vorzubereiten, mit denen die CO2-Emissionen leichter Nutzfahrzeuge, Lastkraftwagen und Krafträdern gesenkt werden können, und alle Daten bezüglich der Emissionen dieser Fahrzeuge zu erheben.

1.19

Der EWSA weist darauf hin, dass die durchaus wichtigen sektorspezifischen Maßnahmen für die Automobilbranche nicht das gesamte Engagement im Bereich der Verkehrspolitik ausmachen, sondern ein entscheidender Ansatz sind, um den gesamten Sektor auf Umweltziele auszurichten, die in anderen Branchen der europäischen Industrie bereits verfolgt werden.

1.20

Der EWSA betont und hofft, dass die Emissionszielwerte nicht nur über die vorgesehenen sektorspezifischen Maßnahmen, sondern auch über die Nachfrageseite im Verkehr angestrebt werden. Nach Auffassung des EWSA muss eine strikte Politik der Verlagerung immer größerer Anteile des Straßenverkehrs auf Verkehrsarten mit geringeren Treibhausgasemissionen wie Eisenbahn, Binnenschifffahrt und öffentlicher Verkehr — wenn möglich mit besonders emissionsarmen Fahrzeugen — durchgeführt werden.

1.21

Der EWSA unterstützt nicht die in Artikel 9 eingeführte befristete Ausnahmeregelung in der vorgeschlagenen Fassung aufgrund der offensichtlichen Ungleichbehandlung der Hersteller. Nach Ansicht des EWSA darf die Vorschrift keine wettbewerbsverzerrenden Vorteile gewähren.

1.22

Der EWSA empfiehlt die Erarbeitung eines Modells, das bei der Berechnung der CO2-Emissionen alle Emissionen im Zusammenhang mit der Fahrzeugherstellung mit einbezieht. Es gilt, die CO2-Emissionen des gesamten Lebenszyklus der Fahrzeuge zu berücksichtigen.

1.23

Damit dieses Ziel erreicht werden kann, muss eine Debatte über Lebensstil lanciert werden, wie der Ausschuss in verschiedenen aktuellen Stellungnahmen gefordert hat. Es besteht im Allgemeinen Konsens darüber, dass es nicht möglich sein wird, das Ziel der Senkung der CO2-Emissionen um 20 % zu erreichen, wenn die aktuellen Wachstumsraten bei der Zahl privater Pkw, der Zunahme ihrer Größe und die Bevorzugung von Fahrzeugen im Güterkraftverkehr mit hohen Treibhausgas- und NOx-Emissionen andauern.

2.   Hintergrund des Vorschlags

2.1

Gemäß der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen, die mit Beschluss 94/69/EG des Rates vom 15. Dezember 1993 im Namen der Europäischen Gemeinschaft angenommen wurde, müssen alle Parteien Programme mit Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels aufstellen und durchführen.

2.2

Die Kommission griff diese Hinweise auf und entwickelte nach und nach eine Reihe von Legislativmaßnahmen, die es der EU im Januar 2007 ermöglichten, im Rahmen von internationalen Verhandlungen eine Senkung der Treibhausgasemissionen der Industrieländer um 30 % (gegenüber dem Stand von 1990) vorzuschlagen und die Treibhausgasemissionen bis 2020 um mindestens 20 % zu reduzieren. Diese Ziele wurden anschließend vom Rat und vom Europäischen Parlament gebilligt.

2.3

Bei der Prüfung der einzelnen Sektoren in Bezug auf die Gesamtemissionen wurde festgestellt, dass die EU ihre Treibhausgasemissionen im Zeitraum 1990-2004 zwar um etwa 5 % gesenkt hat, dass die CO2-Emissionen aus dem Straßenverkehr jedoch um 26 % zugenommen haben.

2.4

Deshalb stellt sich die Notwendigkeit spezifischer Rechtsvorschriften, damit der Automobilsektor sich wieder dem allgemeinen Trend der Senkung der Treibhausgasemissionen anschließt, wobei der Pkw-Sparte besondere Beachtung beigemessen ist. Die Situation ist hier kritisch, da 12 % der Gesamtemissionen von Kohlendioxid (CO2), das bekanntlich das wichtigste Treibhausgas darstellt, vom motorisierten Individualverkehr ausgeht.

2.5

Im Automobilsektor ist zum einen erheblicher technologischer Fortschritt zu verzeichnen, der im Zeitraum von 1995 bis 2004 eine Senkung der CO2-Emissionen um 12,4 % mittels erhöhter Kraftstoffeffizienz erlaubte. Zum anderen ist die Entwicklung durch den steigenden Transportbedarf und die zunehmende Nachfrage nach größeren Fahrzeugen gekennzeichnet, wodurch die positiven Entwicklungen nicht nur gänzlich aufgewogen, sondern vielmehr ein Anstieg der Gesamtemissionen von Treibhausgasen zu beobachten war.

2.6

Angesichts dieser Entwicklung und ohne besondere Gegenmaßnahmen ist es sehr unwahrscheinlich, dass das Gemeinschaftsziel der Senkung der durchschnittlichen CO2-Emissionen der Neuwagenflotte auf 120 g/km erreicht wird.

3.   Grundlegende Schritte der Kommissionsstrategie

3.1

Die Gemeinschaftsstrategie zur Minderung der CO2-Emissionen nimmt seit 1995 Gestalt an. Sie beruht auf drei Säulen:

Selbstverpflichtungen der Automobilindustrie zur Senkung der Emissionen;

bessere Informationen für die Verbraucher;

Förderung verbrauchsgünstigerer Kfz durch steuerliche Maßnahmen.

3.2

1998 hat sich der Verband europäischer Automobilhersteller (ACEA) verpflichtet, die durchschnittlichen CO2-Emissionen der verkauften Neuwagen bis 2008 auf 140 g/km zu senken. Anschließend gingen auch die Verbände der japanischen (JAMA) und der koreanischen (KAMA) Automobilhersteller eine gleichartige Verpflichtung zur Senkung der durchschnittlichen CO2-Emissionen verkaufter Neuwagen auf 140 g/km bis 2009 ein.

3.3

Die Kommission anerkannte die diesbezüglichen Verpflichtungen im Rahmen der Empfehlungen 1999/125/EG (bezüglich der freiwilligen Vereinbarung der ACEA; 2000/303/EG (bezüglich der freiwilligen Vereinbarung der KAMA) und 2000/304/EG (bezüglich der freiwilligen Vereinbarung der JAMA. Bezüglich der Überwachung der Emissionen wurde die Entscheidung Nr. 1753/2000/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung eines Systems zur Überwachung der durchschnittlichen spezifischen CO2-Emissionen neuer Personenkraftwagen erlassen.

3.4

Am 7. Februar 2007 verabschiedete die Kommission zu diesem Thema zwei parallele Mitteilungen:

zum einen die Mitteilung über die Ergebnisse der Überprüfung der Strategie der Gemeinschaft zur Minderung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen und leichten Nutzfahrzeugen, KOM(2007) 19 endg. (Stellungnahme des EWSA: TEN/301, Berichterstatter, Herr RANOCCHIARI);

zum anderen die Mitteilung über ein wettbewerbsfähiges Kfz-Regelungssystem für das 21. Jahrhundert — CARS 21, KOM(2007) 22 endg. (Stellungnahme des EWSA: INT/351, Berichterstatter, Herr DAVOUST).

3.5

Darin werden die Fortschritte in Bezug auf die Vorgabe von 140 g CO2/km bis 2008/09 verdeutlicht, aber auch bekräftigt, dass das Gemeinschaftsziel von durchschnittlichen CO2-Emissionen der Neuwagenflotte von 120 g/km bis 2012 nicht ohne zusätzliche Maßnahmen erreicht werden kann.

3.6

In beiden Mitteilungen wurde vorgeschlagen, ein Gesamtkonzept mit zwei Schwerpunkten anzunehmen:

obligatorische Verringerungen der CO2-Emissionen, damit das Ziel von durchschnittlich 130 g/km für die Neuwagenflotte durch Verbesserungen bei der Motorentechnik erreicht wird;

eine weitere Verringerung um 10 g CO2/km, die durch ergänzende Maßnahmen in Form von anderen, in den Fahrzeugen einzubauenden technischen Vorrichtungen (wie z. B. Gangwechselanzeigen, Systeme zur Überwachung des Reifendrucks, Reifen mit geringem Rollwiderstand und hocheffiziente Klimaanlagen) sowie durch einen erhöhten Einsatz von Biokraftstoffen erreicht wird.

3.7

Die Kommission hob in diesen Mitteilungen hervor, dass das mittelfristige Ziel für die Neuwagenflotte folgenden Punkten gerecht werden müsse:

Wettbewerbsneutralität;

sozialverträgliche und nachhaltige Ziele;

Vermeidung jedweder ungerechtfertigten Verzerrung des Wettbewerbs unter den Automobilherstellern;

völlige Vereinbarkeit mit den Kyoto-Zielen.

3.8

Der vorgeschlagene und vom Rat „Wettbewerb“ und „Verkehr“ bestätigte Rechtsrahmen basiert auf der Zusicherung, dass alle Automobilhersteller ihr Engagement für die Herstellung umweltverträglicherer Kfz unter Wahrung höchster Kosteneffizienz verstärken.

3.9

Dies bedeutet, dass die Reduzierung der CO2-Emissionen im Rahmen eines integrierten Ansatzes zu erfolgen hat, der alle Akteure umfasst. Es wurde auf die Zweckmäßigkeit eines Legislativvorschlags hingewiesen, der den festgelegten Zielen bei Wahrung der weltweiten Wettbewerbsfähigkeit der Automobilindustrie gerecht wird.

4.   Der Kommissionsvorschlag

4.1

Ziel des betreffenden Verordnungsvorschlags (KOM(2007) 856 endg.) ist die Verringerung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen und leichten Nutzfahrzeugen und ihre Begrenzung auf 130 g/km bis 2012. Der Vorschlag gilt für Kraftfahrzeuge der Kategorie M1 gemäß Anhang II der Richtlinie 2007/46/EG und gemäß Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung Nr. 715/2007 (EG) für Fahrzeuge, die erstmals in der Gemeinschaft zugelassen werden und nicht zuvor außerhalb des Unionsgebiets zugelassen worden waren.

4.2

Der Vorschlag ist Teil eines Gesamtkonzepts und wird durch Maßnahmen ergänzt, die eine weitere Verringerung des CO2-Ausstoßes um 10 g/km beiwirken sollen, durch die das in der Mitteilung KOM(2007) 19 endg. genannte Gemeinschaftsziel von 120 g/km verwirklicht werden soll.

4.3

Bei der Festlegung von Emissionsnormen werden folgende Aspekte berücksichtigt:

die Auswirkungen solcher Maßnahmen auf die Märkte und die Wettbewerbsfähigkeit der Hersteller;

Innovationsanreize;

Verringerung des Energieverbrauchs.

4.4

Die vorgeschlagene Verordnung zielt ferner darauf ab,

die Automobilindustrie zur Investition in neue Technologien anzuregen;

umweltfreundliche Technologien aktiv zu fördern;

die künftigen technologischen Entwicklungen abzusehen;

die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu stärken; und

bessere Arbeitsplätze zu schaffen.

4.5

Die Kommission ist der Auffassung, dass dieser Verordnungsvorschlag mit den anderen Zielen und Maßnahmen der Gemeinschaft im Einklang steht. Er wurde nach einer breit angelegten Anhörung und unter direkter Mitwirkung einer im Rahmen des europäischen Programms zur Bewältigung des Klimawandels eingesetzten Arbeitsgruppe (CARS 21) und der unmittelbaren Beteiligung aller betroffenen Seiten veröffentlicht.

4.6

Rechtsgrundlage. Artikel 95 EG-Vertrag ist nach Ansicht des EWSA die geeignete Rechtsgrundlage, denn es ist erforderlich, für alle Wirtschaftsakteure gleiche Bedingungen zu schaffen und gleichzeitig ein hohes Schutzniveau für Gesundheit und Umwelt sicherzustellen.

4.7

Subsidiaritätsprinzip und Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Wenngleich der Bereich nicht unter die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft fällt, entspricht der Vorschlag diesen Grundsätzen, da Handelshemmnissen auf dem Binnenmarkt vorgebeugt wird und Rechtsvorschriften auf Gemeinschaftsebene harmonisierte Maßnahmen zur Reduzierung der Klimaauswirkungen von Personenkraftwagen erleichtert werden.

4.8

Wahl des Rechtsinstruments. Das Instrument einer Verordnung ist laut der Kommission hier am besten geeignet, weil damit eine sofortige Einhaltung der anzunehmenden Vorschriften gewährleistet ist und Wettbewerbsverzerrungen, die den Binnenmarkt beeinträchtigen könnten, vermieden werden.

4.9

Überwachung. Die Daten über die — in einheitlicher Weise nach der in der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 vorgesehenen Methodik gemessenen — Kohlendioxidemissionen neuer Personenkraftwagen werden von den Mitgliedstaaten erhoben und anschließend gemäß dem in Artikel 6 vorgesehenen Verfahren an die Kommission übermittelt.

4.10

Übereinstimmungsbescheinigung. Gemäß der Richtlinie 2007/46/EG legt der Hersteller jedem neuen Personenkraftwagen eine Übereinstimmungsbescheinigung bei, und die Mitgliedstaaten gestatten die Zulassung und die Inbetriebnahme neuer Personenkraftwagen nur dann, wenn eine gültige Übereinstimmungsbescheinigung vorliegt, abgesehen von der Ausnahmeregelung gemäß Artikel 9 des Verordnungsvorschlags.

4.11

Abgabe wegen Emissionsüberschreitung. Artikel 7 des Verordnungsvorschlags sieht vor, dass ab 2012 vom Hersteller oder Poolmanager eine Abgabe wegen Emissionsüberschreitung erhoben wird, wenn die Emissionen die Zielvorgaben überschreiten. Diese Abgaben, die in den auf 2012 folgenden Kalenderjahren stark ansteigen werden, gelten als Einnahmen für den Haushalt der Europäischen Union.

5.   Der Strategievorschlag des Europäischen Parlaments

5.1

Das Europäische Parlament begrüßte in seiner Entschließung vom 24. Oktober 2007 die Strategie der Kommission, schlug jedoch vor, dass die Emissionsziele ab 2011 gültig sind, damit bis 2015 die CO2-Emissionen allein durch technische Verbesserungen an den Fahrzeugen auf 125 g/km gesenkt werden. Das Parlament bestand auf einer zweiten Phase mit längerfristigen Zielen: bis 2020 sollen die Emissionen auf 95 g/km gesenkt werden und — nach einer Überprüfung der Ergebnisse bis 2016 — soll bis 2025 der Zielwert 70 g/km erreicht werden.

6.   Die Bedeutung des Verbraucherverhaltens

6.1

Das Verbraucherverhalten ist für positive Ergebnisse bei der Senkung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen von erheblicher Bedeutung. Deshalb hat die Kommission die vorbereitenden Arbeiten für eine Änderung der Richtlinie 1999/94/EG über Verbraucherinformationen in Bezug auf die Übereinstimmung von Neufahrzeugen mit den Emissionszielen in Angriff genommen. Diese sind mit Kraftstoffeinsparungen verbunden und sollen den Beitrag der Verbraucher für das Erreichen der Emissionsziele stärken.

7.   Allgemeine Bemerkungen

7.1

Der EWSA bekräftigt seine bereits in früheren Stellungnahmen zu den von der Kommission vorgeschlagenen Legislativvorschlägen zwecks Senkung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen geäußerte Befürwortung jedweder Gemeinschaftsinitiativen, die konkrete Zielwerte bei der Reduzierung der Treibhausgasemissionen anstreben — einem zentralen Aspekt bei der Bekämpfung des Klimawandels.

7.2

Der EWSA ist mit den Zielen des Vorschlags einverstanden, wobei die im Folgenden vorgebrachten Bemerkungen berücksichtigt werden sollten. Er fordert den Rat und das Europäische Parlament auf, alle gegenwärtigen Rechtssetzungsverfahren, die den Klimawandel eindämmen können, rasch zum Abschluss zu bringen.

7.3

Der EWSA fordert die europäischen Institutionen auf, den Richtlinienvorschlag KOM(2005) 261 endg. über die Besteuerung von Personenkraftwagen rasch anzunehmen, der zu einem schnelleren Erreichen des Ziels beiträgt und die Hersteller zu größerem Engagement anregt. Außerdem sollen sich die Institutionen einsetzen für eine zügige Verbesserung der Richtlinie 1999/94/EG über die Bereitstellung von Verbraucherinformationen mittels spezifischer Kennzeichnungen der CO2-Emissionen sowie für die Koordinierung und das Vorschlagen von Initiativen für Werbung und Marketing im Automobilsektor, die Maßnahmen zur Förderung der sparsamsten Kraftfahrzeuge und das Werbeverbot für Fahrzeuge mit dem höchsten Schadstoffausstoß vorsehen.

7.4

Der EWSA befürwortet die Wahl von Artikel 95 als Rechtsgrundlage für diese Verordnung, da damit für alle Akteure gleiche Bedingungen geschaffen werden und gleichzeitig ein hohes Schutzniveau für Gesundheit und Umwelt gegeben ist.

7.5

Er begrüßt die Wahl des Rechtsinstruments einer Verordnung, da damit die unmittelbare Einhaltung der angenommenen Vorschriften gewährleistet werden kann und eventuelle Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden. Diese Wahl erscheint nach einer Phase der Selbstverpflichtungen der Automobilindustrie angezeigt, da diese zwar durchaus begrüßenswerte Ergebnisse in puncto verbesserten CO2-Emissionsverhaltens der Personenkraftwagen bewirkten, aber für das Erreichen der vereinbarten Zielwerte für unzureichend gehalten werden.

7.6

Der EWSA begrüßt den Vorschlag, die CO2-Emissionen mittels Verbesserungen bei der Motorentechnik auf 130 g/km zu senken, wenngleich er bedauert, dass der ursprünglich für 2012 angestrebte niedrigere Zielwert von 120 g/km nicht mehr realisierbar scheint. Er anerkennt, dass die Kommission nun vorschlägt, das Emissionsziel von 120 g/km auf andere Art und Weise im Rahmen eines integrierten Ansatzes zu erreichen, der auch verbesserte Standards für Reifen, die Sensibilisierung der Verbraucher, Anreize für eine umweltschonende Fahrweise (1) und insbesondere eine stärkere Nutzung von Biokraftstoffen mit einschließt. Angesichts der wachsenden Zweifel an der Realisierbarkeit und Zweckdienlichkeit der Ziele für die Nutzung von Biokraftstoffen im Verkehr betrachtet der Ausschuss dies jedoch nicht als eine zufriedenstellende Alternative.

7.7

Der Ausschuss legt der Kommission deshalb nahe, jetzt weitergehende Ziele für die Automobilindustrie zur Verbesserung der CO2-Leistung der Fahrzeuge in den Folgejahren festzulegen. Der Ausschuss ist der Ansicht, dass die Aufstellung einer Abfolge zunehmend strikterer Emissionswerte für die kommenden Jahre ein eindeutiges Signal bezüglich der dann gültigen Emissionsnormen geben würde und die europäische Industrie in die Lage versetzen dürfte, ihre Produktionsplanung entsprechend anzupassen.

7.8

Er erachtet das Erreichen dieses Ziels für einen wichtigen Beitrag des Automobilsektors bei der Bekämpfung der verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen, zumal in diesem Zeitraum die CO2-Emissionen um 400 Mio. t gesenkt werden könnten.

7.9

Für die angestrebten ehrgeizigen Zielwerte und für die längerfristigen Ziele sind nach Auffassung des Ausschusses umfangreiche Mittel für Forschung und Entwicklung erforderlich. Damit sollen — neben einer direkten Beteiligung der Hersteller — die in den einzelnen Mitgliedstaaten, Universitäten und in allen Technologie-Exzellenzzentren der Branche laufenden Initiativen einbezogen und koordiniert werden.

7.9.1

Der EWSA weist die Kommission und die Mitgliedstaaten darauf hin, dass für kinderreiche Familien, die auf große Pkw angewiesen sind, Maßnahmen zur Einkommenssicherung, evtl. auch in Form steuerlicher Anreize, ergriffen werden müssen. Es sollten auch die osteuropäischen Märkte untersucht werden, da dort die Lebensdauer des Fahrzeugbestands sehr hoch ist und auch besonders umweltschädliche Fahrzeuge aus zweiter oder dritter Hand verkauft werden. Ferner gilt es, Möglichkeiten zur Förderung des Fahrzeugwechsels in diesen Ländern im Rahmen spezifischer Maßnahmen zu finden. Es liegt auf der Hand, dass in Ländern mit besonders niedrigem Pro-Kopf-Einkommen die Nutzeffekte einer allgemeinen Senkung der Emissionen ausbleiben werden, da dort Neufahrzeuge mit höherer Energieeffizienz, die aber höchstwahrscheinlich auch teurer sind, weniger gekauft werden.

7.10

Auch wenn die Ergebnisse für die nächsten Jahre wohl mithilfe derzeitiger Technologien erreicht werden können, so scheint es offensichtlich, dass in Zukunft an eine völlige technologische Neuausrichtung unter Einsatz hochmoderner Technologien gedacht werden muss.

7.11

Zu diesem Zweck kann nach Auffassung des Ausschusses ein erhöhter Grad an Mobilisierung des gesamten Bereichs der Wissenschaft durch die Einrichtung einer gemeinsamen Technologieinitiative (GTI) auf der Grundlage einer Kofinanzierung aus entsprechenden Finanzmitteln der EU, die durch einen analogen Beitrag der Privatunternehmen ergänzt wird, erreicht werden, so wie dies unlängst für wichtige Sektoren wie die Wasserstoff und Brennstoffzellen, Luft- und Raumfahrt und Luftverkehr, innovative Arzneimittel, Informationssysteme und Nanoelektronik vorgeschlagen wurde.

7.12

Der EWSA begrüßt die Politik der Erhebung von Abgaben wegen Nichterreichen der Zielvorgaben ab 2012 gemäß Artikel 7 des zu prüfenden Verordnungsvorschlags und seine abschreckende Wirkung, ist aber der Überzeugung, dass diese Mittel für Maßnahmen im Interesse der Automobilindustrie zur Verfügung gestellt werden sollten, wie beispielsweise:

Stärkung aller Initiativen im Bereich Forschung und Entwicklung;

Investitionen im Bereich der Berufsausbildung;

Finanzierung von Maßnahmen, um Besitzer umweltbelastender Altfahrzeuge zum Fahrzeugwechsel zu bewegen;

Durchführung von Informationskampagnen zur Sensibilisierung der Verbraucher, damit sie den Aspekt der Schadstoffemissionen bei Kaufentscheidungen berücksichtigen;

Förderung des öffentlichen Nahverkehrs.

7.13

Der EWSA ist der Auffassung, dass diese Abgaben und ihre starke Progression den Fähigkeiten der europäischen Industrie, ihre Produktionskette auf die neuen Zielvorgaben anzupassen, nicht angemessen sind. Die Sanktionen, die sich mit großer Sicherheit auf die Endpreise auswirken werden, erscheinen besonders hoch, könnten den Wettbewerb verzerren und bewirken eine Benachteiligung der Branche gegenüber anderen Branchen. Es muss eine Lösung zum Ausgleich für diese Belastungen gefunden werden, die sich an den von den anderen Produktionsbranchen bei der Einschränkung der CO2-Emissionen im Schnitt getragenen Kosten orientieren.

7.14

Der EWSA schlägt der Kommission vor, die Aufgabe des gegenwärtigen Systems für die Festlegung der Emissionsziele in Abhängigkeit der Masse der Fahrzeuge zugunsten alternativer Parameter zu erwägen, wie z.B. die Fahrzeugstandfläche (errechnet als Produkt aus Spurweite und Radstand).

7.15

An der Steigung der linearen Kurve („Steigung in %“) orientieren sich die Lastenverteilung auf die Hersteller und die Umweltwirkungen. Je mehr sich diese Steigung dem Wert 100 nähert, desto geringer ist die Belastung, die Hersteller von Fahrzeugen mit großer Masse zu tragen haben. Umgekehrt ist bei einer Steigung in der Nähe von Null der Einsatz zum Erreichen des Emissionsziels besonders groß (eine Steigung von 80 % gestattet zusätzliche Emissionen von 6 g, eine Steigung von 20 % ermöglicht zusätzliche Emissionen von lediglich 1,5 g). Die Kommission hat eine Steigung von 60 % (4,6 g zusätzlich erlaubter Emissionen) angegeben. Der Ausschuss fordert die Kommission auf, diesen Vorschlag noch einmal zu überdenken, um tunlichst auszuschließen, dass eine Verordnung erlassen wird, die irgendein europäisches Unternehmen bevorzugen oder benachteiligen könnte.

7.16

Sollte die Kommission den gegenwärtigen Ansatz, der sich an der Masse orientiert, beibehalten, dann hätte es wenig Sinn, die Steigung vor 2010 zu überprüfen, und die Zunahme der Masse müsste ab 2013 berücksichtigt werden.

7.17

Der EWSA fordert die Kommission auf, rasch neue Rechtsvorschriften vorzubereiten, mit denen die CO2-Emissionen leichter Nutzfahrzeuge, Lastkraftwagen und Krafträder gesenkt werden können. Für diese Fahrzeuge sind zuverlässige und überprüfte Daten über die tatsächlichen Emissionen erforderlich.

7.18

Der EWSA legt der Kommission nahe, neben den unerlässlichen Aspekten des Umweltschutzes auch die Auswirkungen angemessen zu berücksichtigen, die dieser komplexe Prozess für die Lage von 13 Mio. Arbeitnehmern haben kann, die gegenwärtig in der gesamten Produktionskette der Automobilindustrie beschäftigt sind. Die europäischen Kfz-Hersteller hätten, wenn sie effizientere Fahrzeuge herstellen würden, aufgrund der steigenden Kraftstoffpreise und dem zunehmenden Willen seitens der Verbraucher, Kraftstoffkosten einzusparen, einen Wettbewerbsvorteil, der auch der Beschäftigung in der EU zugute kommen könnte.

7.19

Nach Dafürhalten des EWSA müssen geeignete und praktische Fördermaßnahmen für die Forschung im Bereich neuer, innovativer und effizienter Technik ergriffen werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie sowie qualifizierte Arbeitsplätze zu erhalten und, wenn möglich, zu fördern.

7.20

Nach Auffassung des Ausschusses ist es ein wichtiger Bestandteil dieses Prozesses, dass die Emissionsgrenzwerte für alle in Europa verkauften, einschließlich der in Drittstaaten produzierten, Fahrzeuge voll und ganz gültig sind. Diese Grenzwerte werden auf der Grundlage der Einfuhren berechnet.

7.21

Der EWSA ist der Ansicht, dass die für das 2010 vorgesehene Berichterstattung über die bis dahin erzielten Fortschritte einen wichtigen Faktor für die Überprüfung der Gesamtstrategie darstellt. Er fordert deshalb, an solchen periodischen Überprüfungen beteiligt zu werden und somit die Möglichkeit zur Stellungnahme zu haben.

7.22

Die Folgenabschätzung ist nach Auffassung des Ausschusses nicht tiefgängig genug angelegt. Der Ausschuss für Folgenabschätzung hat selbst angesichts der Bedeutung der Problematik empfohlen, einige zentrale Punkte eingehender zu untersuchen.

7.23

Im Dokument SEK(2007) 1725 wird gefordert, die Auswirkungen auf die Flottenzusammensetzung und deren möglichen Folgen für das Erreichen der Zielwerte zu klären, mögliche Abweichungen von den Ergebnissen des TREMOVE (2)-Modells und der Ex-ante-Untersuchung zu erläutern; eine Sensitivitätsanalyse bestimmter Variablen wie Treibstoffpreis und autonomer Gewichtszunahme durchzuführen und eine Abschätzung der Folgen auf regionaler Ebene durchzuführen, insbesondere mit Blick auf die Beschäftigung. Schließlich wird eine weitere Bewertung der Folgen für die Automobilzulieferer und die internationale Wettbewerbsfähigkeit empfohlen. Der EWSA stimmt diesen Empfehlungen zu und hofft, dass die Folgenabschätzung vertieft und vervollständigt wird.

7.24

Der EWSA betont, dass die geplanten Maßnahmen durch eine verstärkte Politik der Dämpfung der Straßenverkehrsnachfrage flankiert werden müssen mittels Verlagerung immer größerer Anteile des Straßenverkehrs auf Verkehrsarten mit geringeren Treibhausgasemissionen wie Schiene, Binnenschifffahrt, kollektiver Verkehr usw.

7.25

Der EWSA unterstützt nicht die in Artikel 9 eingeführte befristete Ausnahmeregelung. Im derzeitigen Wortlaut widerspricht sie der Gleichbehandlung der Unternehmen und schafft de facto eine Wettbewerbsverzerrung in diesem spezifischen Marktsegment ähnlicher Produkte mit ähnlichen Eigenschaften. Der EWSA ist der Auffassung, dass die Ausnahmeregelung allen Herstellern, die Wettbewerber im gleichen Marktsegment sind (unbeschadet der Frage, ob sie mit anderen Herstellern verbunden sind oder nicht), gewährt werden muss. Im Übrigen macht dieses Marktsegment nur 0,2 % aus.

7.26

Der EWSA legt der Kommission nahe, gemäß den Anregungen des Europäischen Parlaments langfristige Ziele festzulegen: ab 2020 müssen mutigere Lösungen anvisiert werden, wobei ihrer Erreichbarkeit besondere Beachtung beigemessen ist. Die Emissionen müssen unbedingt weiter gesenkt werden und es muss eindeutig signalisiert werden, dass dieser Weg fortgesetzt wird.

7.27

Der EWSA empfiehlt die Erarbeitung eines Modells, das bei der Berechnung der CO2-Emissionen alle Emissionen im Zusammenhang mit der Fahrzeugherstellung mit einbezieht. In einigen Ländern z.B. haben viele Komponenten einen langen Lieferweg, wodurch die Emissionen pro hergestelltem Fahrzeug vor der Zulassung steigen. Es gilt, die CO2-Emissionen des gesamten Lebenszyklus der Fahrzeuge einschließlich Entsorgung zu berücksichtigen.

7.28

Der EWSA hat die Kommission in verschiedenen aktuellen Stellungnahmen aufgefordert, eine Debatte über den Lebensstil zu lancieren. Er teilt die vorgeschlagenen Ziele, weist aber gleichwohl darauf hin, dass es nicht möglich sein wird, das Ziel der Senkung der CO2-Emissionen um 20 % — wie in den jüngsten Kommissionsvorschlägen vorgesehen — zu erreichen, wenn die aktuellen Wachstumsraten bei der Zahl privater Pkw und der Fahrzeuge im Güterkraftverkehr und anderer Verkehrsträger mit hohen Treibhausgas- und NOx-Emissionen andauern und sich die Vorhersagen der Kommission für den Verkehrszuwachs bewahrheiten.

Brüssel, den 17. September 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Stellungnahme des EWSA, ABl. C 44 vom 16.2.2008, Berichterstatter: Herr RANOCCHIARI.

(2)  TREMOVE ist ein Modell zur Untersuchung und Bewertung der Kosteneffizienz technischer und nichttechnischer Maßnahmen, die das Ziel haben, die Emissionen des gesamten Verkehrssektors zu senken und die Luftqualität in folgenden 21 Ländern zu verbessern: EU-15, Schweiz, Norwegen, Tschechische Republik, Ungarn, Polen und Slowenien (die vier neuen Länder wurden auf der Grundlage der Verfügbarkeit der Daten ausgewählt).


31.3.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 77/8


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sicherheit von Spielzeug“

KOM(2008) 9 endg. — 2008/0018 (COD)

(2009/C 77/02)

Der Europäische Rat beschloss am 17. März 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sicherheit von Spielzeug“

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am … an. Berichterstatter war Herr PEGADO LIZ.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 447. Plenartagung am 17./18. September 2008 (Sitzung vom 18. September) mit 49 gegen 1 Stimmen bei 8 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der EWSA begrüßt die Initiative der Kommission, die Richtlinie „Sicherheit von Spielzeug“ zu überarbeiten, die nur den Fehler hat, dass sie sehr spät kommt und nicht ehrgeizig genug ist.

1.2

Der EWSA stellt fest, dass die Folgenabschätzung, auf die sich der Vorschlag stützt, aus dem Jahr 2004 stammt und nicht die Gesamtheit der Mitgliedstaaten berücksichtigt, die gegenwärtig zur Europäischen Union gehören.

1.3

In Anbetracht der zunehmenden Zahl von Warnmeldungen zu Spielzeug, die aus dem letzten Bericht RAPEX (2007) hervorging, ist der EWSA darüber erstaunt, dass jene Folgenabschätzung nicht nur in Bezug auf die Relation zwischen der geltenden Richtlinie und Unfällen von Kindern mit Spielzeug, sondern mehr noch bezüglich der eingeräumten Unkenntnis der Auswirkungen des gegenwärtigen Vorschlags auf die Anzahl und die Schwere von Unfällen mit Spielzeug in der Zukunft keine Konsequenzen zieht — dies aber hätte das zentrale Anliegen und die Rechtfertigung für den vorliegenden Vorschlag sein müssen.

1.4

Die Kommission räumt ein, dass zuverlässige und vertrauenswürdige statistische Daten über Unfälle mit Spielzeug in der Europäischen Union gänzlich fehlen oder diese Daten mit Mängeln behaftet sind; deshalb empfiehlt der EWSA der Kommission, für solche Unfälle in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten ein geeignetes statistisches Informationssystem zu schaffen, das zumindest demjenigen entspricht, das bereits in einigen Rechtsordnungen vorhanden ist und das — als Vorbeugemaßnahme gegen Unfälle — allen Akteuren in der Liefer- und Vertriebskette offen steht (1).

1.5

Der EWSA ist der Ansicht, dass als Rechtsgrundlage für den Vorschlag nicht nur Artikel 95 EGV, sondern vor allem auch Artikel 153 zugrunde gelegt werden muss, da das zentrale Interesse des Vorschlags dem wirksamen Schutz der Kinder gelten muss, der wichtiger ist als die bloße Erleichterung des grenzüberschreitenden Spielzeughandels.

1.6

Angesichts des Geltungsbereichs und der Art des neuen Vorschlags sowie der Erfahrungen mit der Umsetzung der derzeit geltenden Richtlinie in den verschiedenen Mitgliedstaaten dürfte, sofern man eine vollständige Harmonisierung anstrebt, das angemessenere Rechtsinstrument dafür eher die Verordnung als die Richtlinie sein.

1.7

Der EWSA begrüßt die unter technisch-juristischen Aspekten kohärente und gut strukturierte Form des Vorschlags und ist im Großen und Ganzen mit den innovativen Maßnahmen einverstanden, vor allem was die folgenden Punkte betrifft:

Erweiterung der Begriffsbestimmung von „Spielzeug“ und Einführung des Konzepts der vorhersehbaren Verwendung des Produkts unter Berücksichtigung des Verhaltens von Kindern;

Verstärkte Marktüberwachung in den Mitgliedstaaten;

Aufstellung geeigneter Regeln für die Gefahrenprävention und die Informationen zur Spielzeugsicherheit — Warnungen und Sicherheitshinweise.

1.8

Der EWSA bedauert allerdings, dass einige außerordentlich wichtige Aspekte zu wenig oder gar nicht berücksichtigt wurden, wie z.B.

a)

eine unmissverständliche Option für das Vorsorgeprinzip;

b)

konsequentere Ausbildung und Aufklärung der für die Beaufsichtigung von mit Spielzeug spielenden Kindern zuständigen Personen;

c)

Konkretisierung bestimmter Begriffe, die zu ungenau und unbestimmt sind wie etwa der Begriff „Spielzeug“ oder Umfang des Begriffs „Schaden“;

d)

keine Gleichstellung der Importeure und Bevollmächtigten mit den Herstellern und bei Schadenersatzforderungen Haftungsausschluss für die Akteure in der Liefer- und Vertriebskette für Spielzeug;

e)

keine Anpassung der Konformitätsbewertungsverfahren an die Wesensmerkmale der KMU.

1.9

Der Ausschuss ersucht die Kommission nachdrücklich, ihren Vorschlag im Sinne der vorliegenden Stellungnahme zu überarbeiten, um ihn zu einem glaubwürdigeren Instrument für einen effektiven Schutz der Kinder bei der Benutzung von Spielzeug zu machen.

1.10

Der EWSA appelliert an das EP und den Rat, die hier vorgelegten Anregungen und Empfehlungen aufzugreifen und sie sich in dem Rechtsetzungsverfahren zur Annahme der neuen Richtlinie zu eigen zu machen.

2.   Einleitung: Zusammenfassung des Vorschlags

2.1

In den 70er Jahren gab die EU-Kommission zum ersten Mal ihre Absicht bekannt, mit Rechtsvorschriften in den Bereich „Sicherheit von Spielzeug“ einzugreifen; verschiedene Vorschläge wurden nacheinander wegen fehlender politischer Einstimmigkeit wieder zurückgezogen, bis schließlich als Konsequenz zur Entschließung des Rates vom 23. Juni 1986 zum Schutz und zur Förderung der Interessen der Verbraucher (2) in einem neuen Vorschlag der Kommission, der mehr Zustimmung fand, die Notwendigkeit einer stärkeren Harmonisierung folgender Elemente auf europäischer Ebene postuliert wurde: der Begriffsbestimmung von „Spielzeug“, der Normen für die Herstellung, der wichtigsten Sicherheits- und Handelsbestimmungen und der Gewährleistung der Ungefährlichkeit bei der Benutzung durch Kinder.

2.2

Die am 3. Mai 1988 vorgelegte Richtlinie 88/378/EG (3) war eine der ersten Rechtsinitiativen im Rahmen der „neuen Konzeption“ für die technische Harmonisierung und Normung auf der Grundlage der Entschließung des Rates vom 7. Mai 1985 (4).

2.3

Zu dem entsprechenden Richtlinienvorschlag (5) gab der EWSA damals eine obligatorische Stellungnahme ab, in der er das Vorhaben begrüßte, aber „die langen Verzögerungen bei seiner Ausarbeitung“ bedauerte. Ausgehend von der Voraussetzung, „dass alle Spielsachen sicher sein müssen und dass Kinder aufgrund ihres Alters und ihrer Unerfahrenheit bei Gefahr Verletzungen ausgesetzt sind und Anspruch auf besonderen Schutz haben müssen“ betonte der Ausschuss, dass die Frage der Sicherheit von Spielzeug „im Rahmen der allgemein anwendbaren Richtlinie über Produkthaftung“ behandelt werden müsse (6).

2.4

Inzwischen war die Richtlinie Gegenstand verschiedener Korrekturen (7), einer wichtigen Änderung durch Richtlinie 93/68/EWG vom 22. Juli 1993 (8) und einer Mitteilung der Kommission zu ihrer Anwendung (9).

2.5

In den Jahren 1992 und 2001 wurden zwei Richtlinien zur allgemeinen Produktsicherheit angenommen und veröffentlicht, die in allgemeiner Form auch für die Sicherheit von Spielzeug gelten (10); in der zweiten Richtlinie wird besonders betont, dass die erstere „[…] verschiedener Änderungen mit dem Ziel [bedarf], einige ihrer Bestimmungen aufgrund der im Vertrag, insbesondere in Artikel 152 betreffend die öffentliche Gesundheit und in Artikel 153 betreffend den Verbraucherschutz, vorgenommenen Änderungen und anhand des Vorsorgeprinzips zu vervollständigen“.

2.6

20 Jahre nach der Veröffentlichung der Richtlinie von 1988 schlägt die Kommission eine neue Richtlinie zu diesem Thema vor, mit der sie der Feststellung Rechnung trägt, dass die geltenden Vorschriften nicht mehr aktuell sind, ihr Geltungsbereich und die verwendeten Begriffe neu und klarer abgesteckt und an die neuen Umstände angepasst werden müssen; ferner sei die Übereinstimmung ihrer Bestimmungen mit den kurz zuvor vorgeschlagenen allgemeinen Maßnahmen, die im gemeinsamen Rechtsrahmen für die Vermarktung von Produkten vorgesehen sind (11), sicherzustellen; vor allem aber seien bei der Umsetzung und Durchsetzung der Spielzeugrichtlinie in den einzelnen Mitgliedstaaten schwerwiegende Mängel und voneinander abweichende Anwendungen zutage getreten, die behoben werden müssten.

2.7

Der hier erörterte Vorschlag beruht auf drei wichtigen technischen Untersuchungen, die als wesentlicher Bestandteil des Vorschlags zu betrachten sind; zwei beziehen sich auf die Anforderungen an mutmaßlich gefährliche chemische Stoffe und deren Verwendung bei der Herstellung von Spielzeug; bei der dritten handelt es sich um die Folgenabschätzung aus dem Jahr 2004.

2.8

Mit dem vorliegenden Vorschlag verfolgt die Kommission folgende Ziele:

A)

Höhere Sicherheitsanforderungen für Spielzeug, insbesondere bezüglich der

a)

Verwendung chemischer Stoffe;

b)

Gefahrenhinweise für Verbraucher und Nutzer;

c)

Gefahr der Atemnot und der Erstickungsgefahr;

d)

Kombination von Spielzeug mit Lebensmitteln;

e)

Festlegung der allgemeinen Sicherheitsanforderungen;

B)

Wirksamere und kohärentere Durchsetzung der Richtlinie, insbesondere durch

a)

Verstärkung der Marktüberwachung durch die Mitgliedstaaten;

b)

Informationen über die Chemikalien im technischen Dossier;

c)

Anbringung des CE-Kennzeichens;

d)

Sicherheitsbewertung;

C)

Angleichung an den allgemeinen Rechtsrahmen für die Vermarktung von Produkten

D)

Klarstellung des Geltungsbereichs und der Begriffe der Richtlinie

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der EWSA begrüßt die Initiative der Kommission, der allerdings vorzuwerfen ist, dass sie spät kommt, denn die zu ändernde Richtlinie ist über 20 Jahre alt; inzwischen haben sich die Herstellungs- und Vermarktungsparameter und -verfahren bei Spielzeug tiefgreifend geändert, ebenso die Vorlieben und Gewohnheiten der natürlichen Zielgruppen. Der EWSA ist im Übrigen der Ansicht, dass mit dem vorliegenden Vorschlag ehrgeizigere Ziele verfolgt werden könnten, etwa indem in seinen Erwägungsgründen die Sorgen über die jüngst in den Medien genannten Ereignisse zur Sprache kämen, die im übrigen nicht nur in den eindringlichen Reden und Stellungnahmen der für Verbraucherschutz zuständigen Kommissarin zum Ausdruck kamen, sondern auch in der Entschließung des Europäischen Parlaments vom September 2007, die der EWSA inhaltlich teilt (12). Deshalb bedauert er es, dass der Diskussion mit dem EWSA nicht auch die GD SANCO beiwohnte, die wohl nicht unmittelbar an der Ausarbeitung des Vorschlags beteiligt war.

3.2

Es erstaunt den EWSA, dass die Folgenabschätzung, auf die sich der vorliegende Vorschlag stützt, bereits mehr als vier Jahre alt ist und somit nicht die Lage in sämtlichen Mitgliedstaaten berücksichtigt. Hinzu kommt, dass nicht klar ist, inwieweit die Vertreter der Verbraucher und Familien bei ihrer Erstellung mitgewirkt haben und konsultiert wurden und inwieweit sie effektiv Einfluss nehmen konnten.

3.3

Angesichts der Bemerkungen der Kommission über die Mängel bei der Umsetzung der geltenden Richtlinie wundert sich der EWSA, dass die Kommission nicht erwähnt, welche Initiativen sie ergriffen hat, um für die korrekte Durchführung dieses Rechtsakts der Gemeinschaft zu sorgen.

3.4

Dem EWSA fällt es schwer, zu verstehen, wie die Kommission trotz des von ihr eingeräumten Fehlens statistischer Daten bzw. deren Mangelhaftigkeit angemessene Schlüsse über die Realität, die sie beeinflussen will, oder über die Effizienz der vorgeschlagenen Maßnahmen ziehen kann. Bekanntlich ist der Spielzeugmarkt in Europa mit geschätzten 17,3 Mrd. EUR Umsatz zu Einzelhandelspreisen von 2002 und mit einem Einfuhrvolumen von mehr als 9 Mrd. EUR ein blühender Sektor, den sich ca. 2 000 Unternehmen teilen, in der Mehrzahl kleine und mittlere Unternehmen, die unmittelbar mehr als 100 000 Arbeitnehmer beschäftigen (13).

3.5

Der EWSA ist der Ansicht, dass wegen der Art des vorliegenden Vorschlags nicht nur Artikel 95, sondern auf jeden Fall auch Artikel 153 als Rechtsgrundlage herangezogen werden muss, da der Vorschlag nicht ausschließlich auf die Verwirklichung des Binnenmarktes ausgerichtet ist, sondern sich in erster Linie auf besonders schutzbedürftige Verbraucher bezieht, die auf keinen Fall als „Durchschnittsverbraucher“ angesehen werden können.

3.6

Im Übrigen sollte der Umstand, dass die Kinder „indirekte“ Verbraucher sind, da nicht sie das Spielzeug kaufen, sondern ihre Eltern oder andere Erwachsene, die Kommission veranlassen, in den Bestimmungen des vorgeschlagenen Rechtsakts gründlicher auf die notwendige Unterrichtung und Aufklärung dieser Verbraucherkategorie einzugehen.

3.7

Der EWSA hat Verständnis für die Option der Kommission zugunsten einer vollständigen Harmonisierung und vertritt in Fällen wie diesem mit Nachdruck seine Überzeugung, dass mit der Verwendung des Instruments „Verordnung“ viel mehr gewonnen ist als mit einer „Richtlinie“. Denn damit würde deutlich mehr Rechtssicherheit erzielt, und es ließen sich schleppende, fehlerhafte oder voneinander abweichende Umsetzungen vermeiden, die nach Aussage der Kommission bei der geltenden Richtlinie (14) vorgekommen waren.

3.8

Berücksichtigt man die Art des Sachverhalts, die kontinuierliche Entwicklung des „Stands der Technik“, die Möglichkeit von Pannen wie etwa in den Fällen Mattel und Fisher Price, die beunruhigende Zunahme der Warnmeldungen über Spielzeug, die aus dem letzten Jahresbericht RAPEX (2007) ersichtlich ist, und die Tatsache, dass die Spielzeugbranche somit der Sektor mit den meisten Meldungen (31 %) (15) ist, dann wäre zu erwarten, dass im vorliegenden Vorschlag alle Lehren aus den Geschehnissen gezogen worden wären, vor allem aus dem Scheitern der Überwachung nach dem Inverkehrbringen, und dass eine leichter durchführbare Richtlinie entstanden wäre, die zu einem sicheren Markt für Spielzeug führen könnte. Das heißt, dass im Zweifelsfall alles verboten würde, von dem zwar ohne ausreichende Sicherheit, aber mit einer gewissen Berechtigung zu vermuten ist, dass es für die Verwendung in Spielzeug für Kinder, deren unvorhersehbares Verhalten berücksichtigt werden muss, auch nur geringfügig gefährlich sein kann. Dies alles ist jedoch nicht der Fall.

3.9

Was die CE-Kennzeichnung betrifft, beschränkt sich der EWSA darauf, daran zu erinnern und hier wiederzugeben, was er in seiner früheren Stellungnahme zu dem gemeinsamen Rechtsrahmen für die Vermarktung von Produkten gesagt hat, nämlich „dass der Verlust des Vertrauens in die CE-Kennzeichnung einen Vertrauensverlust des gesamten Systems bedeutet und auch Marktüberwachungsbehörden, Hersteller, Prüflabors und Zertifizierungsstellen betrifft und schließlich auch die Angemessenheit der gesamten auf dem neuen Konzept beruhenden Rechtsvorschriften in Zweifel zieht“  (16).

Deshalb fordert der EWSA die Kommission auf, den endgültigen Wortlaut des vorliegenden Vorschlags mit dem Text der Vorschläge für den vorgenannten gemeinsamen Rahmen in Einklang zu bringen (17).

3.10

Der EWSA macht sich die Empfehlung des EP völlig zu eigen, dass ein europäisches Sicherheitskennzeichen für Spielzeug geschaffen und von unabhängigen Einrichtungen vergeben werden müsse, und er bedauert, dass der Vorschlag der Kommission der Gesamtheit der Empfehlungen aus der EP-Entschließung vom September 2007 nicht ausreichend Rechnung getragen hat. Der EWSA teilt die Sorgen der KMU, nicht in dem Sinne, dass das von ihnen hergestellte und vermarktete Spielzeug einen geringeren Sicherheitsgrad aufweisen soll, sondern, wie bereits in der vorgenannten Stellungnahme angesprochen, bezüglich der Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Mittel für die Konformitätsbescheinigungen, insbesondere bei nicht in Serie bzw. in begrenzter Stückzahl hergestellten Produkten (18).

3.11

Der EWSA vertritt den Standpunkt, dass im Rahmen dessen, was für verantwortliche Hersteller verhältnismäßig, ausgewogen und machbar sowie für die Kontrollbehörden durchsetzbar ist, alle ordnungsgemäß als gefährlich eingestuften Stoffe bei der Herstellung von Spielzeug vollständig verboten werden müssen.

3.12

Der EWSA begrüßt die kürzliche Entscheidung der Kommission zu Spielzeug mit Magneten, ist allerdings verwundert, dass diese Frage im vorliegenden Richtlinienvorschlag nicht einmal berührt wird und die Reaktion der Kommission angesichts des hohen Risikos und der Schwere der bereits bekannt gewordenen Unfälle mit dieser Art von Spielzeug nicht energisch genug ist; sie appelliert ja lediglich an die Mitgliedstaaten, nach eigenem Gutdünken einen „Warnhinweis“ anzubringen.

3.13

Bezüglich der Sanktionen ist der EWSA der Auffassung, dass eine präzisere Begriffsbestimmung zu deren Umfang und Art erforderlich ist, nach dem Vorbild dessen, was die Kommission bereits in anderen Bereichen geleistet hat, in denen die Schädlichkeit der zu beanstandenden Verhaltensweisen unter gesellschaftlichen Gesichtspunkten erheblich geringer ist.

3.14

Allgemein bedauert der EWSA, dass die Gelegenheit nicht genutzt wird, den Schutz der europäischen Kinder wenigstens so zu gestalten wie in einigen EU-Mitgliedstaaten und anderswo, wo sogar auf Initiative der Spielzeughersteller selbst bestimmte Arten von Spielzeug einfach verboten werden, wie aus der jüngsten Studie im Auftrag des EP hervorgeht (19).

3.15

Schließlich appelliert der EWSA an die Kommission, auf die Bedenken der Gesellschaft im Zusammenhang mit der Herstellung von Spielzeug — vor allem in Drittstaaten — sensibel einzugehen, wo sogar Kleinkinder zu ihrer Herstellung herangezogen werden, und zwar unter nicht zu tolerierenden Bedingungen, was die Arbeitszeiten und Arbeitsplätze wie auch den täglichen Kontakt mit toxischen und hochgradig gefährlichen Stoffen angeht; sie muss einen eindeutigen Standpunkt zu Gunsten von „ökologisch und ethisch verantwortbarem“ Spielzeug beziehen.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1   Artikel 1 und Anhang I — Liste von Produkten, die nicht als Spielzeug gelten

Der EWSA erkennt den Willen der Kommission an, den Begriff „Spielzeug“ in der Weise zu aktualisieren, dass er sich auch auf alle Erzeugnisse anwenden lässt, die nicht ausschließlich zu Spielzwecken konzipiert wurden.

Der EWSA weist indessen darauf hin, dass die derzeitige Definition von Spielzeug für die beabsichtigten Ziele unzureichend ist, da sie einerseits nicht die notwendige Anpassung an die Entwicklung der technischen Möglichkeiten gestattet, andererseits aber auch eine Liste von Produkten umfasst, die seines Erachtens zu Unrecht nicht in den Geltungsbereich dieser Richtlinie aufgenommen werden, u.a. Dekorationen für festliche Anlässe und Feierlichkeiten, Modeschmuck, Spielzeug mit spitz zulaufenden Wurfgeschossen, Produkte, die für didaktische Zwecke in Schulen oder in anderen pädagogischen Zusammenhängen konzipiert sind sowie Sportgeräte.

In der Praxis wird bei der Festlegung von besonderen Schutzregelungen für die Verbraucher bestimmter Produkte von der Art der Verbraucher ausgegangen, vor allem von ihrem Gefährdungsgrad. Verbraucher unterscheiden nicht zwischen den einzelnen Zwecken eines Gegenstands, der ihnen angeboten wird — häufig werden auch Produkte, die eigentlich für Erwachsene bestimmt sind, als Kinderspielzeug betrachtet, sei es von den Kindern selbst, von ihren Eltern oder den Händlern, die sie als Spielzeug aufführen und verkaufen. Deshalb versteht der Ausschuss nicht, warum etwa Spielzeug, das zu didaktischen Zwecken in Schulen verwendet wird, nicht unter die Richtlinie fallen soll, zumal bezüglich der Natur der Verbraucher keinerlei Unterschied besteht.

Der EWSA hält es für nötig, dass sämtliche Geräte und Produkte, die für Kinder unter 14 Jahren zugänglich sein und potenziell als Spielzeug benutzt werden können, gemäß dem Vorsorgeprinzip unter die Schutzbestimmungen dieser Richtlinie fallen.

Deshalb fordert der EWSA die Kommission auf, die Begriffsbestimmung in Artikel 1 und die vorgelegte Liste zu überarbeiten und beide miteinander in Einklang zu bringen.

4.2   Artikel 2 bis 5

Der EWSA lehnt die Unterscheidung zwischen Herstellern und Importeuren ganz und gar ab, zumal die Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über allgemeine Produktsicherheit den Importeur mit dem Hersteller gleichsetzt, falls kein Vertreter des Herstellers in der Gemeinschaft ansässig ist. Durch die Unterscheidung im Vorschlag wird nicht nur das Recht der Verbraucher auf Schadenersatz beseitigt (da nämlich die Zuständigkeit dafür einzig und allein beim Hersteller läge), sondern widerspricht auch den Gemeinschaftsvorschriften, was den Grundsatz der Rechtssicherheit infrage stellen würde.

Nach Ansicht des EWSA sind also für die Zwecke dieser Richtlinie die Vertreter/Bevollmächtigten und die Importeure (sofern keine offiziellen Vertreter der Hersteller erreichbar sind) als Hersteller anzusehen, auch wenn sie den Produktionsprozess nicht beeinflussen — im Gegensatz zu dem Vorschlag, der jene nur dann mit diesen gleichsetzt, wenn sie Spielzeug unter ihrem eigenen Namen oder eigener Marke in Verkehr bringen oder Spielzeug verändern.

Der EWSA lehnt bezüglich der Haftung eine Unterscheidung zwischen Bevollmächtigten und Herstellern ab. Denn er befürchtet, dass dadurch die Rechte der Verbraucher, insbesondere das Recht auf Schadenersatz, untergraben würden, wenn etwa lediglich ein Bevollmächtigter in einem Mitgliedstaat niedergelassen ist.

Ganz allgemein plädiert der EWSA für die Beibehaltung der Bestimmungen der geltenden Richtlinie, nach denen sämtliche Akteure der Liefer- und Vertriebskette gemeinsam für die Sicherheit des Spielzeugs verantwortlich sind.

Die Begriffsbestimmung für „Schaden“ muss nach Ansicht des EWSA auch langfristige Folgen umfassen, die sich unmittelbar aus den festgestellten Unfällen ergeben.

4.3   Artikel 9

Der EWSA begrüßt die Änderung in Absatz 2, wonach für die Einschätzung der Gefahr auch der vorhersehbare Gebrauch des Spielzeugs unter Berücksichtigung des Verhaltens von Kindern zugrunde gelegt wird (wenngleich Erwägungsgrund 16 auch eine gegenteilige Auslegung zulässt).

Allerdings ist der EWSA der Auffassung, dass es den Herstellern obliegt, nicht bestimmungsgemäße, aber von Kindern gewählte mögliche Verwendungen ihrer Produkte vorherzusehen. Im Übrigen passt das Kriterium Vorhersehbarkeit nicht mit den Erwägungsgründen zusammen, wenn dort festgestellt wird, dass bei der Entwicklung von Spielzeug das oftmals unvorhersehbare Verhalten von Kindern zu berücksichtigen sei.

Der EWSA widerspricht dem Wortlaut von Absatz 3, denn damit wird nicht nur eine unwiderlegbare Vermutung aufgestellt, sondern es werden auch vage und unbestimmte Kriterien wie „Vorhersehbarkeit“ und „Normalität“ zugrunde gelegt, was letztlich den Hersteller von der Pflicht entbinden würde, sich — solange seine Produkte vermarktet werden —, auf dem neuesten Stand der wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse über die betreffende Spielzeugkategorie zu halten, was aus der Beibehaltung der allgemeinen Bestimmungen zur Produktsicherheit folgt (20).

Die Vermeidung von Fehlern am Produkt endet nicht mit seinem Inverkehrbringen. Der Hersteller oder ggf. sein Vertreter vor Ort muss das Spielzeug ständig begleitend beobachten und überwachen, damit er Fehler entdecken kann, die bei ihrem Inverkehrbringen weder bekannt noch erkennbar waren, und die aus Verschleiß, Materialermüdung oder vorzeitiger Alterung des Spielzeugs herrühren können.

4.4   Artikel 10

Der EWSA begrüßt die Absicht der Kommission, zu fordern, dass an den Verkaufsstellen sichtbare, klar lesbare und zutreffende Warnhinweise angebracht werden, um eine effektive und frühzeitige Kenntnisnahme durch die Käufer zu gewährleisten. Dasselbe muss natürlich nicht nur für die Verpackung, sondern auch für die Produkte selbst gelten.

Doch ist der EWSA der Auffassung, dass die an den Verkaufsstellen angebrachten Hinweise nicht nur die Angaben des Mindest- und Höchstalters der Benutzer, sondern bei der Benutzung bestimmter Spielgeräte auch über das geeignete Gewicht der Minderjährigen sowie ggf. Hinweise darauf enthalten müssen, dass ein Produkt nur unter Aufsicht von Erwachsenen benutzt werden darf.

Ferner betont der EWSA, dass die Warnhinweise nutzergerecht formuliert werden müssen, wobei der hohe Gefährdungsgrad von Kindern zu berücksichtigen ist.

Der EWSA erneuert seinen Appell, Informationsmaßnahmen für Eltern und Kinderbetreuer zu fördern, um sie für die besonderen Vorsichtsregeln und Risiken zu sensibilisieren, die bei der Benutzung von Spielzeug zu beachten sind. Die Tatsache, dass die Sicherheit der Kinder letzten Endes in den Händen der Eltern, Betreuer, Erzieher, Lehrkräfte u.ä. liegt, darf aber nicht zum Vorwand genommen werden, die Haftung der Hersteller, Importeure und Einzelhändler für die Gesamtsicherheit des Spielzeugs einzuschränken.

Da die Warnhinweise häufig in einer anderen Sprache als derjenigen des Verkaufslandes geschrieben sind, vertritt der EWSA den Standpunkt, dass die in Absatz 3 genannten Warnungen und Sicherheitshinweise in der Amtssprache des Mitgliedstaates, in der das Spielzeug verkauft wird, geschrieben sein müssen anstatt bloß können, wie es im Absatz heißt.

4.5   Artikel 12 und 26

Zwar räumt der EWSA ein, dass die Regelung der Konformitätsvermutung beibehalten werden muss, aber sie stände mit dem „Stand der Technik“ besser in Einklang, wenn für den Fall eines Schadens die Umkehr der Beweispflicht eingeführt würde.

4.6   Artikel 17

Der EWSA macht auf die Absicht der Kommission aufmerksam, den Herstellern eine Analyse des gesamten Gefahrenpotenzials von Spielzeug vorzuschreiben, anstatt zuzulassen, dass lediglich die mit der Benutzung zusammenhängenden Risiken untersucht werden. Er ist jedoch der Ansicht, dass eine solche Analyse während der gesamten Lebensdauer von Spielzeug durchzuführen ist, unabhängig davon, ob Schadensfälle vorkommen, um Fälle wie beim Hersteller Mattel zu vermeiden.

4.7   Artikel 18

Der EWSA ist der Ansicht, dass für sämtliche Spielzeugkategorien Konformitätsbescheinigungen gelten müssen, und nicht nur für die unter Absatz 3 aufgeführten Fälle, um einheitliche Kriterien zu gewährleisten und ein europäisches Sicherheitskennzeichen zu schaffen, wie es vom EP vorgeschlagen wurde (21).

Da der Spielzeugsektor ein Bereich ist, in dem es an konkreten, spezifischen Informationen bzw. präzisen Statistiken über Unfälle bei der Benutzung der Produkte fehlt, weist der EWSA die Kommission auf die Notwendigkeit hin, in ihrem vorliegenden Vorschlag das Vorsorgeprinzip in derselben Form wie im Weißbuch zur Lebensmittelsicherheit vom Januar 2000 umzusetzen (22).

4.8   Anhang II — Besondere Sicherheitsanforderungen

Teil I — Physikalische und mechanische Eigenschaften

Der EWSA hält es für angebracht, dass in Ziffer 4 Absatz 3 der Geltungsbereich auf Kinder von unter 60 Monaten ausgeweitet wird, da bei Kindern bis zu dieser Altersgrenze die Gefahr besteht, dass sie Spielzeug ohne die gebotene Vorsicht benutzen und in den Mund nehmen, selbst wenn dies vom Hersteller bei der Konzipierung des Spielzeugs nicht vorgesehen war.

Andererseits ist der EWSA der Meinung, dass folgende Punkte nicht berücksichtigt wurden:

Verpackung der Produkte, vor allem, wenn Spielzeug in Plastiktüten verpackt wird;

die Möglichkeit, dass sich Bestandteile des Spielzeugs lösen und von Kindern verschluckt werden können;

Merkmale von Spielzeug, wenn es zerbricht.

Teil III — Chemische Eigenschaften

Der EWSA begrüßt die vorgeschlagenen Änderungen, weist aber darauf hin, dass bezüglich der chemischen Eigenschaften unbedingt das Vorsorgeprinzip eingeführt werden muss, zumal Untersuchungen der Weltgesundheitsorganisation gezeigt haben, dass der Kontakt von Kindern mit solchen Stoffen Ursache für chronische Erkrankungen sein kann, die auch nach dem dritten Lebensjahr anhalten können.

Deshalb hält es der Ausschuss für erforderlich, sämtliche KEF-Stoffe — einschließlich die der Kategorie 3 und vorausgesetzt, dass sie ordnungsgemäß als gefährlich eingestuft wurden — zu verbieten, und zwar nicht nur bei der Entwicklung des Spielzeugs, sondern auch seiner Bestandteile; dies steht übrigens in Einklang mit der Kosmetikrichtlinie. Ferner warnt der EWSA die Kommission vor allzu großer Liberalität bezüglich der gestatteten „Migration“, aber auch der fruchtschädigenden Stoffe, die die normale Entwicklung von Kindern hemmen.

Was die Verwendung allergener Stoffe angeht, empfiehlt der EWSA der Kommission ein Verbot der Verwendung sämtlicher Duftstoffe und sensibilisierender Stoffe, da sie nicht nur allergene Stoffe enthalten können — die an erster Stelle zu verbieten sind —, sondern auch andere Stoffe, die unmittelbare Auswirkungen auf das Immunsystem von Kindern haben.

Mit Rücksicht auf die Durchführbarkeit und die Struktur der Spielzeugindustrie, die mehrheitlich aus KMU besteht, sowie auf die beträchtlichen Änderungen durch diese Richtlinie, vor allem bezüglich der chemischen Eigenschaften, plädiert der EWSA für eine fünfjährige Übergangsperiode.

Der EWSA unterstreicht schließlich die Notwendigkeit, den vorliegenden Vorschlag mit der Verordnung zur Lebensmittelsicherheit in Einklang zu bringen, insbesondere bezüglich der in Spielzeug für Kinder unter 36 Monaten verwendeten Stoffe. So fordert er die Kommission auf, nur solche Stoffe bei der Entwicklung von Spielzeug zuzulassen, die auch für den direkten Kontakt mit Lebensmitteln zugelassen sind.

Teil IV — Elektrische Eigenschaften

Der EWSA ist der Auffassung, dass der vorliegende Anhang besondere Vorschriften für Produkte enthalten sollte, für die Batterien benötigt werden — insbesondere quecksilberhaltige Batterien.

4.9   Anhang V — Gefahrenhinweise

Nach Ansicht des EWSA müssen für Kinder mit geistigen oder körperlichen Behinderungen besondere Hinweise entsprechend ihren besonderen Umständen vorhanden sein, um Eltern oder Betreuer vorweg über die Risiken im Zusammenhang mit der Benutzung des Spielzeugs zu informieren.

Bezüglich Spielzeug in Lebensmitteln hält der EWSA gut leserliche und unlösbar angebrachte besondere Hinweise darauf für erforderlich, dass das Lebensmittel ein Spielzeug enthält; die Hinweise müssen unabhängig von der Verpackungsform gut sichtbar sein.

Brüssel, den 18. September 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  National Electronic Injury Surveillance System (NEISS) von der Consumer Product Safety Commission (CPSC) in den USA.

(2)  ABl. C 167 vom 5.7.1986, S. 1.

(3)  ABl. L 187 vom 16.7.1988, S. 1. Stellungnahme des EWSA: ABl. C 232 vom 31.8.1987, S. 22.

(4)  ABl. C 136 vom 4.6.1985, S. 1.

(5)  KOM(1986) 541 endg. (ABl. C 282 vom 8.1.1986, S. 4).

(6)  Stellungnahme des EWSA CES 639/87, Berichterstatterin war Frau Alma WILLIAMS (ABl. C 232 vom 31.8.1987, S. 22).

(7)  ABl. L 281 vom 14.10.1988, S. 55; ABl. L 37 vom 9.2.1991, S. 42.

(8)  ABl. L 220 vom 30.8.1993, S. 1. Stellungnahme des EWSA: ABl. C 14 vom 20.1.1992, S. 15 und ABl. C 129 vom 10.5.1993, S. 3.

(9)  ABl. C 297 vom 9.12.2003, S. 18.

(10)  Richtlinie 92/59/EWG vom 29. Juni 1992 (ABl. L 228 vom 11.8.1992, S. 24 — Stellungnahme EWSA: ABl. C 75 vom 26.3.1990, S. 1) und Richtlinie 2001/95/EG vom 3. Dezember 2001 (ABl. L 11 vom 15.1.2002, S. 4); zu dem entsprechenden Richtlinienvorschlag KOM(2000) 139 endg. legte der EWSA seine Stellungnahme CES 1008/2000 vom 20. September 2000 vor; Berichterstatterin war Frau Alma WILLIAMS (ABl. C 367 vom 20.12.2000 S. 34). Bereits früher hatte Frau WILLIAMS eine Initiativstellungnahme zum selben Thema vorgelegt, die vom EWSA am 8. Dezember 1999 verabschiedet wurde (CES 1131/1999 — ABl. C 51 vom 23.2.2000, S. 67).

(11)  Paket von Vorschlägen KOM(2007) 36, 37 und 53 endg. vom 14.2.2007, Gegenstand der Stellungnahme INT/352/353/354 des EWSA (CESE 1693/2007 vom 13.12.2007); Berichterstatter war Herr PEZZINI.

(12)  Rede von Kommissionsmitglied Frau KUNEVA vom 12. September 2007 vor dem EP; ihre Wortbeiträge in den Sitzungen mit dem geschäftsführenden Vize-Präsidenten von Mattel International am 20. September 2007, mit einer Delegation von Spielzeugherstellern, u. a. Hornby, Lego und Mattel, am 9. April 2008, und in einer Pressekonferenz am 22. November 2007; siehe auch die Entschließung des Europäischen Parlaments P6-TA (2007) 0412 vom 26. September 2007.

(13)  Daten aus der Website der Kommission.

(14)  Richtlinie 88/378/EWG des Rates vom 3. Mai 1988 (ABl. L 187 vom 16.7.1988, S. 1). Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im Gegensatz zum vorliegenden Vorschlag in ihrem Vorschlag betreffend kosmetische Mittel [KOM(2008) 49 endg./2] vom 14.4.2008 durchaus und mit Recht die Absicht verfolgt, das Instrument „Richtlinie“ gegen dasjenige der „Verordnung“ auszuwechseln. Ergänzend sei gesagt, dass die im neuen Reformvertrag vorgenommene Änderung am Protokoll zur Subsidiarität, durch welche die „Präferenz“ für die Richtlinie gestrichen wurde, ein weiteres Argument zugunsten einer solchen Lösung für die Zukunft ist.

(15)  Laut RAPEX-Bericht wurden allein im Sommer 2007 mehr als 18 Mio. Spielzeuge zurückgezogen, weil sie Magnete enthielten, und ca. 2 Mio., weil sie bleihaltige Farben aufwiesen.

(16)  Stellungnahme CESE 1693/2007 vom 13. Dezember 2007 des Berichterstatters PEZZINI (INT/352/353/354), Ziffer 5.2.11; in Ziffer 5.2.12 heißt es weiter:

„Der Status und die Bedeutung der CE-Kennzeichnung laut Beschluss 93/465/EWG lassen sich am besten dadurch heben, dass eine umfassende Reform der Kennzeichnung angestrebt wird, die folgende Punkte berücksichtigt:

Verdeutlichung, dass es nicht als System zur Kennzeichnung oder zur Etikettierung für den Verbrauchauch nicht als Garantie für Qualität, Zertifizierung oder Anerkennung durch Dritteanzusehen und zu verwenden ist, sondern ausschließlich als Konformitätserklärung und technische Dokumentation, die Hersteller oder Importeure in voller Eigenverantwortung und in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Produkts gegenüber den Behörden und Verbrauchern erbringen müssen;

Rationalisierung der verschiedenen Konformitätsbewertungsverfahren;

Stärkung des Rechtsschutzes der CE-Kennzeichnung mittels Registrierung als Kollektivmarke. Dies soll es den Behörden im Missbrauchsfalle ermöglichen, rasch einzugreifen und Abhilfe zu schaffen, aber die Möglichkeit zusätzlicher einzelstaatlichen Kennzeichnungen beibehalten;

Stärkung der Marktüberwachungsmechanismen und der Zollkontrollen an den Grenzen.

Start einer Untersuchung seitens der Hersteller und Verbraucher bezüglich der positiven und negativen Auswirkungen eines eventuellen freiwilligen Verhaltenskodex auf die Wirksamkeit der Vielfalt an Qualitätssiegeln sowie europäischen und nationalenfakultativen und obligatorischenKennzeichnungen und ihrer Beziehung zur CE-Kennzeichnung.“

(17)  KOM(2007) 36, 37 und 53 endg. vom 14.2.2007.

(18)  Stellungnahme CESE 1693/2007, Ziffer 5.2.7.1 und 5.2.9. Vgl. auch die Stellungnahmen des EWSA zu den politischen Maßnahmen für die KMU (INT/390 — Berichterstatter: Herr CAPELLINI) und zu den kosmetischen Mitteln (INT/424 — Berichterstatter: Herr KRAWCZYK).

(19)  „Study on Safety and Liability Issues Relating to Toys“ (PE 393.523); Frank Alleweldt — Projektleiter; Anna Fielder — federführende Verfasserin; Geraint Howells — Jurist; Senda Kara, Kristen Schubert und Stephen Locke.

(20)  Siehe hierzu das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 29. Mai 2007 (Rechtssache C-300/97. Sammlung der Rechtsprechung 1997 Seite I-02649).

(21)  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19.9.2007 zur Sicherheit von Spielzeug [P6-TA (2007) 0412 vom 26.9.2007.

(22)  KOM(1999) 719 endg. vom 12.1.2000.


31.3.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 77/15


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: „Ein Binnenmarkt für das Europa des 21. Jahrhunderts“

KOM(2007) 724 endg.

(2009/C 77/03)

Die Europäische Kommission beschloss am 20. November 2007, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: „Ein Binnenmarkt für das Europa des 21. Jahrhunderts“

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 15. Juli 2008 an. Berichterstatter war Herr CASSIDY, Mitberichterstatter waren Herr HENCKS und Herr CAPPELLINI.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 447. Plenartagung am 17./18. September 2008 (Sitzung vom 18. September) mit 51 gegen 2 Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung — Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der EWSA betont die Wichtigkeit der Lissabon-Strategie, denn durch sie können die Vorteile des Binnenmarktes gewahrt, weiterentwickelt und gefestigt werden.

1.2

Ein gut funktionierender, wettbewerbsfähiger und innovationsfreundlicher Binnenmarkt ist von herausragender Bedeutung, denn er hilft Europa, den größtmöglichen Nutzen aus der Globalisierung zu ziehen und dabei seine sozialen Standards zu wahren. Der EWSA bringt in diesem Zusammenhang seine Sorge angesichts der jüngsten Urteile des Europäischen Gerichtshofs hinsichtlich der Entsendung von Arbeitnehmern zum Ausdruck, deren Folgen für den gemeinschaftlichen Besitzstand im Bereich der Sozialpolitik er gerade analysiert (1).

1.3

Damit sich der Binnenmarkt weiterentwickelt, kommt es nach Auffassung des EWSA darauf an, die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung und Innovation zu fördern und kommerziell zu verwerten. Nationale Technologiezulieferer müssen bei der Propagierung innovativer Produkte und Technologien auf europäischer Ebene Beistand erhalten, und in gleicher Weise müssen Forschungsergebnisse verbreitet und grenzübergreifend genutzt werden. Der Binnenmarkt ist ein wesentliches Instrument zur Umsetzung der Lissabon-Agenda. Er soll den Verbrauchern, dem Wirtschaftswachstum und der Beschäftigung nützen, indem durch ihn Barrieren für die Freizügigkeit von Personen, Gütern, Dienstleistungen und Kapital Zug um Zug ausgeräumt werden, auch wenn viele bestehen bleiben. Der Nutzen einer engeren Integration ist unbestritten.

1.4

Das von der Kommission vorgelegte Paket zur Überprüfung des Binnenmarkts ist ein guter Ausgangspunkt, um dem Binnenmarkt neue Impulse zu verleihen. Sein Erfolg wird jedoch weitgehend von der Fähigkeit und dem Ehrgeiz der einzelstaatlichen Regierungen und Sozialpartner abhängen, ihren Verpflichtungen nachzukommen und die notwendigen Ressourcen bereitzustellen, damit die Absichtsbekundungen Realität werden.

1.5

Die ordnungsgemäße und einheitliche Durchsetzung der bestehenden Rechtsvorschriften und Normen ist eine der wichtigsten Aufgaben. Folgenabschätzungen, die Reduzierung des Verwaltungsaufwands und der Kosten, die durch die Beachtung der aus der fiskalpolitischen Zersplitterung des Binnenmarktes resultierenden Rechtsvorschriften entstehen, sowie die bessere Konsultation der Sozialpartner und der betroffenen Interessenträger, vor allem der KMU, sind entscheidend nicht nur für ein besseres Verständnis der Regulierungsziele, sondern auch für die Ermittlung von Lösungen ohne regulierende Eingriffe.

1.6

Kleine und mittelständische Unternehmen leisten einen grundlegenden Beitrag zum guten Funktionieren des Binnenmarktes. Die KMU spielen in ihren verschiedenen Formen eine besonders wichtige Rolle im Dienstleistungssektor und sind entscheidend für die sozialen Kompromisse, die die EU-Wirtschaft stützen. Im Small Business Act und in der KMU-Charta wird die Bedeutung der KMU für die politischen Prozesse und die Institutionen der EU und der Mitgliedstaaten anerkannt. Nach Auffassung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses sollte jedoch der Rolle der KMU in der Politikumsetzung, insbesondere im Hinblick auf ihren Beitrag zur Erreichung wirtschafts-, umwelt- und sozialpolitischer Ziele, größere Aufmerksamkeit geschenkt werden.

1.7

Der EWSA betont, dass der Europäische Fonds für die Anpassung an die Globalisierung ein wichtiges Instrument der Solidarität ist, das Arbeitnehmern, die aufgrund von Veränderungen im Welthandelsgefüge ihren Arbeitsplatz verloren haben, spezielle Hilfe bei der Arbeitssuche leisten soll. Der Ausschuss begrüßt, dass dieses Instrument für Beschäftigte von KMU zugänglich ist, bedauert jedoch, dass Selbstständige, die von den gleichen Veränderungen betroffen sind, kein Anrecht darauf haben.

1.8

Der EWSA fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ausreichende Ressourcen verfügbar zu machen, um eine bessere Durchsetzung der Binnenmarktbestimmungen zu gewährleisten. Ferner sollten Initiativen ausgearbeitet werden, um Synergien zwischen der Binnenmarktpolitik, der Wettbewerbspolitik und der Sozial- und Umweltpolitik herzustellen, die für einen effizienten Binnenmarkt ausschlaggebend sind.

1.9

Die Kommission und die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass neue Regulierungsinitiativen, die zum guten Funktionieren des Binnenmarkts beitragen sollen, sowohl der Wirkung auf die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen als auch den sozialen und ökologischen Folgen Rechnung tragen. Im Sinne der Kohärenz und der Rechtssicherheit für Unternehmen und Verbraucher und damit neue Initiativen einander nicht widersprechen, sollte es für neue Vorschläge sowohl von Seiten der EU als auch von der nationalen Ebene eine „Binnenmarkt-Verträglichkeitsprüfung“ (2) geben und sollte deren soziale und ökologische Wirkung beurteilt werden.

1.10

Bürgern und Unternehmen ist ein einfacher, erschwinglicher Zugang zur Justiz sicherzustellen, einschließlich adäquater Mittel für Rechtshilfe und Streitbeilegungsverfahren. In dieser Hinsicht sollte die Entwicklung von Instrumenten der außergerichtlichen Streitschlichtung verbessert werden.

1.11

Der EWSA kann dem Ziel der Mitteilung vom 20. November 2007 über die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (DAI) nur zustimmen. Darin heißt es, dass die „Kommission weiterhin an der Konsolidierung des EU-Rahmens für Dienste von allgemeinem Interesse einschließlich Leistungen im sozialen Bereich und in der Gesundheitsfürsorge arbeiten und gegebenenfalls konkrete Lösungen für konkrete Probleme anbieten“ wird. Weiterhin „[plant die Kommission] eine Mischung aus sektorspezifischen und problembezogenen Maßnahmen“.

1.12

Im Primärrecht der EU bzw. den Verträgen wird anerkannt, dass die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) grundsätzlich Teil der „gemeinsamen Werte“ der EU sind und zu ihrem „sozialen und territorialen Zusammenhalt“ beitragen. Es ist unumgänglich, ein sektorspezifisches Vorgehen (unter Berücksichtigung der Besonderheiten jedes Wirtschaftszweiges) und die bereichsübergreifende Problematik miteinander zu verbinden.

1.13

Mit der Aufnahme der Unterscheidung zwischen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Dienstleistungen in das Primärrecht und angesichts der Notwendigkeit, gemeinsamen Grundsätzen für das Funktionieren der DAWI Geltung zu verschaffen, zeigt das Protokoll über die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, dass eine Klärung der einschlägigen Begriffe und Regelungen notwendiger denn je ist, damit sie nicht länger auf einen rein von Fall zu Fall reichenden gesetzgeberischen oder verwaltungsrechtlichen Ansatz angewiesen sind.

1.14

Trotz wiederholter Aufforderung von Seiten des Europäischen Parlaments, das eine wirkliche Rechtssicherheit für den Bereich Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse (SDAI) angemahnt hatte, beschränken sich die Vorschläge in der Mitteilung über DAI auf eine Reihe von Antworten „auf häufig gestellte Fragen“, die zwar hilfreich sind, aber keine rechtlich bindende Wirkung haben.

1.15

Infolgedessen schlägt der EWSA eine mehrgleisige, progressive Konzeption vor, in der sektorielle und thematische Ansatzpunkte miteinander verbunden werden. Dies sollte zur Verabschiedung von Rechtsakten da, wo sie nötig sind, und/oder zur Anpassung dieser Grundsätze und Bedingungen an die verschiedenen betroffenen Branchen führen (horizontaler Ansatz mit sektorspezifischer Ausrichtung).

2.   Wesentlicher Inhalt der Kommissionsmitteilungen

2.1

Das Maßnahmenpaket der Kommission, das hier einer Prüfung unterzogen wird, ist ein Bündel von Initiativen, das aus fünf Arbeitspapieren und zwei Mitteilungen zum Themenkreis Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und zur sozialen Dimension des Binnenmarkts besteht (3).

2.2

Der EWSA hat sich zu all diesen Themen in Stellungnahmen geäußert (4). In jüngster Zeit hat er eine Initiativstellungnahme zur externen Dimension des Binnenmarktes verabschiedet und erarbeitet derzeit eine Initiativstellungnahme, in der er sich mit dessen sozialen und umweltpolitischen Aspekten beschäftigt (5).

3.   Allgemeine Bemerkungen — Effizientere Durchsetzung

3.1

Der Ausschuss begrüßt, dass in der Mitteilung KOM(2007) 724 endg. die Stärkung der Verbraucher und der KMU in den Mittelpunkt gestellt wird, damit sie besser vom Binnenmarkt profitieren können und ihre Erwartungen und Anliegen besser berücksichtigt werden. Es ist daher zu begrüßen, dass die Binnenmarktpolitik ganz besonders auf Bereiche gerichtet ist, die den Verbraucher betreffen, wie etwa Energie, Telekommunikation, finanzielle Dienstleistungen für Privatkunden sowie Groß- und Einzelhandel.

3.2

Künftig wird der Erfolg der Binnenmarktpolitik davon abhängen, inwieweit es den Mitgliedstaaten und der Kommission gelingt, ihre Anstrengungen zu bündeln, um ein besseres Funktionieren des Binnenmarktes zu erzielen. Der Binnenmarkt ist ein Projekt mit offenem Ende, für das alle eine gemeinsame Verantwortung tragen. Die Mitgliedstaaten müssen sich stärker zu seinen Gunsten engagieren. Oftmals gelingt es den nationalen Behörden nicht, ihrer Verantwortung in Bezug auf die Funktionsfähigkeit des Binnenmarkts nachzukommen. Die Folge davon sind neue Hemmnisse, die das Vertrauen, das der Binnenmarkt wecken müsste, untergraben. Die große Bedeutung der Sozialpartner für die Förderung des Binnenmarktes muss besser anerkannt werden.

3.2.1

Die Kommission beabsichtigt, stärker auf die ordnungsgemäße Durchsetzung des Binnenmarkts zu achten. Es müssen Instrumente geschaffen werden, die in der Praxis die bessere Wirkungsentfaltung der Rechtsbestimmungen gewährleisten. Die fristgerechte und ordnungsgemäße Übertragung des Gemeinschaftsrechts und die verwaltungstechnische Vereinfachung sind zentrale Voraussetzungen einer besseren Rechtsdurchsetzung. Besonders wichtig ist die richtige Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie, wenn die Beschäftigungs- und Wachstumsziele erreicht werden sollen.

3.3

Ein Schwerpunkt muss es weiterhin sein, einfache und schnelle Lösungen für Probleme zu finden, auf die Bürger und Unternehmen im Binnenmarkt stoßen. SOLVIT ist ein besonders hilfreiches Instrument, das bedauerlicherweise nicht in dem wünschenswerten Umfang genutzt wird, da über das System und seinen Nutzen zu wenig bekannt ist und keine adäquaten Ressourcen dafür bereitstehen, insbesondere auf nationaler Ebene. Sämtliche Initiativen zur Verbesserung dieser Situation — darunter Maßnahmen, die die ausreichende personelle und finanzielle Ausstattung der SOLVIT-Zentren gewährleisten — sind sehr zu empfehlen, ebenso wie Schritte zur Erweiterung ihres Aktionsradius.

3.4

Der EWSA unterstützt das Anliegen der Kommission, Verfahren gegen Gemeinschaftsrechtsverstöße schlanker und rascher zu gestalten, indem diejenigen Fälle Priorität erhalten, die die größte Bedrohung für den Binnenmarkt bilden und von großer wirtschaftlicher Bedeutung sind, ohne die Wirksamkeit bestehender Abschreckungsmittel zu beeinträchtigen.

3.5

Die Marktüberwachung lokal erzeugter und importierter Produkte ist ein Bereich, in dem es noch einen großen Nachholbedarf gibt. Hier sind die Behörden der Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission in der Pflicht.

3.6

Nach Auffassung des Ausschusses müsste die Kommission stärker darauf achten, dass die KMU mehr Beistand erhalten, indem sie die KMU-Politik mit den sozialen und umweltpolitischen Zielen der Europäischen Union verknüpft. Letztendlich sollten alle nationalen nichttarifären Handelshemmnisse — darunter auch Hemmnisse der Freizügigkeit von Kapital und Arbeitnehmern — ausgeräumt werden (6).

3.7

Allgemein ist und bleibt es wichtig, dass die Kommission auch weiterhin ihre zentrale Funktion als Hüterin der Verträge wahrnimmt und von ihrem Initiativrecht Gebrauch macht, um für ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes zu sorgen.

3.8

Der EWSA befürwortet fortgesetzte Anstrengungen, um die sich aus der fiskalpolitischen Fragmentierung des Binnenmarktes ergebenden Kosten weiter zu senken, indem Gemeinschaftsregelungen gefördert werden, die die Entwicklung grenzübergreifender Tätigkeiten unterstützen und einer Festigung des Binnenmarktes dienen.

4.   Bessere Rechtsetzung

4.1

Der EWSA begrüßt die Zielsetzung, bei der Politikgestaltung auf eine stärkere Einbeziehung der Interessenlagen und die breitere Beteiligung interessierter Kreise zu achten. Der systematischen Folgenabschätzung kommt eine herausragende Bedeutung zu.

4.2

Die Konsultation maßgeblicher Interessenträger bei der Vorbereitung der Folgenabschätzungen ist sehr wichtig. Folgenabschätzungen sollten von einem unabhängigen und externen Sachverständigengremium geprüft werden, dem auch Vertreter derjenigen angehören, die die Rechtsvorschriften letztlich anwenden.

4.3

Außerdem muss die Verringerung der Verwaltungslast für Unternehmen ohne Schmälerung sozialer Belange gewährleistet werden.

4.4

Damit Kohärenz und Rechtssicherheit für Bürger und Unternehmen gewährleistet sind und neue Initiativen nicht neue Barrieren erzeugen, sollten neue Vorhaben auf einzelstaatlicher und auf EU-Ebene einem „Test auf Binnenmarktverträglichkeit“ unterzogen werden, der auch eine Bewertung der sozialen und ökologischen Folgen umfasst (7). Unklare Rechtstexte, die nicht selten unterschiedlich umgesetzt und ausgelegt werden, sorgen für Widersprüche im Gemeinschaftsrecht.

4.5

Eine Verbesserung der Informations- und Datenlage über die praktische Umsetzung der Binnenmarktregeln ist von herausragender Bedeutung. Die Kommission sollte Mitgliedstaaten, die sich als „Binnenmarktsünder“ hervortun, offener benennen und die Arbeit der einzelstaatlichen Sozialpartner durch eine kohärentere, durchsichtigere länderweise Berichterstattung unterstützen.

5.   Die externe Dimension des Binnenmarktes (8)

5.1

Der EWSA ist einer Meinung mit der Kommission, dass die Globalisierung „in hervorragender Weise Dynamik und Veränderung“ auslöst und die Wettbewerbsfähigkeit fördert und der Binnenmarkt ein Trumpf ist, der genutzt werden muss, um den Herausforderungen der Globalisierung zu begegnen.

5.2

Die Handelsliberalisierung wird völlig zutreffend als die tragende Säule der Strategie der Union in diesem Bereich herausgearbeitet. Ein ehrgeiziger Abschluss der Doha-Runde und die Beendigung der im Rahmen von „Global Europe“ eingeleiteten Verhandlungen über ein umfassendes Freihandelsabkommen werden das Maß für den Erfolg Europas sein.

5.3

Fragen der Regulierung und der technischen Normen werden zunehmend zu Faktoren, die darüber entscheiden, ob sich Unternehmen international behaupten können. Die europäischen Normungsgremien, wie CEN, CENELEC und ETSI, sollten in Zusammenarbeit mit beratenden Organisationen, wie NORMAPME (9), dafür sorgen, dass alle Unternehmen, insbesondere auch kleine und mittelständische, in der gesamten EU und in den Entwicklungsländern Zugang zu diesen Standards haben.

5.4

Zu Recht betont die Kommission die herausragende Bedeutung des internationalen Ansatzes für eine bessere Zusammenarbeit bei der Rechtsetzung, die Gleichwertigkeit von Regeln und die Normenkonvergenz. Das langfristige Ziel sollte sein: „Eine Prüfung, eine Norm, überall anerkannt“.

5.5

Die Rechtsbestimmungen der EU dürfen die Wettbewerbsfähigkeit nicht beeinträchtigen. Zu hohe Lasten für EU-Unternehmen lassen sich nicht durch die internationale Anerkennung von EU-Normen ausgleichen. Die Zusammenarbeit mit Partnerländern in Regulierungsfragen wird keinen Erfolg haben, wenn keine Atmosphäre der Offenheit und Innovation gegenüber anderen Sichtweisen herrscht.

5.6

Der EWSA sieht die Zusage als positiv an, dass ein Leistungsvergleich zwischen den EU-Bestimmungen und den im internationalen Umfeld üblichen bewährten Praktiken, insbesondere bei den Haupthandelspartnern der EU, durchgeführt werden soll. Dieser Leistungsvergleich sollte systematisch in den Folgenabschätzungen der EU enthalten sein, und die EU sollte für die Zusammenarbeit mit bedeutenden Handelspartnern in Regulierungsfragen offen sein. Amtlich anerkannte internationale Standards für die Konformitätsbewertung sollten von der EU übernommen werden.

5.7

Es gilt, EU-Initiativen zu unterstützen, mit denen eine globale Führungsrolle bei der Schaffung eines Rechtsumfelds und der Erarbeitung hoher, wissenschaftlich fundierter internationaler Standards für Industrie- und Lebensmittelerzeugnisse erreicht wird. Gemeinsame Standards sollen von gemeinsamen Regulierungszielen begleitet sein. Aus diesem Grund würde es der Ausschuss begrüßen, wenn bilaterale Abkommen und Netzwerke internationaler Regulierungsorgane stärker in den Vordergrund gestellt würden.

5.8

Die Europäische Union sollte auch weiterhin für den Freihandel eintreten, zugleich aber im angemessenen Umfang Marktüberwachung betreiben, damit unsichere Produkte nicht eingeführt werden können. Freilich muss die Kommission dabei darauf achten, dass solche Maßnahmen und neu auftretende private Normensysteme keinen Vorwand für Protektionismus bieten (10).

6.   Die soziale Dimension des Binnenmarktes

6.1

Der Ausschuss unterstützt die Sicht, dass eine soziale Dimension das Funktionieren des Binnenmarkts im Sinne der Strategie für Wachstum und Beschäftigung und durch den starken Akzent, den sie auf eine gesunde KMU-Wirtschaft setzt, verbessern würde.

6.2

Da die Arbeitsmarktintegration der beste Schutz vor sozialer Ausgrenzung ist, muss an zentraler Stelle des Plans der Kommission für „Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität“ darüber nachgedacht werden, wie das Potenzial der europäischen Arbeitnehmer in einem gesellschaftlichen Umfeld, das durch einen raschen Wandel gekennzeichnet ist, am besten genutzt werden kann. Die Kommission muss zusammen mit den Sozialpartnern dafür Sorge tragen, dass dies insbesondere für schutzbedürftige Gruppen, Einwanderer und Minderheiten gilt.

6.3

In Reaktion auf die Herausforderungen der Globalisierung, den technischen Fortschritt und die sich wandelnden sozialen und umweltmäßigen Gegebenheiten müssen die politischen Bestrebungen auf die Erreichung sozialer Ziele durch eine Hebung der Beschäftigungsquote und die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für hohe Produktivitätszuwächse abzielen.

6.4

Der EWSA hat in seiner Stellungnahme (11) darauf hingewiesen, wie wichtig die Berücksichtigung des Konzepts der „Flexicurity“ (12) in allen EU-Politiken ist. KMU — und insbesondere Selbstständige — sind für das reibungslose Funktionieren flexibler Arbeitsmärkte von zentraler Bedeutung. Dazu bedarf es eines besseren Verständnisses der Rolle der KMU in Bezug auf die Durchführung der Sozialpolitik.

7.   Innovation als Motor des Binnenmarkts

7.1

Damit sich der Binnenmarkt weiterentwickelt, kommt es nach Auffassung des EWSA darauf an, die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung und Innovation zu fördern und kommerziell zu verwerten. Nationale Technologiezulieferer müssen bei der Propagierung innovativer Produkte und Technologien auf europäischer Ebene Beistand erhalten, und in gleicher Weise müssen Forschungsergebnisse verbreitet und grenzübergreifend genutzt werden. Die Qualität des Binnenmarkts hat erheblichen Einfluss auf Europas Innovationskraft. Die Koordinierung von Forschung und Entwicklung auf europäischer Ebene zwischen KMU-Clustern, Großunternehmen, Forschungseinrichtungen, Universitäten und dem neuen Europäischen Innovations- und Technologieinstitut ist unumgänglich.

7.2

Fortschritte hin zu einem Patentsystem, das in puncto Kosten der Rechtssicherheit wettbewerbsfähiger ist, sind grundlegend für die Innovationskraft Europas. Dazu gehören auch Fortschritte auf dem Weg zu einem gemeinsamen System der Patentgerichtsbarkeit in Europa, das allen Unternehmen ein Höchstmaß an Qualität, Kosteneffektivität und Verlässlichkeit bietet, und ein Gemeinschaftspatent, das ebenfalls diesen Ansprüchen genügt und insbesondere den KMU zugute kommt. Ein starker Schutz der Rechte am geistigen Eigentum mit wirkungsvollen Maßnahmen auf europäischer und internationaler Ebene gegen die zunehmende Flut von Fälschungen und Produktpiraterie ist ebenfalls nötig.

7.3

Neuerungen in der Verwaltung der Sozialpolitik sollten der Vielfalt sozialwirtschaftlicher Organisationen (wie z.B. Genossenschaften) Rechnung tragen, die die Dienstleistungen unter einer geeigneten ordnungspolitischen Aufsicht näher an den einzelnen Nutzergruppen erbringen können.

7.4

Die neue Binnenmarktpolitik muss eine zentrale Rolle dabei spielen, eine ökologisch nachhaltige Weltwirtschaft zu schaffen.

8.   Verbraucherschutzpolitik

8.1

Eine ausgewogene Verbraucherschutzpolitik ist wichtig für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts. Aus Sicht des EWSA kommt den Verbrauchern eine zentrale Stellung in der neuen Konzeption der Kommission für einen wahrhaft barrierefreien Binnenmarkt zu. Der Markterfahrung der Verbraucher sollte mehr Gewicht beigemessen werden, zum Beispiel durch Folgenabschätzungen oder die Aufnahme von Verbraucherinteressen in die Lissabon-Agenda.

8.2

Die Aufmerksamkeit sollte dem Binnenmarkt, der sowohl den Verbrauchern als auch den Unternehmen nützt, und der Rolle, die der Dienstleistungssektor in der Wirtschaft für die Hebung der Qualität und des Verbrauchervertrauens spielen kann, gelten. Die Verbraucher müssen einen effektiven Zugang zu den Waren und Dienstleistungen haben, die im gesamten EU-Gebiet angeboten werden, und den Unternehmen muss es möglich sein, ihre Waren und Dienstleistungen überall in der EU genauso einfach wie auf ihrem heimischen Markt anzubieten. Eine Harmonisierung in Verbindung mit der gegenseitigen Anerkennung ist der richtige Weg hin zu dieser Situation, in der alle gewinnen (13).

9.   Die Mitteilung „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse unter Einschluss von Sozialdienstleistungen: Europas neues Engagement“ (14)

9.1

In mehreren Stellungnahmen (15) hat der EWSA seine Sorge über die Rechtsunsicherheit zum Ausdruck gebracht, die im Zusammenhang mit Dienstleistungen von allgemeinem Interesse besteht.

9.2

In der Mitteilung wird auf das neue Protokoll über die Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Anhang zum Vertrag von Lissabon verwiesen, das den Maßnahmen auf EU-Ebene einen kohärenten Rahmen verleihen und gleichzeitig eine solide Ausgangsbasis für die Definition der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse sein soll (16).

9.3

Allerdings wird in der Mitteilung über die DAI der neue Artikel 16 des Vertrags von Lissabon lediglich gestreift. Auch werden die daraus erwachsenden Implikationen nicht weiter beleuchtet, obwohl doch hier gerade eine neue Rechtsgrundlage für die DAWI entsteht, indem Rat und Parlament beauftragt werden, im Wege des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens durch Verordnungen die Prinzipien und Bedingungen wirtschaftlicher und finanzieller Art festzulegen, unter denen die DAWI ihren Aufgaben gerecht werden können.

9.4

Die effektive Umsetzung des Grundsatzes des Primats der guten Erfüllung der Aufgaben der DAWI, die mit dem neuen Artikel 16 des Vertrags von Lissabon jetzt möglich geworden ist, wird dazu beitragen, dass der Gerichtshof weniger oft um einen Schiedsspruch angerufen werden muss.

9.5

Der Vertrag von Lissabon enthält mehrere Neuerungen. Dazu gehört insbesondere eine allgemeine Bezugnahme auf die DAI und auf die nichtwirtschaftlichen Dienste von allgemeinem Interesse (NDAI). Der Vertrag trägt dazu bei, die Frage der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse erneut in das Blickfeld der Gemeinschaftstätigkeit unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips zu bringen.

9.6

Nach Auffassung des EWSA ist der neue Vertrag von Lissabon (Artikel 14 AEUV sowie das Protokoll über die DAI) nur der Auftakt für einen neuen Ansatz zugunsten einer größeren Rechtssicherheit und einer schlüssigeren Regelung der einzelstaatlichen und gemeinschaftlichen Bestimmungen zu den DAI.

9.7

Das Protokoll über die DAI ist eine Auslegungshilfe für die Regeln über die DAI, sowohl der wirtschaftlichen (DAWI) als auch der nichtwirtschaftlichen (NDAI), ohne jedoch das Problem der Abgrenzung beider Kategorien zu lösen.

9.8

Indem die Unterscheidung zwischen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Dienstleistungen in das Primärrecht übernommen wird und auch die Notwendigkeit nach Anerkennung gemeinsamer Funktionsprinzipien der DAWI aufgenommen wurde, zeigt das Protokoll über die DAI, dass die Konzepte und Regelungen mehr denn je einer Klärung bedürfen, um Rechtssicherheit für die Unternehmen und Erbringer dieser Dienstleistungen sowie für ihre Hauptnutznießer herzustellen.

9.9

In der Mitteilung über die DAI ist die Rede davon, dass die „Kommission weiterhin an der Konsolidierung des EU-Rahmens für Dienste von allgemeinem Interesse einschließlich Leistungen im sozialen Bereich und in der Gesundheitsfürsorge arbeiten und gegebenenfalls konkrete Lösungen für konkrete Probleme anbieten“ wird. Weiterhin „[plant die Kommission] eine Mischung aus sektorspezifischen und problembezogenen Maßnahmen“.

9.10

Bei diesem Ansatz müssen natürlich die besonderen Gegebenheiten jedes betroffenen Wirtschaftszweigs berücksichtigt werden. Da aber im Primärrecht anerkannt wird, dass die DAWI grundsätzlich Teil der „gemeinsamen Werte“ der Europäischen Union sind und zum „sozialen und territorialen Zusammenhalt“ beitragen, ist es unumgänglich, sektorielle Ansätze (unter Berücksichtigung der Besonderheiten jedes Sektors) und die bereichsübergreifende Problematik miteinander zu verbinden.

9.11

Infolgedessen schlägt der EWSA eine mehrgleisige, progressive Konzeption vor, bei der sektorielle und thematische Ansatzpunkte miteinander verbunden werden. Dies sollte zur Verabschiedung von Rechtsakten da, wo sie nötig sind, und/oder zur Anpassung dieser Grundsätze und Bedingungen an die verschiedenen betroffenen Branchen führen (horizontaler Ansatz mit sektorspezifischer Ausrichtung).

10.   Die besondere Situation der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse

10.1

Der EWSA betont die Wichtigkeit der Lissabon-Strategie, denn durch sie können die Vorteile des Binnenmarktes gewahrt, weiterentwickelt und gefestigt werden.

10.2

In ihrem Weißbuch über die DAI führt die Kommission den Begriff der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse (SDAI) ein. Sie hat ihn in ihren beiden Mitteilungen (17) sowie in einem internen Arbeitspapier weiter ausgestaltet (18).

10.3

In der Mitteilung wird keine Definition der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse vorgelegt, und es wird zwischen zwei großen SDAI-Gruppen unterschieden: zwischen den gesetzlichen und ergänzenden Systemen der sozialen Sicherung einerseits und „sonstigen, unmittelbar zugunsten des Einzelnen erbrachten Dienstleistungen“ andererseits.

10.4

An der Vorsicht der Kommission lässt sich ablesen, wie schwierig die SDAI einzuordnen sind. Dies gilt umso mehr, da sie spezielle und weit gefächerte Aufgaben erfüllen und tief in kollektiven nationalen oder manchmal sogar lokalen Gepflogenheiten verwurzelt sind.

10.5

Bei der Konsultation zum Grünbuch von 2003 haben die Akteure des SDAI-Sektors (lokale öffentliche Einrichtungen, Betreiber, Interessenvertreter der Nutzer) nachdrücklich ihr Gefühl der wachsenden Rechtsunsicherheit hinsichtlich der europäischen Rechtsnormen bekundet, die für sie in Anbetracht ihrer Besonderheiten gelten, und zwar insbesondere hinsichtlich der Frage der Beauftragung zur Dienstleistungserbringung. Sie haben unterstrichen, dass sie sich als Teil einer „Grauzone“ fühlen, was der Erfüllung ihrer Aufgabe schade. Dies hat dazu geführt, dass:

die Kommission einen eigenen Reflexionsprozess eingeleitet hat (Mitteilung, Studien, etc.),

der Gesetzgeber sie vom Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie weitgehend ausnimmt (19), und

das Europäische Parlament zweimal eine Erhöhung der Rechtssicherheit gefordert hat (20).

10.6

Die Kommission folgt indes nicht diesem Ansatz und befindet sich damit eindeutig im Widerspruch zu dem von ihr bevorzugten sektoriellen Ansatz. Nunmehr beschränken sich ihre Vorschläge auf eine Reihe von Antworten auf „häufig gestellte Fragen“ und auf einen interaktiven Informationsdienst, die zwar hilfreich sein, aber keine rechtlich bindende Wirkung haben werden.

10.7

Um den Forderungen nach Rechtssicherheit nachzukommen, gestützt u.a. auf Artikel 16 AEUV, der neue Perspektiven für den Stellenwert und die Funktion der DAWI (einschließlich der SDAI) in der Europäischen Union eröffnet, bedarf es einer weiteren Klärung der Begriffe und auch der gemeinschaftlichen Rahmenregelungen für im Interesse des Gemeinwohls erbrachte Tätigkeiten.

11.   Die Mitteilung „Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität: eine neue gesellschaftliche Vision für das Europa des 21. Jahrhunderts“

11.1

Der Ausschuss begrüßt die in der Mitteilung „Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität: eine neue gesellschaftliche Vision für das Europa des 21. Jahrhunderts“ (21) genannten Ziele. Die Mitteilung wendet sich an die EU-Bürger, die Zivilgesellschaft und die Unternehmen einschließlich KMU und basiert auf Europas Kerninstrumentarium — dem Binnenmarkt, der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung und der Strategie für nachhaltige Entwicklung.

11.2

Der gegenwärtige Wandel in der europäischen Gesellschaft (EU-27 mit 500 Millionen Bürgern, demographischer Wandel, Globalisierung, technischer Fortschritt, wirtschaftliche Entwicklung usw.) kann neue Beschäftigungsmöglichkeiten und neue Qualifikationen schaffen, aber die Anpassung an den Wandel birgt immer auch das Risiko von Arbeitslosigkeit und gesellschaftlichem Abseits.

11.3

Der EWSA spricht sich für ein stärkeres Engagement der EU bei der Erleichterung, Antizipierung und Förderung eines solchen Wandels aus, wobei gleichzeitig auf globaler Ebene für die europäischen Werte eingetreten werden muss. Die Kommission skizziert eine an „Lebenschancen“ orientierte gesellschaftliche Vision für das Europa des 21. Jahrhunderts und ist bestrebt, die am 15. Februar 2008 abgelaufene Konsultation zu vervollständigen. So waren u.a. das Beratergremium für europäische Politik (BEPA), die Mitgliedstaaten und die EU-Institutionen in die Debatte über den gesellschaftlichen Wandel und das Konzept des Zustands der europäischen Gesellschaft einbezogen. Der Ausschuss begrüßt das Ziel, sicherzustellen, dass die abschließende Bewertung dieser Diskussionen einen Beitrag zur Vorlage einer überarbeiteten sozialpolitischen Agenda leisten wird, die 2008 vorgelegt werden soll, und dass dabei der neue, durch den Vertrag von Lissabon gegebene institutionelle Rahmen berücksichtigt werden soll.

11.4   Allgemeine Annahmen und Bemerkungen

11.4.1   Die gesellschaftlichen Realitäten verändern sich

Sämtliche Mitgliedstaaten erleben rasche und tiefgreifende Veränderungen. Insbesondere die Europäer bekunden Ängste und Besorgnisse im Hinblick auf die nächste Generation (siehe auch die vorausgegangenen Stellungnahmen und Initiativen des EWSA, den BEPA-Bericht mit einer detaillierten Übersicht über die aktuellen sozialen Entwicklungen sowie den Kommissionsbericht zur sozialen Lage 2007).

11.4.2   Eine an „Lebenschancen“ orientierte gesellschaftliche Vision für Europa: Förderung des Wohlstands durch Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität

Chancen — auf einen guten Start ins Leben, die Entfaltung des eigenen Potenzials und die bestmögliche Nutzung der Gelegenheiten, die ein innovatives, offenes und modernes Europa bietet.

Zugangsmöglichkeiten — in Form von neuen und wirksameren Bildungschancen, Fortschritten auf dem Arbeitsmarkt, einem leistungsfähigen Gesundheitswesen und sozialer Sicherheit sowie der Teilhabe an Kultur und Gesellschaft.

Solidarität — durch Förderung des sozialen Zusammenhalts und der sozialen Nachhaltigkeit, damit niemand außen vor bleibt.

11.4.2.1

Der EWSA ist einer Meinung mit der Kommission, dass ein „Gleichmacheransatz“ kein probates Rezept für Europa ist und gesellschaftsübergreifende Herausforderungen ein gemeinsames Vorgehen und die Unterstützung durch eine aktive Bürgerschaft erfordern.

11.4.2.2

Der Kampf gegen die soziale Marginalisierung und die Verbesserung der Lebensumstände durch die Schaffung von Möglichkeiten für den Einzelnen ist wesentlich für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum und die Verringerung der Gefahr eines Herausfallens aus dem sozialen Netz. Zuversicht und Vertrauen sind unabdingbar für Fortschritt, Modernisierung und Offenheit für den Wandel.

11.4.3   Wichtige Handlungsbereiche

Sollen die Ziele „Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität“ verwirklicht werden, muss die EU investieren:

1)

Investitionen in die Jugend: Die jüngsten gesellschaftlichen Veränderungen und eine neue, auf Innovation und Technologie basierende Wirtschaft erfordern mehr Achtsamkeit bei den Themen Bildung und Qualifikationen. Investitionen in die Jugend wirken sich positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung und den sozialen Zusammenhalt aus. Durch die Lissabon-Agenda ist die Bildung in den Mittelpunkt des sozialen und wirtschaftlichen Systems in Europa gerückt — Wissen soll Europa als Hebel für Wettbewerbsfähigkeit im globalen Kontext dienen.

2)

Investitionen in Karrieren: Eine dynamische Wirtschaft mit flexiblem Arbeitsmarkt erfordert flexible Arbeitsmarktregeln und hohe soziale Standards (siehe „Flexicurity“);

3)

Investitionen in ein längeres und gesünderes Leben: Die höhere Lebenserwartung geht mit einer stärkeren Belastung der Systeme der sozialen Sicherheit einher, schafft allerdings auch neue wirtschaftliche Möglichkeiten in Form neuer Dienstleistungen, Produkte und Technologien. Die EU sollte neue soziale Politiken fördern, um diese Chancen zu nutzen und die Unzulänglichkeiten der gegenwärtigen Systeme der sozialen Sicherheit zu beheben.

4)

Investitionen in die Gleichheit der Geschlechter: Neue Formen der Wirtschaft führen zu neuen sozialen Mustern. So sollte beispielsweise die Arbeitsmarktspolitik konsequent den neuen Erfordernissen der Gleichheit der Geschlechter angepasst werden. Einige der Kommissionsvorschläge zielen auf Entgeltunterschiede, das Steuersystem und familienfreundliche Praktiken am Arbeitsplatz ab.

5)

Investitionen in aktive Eingliederung und Nichtdiskriminierung: Durch die jüngsten Erweiterungen sind tiefe wirtschaftliche und soziale Disparitäten zwischen den Mitgliedstaaten und Regionen zu Tage getreten. Die Europäische Kommission ist bestrebt, eine neue Kohäsionspolitik auf den Weg zu bringen, die auf der Akzeptanz der Vielfalt, der aktiven Eingliederung der am stärksten Benachteiligten, der Förderung von Gleichheit und der Beseitigung jeglicher Diskriminierung beruht.

6)

Investitionen in Mobilität und erfolgreiche Integration: Der Binnenmarkt hat zu einer stärkeren Mobilität der Bürger geführt, was sich auch auf die KMU auswirkt. Dies erfordert einen EU-weiten, integrationsbasierten Ansatz.

7)

Investitionen in Bürgermitwirkung, Kultur und Dialog: Diese Aspekte spielen eine wichtige Rolle für den sozialen Zusammenhalt, sind aber auch an wirtschaftliche Ressourcen für Innovation und technischen Fortschritt gebunden.

11.4.4   Die Rolle der EU

11.4.4.1

Der EWSA unterstreicht, dass die hauptsächliche Zuständigkeit für diese Politikbereiche zwar bei den Mitgliedstaaten liegt, der EU und den Sozialpartnern jedoch eine wichtige Rolle bei der Steuerung und der Unterstützung der dazu gehörenden Aktionen und Reformen zukommt. Das Hauptinstrument ist der gemeinsame Besitzstand, und zwar insbesondere bezüglich der Erweiterung, der Kohäsionspolitik, des Vertrag von Lissabon und der Charta der Grundrechte.

11.4.4.2

Der Ausschuss zeigt sich mit den fünf in der Mitteilung vorgelegten Strategien einverstanden:

Festsetzung eines politischen Rahmens: Die EU hat bereits gemeinsame Ziele formuliert, mit denen eine Harmonisierung unter den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungsstrategie, der Lissabon-Agenda und der Sozialpolitik ins Auge gefasst wird. Die Bestrebungen müssen nun darauf gerichtet sein, diese Ziele zu erreichen und die gemeinsamen Grundsätze zu praktischer Entfaltung zu bringen.

Aufrechterhaltung der europäischen Werte und Gewährleistung gleicher Voraussetzungen: Der europäische Rechtsrahmen ist von grundlegender Bedeutung dafür, die einzelstaatlichen Politiken auf gemeinsame Ziele auszurichten.

Austausch von Erfahrung und bewährten Verfahren: Der EWSA teilt die Sicht der Kommission, wonach bewährte Verfahrensweisen, Erfahrungsaustausch, gemeinsame Auswertungen und gegenseitige Evaluierungen in Bezug auf soziale Innovationen Teil des übergeordneten nationalen und europäischen politischen Diskurses sein sollten. Institutionen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene, die Sozialpartner und die NRO sollten aktiv mit einbezogen werden.

Unterstützung der lokalen, regionalen und nationalen Ebene: Mit ihrer Kohäsionspolitik und den Strukturfonds hat die EU beim Abbau der Wohlstands- und Lebensstandard-Unterschiede in der EU eine wesentliche Rolle gespielt. In den letzten Jahren sind diese Instrumente enger mit den Prioritäten der EU in ihrer „Wachstums- und Beschäftigungspolitik“ verknüpft worden (im Zeitraum 2007-2013 stellt der Europäische Sozialfonds 75 Mrd. EUR für die Vermittlung neuer Kenntnisse und die Förderung innovativer Unternehmen bereit). Der EWSA unterstreicht, dass der Europäische Globalisierungsfonds ein wichtiges Instrument der Solidarität ist, aus dem aktive Maßnahmen zur Abfederung der Auswirkungen der Globalisierung auf die Gruppen, die davon am stärksten betroffen sind, sowie auf Unternehmen einschließlich KMU finanziert werden sollten. Deshalb ist eine Beteiligung an der Diskussion über die Zukunft des EU-Haushalts nach 2013 wichtig, sollen doch die Ergebnisse der sozialen Konsultationen mit einfließen.

Sensibilisierung und Aufbau einer starken Wissensgrundlage: Der EWSA begrüßt Initiativen wie das Europäische Jahr der Chancengleichheit für alle (2007), des interkulturellen Dialogs (2008) und der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung (2010). Die bestehenden Stiftungen und Agenturen, wie die Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, die Grundrechteagentur und das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen, werden zunehmend zur soliden Fundierung politischer Entscheidungen, zur Sensibilisierung und zur systematischeren Nutzung von Konsultationsverfahren (und hier nicht nur elektronischen Konsultationen) beitragen. Der EWSA, unabhängige Sachverständigengremien, repräsentative Organisationen und Forschungseinrichtungen auf nationaler und EU-Ebene sollten in diesen Prozess mit einbezogen werden. Der EWSA ruft zu einer stärkeren Einbeziehung aller interessierten Kreise im Interesse der Bewusstseinsbildung und der Verbesserung der Qualität der Ergebnisse (Bereitstellung verlässlicher Daten, Statistiken, gemeinsamer Indikatoren, Überwachungssysteme) zu sozialen Fragen auf.

Brüssel, den 18. September 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  INT/416, R/CESE 1120/2008.

(2)  Wie vom Europäischen Parlament in seiner Entschließung vom 4. September 2007 zu der „Überprüfung des Binnenmarkts: Beseitigung von Schranken und Mängeln durch bessere Um- und Durchsetzung“ (2007/2024 (INI)) gefordert.

(3)  Das „Paket“ der Kommission vom 20. November 2007 besteht aus der Mitteilung „Ein Binnenmarkt für das Europa des 21. Jahrhunderts“ (KOM(2007) 724 endg.), die eine Reihe von Initiativen zur Neuausrichtung des Binnenmarkts umfasst. Diese Mitteilung wird durch fünf Arbeitsdokumente flankiert:

„The single market: review of achievements“ (SEK(2007) 1521);

„Instruments for a modernised single market policy“ (SEK(2007) 1518);

„Implementing the new methodology for product, market and sector monitoring Results of a first sector screening“ (SEK(2007) 1517);

„The external dimension of the single market review“ (SEK(2007) 1519);

„Initiatives in the area of retail financial services“ (SEK(2007) 1520).

Daneben gibt es zwei weitere Mitteilungen:

Mitteilung „Dienstleistungen von allgemeinem Interesse unter Einschluss von Sozialdienstleistungen: Europas neues Engagement“ (KOM(2007) 725 endg.) mit verschiedenen Arbeitsdokumenten der Kommissionsdienststellen (SEK(2007) 1514, SEK(2007) 1515, SEK(2007) 1516);

Mitteilung „Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität: eine neue gesellschaftliche Vision für das Europa des 21. Jahrhunderts“ (KOM(2007) 726 endg.).

(4)  CESE 267/2008, ABl. C 162 vom 25.6.2008, CESE 1262/2007, ABl. C 10 vom 15.2.2008, CESE 62/2008, ABl. C 151 vom 17.6.2008.

(5)  CESE 481/2008, ABl. C 204 vom 9.8.2008, und INT/416, R/CESE 1120/2008.

(6)  „Kleine und mittlere UnternehmenSchlüsselfaktoren für mehr Wachstum und Beschäftigung. Eine Halbzeitbewertung der zeitgemäßen KMU-Politik“, KOM(2007) 592 endg., im Internet abrufbar unter

http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:52007DC0592:DE:NOT.

(7)  Siehe Stellungnahme CESE 794/2007.

(8)  CESE 481/2008, ABl. C 204 vom 9.8.2008.

(9)  Europäisches Büro des Handwerks und der Klein- und Mittelbetriebe für die Normung.

(10)  Bericht der WTO über den Welthandel 2005 „Exploring the links between trade, standards and the WTO“, im Internet abrufbar unter

http://www.wto.org/english/res_e/booksp_e/anrep_e/world_trade_report05_e.pdf.

(11)  CESE 999/2007, ABl. C 256 vom 27.10.2007.

(12)  CESE 767/2008 (SOC/283), KOM(2007) 359 endg.: „Flexicurity lässt sich definieren als integrierte Strategie zur gleichzeitigen Stärkung von Flexibilität und Sicherheit auf dem Arbeitsmarkt“.

(13)  Siehe Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 13./14. März 2008.

(14)  KOM(2007) 725 endg.

(15)  CESE 427/2007, ABl. C 161 vom 13.7.2007, CESE 976/2006, ABl. C 309 vom 16.12.2006, CESE 121/2005, ABl. C 221 vom 8.9.2005 und CESE 1125/2003, ABl. C 80 of 30.3.2004.

(16)  KOM(2007) 724 endg. vom 20. November 2007, Ziffer 3, Seite 9.

(17)  KOM(2006) 177 vom 26. April 2006„Umsetzung des Gemeinschaftsprogramms von Lissabon — Die Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse in der Europäischen Union“ und KOM(2007) 725 vom 20. November„Dienstleistungen von allgemeinem Interesse unter Einschluss von Sozialdienstleistungen: Europas neues Engagement“.

(18)  SEC (2007) 1514 vom 20. November 2007: „Häufig gestellte Fragen zur Anwendung der Bestimmungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge auf Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse“.

(19)  Siehe Artikel 2 Absatz 1 und 2 Buchstabe j) der Dienstleistungsrichtlinie.

(20)  Rapkay-Bericht vom 14. September 2006 und Hasse-Ferreira-Bericht von 2007.

(21)  KOM(2007) 726 endg.


31.3.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 77/23


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine europäische Initiative zur Entwicklung von Kleinstkrediten für mehr Wachstum und Beschäftigung“

KOM(2007) 708 endg./2

(2009/C 77/04)

Die Europäische Kommission beschloss am 13. November 2007, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine europäische Initiative zur Entwicklung von Kleinstkrediten für mehr Wachstum und Beschäftigung“

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 15. Juli 2008 an. Berichterstatter war Herr PEZZINI.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 447. Plenartagung am 18. September 2008 einstimmig folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Ausschuss begrüßt die Initiativen der Kommission, mit denen die Gründung und Entwicklung von Kleinstbetrieben stärker gefördert und der Unternehmergeist gestärkt und angeregt werden sollen; und dies im Interesse von mehr Wettbewerbsfähigkeit, größerem Zusammenhalt und einer besser qualifizierten Wissenswirtschaft entsprechend den Zielvorgaben der erneuerten Lissabon-Strategie.

1.2

Der Ausschuss befürwortet zwar die Initiative zur Schaffung einer neuen Gemeinschaftsstruktur für Mikrokredite, hält indes eine reine Anreizmaßnahme an die Adresse der Mitgliedstaaten für unzureichend, weil es für den bankfremden Sektor, der nicht unter die Bankrichtlinien der EU fällt, in vielen Mitgliedstaaten keine ausreichende Rechtsgrundlage und ganz unterschiedliche Bestimmungen gibt.

1.3

Eine Pilotaktion für sozial verantwortliche Kleinstinvestitionen, bei denen Mikrokreditinstitute inner- und außerhalb des Banksektors in einem europäischen Netzwerk im Rahmen eines „Memorandum of Understanding for Socially Responsible Investments“ mit den einzelnen Instituten und der Unterstützung der Branchenverbände zusammenwirken, sollte nach Ansicht des Ausschusses vorrangig auf Akteure „mit geringen Möglichkeiten eines Bankkredits“ zugeschnitten sein:

für die Entwicklung von echten, produktiven und würdigen Arbeitsprojekten;

für die Stärkung und Verbreiterung der Unternehmens-, Kooperations- und Beschäftigungsbasis;

für die Reaktivierung der „empowerment“-Fähigkeiten des Individuums durch Schaffung von Möglichkeiten der Annäherung, Begleitung und Valorisierung von Personen, die von wirtschaftlicher und sozialer Ausgrenzung bedroht sind.

1.4

Der Ausschuss ist überzeugt, dass mit der innovativen Anwendung neuer Technologien auf Mikrokredite der Aktionsradius der Mikrofinanzierung im Rahmen eines Netzwerkes erweitert, der Wettbewerb gesteigert und auf diese Weise die Kosten für die Nutzer gesenkt werden können.

1.5

Nach Ansicht des Ausschusses sollten Maßnahmen zur Förderung von Mikrokrediten außerdem durch Bildungskredite begleitet werden, um die Entwicklung und den Erfolg auf dem Markt zu erleichtern, soziale Ausgrenzung zu vermeiden und die Ziele der Lissabon-Strategie immer besser zu erreichen.

1.6

Der Ausschuss teilt zwar die Auffassung, dass die Änderungen der institutionellen und gesetzlichen Rahmenbedingungen für das Kleinstkreditwesen in erster Linie auf der Ebene der Mitgliedstaaten und durch die Mechanismen des jährlichen Lissabon-Governance-Zyklus zu vollziehen sind, erachtet es aber gleichzeitig für unverzichtbar, den europäischen Bezugsrahmen zu stärken, insbesondere durch:

die Verwirklichung eines Netzes von Vereinbarungen über sozial verantwortliche Investitionen (MOU) zwischen dem zu errichtenden Europäischen Fonds für Mikrokredite und den einzelnen Mikrokreditinstituten vor Ort, damit das Mikrokreditnetzwerk auf kompatiblen Standards in Bezug auf Solidität, Zahlungsfähigkeit, Diversifizierung des Portfolios (1), Transparenz und Bekämpfung von Zinswucher basiert;

ein Gemeinschaftssystem für das Rating der MFI inner- und außerhalb des Bankensektors, um deren Qualität und Zuverlässigkeit sowie die Verfügbarkeit von Informationen über Risiken und Performance zu verbessern; zu diesem Zweck könnten gemeinsame Profile festgelegt werden, die den Dialog und Austausch bewährter Verfahren und gleichzeitig die zeitweilige Vergabe eines europäischen MKI-Zeichens (Mikrokreditinstitut) für Qualität und Transparenz ermöglichen, um Gelder anzulocken und das Vertrauen potenzieller Empfänger zu steigern;

Gemeinschaftsinstrumente zur Information und Ausbildung der an Mikrokreditmaßnahmen interessierten Akteure, und zwar sowohl in Bezug auf Interventionsmöglichkeiten und -modalitäten als auch in Bezug auf die Erfordernisse und Modalitäten von Businessplanprojekten — auf der Grundlage vereinfachter und harmonisierter Musterformate — für potenzielle Empfänger;

Gemeinschaftsinstrumente zur Weiterbildung und zum Kapazitätenaufbau für die Führungskräfte und Akteure der MFI, auf der Grundlage von gemeinsamen technischen Know-how-Paketen, mit denen der Wandel der Mikrofinanzierung, die neuen Anforderungen der Nutzer und die Notwendigkeit gemeinsamer Grundlagen zur Erleichterung des Dialogs und des Austauschs bewährter Verfahren auf europäischer Ebene bewältigt werden können;

ein europäisches Netzwerk für Datenbanken auf der Grundlage harmonisierter Kriterien, das die Erhebung und Auswertung standardisierter Daten über erfolgte Transaktionen und die damit zusammenhängenden Risiken ermöglicht und zwar auch im Hinblick auf die Senkung der Kosten der Risikobewertung im Rahmen der einzelnen Mikrokreditoperationen.

1.7

Im Zusammenhang mit dem Vorschlag für eine eigene gemeinschaftliche Förderstruktur innerhalb der für JEREMIE im Europäischen Investitionsfonds zuständigen Dienststelle ist der Ausschuss der Auffassung, dass auf diese Weise der Initiative keine optimale Öffentlichkeitswirkung zuteil würde, die Koordinierungsrolle, die diese Struktur für die bereits laufenden Initiativen übernehmen sollte, beschnitten würde und auch die anderen Tätigkeiten nicht durch technische Unterstützung flankiert werden könnten. Daher sollte nach Ansicht des Ausschusses eine eigenständige Abteilung geschaffen werden, die als Mikrokreditfonds fungieren kann.

1.8

Die Finanzierung und technische Unterstützung durch die neue Struktur sollte im Übrigen im Interesse der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen nicht nur die neuen, bankfremden MKI, sondern alle MKI umfassen.

1.9

Die Gemeinschaftsinitiative für die MFI sollte auch die Stärkung des sozialen Dialogs und des Dialogs zwischen den verschiedenen Akteuren der Zivilgesellschaft sowie die Valorisierung der europäischen Netze zum Austausch bewährter Verfahren einschließen, wie etwa das Europäische Micro-FINANCE-Network, das Microfinance Center und die Europäische Plattform für Mikrofinanzierung.

1.10

Nach Auffassung des Ausschusses sollte die MFI-Initiative den Unternehmensverbänden bei der Prüfung der Zuverlässigkeit und Kompetenz der Antragsteller, der Entwicklung einer tragfähigen Beziehungs- und Vertrauensbasis und bei der Förderung und Begleitung — und zwar auch im Bereich Bildung und Beratung — eine größere Rolle zukommen lassen, um die eigenen Fähigkeiten der Kreditnehmer zur Geltung zu bringen und den Verwaltungsaufwand zu reduzieren und zu vereinfachen, insbesondere bei der Ausarbeitung von Businessplänen.

1.11

Die Errichtung eines Fonds für Mikrokredite, die in der Regel mit Finanzinstituten, staatlichen Behörden (2), Branchenverbänden und Genossenschaften sowie Garantiekonsortien (Kreditgenossenschaften) in Verbindung gebracht werden, kann für die Ausrichtung des Finanz-Engineering auf soziale Formen der Kreditverwaltung eine wichtige Erfahrung sein.

1.12

Ein sozial geprägtes Verständnis von Kredit, das auch der Gründung eines Fonds für Mikrokredite zugrunde liegen kann, ist eng verbunden mit den Grundsätzen der sozialen Verantwortung der Unternehmen und den Werten einer besseren und flächendeckenderen Beschäftigung.

1.13

Die Förderung der Umweltzertifizierung EMAS kann besser als andere Instrumente das soziale Wachstum der Unternehmen fördern und die mit Bedacht betriebene Verbreitung eines Mikrokreditfonds erleichtern.

2.   Einleitung

2.1

Die Beobachtungsstelle für KMU ist im April 2007 zu der Erkenntnis gelangt, dass das größte Hindernis der Produkt- und Prozessinnovation für die europäischen KMU im Kreditzugang besteht, gefolgt von der Schwierigkeit, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Hingegen konzentrieren sich die Probleme der größeren Unternehmen auf die menschlichen Ressourcen.

2.2

Die größten Diskrepanzen auf dem Markt bestehen aus Mangel an Startkapital, einem unzureichendem Angebot an Mitteln und einer unangemessenen Nachfrage. Mit diesen Aspekten hat sich die Kommission in ihrer Mitteilung „Umsetzung des Lissabon-Programms der Gemeinschaft: Die Finanzierung des Wachstums von KMUDer besondere Beitrag Europas (3) befasst, zu der sich der Ausschuss mehrfach geäußert hat (4).

2.3

Der EWSA wies insbesondere darauf hin, dass „die Gründung und das Wachstum von Unternehmen stärker als bislang durch entsprechende Maßnahmen gefördert werden (sollten), wozu ein beschleunigtes und kostengünstigeres Verfahren der Unternehmensgründung, ein besserer Zugang zu Risikokapital, mehr Fortbildungsprogramme für Unternehmer, Maßnahmen zur Erleichterung des Anschlusses an öffentliche Versorgungsnetze und des Zugangs zu öffentlichen Versorgungsleistungen und ein dichteres Servicenetz zur Förderung der KMU gehören“ (5).

2.3.1

Der Ausschuss bekräftigt seinen in früheren Stellungnahmen (6) dargelegten Standpunkt, dass „auch Genossenschaftsunternehmen, Verbundunternehmen und Gesellschaften auf Gegenseitigkeit (‚mutuals‘) sowie innovative Start-ups und Mikrounternehmen (…) dazu beitragen (können), die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft in der EU zu stärken“.

2.4

Andererseits betonte der Ausschuss, dass „ein Kernproblem (…) der verbesserte Zugang zu den Kapitalmärkten“ sei und dass „bei Banken und sonstigen Investoren, darunter Risikokapitalfonds, (…) für eine größere Risikobereitschaft geworben werden (sollte)“ (7).

2.5

Die Europäische Kommission kündigte im Herbst 2007 die Prüfung von Initiativen zugunsten von KMU an, wie z.B. eine europäische Initiative zur Gründung einer neuen Förderstruktur für Kleinstkredite (8).

2.6

Kleinstkredite werden allgemein als ein Finanzinstrument anerkannt, das große Auswirkungen auf das Unternehmertum, die wirtschaftliche Entwicklung und die soziale und wirtschaftliche Integration hat, aber auch immer noch viele Mängel und Schwachstellen aufweist, die auf die Schwierigkeiten beim Erhalt von Investitionen ins Startkapital des Unternehmens zurückzuführen sind, insbesondere wenn der Antragsteller arbeitslos oder frisch zugewandert ist, einer ethnischen Minderheit angehört oder in einer Konvergenzregion wohnt.

2.7

Ein anderes Problem ergibt sich aus der Tatsache, dass es für das Finanzinstitut Skalenerträge gibt, die mit den Festkosten der Transaktion verbunden sind, wie etwa das Erheben von Informationen, die Auswertung und die Folgemaßnahmen für das Darlehen. Dies gilt ganz besonders für die Gewährung von Kleinstkrediten an Selbständige und KMU, die nicht hinlänglich transparent sind und nur begrenzte Möglichkeiten haben, dem Finanzinstitut angemessene Informationen zu liefern.

2.8

Kleinstkredite werden international definiert als ein Darlehen in geringer Höhe — unter 25 000 EUR in Europa (9) und 100 000 US-Dollar in den Vereinigten Staaten — an Geringverdiener, die in der Regel keinen Zugang zu Bankendarlehen haben, weil sie entweder nicht ausreichend zahlungsfähig sind und/oder weil sie die Transaktionskosten als zu hoch erachten (10). Nicht unter die Definition von Mikrokredit fällt der Verbraucherkredit.

2.9

Der Ausschuss teilt die Ansicht der Kommission, dass Mikrokredite bei der Umsetzung der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung und der Förderung der sozialen Eingliederung eine wichtige Rolle spielen. Gleichzeitig erachtet er es für wesentlich, dass die Hauptaufgabe von Mikrokrediten, nämlich die Förderung des selbständigen Unternehmertums und der Entwicklung von Kleinstbetrieben, gewahrt wird, und sie nicht in soziale Unterstützungsleistungen umgemünzt werden.

2.10

Nach Ansicht des Ausschusses müssen Kleinstkredite in der EU eine Antwort auf die Probleme geben, die dadurch entstanden sind, dass der Markt den Kreditzugang für das Unternehmertum nicht gewährleisten konnte, der wiederum für den Start oder die Erweiterung wirtschaftlicher Tätigkeiten auch im Bereich der Förderpolitik und der Entwicklungszusammenarbeit erforderlich ist (11).

2.11

Auf Gemeinschaftsebene gewährleistet das vom EIF (12) unterstützte CIP — Microcredit guarantee ein Garantiesystem für Mikrokredite, die von lokalen Finanzinstituten an Kleinstunternehmen (13) vergeben werden; derzeit gibt es jedoch keine gemeinschaftliche Regelung für Mikrokredite, abgesehen von dem Bereich der Bankenkleinstkredite, welcher der europäischen Bankenregelung (14) unterliegt, und einigen Verweisen auf Mikrokredite in verschiedenen EU-Programmen und Initiativen (15).

2.12

Andererseits werden die Kleinstkredite in den Mitgliedstaaten ganz unterschiedlich geregelt und gehandhabt. Lediglich in zwei Mitgliedstaaten gibt es einschlägige Rechtsvorschriften, die den Bereich der bankfremden Mikrofinanzierung regeln (16), auch wenn es in vier anderen Mitgliedstaaten (17) Bestimmungen gegen Zinswucher gibt.

2.13

Der Europäische Rat drängte auf seiner Frühjahrstagung nachdrücklich u.a. darauf, dass „der Zugang zu Finanzmitteln, auch über bestehende EU-Finanzinstrumente, (…) weiter erleichtert werden (sollte)“ (18) und plädierte dafür, „eine höhere Gesamterwerbsbeteiligung zu fördern und der Segmentierung Einhalt zu gebieten, um so für eine aktive soziale Eingliederung zu sorgen“.

2.14

Nach Ansicht des Ausschusses könnte ein breiter angelegter Rechts- und Förderrahmen zu einer stärkeren Förderung bei der Gründung neuer Unternehmen und ihrer Konsolidierung beitragen und dadurch der Gefahr einer Marginalisierung und Ausgrenzung vom Wirtschaftssystem vorbeugen, die zu sozialen und kriminellen Missständen, wie etwa Zinswucher, führen können.

3.   Der Vorschlag der Kommission

3.1

Die Kommission skizziert zwei Handlungslinien:

Verabschiedung eines Reformprogramms durch die Mitgliedstaaten, mit dem die Bedingungen für Kleinstkredite je nach den nationalen Gegebenheiten und Prioritäten verbessert würden, wobei die Kommission mit der Vorgabe quantitativer Ziele für Kredite und bewährter Regelungsverfahren behilflich sein könnte;

Schaffung einer eigenen EU-Förderstruktur für Kleinstkredite innerhalb von JEREMIE, die technische Hilfe und allgemeine Unterstützung bei der Konsolidierung und Entwicklung der Mikrokrediteinrichtungen/-institute sowie angemessene Werbungs- und Aufklärungsmaßnahmen vorsieht.

4.   Rahmen zur Entwicklung von Kleinstkrediten für mehr Wachstum und Beschäftigung

4.1

Mikrokredite sind ein Weg der sozialen Eingliederung und ermöglichen wirtschaftlich schwachen Personen und Unternehmen, die keinen Zugang zu den klassischen Bankleistungen haben, Zugang zu Finanzmitteln zu bekommen, die für die Aufnahme und Weiterentwicklung von Einkommen sichernden Aktivitäten unverzichtbar sind.

4.2

Auf Gemeinschaftsebene sollte es der „Small Business Act für Europa“ (19), dessen erklärtes Ziel es ist, die Grundsätze und konkreten Maßnahmen für die Verbesserung des Umfeldes der europäischen KMU festzulegen, ermöglichen, die Hindernisse zu identifizieren und abzubauen, die der Entfaltung des Potenzials von Kleinstunternehmen im Wege stehen, indem die Verwaltungsvereinfachung intensiviert, der Kreditzugang verbessert und angemessene Energie- und Umweltbestimmungen erlassen werden.

4.3

Nach Ansicht des Ausschusses sollten auch die zahlreichen diesbezüglich aktivierten Instrumente besser koordiniert werden, indem man sich die Erfahrungen früherer Instrumente ebenso zunutze macht wie jener, die weiterhin für Mikrokredite genutzt werden, wie es die Kommission selbst in ihrer Mitteilung (20) anregt. Und zwar:

die JEREMIE-Initiative;

die Kleinstkreditgarantien des CIP-Programms (21); die EMN e MFC (22) des Aktionsprogramms zur Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung;

die Initiativen des Europäischen Sozialfonds;

die Programme zur Entwicklung des ländlichen Raums des ELER (23).

4.3.1

Der Ausschuss ist der Ansicht, dass es sinnvoll wäre, bei der Definition der neuen Gemeinschaftsmaßnahme für Mikrokredite den positiven Erfahrungen in angemessener Weise Rechnung zu tragen, die bei der Ausarbeitung und mehrjährigen konkreten Anwendung des Rahmenprogramms für Mikrofinanzierung EU/AKP — ein Programm der GD EuropeAid — gesammelt wurden.

4.4   Finanz-Engineering und der „Europäische Fonds für Mikrokredite“

4.4.1

Die europäischen Finanzinstitute haben seit Anfang der 1980er Jahre (24) und vor allem dank der Überlegungen und Anregungen aus den Debatten im Rahmen der „Europäischen Konferenzen für Handwerk und Kleinbetriebe“ (25) in den Mitgliedstaaten die Kultur des Finanz-Engineering (26) verbreitet und gefördert.

4.4.2

Die Notwendigkeit konkreter Leitlinien zum Abbau der Kreditzugangsschwierigkeiten und zur Mitgestaltung des Finanz-Engineering führte die Kommission und die EIB — auch auf Druck der europäischen Organisationen der Kleinbetriebe — zur Schaffung des EIF (27), der sich nach einer kurzen Zwischenzeit, in der er sich auch der Förderung der Kommunikationsnetze widmete (28), wieder auf die Förderung von Maßnahmen zur Unterstützung von Kleinst-, Klein- und Mittelbetrieben (KMU) in verschiedenen Garantieformen und vor allem mit Maßnahmen des Finanz-Engineering konzentriert hat.

4.4.3

Dank der Mehrjahresprogramme der Kommission für kleine und mittelständische Unternehmen und für Zusammenarbeit sowie in jüngster Zeit dank des Unterprogramms 1 des CIP (29) wurden die Finanz-Engineeringmaßnahmen entwickelt durch:

die den „Genossenschaften und Kreditgenossenschaften“ (Confidi) der KMU gewährte Finanzgarantie für Kredite;

die Garantie zur Verbriefung (30) des Risikokapitals der Kreditgenossenschaften;

die mittels des „Mezzanine-Kredits“ (31) gewährte Finanzgarantie auf das Kapital;

die Venture Capital-Investitionen, Förderung von Umweltinnovation, Technologietransfer;

die Maßnahmen der Business Angel.

4.4.4

Der EWSA hat bereits mehrfach die — vor allem in den letzten 15 Jahren — von der Kommission, der EIB und dem EIF zur Förderung von Kleinstunternehmen ergriffenen Maßnahmen gewürdigt. Er begrüßt, dass die EIB ihre finanzielle Unterstützung von KMU ausgebaut und modernisiert hat (32), ist aber gleichwohl der Ansicht, dass noch größere Anstrengungen unternommen werden könnten, und zwar auch im Zuge von Programmen, die mit folgenden Akteuren zu vereinbaren wären:

EIB für das Kapital und EIF für die Finanzgarantien;

Finanzinstitutionen der einzelnen Mitgliedstaaten;

Organisationen zur Vertretung der Kleinst-, Klein- und Mittelbetriebe;

Kreditgenossenschaften, die bereits Finanz-Engineering betreiben, und die Finanzgarantie, die sich auf 50 bis 80 % des den Unternehmen gewährten Darlehens beläuft, gewähren.

4.4.5

Auf Ebene der Mitgliedstaaten könnte ein Netz von „Mikrokreditfonds“ errichtet werden, welches über die EIB mit einem Rotationsfonds und mit zusätzlichen Garantien des EIF ausgestattet wird und das auf mehreren Ebenen tätig werden sollte. Auf regionaler (NUTS II) und auf kommunaler Ebene (NUTS III) könnte die Vergabe von Darlehen mittels bestehender Kreditgenossenschaften (33) erfolgen. Diese haben bereits einen reichen Erfahrungsschatz im Bereich der Entwicklungsfinanzierung (Seed Capital) und könnten mit einem angemessenen und vom EIF abgesicherten Risikokapital ihrerseits eine Finanzgarantie gewähren.

4.4.5.1

Dieser neue Vorschlag sollte im Hinblick auf die Schaffung des Mikrokreditfonds durch die EIB und die Europäische Kommission präzisiert werden. Ziel dieser Initiative ist es, die Mikrofinanzierungsinstitute in Europa durch die Bereitstellung finanzieller Mittel (Beihilfen, Darlehen, Mezzanine- oder Equity-Instrumente) und technischer Unterstützung zu fördern. Dieser Mikrokreditfonds sollte von der EIF mit einem Startkapital in Höhe von 40 Millionen EUR ausgestattet (davon 20 Mio. EUR von der EIB) und nach Auffassung des EWSA in Zukunft verwaltet werden.

4.4.6

Der Mikrokredit sollte für den Erwerb von Material und einfacher Ausrüstung ausreichen, die für den Start einer unternehmerischen Tätigkeit notwendig sind, oder für die Erneuerung von Ausrüstungen, die in einem Kleinstunternehmen (34) immer erforderlich sind.

4.4.6.1

Besondere Aufmerksamkeit verdient nach Ansicht des Ausschusses die Vergabe von Kleinstkrediten an Unternehmerinnen. In diesen Fällen sollte stärker auf die Flexibilität, Modalitäten und Kriterien der Kreditgewährung geachtet werden, um so objektiven sozialen und psychologischen Härten entgegenzuwirken, die sich verschärfen können wegen

Zugehörigkeit zu einer Minderheit;

schwierigen Familienverhältnissen;

Tendenzen zur sozialen Selbstausgrenzung.

4.4.6.2

Die Modalitäten und die Abwicklung des Kleinstkredits für von Frauen ausgeübte Tätigkeiten sollten in erster Linie den vorrangigen Zielen der Eingliederung und sozialen und wirtschaftlichen Integration der Frauen in das Wirtschaftsgefüge der Gesellschaft Rechnung tragen, um so energisch der Gefahr einer Geringschätzung entgegenzuwirken und den Unternehmergeist und die Fähigkeit zur Übernahme von Eigenverantwortung und zum Eingehen von Risiken zu entwickeln.

4.4.7

Der Mikrokredit sollte auch als Chance für junge Menschen verstanden werden, die sich gerne selbständig machen möchten und zwar ausreichende Berufsqualifikationen, aber keine finanziellen Möglichkeiten haben.

4.4.7.1

Als Sicherheit für den Kredit, der auf jeden Fall von einem Finanzinstitut inner- oder außerhalb des Bankensektors vergeben werden muss, dienen in erster Linie die damit angeschafften Ausrüstungen. Was aber die Finanzinstitute dazu bewegt, weniger rigoros bei der Darlehensgewährung (35) zu sein, ist die Tatsache, dass es einen „Fonds für Mikrokredite“ gibt, der über Finanzmittel und Sachverstand verfügt, mit denen er in regelmäßigen Abständen mittels des EIF, der Kreditgenossenschaften und der Branchenverbände die ggf. angehäuften Insolvenzen begleichen kann, der aber auch in der Lage und willens ist, die Höchststandards in Bezug auf Solidität, Diversifizierung und Produktionssteigerung, Transparenz und Bekämpfung von Zinswucher zu fördern (36).

4.4.8

Aus den in den letzten 10 Jahren in den wichtigsten EU-Ländern durchgeführten Untersuchungen zur Zahlungsunfähigkeit von Kleinst- und Kleinbetrieben geht hervor, dass die Insolvenzen die 4 %-Marke der gewährten Kredite (37) nicht überschreiten. Da es sich um einen Anteil unter 5 % handelt, bedeutet das, dass der für die Garantie des von den Finanzinstituten gewährten Kredits anwendbare Multiplikator 20 beträgt.

4.4.9

Mit einem Multiplikator von 20 und einer Finanzgarantie, die 50 % der Insolvenz jedes einzelnen Schuldners abdecken sollte, könnte eine Kreditgenossenschaft mit einem Risikokapital in Höhe von 1 Mio. EUR vielen Unternehmern Kredite bis zu 40 Mio. EUR garantieren (38).

4.4.9.1

Das Kreditgenossenschaftssystem konnte 2007 durch die Gewährung von Garantien den Handwerksbetrieben in Italien Finanzierungen über rund 6 Mrd. EUR ermöglichen.

4.4.10

In der EU-27 werden jedes Jahr ungefähr 500 000 neue Unternehmen gegründet. Ein wenig niedriger liegt die Zahl der Betriebsschließungen (39). 99 % der jährlichen Unternehmensgründungen entfallen auf KMU, von denen mindestens 240 000 Ein-Personen-Unternehmen (40) sind.

4.4.11

Das heißt konkret für das Beispiel in Ziffer 4.4.9, dass eine Mikrokredit-Kasse mit 1 Mio. EUR Risikokapital und Finanz-Engineering 1 600 Kleinunternehmern Darlehen über 25 000 EUR gewähren könnte.

4.5   Die soziale Kreditverwaltung

4.5.1

Kredite sind bekanntermaßen eines der grundlegenden Instrumente wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung und der „sozialen Marktwirtschaft“.

4.5.2

Aus diesem Grund haben sich ganz allmählich neue Denkbilder und Vorstellungen von Kredit Bahn gebrochen, der nicht mehr nur als ein einfaches Verhältnis zwischen dem Kunden und dem Finanzinstitut verstanden wird, sondern aufgrund seines Bezugs zu besseren und sichereren Arbeitsplätzen und wirtschaftlicher Entwicklung als ein Instrument mit hohem sozialem Wert.

4.5.3

Diese neue und umfassendere Vorstellung hat zur Folge, dass die mit der Kreditvergabe verbundenen Risiken unter vielen Akteuren aufgeteilt werden müssen.

4.5.4

Die Aufteilung der Kreditrisiken auf mehrere Stellen

erhöht die Garantien gegenüber den Finanzinstituten,

senkt den Zinssatz für den gewährten Kredit,

erleichtert es, dem Antragsteller das Darlehen zu gewähren.

4.5.5

Aufgrund des sozialen Wertes muss die Gewährung eines Kredits immer mehr und besser dem Grundsatz der sozialen Verantwortung des Unternehmens untergeordnet werden; dies setzt voraus, dass der Unternehmer die Werte der nachhaltigen Entwicklung teilt und diese entsprechend umsetzt.

4.5.6

Die Umweltzertifizierung EMAS (41) könnte besser als jede andere Zertifizierung innerhalb eines Finanz-Engineeringprozesses als eine an die soziale Funktion des Kredits geknüpfte Bedingung vorausgesetzt werden.

4.5.7

In den letzten Jahren konnten nur einige zehntausend Unternehmen die gemeinschaftlichen Finanierungsinstrumente nutzen (42). Folglich besteht eine große Kluft zwischen der Phänomenologie des Problems und der erzielten Ergebnisse. Man muss also nach konkreten Möglichkeiten suchen, wie die Finanzinstitute in größerem Maße einbezogen und die Ergebnisse gesteigert werden können.

4.5.8

Der Europäische Rat hat auf seiner außerordentlichen Tagung am 20./21. November 2007 in Luxemburg, für die nur ein Punkt — nämlich die Beschäftigung — auf der Tagesordnung stand, u.a. drei konkrete Initiativen auf den Weg gebracht, mit denen den Unternehmen geholfen werden soll, auf dem Markt wettbewerbsfähig zu bleiben; außerdem wurde die Kommission ersucht, Vorschläge zu unterbreiten, dank derer die Wirtschaft konsolidiert und die Beschäftigung gesteigert werden könnten. Bei den drei genannten Initiativen handelte es sich um: MET-Start, JEV (Joint European Venture — gemeinsames europäisches Unternehmen) und KMU-Garantie. Zwei von ihnen, nämlich MET-Start und KMU-Garantie, sollten den Kreditzugang erleichtern.

4.5.8.1

Bis Ende 2005 haben über 277 000 KMU die Fazilitäten des Programms Wachstum und Beschäftigung und des Mehrjahresprogramms in Anspruch genommen (43).

4.5.8.2

Die „SME Guarantee Facility“ ist eines der wichtigsten EU-Programme für die KMU (44).

4.5.9

Wenn von Risikokapital in Kleinst- und Kleinunternehmen (23 Millionen bzw. 1,1 Millionen Unternehmen in Europa) die Rede ist, von denen rund 90 % Ein-Personen-Unternehmen oder Personengesellschaften sind, dann geht es um lediglich 5-6 % dieser Betriebe.

4.5.10

Der Ausschuss ist daher der Auffassung, dass zwangsläufig Formen der Kreditförderung gefunden werden müssen, die auch auf Personengesellschaften zugeschnitten sind, wie es für die Instrumente des Finanz-Engineering vorgesehen ist; andernfalls findet es nur teilweise Anwendung und verhindert das Wachstum der Kleinst- und Kleinbetriebe im Bereich der Finanzkultur.

Brüssel, den 18. September 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Vgl. die Untersuchungen des Nobelpreisträgers Harry Markovitz zur Korrelation zwischen Diversifizierung des Portfolios, Reduzierung des Risikos und Kompensationen beim Renditefluss (Effizienzkurve), die eine Stabilisierung des Wirtschaftszyklus zur Folge haben.

(2)  In vielen Staaten fördern die regionalen und lokalen Behörden die Entwicklung von KMU durch Finanzierung der Kreditgenossenschaften.

(3)  KOM(2006) 349 endg., vom 29. Juni 2006.

(4)  Stellungnahme CESE 599/2007, ABl. C 168 vom 20.7.2007, S. 1 — Berichterstatter: VAN IERSEL und GIBELLIER.

(5)  Stellungnahme CESE 982/2007, ABl. C 256 vom 27.10.2007, S. 8 — Berichterstatterin: FAES.

(6)  Stellungnahme CESE 1485/2005 zum Rahmenprogramms für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (2007-2013), Berichterstatter: WELSCHKE und FUSCO.

(7)  Siehe Fußnoten 4 und 5.

(8)  Die Kommission hat bereits 1997 gemeinsam mit dem EIF Kleinstkredite durch KMU-Garantie gefördert.

(9)  SEK (2004) 1156; Programm Wettbewerbsfähigkeit und Innovation; Beschluss Nr. 1639/2006/EG.

(10)  Vgl. die Website von Eurofi Frankreich: www.eurofi.net.

(11)  Vgl. Verordnung (EG) Nr. 1905/2006 des Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Finanzierungsinstruments für die Entwicklungszusammenarbeit.

(12)  EIF, Europäischer Investitionsfonds.

(13)  Für die Definition von Kleinstunternehmen siehe Empfehlung 2003/361/EG.

(14)  Richtlinie 2006/48/EG über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute.

(15)  Vgl. die Initiative JEREMIE; die Initiative für Wachstum und Beschäftigung (Beschluss Nr. 98/347/EG); das Mehrjahresprogramm für KMU; das Programm Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (Beschluss Nr. 1639/2006/EG); der ELER (Verordnung (EG) Nr. 1698/2005); der Europäische Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (Verordnung (EG) Nr. 1927/2006).

(16)  Frankreich und Rumänien. Darüber hinaus gibt es in Großbritannien und Finnland einige spezifische Ausnahmeregelungen, auch wenn es keine einschlägigen Rechtsvorschriften gibt.

(17)  Belgien, Deutschland, Italien und Polen.

(18)  13./14. März 2008, Punkt 11.

(19)  Vgl. hierzu die Stellungnahme CESE 977/2008, Berichterstatter: CAPPELLINI.

(20)  Vgl. KOM (2007) 708 endg. Anhang 3.

(21)  CIP, Programm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation 2007-2013.

(22)  EMN, Europäisches Mikrofinanzierungsnetz; MFC, Mikrofinanzierungszentrum für Mittel- und Osteuropa.

(23)  ELER, Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums.

(24)  1982: Europäisches Jahr des Handwerks und der Klein- und Mittelbetriebe.

(25)  1990: Avignon; 1994:Berlin; 1997 Mailand.

(26)  Das Finanz-Engineering basiert auf dem Grundsatz, dass die finanzielle Unterstützung des Kleinunternehmers, der eine neue Wirtschaftstätigkeit aufnehmen oder in neue Produkte oder Prozesse investieren möchte, nicht begrenzt werden darf auf die Beziehung zwischen dem Kleinunternehmer und dem Finanzinstitut, sondern angesichts der sozialen Aufgabe des Unternehmens, auch andere Akteure mit einbeziehen muss, die auf verschiedenen Ebenen Verantwortung übernehmen und einen Teil der Risiken und Kosten untereinander aufteilen.

(27)  EIF, Europäischer Investitionsfonds. Gegründet 1994 auf Initiative der damaligen GD XXIII (die Generaldirektion zur Unterstützung von Kleinbetrieben und Handwerk, welche die „Europäischen Konferenzen“ organisiert hat). und der GD II (Wirtschaft und Finanzen). Der EIF wurde mit einem Anfangskapital von 1 Milliarde ECU von der EIB, 800 Millionen ECU von der Kommission und 200 Millionen ECU ausgestattet, die als Beteiligungsquote in Anteilen in Höhe von jeweils 2 Millionen den europäischen Finanzinstituten überlassen wurden. Mehr als 50 europäische Finanzinstitute nahmen sofort an der Initiative teil.

(28)  Vgl. die U-Bahn in Lille.

(29)  CIP, Unterprogramm 1: Förderung unternehmerischer Initiative; Unterprogramm 2: Förderung der IKT. Unterprogramm 3: Förderung der intelligenten Energie für Europa.

(30)  Die Verbriefung erfolgt mittels der Abtretung eines Teils oder des Gesamtbetrags der Forderungen einer Kreditgenossenschaft (oder einer Bank) an spezialisierte Finanzinstitute, um insbesondere den Kreditgenossenschaften eine Steigerung ihrer Kreditbürgschaftskapazitäten gegenüber den Unternehmen zu ermöglichen.

(31)  Die Mezzanine-Finanzierung stützt sich stärker auf den Cashflow der finanzierten Unternehmen als auf reale Garantien. Sie kann in zwei Formen erfolgen: 1) als nachrangiger Kredit (festverzinsliche oder Indexanleihe); 2) als Equity kicker (der Kreditgeber/Investor hat Anspruch auf eine prozentuale Beteiligung an der Wertsteigerung des Unternehmens, für das der Kredit gewährt wird). Die Mezzanine-Finanzierung hat eine Laufzeit von 4 bis 8 Jahre.

(32)  http://www.eib.org/projects/publications/sme-consultation-2007-2008.htm.

(33)  Das Kreditgenossenschaftssystem hat in vielen EU-Ländern eine lange Tradition und ist auch als europäische Vereinigung präsent und aktiv.

(34)  Kleinstunternehmen machen 94 % aller privaten, nichtlandwirtschaftlichen Betriebe in Europa aus.

(35)  Das Finanz-Engineering, mit dem den Finanzinstituten ein guter Risikoteil genommen wird, ermöglicht es ihnen, leichter und kostengünstiger Kredite zu vergeben, insbesondere an neue und wenig bekannte Unternehmer.

(36)  Gemeinsame Aktionen zwischen Banken und Branchenverbänden zugunsten einer besseren Finanzverwaltung der Kleinstbetriebe wurden bereits in den Dokumenten der ersten europäischen Konferenz für Handwerk 1990 in Avignon und der zweiten Konferenz 1994 in Berlin erwähnt; sie wurden insbesondere von den „Deutschen Volksbanken“ gemeinsam mit dem Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH) weiter entwickelt.

(37)  Vgl. FedartFidi EU, europäischer Verband der handwerklichen Kreditgenossenschaften, der Staaten, die über Kreditgenossenschaftssysteme verfügen.

(38)  5 % von 40 Millionen EUR sind 2 Millionen EUR, aber die Kreditgenossenschaft kommt nur für 50 % der nicht beglichenen Schuld auf, als für 1 Million EUR, die ihr im eigenen Risikokapital zur Verfügung steht. Die Verbriefung dieses Risikofonds kann es den Kreditgenossenschaften ermöglichen, neue Darlehen bis zu einer Obergrenze von 40 Millionen EUR zu gewähren.

(39)  Quelle: Europäische Beobachtungsstelle für KMU.

(40)  49 % der Kleinstbetriebe in der EU haben keine Angestellten. Es handelt sich um Ein-Personen-Unternehmen.

(41)  Vgl. Verordnung Nr. 1836/93/EWG und Verordnung Nr. 761/2001/EG.

(42)  Dokument zur Information über das EU-Programm zur Förderung unternehmerischer Initiative und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, 2006/2010 GD Unternehmen, 2004, Ziffer 118.

(43)  Quelle: KOM (2007) 235 endg. Bericht der Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament über die Finanzierungsinstrumente des Mehrjahresprogramms für Unternehmen und unternehmerische Initiative, insbesondere für die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) (2001-2006)

(44)  Bis zum 31.12.2005 erreichte die durchschnittliche Inanspruchnahme des Loan Guarantee window 67 %, des Micro-credit window 66 % und des Equity window 65 %.


31.3.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 77/29


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 76/769/EWG in Bezug auf Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung gewisser gefährlicher Stoffe und Zubereitungen (Dichlormethan)“

KOM(2008) 80 endg. — 2008/0033 (COD)

(2009/C 77/05)

Der Rat beschloss am 10. März 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 76/769/EWG in Bezug auf Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung gewisser gefährlicher Stoffe und Zubereitungen (Dichlormethan)“

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 15. Juli 2008 an. Berichterstatter war Herr SEARS.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 447. Plenartagung am 17./18. September 2008 (Sitzung vom 17. September) einstimmig folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung und Empfehlungen

1.1

Der Vorschlag sieht vor, die Richtlinie 76/769/EWG des Rates dahingehend zu ändern, dass für Dichlormethan (DCM) Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung aufgenommen werden, wenn es als wesentlicher Bestandteil von Abbeizmitteln für Industrie, Gewerbetreibende und private Verbraucher verwendet wird.

1.2

Es handelt sich hierbei um die letzte Änderung der Richtlinie 76/769/EWG des Rates, bevor diese am 1. Juni 2009 durch die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) ersetzt wird.

1.3

Der EWSA erkennt die erheblichen wissenschaftlichen und politischen Schwierigkeiten, denen die Kommission gegenübersteht, wenn sie eine angemessene und kosteneffiziente Änderung vorschlägt und durchbringen will, durch die gemäß Richtlinie 76/769/EWG das Funktionieren des Binnenmarktes und zugleich ein hohes Gesundheits- und Umweltschutzniveau gewährleistet werden soll.

1.4

Der EWSA teilt die Ansicht, dass hinreichende Belege dafür vorliegen, dass aufgrund der hohen Volatilität von DCM auftretende Dämpfe in hoher Konzentration zu Bewusstlosigkeit und Tod führen können. Solche Fälle sind auf fehlerhaften professionellen Umgang — etwa unzureichende Belüftung — zurückzuführen. In Bezug auf erhebliche und fortwährende Gefahren für Verbraucher durch gelegentlichen privaten Gebrauch ist die Beweislage dünner. Der Vorschlag eines Verkaufsverbots ist daher unangemessen und wird angesichts der bekannten, aber noch nicht quantitativ erfassten Gefahren von Ersatzstoffen und -verfahren wahrscheinlich zu keiner allgemeinen Verringerung der ziemlich niedrigen Zahl der registrierten Unfälle führen.

1.5

Der EWSA stellt wie die von der Kommission hinzugezogenen Berater fest, dass die besonderen Gefahren von DCM durch die bestehenden Piktogramme bzw. Warn- und Sicherheitshinweise nicht vollständig abgedeckt werden. Selbiges gilt für die Warnhinweise in Bezug auf Kinder, die üblicherweise auf Erzeugnissen für den Hausgebrauch zu finden sind. Dies ist ein Manko der Etikettierung, nicht der betroffenen Erzeugnisse oder Anwender. Um dieser Situation abzuhelfen werden daher Empfehlungen zur Verpackung und Etikettierung ausgesprochen.

1.6

Zu den weiteren festgestellten Problemen gehört insbesondere das Fehlen vereinbarter Grenzwerte für die berufsbedingte Exposition sowie von Leitlinien und Vorschriften zum angemessenen Einsatz in der Industrie. Die deutschen TRGS (Technische Regeln für Gefahrstoffe) 612 wird in diesem Zusammenhang als hervorragendes Beispiel angesehen.

1.7

Einige andere allgemeine Punkte sollten von der Kommission, dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten beachtet werden, in der Hoffnung, dass eine Einigung erzielt werden kann. Andernfalls wird dies zu einer Fragmentierung des Binnenmarkts führen und die Anwender — Arbeiter und Privatleute — werden der Gefahr weiterhin ausgesetzt sein.

2.   Rechtsgrundlage

2.1

Die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) wird — wie bereits erwähnt — am 1. Juni 2009 in Kraft treten. Sie wird eine Reihe bestehender Verordnungen und Richtlinien des Rates und der Kommission aufheben und ersetzen, u.a. die Richtlinie 76/769/EWG des Rates vom 27. Juli 1976 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung gewisser gefährlicher Stoffe und Zubereitungen.

2.2

In Anhang I der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sind die Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung gewisser gefährlicher Stoffe und Zubereitungen aufgeführt, die in den letzten 30 Jahren vereinbart und festgeschrieben wurden. Ab dem 1. Juni 2009 werden sie zum Kernstück von Anhang XVII der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH).

2.3

Frühere Änderungen der Richtlinie 76/769/EWG des Rates (d.h. zur Einführung weiterer Beschränkungen) erfolgten in Form von Richtlinien, die von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden mussten. Bei diesem Vorschlag der Kommission geht es allerdings nicht um eine Richtlinie, sondern um eine Entscheidung, die umgehend in Kraft treten wird. Sie wird dementsprechend keine Umsetzung in einzelstaatliche Rechtsvorschriften erfordern, die ohnehin am 1. Juni 2009 mit dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) hätten aufgehoben werden müssen.

2.4

Alle anschließenden Vorschläge für Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung gefährlicher Stoffe und Zubereitungen werden gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) vorgelegt werden.

2.5

Die Stoffe (und die Zubereitungen, die diese Stoffe enthalten), für die Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung für notwendig erachtet wurden, wurden im Allgemeinen aufgrund von Bewertungen bestimmter „mit Vorrang zu prüfender“ Stoffe, die von den Mitgliedstaaten benannt und zwischen 1994 und 2000 in vier Prioritätenlisten veröffentlicht wurden, gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 ermittelt.

2.6

Im Zuge der Überprüfung neuer Probleme auf entsprechende Forderungen der Mitgliedstaaten hin wurden für eine Reihe von Stoffen, die nicht in diesen Listen enthalten waren, ebenfalls Bewertungen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt durchgeführt und/oder Vorschläge für Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung vorgelegt — so auch für DCM. Mehrere Mitgliedstaaten haben bereits — aus unterschiedlichen Gründen — Beschränkungen für dessen Verwendung eingeführt bzw. geplant, insbesondere für DCM als Bestandteil von Abbeizmitteln. Andere Mitgliedstaaten halten solche Maßnahmen für übertrieben und teuer und sind der Ansicht, dass dies für die Verbraucher wahrscheinlich weniger zufrieden stellende Ergebnisse mit sich bringen wird. Es gibt Argumente für und gegen beide Standpunkte.

2.7

Der Vorschlag wurde vom Rat erstmals Anfang Juli umfassend geprüft. Kommt es in den kommenden Monaten zu einem Kompromiss, so wird der Vorschlag vermutlich wie geplant angenommen. Andernfalls wird der Vorschlag abgelehnt. Dies würde bedeuten, dass die Fragmentierung des Binnenmarkts für DCM-haltige Abbeizmittel bestehen bleibt bzw. unter Umständen noch verstärkt wird. DCM würde dann zu gegebener Zeit gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) bewertet werden, wobei dessen Verwendung in Abbeizmitteln als einer von vielen zu untersuchenden Expositionswegen ist. Es ist offensichtlich ungewiss, wie das Ergebnis einer solchen Bewertung sein wird bzw. wann eine abschließende Empfehlung ausgegeben werden kann.

3.   Allgemeiner Kontext

3.1

DCM ist ein farbloser, aliphatischer halogenierter Kohlenwasserstoff mit niedrigem Siedepunkt und leicht süßlichem Geruch. Der Stoff wurde in großem Umfang viele Jahre lang als starkes, nur schwer brennbares Lösungsmittel bei der Herstellung von Arzneimitteln, Aerosolen und Klebstoffen sowie für das Abbeizen von Farbe, die Metallentfettung und als Extraktionslösungsmittel für Lebensmittel verwendet.

3.2

Obwohl es als einer der sichereren Halogen-Kohlenwasserstoffe mit niedrigem Molekulargewicht gilt, sollte DCM dennoch mit Vorsicht verwendet werden. In Europa ist es als krebserregender Stoff der Kategorie 3 eingestuft, d.h. es ist ein Stoff, der „zu der Besorgnis Anlass gibt, dass er beim Menschen Krebs erzeugt, für dessen befriedigende Beurteilung jedoch nicht genügend Informationen vorliegen“. Es muss daher mit dem R-Satz R40 („Verdacht auf krebserzeugende Wirkung“) versehen werden. Außerdem zählt es zu den vordringlichen Stoffen gemäß der Wasserrahmenrichtlinie.

3.3

Mehr Anlass zur Besorgnis gibt jedoch die Tatsache, dass es sich um ein starkes Betäubungsmittel handelt, das das zentrale Nervensystem beeinträchtigt und Bewusstlosigkeit verursachen bzw. zum Tod führen kann. Es hat eine Reihe von Unfällen und Todesfällen gegeben, die für gewöhnlich im Zusammenhang mit einer unsicheren Arbeitsweise und übermäßiger Exposition auftraten, meistens bei Tätigkeiten an offenen Behältern in der Industrie oder bei umfangreicher gewerblicher Verwendung. Die Verwendung in geschlossenen Systemen — soweit möglich — hilft diesen Gefahren ab.

3.4

Die Produktionsmengen von DCM in Europa (in Produktionsstätten in Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich und Rumänien) nehmen langsam ab, da immer mehr Ersatzstoffe zur Verfügung stehen. Von den derzeit in Europa hergestellten ca. 240 000 Tonnen DCM werden ca. 100 000 Tonnen exportiert. 30-50 % der verbleibenden Menge gehen an die pharmazeutische Industrie, 10-20 % werden als „reines“ DCM in Abbeizmitteln verkauft. Wiederverwertetes DCM aus der pharmazeutischen Industrie macht eine vergleichbare Menge aus. Der Vorschlag betrifft lediglich die Verwendung von DCM in Abbeizmitteln.

3.5

Abbeizen ist in den meisten Haushalten als wesentliches Verfahren zur Instandhaltung und Verzierung von Gegenständen aus Holz, Metall, Stein oder Gips und von Oberflächen innerhalb und außerhalb der Räumlichkeiten bekannt. Des Weiteren wird es für eine Reihe spezialisierter Tätigkeiten verwendet, etwa zur Restaurierung von Kunstwerken, dem Entfernen von Graffiti und der Oberflächenbehandlung großer beweglicher Gegenstände wie Züge und Flugzeuge.

3.6

Abbeizmittel werden etwas willkürlich in drei Kategorien eingeteilt: „industrielle Verwendung“ (d.h. bei kontinuierlicher umfangreicher Verwendung in einem Betrieb), „gewerbliche Verwendung“ (an verschiedenen Orten tätige Spezialisten, auf dem Bau, durch Lackierer) und „für den Hausgebrauch“ (gelegentlich durch Privatleute durchgeführte Instandhaltungsarbeiten).

3.7

Die Zahlen der tatsächlichen Unfälle für jede Gruppe sind schwer zu ermitteln. Angesichts der Tatsache, dass die Symptome einer Überdosis DCM denjenigen einer Herzinsuffizienz ähneln, könnte es unter Umständen eine gewisse Dunkelziffer geben. Die Angaben, die das Beratungsunternehmen RPA der Kommission vorgelegt hat, beziehen sich auf drei bis vier Zwischenfälle jährlich während der vergangenen 20 Jahre in Europa (davon jährlich ein Todesfall), die auf die Verwendung von DCM-haltigen Abbeizmitteln zurückzuführen sind. Todesfälle traten in Frankreich (6), Deutschland (6) und dem Vereinigten Königreich (5) auf, Unfälle ohne Todesfolge im Vereinigten Königreich (36), in Schweden (12) und in Frankreich (6). Im südlichen Europa wurde innerhalb des von RPA untersuchten Zeitraums (1930-2007) lediglich ein Zwischenfall registriert, nämlich ein Todesfall in der Industrie 2000 in Spanien. Örtliche klimatische Bedingungen und Arbeitsmethoden könnten hierbei den Ausschlag geben, da bei warmen Wetter die Fenster geöffnet, die Räumlichkeiten somit gut belüftet sind und die Gefahren kaum ins Gewicht fallen. In kälteren Breiten könnte das Gegenteil zutreffend sein.

3.8

Die Todesfälle verteilen sich gleichmäßig auf industrielle und gewerbliche Verwender. Der überwiegende Teil der Unfälle ohne Todesfolge entfällt auf die Verwendung durch als „gewerblich“ eingestufte Verwender. Die festgestellten Todesfälle sind fast ausschließlich auf unzureichende Belüftung und eine nicht angemessene Benutzung der persönlichen Schutzausrüstung zurückzuführen, insbesondere in der Nähe offener Großbehälter.

3.9

Ein 1993 in Frankreich gemeldeter Todesfall einer Person, die möglicherweise ein Verbraucher (oder doch ein Gewerbetreibender) war, kann nicht mehr überprüft werden, wodurch diese möglicherweise wesentliche Information wenig brauchbar erscheint. Der einzige andere tödliche Unfall eines Verbrauchers wurde 1960 in den Niederlanden gemeldet. Andere Faktoren können eine Rolle gespielt haben.

3.10

Natürlich gibt es Alternativen zu DCM-haltigen chemischen Abbeizmitteln. Diese werden allgemein in drei Kategorien eingeteilt — physikalisches bzw. mechanisches (Sandstrahlen, Abschaben, Hochdruckreinigen), pyrolytisches bzw. thermisches (in Öfen, über heißen Wirbelbetten, mittels Schweißbrenner oder Heißluftgebläse) und und chemisches Entfernen (mittels Hochleistungslösungsmitteln — einschließlich DCM — oder ätzenden, im Allgemeinen stark alkalischen Flüssigkeiten und Pasten, durch Ameisensäure oder wasserstoffperoxidhaltige Mittel). Entsprechend den jeweiligen Gegebenheiten kann jedes der Verfahren funktionieren bzw. bevorzugt sein. Alle Verfahren bringen die ein oder andere Gefahr mit sich, entweder durch Partikel, Hitze, Feuer, Explosionsgefahr, Reizung von Augen und Haut, oder aufgrund der Zusammensetzung der zu entfernenden Beschichtungen, insbesondere durch Blei in vor 1960 verwendeten Farben und Lacken. Bei mehreren, teilweise über 100 Jahre alten Schichten in Altbauten, die renovierbar und teilweise sehr begehrt sind, bzw. bei empfindlichen Oberflächen, die nicht beschädigt werden dürfen, muss mehr als eine Technik eingesetzt und durch gewisses Experimentieren nach der richtigen Lösung gesucht werden.

3.11

Zu den Marktanteilen dieser verschiedenen Verfahren aller drei Kategorien bzw. den jeweiligen Kosten pro behandelten Quadratmeter wurden keinerlei Angaben vorgelegt. DCM gilt weiterhin als das meistverwendete Lösungsmittel, insbesondere bei den privaten Verbrauchern. Ebenfalls beliebt sind Anwendungen auf Ätznatronbasis. Ein Kostenvergleich gestaltet sich sogar innerhalb der Kategorie der chemischen Mittel schwierig. Es ist unbestritten, dass DCM-haltige Abbeizmittel billiger als alternative Produkte sind. Dieser Vorteil dürfte aber verloren gehen, wenn die vollen Kosten für Schutzausrüstung (sofern benutzt) und Abfallentsorgung (wo nötig) eingerechnet werden.

3.12

Die Gesamtkosten hängen auch von den Durchsatzzeiten ab. Langsamer wirkende, aber dafür unbedenklichere Anwendungen und Verfahren erhöhen die Kosten der Arbeiten und verringern den Gewinn. Lösungsmittel mit höherem Siedepunkt ermöglichen es, größere Flächen auf einmal abzubeizen, müssen aber länger einwirken. Die Exposition der Verbraucher würde sich somit verlängern und die Gefahr von Zwischenfällen beim Hausgebrauch erhöhen. (Die Annahme von RPA, dass Verbraucher weniger am Zeitgewinn interessiert sind, „da sie Abbeizarbeiten normalerweise in ihrer Freizeit ausführen“, ist sicherlich fragwürdig.) Neue Arbeitsmethoden und Veränderungen der Arbeitsabläufe werden für alle Benutzer an Bedeutung gewinnen. Durch den Übergang zu Produkten auf Wasserbasis könnte die Industrie Kosteneinsparungen bei der Belüftung erzielen, gleichzeitig würden die Kosten für die Wartung der Behälter und Leitungen zur Verringerung der Korrosion stark ansteigen. Aufgrund dieser Variablen ist es äußerst schwierig, die Auswirkungen einer Beschränkung für jede dieser Anwendungen vorherzusagen. Unter diesen Umständen sind die Verbraucher besonders gefährdet, die sich angesichts der widersprüchlichen Ansichten auf Regierungsebene nicht mehr sicher sein können, dass sie mit ihrer Wahl von Ersatzprodukten eine gute Entscheidung treffen.

3.13

Eine beliebte Alternative für das Lösungsmittel DCM, N-Methyl-2-pyrrolidon (NMP), wurde kürzlich als fortpflanzungsgefährdender Stoff der Kategorie 2 eingestuft, was letztendlich zu einem Verkaufsverbot für Zubereitungen führen wird, die diesen Stoff enthalten, wobei sich solch ein Verkaufsverbot auf den Verkauf an Verbraucher, nicht auf den an Gewerbetreibende und die Industrie beziehen wird. Andere Lösungsmittel wie 1.3-Dioxolan sind leicht entzündlich.

3.14

Auf dibasischen Estern (DBE) basierende Systeme — Mischungen aus Dimethyladipat, Succinaten und Glutaraten — scheinen derzeit die aussichtsreichsten Alternativen zu sein, da sie in Bezug auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt wenig Anlass zur Sorge geben. Dimethylsulfoxid (DMSO) und Benzylalkohol sind anscheinend ebenfalls relativ „sicher“. Ob diese als kosteneffizient angesehen werden, hängt jedoch von vielen Faktoren ab, und es kann nicht garantiert werden, dass sie letztendlich als „sichere“ Alternativen breite Anwendung finden werden.

3.15

Alles in Allem ist klar, dass es keinen in jeder Hinsicht akzeptablen Ansatz gibt — und dass unangemessene Maßnahmen zu einem Anstieg der derzeit relativ niedrigen Zahl registrierter Zwischenfälle führen könnten. Die Schwierigkeit besteht darin, eine Lösung zu finden, die alle Seiten zufriedenstellt, insbesondere die Mitgliedstaaten, die andere Erfahrungen gemacht haben und daher verständlicherweise einen dezidierten Standpunkt haben.

4.   Wesentlicher Inhalt des Kommissionsvorschlags

4.1

Durch den Vorschlag der Kommission sollen die menschliche Gesundheit und die Umwelt geschützt und der Binnenmarkt für Dichlormethan (DCM) erhalten werden, insbesondere dessen Verwendung als wesentlicher Bestandteil von Abbeizmitteln für Industrie, Gewerbetreibende und private Verbraucher.

4.2

Der Vorschlag beinhaltet ein Verkaufsverbot für DCM-haltige Abbeizmittel an die breite Öffentlichkeit und Gewerbetreibende, die entsprechend geschulten und von den zuständigen Stellen in den Mitgliedstaaten zugelassenen Gewerbetreibenden ausgenommen. Verkäufe an Industriebetriebe sollen nur dann zulässig sein, wenn eine Reihe von Vorsichtsmaßnahmen, insbesondere eine ausreichende Belüftung und die Bereitstellung und Benutzung von geeigneter persönlicher Schutzausrüstung, getroffen werden. Alle DCM-haltigen Abbeizmittel sollen dauerhaft mit dem Hinweis „Nur für industrielle und gewerbliche Zwecke“ versehen werden (und dann wohl nur an entsprechend lizenzierte Verwender abgegeben werden dürfen).

4.3

12 Monate nach Inkrafttreten der Entscheidung sollen keine neuen DCM-haltigen Abbeizmittel mehr zur Abgabe an private oder gewerbliche Verbraucher in Verkehr gebracht werden. Jegliche Abgabe an diese beiden Gruppen soll nach weiteren 12 Monaten untersagt sein.

4.4

Die Entscheidung soll am dritten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten.

4.5

Dem Vorschlag liegt eine Begründung und ein Arbeitspapier der Kommission (Folgenabschätzung) bei. Weiteres Material besteht aus Folgenabschätzungen, die für die Kommission von externen Beratern (RPA, TNO) erstellt wurden, und aus Berichten zu bestimmten Aspekten (ETVAREAD-Untersuchung zur Effizienz von Dampfhemmern). Diese wurden wiederum vom betreffenden wissenschaftlichen Ausschuss (SCHER) geprüft. Es gibt keinen offiziellen Bericht über die Risikobewertung der EU, da DCM von keinem Beteiligten trotz der bereits bekannten Bedenken als vorrangige Substanz angegeben wurde.

4.6

Einige EU-Mitgliedstaaten (und andere große Volkswirtschaften und Handelspartner wie die Schweiz und die Vereinigten Staaten) haben ebenfalls Studien durchgeführt, um bestimmte — und oftmals stark voneinander abweichende — rechtliche und politische Standpunkte zu unterstützen. Die betreffenden Branchen haben umfangreiche Angaben zu möglichen Gefahren und der Kosteneffizienz verschiedener Produkte und Verfahren zusammengestellt, die erwartungsgemäß ebenfalls stark voneinander abweichen. Anmerkungen anderer interessierter Kreise wurden 2004 auf der europäischen Woche für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz „Sicher Bauen!“ nach einer vom dänischen Maler- und Lackiererverband veranstalteten Konferenz festgehalten. Laut RPA hatten der Europäische Verbraucherverband (BEUC), die Europäische Föderation der Bergbau-, Chemie- und Energiegewerkschaften (EMCEF) und der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) im April 2007 noch keine offiziellen Stellungnahmen abgegeben.

5.   Allgemeine Bemerkungen

5.1

Der EWSA erkennt die Schwierigkeiten, denen die Kommission gegenübersteht, wenn sie eine angemessene und kosteneffiziente Änderung der Richtlinie 76/769/EWG in Bezug auf die Verwendung von DCM als Lösungsmittel in Abbeizmitteln vorschlägt. Es wurden relativ wenige Zwischenfälle gemeldet und überprüft. Es könnte unter Umständen eine gewisse Dunkelziffer geben. Die derzeit geltenden Rechtsvorschriften wurden nicht immer eingehalten und erscheinen in Bezug auf die Kennzeichnung unangemessen. Es gibt Ersatzstoffe und -verfahren, die jedoch noch nicht bewertet wurden und von denen ebenfalls Gefahren ausgehen. Die Gründe für abweichende Standpunkte der Mitgliedstaaten sind berechtigt. Es kann nicht garantiert werden, dass das Gesamtergebnis der am ehesten betroffenen Gruppe entgegenkommen wird.

5.2

Der EWSA stellt außerdem fest, dass es sich angesichts des offensichtlichen Zeitdrucks um die letzte Gelegenheit handelt, Maßnahmen im Rahmen der besagten Richtlinie zu ergreifen. Wenn sich die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament nicht auf einen gemeinsamen Standpunkt einigen können und die vorgeschlagene Entscheidung (in dieser oder in abgeänderter Form) nicht verabschiedet und umgesetzt wird, dann werden keine weiteren Maßnahmen ergriffen, bis DCM für alle seine Verwendungen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) bewertet worden ist.

5.3

Der EWSA ist der festen Überzeugung, dass eine solche Verzögerung unter dem Aspekt des Umweltschutzes und der Gesundheit der Anwender am Arbeitsplatz und im privaten Bereich unnötig und nicht wünschenswert ist. Der EWSA würde eine Fragmentierung des Binnenmarkts auf diesem oder anderen Gebieten zutiefst bedauern. Allen Beteiligten sollte klar sein, dass eine Grundlage für eine Einigung gefunden werden muss. Hierbei muss es um das Abwägen von Risiken gehen, nicht darum, zur Vermeidung der einen Gefahr eine andere Gefahr in Kauf zu nehmen.

5.4

In dieser Hinsicht stellt der EWSA fest, dass DCM gefahrlos in geschlossenen Systemen hergestellt, gelagert, transportiert und verwendet werden kann. DCM ist weder entzündlich noch trägt es zur Bildung von bodennahem Ozon bei. In offenen Systemen, z.B. beim Abbeizen, hat DCM jedoch problematische Eigenschaften wie hohe Volatilität (es verdunstet schnell), die Dichte der entstehenden Dämpfe (es sammelt sich am niedrigsten Punkt oder dort, wo es keine ausreichende Belüftung gibt) oder die narkotische Wirkung (die zu Bewusstlosigkeit und Tod führen kann). Dies stellt eine besondere Gefahr für Kinder dar. DCM wird außerdem als krebserzeugender Stoff der Kategorie 3 eingestuft, wobei diese mögliche Gefahr bei der Kennzeichnung aller DCM-haltigen Produkte dominiert.

5.5

U.a. RPA haben festgestellt, dass dies sowohl irreführend wie unangemessen ist, wenn es um den Schutz der (gewerblichen und privaten) Anwender geht. Die geltenden Rechtsvorschriften kennen keine Warn- und Sicherheitshinweise bzw. Piktogramme und das Global harmonisierte System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien keine Gefährdungssymbole, die angemessen vor Bewusstlosigkeit (und der damit verbundenen Todesgefahr) oder vor — und das ist noch erstaunlicher — vor ernsten Gefahren für Kinder warnen (die natürlich auf viele im Haushalt verwendete Produkte und Verfahren zuträfen).

5.6

Die Konzentration auf das mögliche aber bisher nicht bewiesene Krebsrisiko ist ebenfalls irreführend. Der SCHER hat in seiner Stellungnahme zur ETVAREAD-Untersuchung zu Dampfhemmern festgestellt, dass der Stoffwechselmechanismus bei einer Maus für den getesteten Endpunkt nicht derselbe wie beim Menschen ist und DCM bei dieser Beweislage wahrscheinlich nicht als krebserzeugender Stoff einzustufen ist. Es gibt wenig Beweise, die aus einer tatsächlichen Verwendung ableitbar wären. Die Ergebnisse zweier amerikanischer umfangreicher epidemiologischer Studien an DCM-exponierten Kohorten anderer Industriezweige liegen noch nicht vor. Kohorten in der EU waren vielleicht auch anderen bekannten krebserzeugenden Stoffen wie Styrol ausgesetzt. RPA hat unter dieser Rubrik keinerlei Beweise für tatsächliche Gefahren vorgelegt, die sich aus einer DCM-Exposition beim Abbeizen ergäben. Der geforderte R-Satz R68 („Irreversibler Schaden möglich“) ist unter diesen Umständen nicht sehr nützlich.

5.7

Es ist außerdem darauf hinzuweisen, dass die Gefahren übermäßiger DCM-Exposition eindeutig aus der von RPA vorgelegte Zwischenfallstatistik für den Zeitraum 1930-2007 hervorgehen und dass diese im Allgemeinen auf besonders schlechte Arbeitsabläufe zurückzuführen sind. Entsprechende Daten zu Ersatzstoffen und -verfahren wurden nicht gesammelt. Es ist die Frage, inwieweit diese Daten auf die Verwendung durch Gewerbetreibende oder Verbraucher im Haushalt übertragbar sind. Angaben zu chronischen (langfristigen) industriellen Auswirkungen auf die Gesundheit könnten Probleme für akute (kurzfristige) Expositionen von Verbrauchern aufzeigen, während Statistiken über Zwischenfälle, um die es sich hierbei vielleicht handelt, schwerer anteilsmäßig zuzuordnen sind.

5.8

In den Studien wurde außerdem der Mangel an europaweit einheitlichen Grenzwerten für die berufsbedingte Exposition am Arbeitsplatz hervorgehoben. Bei den Grenzwerten für eine einzige Substanz (DCM) gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten und zwischen den Substanzen (etwa DCM gegenüber DBE oder DMSO). Die Hersteller müssen ihrer Fürsorgepflicht gegenüber ihren Arbeitnehmern nachkommen; die Regulierungsbehörden müssen hierfür einen eindeutigen, stimmigen und wissenschaftlich fundierten ordnungspolitischen Rahmen schaffen.

5.9

In dieser Hinsicht nimmt der EWSA insbesondere die Technischen Regeln für Gefahrstoffe TRGS 612 für Ersatzstoffe für DCM-haltige Abbeizmittel zur Kenntnis, die vom deutschen Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) veröffentlicht werden (Fassung vom Februar 2006). Dies dürfte ein Modell sein, dem andere folgen könnten, um die Sicherheit am Arbeitsplatz zu erhöhen, und das überdies auch viel ausführlicher als der Vorschlag der Kommission ist.

5.10

In den meisten Fällen sollte die Hierarchie folgender Fragen befolgt werden: a) kann das Verfahren durch Ersatzstoffe sicherer gemacht werden? b) wenn nicht, warum nicht? sowie c) wurden alle angemessenen Maßnahmen ergriffen, um den Arbeitsplatz sicher zu machen? Die möglichen Gefahren und Vorteile von Ersatzstoffen und -verfahren sollten umfassend berücksichtigt werden. Vor allem muss es Einschätzungen zu den Ergebnissen geben, die von einer Entscheidung, eine erhebliche Menge eines bestimmten Materials vom Markt zu nehmen, zu erwarten sind; wie werden die Verbraucher reagieren und wird ihre Reaktion ihre persönliche Sicherheit erhöhen?

5.11

Als Beispiel kann die Situation in einem Mitgliedstaat angeführt werden, in dem ein Verkaufsverbot für DCM-haltige Produkte — nicht von DCM selbst — eingeführt wurde, und zwar für industrielle und gewerbliche Verwender gleichermaßen. Ein starkes Lösungsmittel kann weiterhin durch das Mischen von DCM mit Methanol vor Ort hergestellt werden. Das Ergebnis ist ein billigeres Produkt, dem jedoch die Tenside und die Dampfhemmer fehlen, die das industriell gefertigte Produkt effizienter und sicherer machen. Dies ist daher ein Beispiel für ein unerwünschtes Ergebnis.

5.12

Wie von RPA und der Kommission festgehalten wurde, kann die Unterteilung in die verschiedenen Verwenderkategorien im wirklichen Leben nur schwer gerechtfertigt bzw. aufrechterhalten werden. Der einzige tatsächliche Unterschied besteht darin, dass für kontinuierliche Abbeizarbeiten mit hohem Durchsatz, die in einem einzigen Betrieb durchgeführt werden, große offene Behälter mit chemischen Stoffen benötigt werden, in die die Gegenstände eingetaucht werden. Arbeiten außerhalb eines Betriebes kommen ohne Eintauchen aus, weshalb dort keine großen offenen Behälter benutzt werden. Die Arbeitsweisen in den spezialisierten Betrieben werden von anderen Richtlinien abgedeckt, z.B. über organische Lösungsmittel und über die Abwasserqualität, die strikt umgesetzt werden sollten, während die Arbeiten außerhalb solcher Betriebe eher von der Sorgfalt und dem gesunden Menschenverstand des Einzelnen abhängen. Gibt es einen Arbeitgeber, so ist dieser dafür verantwortlich, dass jeder Arbeitnehmer unter den bestmöglichen Bedingungen arbeitet.

5.13

Die Kategorie „gewerbliche Verwendung“ sollte aufgeteilt werden, und zwar in Gewerbetreibende, die ständig spezielle Reinigungsarbeiten durchführen (z.B. Entfernen von Graffiti, Restaurierung von Fassaden, Zügen und Flugzeugen), und solche, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit nur gelegentlich Abbeizarbeiten als notwendige, aber zeitaufwändige Vorbereitung für gewinnbringendere Tätigkeiten durchführen (Bauarbeiter, Dekorateure und „Verbraucher“). Die Bedürfnisse, Fähigkeiten und das Schutzbedürfnis dieser letztgenannten Gruppen scheinen identisch zu sein, weshalb sie gleich behandelt werden sollten.

5.14

Außerdem wurde vorgeschlagen, bestimmte Anwender weiterzubilden und zu lizenzieren, um durch diese Ausnahme einen Kompromiss zwischen unterschiedlichen Standpunkten zu ermöglichen. Allerdings ist es problematisch, die Verwendung DCM-haltiger Abbeizmittel mit z.B. Asbestsanierungsarbeiten oder dem Umgang mit radioaktiven Abfällen zu vergleichen, wofür ganz sicher Genehmigungen erforderlich sind. Angesichts der hohen Kosten für die Einrichtung und Überwachung eines solchen Systems wird dieser Vorschlag wahrscheinlich nicht den Bedürfnissen aller Akteure gerecht.

6.   Besondere Bemerkungen

6.1

Im Lichte der vorstehenden Ausführungen vertritt der EWSA die Auffassung, dass der vorliegende Vorschlag weder angemessen noch an sich dazu geeignet ist, die Zahl der Zwischenfälle mit DCM am Arbeitsplatz oder im privaten Bereich zu senken. Angesichts der beachtlichen tatsächlich vorhandenen und auch politischen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten sollten andere Ansätze erwogen und ohne weitere Verzögerung umgesetzt werden.

6.2

Dazu gehören Veränderungen an Verpackung und Etikettierung DCM-haltiger Abbeizmittel, um die Unfallgefahr soweit wie möglich zu senken und auf tatsächliche Gefahren hinzuweisen. Der Verkauf an Personen, die nicht regelmäßig im Bereich Farbabbeizungen — sei es innerhalb eines Betriebes, sei es an verschiedenen Orten — tätig sind, unabhängig davon, ob diese Personen als „Spezialisten“ oder „private Verbraucher“ betrachtet werden, sollte auf eine Höchstmenge von 1 Liter pro Behälter und Kauf beschränkt werden. Die Verschlüsse der Behälter sollten gemäß den entsprechenden geltenden oder neuen EU-Verordnungen und -Richtlinien und/oder EN ISO 8317:2004 und 862:2005 kindergesichert sein. Um das Verschüttungsrisiko zu begrenzen, wäre ebenfalls eine Verjüngung des Behälterausgangs zweckmäßig, obwohl die sich daraus ergebende Notwendigkeit des Umfüllens vor der Anwendung mit dem Pinsel die positive Wirkung dieser Maßnahme bereits wieder einschränkt. Wenn den Herstellern daran gelegen ist, diese Produkte langfristig auf dem Markt zu halten, sollten sie sich aktiv um neue und sicherere Auslieferungssysteme bemühen. Ein Verkauf großer Mengen an alle anderen Verbraucher, sei es für die „industrielle“ oder regelmäßige „professionelle“ Anwendung, sollte in Mengen von nicht weniger als 20 Litern erfolgen. Die Hersteller und Lieferanten sollten ihrer Sorgfaltspflicht in allen Situationen genügen und für ausreichende Informationen und Anleitung Sorge tragen, um eine sichere Handhabung und Entsorgung bei sämtlichen Anwendungen zu gewährleisten.

6.3

Neue Piktogramme und Warn- und Sicherheitshinweise, die vor Bewusstlosigkeit und den Gefahren für Kinder warnen, sollten so bald wie möglich entwickelt werden, um die bereits vorhandenen Piktogramme und Hinweise zu ergänzen. Für DCM-haltige Abbeizmittel (und andere Produkte mit ähnlicher Wirkung) wären angemessene Formulierungen für alle Anwender z.B.: „Chemikalie mit betäubender Wirkung: führt in hoher Konzentration zu Bewusstlosigkeit und Tod“; „Nicht im Beisein von Kindern oder hilflosen Erwachsenen verwenden“; „Nicht in geschlossenen Räumen verwenden: Erstickungsgefahr“. Solche Formulierungen erscheinen angesichts der Beweislage gerechtfertig und den tatsächlichen Erfordernissen angemessen. Diese Hinweise sollten nicht unauffällig inmitten weniger wichtiger Warnhinweise aufgeführt sein. Eine eindeutige Warnung und ein unmissverständliches Piktogramm hinsichtlich der Notwendigkeit, Kinder zu schützen, hätten voraussichtlich eine bessere Wirkung als viele komplizierterer Ratschläge. Der gegenwärtige S2-Satz („Darf nicht in die Hände von Kindern gelangen“) ist in dieser Hinsicht ungeeignet.

6.4

Es ist eindeutig ein standardisierter und konsistenter Satz von EU-weiten Grenzwerten für die berufsbedingte Exposition vonnöten, um die Sicherheit am Arbeitsplatz weiter zu verbessern. Das wäre ein nutzbringender Effekt des REACH-Programms in den kommenden Jahren.

6.5

Eine gute Arbeitsweise und die strenge Einhaltung aller vorhandenen Vorschriften sind offensichtlich grundsätzliche Punkte des Risikomanagements sowohl bei einer arbeitsbedingten als auch bei der privaten Anwendung. Hersteller und Händler tragen die Verantwortung für gute Anwendungsbeschreibungen und dafür, dass Mitglieder der Allgemeinheit und andere gelegentliche Anwender gefährlicher Stoffe oder Verfahren die entsprechenden Empfehlungen befolgen können. Sicherheitshinweise und Schutzvorrichtungen sollten mit derselben Intensität und mit denselben Anreizen beworben werden wie die Materialien, die sie betreffen.

6.6

Der Ansatz, der bei der Erstellung der deutschen Technischen Regel für Gefahrstoffe TRGS 612 gewählt wurde, sollte die Grundlage EU-weiter Kontrollen bilden. Zusätzliche technische Hinweise hinsichtlich der Belüftung und Entsorgung könnten, wenn nötig, hinzugefügt werden. Gute Verfahrensweisen sollten veröffentlicht und ausgetauscht werden.

6.7

Laufende Studien in den USA hinsichtlich einer Langzeit-Exposition gegenüber DCM sollten so bald wie möglich zu Ende geführt werden, und die Ergebnisse sollten dem SCHER zur Beurteilung vorgelegt werden. Es sollten Möglichkeiten in Betracht gezogen werden, Kohorten für Studien in der EU zu finden.

6.8

Eine systematische Bewertung der mit Abbeizen verbundenen Risiken sollte ebenfalls vorgenommen werden, so dass alle Produkte und Verfahren auf einer gleichwertigen Grundlage beurteilt werden können. Dies würde zu einem besseren Verständnis ihrer Leistungsmerkmale und -risiken und so letztendlich zu mündigeren Entscheidungen des Anwenders sowohl am Arbeitsplatz als auch im privaten Bereich führen. Diese Vorschläge sollen aber in keiner Weise die Verabschiedung der oben genannten Kontrollmaßnahmen verzögern.

Brüssel, den 17. September 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


31.3.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 77/35


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 68/151/EWG und 89/666/EWG des Rates im Hinblick auf die Veröffentlichungs- und Übersetzungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen“

KOM(2008) 194 endg. — 2008/0045 (COD)

(2009/C 77/06)

Der Rat der Europäischen Union beschloss am 23. Mai 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 68/151/EWG und 89/666/EWG des Rates im Hinblick auf die Veröffentlichungs- und Übersetzungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen“

Das Präsidium des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses beauftragte am 21. April 2008 die Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch mit den Vorarbeiten.

Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten beschloss der Ausschuss auf seiner 447. Plenartagung am 18. September 2008, Herrn IOZIA zum Hauptberichterstatter zu bestellen, und verabschiedete mit 72 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der EWSA billigt den Inhalt der vorgeschlagenen Richtlinie und betrachtet diese Maßnahme als einen weiteren Schritt im Rahmen der Strategie zur Verwaltungsvereinfachung, die in der Mitteilung „Strategische Überlegungen zur Verbesserung der Rechtsetzung in der Europäischen Union“ vorgesehen ist.

1.2

Er schließt sich damit den positiven Einschätzungen seiner Binnenmarktbeobachtungsstelle an, die in zahlreichen Stellungnahmen die Initiativen zur Verwaltungsvereinfachung im Gesellschaftsrecht stets befürwortet hat. Demnach tragen diese Initiativen durch die Verringerung der Kosten für die Unternehmen erheblich zur Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft bei, sofern dadurch der Schutz der Anliegen anderer Interessengruppen nicht in Frage gestellt wird.

1.3

Der EWSA betont, dass der hier erörterte Vorschlag zur Änderung der Richtlinien 68/151/EWG (Erste Gesellschaftsrechtrichtlinie) und 89/666/EWG (Elfte Gesellschaftsrechtrichtlinie) eine Vereinfachung und Verringerung der Verwaltungslasten auf dem heiklen Gebiet der Veröffentlichungs- und Übersetzungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen vorsieht, denen oft unverhältnismäßig hohe und mitunter ungerechtfertigte Belastungen auferlegt werden.

1.4

Der EWSA unterstützt die vorgeschlagenen Maßnahmen, die durch geringfügige Änderungen des gemeinschaftlichen Besitzstands nicht nur eine Verringerung der Verwaltungslasten für die Unternehmen bewirken, wie aus der Folgenabschätzung hervorgeht, sondern auch der Möglichkeit ungerechtfertigter Hemmnisse für den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr in der Union einen Riegel vorschieben.

1.5

Der EWSA bewertet diese Maßnahmen daher positiv und schließt sich der Aufforderung des Rates an die Kommission an, weitere Schritte zur Verringerung des in verschiedenen Sektoren noch bestehenden unangemessenen Verwaltungsaufwands zu unternehmen, der — ohne den Nutzern irgendwelche Vorteile zu bringen — auf den Unternehmen lastet und ihre Fähigkeit zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen des globalen Wettbewerbs einschränkt.

1.6

Der EWSA empfiehlt der Kommission, die Mitgliedstaaten anzuhalten, die Vereinfachung der Verwaltungsakte für Unternehmen fortzuführen und dazu vorzusehen, dass alle Daten, die nach den geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften veröffentlichungsbedürftig sind, ins Internet gestellt werden.

2.   Hintergrund

2.1

Nach einer Reihe von im Jahr 2005 eingeleiteten Überprüfungen hat die Kommission ein Programm zur Vereinfachung der Rechtsvorschriften gestartet, um die durch geltende Vorschriften verursachten Kosten und Verwaltungslasten zu verringern; sie ließ sich dabei von der Überlegung leiten, dass unnötige Kosten die Wirtschaftstätigkeit in der Gemeinschaft bremsen und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen beeinträchtigen.

2.2

Am 14. November 2006 legte die Kommission eine Mitteilung mit dem bezeichnenden Titel „Verbesserung der Rechtsetzung in der Europäischen Union“ (1) und das Arbeitsdokument „Berechnung der Verwaltungskosten und Verringerung der Verwaltungslasten in der Europäischen Union“ (2) vor. In beiden Initiativen wird betont, dass die Vereinfachung greifbare wirtschaftliche Vorteile für die Unternehmen bringen soll, jedoch keine negativen Folgen für die Empfänger der betreffenden Informationen haben darf.

2.3

Diese strategische Ausrichtung wurde anschließend im März 2007 durch ein Aktionsprogramm zur Verringerung der Verwaltungslasten (3) (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) ergänzt, in dem eine 25 %ige Verringerung der Verwaltungslasten bis 2012 als Ziel festgelegt wurde.

2.4

Im März 2007 wurden mehrere Vorschläge zur Verringerung des Verwaltungsaufwands im beschleunigten Verfahren angenommen, und am 10. Juli 2008 legte die Kommission eine Mitteilung mit Vorschlägen für Vereinfachungen in den Bereichen Gesellschaftsrecht, Rechnungslegung und Abschlussprüfung (4) vor.

2.5

Auf seiner Tagung am 13./14. März 2008 forderte der Europäische Rat die Kommission auf, ihre Bemühungen in dieser Richtung fortzusetzen und neue legislative Vorschläge für die Verringerung des Verwaltungsaufwands zu ermitteln (5).

2.6

In diesen Kontext fügt sich der Vorschlag für eine Richtlinie über die Veröffentlichungs- und Übersetzungspflichten im Gesellschaftsrecht ein, mit dem eine Verringerung und/oder Abschaffung derjenigen Angabepflichten, die den Empfängern dieser Informationen keinen Mehrwert bringen, in Angriff genommen wird.

3.   Der Vorschlag der Kommission

3.1

Mit der hier erörterten Richtlinie soll laut Kommission die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen gestärkt werden, indem die durch die geltenden Rechtsvorschriften bedingten Verwaltungslasten dort beseitigt und/oder verringert werden, wo sie keinem Informationsbedürfnis der Empfänger entsprechen, den Unternehmen jedoch unnötige Zusatzkosten verursachen.

3.2

Die Kommission schlägt hierzu eine Änderung der Richtlinien 68/151/EWG (Erste Gesellschaftsrechtrichtlinie) und 89/666/EWG (Elfte Gesellschaftsrechtrichtlinie) im Hinblick auf die Veröffentlichungs- und Übersetzungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen vor.

3.3

Bei der erstgenannten Gesellschaftsrechtrichtlinie 68/151/EWG wird eine in Bezug auf die dort in Artikel 3 Absatz 4 vorgesehenen Bestimmungen neue Mindestveröffentlichungspflicht festgelegt. Zweck dieser Artikeländerung ist die Abschaffung einiger der derzeitigen Verpflichtungen zur Veröffentlichung der Angaben über die Unternehmensgründung sowie des Jahresabschlusses im nationalen Amtsblatt; letzterer ist nach geltendem Recht jährlich zu veröffentlichen.

3.4

Diese Vereinfachung bedeutet keine Verringerung des Mehrwerts für die Empfänger, zumal in Zeiten, in denen der Zugriff auf die Informationen des Handelsregisters, den die Mitgliedstaaten im erforderlichen Maße gewährleisten müssen, immer öfter mit elektronischen Mitteln online erfolgt.

3.5

Die Mitgliedstaaten müssen einen elektronischen Zugang zu den chronologisch dargestellten Informationen gewährleisten; es steht ihnen nach wie vor frei, darüber hinaus zusätzliche Formen der Veröffentlichung festzulegen, sofern diese den Unternehmen keine zusätzlichen Kosten verursachen.

3.6

Was die Richtlinie 89/666/EWG (Elfte Gesellschaftsrechtrichtlinie) betrifft, wird die derzeitige Praxis geändert, wonach die Unternehmen auch bei der Registrierung einer Zweigniederlassung sämtliche Dokumente ihres Dossiers übersetzen lassen müssen.

3.7

Gemäß Artikel 4 in der Fassung der neuen Richtlinie müssen die Unterlagen in einer Amtssprache der Gemeinschaft offengelegt werden, und es wird als ausreichend betrachtet, wenn die Übersetzung nach einem von den Behörden eines anderen Mitgliedstaates anerkannten Verfahren beglaubigt wurde. Sämtliche Mitgliedstaaten haben diese Bescheinigungen zu akzeptieren und dürfen, abgesehen von den in Absatz 1 und 2 vorgeschriebenen Formalitäten, keine weiteren offiziellen Anforderungen auferlegen, womit das Ziel, die Kosten für die Übersetzung und die Beglaubigung auf ein Minimum zu senken, erreicht wird.

3.8

Die Rechtsgrundlage für die neuen Richtlinie ist ebenso wie für die bisherigen Richtlinien Artikel 44 Absatz 2 Buchstabe g des EG-Vertrags; die Kommission vertritt überdies die Auffassung, dass das Subsidiaritätsprinzip und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eingehalten werden und die Maßnahmen gerechtfertigt sind.

3.9

Die Kommission gibt an, dass die vorgeschlagenen Änderungen und die Folgenabschätzung von einer überaus repräsentativen Zahl von Interessengruppen (110 Gruppen aus 22 Mitgliedstaaten) geprüft und gebilligt wurden. Diese positiven Reaktionen sind auf der Website der Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen (GD MARKT) abrufbar.

3.10

Der Folgenabschätzung zufolge bestehen Einsparungspotenziale von jährlich insgesamt 410 Mio. EUR bei der Veröffentlichung der Jahresabschlüsse und von rund 200 Mio. EUR pro Jahr bei der Veröffentlichung von im Handelsregister eingetragenen Änderungen. Bei der Übersetzung und Beglaubigung können insgesamt Kosten von rund 22 Mio. EUR eingespart werden.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1

Der EWSA hat in zahlreichen von seiner Binnenmarktbeobachtungsstelle erarbeiteten Stellungnahmen seine Unterstützung für die Verwaltungsvereinfachung im Rahmen der „Strategischen Überlegungen zur Verbesserung der Rechtsetzung in der Europäischen Union“ bekundet.

4.2

In seinen Stellungsnahmen hat der Ausschuss dieses Programm uneingeschränkt befürwortet, da damit ein konkreter Beitrag zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen geleistet wird, indem vielfach überholte und unangemessene Verwaltungslasten im Gesellschaftsrecht, die den Unternehmen auferlegt wurden, gesenkt werden, ohne dass dadurch der Schutz der Anliegen anderer Interessengruppen in Frage gestellt wird.

4.3

Der EWSA unterstreicht, dass dieses Programm, das Maßnahmen auf dem heiklen Gebiet der Veröffentlichungs- und Übersetzungspflichten vorsieht, nicht nur eine deutliche Verringerung der Kosten bewirkt, wie aus der Folgenabschätzung hervorgeht, sondern auch die Glaubwürdigkeit der europäischen Dimension stärkt, indem allen Versuchungen, künstliche und ungerechtfertigte Hemmnisse für den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr in der Union zu schaffen, ein Riegel vorgeschoben wird.

4.4

Der Ausschuss nimmt zur Kenntnis, dass die bislang eingeleiteten Initiativen nach gründlicher Bewertung der verfolgten Ziele sowie unter gebührender Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf den Weg gebracht wurden und ihnen eine eingehende Konsultation aller interessierten Kreise vorausgegangen ist.

4.5

Der EWSA billigt daher den Inhalt der vorgeschlagenen Richtlinie, die er als einen wichtigen Schritt im Rahmen der Gesamtstrategie betrachtet, und schließt sich der Aufforderung des Rates an die Kommission an, in weiteren Sektoren und Bereichen tätig zu werden, in denen eine Vereinfachung notwendig erscheint, um die zahlreichen noch auf den Unternehmen lastenden Pflichten zu verringern.

Brüssel, den 18. September 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  „Strategische Überlegungen zur Verbesserung der Rechtsetzung in der Europäischen Union“, KOM(2006) 689 endg., ABl. C 78 vom 11.4.2007, S. 9.

(2)  „Berechnung der Verwaltungskosten und Verringerung der Verwaltungslasten in der Europäischen Union“, KOM(2006) 691 endg.

(3)  „Aktionsprogramm zur Verringerung der Verwaltungslasten in der Europäischen Union“, KOM(2007) 23 endg.

(4)  Mitteilung der Kommission über ein vereinfachtes Unternehmensumfeld in den Bereichen Gesellschaftsrecht, Rechnungslegung und Abschlussprüfung, KOM(2007) 394 endg.

(5)  Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates von Brüssel, 13./14. März 2008 — Dok. 7652/08 CONCL 1.


31.3.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 77/37


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates im Hinblick auf bestimmte Angabepflichten mittlerer Unternehmen sowie die Pflicht zur Erstellung eines konsolidierten Abschlusses“

KOM(2008) 195 endg. — 2008/0084 (COD)

(2009/C 77/07)

Der Rat beschloss am 23. Mai 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 44 Absatz 1 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates im Hinblick auf bestimmte Angabepflichten mittlerer Unternehmen sowie die Pflicht zur Erstellung eines konsolidierten Abschlusses“

Das Präsidium des Ausschusses beauftragte die Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch am 21. April 2008 mit der Ausarbeitung dieser Stellungnahme.

Aufgrund der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 447. Plenartagung (Sitzung vom 18. September 2008) Herrn CAPPELLINI gemäß Artikel 20 und Artikel 57 Absatz 1 der Geschäftsordnung zum Hauptberichterstatter und verabschiedete mit 59 Stimmen bei 1 Gegenstimme folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der EWSA begrüßt die Ausdehnung der in der Vierten Richtlinie Gesellschaftsrecht vorgesehenen Freistellungsmöglichkeiten auf mittlere Unternehmen, da dies zu einer Verringerung des Berichtsaufwands für diese Unternehmen führt.

1.2

Der EWSA begrüßt auch die vorgeschlagenen Änderungen der Siebenten Richtlinie Gesellschaftsrecht, da sie das Verhältnis zwischen den Konsolidierungsvorschriften dieser Richtlinie und den International Financial Reporting Standards klarstellen.

1.3

Der EWSA begrüßt insbesondere, dass das Ziel der Vereinfachung der Rechnungslegung verfolgt wird: den Abschlussadressaten gehen keine wesentlichen Informationen verloren und andere Interessengruppen bleiben im Wesentlichen unberührt. Die vorgeschlagene Vereinfachung richtet sich nach den Bedürfnissen der KMU und der Adressaten von Finanzdaten.

1.4

Bislang gibt es zu wenig Untersuchungen und Belege zur Bestimmung der Bedürfnisse der Nutzer, die in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich gelagert sein können. Bevor weitere Änderungen an den Rechnungslegungsvorschriften für KMU vorgenommen werden, sollte die gegenwärtige Haltung bezüglich der Inanspruchnahme der in der Vierten und Siebenten Richtlinie vorgesehenen Optionen überprüft werden. Dabei sollte u.a. Folgendes untersucht werden: (a) die Nutzung der bestehenden Optionen, (b) die Begründungen der Mitgliedstaaten für die von ihnen gewählten Optionen sowie (c) der Erfolg der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Verwirklichung ihrer Ziele.

1.5

Der Ausschuss empfiehlt daher, in diesem Bereich Untersuchungen durchzuführen, die künftig als Grundlage für vernünftige politische Vorschläge dienen können.

1.6

Die Rechnungslegungsvorschriften gehören zu den ersten auf Gemeinschaftsebene harmonisierten Rechtsbereichen. Der EWSA betont, dass die Vollendung des Binnenmarkts von zentraler Bedeutung ist und verweist darauf wie wichtig es ist, durch Harmonisierung einheitliche Bedingungen in der EU zu schaffen.

1.7

In der EU nimmt die grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit von KMU zu. Gewichtige Gründe sprechen daher für die weitere Harmonisierung der Rechnungslegungsrahmen und -vorschriften, um (a) dieses Wachstum des Handels zu unterstützen und (b) einheitliche Bedingungen zu schaffen.

2.   Allgemeiner Kontext

2.1

In den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 8./9. März 2007 wurde betont, dass die Verringerung des Verwaltungsaufwands — insbesondere aufgrund des möglichen Nutzens für KMU — eine wichtige Maßnahme zur Ankurbelung der europäischen Wirtschaft ist.

2.2

Der Europäische Rat wies nachdrücklich darauf hin, dass eine große gemeinsame Anstrengung der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten erforderlich ist, um durch die Vereinfachung der Angabepflichten für kleine und mittlere Unternehmen den Verwaltungsaufwand in der EU zu verringern; als Rechtsgrundlage für die entsprechenden Maßnahmen soll Artikel 44 Absatz 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (1) herangezogen werden.

2.3

Rechnungslegung und Abschlussprüfung wurden als Bereiche ermittelt, in denen der Verwaltungsaufwand der Unternehmen in der Gemeinschaft (2) verringert werden kann.

2.4

Dabei lag das Augenmerk insbesondere auf der Frage, wie die Berichtspflichten für kleine und mittlere Unternehmen weiter verringert werden können.

2.5

In der Vergangenheit wurde eine Reihe von Änderungen vorgenommen, die es den unter die Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG fallenden Unternehmen ermöglichen sollten, die Rechnungslegungsmethoden der International Financial Reporting Standards (IFRS) anzuwenden.

2.6

Nach der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards (3) müssen Gesellschaften, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt eines Mitgliedstaats zugelassen sind, ihre konsolidierten Abschlüsse nach IFRS erstellen und sind damit von den meisten Anforderungen der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG befreit. Für die Rechnungslegung kleiner und mittlerer Unternehmen in der Gemeinschaft stellen diese Richtlinien aber nach wie vor die Grundlage dar.

2.7

Zwar unterliegen kleine und mittlere Unternehmen oftmals den gleichen Vorschriften wie größere Gesellschaften, doch wurden ihre speziellen Rechnungslegungserfordernisse in der Vergangenheit kaum bewertet. Insbesondere die wachsende Zahl der vorgeschriebenen Angaben bereitet diesen Unternehmen Probleme. Umfangreiche Rechnungslegungsvorschriften stellen eine finanzielle Belastung dar und können einem wirksamen Kapitaleinsatz zu Produktivzwecken im Wege stehen.

2.8

Bei der Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 hat sich auch gezeigt, dass die Beziehung zwischen den in der Richtlinie 83/349/EWG vorgeschriebenen Rechnungslegungsstandards und den IFRS klargestellt werden muss.

2.9

Für den Fall, dass Aufwendungen für die Errichtung und Erweiterung eines Unternehmens in der Bilanz als Aktiva ausgewiesen werden können, müssen sie nach Artikel 34 Absatz 2 der Richtlinie 78/660/EWG im Anhang erläutert werden.

2.10

Kleine Unternehmen können nach Artikel 44 Absatz 2 derselben Richtlinie von dieser Verpflichtung befreit werden. Um unnötigen Verwaltungsaufwand abzubauen, sollte die Möglichkeit bestehen, auch mittlere Unternehmen von dieser Angabepflicht zu entbinden.

2.11

Nach der Richtlinie 78/660/EWG müssen Nettoumsatzerlöse nach Tätigkeitsbereichen und geografisch bestimmten Märkten aufgegliedert werden. Dies gilt zwar für alle Unternehmen, doch können kleine Unternehmen nach Artikel 44 Absatz 2 dieser Richtlinie von dieser Verpflichtung befreit werden. Um unnötigen Verwaltungsaufwand abzubauen, sollte die Möglichkeit bestehen, auch mittlere Unternehmen von dieser Angabepflicht zu entbinden.

2.12

Die Richtlinie 83/349/EWG verpflichtet ein Mutterunternehmen selbst dann zur Erstellung eines konsolidierten Abschlusses, wenn das einzige Tochterunternehmen oder alle Tochterunternehmen zusammengenommen im Hinblick auf die Zielsetzung von Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 83/349/EWG nur von untergeordneter Bedeutung sind. Damit fallen diese Unternehmen unter die Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 und müssen ihren konsolidierten Abschluss nach IFRS erstellen. Dies wird in Fällen, in denen eine Muttergesellschaft nur Tochterunternehmen von untergeordneter Bedeutung hat, als Belastung angesehen.

2.13

Es sollte deshalb die Möglichkeit bestehen, eine Muttergesellschaft von der Pflicht zur Erstellung eines konsolidierten Abschlusses und eines konsolidierten Lageberichts zu befreien, wenn ihre sämtlichen Tochterunternehmen sowohl für sich als auch zusammengenommen als von untergeordneter Bedeutung angesehen werden können.

2.14

Da die Ziele dieser Richtlinie, nämlich die Verringerung des Verwaltungsaufwands für kleine und mittlere Unternehmen im Zusammenhang mit bestimmten Angabepflichten und für bestimmte Unternehmen in der Gemeinschaft im Zusammenhang mit der Pflicht zur Erstellung eines konsolidierten Abschlusses auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann und daher wegen des Umfangs und der Wirkungen der Maßnahme besser auf Gemeinschaftsebene zu erreichen ist, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden.

2.15

Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Verhältnismäßigkeitsprinzip geht diese Richtlinie nicht über das für die Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.

2.16

Die Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG sollten daher entsprechend geändert werden.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Die Änderung der Richtlinie 78/660/EWG (Vierte Richtlinie Gesellschaftsrecht) (4) zielt darauf ab, mittleren Unternehmen die Rechnungslegung zu erleichtern (5) und sie kurzfristig von bestimmten Pflichten bei der Vorlage von Abschlüssen zu befreien. Die Änderungen dürften den Verwaltungsaufwand für diese Unternehmen verringern, ohne dass dabei wichtige Informationen verloren gehen.

3.2

Die Änderung der Richtlinie 83/349/EWG (Siebente Richtlinie Gesellschaftsrecht) (6) zielt darauf ab, das Verhältnis zwischen den Konsolidierungsvorschriften dieser Richtlinie und den IFRS klarzustellen.

3.3   Anhörung und Folgenabschätzung

3.3.1

Die Diskussion über eine deutliche Verringerung der regulatorischen Belastungen für die KMU im Rahmen der Vierten und Siebenten Richtlinie Gesellschaftsrecht wurde von der Europäischen Kommission frühzeitig zusammen mit der Anhörung der interessierten Kreise angestoßen, um sicherzustellen, dass die KMU im europäischen Binnenmarkt gedeihen können. Das Problem der regulatorischen Belastungen für KMU ist ausnahmslos darauf zurückzuführen, dass die ursprünglichen Vorschriften für große Unternehmen konzipiert waren. Derartige Vorschriften sind für KMU nicht unbedingt relevant und verursachen häufig einen erheblichen Verwaltungs- und Kostenaufwand.

3.4   Vereinfachung auf der Grundlage der Erfordernisse der KMU und der Adressaten von Finanzdaten

3.4.1

Die Diskussionen dürfen sich nicht allein auf die „Vereinfachung“ konzentrieren, sondern müssen sich auch mit der „Relevanz“ der Rechnungslegungsvorschriften für die KMU — im Gegensatz zu großen börsennotierten Unternehmen — beschäftigen. Bei der Debatte über die Vereinfachung stehen eher die Kosten im Vordergrund, während es bei der Debatte über die Relevanz um den Nutzen der Rechnungslegung sowie bestimmte Adressaten und ihre Bedürfnisse geht.

3.4.2

Die Vereinfachung der Rechnungslegungsrichtlinie muss von den tatsächlichen Bedürfnissen der KMU und der Adressaten ihrer Abschlüsse ausgehen. Die Untersuchung der Adressaten und ihrer Bedürfnisse ist bei der Entwicklung eines europäischen Rechnungslegungsrahmens für die KMU von entscheidender Bedeutung, um die Nützlichkeit und Relevanz der Rechnungslegung zu gewährleisten. Die Adressaten sind vielfältiger Natur: Finanzinstitute (z.B. Rating), Behörden (Steuern, Bekämpfung der Geldwäsche usw.).

3.4.3

Auch darf nicht vergessen werden, dass die KMU selbst wichtige Adressaten für die Finanzdaten sind, z.B. in ihrer Funktion als Zulieferer und Subunternehmer für andere KMU in Situationen, in denen die Bewertung der Kreditwürdigkeit wichtig ist.

3.4.4

Im Zusammenhang mit der „Vereinfachung“ der Rechnungslegungsvorschriften für die KMU ist es wichtig, dass gründliche Folgenabschätzungen vorgenommen werden, einschließlich einer Bewertung des Nutzens der Rechnungslegung sowie der finanziellen/administrativen Belastungen. Bei derartigen Folgenabschätzungen sollten auch die Gründe, aus denen die Rechnungslegungspflichten ursprünglich auferlegt wurden, sowie die Interessen der Anteilseigner (bezüglich Transparenz usw.), die dadurch geschützt werden sollten, mit berücksichtigt werden.

3.5   Harmonisierung zwecks Schaffung einheitlicher Bedingungen in der EU

3.5.1

In der EU nimmt die grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit von KMU (7) zu. Gewichtige Gründe sprechen daher für die weitere Harmonisierung der Rechnungslegungsrahmen und -vorschriften, um (a) dieses Wachstum des Handels zu unterstützen und (b) einheitliche Bedingungen zu schaffen. Möglicherweise wird es notwendig sein, weniger Optionen vorzusehen und zu einer Maximalharmonisierung überzugehen, beispielsweise im Bereich der Veröffentlichung von finanziellen Informationen und des öffentlichen Zugangs zu derartigen Informationen.

3.6   Keine verbindlichen internationalen Rechnungslegungsstandards für KMU

3.6.1

Das KMU-Projekt des IASB ist die Konsequenz der Forderungen von Standardisierungsorganisationen, Wirtschaftsprüfern und anderen interessierten Kreisen nach einer Alternative zum vollständigen IFRS-Standard. Die IASB, die diesem Projekt ursprünglich ablehnend gegenüberstand, ließ sich davon überzeugen, dass die Mehrheit der Interessengruppen auf seine Weiterführung drängt und nur die IASB anerkanntermaßen über die notwendige Glaubwürdigkeit und Autorität verfügt, um hohe durchsetzbare Rechnungslegungsstandards festzulegen. Ausgangsbasis für dieses Projekt war jedoch der vollständige IFRS-Standard, der für börsennotierte Unternehmen entwickelt worden war.

3.6.2

Bei der Entwicklung des vollständigen IFRS-Standards ließ man sich von der Vorstellung leiten, dass die Rechnungslegung von börsennotierten Unternehmen und ihren Aktionären genutzt werden sollte. Wie oben ausgeführt, wird die Rechnungslegung im Falle von KMU häufiger für interne oder informelle Zwecke (im Zusammenhang mit Zulieferern, Subunternehmern, Kreditinstituten usw.) genutzt denn aufgrund rechtlicher oder sonstiger Verpflichtungen zur Berichterstattung an einen breiten Nutzerkreis.

3.6.3

Die verbindliche Anwendung des IFRS-Standards oder anderer neuer Regelungen, die auf denen für börsennotierte Unternehmen basieren, würde zu einem erheblichen administrativen und finanziellen Aufwand für die KMU führen, der vermutlich in keinem Verhältnis zu einem eventuellen Nutzen stünde. Der enge Zusammenhang zwischen Jahresabschluss und Steuererklärung würde die KMU in verschiedenen Mitgliedstaaten außerdem dazu zwingen, parallel zwei Finanzberichte zu führen, was zusätzlichen bürokratischen Aufwand verursachen würde.

3.7   Vereinfachung der Richtlinien

3.7.1

Was die Optionen angeht, mit denen für die KMU eine Vereinfachung in den Rechnungslegungsrichtlinien erzielt werden soll und bei denen es sich im Wesentlichen um eine Ausweitung der bestehenden Optionen für KMU im Rahmen dieser Richtlinien handelt, muss vor der Verabschiedung neuer Richtlinien untersucht werden, inwieweit diese Optionen in den Mitgliedstaaten greifen. Der EWSA empfiehlt außerdem die regelmäßige Anwendung des Prinzips „Only once“ auf allen Ebenen (8).

3.7.2

Bevor weitere Änderungen an den Rechnungslegungsvorschriften für KMU vorgenommen werden, sollte die gegenwärtige Haltung bezüglich der Inanspruchnahme der in der Vierten und Siebenten Richtlinie vorgesehenen Optionen überprüft werden. Dabei sollte u.a. Folgendes untersucht werden: (a) die Nutzung der bestehenden Optionen, (b) die Begründungen der Mitgliedstaaten für die von ihnen gewählten Optionen sowie (c) der Erfolg der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Verwirklichung ihrer Ziele.

3.7.3

Ein Hauptproblem der gegenwärtigen Situation ist ein „Top-down“-Ansatz, der (a) Verwaltungsaufwand für die KMU verursacht und (b) eine geringe Relevanz der Rechnungslegungsrahmen und -standards für diese Unternehmen zur Folge hat. Bei einer künftigen Überprüfung der Rechnungslegung in der EU sollte dieses Problem durch einen „Bottom-up“-Ansatz gelöst werden. Bei einem solchen Ansatz würden die Bedürfnisse der KMU und anderer Akteure im Vordergrund stehen, und er würde sich wie oben vorgeschlagen auf die Untersuchung der Adressaten und ihrer Erfordernisse stützen.

Brüssel, den 18. September 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  ABl. C 325 vom 24.12.2002, S. 35.

(2)  EU Projekt Basismessung und Verringerung von Verwaltungskosten, zweiter Zwischenbericht vom 15. Januar 2008, S. 37. Der Schlussbericht wurde bislang noch nicht veröffentlicht. (Siehe KOM(2008) 195 endg., Fußnote 6).

(3)  ABl. L 243 vom 11.9.2002, S. 1.

(4)  ABl. L 222 vom 14.8.1978, S. 11. Zuletzt geändert durch die Richtlinie 2006/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 224 vom 16.8.2006, S. 1).

(5)  Begriffsbestimmungen siehe Artikel 27 (mittlere Unternehmen) der Vierten Richtlinie Gesellschaftsrecht.

(6)  ABl. L 193 vom 18.7.1983, S. 1. Zuletzt geändert durch die Richtlinie 2006/99/EG des Rates (ABl. L 363 vom 20.12.2006, S. 137).

(7)  Siehe die Stellungnahmen des EWSA zur Bedeutung des Binnenmarkts:

CESE 952/2006 „Strategie zur Vereinfachung des ordnungspolitischen Umfelds“ (INT/296) ABl. C 309 vom 16.12.2006, S. 18;

CESE 89/2007 „Überprüfung des Binnenmarktes“ (INT/332), ABl. C 93 vom 27.4.2007, S. 25;

CESE 1187/2008 „Politische Maßnahmen für KMU“ (INT/390) (noch nicht im ABl. veröffentlicht);

CESE 979/2008 „Internationale Beschaffungsmärkte“ (INT/394) (noch nicht im ABl. veröffentlicht).

(8)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die verschiedenen politischen Maßnahmen, die — neben einer angemessenen Finanzierung — Wachstum und Entwicklung von KMU fördern können“ (Sondierungsstellungnahme), INT/390. Dieses Prinzip bedeutet, dass den Unternehmen nicht mehrmals Informationen, die die Behörden bereits auf anderem Wege erhalten haben, abverlangt werden dürfen. Dies gilt für alle Ebenen (für die europäische, nationale, regionale und lokale Ebene).


31.3.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 77/41


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über vorgeschriebene Angaben an zweirädrigen oder dreirädrigen Kraftfahrzeugen“ (kodifizierte Fassung)

KOM(2008) 318 endg. — 2008/0099 (COD)

(2009/C 77/08)

Der Rat der Europäischen Union beschloss am 18. Juni 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über vorgeschriebene Angaben an zweirädrigen oder dreirädrigen Kraftfahrzeugen“ (kodifizierte Fassung)

Da der Ausschuss dem Inhalt des Vorschlags vollkommen zustimmt und keine Bemerkungen dazu vorzubringen hat, beschloss er auf seiner 447. Plenartagung am 17./18. September 2008 (Sitzung vom 17. September) einstimmig, eine befürwortende Stellungnahme zu diesem Vorschlag abzugeben.

 

Brüssel, den 17. September 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


31.3.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 77/41


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Führersitz von land- oder forstwirtschaftlichen Zugmaschinen auf Rädern“ (kodifizierte Fassung)

KOM(2008) 351 endg. — 2008/0115 (COD)

(2009/C 77/09)

Der Rat der Europäischen Union beschloss am 7. Juli 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Führersitz von land- oder forstwirtschaftlichen Zugmaschinen auf Rädern“ (kodifizierte Fassung)

Da der Ausschuss dem Inhalt des Vorschlags vollkommen zustimmt und keine Bemerkungen dazu vorzubringen hat, beschloss er auf seiner 447. Plenartagung am 17./18. September 2008 (Sitzung vom 17. September) einstimmig, eine befürwortende Stellungnahme zu diesem Vorschlag abzugeben.

 

Brüssel, den 17. September 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


31.3.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 77/42


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter“ (kodifizierte Fassung)

KOM(2008) 344 endg. — 2008/0109 (COD)

(2009/C 77/10)

Der Rat der Europäischen Union beschloss am 7. Juli 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 44 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter“ (kodifizierte Fassung)

Da der Ausschuss dem Inhalt des Vorschlags vollkommen zustimmt und keine Bemerkungen dazu vorzubringen hat, beschloss er auf seiner 447. Plenartagung am 17./18. September 2008 (Sitzung vom 17. September) einstimmig, eine befürwortende Stellungnahme zu diesem Vorschlag abzugeben.

 

Brüssel, den 17. September 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


31.3.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 77/42


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung (EG) Nr. …/… des Europäischen Parlaments und des Rates vom […] über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel“ (kodifizierte Fassung)

KOM(2008) 369 endg. — 2008/0126 (COD)

(2009/C 77/11)

Der Rat der Europäischen Union beschloss am 7. Juli 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Verordnung (EG) Nr. …/… des Europäischen Parlaments und des Rates vom […] über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel“ (kodifizierte Fassung)

Da der Ausschuss dem Inhalt des Vorschlags vollkommen zustimmt und keine Bemerkungen dazu vorzubringen hat, beschloss er auf seiner 447. Plenartagung am 17./18. September 2008 (Sitzung vom 17. September) einstimmig, eine befürwortende Stellungnahme zu diesem Vorschlag abzugeben.

 

Brüssel, den 17. September 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


31.3.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 77/43


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen“

KOM(2008) 19 endg. — 2008/0016 (COD)

(2009/C 77/12)

Der Rat beschloss am 3. März 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 175 Absatz 1 und Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen“

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 16. Juli 2008 an. Berichterstatter war Herr RIBBE.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 447. Plenartagung am 17./18. September 2008 (Sitzung vom 17. September) mit 105 gegen 38 Stimmen bei 10 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der EWSA hat die Klimaschutzpläne des Europäischen Rates aus 2007 begrüßt, die u.a. mit dieser Richtlinie umgesetzt werden sollen.

1.2

Er unterstützt ausdrücklich die Aussage der Kommission, wonach der angestrebte Ausbau der erneuerbaren Energien (im Folgenden als „EE“ abgekürzt) nicht nur klimapolitisch sinnvoll ist, sondern ganz klare Vorteile für die Energieversorgungssicherheit, die regionale und lokale Entwicklung, die ländliche Entwicklung, die Exportchancen, den sozialen Zusammenhalt und die Beschäftigungsmöglichkeiten, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen und unabhängige Energieerzeuger hat bzw. haben kann.

1.3

Insofern begrüßt der EWSA den Richtlinienvorschlag sowie das 20 %-Ziel für den Anteil erneuerbarer Energieträger. Er sieht in den EE nicht nur einen Beitrag zum Klimaschutz, sondern auch eine richtige strategische energiepolitische Vorgabe, die zu höherer Energieautarkie und somit größerer Versorgungssicherheit führen wird.

1.4

Die Zielvorgabe „minus 20 % CO2 bis 2020“, die mit anderen Richtlinien vollzogen werden soll (1), und die Vorgabe „20 % Endenergie aus EE“, die mit diesem Vorschlag behandelt wird, korrelieren eng miteinander und ergänzen sich. Sie sind aber dennoch unabhängig voneinander zu sehen. Dies gilt umso mehr, als einige der EE nicht unbedingt immer klimapolitisch eindeutig positive Effekte haben (siehe Ziffer 6 „Agro-Kraftstoffe“).

1.5

Da der anerkannt notwendige Umbau unseres Energiesystems mit hohen Investitionskosten verbunden sein wird, ist darauf zu achten, dass den Mitgliedstaaten ein hohes Maß an Flexibilität eingeräumt wird, damit sie immer dort aktiv werden können, wo jeweils mit den geringsten Kosten der größte Nutzen, gemessen an Klimaschutz und Arbeitsplatzschaffung, erreicht werden kann.

1.6

Der EWSA betont, dass er sich klar zum Ausbau der EE bekennt und dass ihm bewusst ist, dass mittel- und langfristig ein weitaus höherer Anteil als die bis zum Jahr 2020 avisierten 20 % nötig ist, um die ehrgeizigen Ziele des Rates (minus 60-80 % beim CO2, sowie höhere Energieautarkie) zu erreichen.

1.7

Der EWSA stellt fest, dass die strategische Festlegung auf den teilweisen Ersatz von Diesel bzw. Benzin durch Agro-Kraftstoffe eine der am wenigsten effektiven und teuersten Klimaschutzmaßnahmen ist und derzeit eine extreme Fehlallokation von Finanzmitteln bedeutet. Weshalb gerade die teuersten Maßnahmen politisch am intensivsten gefördert werden sollen, zumal neben wirtschaftlichen noch eine Unmenge ökologischer und sozialer Fragen völlig unbeantwortet ist (siehe Ziffer 6 „Agro-Kraftstoffe“), kann der EWSA nicht nachvollziehen. Er lehnt deshalb das separate 10 % Ziel für Agro-Kraftstoffe ab.

1.8

Es wird begrüßt, dass die EU plant, Nachhaltigkeitskriterien für Agro-Kraftstoffe aufzustellen. Die in dem Vorschlag formulierten ökologischen Kriterien gehen aber nicht weit genug, soziale Fragen werden überhaupt nicht angesprochen, so dass der Richtlinienvorschlag in diesem Punkt völlig unzureichend ist (2).

2.   Einleitung

2.1

Mit der Richtlinie sollen verbindliche Ziele für den Ausbau der EE festgelegt werden. Geplant ist ein Anteil von insgesamt 20 % im Jahr 2020 am Endenergieverbrauch in der EU sowie ein für jeden Mitgliedstaat verbindlicher Biokraftstoff (3)-Mindestanteil im Verkehrssektor von 10 % (4).

2.2

Das europäische 20 %-Ziel soll durch die Umsetzung verbindlich festzulegender nationaler Einzelziele, die in Anhang I Teil A aufgelistet sind, erreicht werden. In nationalen Aktionsplänen müssen dabei die Mitgliedstaaten Sektorziele für Strom, Wärme/Kälte und den Verkehrssektor/Agro-Kraftstoffe festlegen sowie entsprechende Maßnahmen zur Erreichung der Ziele beschreiben.

2.3

Die Richtlinie fußt auf den Beschlüssen des Europäischen Frühjahrsgipfels 2007. Sie wird damit begründet, dass mit dem Einsatz von regenerativen Energien dem Klimawandel entgegengewirkt werden soll. Gleichzeitig wird aber auch beschrieben, dass gerade der „Sektor der erneuerbaren Energien die Möglichkeit (bietet), […] lokale und dezentrale Energiequellen zu nutzen und technologische Entwicklungen zu fördern, mit denen Unternehmen weltweite Spitzenpositionen erlangen“ können.

2.4

Laut Kommission handelt es sich bei den erneuerbaren Energiequellen „größtenteils um heimische Ressourcen, für die die künftige Verfügbarkeit herkömmlicher Energiequellen unerheblich ist, zumal ihre überwiegend dezentrale Verfügbarkeit dazu beiträgt, dass unsere Volkswirtschaften weniger anfällig für Versorgungskrisen sind“. Die Versorgungssicherheit ist also, neben dem Klimaschutz und der Innovations- und Wirtschaftsentwicklung, eine weitere wichtige Begründung der Kommission.

2.5

Die Kommission argumentiert, dass „die Entwicklung des Marktes für erneuerbare Energiequellen und entsprechender Technologien […] ganz klare Vorteile für die Energieversorgungssicherheit, die regionale und lokale Entwicklung, die ländliche Entwicklung, die Exportchancen, den sozialen Zusammenhalt und die Beschäftigungsmöglichkeiten, insbesondere auf kleine und mittlere Unternehmen und unabhängige Energieerzeuger“ hat.

2.6

Die Richtlinie legt nicht nur die genannten quantitativen Ziele fest, sondern regelt u.a. auch

wie der Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen (Art. 5) errechnet wird, inkl. der Frage der Importe,

die Herkunftsnachweise (Art. 6 — Art. 10),

den Zugang zum Elektrizitätsnetz (Art. 14),

die Kriterien für die ökologische Nachhaltigkeit von Agro-Kraftstoffen sowie deren Klimarelevanz (Art. 15 ff.),

die Rahmenbedingungen für die nationalen Fördersysteme, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern.

2.7

Mit der Verabschiedung der neuen Richtlinie werden die Richtlinien 2001/77/EG zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen im Elektrizitätsbinnenmarkt, in der das bisherige Ziel „21 % Stromanteil aus erneuerbaren Energiequellen am gesamten Stromverbrauch bis 2010“, sowie die Richtlinie 2003/30/EG zur Förderung der Verwendung von Agro-Kraftstoffen oder anderen erneuerbaren Kraftstoffen im Verkehrssektor, mit der ein 5,75 %iger Anteil bis 2010 erreicht werden sollte, aufgehoben.

3.   Allgemeine Bemerkungen zu den übergeordneten und den klimapolitischen Zielsetzungen der Richtlinie

3.1

Der Europäische Rat hat 2007 „bekräftigt, dass absolute Emissionsreduktionsverpflichtungen das Rückgrat eines globalen Kohlenstoffmarkts bilden sollten. Die entwickelten Länder sollten hierbei weiterhin die Vorreiterrolle übernehmen, indem sie sich verpflichten, ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 gemeinsam in einer Größenordnung von 30 % gegenüber 1990 zu verringern. Ihr Blick sollte dabei auch auf das Ziel gerichtet sein, ihre Emissionen bis 2050 gemeinsam um 60 bis 80 % gegenüber 1990 zu verringern“.

3.2

Der vorgelegte Richtlinienvorschlag ist ein Baustein in der Umsetzung dieses Beschlusses. Der EWSA hat die Klimabeschlüsse des Europäischen Rates begrüßt und betont, dass Energiesparen und -effizienz oberste Priorität genießen müssen. An einem massiven Ausbau der EE wird kein Weg vorbeiführen, er ist nicht nur klimapolitisch geboten, sondern wird allein wegen der absehbaren Verknappung der fossilen Ressourcen mittel- bis langfristig notwendig sein. Die derzeit zu beobachtenden rapiden Preissteigerungen bei den fossilen Energien werden mit dafür sorgen, dass sich die Wirtschaftlichkeit vieler EE schneller einstellen wird.

3.3

Der EWSA begrüßt ausdrücklich, dass die Kommission im Erläuterungstext nicht nur Klimaaspekte anspricht, sondern den Fragen der Versorgungssicherheit und der Arbeitsplätze eine zentrale Bedeutung beimisst. Mehrfach wird betont, wie wichtig dezentrale Energieversorgungsstrukturen beispielsweise für die regionale Wirtschaftskraft und die ländlichen Räume sein können (siehe Ziffer 2.4 und 2.5). Der Ausschuss sieht dies genauso. Er hält es aber für zwingend notwendig, die einzelnen EE-Strategien genau unter diesen Aspekten weitaus differenzierter zu betrachten, als dies bisher geschehen ist.

3.4

Der EWSA teilt die Auffassung der Kommission, dass eine Führungsrolle Europas bei der Entwicklung und Implementierung von EE sowohl klimapolitisch positiv ist als auch dem europäischen Wirtschaftsstandort perspektivisch Wettbewerbsvorteile verschafft. Der Richtlinienvorschlag ist ein klares energie-, umwelt- und industriepolitisches Signal; im Hinblick auf die anstehenden internationalen Klimaverhandlungen auch an die globale Staatengemeinschaft.

3.5

Die eigentliche „Lastenverteilung“, d.h. die jeweiligen nationalen Beiträge zum europäischen Reduktionsziel von insgesamt 20 % beim CO2, sind in dem „Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anstrengungen der Mitgliedstaaten zur Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen mit Blick auf die Erfüllung der Verpflichtungen der Gemeinschaft zur Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2020“ (KOM(2008) 17 endg.) und dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Verbesserung und Ausweitung des EU-Systems für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten“ (KOM(2008) 16 endg.) festgelegt.

3.6

Der EWSA hält eine Vorgabe von 20 % EE-Anteil bis 2020 politisch-strategisch für sinnvoll und auch technisch wie wirtschaftlich für machbar, der Einstieg in eine post-fossile Energiepolitik wird dadurch sichtbar. Er ist auch der Auffassung, dass die einzelnen nationalen Zielsetzungen erreicht werden können, zumal den Mitgliedstaaten durchaus flexible Möglichkeiten (Zukauf, Beteiligung an Projekten etc.) an die Hand gegeben werden. Klar ist, dass ein Umbau des Energiesystems nicht zum Nulltarif zu haben und auch nicht ohne strukturelle Veränderung möglich ist. Investitionen sind nicht nur in Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien erforderlich, sondern auch in die Schaffung von Energiespeichertechnologien und -kapazitäten zum Ausgleich von Schwankungen bei der Stromerzeugung infolge ungenügender Windstärke oder Sonneneinstrahlung sowie in den Ausbau zwischenstaatlicher Stromleitungen in der EU. Allein durch die Betonung der Energieerzeugung werden wir die geplanten Zielsetzungen nicht erreichen.

3.7

Deutschland beispielsweise fördert die Stromproduktion aus regenerativen Energien über ein Einspeisungsgesetz, der Ökostromanteil liegt derzeit bei 15 %; die Mehrkosten, die von den Stromverbrauchern über eine höhere Einspeisevergütung aufgebracht werden, liegen bei ca. 3,5 Mrd. EUR pro Jahr. Nicht gegengerechnet ist hierbei allerdings der volkswirtschaftliche Nutzen in Form neuer Arbeitsplätze, die vermiedenen Umweltschäden oder neue Steueraufkommen.

3.8

Um die Kosten für die Zielerreichung möglichst gering zu halten, ist in der Richtlinie vorgesehen, dass die einzelnen nationalen Zielsetzungen auch dadurch erreicht werden können, dass Maßnahmen zum Ausbau der EE in anderen Staaten unterstützt werden. Auch der Import von EE-Strom — mit Herkunftsgarantie — ist möglich. Dies hält der EWSA im Prinzip für sinnvoll. Er unterstützt allerdings die Forderungen jener Mitgliedstaaten, den Handel unter Genehmigungsvorbehalt zu stellen, damit vermieden werden kann, dass die von einem Nationalstaat (5) finanzierte EE-Förderung genutzt werden kann, um die Kosteneinsparungen in einem anderen Staat zu erreichen.

4.   Einschränkung der Flexibilität beim Ausbau der EE

4.1

Der EWSA hält den Ansatz der Kommission für richtig, für die drei Sektoren, in denen EE eine Rolle spielen werden (nämlich dem Strom-, dem Wärme- und Kältebereich sowie dem Verkehrssektor) ein Gesamtziel und nicht drei getrennte Einzelziele vorzugeben. Dadurch wird es den Mitgliedstaaten freigestellt, wie sie Maßnahmen in den drei einzelnen Sektoren so kombinieren, dass sie das festgelegte nationale Gesamtziel erreichen.

4.2

Diese Flexibilisierung wird jedoch massiv beeinträchtigt, indem für einen einzigen Teilbereich einer der drei Sektoren — nämlich für die Substitution von Diesel- und Benzinkraftstoff im Verkehrsbereich — ein eigenes verbindliches Ziel geschaffen werden soll.

5.   Die besondere Rolle der Agro-Kraftstoffe im Richtlinienvorschlag

5.1

Die Kommission räumt den Agro-Kraftstoffen also eine Sonderrolle ein.

5.2

In vielen Studien, die in den letzten Monaten zu den Agro-Kraftstoffen veröffentlicht wurden, wird darauf hingewiesen, dass Biomasse, im Gegensatz zur Solarenergie, eine begrenzte Ressource ist und sich zwangsläufig Flächenkonkurrenzsituationen mit der Nahrungsmittelproduktion bzw. der Erhaltung der Biodiversität ergeben werden. Wie massiv diese Konkurrenzen sein werden, darüber wird noch gestritten. Es bedarf daher — bevor die Politik steuernd eingreift — einer sehr genauen strategischen Überlegung, in welchem Anwendungsbereich welche Form von EE am sinnvollsten zum Einsatz kommen soll. Dabei bedarf es sehr genauer Folgeabschätzungen.

5.3

Der wissenschaftliche Beirat des Bundeslandwirtschaftsministeriums in Deutschland vertritt in einer im November 2007 veröffentlichten Empfehlung zur Nutzung von Biomasse zur Energiegewinnung die Auffassung, dass langfristig die Solar- und Windenergie die dominante Rolle bei den EE einnehmen wird, u.a. weil hier im Vergleich zur Biomasse wesentlich höhere Potenzial vorhanden sind. Er nennt dafür drei Gründe:

a)

Bei der Solarenergie können Flächen genutzt werden, die nicht in Konkurrenz zur Erzeugung von Biomasse für den Nahrungsbereich stehen; und je Flächeneinheit können wesentlich höhere Energieerträge erzielt werden als bei der Bioenergie.

b)

Die weltweite Knappheit der Ackerflächen führt dazu, dass bei steigenden Erdölpreisen auch die Preise für Bioenergien steigen; und infolge dessen auch das gesamte Agrarpreisniveau mit nach oben gezogen wird. Damit steigen auch die Rohstoffkosten für die Bioenergie-Anlagen, während höhere Öl-, Kohle- und Gaspreise bei der Solarenergie voll rentabilitätswirksam werden.

c)

Bei knappen Ackerflächen führt eine großflächige Ausdehnung der Bioenergie zwangsläufig dazu, dass bisher nicht ackerbaulich genutzte Flächen in Kultur genommen werden (Grünlandumbruch, Waldrodung) bzw. die Bewirtschaftung der Flächen intensiviert wird. Das verursacht erhöhte CO2- und N2O-Emissionen mit der Folge, dass die Ausdehnung der Bioenergieerzeugung auf Ackerflächen im Endeffekt sogar kontraproduktiv für den Klimaschutz sein kann.

5.4

Wenn die vorhandenen natürlichen Ressourcen knapp sind und der Umstieg auf neue, regenerative und möglichst dezentrale Energieversorgungsstrukturen mit vergleichsweise hohen Investitionen verbunden ist, muss das Prinzip, die Finanzressourcen auf die effizientesten Klimaschutzstrategien zu konzentrieren, besonders berücksichtigt werden.

5.5

Auf EU Ebene sind aber einige der erkennbaren und teilweise staatlich geförderten Bioenergie-Linien, nämlich die Agro-Kraftstoffe sowie die Produktion von Biogas auf Basis von Mais mit sehr hohen CO2  (6)-Vermeidungskosten (150 bis über 300 EUR/t CO2) verbunden.

5.6

Andere Bioenergielinien, z.B. die Biogasproduktion auf Güllebasis (am besten verbunden mit einer Wärmekraftkopplung), die kombinierte Strom- und Wärmeproduktion auf Basis von Hackschnitzeln (aus Waldrestholz bzw. Kurzumtriebsplantagen) sowie die Mitverbrennung von Hackschnitzel in bestehenden Großkraftwerken, haben Vermeidungskosten von nur 50 EUR/t CO2  (7).

5.7

Die Gemeinsame Forschungsstelle der Europäischen Kommission stellt fest, dass es in Bezug auf die Treibhausgasreduzierung/Hektar weitaus effizienter ist, Biomasse zur Stromerzeugung anstatt zur Herstellung flüssiger Agro-Kraftstoffe zu verwenden (8). Moderne Biomassekraftwerke sind fast genauso effizient wie mit fossilen Brennstoffen betriebene Anlagen, so dass bei der Wärme- und Stromerzeugung 1 Megajoule (MJ) Biomasse ca. 0,95 MJ fossile Energie ersetzt. Die Energieeffizienz bei der Umwandlung von Biomasse in flüssigen Kraftstoff für Verkehrszwecke liegt in der Regel nur bei 30-40 %. 1 MJ Biomasse ersetzt somit nur ca. 0,35 bis 0,45 MJ Rohöl im Verkehrswesen.

5.8

Mit der Erzeugung von Agro-Kraftstoffen kann eine CO2 Vermeidungsleistung von ca. 3 t CO2/ha erreicht werden, mit den in Ziffer 5.6 beschriebenen Bioenergielinien mehr als 12 t CO2/ha.

5.9

Vor diesem Hintergrund fragt sich der EWSA, wieso die Kommission explizit ein 10 %-Ziel für Agro-Kraftstoffe festschreiben will. Er erinnert daran, dass der Europäische Rat im Frühjahr erklärte, dass dieses Ziel „kosteneffizient“ verwirklicht werden soll und dass drei Voraussetzungen erfüllt sein müssen, nämlich dass

die Herstellung auf nachhaltige Weise erfolge,

Agro-Kraftstoffe der zweiten Generation kommerziell zur Verfügung stünden, und

die Richtlinie 98/70/EG über die Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen geändert würde.

5.10

Hinsichtlich der Nachhaltigkeit gibt es mehr Fragen als Antworten gibt (siehe auch Ziffer 9) und Agro-Kraftstoffe der zweiten Generation sind noch nicht verfügbar sind. Somit sind zumindest zwei der drei vom Europäischen Rat genannten Kriterien nicht erfüllt, was die Kommission dennoch nicht daran hindert, das 10 %-Ziel festschreiben zu wollen.

5.11

Sie begründet dies u.a. mit der Argumentation, dass der Verkehrssektor im Vergleich zu anderen Wirtschaftssektoren den schnellsten Anstieg von Treibhausgasemissionen aufweist und Agro-Kraftstoffe „derzeit noch teurer als andere Formen erneuerbarer Energien sind, weshalb sie ohne besondere Auflagen wohl kaum entwickelt werden“.

5.12

Der EWSA kann dieser Begründung nicht folgen:

5.12.1

Richtig ist, dass im Verkehrssektor die Treibhausgasemissionen aus dem Ruder laufen. Schärfere Abgasgrenzwerten und ein 10 %igen Ersatz des Diesel- und Ottokraftstoffes lösen aber das Problem nach Auffassung des EWSA nicht, sie werden nicht einmal den Zuwachs kompensieren können, der in den nächsten Jahren aus dem Verkehrssektor auf unsere Umwelt zukommen wird.

5.12.2

Mehrfach hat der Ausschuss darauf hingewiesen, dass diesem Problem mit einer Politik der Verkehrsvermeidung und mit einer Änderung des Modalsplit zugunsten klimafreundlicher Verkehrsträger wie der Bahn, dem ÖPNV und dem Schiff begegnet werden sollte.

5.12.3

Technisch sieht der EWSA die Zukunft des motorisierten Individualverkehrs nicht im Verbrennungsmotor, sondern in elektrischen Antrieben, die aus EE gespeist werden sollen. Damit ein VW-Golf 10 000 Kilometer zurücklegen kann, müsste nach einer Berechnung der EMPA (9) der Raps-Jahresertrag für Agrodiesel auf einer Ackerfläche von 2062 Quadratmetern angepflanzt werden. Solarzellen würden hingegen für die für 10 000 Kilometer nötige Energie eine Fläche von 37 Quadratmetern pro Jahr in Anspruch nehmen — nur rund ein Sechzigstel der Fläche des Rapsfeldes.

5.12.4

Die strategische Festlegung auf den Ersatz von Diesel bzw. Benzin durch Agro-Kraftstoffe ist also eine der am wenigsten effektiven und teuersten Klimaschutzmaßnahmen und bedeutet eine extreme Fehlallokation von Finanzmittel. Weshalb gerade die teuersten Maßnahmen politisch am intensivsten gefördert werden sollen, zumal neben wirtschaftlichen noch eine Unmenge ökologischer und sozialer Fragen völlig unbeantwortet ist, kann der EWSA nicht nachvollziehen.

5.12.5

Der EWSA teilt folglich die Aussage der Kommission, „[…] eine vermehrte Verwendung von Biokraftstoffen im Verkehrssektor sei eines der wirksamsten Mittel“ um den Herausforderungen zu begegnen, nicht.

5.13

Bedenkt man, dass die Kommission anstrebt, Agro-Kraftstoffe dann zuzulassen, wenn diese mindestens 35 % an Treibhausgasreduktionen — im Vergleich zu Kraftstoffen aus fossilen Ölen — bewirken, so wird das 10 % Ziel dazu führen, die Treibhausgasemissionen des motorisierten Verkehrs — bei gleich bleibendem Verkehrsaufkommen — um gerade einmal 3,5 % (zu verringern. Da der Verkehr zu rund einem Viertel zur Gesamttreibhausbelastung beiträgt, sprechen wir also von einem Gesamtemissionsreduktionspotenzial von 1 % der THG-Emissionen! Dies ist ein Wert, der in keinen Verhältnis zum finanziellen Aufwand und zu den verbundenen Gefahren steht.

5.14

Selbst wenn man in Agro-Kraftstoffen für den Verkehrsbereich eine sinnvolle Verwendung von Biomasse sehen würde, müsste man auf absolute Effizienz setzen. Anlage VII der Richtlinie macht aber deutlich, dass in der Umwandlung von Biomasse zu Esther oder Ethanol nicht der richtige Ansatz liegt. Denn jede (industrielle) molekulare Umwandlung ist mit einem Energieeinsatz und somit -verlusten verbunden. Sinnvoller wäre es, die gewonnene Biomasse direkt, ohne industriell-chemische Umwandlung, zu nutzen.

5.15

Dass dies technisch möglich ist, zeigen einige Traktorenhersteller, die mittlerweile Motoren anbieten, die mit reinem Pflanzenöl betrieben werden.

5.16

Anhang VII zeigt, dass mit dieser Technologie, die höchsten Treibhausgaseinsparungen erreicht werden können: reines Rapsöl weist eine Standardeinsparung bei Treibhausgasen in Höhe von 55 % auf, Agrodiesel aus Raps nur von 36 %, Ethanol aus Weizen 0 % gegenüber Kraftstoffen aus fossilem Öl. Dem EWSA ist unverständlich, weshalb die Kommission diesen Weg nicht explizit als besonders sinnvoll darstellt, zumal hiermit auch am ehesten dezentrale Energieversorgungsstrukturen — und somit Arbeitsplätze in der Landwirtschaft und im ländlichen Raum — entstehen könnten.

5.17

Für den EWSA wäre es beispielsweise eine gute Strategie, die Verwendung von reinen Pflanzenölen, die z.B. in naturverträglichen Mischkulturen gewonnenen werden, in der Landwirtschaft selbst und beispielsweise in kommunalen Fahrzeugen bzw. bei Wasserfahrzeugen zu fördern (10). Landwirte könnten so unmittelbar in die Entwicklung von regionalen Energiekreisläufen eingebunden werden und davon unmittelbar profitieren. Im Rahmen der Agro-Kraftstoffstrategie werden sie hingegen zu Produzenten möglichst billiger Rohstoffe der Mineralölindustrie, falls überhaupt Rohstoffe aus europäischer Produktion zum Einsatz kommen werden.

6.   Anmerkungen zum Argument Versorgungssicherheit

6.1

Die Kommission vermutet, dass ein Großteil der für die Agro-Kraftstoffe benötigten Biomasse in klimatisch begünstigteren Regionen außerhalb der EU angebaut werden wird. Der Ersatz von Erdölimporten durch Biomasseimporte bedeutet aber keine Verringerung, sondern lediglich eine Diversifizierung von Importabhängigkeiten.

6.2

Es kann nicht ernsthaft Ziel einer neuen Energiepolitik der EU sein, eine Abhängigkeit durch eine andere abzulösen.

6.3

Vielmehr sollte vorrangig der Ansatz verfolgt werden, tatsächlich dezentrale, lokal bzw. regional verfügbare Quellen in den Mittelpunkt der neuen EE-Strategie zu stellen. Hierbei können und müssen auch Bioenergien eine Rolle spielen, jedoch nicht die, die man sich mit der Agro-Kraftstoffstrategie erdacht hat.

7.   Beschäftigung

7.1

Die Kommission schreibt, Energie aus EE sei ein „nah verwandter Ersatz für herkömmliche Energie und wird über dieselbe Infrastruktur und Logistik bereitgestellt“. Für den EWSA ist diese Aussage ein zentraler Trugschluss: EE aus dezentralen Strukturen unterscheiden sich zum Teil diametral von „herkömmlichen“ Energien, die eher aus zentral organisierten Großstrukturen stammen.

7.2

Eine Agro-Kraftstoffstrategie, die auf Energieimporten und der Beimischung zu Diesel- und Ottokraftstoffen basiert, nutzt die „herkömmlichen“, sprich: zentral organisierten Strukturen global agierender Mineralölkonzerne. Sie zementiert damit deren Produktions- und Verteilungsstrukturen, was durchaus im Interesse der Mineralölwirtschaft ist. Sie schafft aber in Europa kaum neue Arbeitsplätze (11).

7.3

Setzt man hingegen auf den energieeffizienteren Einsatz beispielsweise von Holzhackschnitzeln zur Wärme- oder Stromproduktion, oder auf reine Pflanzenöle aus regionalem Anbau bzw. eine Biogasversorgung von Fahrzeugen oder Gebieten ohne Erdgasnetz, auf dezentrale Solartechnologien etc., so sind neue, regional organisierbare Herstellungs- und Vertriebswege möglich, die große Arbeitsplatzpotenziale eröffnen.

7.4

Bei der Solarthermie und der dezentralen Anwendung der Photovoltaik stellen die (Energie) Verbraucher einen Großteil ihrer benötigten Energie selbst her, was auch Beweis dafür ist, dass eine auf EE basierende Energieversorgung durchaus anders organisiert ist als die jetzige Energieversorgungsstruktur.

7.5

Auch andere Maßnahmen, z.B. zur Erhöhung der Energieeffizienz und des Energiesparens, können schon in der Bauphase Hunderttausende von Arbeitsplätzen in kleinen und mittleren Unternehmen schaffen. Gebäudeisolierungen, die Installation von Solar- und Windkraftanlagen oder der Bau von Biogasanlagen sind Beispiele hierfür. Die Politik hat Sorge dafür zu tragen, dass genau diese Potentiale auch erschlossen werden, die in der Richtlinie vorgesehene Agro-Kraftstoffstrategie ist nicht der effizienteste Weg.

7.6

Das heißt: auch was die Frage der Arbeitsplätze angeht ist eine sehr genaue und viel differenziertere Betrachtung der unterschiedlichen EE zwingend nötig. In der Tat können EE regionale Wirtschaftsstrukturen fördern und unterstützen, sie können aber andererseits auch dazu beitragen, zentrale Großstrukturen zu verfestigen.

7.7

Gleiches gilt im übrigens für die Länder, in denen die Biomasse für die Agro-Kraftstoffe angebaut werden. Das für die Entwicklungshilfe zuständige Bundesministerium in Deutschland kommt in einem Diskussionspapier mit dem Titel „Entwicklungspolitische Positionierung zu Agrartreibstoffen“ vom März 2008 zu dem Ergebnis, dass für die ökonomische, ökologische und soziale Entwicklung in den Entwicklungsländer eine Strategie der exportorientierten Massenproduktion von Biomasse „als Reaktion auf die stark gestiegene Nachfrage aus Industrieländern mit hohen Risiken verbunden ist und keine Arbeitsplätze schafft“, während Biomasse für die dezentrale Energieversorgung unter Einbeziehung kleinbäuerlicher Produktion generell eher positiv zu bewerten ist.

8.   Anmerkungen zu Nachhaltigkeitskriterien

8.1

Der EWSA begrüßt, dass die Kommission plant, Nachhaltigkeitskriterien auch für die Produktion von Agro-Kraftstoffen einzuführen. Das ist ein wichtiger Schritt nach vorn, er hält allerdings den vorgelegten Vorschlag für absolut unzureichend.

8.2

Die Kommission selbst betont immer wieder, wie wichtig in der Nachhaltigkeitspolitik die Balance zwischen der wirtschaftlichen, der ökologischen und der sozialen Säule ist. Doch allein aufgrund der totalen Ausklammerung sozialer Fragen bei den genannten Kriterien ist der EWSA der Auffassung, dass der Richtlinienvorschlag keinesfalls die Umsetzung einer durchdachten Nachhaltigkeitsstrategie bzw. -kriterien für Agro-Kraftstoffe darstellt. Der Richtlinienvorschlag muss in diesem Punkt vielmehr vollständig überarbeitet werden.

8.3

Wichtig wäre dem EWSA dabei, dass wegen der indirekten Landnutzungsänderungen wirksame ökologische und soziale Kriterien nicht nur für die Agro-Kraftstoffe erstellt werden, sondern für alle Agrarimportprodukte, inkl. der Futtermittel.

8.4

Es ist auch eine Illusion zu glauben, mit der Festlegung eines Stichtages (hier: Januar 2008) könnten z.B. Urwald- oder Torfflächen davor bewahrt werden, für Zwecke der Agro-Kraftstoffproduktion umgewandelt zu werden. Dies würde sowohl ein funktionierendes Katastersystem als auch ein funktionierendes Verwaltungs- und Kontrollsystem voraussetzen. Beides ist — wie die Erfahrung zeigt — in den meisten der Schwellen- und Entwicklungsländer nicht gegeben.

8.5

Der EWSA hält die Kriterien, die in Artikel 15 Absatz 3 und 4 aufgelistet sind, um die biologische Vielfalt zu erhalten und um zu vermeiden, dass nicht Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand in Nutzung genommen werden, für unzureichend. Für die Erhaltung der biologischen Vielfalt sind weit mehr als nur die in Absatz 3 unter a) bis c) genannten Flächen von Bedeutung. Gleiches gilt für Artikel 4 a) und b) in Bezug auf Kohlenstoffbestände.

8.6

In Anhang VII Teil B listet die Kommission „geschätzte typische Werte und Standardwerte für künftige Biokraftstoffe“ auf, die noch nicht oder nur in vernachlässigbaren Mengen auf dem Markt sind. Der EWSA vertritt die Meinung, dass man nicht mit Schätzwerten, sondern nur mit belegbaren Werten arbeiten sollte.

Brüssel, den 17. September 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Siehe Ziffer 3.5.

(2)  Die Notwendigkeit von ökologischen und sozialen Nachhaltigkeitskriterien für Agro-Kraftstoffe hat der EWSA bereits in den Stellungnahmen „Fortschrittsbericht Biokraftstoffe“, TEN/286 — CESE 1449/2007, ABl. C 44 vom 16.2.2008, S. 34, und „Verringerung der Treibhausgasemissionen/Straßenverkehr“, NAT/354 — CESE 1454/2007 deutlich gemacht.

(3)  Im Richtlinienentwurf wird offiziell der Begriff „Biokraftstoffe“ verwendet. Der EWSA hat in verschiedenen Stellungnahmen auf viele ökologische Probleme hingewiesen, die von diesen „Bio“Kraftstoffen ausgehen. Da die Silbe „bio“ suggeriert, es handele sich um ein ökologisch einwandfreies Produkt (vgl. „bio“logischer Landbau), verwendet der EWSA in seiner Stellungnahme anstelle des Begriffes „Biokraftstoff“ den neutraleren Begriff „Agro-Kraftstoff“.

(4)  Im Richtlinienentwurf heißt es „Es wird […] jedem Mitgliedstaat nahe gelegt, bis 2020 einen Anteil von mindestens 10 % Energie aus erneuerbaren Energiequellen (vor allem Biokraftstoffe) im Verkehrssektor zu erreichen […].“

(5)  oder den Verbrauchern eines Staates.

(6)  Wenn hier von CO2-Vermeidungskosten gesprochen wird sind CO2-Äquivalente gemeint.

(7)  Quelle: „Nutzung von Biomasse zur Energiegewinnung — Empfehlungen an die Politik“, Wissenschaftlicher Beirat Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, verabschiedet im November 2007.

(8)  Gemeinsame Forschungsstelle der Europäischen Kommission: „Biofuels in the European Context: Facts, Uncertainties and Recommendations“, 2008,

http://ec.europa.eu/dgs/jrc/downloads/jrc_biofuels_report.pdf (nur auf EN verfügbar).

(9)  EMPA ist eine Forschungsinstitution für Materialwissenschaften und Technologie. Sie ist Teil der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH). Quelle: Ökobilanz von Energieprodukten: Ökologische Bewertung von Biotreibstoffen. Schlussbericht, April 2007. Im Auftrag des Bundesamtes für Energie, des Bundesamtes für Umwelt und des Bundesamtes für Landwirtschaft; Empa, Abteilung Technologie und Gesellschaft, St. Gallen: R. Zah, H. Böni, M. Gauch, R. Hischier, M. Lehmann, P. Wäger;

Download: http://www.news-service.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/8514.pdf

(10)  Siehe auch die Stellungnahme zum Thema „Erneuerbare Energieträger“ (TEN/211 — CESE 1502/2005 vom 15. Dezember 2005, Berichterstatterin: Frau SIRKEINEN, Ziffer 3.3.1).

(11)  Siehe auch die bereits erwähnte Studie der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission: „Biofuels in the European Context: Facts, Uncertainties and Recommendations“, 2008,

http://ec.europa.eu/dgs/jrc/downloads/jrc_biofuels_report.pdf (nur auf EN verfügbar).


31.3.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 77/49


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Unterstützung der frühzeitigen Demonstration einer nachhaltigen Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen“

KOM(2008) 13 endg.

(2009/C 77/13)

Die Europäische Kommission beschloss am 23. Januar 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Unterstützung der frühzeitigen Demonstration einer nachhaltigen Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen“

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 16. Juli 2008 an. Berichterstatter war Herr SIMONS.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 447. Plenartagung am 17./18. September 2008 (Sitzung vom 17. September) mit 143 gegen 3 Stimmen bei 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss befürwortet die in der Kommissionsmitteilung dargelegten Maßnahmen zur Förderung der Demonstration von CO2-Abscheidung und -Lagerung (CCS) in Kraftwerken, hegt jedoch Bedenken angesichts mangelnder Finanzierungskapazitäten und klarer Finanzierungsoptionen auf mittlere (2010-2020) und lange (2020 und darüber hinaus) Sicht.

1.2

Die fehlende Finanzierungskapazität der Europäischen Kommission kann teilweise mit Einnahmen aus dem Europäischen Emissionshandelssystem (EU-EHS), z.B. aus der Versteigerung von Emissionsrechten seitens der Stromerzeuger nach 2013, kompensiert werden. Bislang wurde auf EU-Ebene kein spezifisches Finanzierungsschema einschl. der erforderlichen Sicherheiten vorgeschlagen.

1.3

Der finanzielle Rahmen muss bis spätestens Ende 2009 feststehen. Nur so kann eine finanzielle Grundlage für die Vorbereitung von CCS-Demonstrationsprojekten in großem Maßstab sichergestellt werden, die 2015 Betriebsreife erreichen sollen.

1.4

Einnahmen aus dem EU-EHS sollten ab 2013 in den Mitgliedstaaten im Rahmen der Durchführung der überarbeiteten EHS-Richtlinie zusammengeführt werden.

1.5

Der Vorschlag der Europäischen Kommission für nationale EU-EHS-Versteigerungen in Verbindung mit der Auflage, einen Anteil von 20 % der Gesamteinnahmen für Maßnahmen zur Verringerung des CO2-Ausstoßes aufzuwenden, ist absolut unzureichend und kommt einer Vergeudung von Finanzmitteln gleich. Die Mitgliedstaaten sollten ausdrücklich dazu angehalten werden, ihre Standpunkte zu den Einnahmen aus dem EU-EHS grundlegend zu überdenken und die gesamten Einnahmen aus diesem System für CO2-arme und CO2-freie Technologien mit einem besonderen Schwerpunkt auf CCS aufzuwenden. Auf diese Weise könnten die Millionenbeträge, die der Europäischen Kommission derzeit fehlen, die jedoch zur Förderung der frühzeitigen Demonstration der CCS-Technologie in großem Maßstab erforderlich sind, aufgebracht werden.

1.6

Die Europäische Kommission sollte einen Plan ausarbeiten, in dem die Struktur und die Rolle der Europäischen Industrieinitiative festgelegt sind. Es muss sichergestellt werden, dass sich diese Initiative nicht mit anderen Initiativen wie Vorhaben, die im Siebten F&E-Rahmenprogramm finanziert werden, der Europäischen Technologieplattform für das mit fossilen Brennstoffen betriebene emissionsfreie Kraftwerk (ETP-ZEP) und dem europäischen Vorzeigeprogramm überschneidet, sondern diese ergänzt.

1.7

Der Ausschuss stimmt der Notwendigkeit zu, dass es einer gemeinsamen Infrastruktur für Transport und Speicherung von CO2 bedarf. Mit einem europaweiten Transportsystem muss die Einbindung derjenigen Mitgliedstaaten sicherstellt werden, die selbst nicht in der Lage sind, derartige Speichereinrichtungen zu bauen.

1.8

Aufgrund der Bedeutung des Transports als grundlegender Bestandteil des Aufbaus einer CCS-Infrastruktur in großem Maßstab sollte die Abkürzung CCTS (Carbon Capture, Transport and Storage, d.h. Berücksichtigung des Aspekts Transport) verwendet werden.

2.   Hintergrund (1)

2.1

Die Entwicklung der gesamten Wertschöpfungskette von CCS, mit Abscheidung, Transport und Speicherung von CO2, steckt noch in einer frühen, teilweise zunächst noch exploratorischen Phase. Demgegenüber geht die Steigerung der Wirkungsgrade konventioneller Kraftwerkstechnik sukzessive voran. In Anbetracht des dringenden Ersatzbedarfes an Kraftwerkskapazitäten in der nächsten Dekade empfiehlt der Ausschuss ein pragmatisches Vorgehen, bei dem beide Technologien nebeneinander weiterentwickelt und eingesetzt werden. Während die Entwicklung höherer Wirkungsgrade weitgehend marktgetrieben stattfinden kann, benötigen die CCS-Technologien — Kraftwerke ebenso wie Infrastrukturen — in der Demonstrations- und Markteinführungsphase zusätzliche Unterstützung.

2.2

Die CCS-Technologie wird in zwei Entwicklungspfaden verfolgt: als integrierte Kraftwerkstechnologie, bei der das CO2 vor dem Verbrennungsprozess abgeschieden wird und als „Post-combustion“-Technologie, bei der das CO2 aus dem Rauchgas nach der Verbrennung ausgewaschen wird (CO2-Wäsche). Letztere Methode ist bei entsprechender Weiterentwicklung geeignet, bereits heute entstehende und hocheffiziente neue Kraftwerke nachzurüsten, sofern diese dementsprechend („capture ready“) ausgelegt werden. Beiden Technologiepfaden gemeinsam ist, dass das abgeschiedene CO2 vom Standort des Kraftwerks einem geeigneten Speicherort zugeführt werden muss.

2.3

Für die gesellschaftliche und politische Akzeptanz ist die Frage einer sicheren und langfristigen Speicherung von CO2, die schlussendlich wichtigste Umweltfrage im Zusammenhang mit dieser Technologie, von entscheidender Bedeutung (2).

2.4

Auf ihrem Gipfeltreffen am 9. Juni 2008 im japanischen Aomori haben sich die G8-Staaten darauf geeinigt, 20 CCS-Demonstrationsprojekte bis 2010 auf den Weg zu bringen, um die Technologieentwicklung und die Kostensenkung für eine weite Verbreitung von CCS ab 2020 voranzubringen.

2.5

Auf diesem Gipfel waren das Vereinigte Königreich, Kanada, Italien, Japan, Frankreich, Deutschland, Russland, die Vereinigten Staaten, China, Indien und Südkorea vertreten.

2.6

Zur Bekräftigung des Engagements der G8 für CCS hat sich das US-amerikanische Energieministerium zur Bereitstellung von Finanzmitteln für die Aufnahme der CCS-Technologie in zahlreiche gewerbsmäßige integrierte Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke oder weitere Kraftwerke, in denen fortgeschrittene saubere Kohletechnologie zum Einsatz kommt, im Rahmen seines FutureGen-Programms verpflichtet. Die Vereinigten Staaten finanzieren auch sieben regionale Partnerschaften zur CO2-Sequestrierung, um die Wirksamkeit der langfristigen geologischen Speicherung von CO2 in großem Maßstab aufzuzeigen.

2.7

Die Verlautbarungen der G8 zu CCS stehen im Einklang mit den Empfehlungen der Internationalen Energieagentur (IEA), die CCS-Technologie als Teil des Maßnahmenpakets zur Halbierung der Treibhausgasemissionen bis 2050 zu nutzen.

3.   Wesentlicher Inhalt des Kommissionsvorschlags

3.1

Technologien zur CO2-Abscheidung und -Lagerung (CCS) kommt im Rahmen der Palette vorhandener und aufkommender Technologien, durch die die CO2-Emissionen so weit verringert werden könnten, dass die über 2020 hinaus reichenden Zielwerte erreichbar werden (3), entscheidende Bedeutung zu.

3.2

Die breite Anwendung der CCS in Kraftwerken kann in 10 bis 15 Jahren rentabel sein, womit CCS 2020 oder wenig später als wichtiges Instrument zur Beseitigung der CO2-Emissionen in der Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen eine eigenständige Rolle im Rahmen eines auf dem Emissionshandel beruhenden Systems (EHS) spielen könnte.

3.3

Dies wird jedoch nicht möglich sein, wenn die erforderlichen vorbereitenden Schritte nicht unverzüglich unternommen werden. Eine frühzeitige Demonstration wird insbesondere in Bezug auf die Anpassung der weltweit bereits entwickelten und für andere Anwendungen eingesetzten CCS-Technologien an den umfassenden Einsatz bei der Stromerzeugung erforderlich sein.

3.4

Der Europäische Rat stimmte im März 2007 der Absicht der Europäischen Kommission zu, Bau und Inbetriebnahme von bis zu 12 Demonstrationskraftwerken für nachhaltige Technologien zur kommerziellen Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen bis 2015 zu fördern, und bekräftigte diese Zustimmung im März 2008.

3.5

In Ergänzung des Vorschlags der Kommission für eine Richtlinie über die geologische Speicherung von Kohlendioxid zur Schaffung eines rechtlichen Rahmens für CCS in der EU sollen mit dieser Mitteilung die Arbeiten im Zusammenhang mit CCS vorangebracht und eine Struktur zur Koordinierung und Unterstützung von CCS-Demonstrationsvorhaben in großem Maßstab eingeführt und die Voraussetzungen für mutige industrielle Investitionen in eine Reihe von Anlagen geschaffen werden.

3.6

Es ist unbedingt notwendig, dass die Bemühungen auf europäischer Ebene im Zusammenhang mit der CCS-Demonstration so bald wie möglich beginnen, und zwar in einem integrierten politischen Rahmen, der gezielte FuE sowie Maßnahmen zur Information der Öffentlichkeit und zur öffentlichen Akzeptanz umfasst. Laut Europäischer Kommission könnte eine Verzögerung um 7 Jahre bei der Demonstration und eine entsprechend verspätete Einführung der CCS auf globaler Ebene bedeuten, dass bis 2050 weltweit über 90 Gt vermeidbarer CO2-Emissionen zu verzeichnen wären (4), was dem über Zwanzigfachen der derzeit jährlich in der EU insgesamt freigesetzten CO2-Emissionen entspräche.

3.7

Eindeutige Zusagen der europäischen Industrie, die durch Anreize und Garantien seitens der Europäischen Kommission unterstützt werden, sind unerlässlich, wenn Beiträge aus öffentlichen Mitteln erfolgen sollen. Insbesondere die Mitgliedstaaten, die die Kohle in ihrem künftigen Energiemix beibehalten wollen, sollten Maßnahmen zur Unterstützung einer frühzeitigen Demonstration der CCS ergreifen.

3.8

Es werden zwei Haupthindernisse angeführt:

Rechtliche und sicherheitstechnische Hindernisse: Diese können rechtzeitig und ohne erhebliche Zusatzkosten beseitigt werden. Sobald ein Rechtsrahmen für die Risikominimierung besteht, können die rechtlichen Hindernisse angegangen werden.

Wirtschaftliche Hindernisse: Die Kosten für CCS werden 2020 schätzungsweise 35 EUR/Tonne CO2 betragen; diese könnte, so der allgemeine Tenor, ohne Weiteres durch den Wert der Emissionsrechte gedeckt werden.

In der Kommissionsmitteilung wird ferner angeführt, dass die EU bei der Gestaltung internationaler Regelungen eine führende Rolle übernehmen kann.

3.9

Mit der Europäischen Industrie-Initiative sollten die Anstrengungen der Marktvorreiter in einem Netz für CCS-Demonstrationsprojekte zusammengeführt werden. Dieses Netz sollte dazu dienen, Informationen und Erfahrungen austauschen, die Bürger zu sensibilisieren und Maßnahmen zur Schaffung einer umfassenden CCS-Wertkette anzustoßen. Ferner sollten mit dieser Europäischen Industrie-Initiative nationale und internationale Fördermittel angelockt werden.

3.10

Die Europäische Kommission hält fest, dass sie nur eine Mindestunterstützung bereitstellen kann und ihre Bemühungen daher darauf abstellt, die Finanzierung durch die Marktvorreiter selbst sowie durch öffentliche Mittel seitens der Mitgliedstaaten und internationalen NGO zu mobilisieren.

3.11

Es werden drei Aktionsfelder festgelegt:

Mobilisierung der Marktvorreiter durch das „Vorzeigeprogramm“ und Schaffung eines echten kommerziellen Nutzens;

Bereitschaft der Europäischen Kommission, im Einzelfall Beihilfen und andere Präferenzmaßnahmen seitens der Mitgliedstaaten zu genehmigen;

Mobilisierung von Finanzmittel auf EU-Ebene: eine spezifische Initiative der Europäischen Kommission mit der EIB zur Entwicklung einer Fazilität für Finanzierungen auf Risikoteilungsbasis.

Außerdem betont die Europäische Kommission, dass die politischen Entscheidungsträger umso eher die Möglichkeit verbindlicher Maßnahmen in Erwägung ziehen werden müssen, je länger es dauert, bis die Industrie mit der Übernahme der CCS-Technologie beginnt.

3.12

Die Notwendigkeit einer gemeinsamen Infrastruktur für Transport und Speicherung von CO2 wird ebenfalls angegangen. Die Überarbeitung der TEN-E-Leitlinien einschl. CCS ist vorgesehen.

4.   Hintergrund zur Befassung durch die Europäische Kommission

4.1

Als Folge der den Klimaschutz und die Energie-Versorgungssicherheit betreffenden Ratsbeschlüsse vom März 2007 hat die Kommission — in Form separater Dokumente — ein ganzes Bündel von Maßnahmen vorgeschlagen, um die in den Ratsbeschlüssen formulierten Ziele zu erreichen. Der Schwerpunkt der Maßnahmen betrifft Energieeffizienz, den Ausbau erneuerbarer Energieträger sowie die Entwicklung und Anwendung dementsprechender innovativer Technologien. Hierzu hat der Ausschuss jeweils spezifische Stellungnahmen erarbeitet (5).

4.2

In diesem Rahmen spielen auch jene Verfahren eine wichtige Rolle, mit denen die Emissionen von Treibhausgasen, die bei der Nutzung fossiler Energieträger entstehen, nachhaltig reduziert werden sollen. Darum geht es in der vorliegenden Stellungnahme.

4.3

Die vorliegende Stellungnahme wird ergänzt durch eine der gleichen Technik gewidmete Stellungnahme des Ausschusses (6) zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die geologische Speicherung von Kohlendioxid“.

5.   Allgemeine Bemerkungen

5.1

In ihrer Mitteilung betont die Europäische Kommission wiederholt, dass es für die erfolgreiche Durchführung ihrer Vorhaben von grundlegender Bedeutung ist, frühzeitig zu demonstrieren, dass das EU-EHS eine Schlüsselrolle einnehmen wird und Raum für einen „echten kommerziellen Nutzen“ besteht. Das EU-EHS verspricht ganz klar einen echten kommerziellen Nutzen für Marktvorreiter. Allerdings wird dies zu spät kommen, sollte die Europäische Kommission bis Ende 2009 keine klaren und endgültigen Bestimmungen für das EU-EHS nach 2012 vorlegen.

Die Industrie muss bis Ende 2009 über eine solide Grundlage für Investitionsentscheidungen verfügen, um Entwurf und Ausführung der ersten CCS-Standorte in Angriff zu nehmen, die 2015 in Betrieb gehen sollen. Dieser Aspekt wurde nicht deutlich genug hervorgehoben, insbesondere in Anbetracht der fehlenden Klarheit in Bezug auf das EU-EHS und der vagen Forderungen der Europäischen Kommission an die Industrie und die Mitgliedstaaten, wodurch die Finanzierung nach wie vor in der Luft hängt.

5.2

Das EU-EHS ist ein wichtiger Handelsplatz für Kohlenstoff und könnte sich durchaus als sehr effizient erweisen, sofern das System klar auf die Festlegung eines Preises für Emissionsrechte ausgelegt ist, der die durch kohlenstoffeffiziente Maßnahmen entstehenden Zusatzkosten deutlich übersteigt. Gibt die Europäische Kommission keine klaren Modalitäten für die Versteigerungen sowie einen angemessenen Einsatz der dadurch erzielten Einnahmen vor und übernimmt sie keine Überwachungsfunktion, werden potenzielle Investoren angesichts der zu großen Unwägbarkeiten wohl eher eine abwartende Haltung einnehmen.

5.3

Eine gemeinsame europäische Infrastruktur für Transport und Speicherung von CO2 würde die Umsetzung von CCS in großem Maßstab in Europa eindeutig erleichtern. Einige Mitgliedstaaten sind vielleicht nicht in der Lage, selbst Speichereinrichtungen zu bauen (7). Wo immer möglich sollte auf bestehende, allerdings nicht mehr genutzte Infrastruktur zurückgegriffen oder eine neue Infrastruktur in andere Einrichtungen eingegliedert werden. Um dem wichtigen Aspekt Transport Rechnung zu tragen, schlägt der Ausschuss sogar vor, die Abkürzung CCTS (Carbon Capture, Transport and Storage) zu verwenden, obgleich die Abkürzung CCS bereits international be- und anerkannt ist.

5.4

Die Europäische Kommission erlegt den Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der Finanzierung der CCS eine erhebliche Belastung auf, da sie in ihrem Haushalt über keinerlei Spielraum für einen signifikanten Beitrag ihrerseits verfügt. Da dieses Thema für die EU von großer Bedeutung ist und es eine Überwachung auf Gemeinschaftsebene geben muss, um den Erfolg der Demonstrationsprojekte sicherzustellen, sollte die Europäische Kommission sich viel stärker als bisher geplant an der Finanzierung von CCS-Vorhaben beteiligen. Diese Finanzierung sollte gegebenenfalls durch Beiträge der Mitgliedstaaten ergänzt werden (8).

5.4.1

Die Versteigerung von Emissionsrechten im EU-EHS bietet Gelegenheit, die unzureichende Finanzierung seitens der Europäischen Kommission anzugehen. Derzeit werden nur 20 % der Einnahmen für die Förderung von CO2-armen und CO2-freien Technologien aufgewendet. Die Mitgliedstaaten sollten ausdrücklich dazu angehalten werden, ihre Standpunkte zu den Einnahmen aus dem EU-EHS grundlegend zu überdenken und die gesamten Einnahmen aus diesem System für CO2-arme Technologien bereitzustellen mit einem besonderen Schwerpunkt auf CCS (9). Auf diese Weise könnten die Millionenbeträge, die der Europäischen Kommission derzeit fehlen, die jedoch zur Förderung der frühzeitigen Demonstration der CCS-Technologie in großem Maßstab erforderlich sind, aufgebracht werden.

5.4.2

Der Ausschuss hat außerdem bereits den Vorschlag unterbreitet, die im Siebten F&E-Rahmenprogramm für das Energiewesen zur Verfügung gestellten Mittel erheblich, und zwar um 15 %, aufzustocken, was einer Erhöhung des in Forschung und Entwicklung investierten BIP-Anteils von 2 auf 3 % gleichkommt. Auf diese Weise könnte ein echter Beitrag zur Förderung der CCS-Demonstration über dieses Rahmenprogramm erzielt werden.

5.4.3

In diesem F&E-Rahmenprogramm werden zahlreichen Maßnahmen gefördert, die ebenfalls der Vorbereitung von Demonstrationsprojekten in großem Maßstab dienen. Die einzelnen Maßnahmen sollten klar an die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Förderung der Demonstration gekoppelt sein.

5.5

Die Frage, wie die Europäische Industrie-Initiative sich in die zahlreichen sonstigen Maßnahmen und Initiativen der Europäischen Kommission einreiht, wird übergangen (10). Um einen integrierter Ansatz sicherzustellen, müssen die geplanten Maßnahmen aufgelistet werden.

5.6

Es ist davon auszugehen, dass die Entwicklung und die Umsetzung der CCS-Technologie umfangreiche positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in Europa mit sich bringen werden. Einige wichtige CCS-Ausstattungs- und Transportinfrastrukturunternehmen sind in Europa ansässig. Sie entwickeln beispielsweise Ausrüstung und Pipelines, die sie dann bei der weltweiten Nutzung von CCS vermarkten und installieren würden. Europa könnte seine weltweite Führungsrolle in Bezug auf CCS durch eine erfolgreiche frühzeitige Demonstration der CCS-Technologie in großem Maßstab in Europa noch weiter festigen (11).

5.7

Der Ausschuss schlägt vor, den Begriff „nachhaltige“ fossile Brennstoffe durch „saubere“ fossile Brennstoffe zu ersetzen. Nachhaltig trifft eher auf Sonnen- und Bioenergie denn auf CCS-Technologien zu, einer Brückentechnologie, die die „saubere“ Nutzung von fossilen Brennstoffen ermöglicht, bis der Wandel hin zu einer nachhaltigen Energieversorgung erfolgreich abgeschlossen ist.

5.8

Wie nachstehend erläutert gibt es bereits umfangreiche Erfahrungen mit der Machbarkeit einer sicheren CO2-Speicherung:

i)

Erdgaslagerstätten: Deckschichten erwiesenermaßen undurchlässig für Erdgas; Potenzial für Ausbeutesteigerung von Erdgaslagerstätten (enhanced gas recovery — EGR) noch nachzuweisen;

ii)

Erdöllagerstätten: Deckschichten erwiesenermaßen undurchlässig für Erdöl; im Südwesten der Vereinigten Staaten seit Mitte der 70er Jahre als Begleitmaßnahme zur Erdölförderung (enhanced oil recovery — EOR) angewendet;

iii)

Aquifere: hohes Potenzial, mit allerdings großen Unwägbarkeiten; speicherstättenspezifische Bewertung erforderlich, langjährige positive Erfahrung mit dem Sleipner-Gasfeld im norwegischen Sektor der Nordsee in Verbindung mit dem salinaren Utsira-Aquifer;

iv)

Kohleflöze: interessante Nische für die Speicherung von CO2 in Kombination mit der gleichzeitigen Entnahme von Flözgas (enhanced coal bed methane — ECBM); dies befindet sich allerdings noch im Forschungsstadium;

v)

Bei Demonstrationsvorhaben in großem Maßstab muss aufgezeigt und belegt werden, dass die CO2-Speicherung u.a. in Gaslagerstätten genauso sicher wie die Erdöl- und Erdgasförderung aus derartigen Lagerstätten ist. Der Ausschuss fordert die Europäische Kommission auf, angemessene Maßnahmen zur Unterrichtung der Bürger zu treffen.

6.   Besondere Bemerkungen

6.1

Der Ausschuss unterstützt die in der Kommissionsmitteilung dargelegten Maßnahmen zur Förderung der Demonstration von CCS in Kraftwerken, möchte im Folgenden jedoch eine Reihe von besonderen Bemerkungen vorbringen.

6.1.1

Die Europäische Kommission sollte eine Strategie ausarbeiten, um sicherzustellen, dass die Europäische Industrie-Initiative sich nicht mit dem europäischen Vorzeigeprogramm und der Europäischen Technologieplattform für das mit fossilen Brennstoffen betriebene emissionsfreie Kraftwerk (ETP-ZEP) überschneidet. Diese Initiativen sollten sinnvoll koordiniert werden und einander ergänzen.

6.1.2

Die Europäische Kommission verfolgt in ihrer Mitteilung die „Ausweitung der Europäischen Industrie-Initiative [für CCS] über den Gegenstandsbereich eines Projektnetzes hinaus“. Das Ziel dieser Aussage ist unklar. Ferner wird auch betont, dass die erforderlichen Finanzmittel erst noch aufgebracht werden müssen. Welchen zusätzlichen Nutzen würde eine derartige Ausweitung bringen, und wie reiht sie sich in die oben genannten Maßnahmen für CCS ein?

6.2

Der Ausschuss spricht sich gegen den Vorschlag für die Mobilisierung der Finanzmittel für CCS aus, da er nicht weit genug geht.

6.2.1

Die Europäische Kommission schlägt einen fallweisen Ansatz vor, bei dem sie für ihr unterbreitete nationale Initiativen festlegen würde, welche Art von Beihilfen und sonstigen Maßnahmen der Mitgliedstaaten zulässig sind. Um den Erfolg der Demonstrationsprojekte im europäischen Vorzeigeprogramm sicherzustellen, sollte die Europäische Kommission eine grundlegende Koordinierungs- und Überwachungsfunktion einnehmen, das heißt, die Verantwortung für die allgemeine Finanzierung übernehmen. Diese Finanzierung seitens der Europäischen Kommission könnte dann durch spezifische Beiträge der betreffenden Mitgliedstaaten ergänzt werden, die wiederum als zulässige staatliche Beihilfen anerkannt werden. Gleichzeitig müsste sich auch die Industrie zur Finanzierung und Durchführung verpflichten.

6.2.2

Sollte die Europäische Kommission — unter bestimmten Bedingungen — anteilig zu den spezifischen Beiträgen der Mitgliedstaaten eine EU-Kofinanzierung garantieren, könnte dies ein Anreiz für die nationalen Behörden sein. Mit einer derartigen vorab festgelegten Kofinanzierung könnte die Unsicherheit in Bezug auf die Finanzierung der Projekte zumindest teilweise beseitigt und ihre Entwicklung beschleunigt werden.

6.2.3

Die Mobilisierung der Finanzmittel für Demonstrationsprojekte durch die Nutzung neuer Finanzquellen ist an sich eine interessante Idee. Derartige Konzepte werden sich letztlich allerdings nur dann als wirksam erweisen, wenn das Risiko vertretbar und auch klar ist, wie diese langfristigen Zusatzkosten im Einzelfall abgedeckt werden können.

6.3

Der Ausschuss stimmt dem Standpunkt zu, dass die Einbindung von CCS in das EU-EHS einen wichtigen Impuls für die Konzipierung und Verwirklichung von Demonstrationsprojekten in großem Maßstab auf EU-Ebene gibt. Des Weiteren unterstreicht die Europäische Kommission in ihrer Mitteilung, dass Marktvorreiter einen „echten kommerziellen Nutzen“ erkennen können müssen.

6.4

Die Europäische Kommission hält allerdings fest, dass die Zusatzkosten im Einzelfall über das EU-EHS zumindest kompensiert werden sollten — wenn nicht sogar mehr. Beim heutigen Stand der Dinge kann dieses Szenario aus folgenden Gründen keinesfalls gewährleistet werden:

Die Zukunft des EU-EHS nach 2012 ist nach wie vor unklar;

Unter der Annahme, dass CCS in das EU-EHS aufgenommen wird, besteht nach wie vor Unsicherheit in Bezug auf die Bepreisung der Emissionsrechte. Insbesondere zu klären ist beispielsweise die Art, der Umfang und der Zeitpunkt der Versteigerungen in den Mitgliedstaaten im Rahmen der EU-weiten Höchstgrenzen oder der Einfluss des Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (Clean Development Mechanism — CDM).

Die tatsächlichen Kosten für CCS nach 2012 (frühzeitige Demonstration) und nach 2020 (Vermarktung) hängen in großem Maße von den Fortschritten in Forschung und Entwicklung und der Wirtschaftentwicklung ab (z. B. Kraftstoffpreis, Kosten für Entwurf und Ausführung).

6.5

Das EU-EHS bietet Marktvorreitern umfangreiche Möglichkeiten, sich gegenüber anderen Akteuren echte kommerzielle Vorteile zu verschaffen. Es bedarf jedoch weiterer Maßnahmen, um das EU-EHS in einen verlässlichen und langfristigen Handelsplatz umzuwandeln, der Marktvorreitern einen Wettbewerbsvorteil gegenüber später auf den Markt eintretenden Akteuren an die Hand gibt. Außerdem sollten Anstrengungen unternommen werden, um stärkere und womöglich unterschiedliche Marktimpulse zu schaffen.

Brüssel, den 17. September 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Siehe Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die geologische Speicherung von Kohlendioxid und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates sowie der Richtlinien 2000/60/EG, 2001/80/EG, 2004/35/EG, 2006/12/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006“, CESE 1203/2008 (NAT/401) — Ziffer 4.

(2)  Siehe insbesondere den Bericht der Internationalen Energie-Agentur (IEA), die Analyse „Energy systems analysis of CCS Technology; PRIMES model scenarios“ und die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die geologische Speicherung von Kohlendioxid und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates sowie der Richtlinien 2000/60/EG, 2001/80/EG, 2004/35/EG, 2006/12/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006“, CESE 1203/2008 (NAT/401) — Ziffer 5.3.2, 5.15.1 und 5.15.2.

(3)  Eine effizientere Verbrennung ist unbedingt notwendig, wird jedoch allein nicht ausreichen, um die erforderliche Verringerung der CO2-Emissionen zu erreichen.

(4)  Zusammenfassung der Folgenabschätzung.

(5)  Und zwar NAT/399, NAT/400 und NAT/401 sowie TEN/334, TEN/338 und TEN/341.

(6)  Siehe die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die geologische Speicherung von Kohlendioxid und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates sowie der Richtlinien 2000/60/EG, 2001/80/EG, 2004/35/EG, 2006/12/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006“ (KOM(2008) 18 endg. — 2008/0015 (COD)), CESE 1203/2008 (NAT/401).

(7)  Siehe die in Fußnote 2 erwähnte Analyse „Energy systems analysis of CCS Technology; PRIMES model scenarios“ mit den beigefügten einschlägigen Karten.

(8)  Es gibt jedoch noch andere Vorschläge zur Überbrückung dieser Finanzierungsprobleme — siehe den „EurActiv.com“-Artikel zum Thema „Financing woes plague EU Climate technologies“ vom Mittwoch, den 27. Februar 2008.

(9)  Im Europäischen Parlament werden derzeit Vorschläge erörtert, Einnahmen in Höhe von 60 bis 500 Mio. EUR aus dem EU-EHS für kommerzielle Demonstrationsvorhaben in großem Maßstab bereitzustellen (Änderungsvorschläge zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Verbesserung und Ausweitung des EU-Systems für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten“ (KOM(2008) 16 endg.)).

(10)  Hier sei u.a. auf das europäische Vorzeigeprogramm und die Europäische Technologieplattform für das mit fossilen Brennstoffen betriebene emissionsfreie Kraftwerk (ETP-ZEP) verwiesen.

(11)  Siehe den IEA-Bericht.


31.3.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 77/54


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die erste Bewertung der durch die Richtlinie 2006/32/EG über Energieeffizienz und Energiedienstleistungen vorgeschriebenen nationalen Energieeffizienz-Aktionspläne — Gemeinsame Fortschritte bei der Energieeffizienz“

KOM(2008) 11 endg.

(2009/C 77/14)

Die Europäische Kommission beschloss am 23. Januar 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die erste Bewertung der durch die Richtlinie 2006/32/EG über Energieeffizienz und Energiedienstleistungen vorgeschriebenen nationalen Energieeffizienz-Aktionspläne — Gemeinsame Fortschritte bei der Energieeffizienz“

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 16. Juli 2008 an. Berichterstatter war Herr IOZIA.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 447. Plenartagung am 17./18. September 2008 (Sitzung vom 17. September) mit 142 gegen 6 Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

In einigen kürzlichen Stellungnahmen zur Energieeffizienz im Allgemeinen (1) und zur Energieeffizienz von Gebäuden im Besonderen (2) hat sich der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss praktisch einstimmig nachdrücklich für eine seriöse Energieeffizienz-Politik ausgesprochen.

1.2

Der EWSA bedauert, dass die Mitgliedstaaten nicht schon frühzeitig nationale Energieeffizienz-Aktionspläne (NEEAP) aufgestellt haben. Leider werden — von wenigen Ausnahmen abgesehen — aus den analysierten Dokumenten auch keine ernsthaften und nachdrücklichen Bemühungen der Mitgliedstaaten zur Verwirklichung der Ziele ersichtlich. Dies gilt insbesondere für die Bereiche mit dem größten Energieverbrauch, nämlich motorisierter Individualverkehr und Wohnhäuser.

1.3

Lediglich zwei Mitgliedstaaten haben die Fristen eingehalten, andere 15 haben ihre Pläne mit zwei bis sechs Monaten Verspätung eingereicht, zwei zu dem Zeitpunkt, als die Bewertung der Kommission bereits abgeschlossen war, und die übrigen acht haben sich noch mehr verspätet. Erst Anfang April lagen sämtliche Pläne vor, das heißt, mit einer Verspätung von 10 Monaten gegenüber der Vorgabe.

1.4

Der EWSA stellt fest, dass nach den Energieeffizienzplänen im Rahmen der Programme der Kommission die Energieeinsparungen in erster Linie zu einer Verringerung der Treibhausgase führen sollen. Das Ziel einer Senkung des Energieverbrauchs bis zum Jahr 2020 um 20 % soll zu einer Verringerung der CO2-Emissionen um 780 Mio. t CO2-Äquivalente führen. Angesichts von Emissionen in Höhe von 5 294 Mio. t CO2-Äquivalente in der EU-25 im Jahr 2006 (Bericht 2006 der Europäischen Umweltagentur) liegt es auf der Hand, dass mit Hilfe der Energieeffizienz ein großer Beitrag dazu geleistet werden kann.

1.5

Der EWSA erinnert daran, dass für die Einhaltung einer Erwärmung von (nur) 2 °C die Konzentration der Treibhausgase (die derzeit ca. 425 ppm CO2-Äquivalent pro Jahr bezogen auf das Volumen beträgt) deutlich unterhalb des Grenzwerts von 550 ppm (3) bleiben muss. In Anbetracht dessen, dass die Konzentration jährlich um 2-3 ppm steigt, würde eine Stabilisierung auf 450 ppm mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % zur Erreichung des Ziels führen, die Zunahme der durchschnittlichen Erwärmung auf unter 2 °C zu halten.

1.6

Die Mitgliedstaaten haben himmelweit unterschiedliche Pläne verfasst. Es wurden solche mit 13 Seiten und solche mit 221 Seiten vorgelegt, was praktisch jeden Vergleich zwischen ihnen unmöglich macht. Viele Pläne wurden lediglich in der Landessprache verfasst, was ihr Verständnis noch weiter erschwert. Deshalb empfiehlt der EWSA die Annahme eines Modells wie dasjenige für das Vorhaben EMEES (Bewertung und Überwachung der EU-Richtlinie über EndEnergieeffizienz und Energiedienstleistungen), das in Zusammenarbeit mit dem „Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt, Energie“ durchgeführt wird.

1.7

So haben etwa die Mitgliedstaaten mit der Europäischen Umweltagentur ein Modell für die jährlichen Datenerhebungen namens NIR (National Inventory report) vereinbart. Der EWSA ist der Auffassung, dass diese Vorgehensweise gewählt werden könnte, vorausgesetzt, dass das Modell mit Hilfe von Anhängen für die einzelnen Maßnahmenbereiche (Gebäude, Verkehr usw.) flexibler gestaltet werden kann.

1.8

Der EWSA hält das Instrument „freiwillige Vereinbarungen“ mit den einzelstaatlichen Akteuren für sinnvoll, aber in ihnen muss deutlich gemacht werden, dass bei Nichterreichen der festgelegten Ziele verbindliche Regelungen eingeführt werden.

1.9

Im Übrigen trifft die Kommission bereits einige Maßnahmen, die sie im Jahr 2006 angekündigt hatte und die Energieeinsparungen verbindlich machen; so beabsichtigt sie, dem Beispiel Australiens folgend, Glühbirnen aus dem Markt zu nehmen, die 90 % der Energie für Wärme verbrauchen und nur 10 % in Licht umwandeln! Der EWSA hofft, dass die Hersteller Möglichkeiten zur Preissenkung von Fluoreszenzlampen finden und die staatlichen Institutionen der EU-Mitgliedländer die Ausweitung ihrer Herstellung fördern, dass die Energiesparlampen langlebiger und kompakter werden und die Probleme im Zusammenhang mit ihrer Verwertung gelöst werden.

1.10

Im nächsten Bericht der EEA, der bis Juni 2008 veröffentlicht werden soll, wird gezeigt, dass zwischen 2005 und 2006 eine Verringerung der Treibhausgase um 35,8 Mio. t CO2-Äquivalente stattfand; interessanterweise stammte der größte Beitrag dazu — mit 15,1 Mio. t CO2-Äquivalente — aus Wohnungen und Büros. Aber die Erzeugung von elektrischer Energie und Wärme hat zu einer Zunahme um 14 Mio. t CO2-Äquivalente geführt. Das heißt, aus dem Bericht geht hervor, dass in der EU-27 trotz der Verringerung lediglich eine Einsparung von weniger als 0,5 % gegenüber dem Jahr 1990 erfolgt ist und manche Mitgliedstaaten ihre Anstrengungen intensivieren müssen.

1.11

Die Liberalisierung des Energiemarktes könnte zu einer Beschleunigung der Energieeinsparungen führen, da sich auf dem Markt unterschiedlich effiziente Produktions- und Verteilsysteme gegenüberstehen, was die Forschung und Investitionen zu Senkungen der Energieverluste stimulieren könnte. Denn bereits bei der Erzeugung gehen mehr als 30 % der Energie verloren. Der EWSA hat kürzlich in einer Stellungnahme (4) die Vorschläge der Kommission zum dritten Energie-Legislativpaket unterstützt, mit dessen Hilfe der europäische Energiemarkt effizienter werden soll.

1.12

Der EWSA ist davon überzeugt, dass mehr als bisher getan werden muss und fordert, dass die Kommission ihn nach Abschluss der Bewertung der Aktionspläne ausführlicher über die Bewertungen unterrichtet und ihn mit einer Stellungnahme zu deren Ergebnissen befasst.

1.13

Der EWSA hat bereits mehrmals gefordert, die Zivilgesellschaft sowohl auf europäischer Ebene als auch in den Mitgliedstaaten einzubeziehen, weil er es für die Umsetzung der Energieeffizienzziele für unerlässlich hält, dass die europäischen Bürger sie genau kennen und sie voll unterstützen. Auch sind die Empfehlungen aus der Zivilgesellschaft zu berücksichtigen. Bei den Maßnahmen, die durchgeführt werden sollen, muss immer berücksichtigt werden, dass Millionen europäischer Bürger bereits Schwierigkeiten haben, ihren Lebensalltag zu bewältigen. Energieeinsparprogramme, die notwendigerweise zu Belastungen führen, müssen die Maßnahmen sorgfältig auswählen und angemessene Unterstützungen für die wirtschaftlich schlechter Gestellten vorsehen, die andernfalls wachsenden Belastungen aufgrund der steigenden Energiekosten ausgesetzt wären, ohne die Ursache der Kosten verringern zu können, wie etwa Heizkosten für ihre Wohnungen.

1.14

Der EWSA betont, dass die Initiativen zu Gunsten der Energieeffizienz konkret und durchführbar sein müssen und fragt sich, ob angesichts der Diskrepanz zwischen den Plänen und den konkreten Ergebnissen nicht ernsthaft erwogen werden sollte, zumindest einige Maßnahmen verbindlich zu machen, wie dies bei den Emissionen der Kraftfahrzeuge zur generellen Senkung von CO2, den Emissionen von Treibhausgasen und den erneuerbaren Energien geschehen ist.

1.15

In den nationalen Energieeffizienz-Aktionsplänen (NEEAP) wird nicht klar und deutlich angegeben, welche Maßnahmen und welche Mittel eingesetzt werden sollen, um die Endverbraucher an dem großen europäischen Vorhaben der Energieeffizienz und Energieeinsparungen zu beteiligen. Der EWSA hat mehrfach die wichtige Rolle der organisierten Zivilgesellschaft betont, die sie bei der Festlegung von vorbildlichen Verfahren für die Verbreitung von Informationen und exemplarischen Beispielen wahrnehmen kann. Der EWSA möchte diese Frage im Detail mit den europäischen Institutionen erörtern, die dafür nicht besonders engagiert und sensibilisiert zu sein scheinen.

1.16

Der EWSA schlägt der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten die Einrichtung eines eigenen integrierten Überwachungssystems vor, wie es zum Beispiel bei der Wasserschutzpolitik bereits besteht. Ein solches System ist dringend erforderlich, denn es fehlen Informationen und Folgenabschätzungen zu den Maßnahmen der Europäischen Union zur Energieeffizienz für die Endverbraucher (insbesondere die KMU), ferner eine Methode, mit der die Kohärenz zwischen den internationalen und den europäischen Zielen überprüft werden könnte, und schließlich eine Überwachung der von den Endverbrauchern erzielten Resultate.

1.17

In einigen Sektoren wie etwa dem sozialen Wohnungsbau besteht der Baubestand großenteils aus sehr alten und nicht energieeffizienten Wohngebäuden. Über 25 Millionen bewohnte Einheiten erfordern dringende und umfassende Maßnahmen. Der EWSA wünscht sich die Aufstellung von Renovierungsplänen für die staatlichen Wohnungen, die aus Mitteln der EIB zu finanzieren wären. Von solchen Maßnahmen ist in den NEEAP nirgendwo die Rede.

1.18

Nach Ansicht des EWSA kann mit Marktinstrumenten, ähnlich denjenigen, die bereits im Einsatz sind, ein beachtlicher Beitrag geleistet werden. Auch den Endverbrauchern den Markt für „Stromspar-Zertifikate“ („negawatts“) bzgl. der elektrischen Energieeffizienz zu eröffnen, könnte ein sinnvoller Anreiz für die Bürger sein, um sich umweltverträglich zu verhalten. Wenn man berücksichtigt, dass allein die Ersetzung der Glühbirnen Einsparungen erzielen würde, die mindestens 80 Kraftwerken von 1 000 MW entsprechen (etwa dem Gesamtwert der in Italien produzierten Kapazität), liegt das Interesse der Stromerzeuger an der Energieeffizienz auf der Hand: Sie können bei gleicher Energieerzeugung die Nachfrage von mehr Kunden decken.

1.19

Der EWSA hofft, dass wieder ein positiver Kurs eingeschlagen wird und die Mitgliedstaaten die Politik der Energieeffizienz und Energieeinsparung ernst nehmen und nationale Pläne entwickeln, die seriös, glaubwürdig und realistisch sind und messbare Zielgrößen enthalten. Auch muss angegeben werden, welche Finanzmittel die Mitgliedstaaten zur Verfügung stellen werden, um die erforderlichen Investitionen der Bürger und der Unternehmen angemessen zu unterstützen.

2.   Einführung

2.1

Mit ihrer Mitteilung über die erste Bewertung der nationalen Energieeffizienz-Aktionspläne unter dem Titel Gemeinsame Fortschritte bei der Energieeffizienz kommt die Kommission ihrer Verpflichtung aus der Richtlinie 2006/32/EG nach, die in Artikel 14 Absatz 5 die Veröffentlichung eines Berichts mit den Bewertungen der 27 nationalen Aktionspläne vor dem 1. Januar 2008 vorsieht. Ein zweiter Bericht soll vor dem 1. Januar 2012 und der dritte vor dem 1. Januar 2015 vorgelegt werden.

2.2

Die Ziele, auf die sich die Mitteilung bezieht, sind in derselben Richtlinie in Artikel 4 Absatz 1 aufgeführt, in dem es heißt: „Die Mitgliedstaaten legen für das neunte Jahr der Anwendung dieser Richtlinie einen generellen nationalen Energieeinsparrichtwert von 9 % fest, der aufgrund von Energiedienstleistungen und anderen Energieeffizienzmaßnahmen zu erreichen ist, und streben dessen Verwirklichung an“.

2.3

Die Kommission betont, dass lediglich zwei Mitgliedstaaten die vorgesehene Frist eingehalten haben (Finnland und Vereinigtes Königreich), weitere 15 ihre Berichte verspätet eingereicht haben (Österreich, Bulgarien, Zypern, Dänemark, Estland, Deutschland, Irland, Italien, Litauen, Malta, Niederlande, Polen, Tschechische Republik, Rumänien und Spanien), und Belgien und die Slowakei ihre nationalen Aktionspläne erst Ende 2007 vorgelegt haben, zu spät, um noch in das Dokument aufgenommen werden zu können.

3.   Die Mitteilung der Kommission

3.1

Aus der Prüfung der Pläne geht hervor, dass fünf Mitgliedstaaten Einsparungsziele festgelegt haben, die über die Richtwerte der Richtlinie hinausgehen; andere haben sogar weit höhere Ziele gesetzt, aber ohne jegliche offizielle Selbstverpflichtung. Von den 17 bewerteten Plänen decken sechs nicht den gesamten in der Richtlinie vorgesehenen Planungszeitraum, das heißt, sie erstrecken sich nicht bis zum Jahr 2016. Was die Vorbildfunktion des öffentlichen Sektors betrifft, wird Irland genannt, das ein bis 2020 zu erreichendes Einsparungsziel von 33 % beschlossen hat, und Deutschland, das sich verpflichtet hat, bis 2012 die CO2-Emissionen um 30 % zu reduzieren; das Vereinigte Königreich strebt für 2012 CO2-neutrale Gebäude der Zentralregierung an.

3.2

In dem Bericht werden landesweite Kampagnen genannt, wie etwa Power of One in Irland, die im Internet für den Austausch bewährter Praktiken zwischen Behörden und Privatpersonen eingerichtet wurde; Energieaudits der staatlichen Gebäude in Dänemark, mit verbindlicher Umsetzung der Empfehlungen; in Deutschland ein Sanierungsprogramm für Bundesgebäude, für die ein Betrag von 120 Millionen EUR bereitgestellt wird; in Malta die Ernennung von Öko-Beauftragten („green leaders“), d.h. Beamten, die sich in jedem Ministerium um die Energieeffizienz kümmern und Initiativen zur Förderung der Nutzung erneuerbarer Energien durchführen sollen.

3.3

Das Vereinigte Königreich setzt auf den Code for Sustainable Homes (Gesetz für nachhaltiges Wohnen und wendet Stufe 3 des Codes an, was eine 25-prozentige Verbesserung der Energieleistung gegenüber der Bauordnung von 2006 bedeutet. Österreich möchte die Gebäude des öffentlichen Sektors energieeffizienter gestalten als es die rechtlichen Bestimmungen verlangen, während Spanien die veralteten Straßenbeleuchtungssysteme durch effizientere Anlagen ersetzen und die Energieeffizienz bei der Trinkwasseraufbereitung und -versorgung erheblich verbessern will.

3.4

Polen und Finnland verpflichten den öffentlichen Sektor, Energieeinsparungen mindestens auf dem Niveau des nationalen Ziels zu realisieren, wie es bereits für städtische Gebäude gilt. Die Niederlande streben eine Vorreiterrolle an, indem bis zum Jahr 2010 die öffentlichen Ausschreibungen auf staatlicher Ebene zu 100 % und bei der Kommunal- und Regionalverwaltung zu 50 % auf der Grundlage von Nachhaltigkeitskriterien erfolgen sollen.

3.5

Die Politik steuerlicher Anreize wird für sehr wichtig gehalten. Deutschland und Österreich zielen auf die Energieeffizienz von Gebäuden, auf den ja 40 % des gesamten Endenergieverbrauchs entfallen; Litauen sieht die Einführung einer Senkung des Mehrwertsteuersatzes von 18 auf 9 % für Wohngebäude vor, die mit öffentlichen Mitteln finanziert werden. Die Niederlande beabsichtigen, für privatwirtschaftliche Unternehmen einen „Steuernachlass für Energieinvestitionen“ zu gewähren, während in Italien eine Regelung erarbeitet wurde, die einen Bruttosteuerabschlag von bis zu 55 % beim Kauf von Elektro-Haushaltsgeräten mit hoher Energieeffizienz (Kühlgeräte der Energie-Effizienzklasse A+, Boiler), für Leuchten sowie für Renovierungsmaßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz vorsieht.

3.6

Freiwillige Vereinbarungen werden als ein nützliches Instrument betrachtet, insbesondere in Finnland (im Untersuchungszeitraum galten sie für 60 % des Endverbrauchs an Energie; Ziel ist es, dass sie bis zum Jahr 2016 für 90 % des Energieverbrauchs gelten), in den Niederlanden, wo sie im Wesentlichen für Unternehmen gelten, in Dänemark, wo sie hingegen auf die öffentlichen Ausschreibungen beschränkt sind. Spanien, Polen, Vereinigtes Königreich, Rumänien und Irland haben erklärt, freiwillige Vereinbarungen als Hauptinstrument für die Erzielung von Energieeinsparungen einführen zu wollen.

3.7

In den nationalen Plänen werden Marktinstrumente („weiße Zertifikate“) zwar bejaht, aber noch werden sie nur in wenigen Ländern verwendet. Italien sieht vor, die Geltungsdauer seines Systems bis zum Jahr 2014 zu verlängern, Polen möchte dieses System einführen, während im Vereinigten Königreich das Energy Efficiency Commitment (EEC) bis zum Jahr 2020 gelten soll: unter dem neuen Namen Carbon Emission Reduction Target hat es doppelt so hohe Einsparziele wie diejenigen für den Zeitraum 2008-1011. Große Bedeutung wird den „Energiedienstleistungsunternehmen“ (ESCO) beigemessen, die allerdings noch nicht die erwartete Entwicklung genommen haben. Diesbezügliches Interesse gibt es in Österreich, Deutschland, Irland, Italien, Polen und Spanien.

3.8

Bulgarien, Rumänien und das Vereinigte Königreich planen die Einrichtung von Fonds und Finanzierungsmechanismen vor allem für den Handel und Wohnungsbau. Die Politik der Erziehung und Information wird von den nationalen Agenturen nicht einheitlich betrieben, die voneinander abweichende Aufgaben haben; einige Länder wie Dänemark und Italien haben beschlossen, diese Aufgaben regionalen und kommunalen Einrichtungen zu übertragen.

3.9

Der Verkehr, auf den mehr als ein Drittel des Energieverbrauchs entfällt, wird von vielen besonders kritisch betrachtet, aber in der Praxis schlagen nur Österreich und Irland konkrete Maßnahmen für eine Verlagerung auf öffentliche Verkehrsmittel vor.

3.10

Der größte Teil der vorgelegten Pläne sieht eine Beibehaltung der gegenwärtigen Situation vor, und bei einigen Mitgliedstaaten ist eine auffallende Diskrepanz zwischen den politischen Selbstverpflichtungen und den getroffenen Maßnahmen und bereitgestellten Ressourcen festzustellen.

3.11

Die Kommission verfolgt und überwacht nicht nur genau die Umsetzung der Richtlinie, sondern möchte auch deren Anwendung mithilfe ihres Arbeitsprogramms Intelligente Energie für Europa erleichtern. Die Kommission wird eine Internet-Plattform einrichten, um Beiträge der Beteiligten zu sammeln und vorzustellen, die zur Unterstützung der Anwendung der Richtlinie herangezogen und bei der Annahme der einzelstaatlichen Maßnahmen und der Ausarbeitung der nächsten NEEAP einbezogen werden sollen. Die nationalen Pläne werden durch das Projekt Energy Efficiency Watch geprüft.

3.12

In ihrem Fazit erinnert die Kommission an die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit und an ihre Initiative für eine internationale Plattform zur Energieeffizienz, die die Entwicklung von Normen, den Handel und den Technologietransfer fördern soll. Angesichts der großen Aufgaben, vor denen Europa steht, und der Verantwortung, die es in den Bereichen Klimawandel, sichere und nachhaltige Energieversorgung und Verringerung der Treibhausgas-Emissionen übernehmen will, sind wirksame Programme zur Verbesserung der Energieeffizienz unerlässlich.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Der erste, ins Auge fallende negative Aspekt dieser Mitteilung besteht darin, dass die in der Richtlinie vorgesehene Frist für die Vorlage der nationalen Energieeffizienz-Aktionspläne (NEEAP) lediglich von zweien der 27 Mitgliedstaaten eingehalten wurde, während 15 weitere etwas später nur Zusammenfassungen geliefert haben, zwei andere weit nach der Frist und die restlichen acht Mitgliedstaaten gar nichts vorgelegt haben. Ein Jahr nach Ablauf der Frist (30.6.2007) fehlt noch immer ein Mitgliedstaat.

4.2

Der zweite negative Aspekt aus der Zusammenfassung der Kommission liegt darin, dass die untersuchten Dokumente nicht von so engagierten und ernsthaften Bemühungen zeugen, wie es die Situation verlangen würde. Es geschieht immer häufiger, dass die Staats- und Regierungschefs als Repräsentanten ihrer Mitgliedstaaten leichtfertig Richtlinien in Brüssel absegnen, die sie bei sich zu Hause dann nicht einhalten können oder wollen. Die Agenda von Lissabon ist das deutlichste Beispiel dafür, aber es gibt auch viele andere Fälle von derart inkonsequenten Verhaltensweisen — und wird es wohl weiterhin geben.

4.3

Bei der Betrachtung der nationalen Aktionspläne ist festzustellen, dass ein Referenzschema fehlt, dass die Pläne so völlig unterschiedlich aufgestellt wurden, dass ihre Lektüre schwierig und ihre Vergleichbarkeit fast unmöglich ist. Im Zusammenhang mit dem Projekt EMEES (Bewertung und Überwachung der EU-Richtlinie über EndEnergieeffizienz und Energiedienstleistungen), das mit dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie durchgeführt wird, wurde eine Modell speziell für die Abfassung von nationalen Aktionsplänen entwickelt. In einem Schreiben hat sich Belgien darüber beklagt, dass dieses wichtige Modell erst am 11. Mai vorgestellt wurde, d.h. einige Tage vor Ablauf der Frist für die Vorlage der nationalen Pläne.

4.4

Was die neuen Mitgliedstaaten angeht, umfassen die Pläne der Tschechischen Republik und Litauens 13 Seiten, die Rumäniens 41 und Maltas 89 Seiten. Von den größeren Staaten legte Frankreich 37 Seiten, Deutschland 102 Seiten, Spanien 211 und das Vereinigte Königreich 214 Seiten vor. Belgien schließlich hat aufgrund seiner föderalen Struktur vier Dokumente mit insgesamt 221 Seiten vorgelegt. Alle 25 Mitgliedstaaten zusammen (Schweden und Portugal erscheinen bislang nicht auf der Internetseite der Kommission) haben 2 161 Seiten Pläne mit Daten, Tabellen und Maßnahmen von völlig unterschiedlicher Form vorgelegt. Jedes Land hat seine eigenen Bezugsgrößen, Methoden und Kommunikationsmodelle gewählt: das Ergebnis ist entmutigend, weil keine einheitliche Marschrichtung zu erkennen ist.

4.5

Das von Frankreich, Slowenien, Griechenland (lediglich ein Entwurf), den Niederlanden und Luxemburg vorgelegte Material ist jeweils nur in der eigenen Nationalsprache abgefasst (ein unüberwindliches Hindernis für den Berichterstatter). Es ist schwer vorstellbar, dass der Austausch von beispielhaften Praktiken stattfinden kann, wenn die Dokumente in der Originalsprache gelesen werden müssen, aber es war weder vorgesehen noch gar Pflicht, eine ganz bestimmte Sprache zu verwenden. Die Kommission hat geplant, alle Dokumente zu übersetzen, aber leider haben sich die Verzögerungen bei der Vorlage der Aktionspläne auch auf die Übersetzungsarbeit ausgewirkt.

4.6

Der EWSA weist auf die Widersprüchlichkeit zwischen den Zielen der nationalen Aktionspläne und diesen beiden hier erwähnten Elementen hin: enzyklopädische Pläne, extrem kurze Zusammenfassungen: weder das eine noch das andere verhelfen zu einem genauen Verständnis der vorgesehenen Marschrichtung. Ein Übermaß an Details oder zu starke Synthesen führen gleichermaßen zu Lektüre- und Verständnisschwierigkeiten. Insofern kann das Modell des Projekts EMEES ein guter Mittelweg zwischen diesen beiden Extremen sein. Der EWSA empfiehlt für die nächste Auflage der nationalen Aktionspläne nachdrücklich die Annahme eines gemeinsamen Modells, das eine leichtere Lektüre und Vergleichbarkeit zulässt.

4.7

Von einigen lobenswerten Ausnahmen abgesehen, die in dieser Stellungnahme erwähnt wurden, beklagt der EWSA den großen Mangel an Initiativen im öffentlichen Bereich und in der Landwirtschaft. Über diese äußerst wichtigen Bereiche wird in den Aktionsplänen kein Wort verloren.

5.   Allgemeine Bemerkungen

5.1

Im Januar 2007 hatte der Rat die Kommission aufgefordert, in den Bereichen Energie und Klimawandel Maßnahmen zu treffen, um ehrgeizige Ziele zu verwirklichen. Diese Ziele wurden konkretisiert: im dritten Energiepaket, im Paket über erneuerbare Energien und Klimawandel, in der Richtlinie über die Senkung der CO2-Emissionen bei neuen Kraftfahrzeugen, in der neuen Energy Star-Verordnung, in dem Grünbuch über Mobilität in Städten, das u.a. Anreize für energieeffiziente Fahrzeuge vorsieht, und in dem Europäischen Strategieplan für Energietechnologie.

5.2

Was kennzeichnet alle diese Maßnahmen? Sie enthalten einige Empfehlungen und viele Vorschriften. Leider können die Regierungen nach der förmlichen Annahme dieser Maßnahmen dem Druck nationaler Unternehmen nicht standhalten und die getroffenen Entscheidungen aufrechterhalten, wie etwa im Fall der CO2-Emissionen, und fordern wieder Abänderungen an dem, was sie gemeinsam verabschiedet haben.

5.3

Weshalb sich die Mitgliedstaaten darum anscheinend nicht viel Gedanken machen, liegt in der Richtlinie selbst begründet. So heißt es im 12. Erwägungsgrund: „Selbst wenn die Mitgliedstaaten sich verpflichten, Anstrengungen zur Erreichung des festgelegten Richtwerts von 9 % zu unternehmen, handelt es sich bei dem nationalen Energieeinsparziel lediglich um ein Richtziel, das für die Mitgliedstaaten keine rechtlich erzwingbare Verpflichtung zur Erreichung dieses Zielwerts beinhaltet.“

5.4

Diese Regelungspraxis (Richtlinien mit unverbindlichen Zielen und ohne Sanktionen im Falle der Nichterfüllung) war Kennzeichen der Gesetzesinitiativen in bestimmten Jahren und gewissen Politikbereichen. Die Mitgliedstaaten haben bis vor einigen Jahren ihre Souveränität auf dem Gebiet der Energieerzeugung, -versorgung und -übertragung geltend gemacht. Dies hat zu einer in jener Zeit charakteristischen Form von „weichen Vorschriften“ geführt. Auch die Biokraftstoffrichtlinie RI 2003/30/EG hatte zwar Mengenziele festgelegt, aber ohne irgendwelche Verpflichtung, sie auch zu erreichen.

5.5

Unter solchen Bedingungen und Voraussetzungen ist das Ziel einer Senkung des Verbrauchs um 20 % bis zum Jahr 2020 auf dem Wege der Energieeffizienz kaum zu erreichen, wenn nicht entsprechende verbindliche Maßnahmen und/oder Zielvorgaben auferlegt werden.

5.6

Der EWSA unterstützt nach wie vor jedwede Initiative zur Erreichung einer immer besseren Energieeffizienz, da er der Auffassung ist, dass sowohl die CO2-Emissionen als auch die Energieabhängigkeit der EU zwei Probleme ersten Ranges sind.

5.7

Der EWSA weist gleichzeitig auf die Widersprüchlichkeit zwischen den unverbindlichen allgemeinen Maßnahmen und den verbindlichen Einzelmaßnahmen hin, durch welche die Ergebnisse erzielt werden sollen. Sind etwa die Gesamtziele unverbindlich, aber die einzelnen Teile verbindlich? Die Kommission selbst müsste mit gutem Beispiel vorangehen, indem sie die Ergebnisse der Energieeffizienz und -einsparungen, die sie bei ihren eigenen Gebäuden erzielt hat, und die dazu getroffenen Maßnahmen und bereitgestellten Mittel bekannt gibt. Ein in einem „föderalen“ Ansatz gehaltener Anhang würde das Verständnis für die Wichtigkeit solcher Maßnahmen verbessern.

5.8

Der EWSA betont das enorme Missverhältnis zwischen den diffusen Erwartungen, die an die Annahme der für eine signifikante Steigerung der Energieeffizienz geeigneten Maßnahmen geknüpft werden, und den von den Mitgliedstaaten vorgelegten, insgesamt enttäuschenden und wenig ehrgeizigen Vorhaben; er weist nachdrücklich auf die Notwendigkeit hin, konkrete kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen zu treffen, durch die den angegebenen Zielen auch Substanz verliehen wird.

5.9

Wird diese Notwendigkeit gesehen, empfiehlt es sich, geeignete Maßnahmen zur Verwirklichung der Ziele zu treffen, anstatt, wie in anderen Fällen, bloße Kosmetik zu betreiben.

5.10

Der EWSA hatte sowohl den Erlass der Richtlinie 2006/32/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2006 über Energieeffizienz und Energiedienstleistungen (1) wie auch den anschließenden Aktionsplan vom 19. Oktober 2006 (KOM(2006) 545 endg.) mit dem Titel: Aktionsplan für Energieeffizienz: Das Potenzial ausschöpfen begrüßt, aber beide Maßnahmen waren noch im Kontext relativ niedriger Erdölpreise konzipiert worden. Als die Richtlinie angekündigt wurde, im Jahr 2004, schwankte der Preis um 42 US $ pro Barrel; bei ihrer Vorlage, im Jahr 2006, lag er schon bei knapp 62 US $.

5.11

Vor diesem Hintergrund war es auch verständlich, dass die Ziele lediglich Richtwerte waren und die Kommission in ihrer Richtlinie den Mitgliedstaaten keine verbindlichen Vorschriften zur Realisierung der vorgeschlagenen Ziele gemacht hatte. Damals schrieb der Wirtschafts- und Sozialausschuss: „Die beste Energie ist die gesparte“. Aber wenn die Einsparungsziele den Mitgliedstaaten und ihrem guten Willen ohne weitere Anreize als dem des Verantwortungsgefühls anheim gestellt bleiben, wird das Ziel nur zufällig oder genau genommen gar nicht erreicht werden.

5.12

Aber kann sich die Union erlauben, die Energieeinsparungsziele von jährlich 1,5 % nicht zu erreichen und 390 MTÖ nicht einzusparen, was 780 Mio. t CO2 entspricht? Einerseits werden ehrgeizige und verbindliche Ziele aufgestellt wie etwa eine Senkung der Treibhausgas-Emissionen um 20 % oder das Ziel, 20 % der Energie aus erneuerbaren Quellen zu beziehen, während andererseits das unmittelbar erreichbare Ziel, das sofort zu Einsparungen führt, wie eine bloße Hoffnung links liegen gelassen wird.

5.13

Der EWSA weist darauf hin, dass in einigen Mitgliedstaaten die Umsetzung der Aktionspläne den Regionalregierungen obliegt, ohne dass es eine angemessene Koordinierungsebene gibt, was zu fehlender territorialer Harmonisierung und Kohärenz führt.

5.14

Der EWSA bemängelt das Fehlen echter Wahlmöglichkeiten bei den Angeboten und ist der Auffassung, dass solche Möglichkeiten erweitert werden müssen, begleitet von Anreizen vor allem für die schwächsten Bevölkerungsgruppen, die Verbraucher insgesamt und die kleinen und mittleren Unternehmen, um rasch die angestrebten Ergebnisse zu erzielen. In einigen Mitgliedstaaten hatten Anreize bereits zu sehr ermutigenden Ergebnissen geführt, wie etwa im Fall der „weißen Haushaltsgeräte“.

5.15

Der EWSA betrachtet die Erfahrungen mit den „Energiedienstleistungsunternehmen“ (ESCO) als Erfolg und fordert, solche Dienstleistungen auch für die Bürger und Unternehmen bereitzustellen. Neue Berufsfelder, neue Möglichkeiten für qualifizierte Arbeit, positive Ergebnisse im Bereich der Energieeffizienz und der Verringerung der Treibhausgase sind nur einige positive Elemente solcher Dienstleistungsunternehmen.

5.16

Der EWSA stellt fest, dass die Mitgliedstaaten nicht genügend zur Verwirklichung der festgelegten Ziele unternehmen und ist davon überzeugt, dass wie im Falle der Emissionen im Straßenverkehr, alle Initiativen der Kommission unterstützt werden müssen, die darauf abzielen, die Mitgliedstaaten stärker in die Pflicht zu nehmen. Im vergangenen Jahr hat die Kommission positive Initiativen ergriffen wie etwa die neue Energy Star-Verordnung (106/2008/EG), deren Normen nunmehr bei öffentlichen Ausschreibungen für Bürogeräte verbindlich sind; das Grünbuch zur städtischen Mobilität, das u.a. den Vorschlag der finanziellen Unterstützung für energieeffizientere Fahrzeuge enthält; das dritte Energiepaket, das die einzelstaatlichen Regulierungskompetenzen zugunsten der Energieeffizienz stärkt; den Strategieplan für Energietechnologie und die Regelung für Emissionen neuer Pkw-Modelle.

5.17

Weitere Initiativen sind für die nächsten Monate geplant und reichen von neuen Richtlinien über Energieeffizienz oder Umweltkennzeichen bei einer Vielzahl von Produkten (z.B. öffentliche Beleuchtung und Bürobeleuchtung, Stand-by- und Ein-/Ausschaltfunktionen mit minimalem Verbrauch), bis hin zu einer neuen Verordnung, voraussichtlich im Jahr 2009, über Fernseher, Kühlschränke und Gefriertruhen für den Haushalt, Waschmaschinen und Trockner, Elektromotoren, Wärmepumpen und Klimaanlagen. Für das Jahr 2009 sieht die Kommission auch eine Initiative für Glühbirnen vor, durch die ihre rasche Ersetzung gefördert werden soll. Die Überarbeitung der Richtlinie für die Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen, für die Effizienz von Autoreifen und die Systeme zur konstanten Überwachung des Luftdrucks und der Qualität der Reifen werden die Leitlinien der neuen Strategie für den Verkehrsbereich bilden.

5.18

Der EWSA hält es für unerlässlich, einen einheitlichen Energie-Binnenmarkt zu schaffen, auf dem die Preisbildung gemäß der Strom- und Gas-Richtlinie im Rahmen eines gesunden Wettbewerbs geschieht.

5.19

Der EWSA macht darauf aufmerksam, dass in den EU-Mitgliedstaaten Erziehungsprogramme für die Schulen vorzusehen sind (die sich folglich auch aktiv an den Programmen zu Gunsten der Energieeffizienz beteiligen müssen), aber auch Kommunikationsprogramme zur Sensibilisierung der Bürger für die Bedeutung und Erfordernisse eines verantwortungsbewussten und sparsamen Energieverbrauchs.

5.20

Was die Schulen betrifft, sind einige Wettbewerbe zwischen technischen Ausbildungsstätten unter aktiver Einbeziehung der Schüler zugunsten der Erzielung besserer Energieeinsparungen von besonderem Interesse. Beispielsweise hat in Italien das Vorhaben „Datti una scossa“ („Gib Dir einen Ruck!“), das mit Prämien bis zu 25 000 EUR für die Verwirklichung von Projektvorschlägen ausgestattet ist, großen Erfolg gehabt. Ein weiteres gutes Beispiel ist der internationale Öko-Marathon, bei der ein französisches Institut einen Prototyp vorgestellt hat, der mit einem Liter Benzin 3 039 km weit gekommen ist. Ein Team aus Dänemark, das einen Verbrennungsmotor mit einem Emissionswert von lediglich 9 g/km entwickelt hat, wurde mit dem „Climate Friendly Award“ 2007 ausgezeichnet.

5.21

Die ökonomischen Instrumente, die verfügbar sein werden, müssen auch über die Zeit hinweg effizient und nachhaltig sein. Der EWSA ist der Auffassung, dass der Verteilung der Anreize, die sich unmittelbar an die Endverbraucher richten, besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Ferner muss in Betracht gezogen werden, einen Teil der Anreize auch für die Lieferanten von Energiedienstleistungen bereitzustellen und damit ein gemeinsames und übereinstimmendes Interesse an Energieeffizienzmaßnahmen herzustellen.

5.22

Um den Kunden angemessene Preissignale zu übermitteln, die einen vernünftigeren und effizienteren Energieverbrauch fördern, ersucht der EWSA die Europäische Kommission, darüber zu wachen, dass Dumping-Tarife aus dem Markt genommen werden, aber dabei zu berücksichtigen, was die europäischen Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der angemessenen Förderung der erneuerbaren Energien zulassen und was in der Strom- und Gasrichtlinie in Bezug auf die schwächeren Verbrauchergruppen vorgesehen ist.

Brüssel, den 17. September 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  CESE 242/2006, Berichterstatter: Herr BUFFETAUT; CESE 1243/2007, Berichterstatter: Herr IOZIA.

(2)  CESE 270//2007, Berichterstatter: Herr PEZZINI.

(3)  ppm = 10–6 = Teile pro Million.

(4)  CESE 758/2008, Berichterstatter: Herr CEDRONE.


31.3.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 77/60


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Das Internet der Dinge“

(2009/C 77/15)

Die Europäische Kommission beschloss am 7. Februar 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgendem Thema zu ersuchen:

„Das Internet der Dinge“.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 16. Juli 2008 an. Berichterstatter war Herr RETUREAU.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 447. Plenartagung am 17./18. September 2008 (Sitzung vom 18. September) mit 118 Ja-Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss fordert die Europäische Kommission auf,

1.1

in die Forschung zu investieren, die Verbreitung von Informationen (nach dem Vorbild der Veranstaltungen der vorangegangenen Ratsvorsitze) zu fördern und die Standardisierung voranzubringen, da das Internet der Dinge ein wichtiger Bereich ist;

1.2

Hindernisse für die Durchsetzung der Technologie abzubauen;

1.3

zu prüfen, ob zentralisierte Systeme das für Anwendungen des Internet der Dinge zu erwartende Ausmaß des Datenverkehrs bewältigen können und ob nicht eine dezentrale Verwaltung (in Bezug auf Namen und Dienste) ein besserer Ansatz für den Einsatz im großen Maßstab wäre;

1.4

zu untersuchen, ob die geltenden Rechtsvorschriften für den Datenschutz und die Sicherheitsanforderungen ausreichen oder ob neue Rechtsvorschriften erforderlich sind;

1.5

die Frage aufzugreifen, ob nicht Labors in Europa eingerichtet werden sollten, die von Hochschulen und Privatinvestoren finanziert werden, um sicherzustellen, dass die Forschungsergebnisse in Europa Anwendung finden und die Forscher nicht in Forschungseinrichtungen und Unternehmen in anderen Teilen der Welt (Vereinigte Staaten) abwandern;

1.6

sich mit möglichen Risiken elektromagnetischer Strahlung auseinanderzusetzen (für dieses neue Umfeld mit einer hohen Dichte an Funkfrequenzlesegeräten und insbesondere für Arbeitnehmer in diesem Umfeld sollte das Vorsorgeprinzip gelten; es gilt, die Arbeitnehmer über etwaige Risiken zu unterrichten und entsprechende Schutzvorkehrungen zu treffen), und eine umfassende wissenschaftliche Bewertung vorzunehmen;

1.7

zu berücksichtigen, dass jedwede technologische Entwicklung den Menschen zum Wohl gereichen sollte und daher auch einschlägige ethische Fragen angegangen werden müssen;

1.8

die Erfordernisse des Internet der Dinge für transeuropäische Dienste in Bezug auf das Funkfrequenzspektrum zu prüfen. Dies könnte auch Aufgabe einer unabhängigen Verwaltungsbehörde sein, die in Zukunft für die Funkfrequenzverwaltung zuständig wäre;

1.9

zu bedenken, dass die Forschung von grundlegender Bedeutung sein wird, um das Rennen um die Bereitstellung der Rechenkapazität zu gewinnen, die für das Funktionieren von Anwendungen des Internet der Dinge in Echtzeit erforderlich ist.

2.   Die Vorschläge der Europäischen Kommission

2.1

Im Anschluss an ihre Mitteilung über Funkfrequenzkennzeichnung (RFID) aus dem Jahr 2007 (1) und die einschlägige Konferenz in Lissabon im November 2007 nimmt die Europäische Kommission mit der geplanten Mitteilung die nächste Etappe in Angriff, und zwar das Internet der Dinge (2).

2.2

Ferner sei auf zahlreiche Mitteilungen sowie Initiativstellungnahmen des Ausschusses der letzten Jahre verwiesen (3). Das i2010-Programm war Gegenstand einer Halbzeitüberprüfung (4).

3.   Bemerkungen und Analysen

3.1   Einleitung

3.1.1

Die Entwicklung der Informationstechnologie ist eine grundlegende Herausforderung für unsere Gesellschaft. Europa mit seinem Binnenmarkt ist prädestiniert, um eine der Schlüsselregionen für die digitale Wirtschaft zu werden, sofern es die erforderlichen Maßnahmen im Bereich der Grundlagenforschung sowie der Forschung und Entwicklung im Allgemeinen als auch auf politischer Ebene für die Verwaltung dieses Internets der Zukunft ergreift.

3.1.2

Das Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit Europas hängen in starkem Maße hiervon ab; es ist höchste Zeit, dass Europa sich in Bezug auf die politische Governance dieses Internet behauptet und die erforderlichen Technologien und Investitionen sowie das einschlägige Sach- und Fachwissen fördert.

3.1.3

Selbst in Zeiten des interaktiven und mobilen Web 2.0 beruht Internet nach wie vor auf einem weltweiten Netz unzähliger Server und Router, das heißt feststehender Rechner, die miteinander über Festnetz oder Glasfaser verbunden sind. Die Verbindung zu mobilen Endgeräten wie Mobiltelefonen oder Internet-Tablets erfolgt dagegen mittels Funkwellen; derartige Verbindungen, für die verschiedene Normen verwendet werden (z.B. 3G, 3G+, HSPDA, EDGE, WiFi und WiMax), haben explosionsartig zugenommen.

3.1.4

Das Web 2.0 ist interaktiv, die Nutzer schaffen bzw. übertragen Inhalte, entweder im eigenen Namen oder in Form einer Zusammenarbeit (Wikipedia, Freeware usw.). Zahlreiche KMU bieten Software, kreative Inhalte und vor allem unterschiedlichste Dienste an (Einrichtung und Wartung von Netzen, Informationssicherheit, IT-Schulungen usw.).

3.1.5

Computerchips werden immer kleiner, gleichzeitig aber auch immer komplexer und energieeffizienter. Sie werden in immer leichtere mobile Endgeräte eingebaut, in denen die installierte Software und die Rechenleistung im Hinblick auf die Integration von Telefonen, die Einwahl ins Internet und Ortungsdienste (SiRF 3 Chipsatz) genutzt werden.

3.2   Hin zum Internet der Dinge

3.2.1

Das Internet der Dinge findet nunmehr langsam, aber sicher Anwendung in einem komplexen technologischen Umfeld ausgehend von Web 2.0 und verwandten Technologien, die großteils bereits bestehen und deren Zusammenführung ein wichtiger Schritt zur Verwirklichung des Internet der Dinge ist:

IPv6 (5), HTTP (6), FTP, usw. sowie ein neuer universeller HTML-Standard (HTML 5) für das Webbrowsen (dieser muss allerdings noch ausgefeilt werden),

RFID-Etiketten (7) und Radiofrequenz-Lesegeräte, die diese mit den Datenbanken verbinden;

Ortung (GPS und in naher Zukunft Galileo);

zusammengeschaltete Netze und Datenspeicherkapazität;

künstliche Intelligenz (AI), insbesondere in Web 3.0 (semantisches Web, dessen Sprache der natürlichen Sprache ähnlicher sein wird), zur Datenverwaltung zwischen Rechnern;

Nanotechnologie, insbesondere zur Anwendung in Mikroprozessoren;

2D-Etiketten (Strichcodes, Data Matrix), die weiterhin zum Einsatz kommen können, bei denen insbesondere Inhalte mit hoher Informationsdichte mit einer mittels Data Matrix kodierten Internetadresse verbunden werden, die über ein mobiles Endgerät bildlich erfasst wird, das wiederum einen direkten Zugang zu der Website herstellt (verschiedene Nutzungsmöglichkeiten: Tourismus, Werbung, Information usw.).

3.2.2

Bei der Förderung dieser Bestandteile der künftigen Netze nehmen massiv-parallele Computer einen immer größeren Stellenwert ein. Unzählige Prozessoren können parallel anstatt in Reihe geschaltet werden (8); dadurch können die Rechenvorgänge erheblich beschleunigt werden, was wiederum die Schaffung komplexer virtueller Parallelräume ermöglicht. Mittels Virtualisierung kann die PC-Rechenleistung bereits besser genutzt werden, indem virtuell mehrere Rechner in einem einzigen Rechner arbeiten, auch mit unterschiedlichen Betriebssystemen. Diese Technologie setzt sich sehr rasch immer stärker durch.

3.2.3

Europa muss die Forschung voranbringen und hochwertiges theoretisches und praktisches Sachwissen in diesen Bereichen schaffen, um die Forscher zu halten, die von den großen universitären und privaten Forschungslabors in den Vereinigten Staaten und bald auch in China und Indien „abgeworben“ werden. Werden keine umfassenden Initiativen auf den Weg gebracht, um das Internet der Zukunft in den Griff zu bekommen, besteht die Gefahr, dass Europa ins technologische Abseits gerät.

3.2.4

Die Massenspeichertechnologie entwickelt sich ebenfalls rasant weiter. Sie ist der Grundbaustein der Datenbanken, die die Informationen über die mittels ihrer Internetadresse identifizierten Objekte enthalten. Diese Kapazitäten in Verbindung mit den Datenverarbeitungskapazitäten ebnen den Weg für das intelligente Internet, in dem neues Wissen durch den Abgleich und die Verarbeitung von Daten, die von den Objekten und den Identifizierungsdatenbanken übermittelt werden, in noch umfassenderen Datenbanken gesammelt wird. Gleichzeitig übernimmt das Netz selbst die Funktion eines Computers und wird zum Speicherplatz für Programme, die die Nutzung der Datenbanken und Interventionen seitens der Nutzer (wie komplexe Anfragen, Berichte usw.) ermöglichen.

3.3   Erste Anwendungen

3.3.1

Einige Anwendungen sind im Experimentierstadium, andere wiederum können bereits mit den derzeit zur Verfügung stehenden Mittel genutzt werden, beispielsweise in folgenden Wirtschaftssektoren:

Einzelhandel (Wal-Mart);

Transportlogistik und Güterverfolgung;

Sicherheit (in einigen Unternehmen).

3.3.2

In Objekte wie Zugangspässe oder im Supermarkt angebotene Waren eingebaute RFID-Etiketten ermöglichen einem in der Nähe befindlichen Lesegerät (die Entfernung hängt von der verwendeten Frequenz ab) sowohl die Registrierung des Etiketts als auch der Merkmale aller gleichzeitig gescannten Objekte (Einkaufskorb, Container usw.) und ziehen daraus die entsprechenden Schlüsse (Preis, detaillierte Zollerklärung). In Japan können bereits Einkäufe mit einem derartigen System getätigt werden; diese werden dann mittels einer anderen im Mobiltelefon eingebauten Chipkarte bezahlt (Multifunktions-Endgerät).

3.3.3

Für die Transportlogistik (im Zusammenhang mit Ortungsdiensten) können Informationen zum Ausführungsstand einer Lieferung einschl. ihres Standorts in Echtzeit abgerufen werden.

3.3.4

Das Internet der Dinge ist überall verbreitet. Man spricht auch von einem „allgegenwärtigen Internet“, in dem die von den Lesegeräten in den verschiedenen Datenverarbeitungsetappen übertragenen Daten automatisch verarbeitet werden können.

3.3.5

Bei zahlreichen Anwendungen kommunizieren die Objekte miteinander, das Netz „lernt“ und kann die entsprechenden Entscheidungen treffen, z.B. für Domotik-Anwendungen: biometrische Identifizierung von Personen, Fernöffnung von Türen, programmierte Haussteuerung, Heizung und Kühlung, Sicherheitswarnhinweise für Kinder.

3.3.6

Die Genehmigung des Zugangs zu bestimmten Rechnern bzw. Informationen kann über Fingerabdruck- oder Handform-Lesegeräte erfolgen.

3.4   Allgegenwärtigkeit der Netze, Privatsphäre und Datenschutz

3.4.1

Diese Art der Datenverarbeitung kann allerdings ein erheblich höheres Risiko der Verletzung der Privatsphäre oder der Vertraulichkeit von Geschäftsbeziehungen bzw. der Beziehungen zwischen einem Kunden und dem Güter- oder Diensteanbieter mit sich bringen, da das gute Funktionieren dieses allgegenwärtigen Internet darauf beruht, dass die Netze eine Vielzahl an personenbezogenen Daten, ja sogar vertraulichen und rein privaten Daten (beispielsweise in medizinischen Anwendungen) enthalten.

3.4.2

Es stellt sich die Frage, ob der geltende Rechtsrahmen der Gemeinschaft für den Schutz personenbezogener Daten in diesen Netzen der Zukunft ausreicht.

3.4.3

Ohne Stärkung der Schutzmaßnahmen und der vertraulichen Behandlung sensibler Daten könnte dieses Internet ein Instrument zur Schaffung des „gläsernen Menschen“ werden (dies ist bereits der Fall für Haustiere im europäischen Veterinärsystem zur Identifizierung von Haustieren).

3.4.4

Es gilt, insbesondere den Abgleich verstreuter Daten zu überwachen, d.h. den Datenabgleich in Bezug auf Objekte zu reglementieren und in Bezug auf Personen zu verbieten. Die Verbreitung von Daten setzt ihre vorherige Unkenntlichmachung voraus; damit werden die Bedenken derjenigen ausgeräumt, die sich unter dem Vorwand des Schutzes der Privatsphäre weigern, personenbezogene Daten zu übermitteln. Es bedarf keiner vorherigen Zustimmung der betroffenen Personen, wenn die Daten unkenntlich gemacht und anschließend statistisch vor Veröffentlichung der Ergebnisse ausgewertet werden.

3.4.5

Rechtlich festzulegende vertrauliche Daten müssen durch eine gründliche Verschlüsselung geschützt werden, um ausschließlich befugten Personen (oder Rechnern) den Zugriff zu erlauben.

3.4.6

Die Frage der Unbedenklichkeit bzw. der Gefahr in Verbindung mit stärkeren UHF, die schon bald in großem Rahmen zum Einsatz kommen werden, steht — wie die Europäische Kommission einräumt — nach wie vor im Raum.

3.4.7

Die Rechtsvorschriften zum Schutz der Arbeitnehmer vor elektromagnetischer Strahlung könnten sich für eine dauerhafte Belastung durch Hoch- und Ultrahochfrequenzen als unzureichend erweisen. Die diesbezüglichen Untersuchungen, die im Grunde zu den möglichen Auswirkungen von Mobiltelefonen auf die Gesundheit der Nutzer durchgeführt wurden, haben keine eindeutigen Schlüsse zugelassen. Daher müssen die Forschungsarbeiten dringend vorangetrieben und auf die potenziellen Risiken und möglichen Abhilfen ausgeweitet werden, ehe sich bestimmte Arten der neuen RFID-Generation unkontrolliert entwickeln (9).

3.4.8

Es gilt, nach Möglichkeit universelle, zumindest aber europäische Vorschriften für die Verwendung von RFID-Etiketten festzulegen, die dem Schutz des Rechts auf Privatsphäre Vorrang einräumen und sich dabei eventuell nicht nur auf natürliche Personen beschränken, denn das geltende Recht wird uneinheitlich angewendet und deckt nicht alle Situationen im Zusammenhang mit den derzeitigen und künftigen Nutzungsmöglichkeiten der RFID-Etiketten und des Internet der Dinge ab.

3.5   Das Internet der Zukunft

3.5.1

Sofern überhaupt mittelfristige Prognosen in einem Bereich, der sich ständig weiterentwickelt, gemacht werden können, wird das Internet der Zukunft voraussichtlich auf einer Kombination aus Web 3.0 und dem Internet der Dinge beruhen.

3.5.2

Die meisten Bestandteile des Internet der Zukunft sind bereits vorhanden; sie werden derzeit noch ausgefeilt bzw. sind sogar schon in Gebrauch. Dies bedeutet, dass dieses neue Internet demnächst „online“ gehen und einen Paradigmenwechsel in Bezug auf den Platz und die Rolle der allgegenwärtigen Netze im Alltagsleben der Bürger und das Wirtschaftswachstum in einem bislang kaum vorstellbaren Ausmaß bewirken wird. Dies könnte auch zu einem grundlegenden gesellschaftlichen Wandel führen und Impulse für einen bis dahin ungekannten Aufschwung derjenigen Unternehmen und Ländern geben, die dieses neue Internet in all seinen Facetten zu handhaben wissen, d.h. die rechtzeitig die erforderlichen Investitionen in Forschung, Bildung, Normung und neue Dienste getätigt haben. Dadurch könnte sich das weltweite wirtschaftliche und wissenschaftliche Kräfteverhältnis verschieben. Alles in allem ist dies eine Herausforderung, der Europa sich unbedingt stellen muss.

3.5.3

Das Internet der Dinge sorgt für die Zusammenführung der physischen und der digitalen, der reellen und der virtuellen Welt. Intelligente Objekte („smart objects“) sind Teil eines allgegenwärtigen Netzes, in das sie voll eingebunden sind und in dem sie einen weitaus größeren Stellenwert als im „Internet der Personen“ des Web 2.0 einnehmen, das auf einer höheren Ebene in diesem erweiterten Netz aufgehen wird.

3.5.4

Dieses neue Internet bringt jedoch angesichts seiner Dimension und seiner neuen Inhalte auch Verwaltungsprobleme mit sich. So müssen hunderte Milliarden von Namen standardisiert und allgemein gültige Normen entwickelt werden. Die Standards für die Nutzung von RFID werden bisher nach privaten Vorgaben und über EPC global festgelegt, doch ist es fraglich, ob dieser Ansatz auch für die volle Entfaltung des Internet der Zukunft praktikabel ist.

Brüssel, den 18. September 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Funkfrequenzkennzeichnung (RFID) in Europa: Schritte zu einem ordnungspolitischen Rahmen (KOM(2007) 96 endg.).

(2)  Siehe „Towards an RFID policy for Europe“, Workshop-Bericht von Maarten Van de Voort und Andreas Ligtvoet, 31. August 2006.

(3)  Siehe u.a. die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Funkfrequenzkennzeichnung (RFID)“, Berichterstatter: Herr MORGAN, ABl. C 256 vom 27.10.2007, S. 66 (TEN/293).

(4)  Siehe Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: „Vorbereitung der digitalen Zukunft Europas: i2010 — Halbzeitüberprüfung“ (KOM(2008) 199 endg.).

(5)  Internet Protocol Version 6.

(6)  Hypertext Transfer Protocol: HTTP ist ein Kommunikationsprotokoll für die Übertragung von Informationen im Intra- oder Internet. Ursprünglich war es dazu gedacht, Hypertext-Sites über Internet zu veröffentlichen oder abzurufen.

(7)  Radio Frequency Identification Device.

(8)  Die Universität von Standfort hat ein neues Labor in Betrieb genommen, das „Pervasive Parellelism Lab“, das von den größten IT-Unternehmen in den Vereinigten Staaten, darunter HP, IBM und Intel, finanziert wird.

(9)  In einer britischen Studie über Mobiltelefonie wurde deren Unbedenklichkeit über einen Zeitraum von mehreren Jahren belegt; sie kann unter:

http://www.mthr.org.uk aufgerufen werden.


31.3.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 77/63


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über kreative Online-Inhalte im Binnenmarkt“

KOM(2007) 836 endg.

(2009/C 77/16)

Die Europäische Kommission beschloss am 3. Januar 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über kreative Online-Inhalte im Binnenmarkt“

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 16. Juli 2008 an. Berichterstatter war Herr RETUREAU.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 447. Plenartagung am 17./18. September 2008 (Sitzung vom 18. September) mit 115 Ja-Stimmen bei 1 Gegenstimme und 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Verbraucherrechte

1.1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss befürwortet einen Verbraucherschutz auf hohem Niveau und sieht daher der Ausarbeitung des Leitfadens für Verbraucher und Nutzer der Dienste der Informationsgesellschaft mit Interesse entgegen.

1.1.2

Nach Meinung des Ausschusses sollten in diesem Leitfaden zumindest folgende Aspekte aufgegriffen werden:

Netzneutralität zur Erweiterung der Auswahlmöglichkeiten für die Verbraucher;

Gewährleistung eines angemessenes Schutzes personenbezogener Daten sowie ein hohes Sicherheitsniveau des elektronischen Umfelds;

Erleichterung der Ausarbeitung von freiwilligen Normen und von Gütesiegeln im elektronischen Geschäftsverkehr;

Gültigkeit der Verbraucherrechte in der digitalen Wirtschaft, und zwar der Zugangsrechte, des Universaldienstes sowie des Schutzes gegen unlautere Geschäftspraktiken;

Festlegung von Qualitätskriterien für Online-Dienste;

Erstellung eines einfachen und europaweiten Online-Formulars zur Meldung von betrügerischen Machenschaften;

Einrichtung eines Online-Systems zur außergerichtlichen Streitbeilegung.

1.2   Interoperabilität

1.2.1

Der Ausschuss betont, dass die Interoperabilität ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor ist. Offene Standards sind von grundlegender Bedeutung für die Erleichterung der Interoperabilität und tragen zur Erhöhung von Sicherheit und Zuverlässigkeit bei.

1.2.2

Aufgrund der nach wie vor mangelnden Interoperabilität sind die Unionsbürger in ihrem Zugang zu Geräten, Diensten und Inhalten eingeschränkt und gezwungen, höhere Preise für die Geräte zu zahlen. Gleichzeitig bedeutet dies jedoch auch eine Einschränkung ihrer Auswahlmöglichkeiten an Geräten. Die Bürger müssen „Überbrückungslösungen“ anwenden, da bestimmte Interessengruppen diese unnötigen technischen Unterschiede befürworten, um sich eine Monopolstellung zu verschaffen.

1.2.3

Das Konzept europaweit kompatibler DRM (1) ist nach Ansicht des Ausschusses nur eine vermeintlich gute Idee, da mehr Probleme geschaffen denn gelöst werden; außerdem könnten einige Inhalte-Schaffende von der Online-Verbreitung ausgeschlossen werden. Darüber hinaus ist der Inhalte-Markt ein weltweiter Markt, auf dem durch die Zoneneinteilung die Auswahlmöglichkeiten der Nutzer eingeschränkt werden.

1.3

Der Ausschuss ist der Ansicht, dass die mehr oder weniger chaotische und in den einzelnen Mitgliedstaaten stark unterschiedliche Gebührenerfassung für jedwede Art digitaler Datenträger oder Speichermedien zu enormen Wettbewerbsverzerrungen führt.

1.4

Die Strafmaßnahmen und die Ausnahmeregelungen, die in dem französischen Gesetzesentwurf „Olivennes“ vorgesehen sind, gehen über die Anforderungen der WTO in dem 1994 in Marrakesch unterzeichneten Abkommen hinaus. Wie der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil in der Rechtssache „Promusicae“ festgehalten hat, muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Wahl der Mittel zur Einhaltung der Urheberrechte gewahrt werden; es gilt, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den Rechten und den Freiheiten einerseits und den Interessen andererseits zu finden.

1.5

Daher sieht der Ausschuss der Veröffentlichung der Empfehlung mit Interesse entgegen, die die Europäische Kommission zu den kreativen Online-Inhalten vorzulegen beabsichtigt, um sich konkret zu folgenden Aspekten zu äußern: Transparenz (Kennzeichnung), neue Formen der Festlegung und Verwaltung digitaler Rechte auf europäische Ebene, Förderung und Unterstützung innovativer Systeme für die Verbreitung kreativer Online-Inhalte sowie Suche nach effizienten Mitteln, um der Erstellung von Raubkopien zu kommerziellen Zwecken und jedweder anderer Form der Schädigung der Urheber einen Riegel vorzuschieben.

2.   Vorschlag der Europäischen Kommission

2.1

Die wichtigsten Aspekte der Mitteilung und der Fragen der Europäischen Union heben auf folgende Punkte an:

Reglementierung und Harmonisierung des europäischen Marktes der kreativen Online-Inhalte;

Schaffung eines europäischen Urheberrechts und verwandter Schutzrechte; gebietsübergreifende Lizenzen; besserer Schutz der Rechte an literarischem und künstlerischem Eigentum;

datenträgerspezifische interoperable europäische DRM, insbesondere für Online-Inhalte;

Gewährleistung der Sicherheit der Kommunikation und der Finanztransaktionen, Bekämpfung von Piraterie und Betrug zur Stärkung des Vertrauens in die digitale Wirtschaft (eEconomy) und zum Ausbau von Online-Diensten;

das größte Problem ist sicherlich die Frage der Erstellung von Kopien zu privaten Zwecken, die im Mittelpunkt zahlreicher polemischer Auseinandersetzungen in Europa steht, da die diesbezügliche Gesetzgebung in den EU-Mitgliedstaaten noch bei weitem nicht einheitlich ist.

2.2

Gemäß dem 41-seitigen Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen (2), das getrennt von der Mitteilung und nur auf Englisch veröffentlicht wurde, muss die Politik der EU aufgrund des grenzübergreifenden Charakters der Online-Kommunikation und der für die neuen Technologien erforderlichen neuen Handelsmodelle auf die Förderung und die rasche Durchsetzung dieser neuen Modelle zur Online-Verbreitung von Inhalten und Wissen ausgerichtet sein. „Kreative, online verbreitete Inhalte“ sind Inhalte und Dienste wie audiovisuelle Online-Medien (Film, Fernsehen, Musik und Hörfunk), Online-Spiele, Online-Publikationen, Bildungsinhalte und von Nutzern selbst erzeugte Inhalte (soziale Netze, Blogs usw.).

2.3

Das oberste Ziel, das bereits in der i2010-Mitteilung (3) hervorgehoben wurde, ist die Schaffung eines einheitlichen europäischen Informationsraums. Die ermittelten Probleme bestehen jedoch nach wie vor, wohingegen die technologischen Verbreitungsplattformen immer mannigfaltiger werden und sich immer weiter durchsetzen.

2.4

In Bezug auf das Vertrauen in die digitale Wirtschaft stellt sich immer wieder die Frage der Interoperabilität der Programme, Dienste und Plattformen. Einige sind der Ansicht, dass die Kriminalisierung des Austausches von Dateien über „Peer-to-Peer“-Systeme („P2P“) oder „Big Torrent“-Protokolle sowie Systeme zum Schutz der Rechte des geistigen Eigentums, die drakonische Strafe vorsehen, nicht dazu beitragen, ein Klima des Vertrauens zu schaffen, zumal da die explosionsartige Zunahme der durch Nutzer geschaffenen Inhalte, die die Rolle der Nutzer in der digitalen Wirtschaft um eine neue Dimension bereichert, in mancherlei Hinsicht zur Herausforderung für öffentliche Anliegen wie Vertrauen und Sicherheit wird.

2.5

Die Nutzung von DRM steht im Kreuzfeuer der Kritik der Verbraucherschutzorganisationen, die diese als Eingriff in die grundlegenden Verbraucherrechte werten. Sie bergen außerdem Gefahren für den Datenschutz und sind für den Nutzer nicht einfach zu handhaben. Einige Industrievertreter hingegen verfechten DRM und betonen, dass die Probleme der Interoperabilität von den Hardware- und Software-Erzeugern verursacht werden.

2.6

Auf dem Weltmarkt müssen sich die auf den nationalen Märkten agierenden Betreiber der Sprachenvielfalt und der sehr geringen Größe bestimmter Märkte sowie einer Mannigfaltigkeit an nationalen Lizenzvorschriften stellen. Die Internet-Diensteanbieter befürworten gebietsübergreifende Lizenzen und Vorschriften, die jedoch in anderen Industrienzweigen eher auf Ablehnung stoßen. Das System der nationalen Lizenzen ermöglicht eine bessere Entlohnung der Urheber; allerdings gibt es in zahlreichen Ländern diverse Verwertungsgesellschaften. Neben Musikorganisationen fordern auch Mobilfunkbetreiber eine Vereinfachung der Nutzungsgebührenerfassung.

2.7

Die Internet-Diensteanbieter kritisieren außerdem die Vielfalt der Erfassungssysteme und der Gebühren für Kopien zum privaten Gebrauch, die immer strenger und komplexer werden, und hinterfragen ihre Sinnhaftigkeit angesichts der Verwendung von DRM.

2.8

Da es an Inhalten für die Online-Verbreitung fehlt, der Markt aufgesplittert ist und die Verträge für verschiedene Nutzungsarten sehr unterschiedlich sind, wird eine rasche Online-Verfügbarkeit der Inhalte eingeschränkt und die Entwicklung von Diensten beträchtlich gebremst.

2.9

Das Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen beruht auf den Ergebnissen von zwei Konsultationen und spiegelt die Vielfalt der Meinungen der verschiedenen Interessenträger wider. Die Europäische Kommission verfolgte dennoch die Absicht, Fortschritte in Bezug auf (umstrittene) Fragen wie multiterritoriale Lizenzen und ein europäisches Urheberrecht sowie insbesondere die allgemeine Verbreitung von interoperablen DRM zu erzielen und einen echten europäischen Binnenmarkt unter Wahrung der kulturellen Vielfalt zu schaffen.

2.10

Ziel ist, dass der europäische Markt der Online-Inhalte (Musik, Film, Spiele usw.) bis 2010 um das Vierfache wächst und sein Umsatz von 1,8 Mrd. EUR im Jahr 2005 auf 8,3 Mrd. EUR steigt.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der Ausschuss ist sich bewusst, dass das Internet die Möglichkeit eröffnet, Güter und Dienste in digitaler Form zusammenzustellen bzw. zu verbreiten, und zwar mittels Methoden, die gegen die immateriellen Eigentumsrechte der Urheber und der Vertreiber von kreativen Online-Inhalten verstoßen und Verletzungen der Privatsphäre sowie neue Formen von Betrug gegenüber juristischen und natürlichen Personen sind.

3.2

Am häufigsten werden zeitgenössische Musik und in verstärktem Maße auch audiovisuelle Werke und jedwede Art von Software illegal online gestellt. Dieses Phänomen ist in dem Zeitraum explosionsartig angewachsen, in dem die Vertreiber kein Geschäftsmodell vorgeschlagen hatten, das den neuen Möglichkeiten für Verstöße gegen die immateriellen Eigentumsrechte Rechnung getragen hätte. Auch die notwendige Bildungsinitiative für die Internetnutzung durch junge Menschen ist auf der Strecke geblieben.

3.3

Die ersten Reaktionen schlugen häufig ins Extreme aus, doch manchmal, viel seltener allerdings, wurde auch eine laxe Haltung an den Tag gelegt. Die Vertreiber haben im Allgemeinen Kopierschutzmaßnahmen (die so genannten DRM) getroffen und gleichzeitig Forderungen nach finanzieller Entschädigung für die Rechteinhaber und Strafmaßnahmen mit äußerst abschreckender Wirkung erhoben; angesichts des Ausmaßes dieser Art von Betrug — außer im Falle von massiven Raubkopien vor allem aus Osteuropa und Asien — ließen sich diese in der Praxis allerdings nicht anwenden. Einige Übeltäter wurden als abschreckendes Beispiel hart verurteilt, doch kann diese abschreckende Wirkung aufgrund fehlender unabhängiger Studien und realistischer Daten über die Höhe der Verluste aufgrund von Raubkopien nicht wirklich bewertet werden.

3.4

Der Ausschuss nimmt jedoch mit einiger Verwunderung den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Kenntnis, „europäische“ interoperable DRM für Online-Inhalte zu schaffen. So stehen auf dem Gebiet der Musik bereits Millionen an Titeln auf kommerziellen Websites ohne DRM zur Verfügung; der Trend geht dahin, diese Sites schrittweise zu schließen. Die Vertreiber arbeiten an verschiedenen Vertriebssystemen für diese Art von Inhalten, einschl. Möglichkeiten, die Musik direkt ohne vorheriges Speichern anzuhören, Sonderabos zum Download einer bestimmten Zahl an Werken, kostenlosen Angeboten gekoppelt an „verpflichtende“ Werbeeinschaltungen usw.

3.5

Der Kopierschutz auf mobilen Datenträgern bzw. Terminals wird nun vielmehr als Behinderungen für den „Fair Use“, die angemessene Verwendung, denn als effiziente Schutzvorrichtungen gegen Piraten angesehen; er kann auch zu einer vertikalen Integration führen (Websites, Verschlüsselung durch den Rechteinhaber mit mehr oder weniger großem Qualitätsverlust, eigene Lesegeräte wie das Apple-Vertriebssystem mit AAC-Verschlüsselung oder iPod bzw. iPhone), die ein wettbewerbswidriges Verhalten zeitigt. Ein häufig verwendeter Schutzmechanismus, insbesondere für Software und Spiele sowie für einige Online-Veröffentlichungen, beruht auf einem digitalen Entschlüsselungszugangscode, der dem Nutzer nach Erwerb der Einzelware oder des Abonnements für eine bestimmte Dauer übermittelt wird; dieser Mechanismus ist sehr effizient und bereits weit verbreitet.

3.6

Nach Ansicht des Ausschusses sind integrierte interoperable digitale DRM in der Praxis bereits überholt. Es wäre zweckdienlicher, die Entwicklungen in den verschiedenen Sektoren des Online-Inhalte-Marktes zu beobachten, in denen der Trend offenbar in Richtung des Schutzes des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte geht, insbesondere auf der Grundlage von angemessenen Verhaltenskodizes und realistischen Geschäftsmodellen (4), anstatt mittels einer europäischen Initiative ein Übergangsszenario, das raschen Änderungen unterworfen ist, in eine feste Form gießen zu wollen.

3.7

Für das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte bieten die geltenden internationalen Übereinkommen und Konventionen eine im Grunde gemeinsame Rechtsgrundlage für die Mitgliedstaaten wie auch für die Beziehungen mit Drittländern. In der Praxis bestehen allerdings nach wie vor trotz gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften Unterschiede. So würde mit dem Vorschlag für ein „europäisches Urheberrecht“ für den Binnenmarkt der Schutz eines Werkes automatisch in allen EU-Mitgliedstaaten gelten, sobald es von einem Mitgliedstaat anerkannt wird, und ein einheitlicher Schutz sichergestellt.

3.8

Im Zeitalter von Internet und Wissensgesellschaft muss ein echtes Gleichgewicht zwischen Allgemein- und Einzelinteressen hergestellt werden. Verfasser und Vertreiber müssen das gleiche Entgelt enthalten. Die Leser- bzw. Zuhörerschaft und die Nutzer müssen die Möglichkeit haben, legal erworbene Inhalte im privaten Rahmen, für öffentliche Lesungen oder zu Bildungszwecken in den verschiedenen Bildungseinrichtungen sinnvoll zu verwenden.

3.9

In zahlreichen Ländern besteht ein strenges Strafrecht, in dem das Urheberrecht geschützt und überzogene Sanktionen gegen Einzelpersonen vorgesehen sind, die Inhalte zu nichtkommerziellen Zwecken verwenden, obwohl die Nutzungs- und Kopierrechte für Privatpersonen begrenzt wurden; im Gegenzug scheinen die den Internet-Betreibern auferlegten „Spitzelmethoden“, die sich für die Bekämpfung des Terrorismus als sinnvoll erweisen können, unverhältnismäßig und bergen durchaus die Gefahr von Eingriffen in die Privatsphäre in einem Rechtsrahmen, der einseitig die Vertreiber begünstigt. Diese Art von Gesetzgebung könnte vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, der für den Schutz der Privatsphäre Sorge trägt, in Frage gestellt werden. Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat seinerseits zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und zur Suche nach einem Gleichgewicht zwischen den verschiedenen betroffenen Rechten aufgerufen (siehe das Urteil in der Rechtsache „Promusicae“).

3.10

Außerdem erheben einige Länder — zumeist dieselben — Gebühren auf alle Arten digitaler Datenträger, da diese ungeachtet ihres Verwendungszweckes als Mittel für Piraterie angesehen werden. Auch wenn diese Gebühren oft als „Abgabe für Kopien zu privaten Zwecken“ eingestuft werden, so bringen sie doch erhebliche Einnahmen mit sich, deren Umverteilung manchmal keinesfalls transparent abläuft. Dieser Ansatz, in dem jede Kopie zum privaten Gebrauch oder zu „Fair Use“-Nutzungen einer Verletzung des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte gleichgestellt wird, ist für die ehrlichen IKT-Nutzer, das heißt die große Mehrheit, und für Unternehmen, die derartige Datenträger zu anderen Zwecken als zur Kopie von Musik oder Spielen verwenden, absolut inakzeptabel. Derartige Abgaben müssten zumindest gemäßigt sein und den effektiven Kosten der Speicherung von Dateneinheiten entsprechen (Prozentsatz des Verkaufspreises des Datenträger dividiert durch beispielsweise die Gesamtzahl an Gigabytes, da erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Datenträgern bestehen).

3.11

Die Rechte der verschiedenen Interessenträger müssen gewahrt werden, allerdings im Einklang mit den geltenden Vorschriften und gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wie der Europäische Gerichtshof eindeutig in seinem Urteil in der Rechtssache „Promusicae“ (5) festgehalten hat.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss schließt sich der Meinung an, dass die Interoperabilität, die eine grundlegende Voraussetzung für den freien Wettbewerb ist, nur erreicht werden kann, wenn die Nutzer den Datenträger ihrer Wahl für das Abrufen eines Werkes nutzen können. Hierfür müssen alle Werke gemäß offenen und allgemein zugänglichen Standards kodiert werden. Die DRM-Systeme machen jedoch automatisch jedwedes Abrufen eines auf einem Datenträger (Hard- oder Software) gespeicherten Werkes ohne ausdrückliche Genehmigung des DRM-Erzeugers unmöglich. DRM beruhen per definitionem auf der Verschlüsselung ihrer geschlossenen Formate, deren technische Spezifikationen nicht öffentlich zugänglich sind. Vom DRM-Erzeuger nicht genehmigte und zertifizierte Systeme sind daher von jedwedem Wettbewerb ausgenommen. Bislang gibt es noch kein DRM-System, das auf offenen Standards beruht. Für diese Lösung wäre ein komplexes Lizenzaustausch-System erforderlich. Einige Inhalte-Schaffende könnten vom Markt ausgeschlossen werden, weil sie z.B. keine DRM verwenden. Ein Teilbereich des digitalen Schaffens einschl. wissenschaftlichen Instituten und Forschungszentren, Hochschulen, Freeware-Erzeugern und Inhalte-Schaffenden, die mit Alternativlizenzen arbeiten, könnte insgesamt vom Markt ausgeschlossen werden, in dem nur kommerzielle Inhalte zugelassen sind; dies läuft der Idee einer Informations- und Wissensgesellschaft zu wider, in der Europa die führende Rolle einnehmen möchte.

4.2

Keine dieser Hypothesen ist beispielsweise für die Einfuhr von Werken und Inhalten aus Drittländern in die EU sowie für die Ausfuhr aus der EU in Drittländer zufriedenstellend. Europäische DRM-Software müsste außerdem mit den Erzeugnissen kompatibel sein, die auf den in audiovisueller Hinsicht oftmals viel aktiveren Drittmärkten vertrieben werden. DRM öffnen Tür und Tor für wettbewerbsschädigendes Verhalten und für Versuche einer vertikalen Integration im Multimediabereich. Das Beispiel der iTunes-Software von Apple veranschaulicht dieses Problem: Für diese Software wird ein DRM und ein Verschlüsselungscode seitens des Eigentümers verwendet, wodurch in der Praxis ein Lesegerät des Typs iPod oder iPhone erforderlich ist.

4.3

Ist nur die Programmierschnittstelle („application programming interface“ — API) der DRM-Software und nicht das gesamte Quellprogramm zugänglich (einige Vertreiber könnten durchaus der Versuchung erliegen), so wäre die Sicherstellung einer echten Interoperabilität immer noch gefährdet.

4.4

Die Piraten sind in der Lage, äußerst schnell jedwedes Schutzsystem zu umgehen bzw. zu reproduzieren, so dass die Inhaltevertreiber ihr Vertrauen in DRM verloren haben und auf neue kommerzielle Verbreitungsmodelle setzen, z.B. Pauschalabos, kostenloses Anhören eines Werkes, das dann — allerdings nur kostenpflichtig — erworben werden kann, Werbeeinschaltungen usw. Man sollte viel eher dem Markt vertrauen als voreilig und ohne Kenntnis der Sachlage Rechtsvorschriften zu erlassen wie im Falle Frankreichs, wo ein Gesetz das andere jagt und so widersprüchliche Urteile gefällt werden. Der Druck der „Majors“ (der Musiksektor wird von fünf und der audiovisuelle Sektor von sechs oder sieben internationalen Unternehmen beherrscht) trug bislang entscheidend dazu bei, dass in einigen Ländern das Recht auf Privatkopien aufgehoben und der Datenaustausch zwischen Privatpersonen unter Strafe gestellt worden ist. So reiht sich auch der jüngste Gesetzentwurf in Frankreich in diese übermäßig repressiven Rechtsvorschriften ein, die lediglich in eine Sackgasse führen.

4.5

Der Ausschuss hat bereits in seinen früheren Stellungnahmen betont, dass das Strafrecht ausschließlich auf Raubkopien zu kommerziellen Zwecken (Erzeugung und Vertrieb, manchmal durch organisierte Banden) Anwendung finden sollte; in einigen EU-Mitgliedstaaten ist es sehr einfach, Raubkopien von Software, Musik oder audiovisuellen Werken zu erhalten, und zwar auch auf Straßenmärkten. Es werden zwar auch in Europa Raubkopien hergestellt, das Gros der Kopien wird jedoch in Asien erzeugt. Dieses massive Raubkopieren zu kommerziellen Zwecken sollte ins Visier genommen und vorrangig bestraft werden; außerdem sollte die Zusammenarbeit von Polizei und Justiz gestärkt werden, um die internationalen Verbrecherringe zu sprengen.

4.6

In Bezug auf den Datenaustausch, insbesondere zwischen Jugendlichen, müssen in erster Linie Aufklärungskampagnen über die Notwendigkeit, dass die Urheber und Produzenten für ihre Arbeit angemessenen entlohnt werden müssen (vor allem die Urheber, die oftmals nur einen verschwindend geringen Anteil der Entgelte erhalten), durchgeführt und die politische Bewusstseinsbildung gefördert werden.

4.7

Ein umfassender Datenaustausch ist nicht zwangsmäßig ein Austausch von durch immaterielle finanzielle Rechte geschützte Daten. So kann es sich dabei um den Austausch kostenloser Daten oder Veröffentlichungen mit unterschiedlichem Inhalt handeln (z.B. wissenschaftliche Studien- und Forschungsergebnisse, lizenzfreie Werke, die keinerlei Kopie- oder Verbreitungsschutz unterliegen).

4.8

Gemäß dem in Frankreich vorgelegten Gesetzesentwurf soll jedoch das gesamte Internet überwacht und sollen die personenbezogenen Daten der Nutzer langfristig gespeichert und dann den Vertretern der Majors zur Verfügung gestellt werden, obwohl in einem derartigen System einzig und allein rechtlich befugte Behörden Zugriff zu dieser Art von Daten haben sollten.

4.9

Das Recht auf Privatkopien wird zur Ausnahme und ist als Gegenstand von schwer verständlichen „Verträgen“ seitens der Inhaltevertreiber starken Einschränkungen unterworfen, die dem Kaufverhalten der Verbraucher zuwiderlaufen, die oftmals spontan oder je nach dem, was gerade „in“ ist, entscheiden.

4.10

Die Urheber und die professionellen Vertreiber sind in der Praxis die einzigen, die von einem derartig übermäßigen Rechtsschutz profitieren; dagegen werden individuelle Inhaltevertreiber oder Künstler, die der breiten Öffentlichkeit noch unbekannt sind, und Nutzer von Alternativlizenzen (GPL, LGPL, Creative Commons usw., d.h. von rund 50 verschiedenen derartigen Lizenzen) ihrerseits nicht gesondert geschützt, obwohl diese Lizenzen Gegenstand des Urheberrechts und nicht unbedingt kostenlos sind. Sie müssen erst vor Gericht gehen, um Klage wegen Nachahmung zu erheben. So würde eine immense Ungleichheit vor dem Gesetz zwischen den großen internationalen Verbreitern einerseits und Kleinunternehmen bzw. Einzelpersonen andererseits geschaffen.

4.11

Der Ausschuss ist der Ansicht, dass der Rechtsrahmen den Schutz gutgläubiger Verbraucher sowie die gerechte Entlohnung der Urheber für ihre Werke als grundlegende Aspekte sicherstellen muss.

4.12

Die restriktiven Vorschriften für die Nutzung einer rechtlich erworbenen Lizenz und der Zugang zu personenbezogenen Daten durch Vertreter der „Majors“ laufen den gesteckten Zielen zuwider, da die „kommerziellen“ Nachahmer jedwede technische Hindernisse zu überwinden und ihre Spur im Internet zu verwischen wissen; daher wird die Kontrolle lediglich auf den nicht zu kommerziellen Zwecken erfolgenden legalen oder illegalen Datenaustausch zwischen Internetnutzern Anwendung finden, auch wenn festzuhalten ist, dass ein erheblicher Teil davon illegal ist und dieser illegale Datenaustausch mit verhältnismäßigen Mitteln bekämpft werden muss. Einige Verurteilungen, mit denen ein Exempel statuiert werden sollte, sowie deren Publikmachung zur „Abschreckung“ gewisser Internetnutzer werden nicht ausreichen, um dieses Problem zu lösen, da die Chancen, erwischt zu werden, statistisch verschwindend gering sind und beispielsweise Jugendliche überhaupt nicht beunruhigen, die sich des Schadens, den sie ihren Lieblingskünstlern zufügen, gar nicht bewusst sind.

4.13

Die langfristige Speicherung der personenbezogenen Daten aller Internetnutzer durch die Internet-Diensteanbieter ist an sich ein schwerwiegender Eingriff in die Privatsphäre dieser Nutzer. Ist sie wirklich notwendig, um die Wahrung des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte sicherzustellen? Oder ist sie im Hinblick auf das zu erreichende Ziel nicht eher überzogen? Sind diese Rechte derart absolute Rechte, dass sie eine dauerhafte Einschränkung der Privatsphäre der Internetnutzer rechtfertigen?

4.14

Diese gespeicherten Daten könnten zwar für die Terrorismusbekämpfung dienen, doch müssen die Internetnutzer unbedingt über rechtliche Garantien in Bezug auf die Vertraulichkeit ihres Internetanschlusses verfügen, die allerdings aufgrund eines vorrangigen allgemeinen Interesses von einer entsprechend befugten Behörde aus einem konkreten Grund, der durch die Angaben in der richterlichen Anordnung genau festgelegt wird, aufgehoben werden dürfen.

4.15

Bestimmte Arten der Datennutzung können ganz allgemein zu Wissens- und Analysezwecken genehmigt werden, allerdings unter bestimmten Bedingungen wie insbesondere der Unkenntlichmachung der Daten. Der Abgleich von Namensdateien, die Erhebung namentlicher Daten zur Erstellung eines Profils zum Zwecke einer effizienteren Werbung sowie ihre Speicherung und der Abgleich mit einer Liste von Schlagworten in Suchmaschinen und weitere bereits gängige Praktiken, insbesondere zugunsten der „Majors“ und anderer Großkonzerne, sollten verboten werden, da auch sie Eingriffe in die Privatsphäre der Bürger sind.

4.16

In zahlreichen Ländern werden Gebühren auf jedwede Art von Datenträger (fest oder mobil) ausschließlich zugunsten der Rechteinhaber erhoben (insbesondere für audiovisuelle Inhalte), auch auf Datenträger, die nicht für derartige Zwecke bestimmt sind. In diesem System wird jeder Nutzer eines Datenträgers jedweder Art als potenzieller Pirat angesehen. Einige Nutzerkategorien, in erster Linie Unternehmen, sollten von derartigen Gebühren ausgenommen sein. Die Anbieter von Breitband-Internetanschlüssen hingegen, die ihre Netze im Bewusstsein der in bestimmten Fällen möglicherweise illegalen Nutzung ausgebaut haben, könnten mit einer Gebühr belegt werden, die zwar relativ niedrig angesetzt ist, jedoch von der Intensität des Verkehrs zwischen den Nutzern abhängt, um zur Sicherung der Urheberrechte und zur Förderung neuer Inhalte beizutragen; allerdings dürfen die Mitgliedstaaten diese Gebühren weder insgesamt noch teilweise — mit Ausnahme der Kosten für die Einziehung und Umverteilung — für ihre eigenen Zwecke abzweigen.

4.17

Für die Rechteverwaltung sollten vielmehr die skandinavischen Länder, insbesondere Schweden, zum Vorbild genommen werden als Frankreich mit seinen zahlreichen Gesetzen und Gesetzesentwürfen, die hinsichtlich der Förderung von jungen Inhalte-Schaffenden und von KMU unausgeglichen und kaum überzeugend sind.

4.18

Nach Ablauf eines zweckdienlichen Zeitraums, in dem die Exklusivrechte garantiert werden, könnte nach dem Vorbild Schwedens ein globales System eingeführt werden.

4.19

Bereits bei der Prüfung des Vorschlags für eine Richtlinie über die Maßnahmen und Verfahren zum Schutz der Rechte an geistigem Eigentum (Rechte an gewerblichem sowie literarischem und künstlerischem Eigentum sowie verwandte bzw. Ad-hoc- und in der EU geschützte Rechte) forderte der Ausschuss eine strikte, aber gemäßigte Vorgehensweise für die Bekämpfung von Raubkopien zu kommerziellen Zwecken.

4.20

Die WTO ihrerseits warnte in dem Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) vor möglichem Missbrauch seitens der Rechteinhaber, die zu Wettbewerbsverzerrungen führen oder dem allgemeinen Interesse zuwiderlaufen könnten.

4.21

„Ziele: Der Schutz und die Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums sollen zur Förderung der technischen Innovation sowie zur Weitergabe und Verbreitung von Technologie beitragen, dem beiderseitigen Vorteil der Erzeuger und Nutzer technischen Wissens dienen, in einer dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wohl zuträglichen Weise erfolgen und einen Ausgleich zwischen Rechten und Pflichten herstellen.“

4.22

„Grundsätze: […] (2) Geeignete Maßnahmen, die jedoch mit diesem Übereinkommen vereinbar sein müssen, können erforderlich sein, um den Missbrauch von Rechten des geistigen Eigentums durch die Rechtsinhaber oder den Rückgriff auf Praktiken, die den Handel unangemessen beschränken oder den internationalen Technologietransfer nachteilig beeinflussen, zu verhindern.“

4.23

Die früheren Bemerkungen des Ausschusses, die er in seiner Stellungnahme zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Maßnahmen und Verfahren zum Schutz der Rechte an geistigem Eigentum“ vom 29. Oktober 2003 (6) ausgesprochen hat, entsprechen insbesondere den Zielen des TRIPS-Übereinkommens (Artikel 7) und seinen Grundsätzen (Artikel 8 Absatz 2), die unter den Erwägungsgründen der Richtlinie genannt werden sollten, da bei eventuellen Sanktionen weder ganz vom materiellen Recht abgesehen noch der mögliche Rechtsmissbrauch seitens der Inhaber von Rechten an gewerblichem sowie literarischem und künstlerischem Eigentum außer Acht gelassen werden kann (7).

Brüssel, den 18. September 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Digital Rights Management — Verwaltung digitaler Rechte („politisch korrekte“ Bezeichnung für Programme oder technische Maßnahmen, die das Kopieren verhindern, sprich Kopierschutzmechanismen).

(2)  Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen — Begleitdokument zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über kreative Online-Inhalte im Binnenmarkt {KOM(2007) 836 endg.} SEK(2007) 1710 endg.

(3)  Mitteilung der Kommission „i2010 — Eine europäische Informationsgesellschaft für Wachstum und Beschäftigung“ (KOM(2005) 229 endg.).

(4)  Da Musik im Internet zu gleichen Preisen wie eine CD im Geschäft verkauft wird, erwirtschaften die Vertreiber einen übermäßig hohen Umsatz; dies ist der Suche nach realistischen Geschäftsmodellen abträglich, die dem echten Herstellungspreis und einem nicht überzogenen Geschäftsgewinn Rechnung tragen.

(5)  Urteil des Gerichtshofes (Große Kammer) vom 29. Januar 2008

in der Rechtssache C-275/06

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen

[…] hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

Die Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (‚Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr‘), die Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, die Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums und die Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) gebieten es den Mitgliedstaaten nicht, in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens im Hinblick auf einen effektiven Schutz des Urheberrechts die Pflicht zur Mitteilung personenbezogener Daten im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens vorzusehen. Die Mitgliedstaaten sind gemäß dem Gemeinschaftsrecht jedoch dazu verpflichtet, sich bei der Umsetzung dieser Richtlinien auf eine Auslegung derselben zu stützen, die es ihnen erlaubt, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen durch die Gemeinschaftsrechtsordnung geschützten Grundrechten sicherzustellen. Bei der Durchführung der Maßnahmen zur Umsetzung dieser Richtlinien haben die Behörden und Gerichte der Mitgliedstaaten nicht nur ihr nationales Recht im Einklang mit diesen Richtlinien auszulegen, sondern auch darauf zu achten, dass sie sich nicht auf eine Auslegung dieser Richtlinien stützen, die mit diesen Grundrechten oder den anderen allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, wie etwa dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, kollidiert.

(6)  ABl. C 32 vom 5.2.2004, S. 15.

(7)  Das TRIPS-Übereinkommen, das Anhang 1C des am 15. April 1994 in Marrakesch unterzeichneten Abkommens zur Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) bildet, welches durch den Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986 — 1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. L 336 vom 23.12.1994, S. 1) genehmigt wurde, trägt den Titel „Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums“. In Artikel 41 Absatz 1 dieses Anhangs 1C heißt es: „Die Mitglieder stellen sicher, dass die in diesem Teil aufgeführten Durchsetzungsverfahren in ihrem Recht vorgesehen werden, um ein wirksames Vorgehen gegen jede Verletzung von unter dieses Übereinkommen fallenden Rechten des geistigen Eigentums einschließlich Eilverfahren zur Verhinderung von Verletzungshandlungen und Rechtsbehelfe zur Abschreckung von weiteren Verletzungshandlungen zu ermöglichen. Diese Verfahren sind so anzuwenden, dass die Einrichtung von Schranken für den rechtmäßigen Handel vermieden wird und die Gewähr gegen ihren Missbrauch gegeben ist. […]“.


31.3.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 77/69


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2005/35/EG über die Meeresverschmutzung durch Schiffe und die Einführung von Sanktionen für Verstöße“

KOM(2008) 134 endg. — 2008/0055 (COD)

(2009/C 77/17)

Der Rat der Europäischen Union beschloss am 4. April 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 80 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2005/35/EG über die Meeresverschmutzung durch Schiffe und die Einführung von Sanktionen für Verstöße“

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 16. Juli 2008 an. Berichterstatter war Herr RETUREAU.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 447. Plenartagung am 17./18. September 2008 (Sitzung vom 17. September) einstimmig folgende Stellungnahme:

1.   Der Vorschlag der Europäischen Kommission

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss wird mit den Änderungen befasst, die die Europäische Kommission für die Richtlinie aus dem Jahr 2005 über die Bekämpfung der Meeresverschmutzung durch Schiffe vorschlägt, um die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Bereich Umweltkriminalität, die jeweiligen Zuständigkeiten der Gemeinschaftsinstitutionen, die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und den Vorrang des EG-Vertrags gegenüber dem EU-Vertrag in Bezug auf die in den Verträgen verankerten Gemeinschaftspolitiken und -ziele zu wahren.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1

In strafrechtlicher Hinsicht hält der Ausschuss erneut fest, dass der Gemeinschaft in den Verträgen im Grunde keine Zuständigkeit in diesem Bereich übertragen wird.

2.2

Die Europäische Kommission muss allerdings für die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts, für das sie das Initiativrecht innehat, Sorge tragen, um die im EG-Vertrag verankerten Politiken, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, erfolgreich zu gestalten; hierfür kann sie in ihren Legislativvorschlägen anregen, dass die Mitgliedstaaten in nationalem Recht angemessene, wirksame und abschreckende Sanktionen, auch strafrechtlicher Art, gegen natürliche oder juristische Personen vorsehen, die vorsätzlich oder fahrlässig als Täter oder Mittäter Straftaten begehen oder zu derartigen Taten anstiften, wodurch die Anwendung dieser strafrechtliche Sanktionen gerechtfertigt ist.

2.3

In seiner einschlägigen Stellungnahme (1) hat der Ausschuss die überzogene Haltung der Europäischen Kommission in Bezug auf den Umfang der Zuständigkeiten der Gemeinschaft im Strafrecht kritisiert, und sich für eine gemäßigtere Auslegung ausgesprochen, die sich letztlich als im vollen Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (2) erwiesen hat. Seit 2000 wurde viel Zeit aufgrund eines interinstitutionellen Konflikts vergeudet, in dem nunmehr eine klare Entscheidung gefallen ist; dies wird für die Zukunft eine bessere Durchsetzung der Rechtsvorschriften im Umweltbereich ermöglichen.

2.4

Die mitunter geäußerte Befürchtung, dass die künftige Änderung der Verträge zu Veränderungen der Zuständigkeitsbereiche und somit des Rechtsrahmens mit dem einhergehenden Mangel an Stabilität und Sicherheit führen würde, erscheint weder angesichts der derzeitigen institutionellen Situation noch bei Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon gerechtfertigt. Die Mitgliedstaaten sind augenscheinlich keinesfalls geneigt, ihre strafrechtlichen Zuständigkeiten aufzugeben, die unter ihre Hoheitsgewalt fallen und somit als Teil der einzelstaatlichen Kernzuständigkeiten angesehen werden. Selbst eine durchaus denkbare, allerdings nicht radikale Weiterentwicklung der Zuständigkeiten der einzelnen Legislativorgane wäre nicht ipso facto eine Rechtfertigung für eine grundlegende rechtliche Änderung.

2.5

Außerdem hat sich der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache C-308/2006 betreffend die Rechtmäßigkeit der Richtlinie 2005/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 in Bezug auf das Völkerrecht für nicht zuständig erklärt und die erhobene Anfechtung somit unterbunden; auch vor anderen internationalen Gerichtsbarkeiten wäre dieser Fall aus rechtlichen und politischen Gründen, deren Erörterung allerdings den Rahmen dieser Stellungnahme sprengen würde, nicht weiterverfolgt worden, selbst wenn ein Gericht sich für zuständig erklärt hätte, über einen Rechtsakt der Gemeinschaft in einem Rechtsgutachten zu befinden. Dies reicht nicht aus, um dem Gemeinschaftsgesetzgeber die Stirn zu bieten, der aufgrund der Oberhoheit seines Rechts gegenüber nationalem und internationalem Recht in einer Position der Stärke ist und auf den internationales Recht keine Anwendung findet.

2.6

In dem neuen Vorschlag über die Meeresverschmutzung durch Schiffe werden die Mitgliedstaaten nun im vollen Einklang mit der gemeinschaftlichen Rechtsprechung aufgefordert, in einer beschränkten Zahl an schwerwiegenden Fällen, für die die Gemeinschaft eine strafrechtliche Sanktion seitens der Mitgliedstaaten fordert, angemessene, wirksame und abschreckende strafrechtliche Sanktionen für diese Straftaten vorzusehen und in ihr Strafrecht aufzunehmen, um gegen diese im Gemeinschaftsrecht klar festgelegten Verstöße vorzugehen.

2.7

Auch wenn es sich um keine Harmonisierung des geltenden Strafrechts handelt, da die Mitgliedstaaten nur aufgefordert werden, Verstöße, die der Gemeinschaftsgesetzgeber lediglich ermittelt, als solche einzustufen und strafrechtlich zu ahnden, so ermöglicht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes doch die Einführung von strafrechtlichen Verpflichtungen für die Mitgliedstaaten. Dies ist ein effizienteres Mittel, um die europäischen Rechtsvorschriften und ihre Einhaltung in grundlegenden Fragen zu stärken.

2.8

Der Ausschuss begrüßt und unterstützt daher den Vorschlag zur Änderung der Richtlinie aus dem Jahr 2005 und ist der Ansicht, dass die schrittweise einzuführenden neuen Instrumente zur Identifizierung und Verfolgung von Schiffen die uneingeschränkte Beachtung des Gemeinschaftsrechts ermöglichen werden, indem widerrechtliche Handlungen wirksam und systematisch geahndet werden.

Brüssel, den 17. September 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  ABl. C 220 vom 16.9.2003, S. 72.

(2)  Siehe Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 23. Oktober 2007 in der Rechtssache C-440/05 „Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Rat der Europäischen Union“.


31.3.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 77/70


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Erleichterung der grenzübergreifenden Durchsetzung von Verkehrssicherheitsvorschriften“

KOM(2008) 151 endg. — 2008/0062 (COD)

(2009/C 77/18)

Der Rat beschloss am 13. Mai 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe c des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Erleichterung der grenzübergreifenden Durchsetzung von Verkehrssicherheitsvorschriften“

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 16. Juli 2008 an. Berichterstatter war Herr SIMONS.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 447. Plenartagung am 17./18. September 2008 (Sitzung vom 17. September) einstimmig folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen

1.1

Die Kommission legt über diesen Richtlinienvorschlag Vorschläge vor für eine effizientere und wirksamere Durchsetzung der Verkehrsregeln und Ahndung von Verkehrsdelikten, die in einem anderen Mitgliedstaat begangen wurden.

1.2

Der Vorschlag ist ein Schritt im Rahmen der Verwirklichung des Ziels, das sich die Kommission im Jahr 2001 gesetzt hat: eine Halbierung der Zahl der Verkehrstoten im Zeitraum 2001-2010.

1.3

Ohne ergänzende Maßnahmen kann dieses Ziel nicht erreicht werden. Dieser Vorschlag ist eine dieser Maßnahmen und konzentriert sich auf das Vorgehen bei Verkehrsdelikten, die in einem anderen Mitgliedstaat begangen wurden.

1.4

Der Ausschuss hält den Richtlinienvorschlag für ein gutes Mittel, um Verstöße, die in einem anderen Mitgliedstaat begangen wurden, adäquat ahnden zu können. Einhergehen muss dies jedoch mit einer wirksamen und effizienten Kontrolle und Ahndung. Der Ausschuss fordert daher den Rat und die Mitgliedstaaten diesbezüglich dringend zu Verbesserungen auf.

1.5

Der Ausschuss weist darauf hin, dass die Liste der Verstöße, die die Kommission in ihrem Vorschlag nennt, um diejenigen Verstöße erweitert werden müsste, die im Zusammenhang mit einer Verbesserung der Verkehrssicherheit stehen, um so die Wirkung der Richtlinie zu steigern.

1.6

Mit Blick auf Effizienz und Wirkung vertritt der Ausschuss die Auffassung, dass für den Datenaustausch ein bestehendes elektronisches Netz genutzt werden sollte. Hier könnte z.B. an das EUCARIS-System gedacht werden, da es mit geringen Kosten verbunden ist. Der Kommission wird empfohlen, zumindest eine Machbarkeitsprüfung hinsichtlich der Ausweitung vorhandener Systeme um den geplanten Datenaustausch durchzuführen bzw. in Auftrag zu geben.

1.7

Bezüglich der Ahndung der Verkehrsdelikte regt der Ausschuss an, etwa einen Führerschein mit Punktesystem, die Beschlagnahmung des Fahrzeugs und die zeitweilige Einziehung des Führerscheins, die auch in Kombination mit Geldbußen auferlegt werden können, in Erwägung zu ziehen.

1.8

Mit Blick auf die Effizienz hält der Ausschuss die Bestimmung einer zentralen Behörde in jedem Mitgliedstaat für die Durchsetzung der in dem Richtlinienvorschlag enthaltenen Maßnahmen für eine gute Idee.

1.9

In dem von der Kommission vorgeschlagenen Muster für das „Formblatt für den Deliktsbescheid“ sieht der Ausschuss keinen zusätzlichen Nutzen. Seiner Ansicht nach geht es hier eher um den Inhalt als um die Form. Die Kommission sollte sich daher darauf beschränken, die für die Zwecke der Richtlinie erforderlichen Angaben genau zu beschreiben.

1.10

Der Ausschuss kann dem von der Kommission vorgeschlagenen Komitologieverfahren für die Durchsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen zustimmen.

2.   Einleitung

2.1.1

Im Weißbuch über die europäische Verkehrspolitik aus dem Jahr 2001 wurde das Ziel aufgestellt, dass die EU bis 2010 die Zahl der Verkehrstoten zu halbieren vermag. Konkret bedeutet dies, dass die Zahl der Verkehrstoten von 54 000 im Jahr 2001 im Jahr 2010 in den 27 EU-Mitgliedstaaten auf 27 000 pro Jahr verringert werden muss.

2.1.2

Zwischen 2001 und 2007 sank die Zahl der Verkehrstoten um 20 %. Um bis 2010 eine Halbierung zu erreichen, hätte sie jedoch um 37 % zurückgehen müssen. Eine Intensivierung der Bemühungen ist also erforderlich.

2.2   Der Kommissionsvorschlag

2.2.1

Zur Vorbereitung dieses Richtlinienvorschlags hat die Kommission eine öffentliche Informationssitzung veranstaltet und eine Sitzung mit interessierten und repräsentativen Kreisen durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Treffen sind in den vorliegenden Richtlinienentwurf eingeflossen.

2.2.2

Die Kommission hält den Richtlinienvorschlag für ein wirksames Instrument, um das Ziel doch noch zu erreichen und für eine Gleichbehandlung der Unionsbürger zu sorgen.

2.2.3

Durch den Richtlinienvorschlag soll die Ahnung von Verkehrsverstößen erleichtert werden, die in einem Mitgliedstaat mit einem Fahrzeug begangen werden, das in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen ist.

2.2.4

Momentan werden Verkehrsdelikte mit einem Fahrzeug, das in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen ist, häufig nicht geahndet. Beispielsweise ist bekannt, dass der Anteil der ausländischen Fahrer bei Geschwindigkeitsübertretungen zwischen 2,5 % und 30 % beträgt.

2.2.5

Da sich herausgestellt hat, dass Geschwindigkeitsübertretungen in 30 % der Fälle die Ursache für Unfälle mit Todesfolge sind, könnte ein diesbezügliches wirksames Vorgehen die Zahl der Verkehrstoten deutlich verringern.

2.2.6

Großen Einfluss haben auch die anderen Verstöße, die in den Vorschlag aufgenommen wurden, nämlich Trunkenheit am Steuer (25 %), das Nichtanlegen des Sicherheitsgurts (17 %) und das Überfahren eines roten Stopplichts (4 %).

2.2.7

Die Kommission beabsichtigt weder eine Harmonisierung der Verkehrsregeln noch eine Harmonisierung der Sanktionen für Verkehrsdelikte. Dies bleibt die Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten. Der Vorschlag umfasst lediglich rein administrative Bestimmungen zur Einrichtung eines wirksamen und effizienten Systems für die grenzübergreifende Verfolgung der wichtigsten Verkehrsdelikte, um das Ziel, die Halbierung der Zahl der Verkehrstoten bis 2010, zu erreichen.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

In seiner Stellungnahme vom 11. Dezember 2003 zu der Mitteilung der Kommission „Europäisches Aktionsprogramm für die Straßenverkehrssicherheit — Halbierung der Zahl der Unfallopfer im Straßenverkehr in der Europäischen Union bis 2010: eine gemeinsame Aufgabe“, stellte der Ausschuss bereits die seiner Ansicht nach ehrgeizige Zielsetzung der Kommission in Frage. Nun hat sich also herausgestellt, dass tatsächlich zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind, um das Ziel zu erreichen.

3.2

Der Ausschuss sieht daher auch einen deutlichen Mehrwert in einem europäischen Ansatz bei grenzüberschreitenden Durchsetzungsmaßnahmen im Verkehrsbereich. Er stimmt der Kommission zu, dass alles getan werden muss, um das im Jahr 2001 aufgestellte Ziel, die Zahl der Verkehrstoten bis 2010 zu halbieren, doch noch zu erreichen. Er sieht in dem Richtlinienvorschlag eine Möglichkeit für einen diesbezüglich großen Schritt nach vorne. Einhergehen muss dies jedoch mit einer wirksamen und effizienten Kontrolle und Ahndung. Der Ausschuss fordert daher den Rat und die Mitgliedstaaten dringend auf, im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten und entsprechend der Sachlage diese Kontrolle und Ahndung zu verbessern.

3.3

Der von der Kommission vorgeschlagene Ansatz klingt einfach: Ein noch näher zu bestimmendes EU-Netz für den elektronischen Datenaustausch soll es den Mitgliedstaaten ermöglichen, Haltern von Fahrzeugen aus anderen Mitgliedstaaten, die in ihrem Gebiet Verstöße begangen haben, einen Bescheid zu übermitteln. Ungewiss bleibt, welche Art von Netz und welches System der Kommission vor Augen schwebt.

3.4

In Artikel 4 des Richtlinienvorschlags gibt die Kommission an, dass der Informationsaustausch schnell geschehen muss, über ein innerhalb von 12 Monaten einzurichtendes EU-weites elektronisches Netz. An anderer Stelle in dem Dokument heißt es, dass hinsichtlich des Informationsaustauschs ein bereits bestehendes EU-Informationssystem zum Einsatz kommt, wodurch die Kosten gering gehalten werden können. Die Kommission sagt jedoch nicht, welches System für den Datenaustausch genutzt werden soll. Der Ausschuss teilt die Ansicht der Kommission, dass aus Zeit- und Kostengründen am besten ein bereits bestehendes Informationssystem der Europäischen Union genutzt werden sollte.

3.5

Konkret denkt der Ausschuss hier an einen ähnlichen Ansatz wie hinsichtlich des auf den Weg gebrachten Ratsbeschlusses über die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität, bei dem das EUCARIS-System eingesetzt wird. Dieses System wird derzeit von 18 Mitgliedstaaten und nach Inkrafttreten des Ratsbeschlusses von allen 27 Mitgliedstaaten eingesetzt. Die Kosten für das System sind im Vergleich zu anderen Netzen sehr gering.

3.6

Der Ausschuss spricht sich dafür aus, dass die Kommission für alle vorhandenen Systeme, einschließlich des EUCARIS-Systems, zumindest eine Machbarkeitsprüfung hinsichtlich der Ausweitung vorhandener Systeme um den geplanten Datenaustausch durchführen lassen sollte.

3.7

Der Ausschuss hält den Vorschlag der Kommission, dass sich die Richtlinie auf die Regelung einer Rechtsgrundlage für den Austausch von Fahrzeugzulassungsdaten beschränkt, für richtig. Die Mitgliedstaaten müssen selbst die Verfolgung regeln. Damit wird dem Subsidiaritätsprinzip Genüge getan.

3.8

Der Ausschuss weist jedoch darauf hin, dass sich die Effizienz der Durchsetzung verbessert, wenn in der gesamten EU Vereinbarungen in den Mitgliedstaaten in einheitlicher Weise umgesetzt und kontrolliert werden, beispielsweise die Harmonisierung der Höchstgeschwindigkeiten, des höchstzulässigen Blutalkoholspiegels, der Sanktionsmechanismen usw. Der Rat müsste hier endlich einmal zu einer Einigung gelangen.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Angesichts des angestrebten Ziels — Halbierung der Zahl der Verkehrstoten bis 2010 im Vergleich zu 2001 — und der Ende 2007 durchgeführten Zwischenbilanz, aus der hervorgeht, dass dieses Ziel ohne ergänzende Maßnahmen nicht erreicht werden kann, ist der Ausschuss der Ansicht, dass die von der Kommission vorgeschlagene grenzüberschreitende Zusammenarbeit in den vier Bereichen

Geschwindigkeitsübertretung

Trunkenheit im Straßenverkehr

Nichtanlegen von Sicherheitsgurten

Überfahren eines roten Stopplichts

ein Schritt in die richtige Richtung ist. Denn so kann den Angaben der Kommission zufolge die Zahl der Verkehrstoten jährlich um zwischen 200 und 250 verringert werden.

4.2

Der Ausschuss hält es für erforderlich, dass die Kommission in Artikel 1 des Richtlinienentwurfs weitere grenzüberschreitende Verstöße, wie etwa das Benutzen eines Mobiltelefons am Steuer ohne Freisprechanlage, aggressives Fahrverhalten, die Missachtung von Überholverboten, Fahren in verbotener Fahrtrichtung und das Fahren unter Drogeneinfluss, hinzufügt. Wie der Ausschuss bereits in seiner Stellungnahme zu der Mitteilung der Kommission „Europäisches Aktionsprogramm für die Straßenverkehrssicherheit — Halbierung der Zahl der Unfallopfer im Straßenverkehr in der Europäischen Union bis 2010: eine gemeinsame Aufgabe“ ausführte, müssen alle verfügbaren Mittel eingesetzt werden, um das Ziel zu erreichen.

4.3

Bezüglich der Ahndung der Verkehrsdelikte regt der Ausschuss an, etwa einen Führerschein mit Punktesystem, die Beschlagnahmung des Fahrzeugs und die zeitweilige Einziehung des Führerscheins, die auch in Kombination mit Geldbußen auferlegt werden können, in Erwägung zu ziehen.

4.4

Der Ausschuss kann dem Vorschlag der Kommission in Artikel 6 des Richtlinienvorschlags zustimmen, dass jeder Mitgliedstaat eine zentrale Behörde bestimmen muss, die die Durchsetzung der vorgeschlagenen Richtlinie koordiniert.

4.5

Der Ausschuss hält es unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität für nicht wünschenswert, dass die Kommission in Artikel 5 des Richtlinienvorschlags ein Muster für einen Deliktsbescheid vorgibt. Hier geht es vor allem um den Inhalt und nicht so sehr um die Form. Nach Auffassung des Ausschusses sollte sich die Kommission auf eine genaue Beschreibung der Angaben, die aufgenommen werden müssen, beschränken.

4.6

In Artikel 8 des Richtlinienvorschlags legt die Kommission fest, dass sie durch einen Ausschuss für Rechtsdurchsetzung im Bereich der Straßenverkehrssicherheit unterstützt wird. Der Ausschuss kann diesem vorgeschlagenen Komitologieverfahren zustimmen.

Brüssel, den 17. September 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


31.3.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 77/73


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Internationale Klimaschutzverhandlungen“

(2009/C 77/19)

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss auf seiner Plenartagung vom 16./17. Januar 2008, gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

„Internationale Klimaschutzverhandlungen“.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz (Beobachtungsstelle für nachhaltige Entwicklung) nahm ihre Stellungnahme am 2. September 2008 an. Berichterstatter war Herr OSBORN.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 447. Plenartagung am 17./18. September 2008 (Sitzung vom 17. September) mit 130 gegen 3 Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung und Empfehlungen

1.1

Der Klimawandel ist eine der größten globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Eine echte Katastrophe lässt sich nur verhindern, wenn der weltweite Klimagasausstoß insgesamt erheblich und der Ausstoß der Industrieländer bis 2050 um 60-80 % des 1990 verzeichneten Niveaus gesenkt wird.

1.2

Die im Dezember 2007 auf Bali aufgenommenen internationalen Klimaschutzverhandlungen sind von entscheidender Bedeutung für den Umfang der Maßnahmen, die weltweit bis 2020 eingeleitet werden sollen. Es ist unerlässlich, diese Verhandlungen 2009 in Kopenhagen zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.

1.3

Die Europäische Union hat sich auf das verbindliche Ziel festgelegt, den Klimagasausstoß bis 2020 um 20 % im Vergleich zu 1990 zu senken, und für die Verhandlungen das Angebot vorgelegt, eine noch weiter gehende Senkung von insgesamt 30 % im Vergleich zu 1990 vorzunehmen, wenn andere Staaten mitziehen. Die Europäische Kommission legte am 23. Januar 2008 im Rahmen ihres Energiepakets Vorschläge für die Verwirklichung dieser Klimaziele vor.

1.4

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss befürwortet nachdrücklich die Initiativrolle der Europäischen Union in den Verhandlungen und insbesondere ihre einseitige Verpflichtung, die Emissionen bis 2020 um 20 % zu mindern, um die Verhandlungen voranzubringen.

1.5

Nach Meinung des Ausschusses hat der Klimawandel jedoch bereits ein derartiges Ausmaß angenommen, dass alle nur erdenklichen weiteren Anstrengungen zu seiner Bekämpfung unternommen werden sollten. Die EU sollte sich die für 2020 unter bestimmten Bedingungen angebotene 30 %-Senkung zum Ziel setzen und in den Verhandlungen versuchen, eine vergleichbare Selbstverpflichtung seitens anderer Industrieländer zu erwirken, wobei auch bedeutende Beiträge der Schwellenländer, deren Klimagasemissionen rasch zunehmen, erforderlich sind.

1.6

Zur Stärkung ihres Einflusses in den Verhandlungen muss die EU ihre Glaubwürdigkeit dadurch untermauern können, dass sie das Versprochene einhält. Ein Maßnahmenpaket zur Verwirklichung des 20 %-Ziels muss unbedingt bis Ende 2008 vorliegen.

1.7

Zur Erreichung des nach Ansicht des Ausschusses einzig sinnvollen Ziels einer Emissionsminderung um 30 % bis 2020 werden auf europäischer und nationaler Ebene wohl weitere Maßnahmen erforderlich sein. Der Ausschuss fordert, dass so bald wie möglich die Ausarbeitung eines zweiten Maßnahmenpakets zur Verwirklichung dieses Ziels in Angriff genommen wird.

1.8

Der Ausschuss sieht den angekündigten Vorschlägen der Kommission zur Anpassung an den Klimawandel mit Interesse entgegen und empfiehlt, diese durch eine Anpassungsstrategie jedes einzelnen Mitgliedstaats zu ergänzen.

1.9

Der Ausschuss empfiehlt ferner die Entwicklung neuer Initiativen zur Förderung des Aufbaus der Kapazitäten und des Transfers der Technologien, die zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an diesen notwendig sind.

1.10

Für eine angemessene Reaktion auf den Klimawandel ist eine Umsteuerung der Weltwirtschaft sowie der Investitionsströme unumgänglich. Der Ausschuss empfiehlt eine weitreichendere Analyse der hierfür erforderlichen Ressourcen sowie der geeigneten öffentlichen und marktwirtschaftlichen Instrumente. Er geht davon aus, dass es eines ähnlichen Engagements und politischen Willens wie für die Festlegung des Marshall-Plans für den Wiederaufbau Europas nach dem Zweiten Weltkrieg bedarf. Die EU sollte als einer der Hauptinitiatoren dieses unbedingt notwendigen Plans auftreten.

1.11

Es wird spezieller Fonds bedürfen, um Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an diesen in den Entwicklungsländern zu fördern. Eine Möglichkeit ist die Ausweitung der CDM-Mechanismen, allerdings müssten die Kriterien verschärft und die Umsetzung verbessert werden. Europa könnte einen Teil der zusätzlich erforderlichen Mittel aus den Erlösen aus der Versteigerung von CO2-Emissionsrechten bereitstellen.

1.12

Sämtliche öffentliche Einrichtungen auf allen Ebenen sind ebenso zum Handeln aufgefordert wie die Verbraucher und die breite Öffentlichkeit.

1.13

Der EU kommt bei der Leitung und Durchführung dieses tiefgreifenden Wandels eine bedeutende Aufgabe zu. Der Ausschuss fordert alle EU-Institutionen auf, ihrer Verantwortung bei der Verwirklichung der EU-Klimaziele voll nachzukommen. Er selbst wird alles in seiner Macht Stehende tun, um die Zivilgesellschaft für die Unterstützung dieses großen gemeinsamen Vorhabens zu mobilisieren.

1.14

Die Parameter des Global Deal, dessen Formulierung Gegenstand der für die kommenden 18 Monate anberaumten internationalen Verhandlungen ist, müssen so schnell wie möglich festgelegt werden, damit die politischen Bemühungen dann darauf ausgerichtet werden können, diese Problematik zu vermitteln und die Unterstützung, das Vertrauen und das Engagement aller Akteure weltweit in Bezug auf die kommenden grundlegenden Veränderungen zu gewinnen. Dieser Global Deal darf nicht hinter verschlossenen Türen ausgehandelt werden, es müssen vielmehr alle Akteure eingebunden werden. Die Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels müssen realistisch, wirtschaftlich und sozial verträglich und in dem vorgeschlagenen Zeitraum durchführbar sein.

2.   Hintergrund

2.1

Der Klimawandel ist eine der größten globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Im 2007 veröffentlichten 4. Sachstandsbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (Weltklimarat — IPCC) werden die Klimaveränderungen dokumentiert, die auf den drastischen Anstieg der durch den Menschen verursachten Klimagasemissionen in den letzten beiden Jahrhunderten zurückzuführen sind, sowie alarmierende weitere Klimaveränderungen prognostiziert, sofern nicht umgehend Maßnahmen zur Eindämmung des weltweiten Klimagasausstoßes in den kommenden Jahren ergriffen werden. Der IPCC riet, weltweit das Ziel zu verfolgen, die durchschnittliche Temperaturerhöhung auf 2oC gegenüber vorindustrieller Zeit zu begrenzen, um katastrophale Folgen zu verhindern. Hierfür muss der weltweite Klimagasausstoß insgesamt erheblich und der Ausstoß der Industrieländer bis 2050 um 60-80 % des 1990 verzeichneten Niveaus gesenkt werden.

2.2

Seit 20 Jahren ist die internationale Gemeinschaft bestrebt, sich auf ein gemeinsames Handeln zur Begrenzung der Klimagasemissionen zu einigen. So wurde 1992 in Rio die Klima-Rahmenkonvention (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) verabschiedet, die 1997 durch das Kyoto-Protokoll gestärkt wurde, mit dem die Signatarstaaten sich zu spezifischen Maßnahmen zur Verringerung der Emissionen bis 2012 verpflichtet haben. Es wird jedoch allgemein eingeräumt, dass diese Vereinbarungen und Maßnahmen nur ein erster Schritt sind und in den kommenden Jahren viel einschneidendere und weitreichendere Maßnahmen erforderlich sein werden, um das 2050-Ziel zu erreichen. Die 2007 in Bali auf den Weg gebrachten internationalen Klima-Verhandlungen sind daher von grundlegender Bedeutung, haben sie doch einen entscheidenden Einfluss auf den Umfang der Maßnahmen, die bis 2020 weltweit umgesetzt werden. Diese Verhandlungen müssen 2009 in Kopenhagen zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden.

2.3

Ziele für 2020: Die Bali Roadmap (das auf Bali beschlossene Verhandlungsmandat für ein neues Klimaschutzabkommen) nimmt Bezug auf eine Aussage im 4. Sachstandsbericht des IPCC, der zufolge die Industrieländer ihre Emissionen bis 2020 um 25-40 % unter das Niveau von 1990 absenken müssen, um das langfristige Ziel der Begrenzung der Erderwärmung auf 2 Grad gegenüber vorindustriellen Werten zu erreichen.

2.4

Es liegt auf der Hand, dass die Industrieländer diejenigen Länder sind, die ihre Emissionen in absoluten Zahlen am stärksten senken sollten, trugen und tragen sie doch pro Kopf gemessen am meisten zum Klimawandel bei. Europa muss seiner Verantwortung nachkommen. Die Vereinigten Staaten müssen wieder in die internationale Strategie eingebunden und zu einer ernst zu nehmenden Selbstverpflichtung zur Verringerung ihrer Klimagasemissionen gebracht werden. Auch Russland wird sich auf ein realistischeres Ziel einlassen müssen als in der Kyoto-Runde.

2.5

Der EU kommt in diesen Verhandlungen eine maßgebliche Rolle zu. Der Rat hat eine Langzeitperspektive zur Verringerung der Emissionen seitens der Industrieländer um 60-80 % bis 2050 angenommen. Als Übergangsmaßnahme bis zur Verwirklichung dieses langfristigen Ziels hat sich die EU auf das verbindliche Ziel geeinigt, den Klimagasausstoß bis 2020 um 20 % im Vergleich zu 1990 zu senken, und für die Verhandlungen das Angebot vorgelegt, eine noch weiter gehende Senkung von insgesamt 30 % im Vergleich zu 1990 vorzunehmen, wenn andere Staaten mitziehen. In der Folge hat die Europäische Kommission am 23. Januar 2008 im Rahmen ihres Energiepakets Vorschläge für die Verwirklichung des 20 bzw. 30 %-Ziels vorgelegt.

2.6

Die Entwicklungsländer müssen ihrerseits ebenfalls ein ernsthaftes Klimaschutz-Engagement an den Tag legen. Die wichtigsten Schwellenländer China, Indien und Brasilien sowie einige weitere Länder zählen bereits zu den größten Verursachern von Klimagasemissionen — oder werden in Kürze zu diesen zählen. Sie müssen daher ihre Wirtschaft so ausrichten, dass ihre Emissionen erheblich weniger zunehmen als in einem „Business-as-usual“-Modell.

2.7

In dem globalen Abkommen, das von den Verhandlungsführern angestrebt wird, sollten die Industrieländer sich im Wesentlichen auf ehrgeizige Emissionsreduktionsziele und -maßnahmen festlegen und den Entwicklungsländern finanzielle und technische Unterstützung anbieten, wenn diese sich ihrerseits dazu verpflichten, ihr Wachstum und ihre Entwicklung so zu gestalten, dass ihr Klimagasausstoß so wenig wie möglich zunimmt.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der Ausschuss hat sowohl die allgemeinen Fortschritte im Verhandlungsverlauf als auch das von der Kommission unterbreitete Maßnahmenpaket, mit dem die EU ihren Verpflichtungen nachkommen soll, von Anfang an verfolgt. Zur Begleitung der Verhandlungen vor Ort entsandte der Ausschuss kleine Delegationen im Namen der europäischen Zivilgesellschaft als Teil der EU-Delegationen zur Bali-Konferenz der Konventionsparteien und zu dem anschließenden Zwischentagungstreffen in Bonn. Er nutzt außerdem seine Kontakte mit den zivilgesellschaftlichen Organisationen und Gruppen in anderen führenden Ländern, um die jeweiligen Standpunkte und die mögliche Rolle der Zivilgesellschaft im Hinblick auf die Förderung und Durchführung von Vereinbarungen auszuloten.

3.2

Der Ausschuss hat die verschiedenen Elemente des Klima- und Energiepakets der Kommission in einer Reihe von Einzelstellungnahmen bewertet, die nun in dieser allgemeinen Stellungnahme, in der der Ausschuss die Verhandlungsfortschritte und -aussichten im Allgemeinen sowie die Rolle Europas im Besonderen analysieren wird, zusammengefasst und miteinander in Bezug gesetzt werden. Nach Verabschiedung dieser Stellungnahme beabsichtigt der Ausschuss, parallel zu den Verhandlungstagungen in Poznan im Dezember 2008 sowie in Kopenhagen im Dezember 2009 Veranstaltungen zu organisieren, um der Zivilgesellschaft eine Möglichkeit zur Begleitung der laufenden Verhandlungen und zur Reaktion darauf zu bieten.

3.3

In dem in Bali vereinbarten Verhandlungsfahrplan wurden vier Hauptverhandlungsstränge festgelegt:

verpflichtende nationale Ziele und Maßnahmen zur Begrenzung der Klimagasemissionen bis 2020 und als Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels;

Maßnahmen zur Anpassung an die unvermeidbaren Klimaveränderungen;

Maßnahmen zur Förderung des Technologietransfers und des Kapazitätenaufbaus, die zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an diesen notwendig sind;

Abschluss angemessener Finanzvereinbarungen zur Förderung von Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an diesen, zur Förderung des Technologietransfers usw.

3.4

Die Stellungnahme setzt bei diesen vier zentralen Verhandlungssträngen an.

4.   Verstärkte Eindämmung des Klimawandels durch Begrenzung oder Senkung der Emissionen (erster Verhandlungsstrang)

4.1

Ziele: Der Ausschuss stimmt der Feststellung des IPCC zu, dass Emissionsreduktionen in den Industrieländern in Höhe von 25-40 % gegenüber dem Jahr 1990 für die Festlegung der 2020-Ziele ehrgeizig genug sind. Umfangreichere Reduktionen bis 2020 wären derzeit wohl kaum durchführbar.

4.2

Der Ausschuss unterstützt ausdrücklich die Führungsrolle der EU in den Verhandlungen und begrüßt die Initiativrolle, die die EU durch ihre einseitige Verpflichtung zum Emissionsabbau um 20 % bis 2020 übernommen hat, um die Verhandlungen in Gang zu bringen. Nach Meinung des Ausschusses hat der Klimawandel jedoch bereits jetzt ein derartiges Ausmaß angenommen, dass alle nur erdenklichen weiteren Anstrengungen zur Durchsetzung der 30 %-Senkung, die unter bestimmten Bedingungen für 2020 angeboten wurde, unternommen werden sollten. Außerdem sollte in den Verhandlungen darauf hingewirkt werden, ein vergleichbares Engagement seitens anderer Industrieländer sicherzustellen, wobei auch bedeutende Beiträge der Schwellenländer, deren Klimagasemissionen rasch zunehmen, erforderlich sind.

4.3

Werden die Verhandlungen lediglich mit einer Verpflichtung der EU zur Emissionsminderung um 20 % und vergleichsweise geringfügigen Zusagen anderer Länder abgeschlossen, wäre dies nach Ansicht des Ausschusses als Misserfolg zu werten.

4.4

Durchführung: Die von der Kommission im Klima- und Energiepaket für die EU vorgeschlagenen Maßnahmen stellen zusammengenommen einen sehr tauglichen, sinnvollen Durchführungsplan dar, mit dessen Hilfe die EU ihre Emissionsminderungsziele von 20 % bis 2020 erreichen kann. Der Ausschuss hat separate Stellungnahmen zu den einzelnen Bausteinen dieses Plans vorgelegt. Unter Berücksichtigung folgender Bemerkungen befürwortet der Ausschuss insgesamt alle Bausteine dieses Planes:

Er unterstützt die vorgeschlagenen Reformen und die Ausweitung des Emissionshandelssystems. Die Senkung der Emissionsobergrenzen und die Versteigerung eines größeren Anteils der Emissionsrechte werden begrüßt, da sie im Einklang mit dem Verursacherprinzip stehen, Mitnahmegewinne verhindern, Anreize setzen und zur Bildung von Kapital beitragen, das in CO2-arme Anlagen und Produkte investiert werden kann; sie sind somit innovationsfördernd. Angesichts der Höhe der sowohl in Europa als auch in den Entwicklungsländern notwendigen Umrüstungsinvestitionen sollten wenigstens 50 % der Erlöse — anstelle der von der Kommission vorgeschlagenen 20 % — aus der Versteigerung von Zertifikaten für Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an diesen aufgewendet werden (1). Er begrüßt außerdem den Beschluss des Rates und des Europäischen Parlaments, den Luftverkehr ab 2012 in das EU-EHS einzubeziehen.

Er befürwortet die Stoßrichtung der vorgeschlagenen Lastenverteilung auf die nicht unter das EU-Emissionshandelssystem fallenden Sektoren und fordert die Institutionen dringend auf, in den Detaildiskussionen über die Grundlagen dieser Lastenverteilung nicht das übergeordnete Ziel auszuhöhlen (2).

Er spricht sich nachdrücklich für rasche Fortschritte auf dem Gebiet der erneuerbaren Energieträger aus. Die Verwirklichung des 20 %-Ziels bis 2020 wäre eine gute Voraussetzung dafür, ihren Anteil bis 2050 noch viel weiter zu erhöhen (3).

Er bedauert, dass der zentralen Frage der Energieeffizienz — die bis 2020 anvisierte Steigerung von 20 % ist kein verbindliches Ziel — nicht die gebührende Bedeutung eingeräumt wird, wie aus dem Bericht der Kommission zu den nationalen Energieeffizienzplänen deutlich hervorgeht. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten hat ihre nationalen Pläne nicht rechtzeitig aufgestellt, die Pläne sind von unterschiedlicher Qualität und teilweise auch nicht ehrgeizig genug, wenngleich umfangreiche Energieeffizienzgewinne häufig bei relativ geringen Erstinvestitionskosten und mit sehr kurzer Amortisationsdauer erreicht werden können (4).

Er begrüßt zwar den von der Kommission vorgeschlagenen Rechtsrahmen für die CO2-Abscheidung und -Speicherung, sieht aber auch mit Sorge, dass keine ausreichende Finanzierung für die geplanten Demonstrationsprojekte bereitgestellt und die Entwicklung bis zur Anwendung im industriellen Maßstab zu langsam vonstatten gehen wird, obwohl dieser Technologie entscheidende Bedeutung zukommt, wenn einige Länder noch viele Jahre lang auf Kohle und andere fossile Energieträger angewiesen sind (5).

4.5

Die Europäische Union baut fest darauf, mit Hilfe ihres Emissionshandelssystems als wesentlichem politischem Instrument die notwendigen Emissionsreduktionen zu erreichen. Das EU-EHS ist schon jetzt das weltweit umfangreichste Emissionshandelssystem und wird sich nach 2012 noch ausweiten. Ursprünglich hat sich das System allerdings nur in begrenztem Maße auf die europäischen Emissionen ausgewirkt, da die anfänglichen Emissionsobergrenzen und -berechtigungen großzügig bemessen waren und zu einem sehr niedrigen Kohlenstoffpreis geführt haben. Mit strengeren Obergrenzen ist der Kohlenstoffpreis angestiegen, so dass sich in Verbindung mit weiteren Faktoren, die zu einer Preissteigerung für fossile Brennstoffe führen, vermutlich eine stärkere Wirkung auf die europäische Energieerzeugung und andere Industriezweige ergeben wird.

4.6

Der Ausschuss ist ganz allgemein der Auffassung, dass die Stärkung des EU-EHS positive Auswirkungen für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt in Europa zeitigen wird, da die rasche Entwicklung energieeffizienter CO2-armer Verfahren und Produkte gefördert wird, die die Marktführer der Zukunft sein werden. Auf diese Weise werden nicht nur neue Arbeitsplätze geschaffen, sondern auch die europäische Abhängigkeit von Importen verringert und somit die Energieversorgungssicherheit erhöht.

4.7

Die EU hat in diesem Bereich die Initiative ergriffen, doch muss nunmehr alles daran gesetzt werden, dass auch in den Vereinigten Staaten und anderen Ländern Emissionshandelssysteme aufgebaut werden, die in der Folge in einem weltweiten Kohlenstoffmarkt miteinander vernetzt werden. Der Aufbau eines echten weltweiten Kohlenstoffmarktes könnte der wirksamste und kosteneffizienteste Weg zur Gewährleistung der Verringerung des CO2-Ausstoßes weltweit sein. Der Ausschuss unterstützt ausdrücklich die Initiative der Internationalen Kohlenstoff-Aktionspartnerschaft (ICAP), mit der eine abgestimmte Entwicklung der in verschiedenen Teilen der Welt im Entstehen begriffenen Handelssysteme hin zu einem einzigen Weltmarkt angestrebt wird. Erfolgt der Aufbau eines globalen Kohlenstoffmarktes innerhalb eines Systems mit weltweiten Emissionsobergrenzen, dürfte sich die Gefahr einer Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit der EU durch ein einseitiges europäisches Handelssystem verringern.

4.8

Als ebenfalls sinnvoll könnten sich internationale sektorbezogene Vereinbarungen erweisen, in denen detailliertere Pläne und Strategien zur Gewährleistung einer fortschreitenden Minderung der durch die wichtigsten einschlägigen Sektoren bzw. ihre Erzeugnisse verursachten Emissionen festgelegt werden. Sie sollten jedoch nur als Unterstützungsmaßnahme für die Durchführung strenger, auf internationaler Ebene vereinbarter nationaler Ziele angesehen werden und nicht als Alternative zu verbindlichen nationalen Zielen, da die Entwicklung in den letzten 20 Jahren gezeigt hat, dass freiwillige sektorspezifische Vereinbarungen in diesem Bereich allein zu wenig — und dies auch nur zu spät — bringen und letztlich nicht effizient durchgesetzt werden können.

4.9

In Bezug auf den Verkehr bekräftigt der Ausschuss seinen Standpunkt, dass eine sektorspezifische langfristige Nachhaltigkeitsstrategie von einer grundlegenden Neubewertung der Nachfragefaktoren in diesem Bereich ausgehen muss, wobei auch die Frage, wie Maßnahmen auf den Gebieten Raumplanung, Infrastruktur und öffentlicher Verkehr den unaufhaltsam scheinenden Zuwachs der Verkehrsnachfrage eindämmen und diese Nachfrage letztlich sogar verringern könnten, aufgegriffen werden muss. Die Planung sollte keinesfalls auf der Annahme beruhen, dass ein Verkehrszuwachs unvermeidbar ist und die einzige Möglichkeit zur Verringerung der verkehrsbedingten Emissionen in technischen Verbesserungen der Kraftstoffe und Motoren besteht, auch wenn diese natürlich wichtig sind.

4.10

In Bezug auf technische Maßnahmen plädiert der Ausschuss dafür, nicht nur kurzfristige strenge Emissionsgrenzwerte für Kraftfahrzeuge (120 g CO2 pro km bis 2012/2015) festzulegen, sondern auch mittelfristig einen noch niedrigeren Emissionsgrenzwert bis 2020 vorzusehen (6). Gleichzeitig sollte die Entwicklung und möglichst frühzeitige Einführung kohlenstofffreier strom- oder wasserstoffbetriebener Fahrzeuge gefördert werden.

4.11

Der Ausschuss bewertet das Potenzial für die Verwirklichung des 10 %-Ziels für Biokraftstoffe im Verkehrswesen pessimistischer als die Kommission. In Anbetracht der Probleme in Verbindung mit dem Klimagasminderungspotential von Biokraftstoffen und den ökologischen und sozialen Auswirkungen ihrer Erzeugung bedarf es strengerer Nachhaltigkeitskriterien als der von der Kommission vorgeschlagenen, um sicherzustellen, dass Biokraftstoffe nur dann eingeführt werden, wenn sie tatsächlich erheblich zur Verringerung der Netto-CO2-Emissionen beitragen und zu keiner unannehmbaren Beeinträchtigung der landwirtschaftlichen Böden und Nahrungsmittelerzeugung führen. Außerdem geht aus den aktuellen wirtschaftlichen Überlegungen klar hervor, dass Biomasse (zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt und in naher Zukunft) effizienter zur Strom- oder Wärmeerzeugung genutzt werden kann als in Form von Biokraftstoffen.

4.12

Weitere Maßnahmen zur Erreichung des 30 %-Ziels: Wenn das Energiepaket Ende 2008 angenommen und ab 2009 umgehend durchgeführt wird, hat die EU gute Aussichten, ihr 20 %iges Emissionsreduktionsziel bis 2020 zu verwirklichen.

4.13

Allerdings bezweifelt der Ausschuss, dass eine 30 %ige Emissionsminderung bis 2020 erreicht werden kann, indem — wie die Kommission bislang vorschlägt — einfach die Zielvorgaben der einzelnen Bausteine des Energiepakets ehrgeiziger formuliert werden und verstärkt CDM-Gutschriften verwendet werden können. Der Ausschuss ist vielmehr der Meinung, dass dazu vermutlich ein umfassenderes und breiteres Spektrum von Maßnahmen auf europäischer und nationaler Ebene erforderlich sein wird.

4.14

Der Ausschuss schlägt vor, folgende Aspekte auf europäischer Ebene für ein zweites Paket in Betracht zu ziehen:

eine stärkere Förderung der Energieeffizienz in allen zentralen Bereichen und bei allen wichtigen Erzeugnissen durch Regelung und Normung;

weitere Maßnahmen zur Beschleunigung der Entwicklung und Einführung erneuerbarer Energieträger;

eine stärkere Förderung der Entwicklung strom- oder wasserstoffbetriebener Fahrzeuge;

eine Ausweitung des EU-EHS auf Schiffsemissionen (der Ausschuss bezweifelt, dass die laufenden Diskussionen im Rahmen der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation rasch genug zufriedenstellende Ergebnisse bringen werden);

umfassendere gemeinsame Anstrengungen zur Festlegung strengerer nationaler Reduktionsziele im Rahmen der Vereinbarung über die Lastenverteilung.

4.15

Zur Erreichung strengerer individueller Ziele im Rahmen der Vereinbarung über die Lastenverteilung müssen sich die Mitgliedstaaten und ihre Entscheidungsträger nach Meinung des Ausschusses stärker um eine partnerschaftliche Einbindung der Öffentlichkeit, der Unternehmen, der Gewerkschaften und anderer zivilgesellschaftlicher Organisationen in die gemeinsamen Anstrengungen bemühen.

Die Bürger müssen dazu angehalten bzw. dabei unterstützt werden, ihren Teil der Verantwortung zu übernehmen und beispielsweise die Energieeffizienz ihres Hauses/ihrer Wohnung zu verbessern, auf umweltfreundlichere Energieträger für Beleuchtung und Heizung zurückzugreifen, energieeffizientere Güter zu erwerben und Dienstleistungen zu nutzen und ihren CO2-Fußabdruck als Verkehrsteilnehmer und Ferienreisende zu verringern. Nach Meinung des Ausschusses wäre ein wachsender Anteil der Bevölkerung und der Organisationen der Zivilgesellschaft bei klaren Vorgaben durch eine konsequente und sinnvolle politische Orientierung und bei entsprechenden Anreizen bereit, sich konkret zu engagieren.

Viele lokale und regionale Gebietskörperschaften haben in Sachen Klimawandel bereits mit Weitblick und Mut die politische Initiative ergriffen. Sie müssen ermutigt werden und Anreize vorfinden, noch weiter zu gehen.

Unternehmen müssen in ähnlicher Weise dazu angeregt werden, weitere Fortschritte sicherzustellen. Sie müssen mit Anreizen dazu bewogen, ja gedrängt werden, ihre Energieeffizienz kontinuierlich zu verbessern und ihren Energiebedarf aus kohlenstoffarmen Energiequellen zu decken. Durch entsprechende Rechtsvorschriften sollte systematischer und nachdrücklicher auf eine Verbesserung der Energieleistung sämtlicher Arten von Produkten und Dienstleistungen hingewirkt werden. Die Bauindustrie muss dazu verpflichtet werden, sowohl bei der Errichtung der Gebäude als auch bei deren Betrieb eine noch höhere Energieeffizienz zu gewährleisten.

Auch den Gewerkschaften kommt eine wichtige Rolle zu. Viele ihrer Mitglieder arbeiten an vorderster Front an Verbesserungen der Energieeffizienz und der Verbreitung praktischer Informationen und ihr möglicher Beitrag muss gewürdigt und gefördert werden. Die Gewerkschaften müssen außerdem umfassend in die Umstellung von Industrie und Wirtschaft auf weniger Kohlenstoffintensität eingebunden werden. Eine richtige Steuerung dieses Wandels vorausgesetzt sollten die neuen Produktionsverfahren ebenso viele Beschäftigungsmöglichkeiten unter Wahrung guter Arbeitsbedingungen bieten wie die herkömmlichen kohlenstoffintensiven Produktionsverfahren.

4.16

Im Interesse der Glaubwürdigkeit der EU auf internationaler Ebene ist es außerordentlich wichtig, dass jeder einzelne Mitgliedstaat alles daran setzt, nicht nur das Kyoto-Gesamtziel für die EU-15, sondern auch die Kyoto-Einzelziele bis 2012 zu verwirklichen. Laut der jüngsten Mitteilung der Kommission über Fortschritte bei der Umsetzung der Ziele von Kyoto (7) sind erst drei Mitgliedstaaten der EU-15 auf gutem Wege, ihre Emissionsziele allein mithilfe ihrer bestehenden politischen Maßnahmen zu erreichen; acht weitere Mitgliedstaaten werden ihre Ziele voraussichtlich erst erreichen, „wenn die Kyoto-Mechanismen, Kohlenstoffsenken und die bereits erörterten zusätzlichen nationalen Konzepte und Maßnahmen in ihrer Wirkung erfasst sind“. Drei Mitgliedstaaten dürften ihr Kyoto-Ziel wohl verfehlen. Auch zeigt die umfangreiche Anwendung der im Kyoto-Protokoll vereinbarten flexiblen Mechanismen, insbesondere des CDM, dass viele Mitgliedstaaten den dringend erforderlichen Wandel hin zu einer kohlenstoffarmen Gesellschaft noch lange nicht vollzogen haben.

5.   Anpassung an den Klimawandel (zweiter Verhandlungsstrang)

5.1

Selbst wenn die Maßnahmen zur Verringerung der globalen Emissionen in Zukunft Erfolge bringen, so ist bereits absehbar, dass die Erderwärmung in den kommenden Jahrzehnten weiter zunehmen wird, da die Emissionen bereits in die Atmosphäre gelangt sind. Der Ausschuss hat bereits eine Stellungnahme zum Grünbuch der Kommission zur Anpassung an den Klimawandel verabschiedet (8). Seines Erachtens muss die EU sich eine übergeordnete Strategie zur Bewältigung des Klimawandels innerhalb der EU geben, in deren Rahmen detailliertere nationale Anpassungspläne von den Mitgliedstaaten ausgearbeitet werden sollten. Forschung und Analyse, Haushaltsmittel und Investitionsprogramme sowie weitere Maßnahmen sollten noch vorrangiger auf die Anpassung an den Klimawandel ausgerichtet werden. Der Ausschuss bringt seine Hoffnung zum Ausdruck, dass die Kommission in ihrem für Herbst 2008 geplanten Weißbuch detaillierte Maßnahmen für Fortschritte in diesem Bereich vorschlagen wird.

5.2

Viele noch in der Entwicklung begriffene Regionen außerhalb der EU sind bereits stark vom Klimawandel betroffen und werden in Zukunft noch stärker unter seinen Folgen zu leiden haben, verfügen aber nicht über ausreichende Ressourcen, diese Folgen zu bewältigen. Es muss daher eine wesentliche Priorität der EU und anderer OECD-Staaten sein, die besonders verletzlichen Regionen finanziell und in anderen Bereichen zu unterstützen, damit sie den Klimawandel bewältigen können. Überlegungen zum Klimawandel müssen in alle Bereiche der Entwicklungspolitik einfließen.

5.3

Des Weiteren sind umfangreiche Anstrengungen zur Unterstützung einer nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder in den Entwicklungsländern notwendig. Auch muss den kommerziellen Interessen entgegengewirkt werden, die nach wie vor in vielen für das Weltklimasystem relevanten Regionen großflächige Waldrodungen verschulden. Der Ausschuss arbeitet derzeit eine gesonderte Stellungnahme zum Thema „Beitrag der Forst- und Holzwirtschaft zur Erreichung der Klimaschutzziele der EU“ aus.

6.   Entwicklung und Transfer von Technologien (dritter Verhandlungsstrang)

6.1

Für einen erfolgreichen Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft ist weltweit eine neue industrielle Revolution erforderlich. Not tut ein klarer Kurswechsel hin zu saubereren Formen der Energieerzeugung, neuen Technologien zur Abscheidung von Kohlendioxid- und anderen Klimagasemissionen und einer kontinuierlichen und nachdrücklichen Förderung energieeffizienterer Erzeugnisse und Verbrauchsmuster. Dazu sind eine erhebliche Ausweitung der einschlägigen öffentlichen und privaten Forschungsprogramme und umfangreiche Investitionsprogramme zur Umrüstung der Industrie und zur Veränderung von Produkten und Dienstleistungen erforderlich. Viele der erforderlichen Technologien bestehen bereits, doch muss ihre Anwendung noch viel weiter verbreitet werden.

6.2

In der EU sind dazu radikale Prioritätenverlagerungen in den finanziellen Programmen der EU und der Regierungen nötig, um die geeigneten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten und Investitionen zu unterstützen. Unternehmen und andere müssen durch steuerliche und sonstige Anreize dazu bewegt werden, die notwendigen Investitionen zu tätigen.

6.3

Zunächst muss festgestellt werden, welche Arten von Technologie und Diensten in Schwellenländern und Entwicklungsländern eine bestmögliche nachhaltige und emissionsarme Weiterentwicklung sicherstellen können, und dann muss ein Transfer dieser Technologien und Dienste zu geeigneten Bedingungen gefördert werden. Es sollten Mittel und Wege gefunden werden, neue Technologien, die Entwicklungsländer besonders wirkungsvoll bei der Anpassung an den Klimawandel und bei der Eindämmung der Kohlenstoffintensität ihrer künftigen Entwicklung unterstützen können, rasch in großem Maßstab und zu erschwinglichen Preisen einzuführen. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Schwellenländer zum Teil selbst die benötigten neuen Technologien entwickeln. Durch den Technologietransfer, der eben nicht nur auf einer Nord-Süd-Einbahnstraße verläuft, soll die rasche Verbreitung der einschlägigen Technologien in der ganzen Welt, unabhängig von ihrem Entwicklungsort, erleichtert werden.

6.4

Die EU und ihre Partner sollten dringend Möglichkeiten ausloten, wie den Entwicklungsländern problemlos und zu erschwinglichen Preisen Zugang zur modernsten und CO2-effizientesten Technologie ermöglicht werden kann, insbesondere im Bereich der Elektrizitätserzeugung, der energieintensiven Industrien, des Verkehrssektors und, sobald sie technisch ausgereift ist, der CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS). Länder, die wahrscheinlich weiterhin auf Kohle zur Energieerzeugung angewiesen sind, werden Unterstützung zur Einführung der modernsten sauberen Kohletechnologie (CCT) und der CCS-Technologie benötigen, sobald diese verfügbar ist.

6.5

Mit einem derartigen Technologietransfer sollten die Entwicklungsländer in die Lage versetzt werden, ihre Entwicklung weniger kohlenstoffintensiv zu gestalten, als es sonst der Fall wäre; es dürfte vertretbar sein, diese Unterstützung an angemessene Verpflichtungen seitens der Entwicklungsländer zu binden, ihrerseits weitere Maßnahmen zur Eingrenzung ihrer potenziellen Emissionssteigerung zu ergreifen.

6.6

Parallel zu den Klimaverhandlungen sollten die EU und die USA eine neue Initiative für eine Liberalisierung des Handels mit klimafreundlichen Gütern und Dienstleistungen im Rahmen der WTO auf den Weg bringen. Diese Initiative sollte so konzipiert sein, dass Industrieländer, Entwicklungsländer und Schwellenländer gleichermaßen Nettovorteile aus einer solchen Liberalisierung ziehen könnten, beispielsweise durch die Förderung der (Weiter)Entwicklung von Umwelttechnologien und -diensten in Entwicklungsländern.

7.   Aufstockung der Finanzmittel und Investitionen zur Förderung der Eindämmung und der Anpassung (vierter Verhandlungsstrang)

7.1

Die Entwicklungsländer werden in großem Umfang auf die Unterstützung der Industrieländer angewiesen sein, um ihren Beitrag zur Bewältigung des Klimawandels leisten zu können, ohne ihre eigene Entwicklung aufs Spiel zu setzen. Vor allem muss sichergestellt werden, dass die künftige Entwicklung der Entwicklungsländer so kohlenstoffarm wie möglich gestaltet wird und nicht, wie bei den „alten“ Industrieländern, allein auf der kohlenstoffintensiven Produktion aufbaut, die deren Entwicklung kennzeichnet (und mittlerweile hemmt).

7.2

Die Entwicklungsländer, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind und kaum eigene Ressourcen haben, um sich daran anpassen zu können, bedürfen auch zusätzlicher Hilfe in Form von Programmen für Küsten- und Hochwasserschutzmaßnahmen, Dürrebekämpfung, Umstellung der Landwirtschaft, neue Gesundheitsschutzerfordernisse usw.

7.3

Der Ausschuss begrüßt die allseitig auf Bali gewonnene Erkenntnis, dass neue und zusätzliche Ressourcen sowie Investitionskanäle und -mechanismen für diesen Transfer erforderlich sein werden. Allerdings waren die Industrieländer bis auf einige lobenswerte Ausnahmen bei der Einhaltung vergangener Versprechen zur Bereitstellung zusätzlicher Ressourcen für die Ziele der nachhaltigen Entwicklung wenig erfolgreich. Daher muss nun die gesamte Welt weitere Ressourcen mobilisieren und diesen Zielen widmen.

7.4

Dem Ausschuss liegen u.a. Schätzungen des Sekretariats der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) vor, denen zufolge der Mittelbedarf aus dem öffentlichen und privaten Sektor zusammen Hunderte Milliarden Dollar jährlich erreichen kann, wenn die Programme erst einmal angelaufen sind. Sie empfehlen, dass das UNFCCC, die Europäische Kommission und/oder die OECD und die internationalen Finanzinstitutionen den Mittelbedarf genauer beziffern, damit durch verbindliche Mittelzusagen und Verpflichtungen eine ausreichende Finanzierung und durch die Programme ein entscheidender Beitrag zur Bewältigung des Klimawandels sichergestellt werden kann. Die Versteigerung von Emissionsrechten in künftigen Entwicklungsphasen des EHS könnte eine Finanzierungsquelle sein, dürfte allein aber nicht für alle notwendigen Maßnahmen ausreichen.

7.5

Der Kyoto-Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (CDM) hat sich in gewissem Maße bei der Unterstützung geeigneter Investitionen in Nicht-Anhang I-Ländern bewährt. Allerdings findet die Projektförderung schwerpunktmäßig in China und anderen Schwellenländern statt, und es bestehen erhebliche Zweifel an der Zusätzlichkeit und Qualität zahlreicher Projekte. Eine wirksame Anwendung und Überwachung der Kriterien für die Genehmigung von Projekten ist unerlässlich, wenn die Mechanismen wie geplant dazu beitragen sollen, dass echte Emissionsminderungen auf möglichst effiziente Weise erreicht werden.

7.6

Die EU und andere Betroffene sollten schleunigst prüfen, wie Mängel im System im nächsten Zeitraum vermieden und der Anwendung des Mechanismus eine neue Dynamik verliehen werden kann. In Zukunft sollten im Rahmen von CDM und JI vorrangig Vorhaben gefördert werden, die nicht nur wesentlich zur Emissionsminderung beitragen, sondern auch den Wandel hin zu einer CO2-armen Wirtschaft voranbringen. Die Direktfinanzierung von Energieeffizienz-Vorhaben („rasche Ernte“) ist offenbar insbesondere in Schwellenländern, in denen diese ohnehin durchgeführt würden, wenig sinnvoll. Für diese Länder könnten „sektorspezifische CDM“, nach Möglichkeit in Verbindung mit so genannten „No Lose Targets“, sprich sanktionsfreien Zielen (9), eine zweckdienliche Alternative sein.

7.7

In der ganzen Welt werden umfangreiche Investitionen des Privatsektors in eine weniger kohlenstoffintensive Produktion unabdingbar sein. Die europäischen und nationalen Maßnahmen sollten dem Privatsektor gezielte Anreize bieten.

7.8

Die Kosten und Investitionen in den kommenden 50 Jahren werden sich auf Billionen US-Dollar belaufen. Das sind riesige Summen. Derartige Investitionen sind jedoch angesichts der knapper werdenden Vorräte an fossilen Energieträgern und der Preissteigerungen bereits jetzt erforderlich. Ganz unabhängig vom Klimawandel werden daher eine Diversifizierung weg von den fossilen Brennstoffen und die effizientere Nutzung der verbleibenden Vorräte aus wirtschaftlicher Sicht immer wichtiger. Sicherheitsüberlegungen gehen in dieselbe Richtung, da sowohl die Knappheit an fossilen Brennstoffen wie auch der Klimawandel die Wurzel für Instabilität und Konflikte in zahlreichen Weltregionen sind.

7.9

Unter diesem Gesichtspunkt ist die Notwendigkeit, der Gefahr des Klimawandels unverzüglich entgegenzutreten, keine zusätzliche Belastung für die Weltwirtschaft, sondern schlicht ein weiterer wichtiger Grund, den in jedem Fall unerlässlichen wirtschaftlichen und industriellen Wandel rasch voranzubringen. Im Stern-Bericht wurden die Kosten für die in den kommenden 50 Jahren zur Eindämmung des Klimawandels erforderlichen Maßnahmen bei einem Ölpreis von 60 USD pro Barrel auf 1 % des globalen BIP geschätzt. Bei dem derzeitigen Preis von über 100 USD pro Barrel erscheinen Investitionen in erneuerbare Energieträger und Energieeffizienz-Maßnahmen jedweder Art in wirtschaftlicher Hinsicht bereits um einiges interessanter. Aus dem gleichen Grund werden die Netto-Zusatzkosten für Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels wahrscheinlich weitaus geringer ausfallen; in einigen Fällen könnten sie sogar Gewinne bringen — ein Beweis dafür, dass ein effizientes Vorgehen gegen den Klimawandel in den kommenden Jahren einen Nettovorteil für die Weltwirtschaft bringen wird.

7.10

Eine angemessene Antwort auf das Klimaschutzproblem sollte daher nicht als übergroße, erdrückende und folgenschwere Verpflichtung angesehen werden, die die Wirtschaftsentwicklung bremst, sondern vielmehr als Chance, sich an die Spitze der nächsten Wirtschafts- und Industrierevolution zu setzen. Die EU hat die Klimaschutzdebatte entscheidend mitgestaltet. Sie muss jedoch noch mehr tun, damit auf dem Boden dieser zukunftsorientierten politischen Einstellung ein ebenso aktives wie lebendiges Wirtschaftsumfeld entsteht, das Anreize für die Unternehmen und die Gesellschaft bietet, die erforderlichen Investitionen zu tätigen, um Vorreiter und Wettbewerbssieger in der künftigen CO2-armen Wirtschaft zu werden.

7.11

Manch einer beschwört die Notwendigkeit eines neuen Marshallplans, und der Ausschuss hält dieses Bild für geeignet, um eine Vorstellung vom Ausmaß der Problematik und der notwendigen Anstrengungen zu vermitteln. Wir brauchen eine Vision im Marshallplan-Maßstab, die uns zeigt, wie sich alle Länder der Erde gemeinsam einer globalen Bedrohung entgegenstellen können, wobei die stärksten und wohlhabendsten Länder mit gutem Beispiel vorangehen und anderen großzügigste Hilfe angedeihen lassen.

7.12

Nicht nur sämtliche nationale Behörden und öffentliche Einrichtungen auf allen Ebenen müssen tätig werden, sondern es sind auch die Unternehmen, die Verbraucher und die breite Öffentlichkeit gefordert.

8.   Schlussfolgerungen

8.1

Der Klimawandel ist bereits Wirklichkeit und hat bereits massive Auswirkungen in der ganzen Welt, die sich in den kommenden Jahren mit zunehmender Treibhausgaskonzentration und Erderwärmung noch verschärfen werden. Es bedarf unverzüglicher Maßnahmen für die Festlegung und Umsetzung ehrgeiziger Ziele für die Emissionssenkung bis 2020 im Hinblick auf noch weitreichendere Verringerungen in den Folgejahren. Je früher diese Verringerungen erreicht werden können, desto stärker werden sie die Erderwärmung verlangsamen.

8.2

Die Industrieländer weisen eine weitaus höhere Pro-Kopf-Emissionsquote als die übrigen Länder auf und müssen daher ihr Engagement und ihre Maßnahmen zur Emissionsverringerung deutlich voranbringen. Die EU muss sicherstellen, dass sie ihre 2012-Ziele auch tatsächlich erreicht, und sich anschließend zu einer 30 %-Senkung bis 2020 — dem letztlichen Ziel — verpflichten. Um auch wirklich glaubhaft zu sein, muss sie ein weiteres Paket aufeinander abgestimmter und realistischer Maßnahmen annehmen, mit denen diese Ziele erreicht werden können, und bereits jetzt die weiteren, nach 2020 erforderlichen Verringerungen ins Auge fassen.

8.3

Die Entwicklungsländer müssen ebenfalls in die Pflicht genommen werden. Es gilt, besondere Anstrengungen zur Umstellung der energieintensivsten Industriezweige dieser Länder auf die energieeffizientesten und CO2-ärmsten Herstellungsmethoden zu unternehmen. Hierfür werden die Entwicklungsländer auf erhebliche und gezielte Unterstützung seitens der Industrieländer angewiesen sein.

8.4

Die Parameter des Global Deal, dessen Formulierung Gegenstand der für die kommenden 18 Monate anberaumten internationalen Verhandlungen ist, müssen so schnell wie möglich festgelegt werden, damit dann die politischen Bemühungen darauf ausgerichtet werden können, diese Problematik zu vermitteln und die Unterstützung, das Vertrauen und das Engagement aller Akteure weltweit in Bezug auf die kommenden grundlegenden Veränderungen zu gewinnen. Dieser Global Deal darf nicht hinter verschlossenen Türen ausgehandelt werden, es müssen vielmehr alle Akteure eingebunden werden. Die Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels müssen realistisch, wirtschaftlich und sozial verträglich und in dem vorgeschlagenen Zeitraum durchführbar sein.

8.5

Der notwendige weltweite Wandel ist hinsichtlich seiner Größenordnung und der industriellen Revolution der letzten beiden Jahrhunderte zu vergleichen, in deren Rahmen die fossilen Brennstoffe zur Energieerzeugung genutzt wurden, um eine massive Steigerung von Produktionskapazität und gesellschaftlicher Produktivität zu erzielen. Es bedarf nun einer zweiten industriellen Revolution, um die fossilen Brennstoffe durch andere Energieträger zu ersetzen und die Energieeffizienz zu optimieren, damit ein vergleichbares Produktivitäts- und Wachstumsniveau erreicht werden kann, ohne allerdings die Atmosphäre mit Treibhausgasemissionen in nicht nachhaltiger Höhe zu belasten. Hierfür sind umfassende Investitionen ebenso erforderlich wie grundlegende Änderungen des wirtschaftlichen und menschlichen Verhaltens. Jeder Bürger muss sich der Problematik bewusst sein und seinen Beitrag zu den erforderlichen Veränderungen leisten.

Brüssel, den 17. September 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Siehe Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses CESE 1201/2008, am 9. Juli 2008 verabschiedet.

(2)  Siehe Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses CESE 1202/2008, am 9. Juli 2008 verabschiedet.

(3)  Siehe Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses CESE 1511/2008, am 17. September 2008 verabschiedet.

(4)  Siehe Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses CESE 1513/2008, am 17. September 2008 verabschiedet.

(5)  Siehe Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses CESE 1203/2008, am 9. Juli 2008 verabschiedet.

(6)  Siehe Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses CESE 1500/2008, am 17. September 2008 verabschiedet.

(7)  KOM(2007) 757 endg.

(8)  ABl. C 120 vom 16.5.2008, S. 38.

(9)  „No Lose Targets“: eine Verpflichtung zur Emissionsminderung in einer bestimmten Größenordnung. Wird diese nicht erreicht, werden keine Sanktionen verhängt; wird sie jedoch sogar überschritten, kann der „Überschuss“ verkauft werden.


31.3.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 77/81


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel“

KOM(2008) 40 endg. — 2008/0028 (COD)

(2009/C 77/20)

Der Rat beschloss am 10. März 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel“

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 2. September 2008 an. Berichterstatter war Herr ESPUNY MOYANO.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 447. Plenartagung am 17./18. September 2008 (Sitzung vom 18. September) mit 77 gegen 3 Stimmen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt diese Initiative der Kommission, die nicht nur für eine Vereinfachung der Rechtsvorschriften sorgt, sondern den Verbrauchern zudem das Verständnis erleichtern soll.

1.2

Der EWSA möchte jedoch darauf hinweisen, dass die in Ziffer 3.4.1 angegebenen Informationen einen Großteil ihres Wertes und ihrer Ziele verlieren, wenn sie im Vorfeld nicht mit entsprechenden Maßnahmen zur Aufklärung der Endverbraucher einhergehen. In diesem Zusammenhang bedauert der EWSA, dass der Vorschlag nicht von Maßnahmen zur Förderung der Aufklärung der Verbraucher — sowohl auf einzelstaatlicher als auch auf europäischer Ebene — begleitet ist. So könnte zumindest ein Leitfaden mit entsprechenden vorrangigen Maßnahmen als Anhang zur Verordnung einen sehr nützlichen ersten Schritt bilden.

1.3

In Bezug auf die Erwähnung des Ursprungslands werden die Bestimmungen der derzeitigen Verordnung beibehalten. Angesichts des Interesses, das die Verbraucher dem Ursprung von Lebensmitteln entgegenbringen, bedauert der EWSA, dass in dem neuen Verordnungsvorschlag die Angabe des Ursprungslands auf dem Etikett nicht zwingend vorgeschrieben wird. Der EWSA ist jedoch der Auffassung, dass zwischen Erst- und Zweitverarbeitungserzeugnissen unterschieden werden sollte, wobei bei Letzteren von Fall zu Fall entschieden werden sollte, ob eine Angabe der darin enthaltenen landwirtschaftlichen Grundstoffe zwingend erforderlich ist.

1.4

Der EWSA bringt seine große Besorgnis über die in Kapitel VII des Vorschlags beschriebene Entwicklung zusätzlicher „nationaler Systeme“ zum Ausdruck, die keine ergänzenden positiven Elemente beitragen, sondern zu einem Vorwand werden, um den freien Verkehr im Binnenmarkt zu beeinträchtigen. Diese Gefahr ist für die KMU besonders groß, da — wie die Kommission in ihrer Mitteilung selbst hervorhebt — 65 % der Lebensmittelunternehmen ihre Erzeugnisse in anderen Mitgliedstaaten in Verkehr bringen und die KMU daher größere Schwierigkeiten haben werden, ihre Erzeugnisse in andere Mitgliedstaaten auszuführen, was sich auf ihre Kosten und ihre Wettbewerbsfähigkeit auswirkt. Derartige negative Auswirkungen können nur dann vermieden werden, wenn die „nationalen Systeme“ als ergänzende, für die Kennzeichnung nicht zwingende Informationen beibehalten werden, die jedoch über andere Medien (Internet, gebührenfreie Rufnummern usw.) abgerufen werden können.

1.5

Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission aus Gründen der Kohärenz plant, dieselbe Ausnahmeregelung auf Erzeugnisse mit Alkoholgehalt anzuwenden, und ist der Auffassung, dass diese Regelung innerhalb von fünf Jahren nach dem entsprechenden Bericht überdacht werden könnte.

1.6

Der EWSA schlägt daher vor, dass sich die Mitgliedstaaten der notwendigen Liste der Verstöße und Sanktionen bedienen, um der Nichterfüllung dieser gemeinsamen Bestimmungen vorzubeugen, die harmonisiert werden müssen, damit dieselben Vorgehensweisen in allen Mitgliedstaaten mit vergleichbarer Schärfe bestraft werden.

1.7

Ebenso fordert der EWSA die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Anstrengungen zur Schaffung von Informationsinstrumenten zu unternehmen, speziell einer öffentlich abrufbaren Datenbank über diejenigen Informationen, die zwingend auf dem Etikett der Lebensmittel erscheinen müssen, damit die Unternehmen, Verbraucher und Behörden bei der Anwendung der Rechtsvorschriften ein und dieselben Leitlinien verwenden.

1.8

Was die Lesbarkeit betrifft, erscheint die praktische Umsetzung der von der Kommission vorgeschlagenen Anforderung (3 mm) nicht machbar. Es sollten verschiedene Aspekte berücksichtigt werden, wie die Menge an Informationen, Größe und Form der Verpackung usw. Ein vertretbarer Bezugswert könnte die Schriftgröße des EU-Amtsblatts sein.

1.9

Schließlich vertritt der EWSA im Interesse der angestrebten Klarheit und Vereinfachung die Meinung, dass die Verweise auf die aufgehobenen Rechtsvorschriften unmissverständlicher sein sollten, wodurch die Lesbarkeit und die Anwendung der Verordnung verbessert würden.

2.   Zusammenfassung des Vorschlags der Kommission

2.1

Zweck dieses Vorschlags ist es, die derzeitigen Rechtsvorschriften über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (einschließlich der Nährwertkennzeichnung) zu Zwecken der Modernisierung, Vereinfachung und Klarstellung in einer Verordnung zu konsolidieren.

2.2

Mit dem Vorschlag werden die bislang geltenden Bestimmungen im