ISSN 1725-2407

Amtsblatt

der Europäischen Union

C 151

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Ausgabe in deutscher Sprache

Mitteilungen und Bekanntmachungen

51. Jahrgang
17. Juni 2008


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III   Vorbereitende Rechtsakte

 

EUROPÄISCHER WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS

 

441. Plenartagung am 16./17. Januar 2008

2008/C 151/01

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Grünbuch über Finanzdienstleistungen für Privatkunden im BinnenmarktKOM(2007) 226 endg.

1

2008/C 151/02

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Aufhebung der Richtlinie 84/539/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die in der Veterinärmedizin eingesetzten elektrischen GeräteKOM(2007) 465 endg. — 2007/0168 (COD)

11

2008/C 151/03

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Gasverbrauchseinrichtungen (kodifizierte Fassung) KOM(2007) 633 endg. — 2007/0225 (COD)

12

2008/C 151/04

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Anbau der Beleuchtungs- und Lichtsignaleinrichtungen an zweirädrigen oder dreirädrigen Kraftfahrzeugen (kodifizierte Fassung) KOM(2007) 768 endg. — 2007/0270 (COD)

12

2008/C 151/05

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss sowie den Ausschuss der Regionen über eine neue Tiergesundheitsstrategie für die Europäische Union (2007-2013) — Vorbeugung ist die beste MedizinKOM(2007) 539 endg.

13

2008/C 151/06

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung gemeinsamer Regeln für die Zulassung zum Beruf des KraftverkehrsunternehmersKOM(2007) 263 endg. — 2007/0098 (COD)

16

2008/C 151/07

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Hochgeschwindigkeitsseewege und ihre Einbindung in die Logistikkette Sondierungsstellungnahme

20

2008/C 151/08

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Aufhebung der Richtlinie 87/372/EWG des Rates über die Frequenzbänder, die für die koordinierte Einführung eines europaweiten öffentlichen zellularen digitalen terrestrischen Mobilfunkdienstes in der Gemeinschaft bereitzustellen sindKOM(2005) 229 endg.

25

2008/C 151/09

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission — Auf dem Weg zu einer Charta der Rechte der EnergieverbraucherKOM(2007) 386 endg.

27

2008/C 151/10

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Mindestanforderungen für die Ausbildung von Seeleuten (Neufassung)KOM(2007) 610 endg. — 2007/0219 (COD)

35

2008/C 151/11

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Sicherheitsvorschriften und -normen für Fahrgastschiffe (Neufassung)KOM(2007) 737 endg. — 2007/0257 (COD)

35

2008/C 151/12

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Weißbuch SportKOM(2007) 391 endg.

36

2008/C 151/13

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Thema Verbesserung der Qualität der LehrerbildungKOM(2007) 392 endg.

41

2008/C 151/14

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen Förderung der Beteiligung junger Menschen an Bildung, Beschäftigung und GesellschaftKOM(2007) 498 endg.

45

2008/C 151/15

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Ausdehnung der Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und der Verordnung (EG) Nr. […] auf Drittstaatsangehörige, die nicht bereits ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit unter diese Bestimmungen fallenKOM(2007) 439 endg. — 2007/0152 (CNS)

50

DE

 


III Vorbereitende Rechtsakte

EUROPÄISCHER WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS

441. Plenartagung am 16./17. Januar 2008

17.6.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 151/1


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Grünbuch über Finanzdienstleistungen für Privatkunden im Binnenmarkt“

KOM(2007) 226 endg.

(2008/C 151/01)

Die Europäische Kommission beschloss am 30. April 2007, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Grünbuch über Finanzdienstleistungen für Privatkunden im Binnenmarkt“

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 3. Dezember 2007 an. Berichterstatter war Herr IOZIA, Mitberichterstatterin Frau MADER-SAUSSAYE.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 441. Plenartagung am 16./17. Januar 2007 (Sitzung vom 16. Januar) mit 129 gegen 1 Stimme bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt das Ziel des Grünbuchs, den Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen für Privatkunden weiterzuentwickeln und alle willkürlichen und künstlichen Handelsschranken auszumachen und zu beseitigen, die die europäischen Bürger daran hindern, die Möglichkeiten des Binnenmarkts in puncto Kostenersparnis und Angebotsqualität voll und ganz auszuschöpfen. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass das Grünbuch der Realität der Finanzdienstleistungen und –produkte nur zum Teil gerecht wird, da der Aspekt des Vertriebs — für den Wettbewerb von ausschlaggebender Bedeutung — vernachlässigt wird.

1.2

Der EWSA teilt und unterstützt das Ziel der Kommission, das Angebot von innovativen Qualitätsprodukten und den freien Verkehr von Bank- und Versicherungsprodukten zu fördern, der derzeit durch einzelstaatliche Bestimmungen gesetzlicher oder steuerlicher Natur beeinträchtigt wird.

1.3

Grundtenor des Grünbuchs über Finanzdienstleistungen für Privatkunden im Binnenmarkt ist die Verbesserung der Lage der Verbraucher. Die Verbreitung und die Nutzung dieser Dienstleistungen nehmen ständig zu, weshalb den Initiativen in diesem Bereich ein allgemeines Interesse zukommt. Eine weitere Integration der Finanzdienstleistungen für Privatkunden könnte aufgrund der Förderung des Wettbewerbs zu einer Kostensenkung führen. Die Vorteile für die Verbraucher können dann zum Tragen kommen, wenn es dem europäischen Finanzsystem gelingt, seine Wettbewerbsfähigkeit innerhalb und außerhalb der EU zu bewahren.

1.4

Der EWSA teilt zwar die Auffassung, dass es sinnvoll wäre, die Fragmentierung des Marktes für Privatkunden zu reduzieren, weist aber darauf hin, dass Privatkundenmärkte generell und zwangsläufig stärker fragmentiert sind als Großkundenmärkte.

1.5

Der EWSA stellt fest, dass sich die Logik des Marktes allmählich nach anderen Modellen ausrichtet. Der globale Markt wird mit Hilfe grenzüberschreitender Konsolidierungsprozesse errichtet. Die multinationalen Banken und Versicherungsunternehmen verfolgen ihre Akquisitionsstrategien über die Verbesserung der Mobilität des Angebots. Grenzüberschreitende Konsolidierungsprozesse haben möglicherweise sehr negative Auswirkungen auf die Beschäftigung. Im Zuge dieser möglichen Aufkäufe wird der Abbau von zehntausenden von Arbeitsplätzen angekündigt, wenngleich solche Stellenstreichungen in der Praxis nicht immer durchgeführt werden. Der EWSA hat bereits auf diese Gefahr hingewiesen und geeignete Maßnahmen zur Bewältigung dieser dringenden sozialen Probleme durch Ausbildungs- und Umschulungspläne und Maßnahmen zur sozialen Abfederung vorgeschlagen (1), die zudem Gegenstand vieler Tarifverträge im europäischen Bankensektor sind.

1.6

Der EWSA hält es für grundlegend, alle geeigneten Maßnahmen zur Steigerung von Kompetenz und Bewusstsein der Verbraucher zu ergreifen. Grundlegende und vollständige Informationen sind für den Schutz ihrer Interessen unerlässlich, wobei natürlich stets berücksichtigt werden muss, dass Produkte und Dienstleistungen im Finanzbereich nicht mit denen in anderen Bereichen verglichen werden können. Die Verbraucher benötigen Informationen in qualitativer, nicht in quantitativer Hinsicht.

1.7

Nach Ansicht des EWSA muss zwischen Information und Beratung unterschieden werden. Bei ersterer handelt es sich um die Pflicht, die Verbraucher zu informieren, und sie muss dem Kompetenz- und Risikoprofil des Kunden entsprechen, der auch über mögliche kritische Situationen, die sich für ihn ergeben könnten, informiert werden muss. Beratung hingegen ist eine professionelle Dienstleistung, die auf Verlangen erbracht wird, weshalb sie für den Berater mit einer Haftung verbunden sein könnte. In der Richtlinie für Märkte über Finanzinstrumente (MiFID) werden die Bereiche von Information und Beratung definiert und abgegrenzt sowie Vorgänge, die einen Interessenkonflikt beinhalten, aufgezeigt.

1.8

Der EWSA hält es für unerlässlich, den Bereich einer eindeutigen Regelung zuzuführen, die möglichen Interessenkonflikten einen Riegel vorschiebt und Geschäftspraktiken zur Absatzförderung und Prämiensysteme für das Verkaufs- und Vertriebspersonal, die kommerziellen Vertriebssystemen entliehen und mit Verkaufszielen für bestimmte Produkte verbunden sind, verhindert. Der EWSA empfiehlt, einen gezielten Dialog zwischen Unternehmen, Verbrauchern und Beschäftigten der Branche aufzunehmen. Dieser könnte ein erster Schritt sein, um ein primäres Bedürfnis der Verbraucher in Bezug auf ihr Vertrauen auf ein transparentes Verhalten der Banken und Versicherungsunternehmen zu befriedigen.

1.9

Der EWSA empfiehlt den Finanz- und Versicherungsunternehmen, eine spezielle fachliche Schulung für ihr Personal zu entwickeln. Mit Hilfe von kompetenterem Vertriebspersonal kann ein besserer Verbraucherschutz erreicht werden. Unter Gewährleistung der Autonomie der Sozialpartner könnten solche Projekte im Rahmen des sozialen Dialogs zwischen UNI-Europa Finanz, dem europäischen Gewerkschaftsverband für diese Branche, und den europäischen Banken- und Versicherungsverbänden erörtert werden.

1.10

Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission einem optionalen EU-weiten Rechtsrahmen — dem sogenannten „28. Regime“ — gegenüber aufgeschlossener ist als in der Vergangenheit. Neben einer optionalen EU-weiten Regelung wäre auch die Annahme eines europaweiten Verhaltenskodexes wünschenswert, der von der Branche selbst zwar unabhängig, aber im Dialog und Einvernehmen mit den zuständigen Kommissionsdienststellen und den Verbraucher- und Arbeitnehmerverbänden des Sektors ausgearbeitet werden sollte. Darin sollten neben den eventuellen Bestimmungen der hier erörterten Richtlinie speziell die Beziehungen zwischen Unternehmen und Kunden im Bereich der Finanzdienstleistungen behandelt werden.

1.11

Der EWSA teilt die Besorgnis über die mangelnde Transparenz der Bankbedingungen. Die Asymmetrien und die Schwierigkeiten beim Preisvergleich hängen häufig von der Unterschiedlichkeit der Preise und Preismodelle ab, wobei die Informationen über anfallende Gebühren häufig fehlen.

1.12

Der EWSA unterstützt die Vorschläge der für den Verbraucherschutz zuständigen EU-Kommissarin Meglena KUNEVA, die sich im Hinblick auf den Verbraucherschutz für den Zeitraum 2007-2013 drei Hauptziele gesetzt hat:

Stärkung der Position der Verbraucher;

Verbesserung des Wohlergehens der europäischen Verbraucher in wirtschaftlicher und anderer Hinsicht;

effizienter Verbraucherschutz.

Der EWSA wird demnächst eine Stellungnahme zu diesem Thema verabschieden. Die Kommission hat dem Rat im Mai 2007 eine Richtlinie zum Thema Verbraucher und Kredite vorgeschlagen.

1.13

Der EWSA schließt sich der Auffassung an, dass die Kundenmobilität im Finanzdienstleistungssektor sowohl in Bezug auf die Qualität, als auch die Effizienz ein wichtiger Entwicklungsfaktor ist. Er vertritt allerdings den Standpunkt, dass in Bezug auf die grenzüberschreitende Mobilität der Kunden in diesem Sektor keine allzu optimistischen Ziele gesteckt werden sollten.

1.14

In der Finanzbranche sind Vertrauensbeziehungen deshalb so ungemein wichtig, weil die meisten Produkte spezifisch sind und langfristige Verpflichtungen zwischen Verkäufer und Käufer umfassen. Zahlreiche Gründe können als Erklärung dafür angeführt werden, weshalb die Kunden weniger leicht ein Vertrauensverhältnis zu Finanzintermediären aufbauen, die nicht unmittelbar in ihrem Land niedergelassen sind.

1.15

Finanzdienstleistungen werden über die Beschreibungen in den Informationsprospekten und den Vertragsbedingungen wahrgenommen, wobei die sprachlichen und kulturellen Barrieren auf keinen Fall unterschätzt werden dürfen. In diesem Zusammenhang wäre es nach Auffassung des EWSA weder realistisch noch korrekt, von den Finanzintermediären zu verlangen, dass sie ihre Informationsprospekte und Vertragsbedingungen in sämtlichen EU-Amtssprachen abfassen. Das Problem der Sprachbarriere wird daher mittelfristig ungelöst und ein wesentliches Hemmnis für die grenzüberschreitende Mobilität von Privatkunden bei Finanzdienstleistungen bleiben.

1.16

Der EWSA ist ebenfalls der Meinung, dass die Hemmnisse für die Mobilität der Verbraucher aufmerksam auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden müssen; dies gilt z.B. für Kontoschließungsgebühren, wenig transparente Informationen oder auch für Vertragskonstrukte für Finanzdienstleistungen, die zu stark darauf ausgerichtetet sind, den Kunden vom Wechsel des Produkts oder des Anbieters abzuschrecken, wie das in einigen Ländern der Fall ist. Er unterstreicht allerdings, dass es auch technische und normative, rechtliche und steuerliche Beschränkungen gibt, die häufig nur schwer zu überwinden sind, um die Mobilität der Verbraucher in dem Umfang zu ermöglichen, wie die Kommission dies vorsieht. Außerdem besteht die Gefahr, dass die Vereinfachung von Finanzdienstleistungsbestimmungen zu einer Herabsetzung des Verbraucherschutzniveaus führt. Der Abbau von Barrieren darf weder zu einer Verteuerung der Produkte noch zu einer Verschlechterung von bestehenden Schutzvorschriften führen.

1.17

Die Schwierigkeiten bei der Harmonisierung der Schutzbestimmungen, die z.B. bei der Überarbeitung der Richtlinie über den Verbraucherkredit zutage getreten sind, können bei den Verbrauchern den Eindruck erwecken, dass das Schutzniveau stark davon abhängt, in welchem Mitgliedstaat eine Finanzdienstleistung erworben wird.

1.18

Der EWSA ist der Auffassung, dass nur Verbraucher mit einer ausreichenden Finanzkompetenz richtig begreifen können, wie komplex die Erfüllung der finanziellen Bedürfnisse sein kann, und deshalb auch den besonderen Nutzen einer kompetenten und unabhängigen Finanzberatung ermessen können. Auch eine spezielle Auseinandersetzung mit Verbrauchern, die mit den neuen Technologien nicht (gut) umgehen können, wäre notwendig.

1.19

Der EWSA hält es für wichtig, die Kluft zwischen den Finanzunternehmen und den Kunden zu verringern. Angesichts der Tatsache, dass es einigen demokratischen und marktwirtschaftlich ausgerichteten Ländern gelungen ist, Mindestrechte für Verbraucher und Bürger wie z.B. den Rechtsanspruch unbescholtener Gebietsansässiger auf ein Bankkonto als ein Bürgerrecht festzuschreiben, wäre es durchaus vorstellbar, dass diese beispielhaften Praktiken unter Abstimmung mit den nationalen Rechtsvorschriften und Fristen eine gemeinsame Errungenschaft der Union werden könnten (2).

1.20

Der EWSA hielt es für angezeigt, für die Erarbeitung dieser Stellungnahme eine Anhörung der Verbände der Unternehmen, Verbraucher und Arbeitnehmer zu veranstalten. Die von diesen Organisationen vertretenen Standpunkte werden in dieser Stellungnahme zusammengefasst. Der EWSA teilt das begründete Anliegen der Verbraucher, dass die Bedingungen für die Schaffung eines funktionierenden europäischen Binnenmarkts für Retail-Finanzdienste verbessert werden und künstliche Hemnisse, die dies behindern, beseitigt werden müssen. Dem Grünbuch kommt das Verdienst zu, eine wichtige Diskussion eröffnet zu haben, andererseits sollten die objektiven Überlegungen der Arbeitgeber und die Forderungen der Arbeitnehmerseite gebührend berücksichtigt werden, um die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen wirtschaftlichen und sozialen Akteuren verbessern zu können. Daher sollte vor dem Erlass von Vorschriften ein spezifisches Forum für den Dialog zwischen den genanten Interessenvertretern eingerichtet werden, um einen Ausgleich der Interessen zu ermöglichen.

2.   Einleitung

2.1

In dem Grünbuch legt die Kommission die politischen Ziele auf dem Gebiet der Finanzdienstleistungen für Privatkunden dar. Darunter versteht sie „Dienstleistungen wie Girokonten, Zahlungsverkehr, Privatkundenkredite, Hypothekarkredite, Spareinlagen, Altersvorsorge, Kapitalanlagen und Versicherungsprodukte, sofern diese Einzelkunden — einschließlich Kleinanlegern — angeboten werden“.

2.2

Die Kommission ist bestrebt, die Unionsbürger — trotz der noch bestehenden Hindernisse und der dürftigen Entwicklung grenzüberschreitender Aktivitäten in diesem Bereich — in den Genuss der Vorteile des Binnenmarktes kommen zu lassen; die unterschiedlichen Rechts- und Steuervorschriften und die Fragmentierung des Marktes behindern in ihren Augen den Marktzugang.

2.3

Die Kommission möchte auch für diese Dienstleistungen niedrigere Preise herbeiführen und setzt auf die Marktkräfte und den Wettbewerb. Dabei verpflichtet sie sich, für den Fall, dass das Gemeinschaftsrecht nicht respektiert wird, geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Die Kommission schließt im Gründbuch auch die Möglichkeit nicht aus, erforderlichenfalls legislative Maßnahmen zu ergreifen.

2.4

Die Kommission beabsichtigt, das Angebot an qualitativ hochwertigen und innovativen Produkten zu steigern, indem der freie Verkehr zahlreicher Bank- und Versicherungsprodukte gefördert wird, die derzeit durch nationale Rechts- oder Steuervorschriften behindert werden, die den freien Verkehr dieser Produkte beschränken.

2.5

Was den Rechtsrahmen betrifft, bringt die Kommission das „28. Regime“ wieder ins Gespräch (und wischt dabei offensichtlich alle früheren Bedenken beseite).

3.   Bemerkungen

3.1

Der EWSA möchte in dieser Stellungnahme keine Antworten auf die einzelnen, im Grünbuch aufgeworfenen Fragen geben, sondern vielmehr eine Gesamtbewertung der im Grünbuch thematisierten Kernaspekte vornehmen.

3.2

Der EWSA unterstreicht, dass zwischen Finanzprodukten und Finanzdienstleistungen unterschieden werden muss. Die Produkte erwirbt man und wird ihr „Eigentümer“ (z.B. Wertpapiere, Fonds, Versicherungen), das Risiko trägt der Käufer. Im Falle von Bankdienstleistungen wird man nicht Eigentümer, sondern Nutzer (z.B. Privatkundenkredite, Hypothekarkredite, Überziehungskredite usw.), das Risiko trägt der Dienstleistungsanbieter. Nach Auffassung des Ausschusses behandelt das Grünbuch die Wirklichkeit der Finanzprodukte und –dienstleistungen nur teilweise, da das Thema des Vertriebs — für den Wettbewerb von ausschlaggebender Bedeutung — vernachlässigt wird. Die Eigenschaften der verschiedenen Vertriebskanäle und Angebotskategorien sind von großer Bedeutung sowohl für die Preise (denkt man z.B. an Angebote für Kfz-Haftpflichtversicherungen über das Telefon oder Internet), als auch für die Zuverlässigkeit und Kompetenz der zugelassenen Akteure (Finanzinstitute, Supermärkte, Versicherungsmakler, Postschalter usw.). Nach Auffassung des EWSA sollten auch neuartige Vertriebskanäle sowie die Verbindung zwischen den Produkten und den Vertriebssystemen berücksichtigt werden.

3.2.1

Segmentierung: Zwecks Berücksichtigung der für den Verbraucher relevanten Aspekte der Finanzdienstleistungen müssen die Dienstleistungen aufgetrennt werden, um dann die Verkaufsstellen für das Privatkundengeschäft — das Vertriebssystem -, über das die Verbraucher Zugang zu den verschiedenen Dienstleistungen haben, bzw. das Wettbewerbsniveau in diesem System zu untersuchen. Die Finanzdienstleistungen für Privatkunden werden im Allgemeinen in drei Bereiche unterteilt: Retail-Bankgeschäft, Versicherungsprodukte für Privatkunden sowie Spar- und Investmentprodukte.

3.2.2   Retail-Bankgeschäft  (3)

3.2.2.1

Traditionell wickelen Privatkunden alle Bankgeschäfte im Kontakt mit den Bediensteten der Bankfilialen ab, nachdem ihre Identität und Redlichkeit festgestellt worden ist. In den meisten Ländern besteht ein Wettbewerb zwischen zahlreichen Banken. Für eine ausländische Bank, die auf einem bestimmten Markt aktiv werden möchte, ist es einfacher, eine bereits bestehende Bank aufzukaufen, anstatt selbst ein neues Netzwerk aufzubauen, was sowohl zeitraubend wäre als auch den Wettbewerbsdruck erhöhen würde (Kauf von Abbey National durch Santander, ABN Amro durch Fortis, RBOS und Santander usw.). Tatsächlich ist die Wahlmöglichkeit der Verbraucher von der Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Märkte abhängig, da sich die Verbraucher zwischen den auf den nationalen Märkten vertretenen Banken entscheiden müssen.

3.2.2.2

Das Internet Banking befindet sich im Entwicklungsstadium, wird aber wohl auch weiterhin vorwiegend national abgewickelt werden, da die Marken bekannt und vertrauenswürdig sein müssen und die Ermittlung der Identität und der Redlichkeit der Kunden durch die Banken nach nationalen Vorschriften zu erfolgen hat.

3.2.2.3

Internet- und Telefon-Banking bieten den Kunden Bankdienstleistungen rund um die Uhr. Dies ist ein enormer Fortschritt gegenüber den Zeiten, als der Zugang zu den Dienstleistungen von den Öffnungszeiten der Banken abhängig war.

3.2.2.4

Ist der Wettbewerb um Kunden, die das volle Leistungsangebot von Banken in Anspruch nehmen möchten, zwar notwendigerweise auf Universalbanken beschränkt, so ist doch vor allem im Bereich der Kreditkarten das sogenannte „Cherry picking“ weit verbreitet, insbesondere bei Banken wie American Express und MBNA. Die Dienstleistungen werden im Direktvertrieb angeboten und stehen in der gesamten EU zur Verfügung. Den Kreditkartenkunden werden anschließend ATM-Zugang und erweiterte Verbraucherkredite angeboten. Auf diese Weise können Verbraucher vom Wettbewerb zwischen nationalen und internationalen Banken profitieren. Gleichzeitig ist aber auch zu befürchten, dass dadurch die Verschuldung von Privatpersonen noch weiter zunimmt.

3.2.2.5

Privatkundenbanken beschränken sich nicht auf das Angebot von Bankdienstleistungen für Privatkunden. Im Rahmen der Strategie der sogenannten „Allfinanzbanken“ bieten sie heutzutage Produkte und Dienstleistungen an, die das gesamte Spektrum der Finanzprodukte und Finanzdienstleistungen des Retail-Banking umfassen. Ihre Filialen und ihre Kundenregister bieten ein Vertriebspotenzial durch Kundenbindung von enormem Wert. Banken versuchen, die meisten oder alle angebotenen Finanzprodukte und –dienstleistungen für ihre Kunden als Eigenmarke zu verkaufen, bieten aber nicht unbedingt den besten Preis oder die beste Leistung.

3.2.3   Versicherungsprodukte für Privatkunden  (4)

3.2.3.1

Die Wahlmöglichkeiten des Verbrauchers bei Versicherungsprodukten für Privatkunden hängen ab von der Stärke und Ausdehnung des Systems des unabhängigen Vertriebs durch Intermediäre wie Versicherungsmakler und unabhängige Finanzberater. Die traditionelle Rolle der Intermediäre besteht darin, optimalen Rat für die spezifischen Umstände des einzelnen Kunden zu geben. Der Intermediär sollte die Leistung in gleichem Maße würdigen wie den Preis.

3.2.3.2

Wie im Bankenwesen ist auch hier das Phänomen des „Cherry picking“ festzustellen, indem sich im Direktvertrieb tätige Versicherungsgesellschaften Kunden mit niedrigem Risikoprofil heraussuchen.

3.2.3.3

Eine Herausforderung für das Geschäft der im Direktvertrieb tätigen Gesellschaften und die Rolle der Finanzintermediäre besteht jetzt in Internetportalen, die einen Online-Vergleich konkurrierender Produkte, insbesondere bei Kfz-Versicherungen, anbieten. Diese Disintermediation führt dazu, dass in erster Linie auf den Preis geachtet wird und die Produkte auf die Funktion eines Verbrauchsartikels reduziert werden.

3.2.3.4

Damit die Verbraucher optimale Wahlmöglichkeiten bei Versicherungsprodukten im Privatkundenbereich, einschließlich Kfz-Versicherung haben, muss es eine Alternative zum Vertriebssystem der Universalbanken geben. Deswegen darf es keine wettbewerbsschädigenden Beschränkungen für die Entwicklung unabhängiger Netzwerke von Finanzintermediären oder des Vertriebs über das Internet geben.

3.2.4   Spar- und Investmentprodukte  (5)

3.2.4.1

Spar- und Investmentprodukte sind eine wichtige Geschäftssparte der Banken. Sie sind auch das Geschäftsfeld mit dem größten Spektrum konkurrierender Produkte und dem am höchsten entwickelten System unabhängiger Intermediäre. Die Bemerkungen zu den Versicherungsprodukten für Privatkunden (vgl. Ziffer 3.2.3.4) treffen auch für die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher in diesem Segment zu. Laut den geltenden Vorschriften müssen Bankangestellte, die Kunden in puncto Spar- und Investmentprodukte beraten, deutlich machen, dass sie in ihrer Eigenschaft als Bankangestellte nur eigene Produkte der Bank verkaufen können und dass diese nicht unbedingt den niedrigsten Preis oder die beste Leistung haben.

3.2.4.2

Verbraucher sind gehalten, den Vorteil von Anlageformen in Anspruch zu nehmen, die in ihren Heimatländern staatlich gefördert werden. Internationale Gesellschaften werden im Rahmen solcher Anlageformen konkurrierende Produkte dann anbieten, wenn die Volumen interessant sind und bereits Vertriebswege vorhanden sind.

3.2.4.3

Hypotekenkredite sind für die Verbraucher von grundlegender Bedeutung. Die am höchsten entwickelten nationalen Märkte zeichnen sich aus durch zahlreiche Anbieter neben den Banken und durch ein hochentwickeltes Netzwerk unabhängiger Berater, die sich auf ein großes Umsatzvolumen des Direktvertriebs stützen. Der Wettbewerb hat zu einem sehr erfinderischen Markt mit einer Vielzahl unterschiedlicher Produktangebote geführt, und ein Großteil der Verbraucher wechselt die Anbieter von Hypothekenkrediten, wenn sich die Bedingungen ändern. Bei so vielfältigen Wahlmöglichkeiten benötigen die Kunden eine optimale Orientierung durch ihre Berater.

3.2.4.4

Persönliche Altersvorsorge, gemeinsame Anlagen, Wertpapiere und Derivate sind ebenfalls hochentwickelte Produktbereiche, die eine optimale Beratung auf der Grundlage einer profunden Kenntnis der Verhältnisse des Kunden bedürfen. Die Kunden müssen deshalb Zugang zu kompetenten Beratern und Intermediären haben, denen wiederum eine breite Produktpalette zur Verfügung steht. Wie bereits erwähnt, müssen Intermediäre, die Bankbedienstete sind, besonders darauf achten, nach bestem Wissen und Gewissen zu beraten.

3.2.5

Das Grünbuch zielt darauf ab, dass die Kunden in den Genuss der Vorteile des Binnenmarkts im Bereich der Retail-Finanzdienstleistungen kommen. Das zentrale Problem ist die Kluft zwischen den Privatkundenbanken und dem Rest der Branche. Die Banken haben im Privatkundenbereich eine unanfechtbare Position, d.h., sie verfügen über eine außerordentliche Marktmacht, da alle potenziellen Nachfrager nach Finanzdienstleistungen bereits ihre Kunden sind. Die Art und Weise der Beratung durch die Bankangestellten ist für das Funktionieren des Marktes von zentraler Bedeutung, da im Bereich der Versicherungsprodukte für Privatkunden sowie der Spar- und Investmentprodukte verschiedene alternative Produkte und Vertriebssysteme vorhanden sind, die die Kunden kennen müssen, wenn ihnen alle Angebote des Marktes zur Verfügung stehen sollen.

3.2.6

Ebenso sind ein Netz gut qualifizierter, unabhängiger Finanzintermediäre sowie neu entstehende Vertriebswege für Verbrauchsartikel über das Internet für funktionierende Märkte von zentraler Bedeutung.

3.3   Zusammenfassung und Ergebnisse der öffentlichen Anhörung

3.3.1

In einer vom EWSA geförderten Anhörung wurden einige wichtige kritische Aspekte hervorgehoben. Diese kamen übrigens bereits in den Antworten der einschlägigen Verbraucher-, Unternehmer- und Arbeitnehmerverbände an die Kommission zum Ausdruck.

3.3.2

In der Diskussion wurde auf die Übereinstimmungen mit den von der Kommission vorgeschlagenen Zielen sowie auf konkrete Schwierigkeiten in einigen Bereichen hingewiesen. Aus dem Grünbuch geht nicht hervor, wie gesetzlich und steuerlich bedingte Einschränkungen überwunden werden können, wie sie die Gesetze zur Bekämpfung von Geldwäsche und der Finanzierung terroristischer Aktivitäten darstellen. Diesen Bestimmungen zufolge muss ein Kunde zwecks Kontoeröffnung oder zur Durchführung bestimmter finanzieller Transaktionen persönlich identifiziert werden (know your customer). Auch wie die Hindernisse, die einer vollständigen Integration der Finanzmärkte entgegenstehen, beseitigt werden sollen, wird nicht gesagt. Die Fragmentierung des Markts für Privatkunden wird bemängelt und die Durchführung weiterer Konsolidierungsmaßnahmen auf den nationalen und vor allem auf den grenzüberschreitenden Märkten fast begrüßt.

3.3.3

Die Akteure sind der Auffassung, dass die Nachfrage nach Mobilität überbewertet wird und fordern eine sorgfältige und vertiefte Überprüfung der effektiven Nachfrage auf dem Markt. Die Bestimmungen des europäischen Zahlungssystems würden ihrer Ansicht nach dazu beitragen, dass das Interesse der Verbraucher abnimmt. Die Forderung, das gesamte europäische Kontonummersystem zu ändern, um die Übertragbarkeit der eigenen Kontonummer zu gewährleisten, escheine unverhältnismäßig, da bescheidenen Vorteilen enorme Kosten gegenüberstehen, die auf alle Verbraucher umgelegt werden müssten.

3.3.4

Es kam auch die Forderung zur Sprache, alle geeigneten Maßnahmen für eine bessere Reglementierung dieses Bereichs zu bewerten. Der Bankensektor verlangt eine Reduzierung obligatorischer Maßnahmen. Dadurch soll eine spontane Anpassung des Marktes an die Nachfrage und die Erzielung eines Gleichgewichts auf einem immer schneller reagierenden und stärker spezialisierten Markt ermöglicht werden.

3.3.5

Im Versicherungswesen ist die Nachfrage in der Privatkundensparte in noch höherem Maße als im Bankwesen auf nationale Märkte ausgerichtet. Der Grad der Kundenzufriedenheit (83 %) lässt keine strukturelle Veränderung der Nachfrage erwarten. Andererseits kam die Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass Bestimmungen auslaufen, die für die Versicherungsunternehmen — vor allem im Bereich der Rückversicherung — wichtig sind. Dies betrifft die Verordnung Nr. 358/2003 sowie die Absicht der Kommission, die Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) im Jahr 2010 nicht mehr zu verlängern. Die Nichtverlängerung der GVO würde das Ende der von ihr gewährleisteten Rechtsklarheit bedeuten. Die derzeitige, durch die GVO sichergestellte positive Zusammenarbeit würde von den Versicherungen aus Gründen der Vorsicht aufgegeben werden, wodurch Verbraucher und Versicherer der greifbaren Vorteile der Zusammenarbeit — wie z.B. Verbrauchermobilität, Vergleichbarkeit der Produkte, Versicherbarkeit, Öffnung der Märkte für KMU und neue Wettbewerber — beraubt würden.

3.3.6

Die Arbeitnehmervertreter des Finanzsektors haben festgestellt, dass die Rolle der Arbeitnehmer im Grünbuch überhaupt nicht gewürdigt wird, und bekräftigt, dass die spezifische Wieterbildung ausgebaut werden muss, um einer steigenden Nachfrage nach Informationen und Klarstellungen bezüglich der verschiedenen angebotenen Investitionsmöglichkeiten gerecht zu werden. Sie haben aber auch auf die besonders aggressiven Verkaufspraktiken und die erfolgsabhängigen Prämien- und Bewertungssysteme hingewiesen, die in vielen Fällen zum Verkauf ungeeigneter und auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Verbraucher nicht zugeschnittener Produkte geführt haben. Auf diesen Aspekt wurde hingewiesen im Zusammenhang mit der jüngsten Finanzkrise und dem Fehlen einer effektiven und wirkungsvollen integrierten Überwachung der Märkte in Verbindung mit der der immer wichtigeren Rolle der Hedge- und Privat Equity-Fonds. Ferner wurde betont, dass das Verhalten der Ratinggesellschaften aufmerksam überwacht werden muss, die häufig von den Emittenten mit der Bewertung ihrer Titel beauftragt werden und sich deshalb offensichtlich in einem Interessenkonflikt befinden.

3.3.7

Die Verbrauchervertreter schließlich haben eine drastische Senkung der Belastungen und der Schwierigkeiten bei der nationalen und grenzüberschreitenden Kontenmobilität, eine kompetente und verantwortungsbewusste Beratung, vollständige und verständliche Informationen sowie gemeinsame Bestimmungen in den verschiedenen Ländern eingefordert. Sie haben aber starke Vorbehalte gegenüber der optionalen Option einer einheitlichen Regelung (dem sogenannten 28. Regime) sowie gegenüber einer Harmonisierung der geltenden Rechtssysteme — die bekanntlich der Grund für unterschiedliche Schutzniveaus in der EU sind — geäußert.

3.3.8

Alle Teilnehmer an der Anhörung haben betont, dass die Zusammenarbeit zwischen den Verbrauchern und den Finanzinstituten ausgebaut werden müsse, wobei anerkannt wird, dass die Arbeitnehmer ein konkreten und spezifischen Beitrag zur Verbesserung der Beziehungen und zur Annäherung der Akteure leisten.

3.3.9

Der EWSA hält die während der Anhörung eingegangen Beiträge für sehr bedeutend und unterstützt die vorgebrachten Bemerkungen. Sie machen deutlich, dass unbedingt nach der Veröffentlichung der Ergebnisse der öffentlichen Anhörung ein Diskussionsforum mit allen Beteiligten eröffnet werden muss, um Ausgewogenheit zwischen den verschiedenen Akteuren herzustellen. Der Ausschuss erklärt sich bereit, in einem solchen Forum als Koordinator und Impulsgeber zu fungieren.

3.4   Der Binnenmarkt

3.4.1

Generelles Ziel des Grünbuchs über Finanzdienstleistungen für Privatkunden im Binnenmarkt ist die Verbesserung der Situation der Verbraucher. Da die Verbraucher im täglichen Leben zahlreiche Gelegenheiten haben, Finanzdienstleistungen in Anspruch zu nehmen, könnte die Verbesserung der Finanzdienstleistungen für Privatkunden bei der Verfolgung dieses Ziels eine wichtige Rolle spielen.

3.4.2

Der von der Europäischen Union geschaffene Rechts- und Aufsichtsrahmen hat zu größerer Solidität der Finanzintermediäre und zu mehr Dienstleistungsfreiheit geführt und dadurch erheblich zur Förderung des Wettbewerbs im Finanzsektor beigetragen.

3.4.3

Darüber hinaus haben die Einführung der einheitlichen Währung und der Financial Services Action Plan die Entwicklung eines Binnenmarktes auf Ebene der institutionellen Klientel und der Großkunden spürbar vorangebracht.

3.4.4

Der Markt der Privatkunden hingegen ist nach Ansicht der Kommission weiterhin noch stark segmentiert, was zur Folge hat, dass:

Geschäftstätigkeit über die Landesgrenzen hinweg alles in allem nur begrenzt stattfindet;

für mehr oder weniger vergleichbare Dienstleistungen sehr unterschiedliche Preise berechnet werden;

den Verbrauchern nur begrenzt Wahlmöglichkeiten zur Verfügung stehen;

das Rentabilitätsverhältnis der Finanzintermediäre von Land zu Land sehr unterschiedlich ist.

3.4.5

Der EWSA schließt sich der Aussage an, dass es zweckmäßig wäre, die Fragmentierung des Marktes für Privatkunden zu verringern, unterstreicht jedoch, dass die Märkte für Privatkunden unvermeidlich stärker segmentiert sind als die für Großkunden. Die Gründe dafür liegen auf der Hand und haben mit der Fragmentierung und Heterogenität der Nachfrage der Zielmärkte zu tun, weshalb die Märkte für Privatkunden nicht mit den gleichen Maßstäben wie die Märkte für Großkunden gemessen werden können.

3.4.6

Der EWSA merkt an, dass sich die Logik des Marktes nach anderen Modellen ausrichtet. Der globale Markt wird mit Hilfe grenzüberschreitender Konsolidierungsprozesse errichtet. Die multinationalen Banken und Versicherungsunternehmen verfolgen ihre Akquisitionsstrategien über die Verbesserung der Mobilität des Angebots. Der europäische Markt wird für einige große Unternehmensgruppen zum heimischen Markt: Diese Unternehmen machen sich keine Gedanken darüber, ob sie ihre Produkte und Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat anbieten können, sondern nur darüber, wie sie ihre Absatzvolumen und Absatzmöglichkeiten über das unmittelbare Vordringen auf die einzelnen nationalen Märkte und deren Besetzung von innen heraus vermehren können. Der harte Wettbewerb um den Kauf einer niederländischen Großbank in jüngster Vergangenheit macht dies deutlich.

3.4.7

Die grenzüberschreitenden Konsolidierungsprozesse können u.U. jedoch sehr negative Folgen für die Beschäftigung haben. Infolge dieser potenziellen Übernahmen wird der Wegfall von zehntausenden Arbeitsplätzen angekündigt, wenngleich solche Stellenstreichungen in der Praxis nicht immer durchgeführt werden. Auf diese Gefahr hat der EWSA bereits hingewiesen und zur Bewältigung dieser dringenden sozialen Probleme Ausbildungs- und Umschulungspläne sowie angemessene Maßnahmen zur sozialen Abfederung vorgeschlagen (6), die zudem Gegenstand vieler Tarifverträge im europäischen Bankensektor sind. Zwar werden Kosteneinsparungen erzielt, aber für die Verbraucher sind keine spürbaren Vorteile zu erkennen, da die Unternehmen ihr Preissystem am lokalen Markt ausrichten, und die erwarteten Verbesserungen in Bezug auf den Marktzugang neuer Marktteilnehmer lassen auf sich warten.

3.4.8

Der potenzielle wirtschaftliche Nutzen aus der Entwicklung des Binnenmarktes liegt strukturell unter den Vorteilen, die der direkte Zugang zu den nationalen Märkten bringen kann, sowohl was die Größenvorteile als auch was die Positionierung angeht. Das führt dazu, dass die Vorteile für das Unternehmenssystem als nebensächlich und vernachlässigbar betrachtet werden. Dies muss der Ausgangspunkt für eine konkrete Analyse der Handlungsoptionen sein.

3.4.9

Der EWSA unterstützt sicherlich das Ziel, jedes nur als Mittel zum Zweck dienende und ungerechtfertigte Hemmnis für den Binnenmarkt zu beseitigen, und befürwortet daher jede Maßnahme, die geeignet ist, zur Verwirklichung dieses Ziels beizutragen. Gleichwohl muss bei der Wahl der Maßnahmen unbedingt darauf geachtet werden, dass sie gezielt ausgerichtet sind und die Kosten-Nutzen-Rechnung klar zu ihren Gunsten spricht.

4.   Information der Verbraucher und fachliche Schulung des Vertriebspersonals

4.1

Nach Auffassung des EWSA ist es von grundlegender Bedeutung, geeignete Initiativen zu ergreifen, die zur Verbesserung der Kompetenz und des Wissenstands der Verbraucher beitragen, damit sie verantwortungsbewusste Entscheidungen treffen können. Eine umfassende Information über das Wesentliche ist für ihren Schutz unverzichtbar, wobei natürlich stets berücksichtigt werden muss, dass Produkte und Dienstleistungen im Finanzbereich nicht mit denen in anderen Bereichen verglichen werden können.

4.2

Nach Ansicht des EWSA muss zwischen Information und Beratung unterschieden werden. Bei ersterer handelt es sich um die Pflicht, die Verbraucher zu informieren, und die Information muss dem Kompetenz- und Risikoprofil des Kunden entsprechen, der auch auf mögliche kritische Situationen, die sich für ihn ergeben könnten, hingewiesen werden muss. Beratung hingegen ist eine professionelle Dienstleistung, die auf Verlangen erbracht wird, weshalb der Berater auch haftbar sein kann. Dieser Unterschied wird nicht immer richtig verstanden. In einigen Ländern werden diese Dienstleistungen von Selbstständigen erbracht, wie z.B. im Vereinigten Königreich, in anderen Ländern wiederum von Finanzinstituten, die sich in einem offensichtlichen Interessenskonflikt befinden können. Dieser ergibt sich aus der Notwendigkeit, Finanzprodukte zu verkaufen — was mit Boni und Prämiensystemen verbunden sein kann — einerseits, und dem Schutz des Kunden andererseits, der sich ihrer fachlichen Kompetenz anvertraut.

4.3

Der EWSA hält es für unerlässlich, diesen Bereich einer eindeutigen Regelung zuzuführen, die mögliche Interessenkonflikte unterbindet und Geschäftspraktiken zur Absatzförderung und Prämiensysteme, die kommerziellen Vertriebssystemen entliehen und mit Verkaufszielen für bestimmte Produkte verbunden sind, verhindert. Der EWSA empfiehlt, einen gezielten Dialog zwischen Unternehmen, Verbrauchern und Arbeitnehmern der Branche zu eröffnen. Dieser könnte einen ersten Schritt darstellen, um ein vordringliches Bedürfnis der Verbraucher in Bezug auf ihr Vertrauen auf ein transparentes Verhalten der Banken und Versicherungsunternehmen zu befriedigen.

4.4

Um eine effektive Verbraucherinformation zu gewährleisten, müssen die kulturellen Unterschiede berücksichtigt werden — es gibt kein Patentrezept, sondern die Informationsauflagen müssen auf die spezifischen Gegebenheiten des jeweiligen Landes abgestimmt werden. Vorstellbar wären gemeinschaftsweite Mindestschutzbestimmungen, wie sie die Kommission vorzuschlagen gedenkt. Ferner ist zu bedenken, dass mit der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) die Beratung bei den Wertpapierdienstleistungen eingeführt wurde, die jedoch der Schweigepflicht unterliegt. Die MiFID garantiert dem Investor bei der Inanspruchnahme von Beratungsdiensten ein sehr hohes Schutzniveau: Der Berater ist verpflichtet, alle erforderlichen Informationen einzuholen, um die Angemessenheit der ausgesprochenen Empfehlungen bewerten zu können. Die Beratungstätigkeit muss eindeutig identifiziert werden, damit sie von allgemeinen Ratschlägen, die im Rahmen des Vertriebs ausgesprochen werden, unterschieden werden kann; der Anwendungsbereich der strikteren Verpflichtungen muss klar definiert werden.

4.5

Die Finanzintermediäre sind verpflichtet, jedwede sinnvolle Maßnahme zu ergreifen, um Interessenkonflikte zu erkennen und sie so handzuhaben, dass sie sich nicht negativ auf die Kundeninteressen auswirken. Wenn die angenommenen Maßnahmen zum Umgang mit den Interessenkonflikten nicht ausreichen, um mit angemessener Sicherheit auszuschließen, dass die Kundeninteressen beeinträchtigt werden, müssen die Intermediäre die Kunden — bevor sie in ihrem Namen tätig werden — eindeutig über die allgemeine Natur und die Ursache des Interessenkonflikts informieren. Allgemein gesagt wird die Verpflichtung für die Intermediäre eingeführt, den Interessen des Kunden bestmöglich gerecht zu werden.

4.6

Der EWSA empfiehlt den Finanz- und Versicherungsunternehmen, eine spezielle fachliche Schulung für das für die Bewerbung und den Vertrieb von Finanzdienstleistungen und -produkten zuständige Personal von Banken und Versicherungen zu entwickeln. Es gewährleistet den Kontakt zwischen den Finanzinstituten und den Verbrauchern und muss daher mit den Merkmalen der Finanzprodukte und –dienstleistungen gut vertraut gemacht werden, um seinerseits die Kunden gut beraten zu können. Das Beispiel der Regelung in Zypern, die sich am britischen Modell orientiert und vorschreibt, das Risikoprofil des Kunden zu erstellen und eindeutige und korrekte Informationen zu geben, hat sich als wirksam erwiesen. Die Kunden sind damit sehr zufrieden. Mit Hilfe von kompetenterem Vertriebspersonal kann ein besserer Verbraucherschutz erreicht werden. Unter Gewährleistung der Autonomie der Sozialpartner sollte die Kommission im Rahmen des sozialen Dialogs in dieser Branche — z.B. über ein gemeinsames Projekt der Banken- und Versicherungsverbände und des Gewerkschaftsverbands der Branche (UNI-Europa) — ein gezieltes Programm für die Entwicklung von Schulungsmaßnahmen für die im Vertrieb von Finanzprodukten und –dienstleistungen Beschäftigten fördern.

Finanzprodukte

4.7

Immer häufiger werden identische Finanzprodukte in unterschiedlichster Aufmachung verkauft. Die Kunden werden mitunter zum Kauf von Produkten und Dienstleistungen gedrängt, die nicht gezielt auf ihre tatsächlichen Erfordernisse zugeschnitten sind, und die Gefahr der Überschuldung, insbesondere bei den Verbraucherkrediten, verursacht nicht nur den Familien, sondern auch den Fachunternehmen immer größere Probleme. In den USA hat die „Finanzialisierung“ der Wirtschaft zur Krise der Subprime-Hypotheken (Kredite mit hohem Risiko) geführt. In einer gigantischen Kettenreaktion wurden nicht nur spezialisierte Finanzinstitute, sondern auch Großinvestoren von der Krise erfasst, die leichtfertig und für Milliarden von Dollar hochrentable und hochriskante Schuldtitel unterzeichnet haben. Diese Krise hat alle Finanzmärkte erfasst und hat die Grenzen ausgesprochen laxer Formen der Marktkontrolle — wie z.B. im Vereinigten Königreich — vor Augen geführt. Dies macht eine Überarbeitung und Stärkung der dritten Ebene des Lamfalussy-Verfahrens zur Koordinierung der einzelstaatlichen Aufsichtsbehörden erforderlich. In Europa waren die Auswirkungen auf den Finanzmarkt nicht so stark, aber in einigen Ländern, die im Bankenwesen ähnliche Strategien anwenden wie z.B. die kontinuierliche Refinanzierung der Hypothekendarlehen, die für die steigenden Zinssätze verantwortlich ist, beginnen sich ernsthafte Probleme abzuzeichnen. Das Hauptproblem liegt im Wertverlust des Dollar, der den Euro auf einen Höhenflug brachte, wodurch die verhalten positive Konjunkturentwicklung in Europa beeinträchtigt wird (vgl. Stellungnahme ECO/202, Berichterstatter: Herr DERRUINE).

4.8

Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission einem optionalen EU-weiten Rechtsrahmen — das sogenannte „28. Regime“ — gegenüber aufgeschlossener ist als in der Vergangenheit. In diesem Zusammenhang verweist er auf die bereits in seiner Stellungnahme zum Weißbuch zur Finanzdienstleistungspolitik für die Jahre 2005/2010 (7) angestellten Überlegungen.

4.9

Neben einer optionalen EU-weiten Regelung wäre auch die Annahme eines europaweiten Verhaltenskodexes wünschenswert, der von der Branche selbst zwar unabhängig, aber im Dialog und Einvernehmen mit den zuständigen Kommissionsdienststellen und den Verbraucher- und Arbeitnehmerverbänden des Sektors ausgearbeitet werden sollte. Darin sollten neben den eventuellen Bestimmungen der hier erörterten Richtlinie speziell die Beziehungen zwischen Unternehmen und Kunden im Bereich der Finanzdienstleistungen behandelt werden.

4.10

Am 18. Juli 2007 erklärte die für Verbraucherschutz zuständige EU-Kommissarin Meglena KUNEVA in einer Rede in der Fachkommission INT, dass sie sich im Hinblick auf den Verbraucherschutz im Zeitraum 2007-2013 drei Hauptziele gesetzt habe:

Stärkung der Position der Verbraucher;

Verbesserung des Wohlergehens der europäischen Verbraucher in wirtschaftlicher und anderer Hinsicht;

effizienter Verbraucherschutz.

Für die Verwirklichung dieser Ziele hat die Kommission dem Rat im letzten Mai eine Richtlinie zum Thema Verbraucher und Kredite vorgeschlagen, über die eine politische Einigung erzielt wurde.

4.10.1

Im Richtlinienvorschlag werden die geeigneten Parameter aufgezeigt, um umfassende, verständliche und vergleichbare Informationen über Kreditangebote verfügbar zu machen: eine völlig harmonisierte Formel für die Berechnung des jährlichen Zinssatzes, ein einheitliches gemeinschaftliches Modell für vorvertragliche Informationen, ein neues Recht des Verbrauchers auf Widerruf eines Kreditvertrags binnen 14 Tagen sowie die Möglichkeit einer vorzeitigen Tilgung eines Kredits.

4.10.2

Die Kommissarin hat u.a. betont, dass sie die Absicht habe, bei den Verbrauchern das Verständnis der Finanzmechanismen zu fördern. Der erste Punkt sei die Information, aber als weiteres Element müsse die Bildung der Verbraucher in Finanzdingen gefördert werden, die die Informationsauflagen begleiten müsste, diese aber nicht ersetzen dürfte.

4.10.3

Der EWSA unterstützt die Ziele der EU-Kommissarin Meglena KUNEVA mit voller Überzeugung und erarbeitet derzeit eine Stellungnahme, in der die entsprechenden Vorschläge bewertet werden.

5.   Operatives Ziel

5.1

Ziel des Grünbuchs ist es, die Segmentierung des Finanzmarkts für Privatkunden durch die Beseitigung der rechtlichen und wirtschaftlichen Hemmnisse für die Mobilität der Kunden zu verringern. Hierzu ist zu sagen, dass die Europäische Union, nachdem sie die Voraussetzungen für die Mobilität auf der Angebotsseite geschaffen hat, diese durch die Förderung der Mobilität auf der Nachfrageseite ergänzen möchte.

5.2

Die Schaffung der hierfür notwendigen Vorschriften ist nicht nur bereits an sich sehr aufwendig, sondern auch im Hinblick auf die seitens der verschiedenen Betroffenen — insbesondere der Finanzintermediäre — notwendigen Anpassungen. Der Ausschuss ist ebenfalls der Auffassung, dass Initiativen nur dort ergriffen werden sollten, wo mit relativ guten Erfolgsaussichten spürbare Vorteile für die Bürger erreicht werden können. Desgleichen ist auch die Absicht lobenswert, die ergriffenen Initiativen daraufhin zu bewerten, ob die Ergebnisse mit den Erwartungen übereinstimmen, wobei auch nicht gezögert werden darf, Maßnahmen, die sich nicht bewähren, wieder zurückzunehmen. Es muss aber auch auf das Problem aufmerksam gemacht werden, dass die Kosten von ungeeigneten Initiativen, die zurückgenommen werden müssen, sehr hoch sein können und die Erfahrung gezeigt hat, dass diese Kosten möglicherweise auf die Verbraucher umgelegt werden, was für diese keine Verbesserung, sondern im Gegenteil weitere Nachteile mit sich bringt.

5.3

Der EWSA weist diesbezüglich darauf hin, dass ein solcher Ablauf — Änderung der Ausgangssituation/Folgenabschätzung/eventuell Wiederherstellung des Status quo — in vielen Fällen eher eine Absichtserklärung denn ein tatsächlich realisierbarer Aktionsplan sein dürfte. In der Finanzbranche setzen die kulturell bedingten Modelle, die Vertrauensbeziehungen und die gesammelten Erfahrungen der Entwicklung des Handels und des Wettbewerbs häufig deutliche Grenzen. Die meisten Aktionen greifen auch in diesen Bereichen und führen zu bleibenden Veränderungen, weshalb der Status quo nicht einfach dadurch wiederhergestellt werden kann, indem die Maßnahmen, die der Überprüfung nicht standgehalten haben, wieder zurückgenommen werden. Der EWSA appelliert daher an die Kommission, nicht allzu optimistisch auf die Wiederherstellung der ursprünglichen Situation zu setzen, sobald sich die Ergebnisse der ergriffenen Maßnahmen als unzureichend erweisen.

6.   Grenzüberschreitender Zugang zu Finanzdienstleistungen

6.1

Im Grünbuch wird die Auffassung vertreten, dass die Fragmentierung des Finanzmarktes mittelfristig im Wesentlichen unverändert fortbestehen wird, wenn nicht gezielte Anstrengungen zur Verringerung der Hemmnisse für die Mobilität der Kunden unternommen werden, als da sind Uneinheitlichkeit des Regelungsumfelds und der Verbraucherschutzbestimmungen, unterschiedliche Steuersysteme, Fragmentierung und Inkompatibilität der Infrastrukturen für die Erbringung von Finanzdienstleistungen.

6.2

Der EWSA schließt sich der Auffassung an, dass die Kundenmobilität im Finanzdienstleistungssektor sowohl qualitativ als auch in Bezug auf die Effizienz ein wichtiger Entwicklungsfaktor ist. Er vertritt allerdings den Standpunkt, dass in Bezug auf die grenzüberschreitende Mobilität der Kunden in diesem Sektor keine allzu optimistischen Ziele gesteckt werden sollten.

6.3

Die Mobilität der Kunden kann sowohl in geografischer Hinsicht (Kauf des betreffenden Produkts an einem Ort, der weit vom jeweiligen Wohnsitz entfernt ist) als auch in Bezug auf die persönlichen Kontakte (Möglichkeit des raschen Anbieterwechsels) angestrebt werden. Die beiden Formen der Mobilität sind zwar vom Konzept her unterschiedlich, stehen aber dennoch in engem Zusammenhang.

6.4

Im Vergleich zum Gütersektor kann der Dienstleistungssektor — zumindest potenziell — eine größere geografische Mobilität ermöglichen, da der durch die physische Übergabe des betreffenden Guts gegebene Kontakt wegfällt. So bringt z.B. der Autokauf im Ausland erhebliche Transportprobleme mit sich, die es nicht mehr gibt, wenn es sich bei dem Objekt der Transaktion um eine „immaterielle“ Dienstleistung handelt, die ebenso gut auf „Informationsautobahnen“ wie auf asphaltierten Wegen „reisen“ kann.

6.5

Bei den Dienstleistungen besteht das Hemmnis hingegen darin, dass sie als „immaterielle“ Produkte häufig schwer zu bewerten und vollständig zu erfassen sind, was zur Folge hat, dass dem Vertrauensverhältnis zwischen Käufer und Verkäufer besondere Bedeutung zukommt. In der Finanzbranche sind Vertrauensbeziehungen deshalb so ungemein wichtig, weil die meisten Produkte spezifisch sind und langfristige Verpflichtungen zwischen Verkäufer und Käufer umfassen. Zahlreiche Gründe können als Erklärung dafür angeführt werden, weshalb die Kunden weniger leicht ein Vertrauensverhältnis zu Finanzintermediären aufbauen, die nicht unmittelbar in ihrem Land niedergelassen sind.

6.6

Ein weiterer Aspekt, der nicht unterschätzt werden darf, betrifft die Art und Weise, in der die Kunden ein Produkt wahrnehmen. Bei realen Gütern wird das Produkt über die Sinnesorgane wahrgenommen, wobei natürlich weder sprachliche noch kulturelle Barrieren zu überwinden sind. Finanzdienstleistungen hingegen kann man weder ansehen noch anfassen — sie werden über die Beschreibungen in den Informationsprospekten und den Vertragsbedingungen wahrgenommen, wobei die sprachlichen und kulturellen Barrieren auf keinen Fall unterschätzt werden dürfen. Die Kunden können Dienstleistungen im Ausland erwerben, wenn sie mit der Sprache und dem grundsätzlichen Finanzgebaren des Landes des Finanzintermediärs gut vertraut sind. Zur Lösung dieses Problems könnte eventuell erwogen werden, eine mehrsprachige Erstellung von Informations- und Vertragsunterlagen zur Auflage zu machen. In diesem Zusammenhang wäre es nach Auffassung des EWSA weder realistisch noch korrekt, von den Finanzintermediären zu verlangen, dass sie ihre Informationsprospekte und Vertragsbedingungen in sämtlichen EU-Amtssprachen abfassen. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die mit einer solchen Auflage — die durch die kontinuierliche Weiterentwicklung der Produkte noch zusätzlich erschwert würde — verbundenen Kosten durch einen entsprechenden Anstieg des Umsatzvolumens wettgemacht werden könnten. Im Grünbuch selbst wird festgehalten, dass im Finanzdienstleistungssektor mittelfristig keine hohe grenzüberschreitende Kundenmobilität zu erwarten sei. Das Problem der Sprachbarriere wird daher mittelfristig ungelöst und ein wesentliches Hemmnis für die grenzüberschreitende Mobilität von Privatkunden bei Finanzdienstleistungen bleiben.

6.7

Die Kommission hat eine hochrangige Expertengruppe eingesetzt, die eine Bestandsaufnahme der Kundenmobilität bei Bankkonten durchführen soll. Am 30. Mai 2007 wurde ein interessanter Bericht veröffentlicht, in dem in sehr vielen Punkten erhebliche Meinungsunterschiede deutlich wurden. Die Verbraucherverbände betrachten dies als ein wirkliches Problem, während es nach Meinung der Bankfachleute kein Problem ist. Die einen behaupten, dass die Kunden sehr zufrieden seien und keine Notwendigkeit sähen, die Mobilität zu erleichtern, während die anderen meinen, dass diese Statistiken mit großer Vorsicht betrachtet werden müssen, da der Grad der Zufriedenheit vom Erwartungsniveau abhänge, und dass es wichtig sei, den Kunden den ungehinderten Wechsel der Bank zu ermöglichen, da dann auch zufriedene Kunden wechseln können, wenn sie vorteilhaftere Angebote auf dem Markt finden.

6.8

Auf der einen Seite betont das Bankgewerbe, wie stark der Verbraucher im Wesentlichen auf den heimischen Markt ausgerichtet sei, während die Verbraucherverbände auf der anderen Seite den mangelnden grenzüberschreitenden Wettbewerb beklagen, der auf die Hindernisse für einen Kontenwechsel sowie die fehlende Transparenz und Vergleichbarkeit der Angebote in Verbindung mit einem geringen Vertrauen der Kunden zu ausländischen Unternehmen zurückzuführen ist.

6.9

In dem Sachverständigenbericht werden die Schwierigkeiten untersucht, mit denen derzeit die Eröffnung eines Kontos verbunden ist, u.a. die rechtlichen und regulatorischen Hindernisse wie z.B. die Verpflichtung, sich persönlich auszuweisen, die nach Aussage der Bank eine Folge des Geldwäschegesetzes ist; die Kunden weisen auf die geringe Transparenz der Informationen über die Angebote und der notwendigen Dokumentation hin. Nach Auffassung der Kunden ist es unerlässlich, das Recht auf die Eröffnung eines Girokontros festzuschreiben, wie dies in der Gesetzgebung einiger europäischer Länder der Fall ist, da ohne ein solches Konto die Teilnahme am wirtschaftlichen und sozialen Leben nicht möglich ist. Die Banken haben zu diesem Punkt die Vertragsfreiheit als Grundprinzip der Marktwirtschaft in Feld geführt, die in vielen Verfassungen verankert ist.

6.10

Der EWSA will keine Verfassungsdebatte lostreten, hält es aber für wichtig, die Kluft zwischen den Finanzunternehmen und den Kunden zu verringern. Angesichts der Tatsache, dass es einigen demokratischen und marktwirtschaftlich ausgerichteten Ländern gelungen ist, Mindestrechte für Verbraucher und Bürger wie z.B. den Rechtsanspruch unbescholtener Gebietsansässiger auf ein Bankkonto als ein Bürgerrecht festzuschreiben, wäre es durchaus vorstellbar, dass diese beispielhaften Praktiken unter Abstimmung mit den nationalen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten eine gemeinsame Errungenschaft der Union werden könnten. Diese hat sich in der Vergangenheit häufig nachahmenswerte Maßnahmen der einzelnen Rechtssysteme zu eigen gemacht und europaweit verbreitet. Der EWSA hat in einer früheren Stellungnahme dafür plädiert, dass ein solcher Rechtsanspruch allgemein Gültigkeit haben sollte (8).

7.   Ziele und Maßnahmen

Niedrigere Preise und mehr Wahlmöglichkeiten für die Verbraucher

7.1

Die Kommission vertritt den Standpunkt, dass durch die Schaffung der notwendigen Voraussetzungen für eine größere Mobilität der Verbraucher in zweierlei Hinsicht eine Verbesserung erreicht werden kann: ein breiteres Angebot an Wahlmöglichkeiten zur Erfüllung sehr viel unterschiedlicherer Bedürfnisse, und zwar zu wettbewerbsfähigen Preisen.

7.2

Aus diesem Grunde werden im Privatkundensektor gegenwärtig Initiativen durchgeführt, um insbesondere zu prüfen, ob die sogenannte Übertragbarkeit von Bankkonten verbessert werden kann. Außerdem wird die Möglichkeit geprüft, eine Richtlinie zur Verbesserung der Übertragbarkeit von Zusatzrentenansprüchen vorzuschlagen.

7.2.1

Die Übertragbarkeit des Girokontos darf nach Ansicht des EWSA nicht mit der einheitlichen europäischen Kontonummer verwechselt werden. Die Einführung der einheitlichen europäischen Nummer wäre mit enormen und absolut ungerechtfertigten Kosten verbunden, die letztendlich zu Lasten der Verbraucher gehen würden. Die Übertragbarkeit muss sich auf sämtliche Transaktionen im Zusammenhang mit dem Konto — wie z.B. Daueraufträge, Einzugsermächtigungen, Wertpapierkonten usw. — beziehen, aber sicherlich nicht auf die Beibehaltung der Nummer. Die Umsetzung des Europäischen Zahlungsverkehrsraums (SEPA) auf Gemeinschaftsebene stützt sich auf die derzeitige IBAN und die CIN-Prüfziffer, die unverändert beibehalten werden muss. Die Bankunternehmen müssen nach besten Kräften zusammenarbeiten, um die Mobilität der Konten und die Transferierbarkeit der Verbindungen zu gewährleisten, unter anderem auch über Verhaltenskodizes und Vereinbarungen zwischen den Banken, wie sie in einigen Ländern bereits bestehen.

7.3

Der EWSA ist ebenfalls der Meinung, dass die Hemmnisse für die Mobilität der Verbraucher aufmerksam auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden müssen; dies gilt z.B. für Kontoschließungsgebühren, wenig transparente Informationen oder auch für Vertragskonstrukte für Finanzdienstleistungen, die zu stark darauf ausgerichtetet sind, den Kunden vom Wechsel des Produkts oder des Anbieters abzuschrecken. Er unterstreicht allerdings, dass es auch technische und normative, rechtliche und steuerliche Beschränkungen gibt, die häufig nur schwer zu überwinden sind, um die Mobilität der Verbraucher in dem Umfang zu ermöglichen, wie die Kommission dies vorsieht. Eine weitere Schwierigkeit ist das Fortbestehen anderer Währungen neben dem Euro. Zahlreiche Mitgliedstaaten gehören noch nicht zur Euro-Zone, was zu den beschriebenen Schwierigkeiten noch hinzukommt.

7.4

So werden insbesondere Bemühungen zur Schaffung einheitlicher Bedingungen im Finanzdienstleistungssektor auch durch Barrieren behindert, die von den staatlichen Behörden in dem an sich berechtigten Bemühen geschaffen wurden, einen möglichst guten Verbraucherschutz zu gewährleisten. Die Kommission kündigt an, dass sie alle Hemmnisse für die freie Auswahl, die nicht nach strengen Maßstäben gerechtfertigt sind, unterbinden will. Nach Ansicht des Ausschusses muss beim Thema einheitlicher Verbraucherschutz allerdings mit Bedacht vorgegangen werden, da die EU-Mitgliedstaaten kulturell und sozial nicht so einheitlich sind, dass ein stark dirigistisches Vorgehen auf zentraler Ebene gerechtfertigt wäre.

8.   Stärkung des Verbrauchervertrauens

8.1

Der Handel mit Finanztransaktionen und Finanzdienstleistungen ist dann möglich, wenn zwischen den Parteien eine solide Vertrauensgrundlage besteht. Die Kommission weist darauf hin, dass die europäischen Verbraucher nach wie vor Bedenken gegen die Risiken grenzübergreifender Aktivitäten haben und den bestehenden rechtlichen Schutz mit Misstrauen betrachten. Volle Mobilität der Verbraucher kann erst erreicht werden, wenn diese wirklich davon überzeugt sind, dass der rechtliche Schutz unabhängig vom Ort des Erwerbs der Dienstleistungen und vom Absatzweg sichergestellt ist.

8.2

Die Kommission vertritt den Standpunkt, dass zur Erreichung dieses Ziels folgende Themen angegangen werden müssen: Schutz der Verbraucherinteressen, Schaffung eines klaren und sicheren Rechtsrahmens, Sicherung des Zugangs zu angemessenen außergerichtlichen Schlichtungssystemen und Förderung solider Finanzintermediäre.

8.3

Der Schutz der Verbraucherinteressen ist ein heikles Thema, da es — wie bereits ausgeführt — nicht leicht ist, einen Rechtsrahmen festzulegen, der sich an die Vorstellungen und Erfordernisse aller Mitgliedstaaten anpassen lässt: Die Schwierigkeiten bei der Harmonisierung der Schutzbestimmungen, die z.B. bei der Überarbeitung der Richtlinie über den Verbraucherkredit zutage getreten sind, können bei den Verbrauchern den Eindruck erwecken, dass das Schutzniveau stark davon abhängt, in welchem Mitgliedstaat eine Finanzdienstleistung erworben wird.

8.4

Was die Rechtssicherheit für vertragliche Schuldverhältnisse angeht, ist im Übereinkommen von Rom aus dem Jahr 1980 festgelegt, dass das auf den Vertrag anzuwendende Recht im Prinzip von den Parteien selbst gewählt wird. Derzeit wird eine Änderung dieses Grundsatzes geprüft, um das Recht des Landes, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, auf den Vertrag anzuwenden, wenn der Anbieter seine gewerbliche Tätigkeit auf dieses Land ausrichtet. Allerdings ist die Anwendung des Rechts des Landes, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat, für das Angebot von Finanzprodukten in anderen Mitgliedstaaten sicherlich nicht förderlich.

8.5

Durch die klare Definition dieses Grundsatzes kann sicherlich das Vertrauen der Verbraucher in die Rechtsvorschriften gefördert werden, wenngleich sich dies nur teilweise mit dem im Grünbuch vorgesehenen Konzept der Mobilität der Verbraucher vereinbaren lässt. Die Kommission ist der Auffassung, dass die grenzüberschreitende Mobilität der Finanzintermediäre nicht ausreicht, sondern dass auch die Verbrauchermobilität gefördert werden muss: der neue Grundsatz würde eine generelle und unmissverständliche Regelung dann erlauben, wenn die Finanzintermediäre ihre gewerbliche Tätigkeit auf die Verbraucher anderer Staaten ausrichten, nicht aber, wenn sich die Verbraucher von sich aus an Dienstleistungserbringer in anderen Staaten wenden.

9.   Stärkung der Verbraucher

9.1

Im Grünbuch wird zu Recht festgestellt, dass die Verbraucher häufig Bedenken äußern, dass eine zu große Auswahl an Produkten verwirrend wirken und ihnen die Auswahl des für ihre Bedürfnisse am besten geeigneten Produkts erschweren könnte. Es ist richtig, dass nur gut informierte Verbraucher mit einer guten Finanzkompetenz die Möglichkeiten einer größeren grenzüberschreitenden Mobilität im Binnenmarkt auch tatsächlich zu ihrem Vorteil nutzen können.

9.2

Das Grünbuch unterstreicht, dass die durchschnittliche Finanzkompetenz der Verbraucher im Allgemeinen niedrig ist und die Fähigkeit, die richtigen finanziellen Entscheidungen zu treffen, stark beeinträchtigt. Hinzu kommt noch die weitverbreitete Auffassung, dass die bereitgestellten Informationen zwischen den beiden Extremen schwanken, also entweder unzureichend oder zu komplex sind.

9.3

Diese Probleme könnten zumindest teilweise überwunden werden, wenn die Verbraucher bei ihren Entscheidungen unabhängige Beratungsdienste in Anspruch nehmen könnten, wie dies bereits in Zypern und dem Vereinigten Königreich versuchsweise der Fall ist; diese Möglichkeit wird mit der MiFID (Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente) auf die anderen Mitgliedstaaten ausgeweitet werden. Sie wird nicht verbindlich vorgeschrieben, sondern eine Alternative zu den von den Finanzintermediären angebotenen Beratungsdiensten sein. Derzeit suchen die Verbraucher vielfach Rat beim Anbieter der Finanzdienstleistung, und zwar wahrscheinlich auf Grund des Vertrauensverhältnisses, das die Erbringung einer Finanzdienstleistung voraussetzt, oder weil für die Beratung durch den Anbieter keine ausdrücklich angegebenen Kosten entstehen. Man muss sich jedoch darüber im Klaren sein, dass eine Beratung, die nicht unabhängig ist, u.U. durch einen latenten Interessenkonflikt beeinflusst wird und ihren Nutzen zum Wohl des Verbrauchers daher nicht voll entfalten kann.

9.4

Der EWSA ist der Auffassung, dass nur Verbraucher mit einer ausreichenden Finanzkompetenz richtig begreifen können, wie komplex die Erfüllung der finanziellen Bedürfnisse sein kann, und deshalb auch den besonderen Nutzen einer kompetenten und unabhängigen Finanzberatung ermessen können. Es ist daher unverzichtbar, nicht nur diese Finanzkompetenz zu fördern, sondern auch die Sparer zu verantwortungsvollen Entscheidungen anzuhalten. Experten sprechen bereits von einem „Finanzanalphabetismus“: Viele Menschen verlieren den Überblick und können keine eigenverantwortlichen Entscheidungen über ihre finanzielle Absicherung treffen, was ökonomische Verluste zur Folge haben kann. Die Schule könnte die nachkommenden Generationen dabei unterstützen, grundlegende finanzielle Kompetenzen zu erwerben, damit sie bei künftigen Investitionsentscheidungen bewusst Entscheidungen treffen können, ohne dass damit die Haftung der Finanzmarktakteure beschränkt werden soll.

9.5

Große Aufmerksamkeit muss der Werbung geschenkt werden, insbesondere der Internet-Werbung. Zu häufig sind starke Abweichungen zwischen den tatsächlichen Mearkmalen von Finanzprodukten und den Renditeversprechen festgestellt worden, die nur dem Zweck dienen, die Verbraucher zur Investition in bestimmte Finanzprodukte zu verleiten. Es muss jedoch festgehalten werden, dass derartige Randerscheinungen nur selten die traditionellen Finanzintermediäre wie Banken und Versicherungen betreffen, die auf gute Beziehungen zu ihren Kunden bedacht sind und außerdem strengen Bestimmungen und Kontrollen unterliegen. Neue Wettbewerber agieren nicht immer in einem festen Rechtsrahmen und unterliegen nicht immer strengen Aufsichtsbestimmungen. All dies schwächt die Position der Verbraucher.

Brüssel, den 16. Januar 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  ABl. C 309 vom 16.12.2006, S. 26.

(2)  ABl. C 309 vom 16.12.2006, S. 26.

(3)  Girokonto und Scheckbuch; Sparkonto; Darlehenskonto und/oder Überzugskredit; Daueraufträge, Einziehungsermächtigungen; (internationale) Überweisungen; Debitkarte; Kreditkarte; weltweiter ATM-Zugang.

(4)  Sach- und Gebäudeversicherungen; Hausrat- und Diebstahlversicherung; Kfz-Versicherung; Lebensversicherung; Krankenversicherung.

(5)  Staatlich autorisierte und steuerbegüngstigte Anlageformen; Hypothekarkredite: feste und variable Zinssätze, feste und variable Bedingungen usw.; Equity Release (Verbraucherkredite, die mittels Hypotheken o.ä. abgesichert werden); primäre oder zusätzliche persönliche Altersvorsorge; gemeinsame Anlagen: OGAV, Unit trusts (Investment- und Immobilienfonds, die notariell eingetragen sein müssen und genehmigungspflichtig sind); Wertpapiere; Derivate wie z.B. Exchange Traded Funds (Kapitalfonds (siehe Begriff), die dieselbe Zusammensetzung wie ein bestimmter Börsenindex haben), Differenzgeschäfte — Derivate, die es dem Anleger ermöglichen, mit der Wertänderung börsennotierter Produkte zu spekulieren, ohne deren Eigentümer sein zu müssen) usw.

(6)  ABl. C 309 vom 16.12.2006, S. 26.

(7)  ABl. C 309 vom 16.12.2006, S. 26.

(8)  Idem.


17.6.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 151/11


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Aufhebung der Richtlinie 84/539/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die in der Veterinärmedizin eingesetzten elektrischen Geräte“

KOM(2007) 465 endg. — 2007/0168 (COD)

(2008/C 151/02)

Der Rat beschloss am 26. September 2007, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Aufhebung der Richtlinie 84/539/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die in der Veterinärmedizin eingesetzten elektrischen Geräte“

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 3. Dezember 2007 an. Berichterstatter war Herr SALVATORE.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 441. Plenartagung am 16./17. Januar 2008 (Sitzung vom 16. Januar) mit 152 Ja-Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der EWSA befürwortet den Vorschlag zur Aufhebung der Richtlinie 84/539/EWG des Rates über die in der Veterinärmedizin eingesetzten elektrischen Geräte. Diese Richtlinie wurde seit geraumer Zeit durch andere geltende Rechtsvorschriften ersetzt und ist weder für den Binnenmarkt noch für den Handel mit Drittstaaten noch notwendig.

1.2

Der EWSA hat zur Kenntnis genommen, dass die Entscheidung zur Aufhebung der Richtlinie 84/539/EWG nach umfassenden Konsultationen und im Einvernehmen mit den Mitgliedstaaten und der Industrie getroffen wurde.

1.3

Der EWSA ersucht die Kommission nachdrücklich, die Aufhebung der in den Mitgliedstaaten geltenden entsprechenden Rechtsvorschriften zu kontrollieren um zu verhindern, dass diese neue technische Hemmnisse darstellen und so den angestrebten Nutzen untergraben könnten.

2.   Hintergrund

2.1

Die Kommission hat in ihrer Mitteilung vom 16. März 2005 (KOM(2005) 97 endg.) auf die Notwendigkeit verwiesen, die einzelstaatlichen und europäischen Rechtsvorschriften zu vereinfachen, wenn dadurch die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gesteigert und unnötige Kosten beseitigt werden können.

2.2

Diese Sichtweise wurde 2006 in dem Arbeitsdokument „Erster Fortschrittsbericht über die Strategie für die Vereinfachung des ordnungspolitischen Umfelds“ (KOM(2006) 690 endg.) bekräftigt, das 43 Initiativen benennt, mit denen die Rechtsetzung in den Jahren 2006-2009 potenziell vereinfacht werden könnte. Zu diesen Initiativen gehört auch die Richtlinie 84/539/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die in der Veterinärmedizin eingesetzten elektrischen Geräte.

2.3

Der Ausschuss für Binnenmarkt und Wettbewerb des Europäischen Parlaments (IMCO) hat sich bereits mit dieser Frage befasst und beschlossen, die Kommissionsentscheidung vorbehaltlos zu befürworten.

3.   Der Kommissionsvorschlag

3.1

Die Konsultation der interessierten Kreise (Industrie und Mitgliedstaaten) hat ergeben, dass die zu prüfende Richtlinie 84/539/EWG praktisch nicht mehr angewandt wird, da ihre Ziele und die in Bezug auf Sicherheit und Gesundheitsschutz erforderlichen Garantien von anderen geltenden Gemeinschaftsvorschriften abgedeckt werden, angefangen bei der Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte (für die Humanmedizin) bis hin zu jenen über Maschinen und über elektromagnetische Verträglichkeit.

3.2

Die Kommission hat zur Kenntnis genommen, dass diese Richtlinie nicht mehr notwendig ist, um den freien Handel im Binnenmarkt oder mit Drittländern zu gewährleisten. Unter Anwendung des Grundsatzes der „Parallelität der Formen“ schlägt sie nun vor, die Richtlinie 84/539/EWG mit Wirkung vom 31. Dezember 2008 aufzuheben. Ab diesem Zeitpunkt kann auch das in Anhang III der Richtlinie dargestellte Übereinstimmungszeichen nicht mehr verwendet werden.

3.3

Die Kommission ersucht ferner die Mitgliedstaaten, bis zum 31. Dezember 2008 die erforderlichen Vorschriften zu erlassen, um dieser Richtlinie nachzukommen.

4.   Bemerkungen

4.1

Der EWSA begrüßt den Vorschlag zur Aufhebung der Richtlinie 84/539/EWG und teilt die Gründe dieser Entscheidung.

4.2

Der EWSA weist darauf hin, dass der Titel des Richtlinienvorschlags in der bulgarischen, dänischen, italienischen, rumänischen und schwedischen Fassung das Wort „Humanmedizin“ enthält, das zu streichen ist.

4.3

Der EWSA ersucht die Kommission um Durchführung der erforderlichen Kontrollen, damit die sich aus dieser Entscheidung ergebenden Vorteile für die in der Veterinärmedizin eingesetzten elektrischen Geräte nicht von neuen Bestimmungen untergraben werden, die auf nationaler Ebene nicht gerechtfertigte Handelshemmnisse darstellen würden.

Brüssel, den 16. Januar 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


17.6.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 151/12


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Gasverbrauchseinrichtungen“ (kodifizierte Fassung)

KOM(2007) 633 endg. — 2007/0225 (COD)

(2008/C 151/03)

Der Rat der Europäischen Union beschloss am 22. November 2007, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Gasverbrauchseinrichtungen“ (kodifizierte Fassung)

Da der Ausschuss dem Inhalt des Vorschlags vollkommen zustimmt und keine Bemerkungen dazu vorzubringen hat, beschloss er auf seiner 411. Plenartagung am 16./17. Januar 2008 (Sitzung vom 16. Januar) mit 125 Ja-Stimmen bei 1 Stimmenthaltung, eine befürwortende Stellungnahme zu diesem Vorschlag abzugeben.

 

Brüssel, den 16. Januar 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


17.6.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 151/12


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Anbau der Beleuchtungs- und Lichtsignaleinrichtungen an zweirädrigen oder dreirädrigen Kraftfahrzeugen“ (kodifizierte Fassung)

KOM(2007) 768 endg. — 2007/0270 (COD)

(2008/C 151/04)

Der Rat beschloss am 19. Dezember 2007, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Anbau der Beleuchtungs- und Lichtsignaleinrichtungen an zweirädrigen oder dreirädrigen Kraftfahrzeugen“ (kodifizierte Fassung)

Da der Ausschuss dem Inhalt des Vorschlags vollkommen zustimmt und keine Bemerkungen dazu vorzubringen hat, beschloss er auf seiner 441. Plenartagung am 16./17. Januar 2008 (Sitzung vom 16. Januar) mit 127 Ja-Stimmen bei 1 Stimmenthaltung, eine befürwortende Stellungnahme zu diesem Vorschlag abzugeben.

 

Brüssel, den 16. Januar 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


17.6.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 151/13


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss sowie den Ausschuss der Regionen über eine neue Tiergesundheitsstrategie für die Europäische Union (2007-2013) — „Vorbeugung ist die beste Medizin“

KOM(2007) 539 endg.

(2008/C 151/05)

Die Europäische Kommission beschloss am 19. September 2007, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss sowie den Ausschuss der Regionen über eine neue Tiergesundheitsstrategie für die Europäische Union (2007-2013) — „Vorbeugung ist die beste Medizin“

Das Ausschusspräsidium beauftragte die Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz am 25. September 2007 mit der Vorbereitung der einschlägigen Arbeiten.

Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten beschloss der Ausschuss auf seiner 441. Plenartagung am 16./17. Januar 2008 (Sitzung vom 16. Januar), Herrn NIELSEN zum Hauptberichterstatter zu bestellen, und verabschiedete mit 108 Ja-Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen

1.1

Gefährliche Tierseuchen stellen ein steigendes Risiko für Mensch und Tier dar. Die EU sollte ihre Bemühungen um Vorbeugung, Überwachung und Bekämpfung verstärken. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) unterstützt die von der Kommission vorgeschlagene Strategie und würdigt die gründliche Vorarbeit der Kommission. In Bezug auf die Entwicklungsländer sollten indes noch mehr Anstrengungen unternommen werden, und als eine der ersten Prioritäten sollten Indikatoren entwickelt werden, da diesen eine fundamentale Bedeutung zukommt.

1.2

Es ist davon auszugehen, dass die Vorschriften der EU für andere Handelspartner Beispielcharakter erlangen, und die EG sollte langfristig eine Mitgliedschaft in der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE — Office International des Épizooties) anstreben. Es ist an der Kommission, zu einem klaren Verständnis der neuen EU-Rechtsvorschriften in relevanten Drittstaaten beizutragen und im Rahmen der vorgeschlagenen Exportstrategie die Sachkenntnis und die Ressourcen der Mitgliedstaaten bei der Krisenlösung zu nutzen.

1.3

Die tierärztliche Grenzkontrolle sollte von einer Gesamtbewertung des konkreten Risikos ausgehen und auch Stichproben vor allem in den Grenzgebieten umfassen, um von illegalem Handel abzuschrecken.

1.4

Trotz der Rücksichtnahme auf die Belange eines funktionsfähigen Binnenmarkts sollte die Möglichkeit der Zonenabgrenzung und Kompartimentierung im Wege von harmonisierten Kriterien und Test- und/oder Quarantäneanforderungen im Einklang mit dem OIE-Kodex gegeben sein.

1.5

In der Seuchenbekämpfung und im Tierschutz ist das Management ein wesentlicher Faktor, der durch Anforderungen an die Ausbildung und Beratung gefördert werden muss.

1.6

Um das Risiko der Infektionsausbreitung zu minimieren, sollte über Einschränkungen bei Transporten lebender Tiere nachgedacht werden.

1.7

Der Veterinärfonds und die finanzielle Verantwortung der EU sollten beibehalten werden; damit es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen kommt, muss ein fester, harmonisierter Rahmen für die nationale Kofinanzierung der Mitgliedstaaten eingeführt werden. Die relevanten Akteure sollten über den Beratungsausschuss für Tiergesundheit in die Gestaltung des Finanzierungssystems und dessen Anwendung einbezogen werden.

1.8

Unter anderem mit Blick auf die Akzeptanz in der Bevölkerung sollten zur Bekämpfung von Tierseuchen Impfungen eingesetzt werden, wenn dadurch die Keulung gesunder Tiere überflüssig gemacht oder begrenzt werden kann. Wie die Kommission feststellt, sollte der Beschluss, ob geimpft wird, allerdings unter Berücksichtigung einer Reihe näher definierter Kriterien und der konkreten Situation gefällt werden.

1.9

Der Wissenstransfer ist entscheidend für die Umsetzung der Forschungserkenntnisse bei der Erzeugung, Beratung und Kontrolle. Der von der Kommission in die Diskussion gebrachte „Forschungsaktionsplan“ sollte gleichermaßen auf Prävention ausgerichtet sein.

2.   Zusammenfassung der Kommissionsmitteilung

2.1

Die Gemeinschaftspolitik ist in mehr als 300 Richtlinien niedergelegt, die überwiegend im Zeitraum von 1988 bis 1995 im Zuge konkreter Tierseuchensituationen entstanden sind. Schwere Tierseuchen treten nunmehr zwar seltener auf, doch sind inzwischen neue Herausforderungen zu bewältigen: Krankheiten wie etwa die Maul- und Klauenseuche, die Blauzungenkrankheit oder die Vogelgrippe sind neue, ernst zu nehmende Bedrohungen. Darüber hinaus haben die Verbringungen von Lebendtieren erheblich zugenommen, wodurch das Risiko der Seuchenausbreitung gestiegen ist.

2.2

Wissenschaft, Technologie und der institutionelle Rahmen haben eine neue, rationellere und ehrgeizigere EU-Tiergesundheitsstrategie möglich gemacht, deren Umsetzung für den Zeitraum 2007-2013 vorgeschlagen wird und die unter dem Motto „Vorbeugung ist die beste Medizin“ stehen soll. Ziel ist die Gewährleistung eines hohen Niveaus der öffentlichen Gesundheit und der Lebensmittelsicherheit, eine Minimierung der Krankheitsinzidenz, die Sicherstellung des freien Verkehrs von Waren sowie die Prävention bei den Tierbeständen. Die Strategie umfasst die Festlegung von Prioritäten für EU-Maßnahmen, einen gemeinsamen Rechtsrahmen für die Tiergesundheit, Prävention, Überwachung und Krisenvorsorge sowie die Einbeziehung von Wissenschaft, Innovation und Forschung. Konkrete Maßnahmen werden partnerschaftlich im Rahmen eines Beratungsausschusses für Tiergesundheit ausgearbeitet, der mit Vertretern der Erzeuger, der Verbraucher und der Regierungen besetzt werden soll und Ratschläge bezüglich geeigneter und ausreichender Tierschutznormen, der optimalen Ausgestaltung der Maßnahmen u.Ä. erteilen soll.

2.3

Die Prioritäten umfassen die Kategorisierung der biologischen und chemischen Risiken und die dazugehörende Risikobewertungs- und -managementstrategie. Es wird ein „annehmbares Risikoniveau“ und eine klare Aufteilung der Verantwortung für die jeweiligen Maßnahmen festgelegt. Weiterhin wird die Kategorisierung Grundlage für die Festlegung des Ressourcenbedarfs und die Aufteilung der Verantwortung und der Kosten sein.

2.4

Der Rechtsrahmen für die Tiergesundheit sollte als Regelwerk mit hohen Standards und gemeinsamen Grundsätzen ausgestaltet werden. Die EU-Rechtsvorschriften beruhen bereits weitgehend auf den Empfehlungen und Standards der OIE bzw. des Kodex und halten die im Rahmen des WTO-Übereinkommens über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen (SPS-Übereinkommen) bestehenden Verpflichtungen ein — dennoch sollte sich die EU nach Meinung der Kommission noch stärker an diesen Standards orientieren. Liegt jedoch eine ausreichende wissenschaftliche Begründung vor, kann die EU in bestimmten Fällen Hygiene- oder Pflanzenschutzmaßnahmen einführen oder beibehalten, die zu einem höheren Schutzniveau führen; die Kommission wird darauf hinarbeiten, dass die EU-Normen im Rahmen der OIE bzw. des Kodex Anwendung finden. In Sachen Einfuhren ist in der Strategie eine bessere Kommunikation über die Anforderungen gegenüber den Handelspartnern der EU vorgesehen. Darüber hinaus soll die EU ihre Verhandlungsstärke bei Fragen im Zusammenhang mit Ausfuhren ausbauen.

2.5

Zur Prävention, Überwachung und Krisenvorsorge bei Gefahren im Zusammenhang mit Tieren gehören: Sicherheitsmaßnahmen in landwirtschaftlichen Betrieben, elektronische Kennzeichnung sowie eine Kombination aus Elementen des Rückverfolgbarkeitssystems für Lebendtiere. Die Biosicherheit an den Grenzen soll verbessert werden und die Gemeinschaft soll bestimmten Entwicklungsländern bei der Bekämpfung exotischer Tierkrankheiten fachliche Unterstützung zukommen lassen. Krisensituationen sollen unverzüglich und effizient unter Kontrolle gebracht werden, was unter anderem die Festlegung von Prioritäten bei der Überwachung, die Festlegung von Indikatoren, Datenerhebung, Netzwerke der betroffenen Akteure, Risikoanalysen und die Information der Öffentlichkeit einschließlich der Ausbildung der betroffenen Kreise erfordert.

2.6

Wissenschaft, Innovation und Forschung sollen durch Netze, an denen EU-Agenturen und nationale Stellen beteiligt sind, gestärkt werden. Die Kommission beabsichtigt die Ausarbeitung eines Aktionsplans, durch den Mangel bei den bestehenden Instrumenten zur Überwachung, Diagnose, Impfung und Behandlung ermittelt werden sollen und eine ausreichende Finanzierung durch Partnerschaften des öffentlichen und des privaten Sektors sichergestellt werden soll. Vorgesehen ist außerdem die Unterstützung der Forschung in Drittländern durch internationale Kooperation, vor allem im Bereich der wichtigen exotischen Krankheiten oder Zoonosen, die schwerwiegende Folgen für diese Länder haben.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Schwere Tierseuchen stellen weltweit ein steigendes Risiko für Mensch und Tier dar; die Gründe dafür sind die stetige Bevölkerungszunahme, die kontinuierlich steigende Tierproduktion, der wachsende Handel und die generell zunehmende internationale Verflechtung sowie der Klimawandel, durch den sich die geographische Krankheitsverbreitung verlagert. So verbreiten sich Zoonosen und Krankheiten oder tauchen erneut auf, und das Risiko einer Pandemie ist nach wie vor gegeben, etwa in Verbindung mit der Vogelgrippe. Die EU sollte deshalb der Prävention und der Bekämpfung sowohl innergemeinschaftlich als auch international — und hier nicht zuletzt auch in den Entwicklungsländern — größere Bedeutung zumessen.

3.2

Als Vertreter der organisierten Zivilgesellschaft hält es der EWSA für unabdingbar, dass auf diesem Gebiet die am besten geeignete Strategie angewendet wird, um gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen vorzubeugen. Er erklärt sich bereit, hieran aktiv und in dem ihm möglichen Umfang teilzunehmen. Der Ausschuss würdigt die gründliche Vorarbeit der Kommission und kann sich der vorgeschlagenen Strategie, die bei den betroffenen Kreisen breite Akzeptanz findet, weitestgehend anschließen. Die partnerschaftliche Vorgehensweise ist ganz entscheidend für gute und dauerhafte Resultate im Bereich Tiergesundheit, in dem die Verantwortung zwangsläufig von mehreren Akteuren geschultert werden muss. Dieses Modell kann nach dem Dafürhalten des EWSA auch in anderen Bereichen, in denen die Einbeziehung von Teilen der Zivilgesellschaft zweckmäßig erscheint, erwogen werden.

3.3

Die Kernelemente der Strategie, darunter die Zielsetzungen, die Visionen und die Risikobewertungen als zentrale Instrumente, die schwerpunktmäßige Förderung der allgemeinen und risikobezogenen Kommunikation sowie die stärkere Konzentration auf Grenzkontrollen sind entscheidend dafür, dass Ausbruch und Verbreitung von Tierseuchen unterbunden werden. Die Kommunikation mit den spezifischen Zielgruppen ist äußerst wichtig, und zwar nicht zuletzt in Krisensituationen, da Fehleinschätzungen auf die Erzeuger, die Aufsichtsbehörden und das politische System zurückfallen, weil Produkte boykottiert und unbegründete oder zu weitreichende Maßnahmen ergriffen werden. So sollte beispielsweise vermieden werden, dass der Markt eine unbegründete Verunsicherung im Hinblick auf Fleisch von geimpften Tieren erfährt.

3.4

Die Einhaltung der einschlägigen EU-Bestimmungen erfordert allerdings, dass die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten ihre selbst gefassten Beschlüsse und gesetzten Fristen für die Vorlage, Annahme und Umsetzung der konkreten Vorschriften einhalten, was bisher längst nicht immer der Fall war.

4.   Besondere Bemerkungen

Prioritäten für EU-Maßnahmen

4.1

Die Festlegung von Prioritäten für EU-Maßnahmen ist von entscheidender Bedeutung für die risikobasierte Strategie, bei der die von den jeweiligen Krankheiten ausgehende Bedrohung für die menschliche Gesundheit und die wirtschaftlichen Folgen im Vordergrund stehen. Für die Partnerschaft wird eine wesentliche Herausforderung darin bestehen, ein „annehmbares Risikoniveau“ zu definieren, werden dabei doch hohe Anforderungen an Fachwissen und Wissenschaft gestellt. Die Zugrundelegung des Vorsorgeprinzips bei neuen, nicht umfassend dokumentierten Gefahren ist für ein unverzügliches Eingreifen wichtig und notwendig; ebenso wichtig ist allerdings auch, ein Verfahren für eine Ausstiegsstrategie festzulegen, wenn die Gefahr vorüber ist oder neue wissenschaftliche Erkenntnisse dies nahe legen.

4.2

Die Indikatoren zur Messung, Bewertung und Prioritätensetzung müssen klar, verständlich, anwendbar und messbar sein und sollten in Anbetracht ihrer fundamentalen Bedeutung für diesen Prozess möglichst bald vorliegen. Sie sollten daher als eine der ersten Prioritäten unter Einbeziehung der eingegangenen Partnerschaften entwickelt werden. Einfache und verlässliche Ergebnisindikatoren werden es außerdem leichter machen, den Fortschritt zu messen, der in Bezug auf die Ziele der Strategie erreicht wird.

Einheitlicher Regelungsrahmen

4.3

Der EWSA stellt sich vorbehaltlos hinter den vorgeschlagenen einheitlichen Regelungsrahmen in Form eines besser überschaubaren und transparenteren Regelwerks, in dem gemeinsame Prinzipien und Anforderungen niedergelegt werden. Im Zuge der steigenden Bedeutung der EU ist es ferner zweckmäßig, eine Übereinstimmung mit geltenden internationalen Standards anzustreben und künftige Vorschriften der OIE so weit wie möglich mitzugestalten, und zwar auch in Verbindung mit der Anwendung des Vorsorgeprinzips. Die Kommission hat darauf hingewiesen, dass die EG längerfristig eine Mitgliedschaft in der OIE anstreben sollte, da dies dazu beitragen würde, die Kohärenz mit den Standards, Leitlinien und anderen von der OIE angenommenen Bestimmungen zu verbessern. Es ist davon auszugehen, dass die Vorschriften der EU für andere Handelspartner Beispielcharakter erlangen, was zu einem höheren Niveau im Gesundheitsschutz beitragen wird; außerdem können so unangemessene Wettbewerbsbeschränkungen vermieden werden. Zugleich sollte die EU bestimmte Entwicklungsländer in dieser Hinsicht unterstützen und relevanten Drittstaaten ein klares Bild von den neuen EU-Rechtsvorschriften vermitteln.

4.4

Die Erweiterung der EU und der Binnenmarkt haben das erhöhte Risiko einer Ausbreitung von Tierseuchen über größere Gebiete mit sich gebracht. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) hat bereits vor etlichen Jahren vor den erhöhten Gefahren gewarnt, die mit weiten Tiertransporten, neuen Transportwegen nach Drittstaaten, verstärkten Kontakten mit instabilen Ländern und der fortschreitenden Konzentration der Nutztierbestände in bestimmten Gebieten der EU verbunden sind. Der Mitteilung zufolge wünscht die Kommission, bei der Tierverbringung insofern ein Gleichgewicht herzustellen, als die freie Verbringung von Tieren gegen das Risiko der Einschleppung und Verbreitung von Seuchen und den Tierschutz während des Transports abgewogen werden soll. In Anbetracht des Risikos der Infektionsausbreitung und des Tierschutzaspektes hält es der EWSA für angezeigt, Transporte lebender Tiere einzuschränken.

4.5

Die Finanzierung ist ein grundlegender Aspekt der EU-Rechtsvorschriften und wichtig ist, dass die gemeinsame Verantwortung für die Finanzierung der Veterinärpolitik erhalten bleibt. Dies bedeutet, dass der Veterinärfonds und die finanzielle Verantwortung der EU beibehalten werden sollten. Es muss einen Anreiz geben, Verdachtsfälle umgehend zu melden oder Seuchenausbrüche umgehend festzustellen; es darf keine Verzögerung dadurch entstehen, dass Unsicherheit hinsichtlich der Erstattung der direkten und der indirekten Kosten besteht. Das anvisierte effiziente und auf Verantwortung gestützte Kostenmodell wirft zahlreiche Fragen auf; es kann erst bewertet werden, wenn konkrete Vorschläge, u.a. für ein harmonisiertes Finanzierungsmodell, vorliegen.

4.6

Damit es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen kommt, muss die nationale Kofinanzierung fortgeführt werden, und es bedarf eines festen, harmonisierten Rahmens für die Mitfinanzierung durch die Erzeuger. Bei einer Kostenteilung nach einheitlichen Grundsätzen in den Mitgliedstaaten müssen sowohl die Kosten als auch die Aufteilung der Verantwortung sowie ihr Verhältnis zueinander festgelegt werden. Hinzu kommt die Frage nach der Einbeziehung der relevanten Akteure im Wege von Konsultationen oder gemeinsamen Beschlüssen und nach dem Einsatz der Ressourcen zur Prävention und Bekämpfung. Die Erzeuger werden zwangsläufig — wie bisher — verschiedene Kosten für die Seuchenprävention und -bekämpfung tragen müssen und sollten deshalb u.a. in Fragen der Finanzplanung vom Beratungsausschuss für Tiergesundheit einbezogen werden.

4.7

Die vorgeschlagene Einführung „nichtrechtlicher Instrumente“ beinhaltet u.a. die Forderung nach Maßnahmen zur Seuchenprävention und Formen der kollektiven Teilung der Verantwortung sowie Versicherungsmechanismen, die schon an sich eine Motivation zur besseren Risikosteuerung und zur Begrenzung der wirtschaftlichen Folgen sein sollten. Der EWSA erkennt, dass diesbezüglich Überlegungen notwendig sind, sieht jedoch davon ab, den Vorschlag zu kommentieren, da ihm zu wenige Informationen vorliegen.

4.8

Die Möglichkeit der Regionalisierung ist bei der Seuchenbekämpfung von großer Bedeutung, auch wenn ein funktionierender Binnenmarkt ebenfalls klar zu den Vorgaben im Bereich der Tiergesundheit gehört. So sollte die Möglichkeit bestehen, dass ein oder mehrere Mitgliedstaaten eine Seuche ausrotten und dementsprechend einen Sonderstatus erhalten; hierbei sollten harmonisierte Kriterien und Test- und/oder Quarantäneanforderungen im Einklang mit dem OIE-Kodex für die Zonenabgrenzung und Kompartimentierung zugrunde gelegt werden. Voraussetzung sollte dabei sein, dass die Beschränkungen wissenschaftlich untermauert sind und in einem angemessenen Verhältnis zum jeweiligen Krankheitsrisiko stehen.

4.9

Akute Krisen in Verbindung mit der Ausfuhr wurden bislang zwischen dem jeweiligen Mitgliedstaat und dem Drittland gelöst. Hier müssen schnelle und wirkungsvolle Lösungen gefunden werden, weshalb die Möglichkeit einer individuellen Verhandlungslösung nach wie vor gegeben sein sollte. Im Rahmen des Kommissionsvorschlags können lokal angesiedelte „EU-Marktzugangsteams“ aus der Kommission, nationalen Botschaften und Verbänden einen Beitrag zur Stärkung der Rolle der EU in Verbindung mit der Verhandlung über Ausfuhrbedingungen leisten. Auch wenn die Kommission u.a. im Rahmen der vorgeschlagenen Exportstrategie ein besseres Verständnis für die Politik der EU herbeiführen kann, damit in der Praxis weniger Zweifelsfälle entstehen, müsste aus dem ausführlichen Aktionsplan hervorgehen, dass die Kommission auf das Fachwissen und die Ressourcen in den Mitgliedstaaten zurückgreifen wird.

Prävention, Überwachung und Krisenvorsorge

4.10

Alle Erfahrungen zeigen, dass das Management einer der wichtigsten Faktoren der Seuchenbekämpfung und des Tierschutzes ist und bei künftigen Initiativen Anforderungen an die Ausbildung und Beratung gestellt werden müssen. Die grundlegenden Regeln der Biosicherheit in den einzelnen landwirtschaftlichen Betrieben, darunter die Anforderungen an neue Produktionsanlagen, müssten in Rechtsform vorgegeben werden, wobei aus den Vorschriften auch klar hervorgehen muss, welche Konsequenzen hinsichtlich der Erstattungszahlungen im Falle eines Seuchenausbruchs zu erwarten sind. Zusatzkriterien und spezifischere Regeln sollten allerdings auf der Basis von Leitlinien für die verschiedenen Produktionsformen und einer von Behörden und Erzeugern gestalteten Informationskampagne angewandt werden. Auch Hobbytierhalter müssen zielgerichteter angesprochen werden, um das Verständnis für die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen zu fördern. Sie sollten ferner registriert und ebenfalls den Anforderungen bezüglich der Verbringung von Tieren und des Zugangs zu den Beständen unterworfen werden.

4.11

Im Zusammenhang mit der Schaffung einer wirkungsvollen tierärztlichen Grenzkontrolle durch die Mitgliedstaaten sollte eine Gesamtbewertung des konkreten Risikos einer Seucheneinschleppung mitsamt ihren Folgen vorgenommen werden. Weiterhin sollte im Rahmen dieser Kontrolle auch umfassend von Stichproben in den Grenzgebieten Gebrauch gemacht werden, um von illegalem Handel abzuschrecken. Es wäre zudem zweckmäßig, für eine bessere Abstimmung zwischen Veterinär- und Zollbehörden zu sorgen und das Grenzkontrollsystem in der Weise flexibler zu gestalten, dass es sich stärker an der Gefahrenlage orientiert, sodass es sich rascher auf neue Risiken ausrichten kann.

4.12

Unter anderem mit Blick auf die Akzeptanz in der Bevölkerung sollen Impfungen im Rahmen der Bekämpfung von Tierseuchen eingesetzt werden, wenn dadurch die Keulung gesunder Tiere überflüssig gemacht oder begrenzt werden kann. Wie die Kommission feststellt, sollte der Beschluss, ob geimpft wird, allerdings unter Berücksichtigung der konkreten Situation gefällt werden und auf anerkannten Prinzipien und Faktoren aufbauen, u.a. Zugänglichkeit und Effektivität des Impfstoffes, validierte Tests, internationale Leitlinien und mögliche Handelshemmnisse, Kosteneffizienz sowie mögliche Risiken in Verbindung mit dem Einsatz des Impfstoffes. Ferner besteht ein einschlägiger Bedarf nach weiterführender Forschung und Entwicklung.

Wissenschaft u.Ä.

4.13

Wissenschaft, Innovation und Forschung sind ausschlaggebend für das Erreichen der Zielsetzung der Strategie. Dabei wird vorausgesetzt, dass Forschungserkenntnisse bei der Erzeugung, Beratung und der Kontrolle eingesetzt werden können, weshalb die Strategie stärker auf die Möglichkeiten zum Wissenstransfer ausgerichtet werden sollte. Gleiches gilt für den von der Kommission in die Diskussion gebrachten Forschungsaktionsplan.

Brüssel, den 16. Januar 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


17.6.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 151/16


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung gemeinsamer Regeln für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers“

KOM(2007) 263 endg. — 2007/0098 (COD)

(2008/C 151/06)

Der Rat beschloss am 16. Juli 2007, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 71 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung gemeinsamer Regeln für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers“

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 18. Dezember 2007 an. Berichterstatter war Herr BARBADILLO LÓPEZ.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 441. Plenartagung am 16./17. Januar 2008 (Sitzung vom 16. Januar) einstimmig folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Ausschuss nimmt mit Zufriedenheit zur Kenntnis, dass die Kommission den Zugang zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers im Wege einer Verordnung regeln möchte, um eine uneinheitliche Umsetzung durch die Mitgliedstaaten zu vermeiden. Die Verabschiedung dieser Verordnung bedingt die Aufhebung der Richtlinie 96/26/EG.

1.2

Der Ausschuss befürwortet diesen Vorschlag, weil er die Bestimmungen für den Zugang zum Kraftverkehrsgewerbe und zum Kraftverkehrsmarkt vereinheitlicht, und zwar sowohl für den Personen- wie für den Gütertransport, und durch die Schaffung klarerer, einfacherer und besser kontrollierbarerer Regeln, die lauterere Wettbewerbsbedingungen schaffen, zur Verwirklichung der Lissabon-Ziele beiträgt.

1.3

Die neue Verordnung, mit der die Vorschriften für den Zugang zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers modernisiert und elektronische Register eingeführt werden sollen, fügt sich in die Philosophie des „Aktionsprogramms zur Verringerung der Verwaltungslasten in der Europäischen Union“ ein.

1.4

Es wird der Begriff des „Verkehrsleiters“ eingeführt, der die Person bezeichnet, die die Verkehrstätigkeit der Kraftverkehrsunternehmen dauerhaft und tatsächlich leitet; außerdem sieht der Kommissionsvorschlag für diese Person ein höheres Ausbildungsniveau und einen strengeren Rahmen für die Verbindungen mit dem Unternehmen vor. Nach Meinung des Ausschusses sollte der von Unternehmen, deren Inhaber eine natürliche Person ist, die aber nicht über die entsprechenden Befähigungsnachweise verfügt, geübten Praxis des „Handels“ mit Befähigungsbescheinigungen ein Riegel vorgeschoben werden.

1.5

In der Verordnung sollte unbedingt die Liste der Kategorien, Arten und Schwere sowie die Zahl der Verstöße festgelegt werden, bei deren Überschreiten wiederholte geringfügige Verstöße für die Verkehrsleiter den Verlust der geforderten Zuverlässigkeit bedeuten, wenn sie im Rahmen der von ihm geleiteten Transporttätigkeiten begangen werden.

1.6

Was die in Artikel 5 Buchstabe c des Verordnungsvorschlags vorgeschriebene Betriebsstätte angeht, fordert der EWSA eine Klarstellung, welche Wesensmerkmale diese im Falle der KMU aufweisen muss.

1.7

Bezüglich der Anforderung, dass das Unternehmen über eine ausreichende Zahl von Abstellplätzen für die Fahrzeuge verfügen muss, um als dauerhaft in einem Mitgliedstaat niedergelassen angesehen zu werden, gemahnt der Ausschuss zu Vorsicht, weil diese Anforderung eine sehr schwerwiegende Auflage darstellen kann, zumal für die kleinen und mittelgroßen Unternehmen, und ersucht die lokalen Behörden nachdrücklich, entweder selbst oder im Wege der Zusammenarbeit der betreffenden Unternehmen zur Vorhaltung gemeinsamer Parkflächen für ausreichende Abstellplätze zu sorgen.

1.8

Nach Meinung des EWSA sollte für selbständige Unternehmer ein Konzept geschaffen werden, das den Nachweis der finanziellen Leistungsfähigkeit ermöglicht, ohne die Option der Bankbürgschaft in Anspruch nehmen zu müssen, da dies erhöhte Kosten für Unternehmen bedeuten würde, die nicht zu einer vereinfachten Rechnungslegung in den betreffenden Mitgliedstaaten verpflichtet sind.

1.9

Der Ausschuss befürwortet, dass künftig die obligatorische Teilnahme an mindestens 140 Unterrichtsstunden vorgeschrieben ist, bevor die Prüfung zum Erwerb der Eignung zum Verkehrsunternehmer abgelegt werden kann, und dass die Mitgliedstaaten die betreffenden Bildungseinrichtungen akkreditieren, da dies ein höheres Ausbildungsniveau der Verkehrsleiter bewirken wird.

1.10

Der Ausschuss ersucht die Kommission nachdrücklich, einen einheitlichen Katalog von Sanktionen festzulegen, die von allen Mitgliedstaaten bei Verstößen gegen die Bestimmungen der Verordnung zu verhängen sind.

1.11

Der Ausschuss stellt zu seiner Zufriedenheit fest, dass dem Verordnungsvorschlag zufolge vernetzte einzelstaatliche elektronische Register von Verkehrsunternehmen eingerichtet werden sollen, um die administrative Zusammenarbeit zu verbessern und Unternehmen, die in mehreren Mitgliedstaaten tätig sind, besser überwachen zu können.

2.   Einleitung

2.1

Die vorgeschlagene Verordnung zielt darauf ab, die geltenden Vorschriften für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers, in denen Mindestnormen für die Zuverlässigkeit, finanzielle Leistungsfähigkeit und fachliche Eignung der betreffenden Unternehmen festgelegt werden, zu modernisieren, um eine einheitlichere und wirksamere Anwendung zu gewährleisten.

2.2

Der Zugang zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers ist bislang in der Richtlinie 96/26/EG des Rates vom 29. April 1996 geregelt, die die Voraussetzungen für die Zuverlässigkeit, finanzielle Leistungsfähigkeit und fachliche Eignung festlegt, die die Unternehmen mindestens erfüllen müssen, um zum Kraftverkehrsgewerbe zugelassen zu werden, d.h. Güter oder Personen im Inland oder im grenzüberschreitenden Verkehr befördern zu dürfen. Diese Voraussetzungen sind die einzigen gemeinschaftlichen Anforderungen, die den Unternehmen für die Zulassung ihrer Tätigkeit auferlegt werden, insbesondere im gemeinschaftlichen Kraftverkehrsmarkt. Die Richtlinie legt im Übrigen die gegenseitige Anerkennung bestimmter Dokumente fest, die für die Erlangung dieser Zulassungen erforderlich sind.

2.3

Die Richtlinie wird in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich angewandt. Diese uneinheitliche Anwendung beeinträchtigt das Funktionieren des Kraftverkehrsbinnenmarktes, was einem lauteren Wettbewerb abträglich ist, weswegen für die vorgeschlagene Regelungsänderung das Rechtsinstrument der Verordnung gewählt wurde.

2.4

Die vorgeschlagene Verordnung sieht im Wesentlichen folgende Neuerungen vor:

2.4.1

Personen, die ihre fachliche Eignung in den Dienst der Unternehmen stellen, werden als „Verkehrsleiter“ bezeichnet, bei denen es sich um die Personen handeln muss, die die Verkehrstätigkeit der Kraftverkehrsunternehmen dauerhaft und tatsächlich leiten; sie müssen klar bestimmt und den zuständigen Behörden benannt werden. Deswegen wird ein strengerer Rahmen für die Verbindungen des Verkehrsleiters mit dem Unternehmen geschaffen. Für die Anerkennung der beruflichen Eignung ist eine obligatorische Mindestausbildung von 140 Stunden vor der von allen Bewerbern abzulegenden Prüfung der fachlichen Eignung sowie die Akkreditierung der Ausbildungs- und Prüfungszentren Vorschrift.

2.4.2

Es soll dem Niederlassungsmitgliedstaat obliegen, die ständige Einhaltung der in dieser Verordnung vorgesehenen Voraussetzungen durch ein Unternehmen zu überwachen, weswegen eine dauerhafte und tatsächliche Niederlassung des Unternehmens in diesem Staat erforderlich ist.

2.4.3

Es werden neue vergleichbare Finanzindikatoren zur Bewertung der finanziellen Leistungsfähigkeit eines Unternehmens eingeführt, und zwar im Wege einer Formel für die Ermittlung der Fähigkeit eines Unternehmens, seinen kurzfristigen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen, was anhand des Jahresabschlusses und nicht mehr nach der derzeitigen Formel Eigenkapital plus Reserven geschehen soll; außerdem haben die Unternehmen auch die Möglichkeit, ihre finanzielle Leistungsfähigkeit mit einer Bankbürgschaft nachzuweisen.

2.4.4

Was die Einhaltung der Verpflichtungen in Bezug auf Zuverlässigkeit, finanzielle Leistungsfähigkeit und fachliche Eignung angeht, sind die Behörden, die bei ihren obligatorischen Kontrollen feststellen, dass ein Unternehmen die betreffenden Kriterien nicht mehr erfüllt, verpflichtet, das Unternehmen zu verwarnen und, falls die Verstöße nicht abgestellt werden, Verwaltungssanktionen aufzuerlegen, die vom Entzug der Zulassung bis zur Rücknahme der Bescheinigung der fachlichen Eignung des Verkehrsleiters reichen.

2.4.5

Um die Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit zu erleichtern, muss ein einheitliches Muster der Bescheinigung, die aufgrund der Bestimmungen dieser Verordnung erteilt wird, als ausreichender Nachweis vom Niederlassungsmitgliedstaat anerkannt werden.

2.4.6

Es wird eine besser organisierte Verwaltungszusammenarbeit der Mitgliedstaaten vorgesehen, die eine wirksamere Überwachung der Unternehmen, die in mehreren Mitgliedstaaten tätig sind, ermöglicht. Zu diesem Zweck sollen vernetzte elektronische Register eingerichtet werden, die den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten erleichtern. Um einen effizienten Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten zu gewährleisten, sieht die vorgeschlagene Regelung die Benennung einzelstaatlicher Kontaktstellen und die Festlegung bestimmter einheitlicher Verfahren bezüglich der Frist und der Art der zu übermittelnden Mindestinformationen vor.

2.4.7

Die Kommission wird ermächtigt, eine Liste der Verstöße nach Kategorie, Art und Schweregrad aufzustellen, die zur Aberkennung der Zuverlässigkeit der Kraftverkehrsunternehmer führen; ferner ist sie befugt, die Anhänge dieser Verordnung (Kenntnisse, die für die Feststellung der fachlichen Eignung durch die Mitgliedstaaten zu berücksichtigen sind, sowie Muster der Bescheinigung der fachlichen Eignung) an den technischen Fortschritt anzupassen; sie erhält auch die Befugnis, die Liste der maximalen Verstöße festzulegen, die zur Aussetzung oder zum Entzug der Zulassung zum Gewerbe oder zur Erklärung der Nichteignung führen. Diese Maßnahmen müssen gemäß dem in Artikel 5 a des Beschlusses 1999/468/EG vorgesehenen Regelungsverfahren mit Kontrolle erlassen werden.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Die vorgeschlagene Verordnung trägt zur Verwirklichung der Lissabon-Ziele bei, da sie für fairere Wettbewerbsbedingungen im Verkehrssektor Sorge trägt und größere Transparenz für die Kraftverkehrskunden schafft. Angesichts der vorherrschenden Rolle des Kraftverkehrssektors für das Produktions- und Vertriebssystem der Industrie und die Mobilität von Personen wird die Wettbewerbsfähigkeit der Union durch die vorgeschlagene Verordnung gestärkt werden.

3.2

Der EWSA stellt zu seiner Zufriedenheit fest, dass die Kommission ihrer in dem Programm „Bessere Rechtsetzung“ im Hinblick auf eine Aktualisierung und Vereinfachung des Gemeinschaftsrechts eingegangenen Verpflichtung nachkommt, indem sie für eine einheitlichere, einfachere, kontrollierbarere und effizientere Anwendung der Rechtsvorschriften Sorge trägt.

3.3

Die neue Verordnung, mit der elektronische Register eingeführt werden sollen, fügt sich in die Philosophie des „Aktionsprogramms zur Verringerung der Verwaltungslasten in der Europäischen Union“ ein.

3.4

Der Ausschuss nimmt mit Interesse zur Kenntnis, dass die Kommission den Zugang zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers im Wege einer Verordnung anstatt durch eine Richtlinie zu regeln beabsichtigt, was bedeutet, dass die Regelung unmittelbar in allen Mitgliedstaaten gilt und somit ein größerer Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten ausgeschlossen ist.

3.5

Mit der neuen Regelung wird eine einheitliche Begriffsbestimmung „Beruf des Kraftverkehrsunternehmers“ eingeführt, die sowohl den „Beruf des Personenkraftverkehrsunternehmers“ als auch den „Beruf des Güterkraftverkehrsunternehmers“ abdeckt.

3.6

Der Berufszugang wird an das neue Konzept des „Verkehrsleiters“ geknüpft, das diejenige Person bezeichnet, die bisher die Verkehrstätigkeit des Unternehmens leitete und ihre Bescheinigung der fachlichen Eignung dem Unternehmen zur Erlangung einer Zulassung zur Verfügung stellte; dadurch werden striktere Bedingungen für die Verbindung des Verkehrsleiters mit dem Unternehmen vorgegeben.

3.7

Was die Person des Verkehrsleiters angeht, müssten einige Unklarheiten bezüglich des Zwecks ihrer Tätigkeit und der Möglichkeit, ihre Befähigungsbescheinigung mehreren Unternehmen gleichzeitig zur Verfügung zu stellen, beseitigt werden, um der derzeitigen Praxis des „Handels“ mit Befähigungszeugnissen einen Riegel vorzuschieben. Für die Zukunft sollte eine bessere Ausbildung für die selbständigen Unternehmer für den Zugang zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers vorgesehen werden, was einer besseren Qualifikation und einer selbständigeren Betriebsführung zuträglich ist.

3.8

Nach Meinung des Ausschusses müsste die Kommission in der Verordnung selbst eine eindeutige und einheitliche Liste der Kategorien, Arten und Schwere sowie die Zahl der Verstöße festlegen, bei deren Überschreiten wiederholte geringfügige Verstöße für die Verkehrsleiter und mithin auch für die Unternehmen selbst den Verlust der geforderten Zuverlässigkeit bedeuten.

3.9

Der EWSA befürwortet, dass im Interesse einer besseren Qualifikation der Bewerber zur Bedingung gemacht wird, dass die Bewerber eine entsprechende Ausbildung absolvieren müssen, bevor sie die Prüfung der fachlichen Eignung für den Beruf des Verkehrsunternehmers ablegen können, und dass die betreffenden Ausbildungsstätten akkreditiert sein müssen.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Der EWSA begrüßt die Schaffung des Begriffs „Verkehrsleiter“ zur Bezeichnung derjenigen Personen, die bislang ihre fachliche Eignung in den Dienst der zum Kraftverkehrsgewerbe zugelassenen Unternehmen gestellt haben.

4.2

Die Kommission sollte klarstellen, ob es eine einzige „Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers“ geben wird oder ob es hier lediglich um eine Definition in der Verordnung geht und es folglich zwei getrennte Befähigungen gibt, und zwar eine für die Beförderung von Personen und eine für die Beförderung von Gütern.

4.3

Der Ausschuss erachtet es als angemessen, dass die Verordnung sowohl für alle in der Gemeinschaft niedergelassenen Unternehmen gilt, die Kraftverkehrsgewerbe betreiben, als auch für die Unternehmen, die das Kraftverkehrsgewerbe ausüben wollen.

4.4

Der Ausschuss hält es für bedenklich, dass Unternehmen, die ausschließlich bestimmte Beförderungen von Reisenden mit Kraftfahrzeugen zu nichtkommerziellen Zwecken durchführen, deren Haupttätigkeit nicht im Personenkraftverkehr besteht und deren Fahrzeuge von ihren eigenen Beschäftigten geführt werden, vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen werden, während dies bislang im Ermessen der Mitgliedstaaten lag, weil die Kenntnis der Straßenverkehrsvorschriften und eine entsprechende Organisation der Dienstleistungserbringung für eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit wichtig sind.

4.5

In der Verordnung sollte als zusätzliche neue Bedingung für die Ausübung des Kraftverkehrsgewerbes verankert werden, dass die Unternehmen tatsächlich und auf Dauer in einem Mitgliedstaat niedergelassen sind, um so „Briefkastenfirmen“ vorzubeugen.

4.6

Es erscheint nicht recht mit der angestrebten Harmonisierung vereinbar, dass die vorgeschlagene Verordnung die Mitgliedstaaten nicht daran hindert, den Unternehmen hinsichtlich der in Artikel 6 des Verordnungsvorschlags festgelegten Voraussetzungen bezüglich der Anforderung der Zuverlässigkeit zusätzliche Bedingungen für die Zulassung zum Kraftverkehrsgewerbe zur Auflage zu machen.

4.7

Die Kommission sollte erläutern, wie der Verkehrsleiter die Verkehrstätigkeit des Unternehmens tatsächlich und dauerhaft leiten soll, wenn er zugleich die Verkehrstätigkeit von bis zu vier Unternehmen mit einer Flotte von insgesamt höchstens zwölf Fahrzeugen leiten darf. Auf diese Weise wird sich die derzeitige Praxis des „Handels“ mit Befähigungsbescheinigungen schwerlich abstellen lassen.

4.8

Der EWSA hielte es für besser, wenn bereits in der Verordnung die Liste der Kategorien, Arten und Schwere sowie die Zahl der Verstöße festgelegt würden, bei deren Überschreiten wiederholte geringfügige Verstöße für die Verkehrsleiter den Verlust der geforderten Zuverlässigkeit bedeuten, und hierfür nicht etwa eine nachherige Regelung vorzusehen.

4.9

Der EWSA befürwortet, dass ein Unternehmen tatsächlich und dauerhaft in dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats niedergelassen sein muss, der ihm die Zulassung zum Kraftverkehrsgewerbe erteilt, wie dies in Artikel 5 Buchstabe a festgelegt ist, demzufolge das betreffende Unternehmen über eine Niederlassung in diesem Mitgliedstaat verfügen muss, mit Räumlichkeiten, in denen die Unternehmensunterlagen aufbewahrt werden, äußert indes Bedenken bezüglich der Anforderung, dass das Unternehmen über eine ausreichende Zahl von Abstellplätzen für die Fahrzeuge verfügen muss, da diese Anforderung zumal für die kleinen und mittelgroßen Unternehmen ein besonderes Erschwernis darstellt. Das Problem der Abstellplätze ließe sich dadurch lösen, dass die lokalen Verwaltungen für genügend Parkmöglichkeiten sorgen bzw. die betreffenden Unternehmen sich für die Vorhaltung gemeinsamer Parkflächen zusammentun.

4.10

Der EWSA sieht einen gewissen Widerspruch, wenn die Verordnung einerseits vorsieht, dass die Mitgliedstaaten festlegen, welche Voraussetzungen ein Unternehmen erfüllen muss, damit die Anforderung der Zuverlässigkeit gegeben ist, aber zum anderen dann besagt, dass die Mitgliedstaaten vorschreiben, dass ein Unternehmen diese Anforderung erfüllt, wenn bestimmte, in der Verordnung festgelegte Bedingungen eingehalten werden.

4.11

Der EWSA kann nicht nachvollziehen, warum als Anforderung an die finanzielle Leistungsfähigkeit zur Auflage gemacht wird, dass ein Unternehmen seinen tatsächlichen und potenziellen Verpflichtungen im Verlauf des Geschäftsjahrs dauerhaft nachkommen können muss; die frühere Anforderung in Bezug auf Kapital und Reserven erscheint ihm sinnvoller. Die neue Regelung sieht eine Verlagerung der Anforderung auf das Umlaufvermögen und eine Quick Ratio zum 31. Dezember von mindestens 80 % vor.

4.12

Nach Meinung des EWSA sollte für selbständige Unternehmer ein Konzept geschaffen werden, das den Nachweis der finanziellen Leistungsfähigkeit ermöglicht, ohne die Option der Bankbürgschaft in Anspruch nehmen zu müssen, da dies erhöhte Kosten für Unternehmen bedeuten würde, die nicht zu einer vereinfachten Rechnungslegung in den betreffenden Mitgliedstaaten verpflichtet sind.

4.13

Die Anforderung bezüglich der finanziellen Leistungsfähigkeit sollte durchaus dazu dienen, dass die zum Kraftverkehrsgewerbe zugelassenen Unternehmen dem Markt eine gewisse Garantie bieten, darf aber nicht auf die Sicherung der Forderungen von Lieferanten und Gläubigern hinauslaufen, weil dadurch das Konzept des Risikos einer jedweden unternehmerischen Tätigkeit untergraben würde.

4.14

Der EWSA befürwortet, dass künftig die obligatorische Teilnahme an mindestens 140 Unterrichtsstunden vorgeschrieben ist, bevor die Prüfung zum Erwerb der Eignung zum Verkehrsunternehmer abgelegt werden kann, und dass die Mitgliedstaaten die Einrichtungen akkreditieren, die geeignet sind, die entsprechende Ausbildung zu bieten, da dies ein höheres Ausbildungsniveau der Unternehmen dieses Sektors bewirken wird.

4.15

Der EWSA hält den zeitlichen Abstand zwischen zwei Kontrollen, sprich, dass die Mitgliedstaaten alle fünf Jahre prüfen (nach der derzeitigen Regelung mindestens alle fünf Jahre), ob die Unternehmen jede der Anforderungen für den Zugang zum Kraftverkehrsgewerbe weiterhin erfüllen, für zu groß bemessen. Andererseits befürwortet er, dass ergänzend zu den routinemäßigen Kontrollen gezielte Kontrollen von als risikobehaftet eingestuften Unternehmen vorgenommen werden sollen.

4.16

Der EWSA hält es für angemessen, dass, wenn festgestellt wird, dass ein Unternehmen möglicherweise eine der Anforderungen für die Ausübung des Kraftverkehrsgewerbes nicht mehr erfüllt, diesem Unternehmen eine für alle verschiedenen Fälle geltende Frist von sechs Monaten (bisher 1 Jahr) zur Behebung des vorschriftswidrigen Zustands eingeräumt wird.

4.17

Der EWSA begrüßt, dass der vorgeschlagenen Verordnung zu Folge jeder Mitgliedstaat ein einzelstaatliches elektronisches Register der Kraftverkehrsunternehmen einzurichten hat und die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen zu treffen haben, damit die einzelstaatlichen elektronischen Register bis spätestens 31. Dezember 2010 auf Ebene der Gemeinschaft vernetzt werden können, und außerdem die administrative Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten geregelt wird. Des Weiteren befürwortet der Ausschuss, dass die Verordnung den Schutz personenbezogener Daten regelt, die in dem Register erscheinen oder deren Übermittlung an Dritte beabsichtigt ist.

4.18

Der EWSA erachtet es als angemessen, dass ein Verfahren für die Anerkennung von Dokumenten vorgesehen wird, die belegen, dass die betreffenden Personen die entsprechende Eignung vor dem Inkrafttreten der vorgeschlagenen Verordnung besaßen.

4.19

Es muss ein einheitlicher Katalog von Sanktionen festgelegt werden, die von allen Mitgliedstaaten bei Verstößen gegen die Bestimmungen der Verordnung zu verhängen sind, und außerdem müssen die betreffenden Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

4.20

Der EWSA hält es für zweckmäßig, dass die Kommission alle zwei Jahre auf der Grundlage einzelstaatlicher Berichte dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht über die Ausübung des Berufs des Kraftverkehrsunternehmers vorlegt.

Brüssel, den 16. Januar 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


17.6.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 151/20


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Hochgeschwindigkeitsseewege und ihre Einbindung in die Logistikkette“ Sondierungsstellungnahme

(2008/C 151/07)

In einem Schreiben vom 4. Juli 2007 ersuchte der portugiesische EU-Ratsvorsitz den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um eine Sondierungsstellungnahme zu folgendem Thema:

„Hochgeschwindigkeitsseewege und ihre Einbindung in die Logistikkette“

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 18. Dezember 2007 an. Berichterstatter war Herr SIMONS.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 441. Plenartagung am 16./17. Januar 2008 (Sitzung vom 16. Januar) einstimmig folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen

1.1

Der Kurzstreckenseeverkehr kann eine wichtige Rolle bei der Weiterentwicklung der Ko-Modalität und der Logistikketten spielen. Hierbei müssen alle Verkehrsträger berücksichtigt werden. Im Rahmen dieser Ko-Modalität kann der Kurzstreckenseeverkehr vor allem für die längeren Entfernungen eingesetzt werden.

1.2

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) bekräftigt seine uneingeschränkte Unterstützung für Maßnahmen zur weiteren Entwicklung des Kurzstreckenseeverkehrs und dessen Förderung. Der Ausschuss hat jedoch Fragen und Anmerkungen zur tatsächlichen Ausgestaltung dieser Maßnahmen.

1.3

In diesem Zusammenhang muss die Definition von Hochgeschwindigkeitsseewegen verdeutlicht werden. Der Ausschuss ist der Ansicht, dass diese Bezeichnung nicht ausschließlich für neue, subventionierte Dienste verwendet werden kann, sondern für den gesamten effizienten Kurzstreckenseeverkehr genutzt werden sollte. Der Ausschuss nimmt erfreut zur Kenntnis, dass die Kommission mit dem Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen über die Hochgeschwindigkeitsseewege im Zusammenhang mit der Mitteilung zum Programm für den Güterverkehr vom 18.10.2007 eine Verdeutlichung der Definition von Hochgeschwindigkeitsseewegen vorgelegt hat, insbesondere, dass auch bestehende Dienste hierzu zu zählen sind (1).

1.4

Eine Konzentration von Ladung in bestimmten ausgewählten Häfen wird sich negativ auf die Effizienz der Dienstleistungserbringung auswirken und zweifellos zu Engpässen in diesen Häfen und ihrer Umgebung führen (2). Dies ist einer nachhaltigen Entwicklung des Verkehrs nicht zuträglich.

1.5

Der Aufbau zusätzlicher Hafenkapazitäten und die Verbesserung der Hinterlandverbindungen über andere Verkehrsträger muss ein Schwerpunkt des Konzepts der Hochgeschwindigkeitsseewege sein. Fördermaßnahmen sollten sich hierauf konzentrieren. So wird gleichzeitig auch die Politik der Ko-Modalität unterstützt.

1.6

Fördermaßnahmen für Hochgeschwindigkeitsseewege sollten auch auf die Infrastruktur ausgerichtet sein, insbesondere auf die Erweiterung der Häfen und der Hinterlandverbindungen, unbeschadet der bestehenden Fördermaßnahmen für Dienste, Betriebskosten und Förderung.

1.7

Die Vermeidung einer Wettbewerbsverfälschung ist ein heikler Punkt, der aufgrund der besonderen Marktstruktur des Kurzstreckenseeverkehrs äußerst vorsichtig angegangen werden muss. Das Ziel muss eine Verlagerung des Gütertransports von der Straße auf den Seeweg sein. Das Ziel kann nicht darin liegen, Güter, die auf dem Seeweg befördert werden, auf einen anderen Seeverkehrsträger zu verlagern.

1.8

Die Kommission möchte Qualitätsnormen als ein Bewertungskriterium für Vorhaben für Hochgeschwindigkeitsseewege anwenden. Abhängig vom jeweiligen Dienst können sich diese Kriterien auf Folgendes beziehen: Häufigkeit, eine auf den Produktionsprozess abgestimmte Lieferung, Zuverlässigkeit, Ko-Modalität der Dienste, der Definition der Kommission zufolge also auch die eigenen Verdienste des Verkehrsträgers an sich, Hinterlandverbindungen, effiziente Häfen und Drehkreuze (Hubs), E-Logistik, optimale Verwaltungsverfahren usw.

1.9

In der Halbzeitüberprüfung des Programms zur Förderung des Kurzstreckenseeverkehrs kündigt die Kommission an, dass die Möglichkeit einer Qualitätskennzeichnung für Hochgeschwindigkeitsseewege geprüft werden soll. Wie der Ausschuss in seiner Logistikstellungnahme bemerkte, darf dies nicht zu mehr Bürokratie und unnötigen Kosten für den Sektor führen.

1.10

Die Vereinfachung und Verringerung administrativer Verfahren ist auch eine Priorität der Kurzstreckenseeverkehrsdienste. Zollformalitäten für innereuropäische Ladungen dürfen nicht umständlicher sein als für den Straßengüterverkehr. Das vereinfachte Zollverfahren muss gründlich angepasst werden, wobei die Ladung und der Spediteur als Grundlage zu nehmen sind.

1.11

Andere Engpässe in der Logistikkette müssen beseitigt werden. Der Ausschuss unterstützt die Arbeiten im Rahmen der von der Kommission initiierten „Bottleneck-Kampagne“ gegen Engpässe in der Güterverkehrslogistik.

1.12

Sowohl der Kurzstreckenseeverkehr als auch die Logistikdienste brauchen hochqualifizierte Mitarbeiter. In diesem Zusammenhang muss der Mitarbeiterwerbung sowie der Aus- und Weiterbildung mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden.

1.13

Die Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die See bietet ein erhebliches Gewinnpotenzial sowohl für die Umwelt als auch für die Gemeinschaft. Eine weitere Verringerung des Abgasausstoßes von Schiffen muss angeregt werden. Der Ausschuss hofft, dass diesbezüglich internationale Vereinbarungen zustande kommen.

2.   Einleitung

2.1

Die Entwicklung der Hochgeschwindigkeitsseewege in Europa wurde im Jahr 2004 als eines der dreißig vorrangigen Vorhaben im Rahmen der Entwicklung des transeuropäischen Verkehrsnetzes herausgestellt. Artikel 12 a der Entscheidung 884/2004/EG (3) über gemeinschaftliche Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes liefert die Grundelemente für die Hochgeschwindigkeitsseewege. Konkret wird gesagt, dass das Ziel des transeuropäischen Meeresautobahnnetzes darin besteht, den Güterstrom auf seegestützten Logistikstrecken so zu konzentrieren, dass die bestehenden Seeverbindungen verbessert oder neue lebensfähige, regelmäßige und häufige Seeverbindungen geschaffen werden, damit die Überlastung der Straßen verringert und/oder die Anbindung von Regionen und Staaten in Rand- oder Insellage verbessert wird. Hochgeschwindigkeitsseewege sollten die kombinierte Personen- und Güterbeförderung nicht ausschließen, wenn die Güterbeförderung überwiegt.

2.2

Die TEN-Fonds können in Anspruch genommen werden, wenn sich die Kosten für Hochgeschwindigkeitsseewege auf Infrastrukturen und Ausrüstungen beziehen. Dienste und Betriebskosten können über das Programm Marco Polo unterstützt werden (4).

2.3

Die Vorhaben von gemeinsamem Interesse im transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsseewegenetz werden von mindestens zwei Mitgliedstaaten vorgeschlagen. Sie beziehen sich auf Ausrüstungen und Infrastruktureinrichtungen, an denen mindestens zwei in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten gelegene Häfen beteiligt sind. Die vorgeschlagenen Vorhaben werden im Allgemeinen in Form öffentlich-privater Partnerschaften auf der Grundlage öffentlicher Ausschreibungen durchgeführt, die gemeinsam von den beteiligten Mitgliedstaaten durchgeführt werden und an Konsortien gerichtet sind, in denen zumindest Seeverkehrsgesellschaften und Hafenbetreiber vertreten sind.

2.4

Die Entscheidung 884/2004/EG (Anhang II) führt die Meeresautobahnen als Vorhaben von gemeinsamem Interesse auf, die gemäß Artikel 12 a festgelegt wurden:

Meeresautobahn Ostsee (Anbindung der Mitgliedstaaten des Ostseeraums an die Mitgliedstaaten in Mittel- und Westeuropa), einschließlich der Strecke durch den Nord-Ostsee-Kanal (2010)

Meeresautobahn Westeuropa (Anbindung von Portugal und Spanien über den Atlantischen Bogen an die Nordsee und die Irische See) (2010)

Meeresautobahn Südosteuropa (Verbindung Adria/Ionisches Meer/östliches Mittelmeer zur Anbindung Zyperns) (2010) (5)

Meeresautobahn Südwesteuropa (westliches Mittelmeer) zwischen Spanien, Frankreich, Italien und Malta mit Anbindung an die Meeresautobahn Südosteuropa (6) (2010)

Der Ausschuss weist angesichts der EU-Erweiterung darauf hin, dass Meeresautobahnen im Schwarzen Meer selbst eingerichtet werden müssen, wobei die Schub- und Schleppschifffahrt auf der Donau nicht ausgeschlossen werden darf.

2.5

Die Kommission wird die Vorhaben anhand der in Artikel 12 a aufgeführten Kriterien bewerten und dabei folgende Schlüsselpunkte berücksichtigen:

Beitrag zur Verkehrsverlagerung und zum Zusammenhalt: Ein Teil des Straßengüterverkehrs in einem bestimmten Korridor muss auf den Hochgeschwindigkeitsseeweg verlagert werden und soll so zum sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhalt der betroffenen Länder beitragen.

Qualitative Aspekte: Bei dem Vorhaben müssen Qualitätsnormen in Bezug auf fünf Aspekte zum Ausdruck kommen: Hafendienste, Hinterlandverbindungen, Informationssysteme und Einhaltung, der Schifffahrtsdienst an sich und die Einbindung in das TEN-Netz.

Durchführbarkeit und Glaubwürdigkeit des Vorhabens: Sowohl für den Dienst an sich als auch für die Hinterlandverbindungen muss die Durchführbarkeit erkennbar gemacht werden. Es muss klar sein, ob Risikokapital und Beihilfen (nationale, regionale, EU) in das Vorhaben einfließen.

Auswirkungen auf den Wettbewerb: Eine Wettbewerbsverfälschung durch staatliche Beihilfen sollte vermieden werden. Daher müssen die Auswirkungen des Vorhabens auf bestehende Dienste und Häfen untersucht werden.

2.6

Die Modalitäten für die Aufforderung zur Einreichung von Projektvorschlägen für die Schaffung von Hochgeschwindigkeitsseewegen wurden in einem Vademecum der Kommission vom 28. Februar 2005 festgelegt.

2.7

Inzwischen wurde eine Aufforderung zur Einreichung von Angeboten für folgende Vorhaben für Hochgeschwindigkeitsseewege veröffentlicht:

Meeresautobahnprojekte (Motorways of the Sea) im Ostseeraum: Deutschland/Finnland und Ostsee

Meeresautobahn(en) zwischen Spanien und Frankreich Atlantik — Ärmelkanal — Nordsee

Meeresautobahnen in der Nordseeregion

Weitere Projekte werden in speziellen Arbeitsgruppen geprüft und erörtert.

2.8

Auch die Halbzeitüberprüfung des Programms zur Förderung des Kurzstreckenseeverkehrs wurde Mitte 2006 vorgelegt (7).

2.9

Im September 2007 ernannte die Europäische Kommission den Portugiesen Luís Valente de Oliveira zum Koordinator für die Hochgeschwindigkeitsseewege.

2.10

Im Oktober 2007 legte die Europäische Kommission im Rahmen der Güterverkehrsagenda ein Arbeitsdokument über die Hochgeschwindigkeitsseewege vor (8).

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der Ausschuss hat sich bereits mehrfach für Maßnahmen zur Förderung des Ausbaus des Kurzstreckenseeverkehrs ausgesprochen, der über ein erhebliches Potenzial verfügt und eine gute Alternative zu anderen, weniger umweltfreundlichen Verkehrsträgern bietet, weil er zur Verringerung von Staus und Unfällen sowie der Lärmbelastung und Luftverschmutzung beitragen kann (9). Außerdem passt der Kurzstreckenseeverkehr gut in den Rahmen der Ko-Modalität und der Logistikketten und bietet Möglichkeiten zur verkehrsmäßigen Anbindung von Inseln und Gebieten in Randlage.

3.2

Die Initiative zur Schaffung von Hochgeschwindigkeitsseewegen verdient daher volle Unterstützung. Dennoch wirft, wie in der in Fußnote 8 genannten Stellungnahme angegeben, der Begriff „Hochgeschwindigkeitsseewege“ doch noch einige Fragen und Kommentare auf, auf die im Folgenden eingegangen werden soll.

4.   Das Konzept der Hochgeschwindigkeitsseewege

4.1

Die bezüglich des Konzepts der Hochgeschwindigkeitsseewege bestehende Verwirrung ist nachvollziehbar. Praktisch gesehen bestehen schon jetzt viele effiziente und qualitativ hochwertige Kurzstreckenseeverkehrdienste, die gute multimodale Dienste anbieten und die Verkehrsverdichtung auf den Straßen verringern und Inseln und Gebiete in Randlage anbinden.

4.2

Wie der Halbzeitüberprüfung des Programms zur Förderung des Kurzstreckenseeverkehrs zu entnehmen ist, war der Kurzstreckenseeverkehr als Verkehrsträger am ehesten in der Lage, mit der schnellen Zunahme des Straßenverkehrs Schritt zu halten (10). Im Zeitraum zwischen 1995 und 2004 nahm die Tonnenmeilenleistung des Kurzstreckenseeverkehrs in der EU um 32 % im Vergleich zu 35 % im Straßentransport zu. Der Anteil des Kurzstreckenseeverkehrs in der EU-25 liegt bei 39 % im Vergleich zu 44 % beim Straßentransport. In der EU-15 lag der Anteil des Kurzstreckenseeverkehrs bei 42 % im Vergleich zu 44 % beim Straßentransport.

4.3

Dieses gute Ergebnis des Kurzstreckenseeverkehrs ist in hohem Maße umfangreichen Investitionen der Reeder in Schiffe zu danken, sowie den Investitionen zahlreicher Akteure in intermodale Logistiksysteme, Effizienzsteigerungen und dem Anbieten von Logistikdiensten, den Arbeiten der nationalen Ansprechpartner für den Kurzstreckenseeverkehr, der praktischen Arbeit der Förderzentren für den Kurzstreckenseeverkehr und der Zusammenarbeit zwischen der Industrie und den europäischen Einrichtungen.

4.4

Es wäre verfehlt, diese Erfolgsgeschichte zu unterminieren, indem vorhandene Dienste, die auf Initiativen des Privatsektors beruhen, nicht als Hochgeschwindigkeitsseewege betrachtet werden und diese Bezeichnung ausschließlich subventionierten Diensten vorbehalten bleibt. Der Ausschuss nimmt erfreut zur Kenntnis, dass die Kommission mit dem Arbeitspapier vom 18.10.2007, ein Begleitdokument zu der Mitteilung zum Programm für den Güterverkehr vom 18.10.2007, eine Verdeutlichung der Definition von Hochgeschwindigkeitsseewegen vorgelegt hat, insbesondere, dass auch bestehende Dienste hierzu zu zählen sind (11).

5.   Auswahl von Häfen

5.1

Zwischen einem Hochgeschwindigkeitsweg für den Straßenverkehr und einem Hochgeschwindigkeitsweg für den Seeverkehr besteht ein grundlegender Unterschied. Der Transport über die Autobahn mit einem LKW verbindet zwei Punkte mit einer möglichst geraden Linie. Beim Seeverkehr wird praktisch Ladung, die aus einem weiten Hinterland stammt bzw. in dieses befördert wird, über ein Angebot verschiedener, gegeneinander konkurrierender Häfen transportiert. Die wettbewerbsfähigsten und effizientesten Häfen für einen bestimmten Handel werden dann in die unterschiedlichen Routen der Reedereien aufgenommen.

5.2

Eine Konzentration von Ladung auf eine begrenzte Anzahl ausgewählter Häfen hätte einen negativen Einfluss auf die Effizienz der Dienstleistungserbringung (12) und würde zweifellos zu Engpässen in den Häfen und ihrer Umgebung führen. Dies ist einer nachhaltigen Entwicklung des Verkehrs nicht zuträglich.

5.3

Zugleich würde die Aufnahme bestimmter Häfen in die Hochgeschwindigkeitsseewege und der Ausschluss anderer Häfen in dieser Größenordnung zu einer Wettbewerbsverzerrung beim Hafenangebot führen. Die Auswahl der Häfen muss so offen bleiben, dass auch die anderen Häfen ihre Effizienz konstant steigern und sich selbst zu Häfen im Rahmen der Hochgeschwindigkeitsseewege entwickeln können.

6.   Ko-Modalität

6.1

Der Kurzstreckenseeverkehr kann insbesondere auf längeren Strecken eine wichtige Rolle bei der Weiterentwicklung der Ko-Modalität spielen. Wie in der Stellungnahme zum Thema „Güterverkehrslogistik“ angegeben, vertritt der Ausschuss die Auffassung, dass hierbei alle Verkehrsträger berücksichtigt werden sollten (13). Die Häfen haben hier eine Grundfunktion als multimodale Drehkreuze. In diesem Zusammenhang werden mehrere Projekte entwickelt (14).

6.2

Engpässen in der Logistikkette muss abgeholfen werden. In der Kommission wird bereits untersucht, wo es Engpässe in der Güterverkehrslogistik gibt, wobei sowohl administrative Engpässe als auch Engpässe bei Infrastruktur und Betrieb berücksichtigt werden.

6.3

Sowohl der Kurzstreckenseeverkehr als auch die Logistikdienste brauchen hoch qualifiziertes Personal. Der Ausschuss wiederholt daher seine Empfehlung aus der Stellungnahme zur Güterverkehrslogistik: Der Mitarbeiterwerbung sowie der Aus-, Fort- und Weiterbildung muss mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden!

7.   Investitionen in Häfen und Hinterlandverbindungen

7.1

Die derzeitige Überlastung vieler europäischer Häfen ist als Problem sattsam bekannt. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, dass mehr Häfen derselben Größenordnung für einen Ausbau zu Häfen für den Kurzstreckenseeverkehr in Frage kommen sollten.

7.2

Die (Weiter-)Entwicklung von Häfen und Hinterlandverbindungen wird durch Einschränkungen und Auslegungen bestehender Rechtsvorschriften und Umweltanforderungen erschwert und mehrfach erheblich verzögert und/oder verhindert. Der ESPO-Jahresbericht 2006/2007 nennt hier Zeiträume von zwei bis elf Jahren (15).

7.3

Wie von der Industrie bereits mehrfach in der Konsultationsrunde über eine neue europäische Hafenpolitik und über das Grünbuch „Die künftige Meerespolitik der Europäischen Union“ angeführt, verdient dieses Problem dringend die gebührende Aufmerksamkeit (16). Der Ausschuss nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission diesem Problem in der Mitteilung über eine europäische Hafenpolitik vom 18.10.2007 (17) gebührende Aufmerksamkeit widmet.

7.4

Daher müssen Fördermaßnahmen für Hochgeschwindigkeitsseewege diesbezüglich auch auf die Infrastruktur ausgerichtet sein, insbesondere auf den Ausbau der Häfen und der Hinterlandverbindungen. Dieser Ansatz verträgt sich auch voll und ganz mit dem Konzept der „Ko-Modalität“, das von der Kommission bei der Überarbeitung des Weißbuchs zur europäischen Verkehrspolitik (18) und in der Kommissionsmitteilung zur Güterverkehrslogistik (19) eingeführt wurde.

7.5

Dies ändert jedoch nichts daran, dass bestehende Fördermaßnahmen für Dienste, Betriebskosten und Förderung weitergehen müssen.

8.   Wettbewerbsverzerrungen

8.1

Wie in Ziffer 2.5, letzter Punkt der Aufzählung, beschrieben, sagt die Kommission selbst aus, dass staatliche Beihilfen den Wettbewerb mit bestehenden Diensten nicht verzerren dürfen. Die Auswirkungen des subventionierten Hochgeschwindigkeitsseewegs müssen daher u.a. unter Berücksichtigung des allgemeinen Interesses eingehend untersucht werden, um festzustellen, ob Wettbewerbsverzerrungen entstehen könnten.

8.2

Dies ist jedoch kein leichtes Unterfangen. Der Kurzstreckenseeverkehr bedient das Hinterland der Häfen, die von ihm angelaufen werden. Dieses Hinterland kann ein recht großes Gebiet abdecken, das auch über andere Häfen bedient werden kann, wie in Ziffer 5.1 angegeben.

8.3

Bei der Analyse des jeweiligen Marktes kann man sich daher nicht auf einen spezifischen Hafen konzentrieren, sondern muss den Markt des gesamten Hinterlands berücksichtigen, um eine Verschiebung von Ladung von einem Dienst auf den anderen oder auf einen anderen Hafen zu verhindern.

8.4

Wie in Ziffer 2.5, dritter Punkt der Aufzählung, angegeben, müssen die Antragsteller eines neuen Vorhabens für einen Hochgeschwindigkeitsseeweg die Machbarkeit und Glaubwürdigkeit des Vorhabens belegen; auch hier muss darauf geachtet werden, dass keine Wettbewerbsverzerrungen auftreten.

8.5

Transparenz bei der Gewährung von Fördermitteln für Projekte ist daher von wesentlicher Bedeutung. Zugleich müssen unverzüglich Korrekturen vorgenommen werden, wenn sich herausstellt, dass Ladungen zwischen Küstenschifffahrtsbetreibern oder Häfen künstlich verschoben werden.

8.6

Die Förderung von Hochgeschwindigkeitsseewegen verfolgt das Ziel einer Verkehrsverlagerung von der Straße auf den Seeweg. Der in Italien vorgeschlagene Ecobonus (20), bei dem die Straßenspediteure eine Unterstützung erhalten, wenn sie diesem Konzept folgen, ist ein gutes Beispiel für sinnvolle Beihilfen, die keine Wettbewerbsverzerrungen verursachen.

9.   Qualitätsnormen

9.1

Wie in Ziffer 2.5 angegeben, wird die Kommission Qualitätsnormen als ein Bewertungskriterium für Vorhaben für Hochgeschwindigkeitsseewege anwenden. Abhängig vom jeweiligen Dienst können sich diese Kriterien auf Folgendes beziehen: Häufigkeit, eine auf den Produktionsprozess abgestimmte Lieferung, Zuverlässigkeit, Ko-Modalität der Dienste, der Definition der Kommission zufolge also auch die eigenen Verdienste des Verkehrsträgers an sich, Hinterlandverbindungen, effiziente Häfen und Drehkreuze (Hubs), E-Logistik, optimale Verwaltungsverfahren usw.

9.2

In der Halbzeitüberprüfung des Programms zur Förderung des Kurzstreckenseeverkehrs (21) kündigt die Kommission an, dass die Möglichkeit einer Qualitätskennzeichnung für Hochgeschwindigkeitsseewege geprüft werden soll. Wie der Ausschuss in seiner Logistikstellungnahme bemerkte, darf dies nicht zu mehr Bürokratie und unnötigen Kosten für den Sektor führen (22).

10.   Verwaltungsverfahren

10.1

Sowohl im oben genannten Grünbuch zur künftigen Meerespolitik der Europäischen Union als auch in der Halbzeitüberprüfung des Verkehrsweißbuchs verweist die Kommission auf einen „gemeinsamen Meeresraum der EU“, d.h. einen europäischen Meeresraum ohne Grenzen, wie ihn die Kommission später nannte. Das Ziel besteht offensichtlich darin, die Verwaltungsverfahren des Kurzstreckenseeverkehrs zu vereinfachen, so dass diese den Verfahren für den Landverkehr entsprechen.

10.2

Der Ausschuss hat sowohl in seiner Stellungnahme zu dem Grünbuch als auch in seiner Stellungnahme zur gemeinsamen Hafenpolitik zum gemeinsamen europäischen Meeresraum Stellung genommen (23):

„Nach dem Verständnis des Ausschusses bezieht sich die Idee eines ‚gemeinsamen Meeresraums der EU‘ (also auch mit der in Ziffer 10.1 genannten neuen Bezeichnung) lediglich auf einen virtuellen Raum, in dem die Verwaltungs- und Zollformalitäten für innergemeinschaftliche Seeverkehrsdienste im Rahmen einer ähnlichen Regelung wie für den Straßen- und den Schienengütertransport im Binnenmarkt vereinfacht werden. Entspricht dies auch wirklich der Sichtweise der Europäischen Kommission und bringt sie dies deutlich zum Ausdruck, dann kann der Ausschuss dieser Idee zustimmen, sofern in internationalen Hoheitsgewässern die Bestimmungen die Bestimmungen des UNCLOS-Übereinkommens und der IMO-Übereinkommen einschl. der ‚Freiheit der Schifffahrt‘ und des ‚Rechts auf friedliche Durchfahrt‘ innerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszone eingehalten werden.“

10.3

Die Vereinfachung der Zollverfahren wurde vom Forum der maritimen Industrien (MIF) und den nationalen Ansprechpartnern für den Kurzstreckenseeverkehr wiederholt gefordert. In diesem Zusammenhang veröffentlichte die Kommission bereits 2002 ein Dokument mit entsprechenden Anleitungen, um den Einsatz der vereinfachten Zollverfahren für den Kurzstreckenseeverkehr zu fördern (24).

10.4

Jedoch löst die Umsetzung dieses Leitfadens nicht alle Probleme. Wesentliche Probleme liegen darin, dass der Status eines regelmäßigen Dienstes („zugelassener Linienverkehr“) erlangt werden muss, der direkt an das jeweilige Schiff und an die jeweilige Seeverkehrsgesellschaft (Spediteur) gebunden ist. Wenn ein anderes Schiff eingesetzt werden soll, so muss dieses erneut angemeldet werden. Wenn ein Schiff mit einer innereuropäischen Ladung auf seiner Reise einen Hafen außerhalb der EU anläuft, so verfällt das vereinfachte Verfahren für die gesamte innereuropäische Ladung.

10.5

Dieser Schwierigkeit könnte dadurch abgeholfen werden, dass sich dieses vereinfachte Verfahren auf die jeweilige Gesellschaft (Spediteur) und die Ladung bezieht. Innereuropäische Güter/Ladungen können dann unter allen Umständen ein vereinfachtes Verfahren nutzen, das an sich dasselbe Verfahren sein sollte, das auch auf den Straßentransport angewandt wird.

10.6

Die multimodale Haftung muss geprüft werden. Diese ist Gegenstand von Verhandlungen im Rahmen von UNCITRAL. Der Ausschuss empfiehlt eine rasche Einigung.

10.7

Der Ausschuss weist darauf hin, dass Sicherheitsmaßnahmen den Seeverkehr im Vergleich zum Straßenverkehr nicht benachteiligen dürfen.

11.   Umwelt

11.1

Die Schifffahrt ist immer noch der umweltfreundlichste Verkehrsträger. Abgesehen vom Schwefel (SOx) ist die Leistung der Schifffahrt beim Abgasausstoß pro Tonnenkilometer bzw. Tonnenmeile besser als bei anderen Verkehrsträgern. Dennoch sind Maßnahmen erforderlich, um diese Stellung immer weiter auszubauen. In diesem Zusammenhang wird innerhalb der IMO (Internationale Seeschifffahrtsorganisation) an einer Überarbeitung der Anlage VI des MARPOL-Übereinkommens gearbeitet. Dieser Prozess sollte mit Blick auf eine globale Lösung voll und ganz unterstützt werden.

11.2

Bei den Beratungen im Rahmen der IMO sollte eine mögliche Ausweitung der SECA (25) erwogen werden, in denen eine niedrigere Ausstoßgrenze angewandt wird. Der Kurzstreckenseeverkehr ist hier besonders anfällig, da der Kurzstreckenverkehr in Küstengebieten häufiges Anlegen mit sich bringt. Diese Tatsache sollte daher besonders beachtet werden, damit das Kind (die Förderung des Kurzstreckenseeverkehrs) nicht mit dem Bad ausgeschüttet wird.

11.3

Auch in Bezug auf den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) pro Tonnenkilometer bzw. Tonnenmeile kann behauptet werden, dass die Schifffahrt recht gut dasteht. Unabhängige Quellen (26) gehen davon aus, dass die Schifffahrt weltweit für nur ca. 1,75 bis 2 % des globalen Treibhausgasausstoßes verantwortlich ist. Auch in diesem Zusammenhang werden Maßnahmen untersucht, um die Umweltleistung der Schifffahrt immer weiter zu verbessern.

11.4

Der Ausschuss empfiehlt Forschung und Entwicklung sowie finanzielle Unterstützung mit dem Ziel einer Verbesserung des Abgasausstoßes von Schiffen, einschließlich einer Verbesserung der Treibstoffe.

11.5

Neben dieser Emissionsthematik muss jedoch auch der Kontrolle der Verschmutzung der Meeresumwelt durch die zunehmende Küstenschifffahrt Aufmerksamkeit gewidmet werden.

11.6

Das Hauptziel der Hochgeschwindigkeitsseewege besteht in einer Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die See. Dies wird sich nicht nur auf die Umwelt positiv auswirken, sondern auch direkte positive Folgen für die Gemeinschaft zeitigen, und zwar hinsichtlich Verkehrsstaus, Lärmbelastung und Unfälle im Straßenverkehr. Wo weitere Fortschritte im Zusammenhang mit dem Abgasausstoß von Schiffen erforderlich sind, sollte dies auch bedacht werden.

Brüssel, den 16. Januar 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Programm für den Güterverkehr (KOM(2007) 606 endg.), Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen zu den Hochgeschwindigkeitsseewegen vom 18.10.2007.

(2)  TEN/258 „Eine gemeinsame EU-Hafenpolitik“, ABl. C 168 vom 20.7.2007, S. 57-62.

(3)  Entscheidung Nr. 884/2004/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Änderung der Entscheidung Nr. 1692/96/EG über gemeinschaftliche Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes.

(4)  Verordnung 1382/2003 (Programm Marco Polo) ABl. L 196 vom 2.8.2003 und KOM(2004) 478 endg. vom 14.7.2004 (Marco Polo II).

(5)  Es ist darauf hinzuweisen, dass hier bereits Kurzstreckenseeverkehrsverbindungen, wie z.B. zwischen der Türkei und Italien und umgekehrt bzw. zwischen Italien und Spanien und umgekehrt von privaten Marktteilnehmern angeboten werden.

(6)  Einschließlich einer Verbindung zum Schwarzen Meer.

(7)  KOM(2006) 380 endg. vom 13.7.2006.

(8)  Siehe Fußnote 1.

(9)  TEN/268 „Kurzstreckenseeverkehr — Halbzeitüberprüfung“, 25. April 2007, ABl. C 168 van 20.7.2007, S.68.

(10)  Mitteilung der Kommission KOM(2006) 380 endg. vom 13.7.2006.

(11)  Programm für den Güterverkehr (KOM(2007) 606 endg.) vom 18.10.2007, Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen zu den Hochgeschwindigkeitsseewegen vom 18.10.2007.

(12)  TEN/258 „Eine gemeinsame EU-Hafenpolitik“, ABl. C 168 vom 20.7.2007, S. 57-62.

(13)  TEN/262 Stellungnahme zum Thema „Güterverkehrslogistik“, ABl. C 168 vom 20.7.2007, S. 63.

(14)  Projekt „Co-modalité navires rapides BGV-HSC et les Autoroutes de la mer à grande vitesse“ (www.bgv.eu).

(15)  ABl. C 168 vom 20.7.2007, S. 57-62, ESPO Annual Report 2006/2007 — ITMMA/Universiteit Antwerpen.

(16)  Grünbuch „Die künftige Meerespolitik der Europäischen Union“ KOM(2006) 275 endg. vom 7.6.2006.

(17)  Mitteilung der Kommission über eine europäische Hafenpolitik vom 18.10.2007.

(18)  Für ein mobiles Europa — nachhaltige Mobilität für unseren Kontinent, KOM(2006) 314 endg. vom 22.6.2006.

(19)  Güterverkehrslogistik in Europa — der Schlüssel zur nachhaltigen Mobilität, KOM(2006) 336 endg. vom 28.6.2006.

(20)  Aiuto di Stato N 496/2003 — Italia.

(21)  Halbzeitüberprüfung des Programms zur Förderung des Kurzstreckenseeverkehrs, KOM(2006) 380 endg. vom 13.7.2006.

(22)  TEN/262 Stellungnahme zur Güterverkehrslogistik.

(23)  Stellungnahme zum Thema „Eine gemeinsame EU-Hafenpolitik“ — ABl. C 168 vom 20.7.2007, S. 57-62 — Stellungnahme zur künftigen Meerespolitik der Europäischen Union — ABl. C 168 vom 20.7.2007, S. 50.

(24)  Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen — Leitfaden für die Zollverfahren im Kurzstreckenseeverkehr SEK(2002) 632 vom 29.5.2002.

(25)  Schwefelsondergebiete (Sulphur Emission Control Areas — SECA).

(26)  Stern-Bericht zu den wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels, UK, Oktober 2006.


17.6.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 151/25


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Aufhebung der Richtlinie 87/372/EWG des Rates über die Frequenzbänder, die für die koordinierte Einführung eines europaweiten öffentlichen zellularen digitalen terrestrischen Mobilfunkdienstes in der Gemeinschaft bereitzustellen sind“

KOM(2005) 229 endg.

(2008/C 151/08)

Der Rat beschloss am 31. August 2007 gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Aufhebung der Richtlinie 87/372/EWG des Rates über die Frequenzbänder, die für die koordinierte Einführung eines europaweiten öffentlichen zellularen digitalen terrestrischen Mobilfunkdienstes in der Gemeinschaft bereitzustellen sind“

Am 25. September 2007 beauftragte das Ausschusspräsidium die Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft mit der Vorbereitung der Arbeiten.

Aufgrund der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 441. Plenartagung am 16./17. Januar 2008 (Sitzung vom 16. Januar) Herrn HERNÁNDEZ BATALLER zum Hauptberichterstatter und verabschiedete einstimmig folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss befürwortet den Kommissionsvorschlag, da er zur Förderung von Innovation und Wettbewerbsfähigkeit, zur Verstärkung des Wettbewerbs auf dem Telekommunikationsmarkt und zur Ausweitung der Wahlmöglichkeiten der Verbraucher beiträgt.

2.   Einleitung

2.1

Gemäß der Richtlinie 87/372/EWG des Rates vom 25. Juni 1987 (1), ergänzt durch die Empfehlungen 87/371/EWG des Rates vom 25. Juni 1987 (2) und die Entschließung des Rates vom 14. Dezember 1990 (3), sind die Frequenzbänder 890-915 und 935-960 MHz (auch bekannt als das 900-MHz-Band) reserviert und für den Betrieb des europaweiten öffentlichen zellularen digitalen terrestrischen Mobilfunkdienstes in allen Mitgliedstaat gemäß einer gemeinsamen Spezifikation zweckgebunden.

2.2

Infolge der Marktentwicklung findet die Aufhebung der Reservierung des 900-MHz-Bands für GSM-Systeme die allgemeine Zustimmung, denn sie ermöglicht in diesen Frequenzbändern den Betrieb neuer und unterschiedlicher digitaler Technologien, die innovative Dienste erbringen.

2.3

Mit der Entscheidung Nr. 676/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen Rechtsrahmen für die Funkfrequenzpolitik in der Europäischen Gemeinschaft (4) wird ein politischer und rechtlicher Rahmen geschaffen, der die harmonisierte Verfügbarkeit und die effiziente Nutzung des Funkfrequenzspektrums gewährleisten soll, wo dies zur Durchführung der Gemeinschaftspolitik in Bereichen wie Kommunikation, Verkehr, Rundfunk sowie Forschung und Entwicklung (FuE) erforderlich ist.

Der Ausschuss begrüßte den Vorschlag für diese Entscheidung (5), da er seiner Meinung nach eine rationelle, gerechte, effiziente und wirtschaftliche Nutzung der Frequenzen sicherstellen würde.

2.4

Mit der Entscheidung wurden folgende Ziele verfolgt:

Einrichtung eines Regulierungsausschusses, des Funkfrequenzausschusses (RSC), der auf technische und regulatorische Entwicklungen im Bereich der Funkkommunikation reagiert und die Konsultation aller einschlägigen Kreise von Funkfrequenznutzern erlaubt. Dieser Ausschuss berät die Europäische Kommission bei der Erteilung von Mandaten an die Europäische Konferenz der Verwaltungen für Post und Fernmeldewesen (CEPT) und gibt eine aufsichtsrechtliche Stellungnahme zu technischen Durchführungsmaßnahmen zur Harmonisierung der Bedingungen und Umsetzung der Gemeinschaftspolitik ab;

Schaffung eines Rechtsrahmens für eine gegebenenfalls erforderliche Harmonisierung der Frequenznutzung;

Sicherstellung der Bereitstellung koordinierter und aktueller Informationen über Nutzung und Verfügbarkeit von Funkfrequenzen in der EG;

Sicherstellung, dass entsprechende gemeinschaftliche und europäische Standpunkte im Hinblick auf internationale Verhandlungen (6) über Frequenzen erarbeitet werden, in denen es um Fragen geht, die Gegenstand der Gemeinschaftspolitik sind.

2.5

Diese Entscheidung erlaubt es der Europäischen Kommission, technische Umsetzungsmaßnahmen zu erlassen, um harmonisierte Bedingungen für die Verfügbarkeit und die effiziente Nutzung des Frequenzbands zu schaffen. Daher erteilt die Europäische Kommission bei einer notwendigen Harmonisierung zur Sicherstellung der Rechtssicherheit und der Durchführung der Gemeinschaftspolitik Mandate an die Europäische Konferenz der Verwaltungen für Post und Fernmeldewesen (CEPT), um auf europäischer Ebene technische Kriterien zu entwickeln, auf deren Grundlage anschließend der Funkfrequenzausschuss (RSC) Maßnahmen zur Harmonisierung des Frequenzspektrums ausarbeiten und annehmen kann.

3.   Der Richtlinienvorschlag

3.1

Zur Aufhebung der mit der Richtlinie 87/372/EWG des Rates über die Frequenzbänder, die für die koordinierte Einführung eines europaweiten öffentlichen zellularen digitalen terrestrischen Mobilfunkdienstes in der Gemeinschaft bereitzustellen sind, eingeführten Reservierung des 900-MHz-Bandes für GSM in den EU-Mitgliedstaaten sollte diese Richtlinie durch eine entsprechende Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates aufgehoben werden.

3.2

Diese Maßnahme ist erforderlich, um die Initiative „i2010Eine europäische Informationsgesellschaft für Wachstum und Beschäftigung“  (7) zum Erfolg zu führen und den Wettbewerb über die Nutzung des 900-MHz-Bandes durch andere Technologien zu verstärken, um den Nutzern eine möglichst breite Auswahl an Diensten und Technologien zu bieten.

3.3

Im Einklang mit den Bestimmungen der Entscheidung Nr. 676/2002/EG (Funkfrequenzentscheidung) hat die Europäische Kommission der Europäischen Konferenz der Verwaltungen für Post und Fernmeldewesen (CEPT) das Mandat erteilt, weniger restriktive technische Bedingungen zu entwickeln. Ausgehend von dem Grundsatz, dass der Nebeneinanderbetrieb von GSM und UMTS im 900-MHz-Band und deren vollständige Kompatibilität gewährleistet ist, wurden gemäß diesem Mandat Nutzungsbedingungen ausgearbeitet. Der Nachweis der Kompatibilität weiterer Technologien mit GSM könnte Gegenstand künftiger Mandate sein, um eine weitere Öffnung dieses Frequenzbandes zu erreichen.

4.   Allgemeine Anmerkungen

4.1

Der Ausschuss begrüßt, dass die Europäische Kommission ihre Vorschläge in Form einer Richtlinie unterbreitet und hält dies für rechtlich angemessen. Der Vorschlag reiht sich in die Bemühungen zur Aktualisierung und Vereinfachung des Acquis communautaire ein, die der Ausschuss in seinen Stellungnahmen stets begrüßt hat.

4.1.1

In einer umfangreichen Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes wurde festgelegt, dass verbindliche institutionelle Rechtsakte nur durch Folgeakte der gleichen Art geändert oder aufgehoben werden können. Daher ist die Annahme einer spezifischen Richtlinie zur Aufhebung der Richtlinie 87/372/EWG vollkommen gerechtfertigt.

4.2

Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen dürfen die Annahme des Vorschlags in mehrfacher Hinsicht rechtfertigen.

4.3

Die Marktentwicklung in der Telekommunikationsbranche spricht für die Einführung neuer digitaler Technologien, die neben den GSM-Netzen im 900-MHz-Band betrieben werden und im Hinblick auf eine Ausweitung der Nutzung von Sprach-, Daten- und Multimediadiensten in weniger dicht besiedelten und ländlichen Gebieten zu geringeren Kosten vorteilhaft sein können.

4.4

Der Ausschuss begrüßt, dass diese Technologie nur geringe Umweltkosten verursachen wird, da weniger Basisstationen erforderlich sind.

4.5

Diese neuen Technologien wie UMTS haben auch einen gesamteuropäischen Markt für die damit verbundenen Dienste geschaffen.

4.6

Die umsichtige Vorgehensweise der Europäischen Kommission ist lobenswert: Der Vorschlag wird von weiteren Maßnahmen wie Plänen zur Vorbereitung technischer Harmonisierungsmaßnahmen zur Sicherstellung der dauerhaften Nutzung des 900-MHz-Bandes durch GSM-Dienste und zur Anwendung der in der Frequenzentscheidung enthaltenen Komitologiebestimmungen begleitet, um umgehend auf den technologischen Fortschritt reagieren zu können und neue Harmonisierungsvorschriften auf Gemeinschaftsebene einzuführen.

4.7

Sowohl die notwendige Aufhebung der oben genannten Richtlinie wie auch die künftige Einführung neuer Frequenznutzungsbedingungen in den Mitgliedstaaten tragen dem Subsidiaritätsprinzip Rechnung, da sie ausschließlich auf das spezielle Ziel der Sicherstellung einer zufriedenstellenden Nutzung des 900-MHz-Bandes ausgerichtet sind und die nationale Entscheidungsgewalt für die Frequenznutzung durch andere, zusätzliche Dienste ebenso unberührt lassen, wie die Vergabe von Frequenznutzungsrechten durch die Mitgliedstaaten.

4.8

Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen bzw. geplanten Maßnahmen können auf alle im Frequenzspektrum genutzten Technologien und Dienste gleichermaßen Anwendung finden, wodurch seine Flexibilität und Effizienz erhöht wird.

4.9

Das Frequenzmanagement muss auf den allgemeinen Grundsätzen von Technologieneutralität in Verbindung mit Diensteneutralität, Flexibilität und Transparenz zur Gewährleistung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt sowie der Meinungsfreiheit und Pluralität der Medien beruhen und den technischen, sozialen, kulturellen und politischen Anforderungen in den Mitgliedstaaten Rechnung tragen.

4.10

Nach Ansicht des Ausschusses ist ein effizientes Funkfrequenzmanagement das A und O für die Gewährleistung des Zugangs der zahlreichen potenziellen Diensteanbieter und damit ein Schlüsselaspekt für Wachstum, Produktivität und Entwicklung der europäischen Industrie im Einklang mit der Lissabon-Strategie und trägt außerdem zur Ausweitung der Wahlmöglichkeiten der Verbraucher bei.

4.11

Dieser Vorschlag könnte außerdem Vorteile für die Unionsbürger bringen, u.a. durch den Abbau von Barrieren für die Entwicklung fortgeschrittener Mobilkommunikationstechnologien und die Bewältigung der geografischen digitalen Kluft, die Förderung des sozialen und territorialen Zusammenhalts, die Verbesserung der Qualität der Dienste, die möglicherweise auch kostengünstiger angeboten werden können, die Verringerung der Zahl an notwendigen Basisstationen durch die stärkere Nutzung von Niedrigfrequenzen einschließlich der damit einhergehenden positiven Auswirkungen für die Umwelt sowie die fortwährende Sicherstellung des Gesundheitsschutzes gegenüber elektromagnetischem Smog usw.

4.12

Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Gemeinschaftsmaßnahmen sollten allerdings nach Meinung des Ausschusses durch die Einführung weiterer Maßnahmen unterschiedlicher Art und verschiedenen Ausmaßes ergänzt werden.

4.12.1

So sollten in legislativer Hinsicht nach Annahme des Vorschlags Haushaltsmittel im Einklang mit der Kommissionsmitteilung „Überwindung der Breitbandkluft“ (KOM(2006) 129 endg.) bereitgestellt werden, um gegebenenfalls die Einrichtung der erforderlichen Infrastruktur in den Mitgliedstaaten zu erleichtern, die über kein ausreichendes Netz an Basisstationen verfügen. Hierbei muss allerdings dem besonderen Anliegen des Umweltschutzes Rechnung getragen werden, damit derartige Maßnahmen keine Umweltkosten verursachen.

4.12.2

Ferner ist eine Anpassung der geltenden Gemeinschaftsvorschriften im Bereich öffentliches Beschaffungswesen und Konzessionserteilung erforderlich, um sicherzustellen, dass die von den Mitgliedstaaten zur Nutzung des Funkfrequenzspektrums erteilten Konzessionen den Grundsätzen von Transparenz, Nichtdiskriminierung und Schutz des öffentlichen Interesses entsprechen.

4.12.3

Darüber hinaus müssen die Komitologiebeschlüsse, die den Rechtsrahmen für ein europaweites Funkfrequenzspektrum ergänzen, besondere Bestimmungen enthalten, um die Anwendung der geltenden Gemeinschaftsvorschriften für die Barrierefreiheit (eAccessibility) in allen Bereichen sicherzustellen. Insbesondere müssen in diesem Zusammenhang die Rechte von Menschen mit Behinderungen, älteren Menschen und Bürgern mit geringem oder ohne IT-Wissen umfassend gewährleistet werden, wenn Fortschritte im digitalen Bereich in Übereinstimmung mit der Kommissionsmitteilung „Europäische i2010-Initiative zur digitalen Integration — 'An der Informationsgesellschaft teilhaben'“ (KOM(2007) 694 endg.) zum Tragen gebracht werden sollen.

4.12.4

Hierfür könnten zahlreiche — zu gegebener Zeit festzulegende — Anreize geboten werden, da mit der Telekommunikationssektor und die Mitgliedstaaten, insbesondere auf regionaler und lokaler Ebene, über entsprechende Maßnahmen alle technologischen Neuentwicklungen den Bürgern allgemein zugänglich machen.

4.13

Die neuen technischen Bedingungen dürften voraussichtlich keinen weiteren unnötigen Finanz- oder Verwaltungsaufwand auf europäischer, nationaler oder regionaler Ebene verursachen.

Brüssel, den 16. Januar 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Richtlinie 87/372/EWG des Rates vom 25. Juni 1987 über die Frequenzbänder, die für die koordinierte Einführung eines europaweiten öffentlichen zellularen digitalen terrestrischen Mobilfunkdienstes in der Gemeinschaft bereitzustellen sind, ABl. L 196 vom 17.7.1987, S. 85.

(2)  Empfehlung des Rates 87/371/EWG vom 25. Juni 1987 für die koordinierte Einführung eines europaweiten öffentlichen zellularen digitalen terrestrischen Mobilfunkdienstes in der Gemeinschaft, ABl. L 196 vom 17.7.1987, S. 81.

(3)  Entschließung des Rates vom 14. Dezember 1990 über die Schlussphase in der koordinierten Einführung eines europaweiten öffentlichen zellularen digitalen terrestrischen Mobilfunkdienstes in der Gemeinschaft (GSM), ABl. L 329 vom 31.12.1990, S. 25.

(4)  ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 1.

(5)  Ausschussstellungnahme CESE 51/2001, verabschiedet auf der Plenartagung am 24. Oktober 2001.

(6)  Die Länder koordinieren seit jeher die Nutzung des Frequenzspektrums im Rahmen der Internationalen Fernmeldeunion (ITU), eines Fachgremiums der Vereinten Nationen. Auf den ITU-Weltfunkkonferenzen (WRC) treffen alle zwei Jahr Vertreter aus186 Länder zusammen, um Maßnahmen zur internationalen Harmonisierung anzunehmen. In Europa koordinieren 43 Länder einschl. der EU-Mitgliedstaaten die Nutzung des Frequenzspektrums im Rahmen der Europäischen Konferenz der Verwaltungen für Post und Fernmeldewesen (CEPT) und ihrem Unterausschuss, dem Europäischen Ausschuss für Funkangelegenheiten (ERC).

(7)  KOM(2005) 229 endg.


17.6.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 151/27


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission — Auf dem Weg zu einer Charta der Rechte der Energieverbraucher“

KOM(2007) 386 endg.

(2008/C 151/09)

Die Europäische Kommission beschloss am 5. Juli 2007, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Mitteilung der Kommission — Auf dem Weg zu einer Charta der Rechte der Energieverbraucher“

Das Präsidium des Ausschusses beauftragte die Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft am 25. September 2007 mit der Ausarbeitung dieser Stellungnahme.

Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 441. Plenartagung am 17. Januar 2008 Herrn IOZIA zum Hauptberichterstatter und verabschiedete mit 127 Ja-Stimmen bei 1 Gegenstimme und 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung der Bemerkungen und Empfehlungen des EWSA

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt die Initiative der Kommission, eine Charta der Rechte der Energieverbraucher auszuarbeiten.

1.2

Der EWSA erachtet die Charta als einen ersten Schritt zur Stärkung und effektiven Durchsetzung der Verbraucherrechte, deren Wahrung — wie die Kommission ganz richtig feststellt — nicht gewährleistet ist, wenn sie einfach den Marktmechanismen überlassen wird.

1.3

Nach Ansicht des EWSA sollte der Erlass nicht verbindlicher Rechtsakte möglichst vermieden werden. In Übereinstimmung mit der Entschließung des Europäischen Parlaments erachtet er eine bindende Rechtsform für erforderlich, um die Wahrung der Rechte der Bürger sicherzustellen, und ist der Ansicht, dass mit nicht bindenden Maßnahmen die Ziele nicht vollständig erreicht werden können. Im Falle der Fluggastrechte hielt es die Kommission für erforderlich, eine Verordnung zu erlassen (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vom 11. Februar 2004). Deshalb ist nicht klar, weshalb die Rechte der Energieverbraucher hingegen in einem Dokument ohne bindende Wirkung geregelt werden sollen.

1.4

Der EWSA empfiehlt der Kommission, neben den vorgeschlagenen und zur Verabschiedung stehenden Änderungen der Richtlinien die Möglichkeit zu prüfen, die Charta in eine Verordnung über die Rechte der europäischen Energieverbraucher umzuwandeln.

1.5

Der EWSA ist der Auffassung, dass die in den Richtlinien verankerten Rechte für alle Endverbraucher gelten sollten, insbesondere für die Privatkunden und die kleinen und mittleren Unternehmen. Die „Elektrizitätsrichtlinie“ (54/2003) überlässt den Mitgliedstaaten die Wahl, den kleinen Unternehmen (mit weniger als 50 Angestellten und einem Gesamtumsatz bis zu 10 Mio. EUR) eine Grundversorgung zu garantieren, d.h. das Recht auf Versorgung mit Elektrizität bestimmter Qualität zu angemessenen, leicht und eindeutig vergleichbaren und transparenten Preisen.

1.6

Der EWSA ist der Ansicht, dass diese unterschiedliche Behandlung überhaupt nicht gerechtfertigt ist und das Recht auf Grundversorgung unionsweit zumindest den KMU gewährt werden sollte. Zu diesem Zweck und angesichts der Tatsache, dass durch das derzeit vom EWSA geprüfte dritte Energiepaket die Elektrizitätsrichtlinie 2003/54 geändert wird, empfiehlt er der Kommission nachdrücklich, Artikel 2 entsprechend umzuformulieren oder auch andere als Haushaltskunden in die Zielgruppen der Rechtecharta aufzunehmen.

1.7

Nach dem Dafürhalten des EWSA sollte der Begriff „Verbraucher“ unbedingt den Endverbraucher bezeichnen, d.h. den Kunden des Versorgungsunternehmens. Der unterschiedliche Wortgebrauch in der Mitteilung „Eine Energiepolitik für Europa“, in der von einer Charta der Kundenrechte die Rede ist, und im vorliegenden Vorschlag für eine Charta der Energieverbraucherrechte führt zu Unsicherheit und Verwirrung. Das Interesse der KMU und Handelsbetriebe an einer garantierten kontinuierlichen und ausreichenden Versorgung mit Energie für ihre gewerbliche Tätigkeit verdient im gleichen Maße Beachtung, insbesondere in den Konvergenz- und Kohäsionsregionen.

1.8

Die Gewährleistung der auf die kleinen und mittleren Unternehmen ausgedehnten Grundversorgung, die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen, der Schutz der wirtschaftlich benachteiligten und von „Energiearmut“ bedrohten Bevölkerungsgruppen, der wirtschaftliche, soziale und territoriale Zusammenhalt, die Vertragsfreiheit, das Recht auf Information, auf einen schnellen Anschluss an das Versorgungssystem, auf eindeutig formulierte Verträge und auf angemessene, zwischen den einzelnen Lieferanten vergleichbare und transparente Preise, die Gewährleistung einer ununterbrochenen Versorgung, die Kenntnis der genutzten Energiequellen — dies alles sind ausgesprochen wichtige Güter; die Kommission hat zu Recht darauf hingewiesen, dass sich selbst überlassene Marktkräfte dieses Maß an sozialem, ökologischen und wirtschaftlichem Bewusstsein nicht aufbringen. Der EWSA unterstützt aus tiefster Überzeugung alle Initiativen, die diese Problematik auf einfache und wirksame Weise angehen, und fordert die Kommission auf, alle am besten geeigneten Instrumente einzusetzen.

1.9

Der EWSA empfiehlt zu prüfen, ob über die drei bereits vorgesehenen Änderungen hinaus im Rahmen des dritten Energiepakets weitere Änderungen am Anhang A der Elektrizitätsrichtlinie vorgenommen werden sollten.

1.10

Der EWSA hat Ende 2001 die Umwandlung der „Gruppe der europäischen Regulierungsbehörden für Elektrizität und Erdgas“ (ERGEG) in eine Agentur vorgeschlagen. Er begrüßt, dass die Kommission diesen Vorschlag nun im Rahmen des „dritten Energiepakets“ in die Tat umsetzt, und hofft, dass zu den Aufgaben der künftigen Agentur auch die Prüfung der korrekten Durchsetzung der Verbraucherrechte gehören wird, insbesondere der Schutz der schwächsten Verbraucher. Der EWSA befürwortet eine Einbeziehung der Verbraucherverbände, der kleinen und mittleren Unternehmen, der Energieindustrie und der Gewerkschaftsorganisationen, um — wie bereits im Verkehrssektor geschehen — der Zusammenarbeit und der gemeinsamen Verantwortung mehr Geltung zu verschaffen. Ein europäischer Runder Tisch, der der Agentur Befugnisse zur Intervention und Steuerung der Beziehungen zwischen den Produzenten und den Endverbrauchern erteilt, kann in erheblichem Maße zur Verwirklichung der Ziele beitragen. Die nationalen Regulierungsbehörden sollten die Märkte entsprechend ihren Zuständigkeiten überwachen.

1.11

Der EWSA begrüßt die Vorschläge der Kommission im Anhang zur Mitteilung, die — wirksam umgesetzt — die Verbraucherrechte stärken würden. Er hebt insbesondere hervor, dass das Recht auf öffentliche Versorgungsleistungen und auf Grundversorgung wirksam garantiert werden muss, wobei der Versorger letzter Instanz festzulegen ist, der einspringen kann, wenn der übliche Lieferant Probleme mit der Energieversorgung hat.

1.12

Gleiche Binnenmarktregeln auf dem Gebiet der Verträge: Transparenz, Durchführungsmodalitäten, klare und kostenfreie Verfahren zur Beilegung von Rechtsstreitigkeiten und Entschädigungen sollten einheitlich sein, um die grenzüberschreitende Mobilität der Verbraucher zu fördern und den europäischen Markt auch den Endverbrauchern zugänglich zu machen.

1.13

Angemessene, transparente und vergleichbare Preise. Verständliche und vollständige Rechnungen mit für den Verbraucher nützlichen Informationen über die zur Stromerzeugung genutzten Energiequellen sowie die CO2- und sonstigen Treibhausgasemissionen und mit Vorschlägen zur Energieeinsparung, die mit der Gemeinschaftspolitik im Einklang stehen.

1.14

Die freie Wahl des Anbieters, die Möglichkeit, ihn kurzfristig und kostenfrei zu wechseln und die Begrenzung der Mindestvertragslaufzeit sind mit der Vollendung des Marktes verbundene Rechte.

1.15

Informationen. Wahrheitsgemäße, vollständige und leicht verständliche Informationen über die Zugangs- und Nutzungsbedingungen, Gebühren und Preise und ihre Entwicklung.

1.16

Bei Beschwerden sollte unter Anwendung der Empfehlungen der Kommission Nr. 98/257 und 2001/310 eine außergerichtliche Beilegung der Streitigkeiten oberstes Gebot sein.

1.17

Das Recht auf Vertretung durch Verbraucherverbände muss gestärkt und effektiv durchgesetzt werden. Ein offener Runder Tisch innerhalb der zu errichtenden Agentur könnte als Forum dienen, in dem alle betroffenen Akteure zusammenkommen können, um nach geeigneten Lösungen für die Durchsetzung der Verbraucherrechte zu suchen.

1.18

Energiearmut bedeutet, von einem würdigen Leben ausgeschlossen zu sein. Die Definition dessen, was unter einem schutzbedürftigen Verbraucher zu verstehen ist, und die zu seinen Gunsten zu ergreifenden Maßnahmen müssen vereinheitlicht werden, wobei durch die Gewährleistung einer Grundversorgung, aber auch durch die kostenlose Bereitstellung von Energie eine Unterbrechung der Energieversorgung zu vermeiden ist. Hierbei muss stets das Verantwortungsprinzip gewahrt bleiben.

1.19

Unlautere Geschäftspraktiken müssen wirksam bekämpft werden, indem die Bestimmungen in Anhang 1 der Richtlinie 2005/29/EG vom 11. Mai 2005 aktualisiert werden. Gegen andere unlautere Praktiken könnte auf dem Verordnungsweg vorgegangen werden, statt die Richtlinie zu ändern.

1.20

Der EWSA schlägt vor, neben den von der Kommission angeführten neun Bereichen auch jene aus den Rechtechartas zu berücksichtigen, die beispielsweise in einigen EU-Mitgliedstaaten von Versorgungsunternehmen und Verbraucherverbänden bereits unterzeichnet wurden: das Recht des Verbrauchers auf Wertschätzung seiner Zeit, auf Mitwirkung und Vertretung, auf Qualität und Sicherheit, auf den günstigsten, d.h. den am besten dem Profil des Verbrauchers entsprechenden Tarif, auf Schadensersatz und auf ein rasches und effektives Schlichtungsverfahren.

2.   Einführung: Das Kommissionsdokument

2.1

Die Kommission hat in der Mitteilung vom 10. Januar 2007 (1)  (2) die Absicht bekundet, eine Rechtecharta für die Kunden der Gas- und Energieversorgungsunternehmen auszuarbeiten. Dies wurde vom Europäischen Rat auf seiner Frühjahrstagung am 8./9. März befürwortet, der in seinen Schlussfolgerungen „bessere[n] Verbraucherschutz, z.B. durch Ausarbeitung einer Energieverbrauchercharta“, fordert.

2.2

Die Kommission erkennt an, dass sich mit Marktmechanismen allein nicht die Wahrung der Verbraucherinteressen gewährleisten lässt, und hebt hervor, dass in den geltenden Richtlinien bereits gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen vorgesehen sind und Verbraucherrechte garantiert werden; es werden Maßnahmen zur Überwachung der Umsetzung und der „effektiven“ Durchsetzung der Verbraucherrechte auf nationaler Ebene und zur Stärkung und Erweiterung dieser Rechte angekündigt.

2.3

Die vollständige Liberalisierung der europäischen Energie- und Gasmärkte am 1. Juli 2007 ist eine günstige Gelegenheit, um unter Einbeziehung der Verbraucherverbände eine angemessene Informationskampagne für die Bürger durchzuführen und sie über die Vorteile zu informieren, die sich aus der Möglichkeit ergeben dürften, ihren Energieversorger frei wählen und weiterhin dieselben Rechte genießen zu können.

2.4

Energie ist für jeden europäischen Bürger von zentraler Bedeutung. Ein verbesserter Schutz und die Stärkung der Verbraucherinteressen auf demselben Niveau wie bei Unternehmen sind Voraussetzungen für einen gut funktionierenden Binnenmarkt.

2.5

Die geltenden europäischen Rechtsvorschriften verlangen bereits die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen, die eine unerlässliche Grundlage des Energierechts sind. Die vorrangige nachhaltige Entwicklung, der Umweltschutz, der Verbraucherschutz und der Schutz der schwächsten Bevölkerungsgruppen, mit anderen Worten die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen, sind eine notwendige Ergänzung des Wettbewerbs. „Gezielte gemeinwirtschaftliche und Grundversorgungsverpflichtungen zum Wohle der Verbraucher müssen weiterhin fester Bestandteil der Liberalisierung sein“.

2.6

Zur Bekämpfung von Energiearmut muss die EU darüber hinausgehende Maßnahmen treffen. Die auf den internationalen Märkten ständig steigenden Brennstoffpreise wirken sich auf die Energiepreise aus und verursachen den schwächsten Bevölkerungsgruppen in Europa immer mehr Probleme. Die Mitgliedstaaten haben sich nicht ausreichend für dieses Thema interessiert, nur fünf verfügen über einen Tarif für wirtschaftlich benachteiligte Haushalte. Die künftige Charta muss entsprechende Modalitäten enthalten, um die schwächsten Verbraucher zu schützen.

2.7

Hauptziele. Die vier bereits von der Kommission vorgeschlagenen Ziele werden bekräftigt (3):

Förderung der Einführung von Regelungen, die eine Unterstützung der sozial schwächsten EU-Bürger im Falle von Energiepreiserhöhungen vorsehen,

Verbesserung des Mindestinformationsangebots für die Bürger als Orientierungshilfe bei der Wahl des Versorgers und der Entscheidung zwischen verschiedenen Versorgungsoptionen,

Reduzierung des bürokratischen Aufwands beim Wechsel eines Kunden zu einem anderen Anbieter,

Schutz der Kunden vor unlauteren Verkaufspraktiken.

2.8

Bei der künftigen europäischen Charta der Rechte der Energieverbraucher wird es sich nicht um einen verbindlichen Rechtsakt handeln. Sie muss Folgendes enthalten:

a)

bestehendes Gemeinschaftsrecht, in dem Verbraucherrechte und Pflichten der Energieversorger verankert sind;

b)

mögliche Elemente, die von den Mitgliedstaaten (Regierungen bzw. Regulierungsbehörden) bei der Umsetzung und der Anwendung dieses Rechts berücksichtigt werden sollten;

c)

mögliche Elemente, die bestehende Rechte ergänzen könnten und die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen;

d)

mögliche Elemente, die bestehende Rechte ergänzen könnten und die durch die Selbstregulierung privater Akteure, d.h. der Wirtschaft und der Verbrauchervertreter, verwirklicht werden könnten.

2.9

Es werden neun Kernpunkte aufgeführt, die Gegenstand der Charta sein werden:

Anschluss

Verträge

Preise, Tarife und Überwachung

Freie Wahl des Anbieters

Informationen

Beschwerden

Vertretung

Sozialmaßnahmen

Unlautere Geschäftspraktiken

2.10

Gemäß dem Grundsatz der „gemeinsamen Verantwortung“ müssen alle Beteiligten, d. h. die Gemeinschaft, die Mitgliedstaaten, die Energiewirtschaft, die von allen Sozialpartnern vertreten wird, und die Verbraucherverbände ihren Beitrag leisten, damit die Energiepolitik ein Erfolg für die Bürger wird.

2.11

Im Anhang werden für jeden Kernpunkt die derzeit geltenden Vorschriften angeführt und die Initiativen beschrieben, die von der Kommission, den Mitgliedstaaten oder im Rahmen von Vereinbarungen zwischen den Beteiligten bzw. Selbstregulierungskodizes ergriffen werden könnten.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der EWSA will folgende Aspekte beleuchten: den Rechtsrahmen, die Adressaten der Charta, die Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit des Kommissionsvorschlags und die Eignung anderer möglicher Instrumente, die Rolle der Agentur und der nationalen Regulierungsbehörden, weitere allgemeine oder spezifische Vorschläge oder Initiativen.

Der Rechtsrahmen

3.2

In Artikel 38 der Grundrechtecharta der Europäischen Union mit dem Titel „Verbraucherschutz“ heißt es: „Die Politiken der Union stellen ein hohes Verbraucherschutzniveau sicher.“ Dieser Artikel greift Artikel 153 des Vertrags auf, der die Gemeinschaft damit beauftragt, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten und ihr Recht auf Information und zur Bildung von Vereinigungen zur Wahrung ihrer Interessen zu fördern. Darüber hinaus müssen die Erfordernisse des Verbraucherschutzes bei der Gestaltung und der Umsetzung anderer gemeinschaftlicher Politiken oder Aktivitäten berücksichtigt werden.

3.2.1

Mit dem Vertrag von Amsterdam, der den früheren Artikel 129 a der Verträge in den heutigen Artikel 153 umformuliert, wurde die Zuständigkeit der Gemeinschaft im Bereich des Verbraucherschutzes endgültig bekräftigt (4).

3.2.2

Der EWSA begrüßt die Entscheidung der Kommission, die Verbraucherrechte zu stärken und sowohl die derzeit vom Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Maßnahmen (5) als auch Vorschläge für künftig auf verschiedenen Ebenen zu ergreifende Initiativen in einer Charta der Rechte der Energieverbraucher zusammenzufassen.

3.2.2.1

Der Ausschuss weist jedoch darauf hin, dass es die verschiedenen Formen des Verbraucherschutzes in den einzelnen Mitgliedstaaten bislang nicht ermöglichen, die Bestimmungen der geltenden Richtlinien als feststehende und allgemein anerkannte Rechte zu betrachten. Der erklärtermaßen unverbindliche Charakter der Charta, die Verbindlichkeit in einigen Bereichen mit Optionen der Selbstregulierung und der „moralischen Überzeugung“ der Mitgliedstaaten und der Energieversorger koppelt, kann Verwirrung stiften.

3.2.2.2

In der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 4. September 2007 zu rechtlichen und institutionellen Auswirkungen der Verwendung von nicht zwingenden Rechtsinstrumenten („soft law“) heißt es in Erwägungsgrund X, dass „in den Fällen, in denen die Gemeinschaft Rechtsetzungsbefugnis hat, der politische Wille zur Einführung von Rechtsvorschriften aber offensichtlich fehlt, beim Einsatz von Rechtsinstrumenten des nicht zwingenden Rechts die Gefahr besteht, dass die eigentlich zuständigen Rechtsetzungsorgane umgangen werden, die Grundsätze der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit nach Artikel 6 des EU-Vertrags sowie der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit nach Artikel 5 des EG-Vertrags ausgehöhlt werden und die Kommission ihre Befugnisse überschreitet.“

3.2.2.3

In Ziffer 1 der vom EP-Abgeordneten Manuel Medina Ortega (6) vorgelegten Entschließung „vertritt [das Parlament] die Auffassung, dass auf gemeinschaftlicher Ebene Rechtsinstrumente des nicht zwingenden Rechts allzu oft mehrdeutig und unwirksam sind, was negative Auswirkungen auf die gemeinschaftliche Rechtsetzung und auf das institutionelle Gleichgewicht haben kann, und dass sie deshalb — selbst dort, wo es im Vertrag vorgesehen ist — mit Vorsicht verwendet werden sollten.“ Insbesondere fordert es in Ziffer 8 die Kommission auf, „den Auswirkungen von Soft Law auf die Verbraucher und ihren möglichen Rechtsmitteln besondere Aufmerksamkeit zu widmen, bevor sie eine Maßnahme im Zusammenhang mit nicht zwingenden Rechtsinstrumenten vorschlägt“.

3.2.3

Der EWSA schlägt vor, zwischen durchsetzbaren und einklagbaren „Rechten“ und anderen Schutzformen zu unterscheiden, wobei in der künftigen Charta eine klare Trennung zwischen den bestehenden Rechten und den anderen Vorschlägen für Initiativen zu ziehen ist, die auf allen Ebenen ergriffen werden oder ergriffen werden können und als wünschenswert, aber nicht bindend gelten.

3.2.3.1

Der EWSA fragt sich, ob in Anbetracht der bislang gemachten Erfahrungen, die die Kommission selbst als unbefriedigend qualifiziert, und angesichts der vertraglich verankerten Befugnisse der Kommission nicht eher der Erlass weniger und klarer neuer Vorschriften zur Verbesserung des Verbraucherschutzes, insbesondere im Hinblick auf die schutzbedüftigsten Verbraucher in Erwägung gezogen werden sollte. Das in Artikel 5 des Vertrags verankerte Subsidiaritätsprinzip, auf das so häufig fälschlicherweise verwiesen wird, um sich gemeinschaftlichen Initiativen entgegenzustellen, sollte in diesem Fall mangels wirksamer nationaler Gesetze zum Zuge kommen, um Entscheidungen zugunsten der Verbraucher zu treffen.

Wer sind die Verbraucher?

3.3

Der EWSA betont, dass der rechtliche Bezugsrahmen nicht eindeutig erkennen lässt, wer die Adressaten der Charta sind und welche Rechte im Rahmen der europäischen Rechtsvorschriften hiermit verbunden sind. In der Mitteilung „Eine Energiepolitik für Europa“ (7) heißt es: „Die Kommission wird eine Energieverbrauchercharta ausarbeiten“.

3.3.1

In der Richtlinie 2003/54/EG vom 26. Juni 2003 werden in Artikel 2 Absatz 7 „Kunden“ als Großhändler und Endkunden, die Elektrizität kaufen, definiert, „Endkunden“ als Kunden, die Elektrizität für den eigenen Verbrauch kaufen, „Haushalts-Kunden“ als Kunden, die Elektrizität für den Eigenverbrauch im Haushalt kaufen, und „Nicht-Haushalts-Kunden“ als Kunden, die Elektrizität für andere Zwecke als den Eigenverbrauch im Haushalt kaufen, wozu auch Erzeuger und Großhändler zählen.

3.3.2

In der Richtlinie 2005/29/EG vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern, auf die sich die Kommission als rechtliche Bezugsquelle für den Teil der Charta beruft, der sich auf das Recht der Verbraucher auf gleichberechtigte und transparente Beziehungen zum eigenen Anbieter bezieht, wird der Begriff „Verbraucher“ in Artikel 2 Buchstabe a) folgendermaßen definiert: jede natürliche Person, die im Geschäftsverkehr im Sinne dieser Richtlinie zu Zwecken handelt, die nicht ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.

3.3.3

Der EWSA ist der Auffassung, dass die in den Richtlinien verankerten Rechte für alle Endverbraucher gelten müssen, insbesondere die Privatabnehmer und die KMU. Die „Elektrizitätsrichtlinie“ überlässt es den Mitgliedstaaten, ob sie Kleinunternehmen (mit weniger als 50 Beschäftigten und einer Jahresbilanz von höchstens 10 Mio. EUR) eine Grundversorgung garantieren, also das Recht auf Versorgung mit Elektrizität einer bestimmten Qualität zu angemessenen, leicht und eindeutig vergleichbaren und transparenten Preisen.

3.3.4

Der EWSA ist der Ansicht, dass diese unterschiedliche Behandlung überhaupt nicht gerechtfertigt ist und das Recht auf Grundversorgung zumindest allen KMU in der gesamten Union zugestanden werden sollte. Zu diesem Zweck und vor dem Hintergrund, dass durch das derzeit vom EWSA geprüfte dritte Energiepaket die Elektrizitätsrichtlinie 2003/54 abgeändert wird, empfiehlt er der Kommission nachdrücklich, Artikel 2 entsprechend umzuformulieren oder die Nicht-Haushalts-Kunden zu den Adressaten der Rechtecharta hinzuzufügen.

3.3.5

Nach dem Dafürhalten des EWSA sollte der Begriff „Verbraucher“ unbedingt den Endverbraucher bezeichnen, d.h. den Kunden des Versorgungsunternehmens. Der unterschiedliche Wortgebrauch in der Mitteilung „Eine Energiepolitik für Europa“, in der die Rede von einer Charta der Kundenrechte ist, und im vorliegenden Vorschlag für eine Charta der Energieverbraucherrechte stiftet Unsicherheit und Verwirrung (1). Das Interesse der KMU und der Handelsbetriebe an einer garantierten kontinuierlichen und ausreichenden Versorgung mit Energie für ihre gewerbliche Tätigkeit verdient im gleichen Maße Beachtung, insbesondere in den Konvergenz- und Kohäsionsregionen.

Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit des Vorschlags

3.4

Der EWSA erachtet den Vorschlag zum Erlass einer Charta der Rechte der Energieverbraucher als wichtig, weil sie insofern auf die öffentliche Meinung einwirken kann, als sie unmittelbar nach der tatsächlichen Öffnung des Binnenmarkts eine Debatte einleitet und das Bewusstsein der Energiekunden schärft. Dieses Instrument erscheint jedoch schwach, weil die Charta laut Vorschlag der Kommission abgesehen von den Passagen aus früheren Richtlinien keine bindende Wirkung hätte — im Gegensatz zum Verkehrssektor, wo die Charta der Rechte von Fluggästen eindeutige Verweise auf Rechte und ebenso eindeutige Verweise auf fällige Entschädigungszahlungen enthält. Es wäre eher ein Kompendium als eine Stärkung von Rechten. Die Erwartungen, die durch die Erklärungen der Kommissionsmitglieder Andris Piebalgs und Meglena Kuneva anlässlich der Vorlage des hier untersuchten Dokuments geweckt wurden, könnten enttäuscht werden.

3.4.1

„Die Verbraucher der EU verlangen von uns eine gemeinsame europäische Antwort auf die Herausforderungen der Energieversorgung und des Klimawandels“, so Andris Piebalgs, für Energie zuständiges Mitglied der Europäischen Kommission. „Neben der Gewährleistung einer nachhaltigen, sicheren und wettbewerbsfähigen Energieversorgung erwarten die EU-Bürger von der EU, dass sie sich für den Schutz ihrer Rechte als Verbraucher in liberalisierten Märkten einsetzt, die ihnen eine größere Auswahl an Energieversorgern bieten. Hier spielt die Charta der Energieverbraucher eine Rolle.“

3.4.2

„Die Liberalisierung dieser Märkte stellt für die europäischen Verbraucher gleichzeitig eine Herausforderung und eine Chance dar“, erklärte Meglena Kuneva, für Verbraucherschutz zuständiges Mitglied der Europäischen Kommission. „Erst wenn es uns gelungen ist, einen transparenten und effizienten Markt zu schaffen, auf dem die Rechte der Verbraucher in vollem Umfang garantiert werden und die entsprechend informierten Verbraucher ihr Wissen nutzen, um Vorteile aus dem verfügbaren Angebot zu ziehen, können wir behaupten, dass wir unser Ziel erreicht haben.“

3.4.3

Der EWSA ist im Einklang mit der Entschließung des Europäischen Parlaments der Ansicht, dass eine bindende Rechtsform erforderlich ist, um die Rechte der Bürger zu sichern, und dass nicht zwingende Maßnahmen (soft law) keine vollständige Verwirklichung der Ziele ermöglichen. Im Falle der Rechte von Fluggästen hat es die Kommission für erforderlich erachtet, eine Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vom 11. Februar 2004) zu erlassen. Es ist daher nicht klar, warum die Rechte der Energieverbraucher hingegen in einem Dokument ohne bindende Wirkung verankert werden sollten. Diese Charta wird deshalb verabschiedet, weil die derzeit anerkannten Rechte in der Praxis nicht eingehalten werden und weil die nationalen Umsetzungsvorschriften bis auf wenige rühmliche Ausnahmen unzureichend sind. Die Kommission hat die Befugnis und die Verantwortung, tätig zu werden, bevorzugt aber ein nicht bindendes Instrument, obwohl sie weiß, dass der Markt allein nicht in der Lage ist, angemessene und ausreichende Lösungen zu bieten.

3.4.4

Der Bericht der Kommission über die Anwendung der Verordnung über die Rechte von Fluggästen (8) sollte zu denken geben. Darin heißt es: „Nach über zweijähriger Anwendung der Verordnung sind Fortschritte zu verzeichnen, aber erhebliche Verbesserungen sind noch notwendig, um eine konsequentere Anwendung der Vorschriften durch die Luftfahrtunternehmen und eine konsequentere Durchsetzung der Vorschriften durch die Mitgliedstaaten zu erreichen. Im Vergleich zu früher haben gestrandete Fluggäste jetzt zwar spezifische Rechte, aber sie befinden sich oft in einer schwachen Position gegenüber den Luftfahrtunternehmen.“ Offensichtlich kommen die Luftfahrtunternehmen trotz verbindlicher Vorschriften nicht den Bestimmungen der Richtlinie nach. Warum sollten sich dann die Gas- und Stromversorgungsunternehmen an eine Charta ohne bindende Wirkung halten?

3.4.5

Vor dem Hintergrund der Erfahrungen in diesem und anderen Wirtschaftsbereichen hält es der EWSA für zweckmäßig, die Verabschiedung legislativer Maßnahmen zu empfehlen, in denen die Rechte der Verbraucher uneingeschränkt gewährleistet werden. Die Verhältnismäßigkeit eines Vorschlags hängt davon ab, ob er den Zielvorgaben entspricht und ob Rechtsakte mit Verordnungscharakter erlassen werden müssen. Im vorliegenden Fall bevorzugt die Kommission einen anderen Ansatz, obwohl sie die Möglichkeit hat, auf dem Verordnungswege einzugreifen. Nach Ansicht des EWSA ist die Wahl des Instruments für das Erreichen der Zielvorgaben objektiv unangemessen. Die Charta kann nur ein erster Schritt sein, doch muss sich der europäische Gesetzgeber für eine effektive Stärkung der Verbraucherrechte stark machen.

3.4.6

Die Gewährleistung der auf die kleinen und mittleren Betriebe ausgedehnten Grundversorgung, die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen, der Schutz der wirtschaftlich benachteiligten und von „Energiearmut“ bedrohten Bevölkerungsgruppen, der wirtschaftliche, soziale und territoriale Zusammenhalt, die Vertragsfreiheit, das Recht auf Information, auf einen schnellen Anschluss an das Versorgungssystem, auf eindeutig formulierte Verträge und auf angemessene, zwischen den einzelnen Lieferanten vergleichbare und transparente Preise, die Gewährleistung einer ununterbrochenen Versorgung, die Kenntnis der genutzten Energiequellen — dies alles sind ausgesprochen wichtige Güter; die Kommission hat zu Recht darauf hingewiesen, dass sich selbst überlassene Marktkräfte dieses Maß an sozialem, ökologischen und wirtschaftlichem Bewusstsein nicht aufbringen. Der EWSA unterstützt aus tiefster Überzeugung alle Initiativen, die diese Problematik auf einfache und wirksame Weise angehen, und ruft die Kommission auf, alle geeigneten Instrumente zu nutzen.

Die Rolle der Agentur und der nationalen Regulierungsbehörden

3.5

Der EWSA begrüßt den Verordnungsvorschlag des dritten Energiepakets, mit dem eine Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden gegründet wird (9). In seiner Stellungnahme vom 17. Oktober 2001 zum zweiten „Energiepaket“ (10) heißt es: „Er fordert die Kommission auf, nachdem sie die Ergebnisse der Arbeit dieses Rates [ERGEG] ausgewertet hat, dessen Umwandlung in eine für Fragen des internationalen Elektrizitäts- und Erdgastransports zuständige europäische Agentur oder vergleichbare Einrichtung zu erwägen“. Der Ausschuss ist erfreut, dass er die Errichtung der Agentur mit so viel Weitblick vorgeschlagen hatte.

3.5.1

In der Mitteilung der Kommission „Aussichten für den Erdgas- und den Elektrizitätsbinnenmarkt“ (11) wird die Stärkung der Richtlinien zu den Befugnissen der nationalen Regulierungsbehörden angekündigt. In Ziffer 2.2.1 vertritt die Kommission die Auffassung, „dass die Regulierer über umfangreiche Ex-ante-Befugnisse in den folgenden Bereichen verfügen müssen: […] vii) Verbraucherschutz, einschließlich etwaiger Endverbraucherpreiskontrollen“. Bedauerlicherweise wird eine derartige „Stärkung“ im dritten Energiepaket mit keinem Wort erwähnt! Gestärkt werden in der Tat einige Befugnisse der Regulierungsbehörden, und zwar im neuen Kapitel VIIa der neuen Energierichtlinie, wo von der Regulierungsbehörde verlangt wird, dass „sie […] hohe Standards bei der Gewährleistung der Grundversorgung und der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen im Bereich Elektrizität ([nd Gas und] den Schutz benachteiligter Kunden gewährleistet und dass die in Anhang A festgelegten Maßnahmen zum Schutz der Kunden wirksam sind“; allerdings waren bereits fast alle Regulierungsbehörden mit diesen Aufgaben betraut.

3.5.2

Die Kommission schlägt in der neuen Energierichtlinie außerdem die Änderung von Anhang A vor, der durch drei Absätze ergänzt werden soll: der erste bezieht sich auf das Recht auf Zugang zu den Verbrauchsdaten, der zweite auf das Recht auf Information über den monatlichen Verbrauch und die entsprechenden Kosten und der dritte auf das Recht, zu jedem beliebigen Zeitpunkt im Jahr den Versorger wechseln zu können. Der EWSA begrüßt den Vorschlag, fragt sich aber, warum die Kommission nicht für die von ihr angestrebte Stärkung der Verbraucherrechte eine Überarbeitung der Richtlinie vorgenommen hat, zumal sie die Möglichkeit zur Vorlage wirkungsvollerer Initiativen hat.

3.5.2.1

Die von der Kommission vorgeschlagene Änderung von Artikel 3, mit der ein neuer Absatz 10 angefügt werden soll, dem zufolge einige Teile der Verordnung nach dem Regelungsverfahren erlassen werden, könnte ein geeignetes Instrument zur Stärkung der Verbraucherrechte sein, da die Entscheidungen der Ausschüsse in den ihnen übertragenen Bereichen umgehend zur Anwendung kommen. Der EWSA empfiehlt den EU-Institutionen, diesem Punkt des Kommissionsvorschlags zuzustimmen.

3.5.2.2

Der Anhang zur Mitteilung „Auf dem Weg zu einer Charta der Rechte der Energieverbraucher“ enthält neben bestehenden (und schwer einklagbaren) Rechten auch einige Anregungen für neue Rechte. Durch die Aufnahme dieser Vorschläge in den Anhang A würden diese verbindlich und in der Folge den Boden für den Erlass einer spezifischen Verordnung zum Schutz der Verbraucherrechte bereiten.

3.5.3

Nach Ansicht des EWSA sollte die Europäische Agentur künftig auch über die Wahrung der Verbraucherrechte wachen. Dazu wäre die Einbeziehung der Verbraucherverbände, der kleinen und mittleren Betriebe, der Energieindustrie und der Gewerkschaftsorganisationen vorzusehen, um der Zusammenarbeit und der gemeinsamen Verantwortung mehr Geltung zu verschaffen, wie es bereits im Verkehrsbereich geschehen ist. Ein europäischer Runder Tisch also, der der Agentur Befugnisse zur Intervention und Steuerung der Beziehungen zwischen Erzeugern und Endverbrauchern erteilt.

3.5.3.1

Die Agentur sollte im Rahmen des institutionellen Gefüges und ihrer Zuständigkeiten verbindliche Befugnisse haben. Ihr werden Vertreter der nationalen Regulierungsbehörden angehören und sie wird über Fachausschüsse verfügen, in denen alle nationalen Regulierungsbehörden vertreten sind. Der EWSA plädiert dafür, dass sie auch für den Verbraucherschutz zuständig ist und sich dabei vom Runden Tisch beraten lässt. Dadurch würde ein effizienteres Eingreifen im Interesse der von der Kommission mit der Charta der Rechte verfolgten Ziele möglich. Der EWSA betonte bereits 2001, dass „es notwendig [wäre], die Tätigkeit dieser Behörden transparenter und demokratischer zu gestalten und am Entscheidungsfindungsprozess auch die verschiedenen Akteure auf dem Elektrizitäts- und Erdgasmarkt [Verbraucher, Arbeitnehmer und Unternehmen] zu beteiligen“ (12).

3.5.3.2

Die nationalen Regulierungsbehörden können darüber hinaus aktiv an der Erarbeitung einer allgemeinen Schutzstrategie mitwirken und werden bei der Durchsetzung der neuen Bestimmungen mehr Einfluss haben.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

In seiner Stellungnahme zur Energierichtlinie aus dem Jahr 2001 (13) begrüßte der Ausschuss, dass die Kommission die Verwirklichung bestimmter gemeinwirtschaftlicher Ziele für grundlegend ansieht, und äußerte die Ansicht, dass dazu Bestimmungen erforderlich sind, die ein hohes Schutzniveau für Haushalte mit besonderen Maßnahmen für die Schwächsten gewährleisten, z.B. soziale Maßnahmen, mit denen sichergestellt wird, dass benachteiligte Gruppen zu gerechten Preisen versorgt werden können. Bedauerlicherweise sind die Erfahrungen in diesem Bereich bislang wenig erfreulich.

4.2

„Die grenzüberschreitenden Stromflüsse in Europa sind seit der Marktliberalisierung Jahr für Jahr stetig gestiegen. Im Durchschnitt stammen jedoch nur 10 % des EU-Elektrizitätsverbrauchs aus grenzüberschreitenden Stromflüssen“ (14).

4.3

„Der Stromausfall in Italien im Jahr 2003 und in der UCTE (15) im Jahr 2006 haben gezeigt, wie kostspielig ein Störfall im europaweiten Übertragungsnetz sein kann. Daher muss die Handelszunahme mit einem stärker koordinierten Netzbetrieb und mit dem Bau neuer Infrastruktur einhergehen, einschließlich der Modernisierung bestehender Leitungen, des Baus neuer Leitungen und, soweit erforderlich, Investitionen in andere Netzkomponenten. Wegen des lokalen Charakters von Strom ist dieses Steigerungspotenzial nicht unbegrenzt, dennoch gibt es erheblichen Spielraum für die Optimierung der Nutzung der vorhandenen Übertragungsmittel. Dieses vorausgeschickt ist die Steigerung der Stromflüsse kein Ziel an sich. Es geht vielmehr um die Möglichkeit des Transports von Strom, der eine notwendige Voraussetzung für den grenzüberschreitenden Handel und ein grundlegendes Element eines gut funktionierenden Elektrizitätsbinnenmarktes ist“ (16).

4.4

Die Endverbraucher haben ein besonderes Interesse an der Gewährleistung der Energieversorgung. Die wachsende Bedeutung der Regionen im Energiebereich dürfte sich positiv auf die Verteilung und auf die Verwirklichung soliderer Beziehungen, insbesondere zwischen grenzüberschreitenden Regionen auswirken; dies dürfte zu einem bedeutenden Ausbau des Stromhandels und der Stromflüsse führen und die Gefahr von Engpässen reduzieren.

4.5

Die Verbraucherschutzmaßnahmen sollten das Recht auf regelmäßige Informationen über das Energiehandelsvolumen, die geografische Herkunft und die Quellen, die Treibhausgasemissionen pro Kilowattstunde und die inner- und außergemeinschaftlichen Kooperationsabkommen vorsehen. So ist beispielsweise wohl bekannt, dass Länder, die beschlossen haben, auf Kernenergie zu verzichten, in Kernkraftwerken erzeugte Energie kaufen. Diese Informationen sollten dem Verbraucher gegeben werden, der dann entscheiden kann, ob er den Lieferanten wechseln möchte, wenn er den Energieträger-Mix des Versorgungsunternehmens nicht gutheißt; hingegen wird er bislang in der Regel über die Energieerzeugungskonzepte der Anbieter im Dunkeln gelassen.

4.6

Anschluss. Gewährleistung der Grundversorgung, Versorgungskontinuität, kurze Fristen für den Erstanschluss. Dies sind die derzeit geltenden, aber kaum gewahrten Rechte. Es müsste der „Versorger letzter Instanz“ ermittelt werden, der die Dienstleistungserbringung im Falle einer Verhinderung des Versorgers gewährleistet.

4.7

Vertrag. Transparenz, Durchführungsmodalitäten, Verpflichtungen, Entschädigungen, Gleichheit, Verzicht auf schikanöse oder missbräuchliche Klauseln, klare und unentgeltliche Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten — dies sind theoretisch bereits anerkannte Rechte, die jeder Mitgliedstaat bei der Umsetzung der Richtlinien in sein nationales Recht übernommen haben müsste. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Die Kommission hat im dritten Paket Änderungen zu Anhang A aufgenommen, mit denen die Verpflichtungen der Betriebe erweitert werden; aber es besteht die Gefahr, dass sie bloße Makulatur bleiben, da sie weder auf europäischer, und schon gar nicht auf nationaler Ebene durch ein effizientes Sanktionssystem flankiert werden — von einigen Ausnahmen abgesehen. Gerade in diesem Bereich sind unionsweit einheitliche Vorschriften vonnöten, die nur durch eine Verordnung garantiert werden, wie im Falle der Rechte von Fluggästen.

4.8

Preise, Gebühren und Überwachung. Transparenz, Verhältnismäßigkeit, Vergleichbarkeit, breites Spektrum an Zahlungsmodalitäten, flächendeckende Verwendung intelligenter Zähler, klare und leicht verständliche Rechnungen über den tatsächlichen Stromverbrauch. Nach Ansicht des EWSA ist es ausgesprochen wichtig, auf den Stromrechnungen die Preisbestandteile der Energieerzeugung (Energierohstoffe, Verteilung, Wartung, Abschreibungen, Gebühren und Verbrauchsteuern, Personal, Allgemeines), die Energieträger (fossile Brennstoffe, Wasserkraft, erneuerbare Energien, Nuklearenergie, kombinierter Zyklus), die CO2-Emissionen, erzielte Energieeinsparungen, Vergleiche mit dem früheren Verbrauch und dem Durchschnittsverbrauch anderer Nutzer mit denselben Merkmalen eindeutig auszuweisen. Durch dieses Informationsinstrument wird der Verbraucher dazu veranlasst, die Notwendigkeit von energiesparenden Verhaltensweisen in Betracht zu ziehen. Die Stromrechnung (die laut dem jüngsten Vorschlag der Kommission monatlich erfolgen sollte) dient zur Kommunikation zwischen Versorgungsbetrieb und Verbraucher. Darin kann eine Reihe „positiver“ Botschaften übermittelt werden, die den EU-Politiken mehr Durchschlagkraft verleihen.

4.9

Freie Wahl des Lieferanten. Die Möglichkeit, ohne Einschränkung der eigenen Rechte jederzeit und kostenfrei den Anbieter zu wechseln. Es müsste eine Garantie für die Durchführung des Wechsels innerhalb bestimmter Fristen vorgesehen werden. Mitunter werden Verträge mit einer Mindestlaufzeit abgeschlossen. Im Fall einer derartigen Klausel sollte nach Ansicht des EWSA eine Obergrenze für vertragliche Mindestlaufzeiten festgelegt werden, um das Recht auf freie Wahl des Lieferanten nicht durch übertrieben lange Mindestlaufzeiten und erhebliche Gebühren zu untergraben.

4.10

Informationen. Wahrheitsgemäße, vollständige und leicht verständliche Informationen über die Zugangs- und Nutzungsbedingungen, die Gebühren und Preise und ihre Entwicklung. Bekanntmachung der Verbraucherrechte in Bezug auf die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen und die Modalitäten für die Gewährleistung der Grundversorgung, insbesondere Qualität und Kontinuität der Strom- oder Gasversorgung, Entschädigungen bei Missachtung dieser Rechte und Modalitäten des Zugangs zu kostenfreien oder kostengünstigen Streitbeilegungsmechanismen, damit alle dasselbe Recht in Anspruch nehmen können. Jeder Lieferant sollte jährlich oder sobald ein neuer Lieferant hinzu kommt, das Verzeichnis der in der Region tätigen Betreiber vorlegen. Die Versorgungsunternehmen sollten ihre Kunden auch über die finanziellen, steuerlichen und normativen Maßnahmen zur Förderung der Energieeffizienz informieren und ihnen konkrete Anregungen für Strom- und Gaseinsparungen geben.

4.11

Beschwerden. 1998 hat sich Kommissionsmitglied Bonino für die Verbraucherrechte stark gemacht, und die Kommission verabschiedete eine Empfehlung (17) betreffend die Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten zuständig sind, die im Jahr 2001 durch eine andere Empfehlung (18) zwecks Erweiterung des Anwendungsbereichs ergänzt wurde. Was die Rechte der Energieverbraucher betrifft, so sollten die Beschwerden in erster Linie auf eine außergerichtliche Beilegung ausgerichtet sein, durch die der Verbraucher wirksam, sehr kostengünstig und kurzfristig geschützt werden kann, sofern die Neutralität der Einrichtung, die Effizienz des Verfahrens, der öffentliche Charakter und die Transparenz gewährleistet werden. Angesichts der Tragweite von Streitfällen im Bereich der Energieversorgung wäre es unverhältnismäßig, sich auf einen langen und kostspieligen Rechtsstreit vor Gericht einzulassen.

4.12

Vertretung. Das Vertretungsrecht von Verbraucherverbänden wird zwar in den EU-Rechtsvorschriften anerkannt, kann aber kaum effektiv ausgeübt werden. Das Fehlen eines unionsweiten Rechtsrahmens für Sammelklagen, den es nicht mal für Dienstleistungen oder grenzüberschreitende Wirtschaftstätigkeiten gibt, schränkt dieses Recht auf Unterlassungsklagen vor den Gerichten zusätzlich ein. Die Errichtung der Europäischen Agentur könnte eine gute Gelegenheit sein, um diesem Recht Gestalt zu verleihen und einen ständigen Runden Tisch zwischen allen betroffenen Kreisen einzurichten, wie es z.B. bei der Anwendung der „Autorichtlinie“ im Verkehrsbereich der Fall ist, wo Vertreter der Sozialpartner und der Verbraucher zusammen kommen, um den EU-Gremien bei der Analyse der Vorschläge zur Seite zu stehen. In den Mitgliedstaaten müsste analog hierzu vom nationalen Gesetzgeber ein ständiger Runder Tisch eingesetzt und konsultiert werden.

4.13

Sozialmaßnahmen. Der Ausschuss ist sehr offen für die Probleme der Energiearmut; im Falle einer Säumigkeit des Verbrauchers darf seines Erachtens auf keinen Fall die Stromversorgung unterbrochen werden. In einer unlängst verabschiedeten Stellungnahme des EWSA heißt es dazu (19): „Eine europäische Energiepolitik muss für alle sozialen Schichten tragbar sein, d.h. keine Ungleichbehandlung beim Zugang zu den Leistungen der Energieversorgungsunternehmen (...) bewirken“. Der EWSA befürwortet nicht die kostenfreie Energieversorgung, weil sie nicht zu energiesparendem Verhalten einlädt; seines Erachtens sollte das Problem vielmehr auf dem Wege der allgemeinen Besteuerung gelöst werden. Der Dienstleistungsvertrag sollte die Bereitstellung einer bestimmten Menge an Strom und Gas zum Selbstkostenpreis enthalten, mit der der Bedarf schutzbedürftiger Verbraucher ausreichend und zu für sie zumutbaren Preisen gedeckt werden kann. Das Verantwortungsprinzip sollte stets gewahrt werden. In jedem Fall sollten die Definition dessen, was ein schutzbedürftiger Verbraucher ist, und die zu seinen Gunsten zu ergreifenden Maßnahmen in der gesamten Union einheitlich sein, um niemanden zu diskriminieren und auf diese Weise Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.

4.14

Unlautere Geschäftspraktiken. Der Verbraucher wird vor irreführenden Geschäftspraktiken geschützt, bei denen falsche Informationen geliefert, für eine bewusste Entscheidungsfindung notwendige Informationen unterschlagen oder Hindernisse geschaffen und ungerechtfertigte Gebühren verlangt werden, um den Verbraucher von einem Anbieterwechsel abzubringen. Nach Ansicht des EWSA muss das Verbraucherrecht gegen derartige Praktiken gestärkt werden. Die Richtlinie 2005/29/EG vom 11. Mai 2005 verweist in Artikel 5 Absatz 5 so auch auf Anhang I, der eine Liste jener Geschäftspraktiken enthält, die unter allen Umständen als unlauter anzusehen sind, und fügt hinzu, dass diese Liste nur durch eine Änderung dieser Richtlinie abgeändert werden kann. Da die Fristen für die Aktualisierung dieser Liste unverhältnismäßig lang sind, könnte die Verordnung, die Schutzmaßnahmen für Energieverbraucher enthalten müsste, der geeignete Rahmen sein, um spezifische Energieverbraucherrechte gegen unlautere Geschäftspraktiken aufzunehmen.

5.   Austausch bewährter Verfahren

5.1

Der EWSA empfiehlt der Kommission, einige Chartas für Verbraucherrechte unter die Lupe zu nehmen, die in den Mitgliedstaaten zwischen Verbraucherorganisationen und Stromanbietern unterzeichnet wurden und in denen den Kunden umfassendere Rechte zuerkannt werden als in der geplanten EU-Charta. So wurde z.B. in Italien zwischen der Verbraucherorganisation ADOC und dem Stromgroßhändler La220 s.p.a., der sich vor Jahren schon der sozialen Verantwortung verschrieben hat, eine Charta der Verbraucherrechte unterzeichnet, die über die Vorschläge der Kommission hinaus gehen. Darin wurde beispielsweise das Recht des Verbrauchers auf Wertschätzung seiner Zeit, auf Mitwirkung und Vertretung, auf Qualität und Sicherheit, auf den günstigsten Tarif, auf Schadensersatz und auf ein rasches und effektives Schlichtungsverfahren berücksichtigt. Eine ständige Kontrolle wird durch die halbjährliche Überprüfung der Anwendung der Charta gewährleistet, die für das Unternehmen verbindlich ist, weil sie im Vertrag mit den eigenen Kunden verankert ist.

5.2

Einige nationale Regulierungsbehörden haben in die Regelung von Streitfällen eingegriffen und ein System von Pflichten, Kontrollen und Strafen für die Gewährleistung der Kontinuität der Stromversorgung eingeführt (20). Im Falle von Spannungsschwankungen, Unterbrechungen oder Unregelmäßigkeiten bei der Stromversorgung steht außer Frage, dass es sich um eine Nichterfüllung der Verpflichtungen im Sinne des Liefervertrages handelt und in diesem Fall der Lieferant für die verursachten Schäden aufkommen muss, sofern er nicht nachweisen kann, dass er für die Unterbrechung nicht verantwortlich gemacht werden kann (21).

Brüssel, den 17. Januar 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Eine Energiepolitik für Europa, KOM(2007) 1.

(2)  Aussichten für den Erdgas- und den Elektrizitätsbinnenmarkt, KOM(2006) 841.

(3)  Eine Energiepolitik für Europa, KOM(2007) 1, S. 10.

(4)  Der Vertrag von Amsterdam vom 4. Oktober 1997 formuliert den alten Vertragstext um, der der Kommission im Verbraucherschutzbereich nur koordinierende und im Vergleich zur Zuständigkeit der Mitgliedstaaten untergeordnete Aufgaben zuwies.

(5)  Anhang A der Elektrizitäts- und der Erdgasrichtlinie

Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen

Artikel 3 Absätze 3, 5 und 6 der Elektrizitätsrichtlinie

Artikel 3 Absatz 3 der Erdgasrichtlinie

Artikel 13 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 2006/32/EG vom 5. April 2006 über Endenergieeffizienz

Empfehlung 98/257/EG der Kommission betreffend die Grundsätze für Einrichtungen, die für die außergerichtliche Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten zuständig sind

Empfehlung 2001/310/EG der Kommission über die Grundsätze für an der einvernehmlichen Beilegung von Verbraucherrechtsstreitigkeiten beteiligte außergerichtliche Einrichtungen

Richtlinie 98/27/EG vom 19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen

Richtlinie 2005/29/EG vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern.

(6)  Entschließung P6_TA(2007)0366 vom 4. September 2007.

(7)  Ziffer 3.1.7., s.o.

(8)  KOM(2007) 168 endg. vom 4.4.2007.

(9)  KOM(2007) 530 endg. vom 19.9.2007.

(10)  ABl. C 36/10 vom 8.2.2002 (Berichterstatter: Herr Hernández Bataller).

(11)  KOM(2006) 841 endg. vom 10.1.2007.

(12)  Ziffer 6.7.4., s.o.

(13)  Ziffern 6.4.2 und 6.4.3, s.o.

(14)  Mitteilung der Kommission vom 15.5.2007: Bericht über die Erfahrungen mit der Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1228/2003 „Verordnung über den grenzüberschreitenden Stromhandel“, KOM(2007) 250 endg.

(15)  Union für die Koordinierung des Transports elektrischer Energie (UCTE).

(16)  KOM(2007) 250 endg. vom 15.5.2007.

(17)  98/257/EG vom 30. März 1998.

(18)  2001/310/EG vom 4. April 2001.

(19)  CESE 1243/2007: Aktionsplan für Energieeffizienz (Berichterstatter: Herr Iozia), nicht veröffentlicht.

(20)  Erlass 202/99 der Behörde für Energie und Gas.

(21)  Zeitschrift Summa 188/April 2003, Rechtsanwalt Giulio Disegni, S. 22.


17.6.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 151/35


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Mindestanforderungen für die Ausbildung von Seeleuten (Neufassung)“

KOM(2007) 610 endg. — 2007/0219 (COD)

(2008/C 151/10)

Der Rat beschloss am 14. November 2007, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 80 Absatz 2 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Mindestanforderungen für die Ausbildung von Seeleuten (Neufassung)“

Da der Ausschuss dem Inhalt des Vorschlags vollkommen zustimmt und keine Bemerkungen dazu vorzubringen hat, beschloss er auf seiner 441. Plenartagung am 16./17. Januar 2008 (Sitzung vom 16. Januar) mit 132 gegen 1 Stimme bei 1 Stimmenthaltung, eine befürwortende Stellungnahme zu diesem Vorschlag abzugeben.

 

Brüssel, den 16. Januar 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


17.6.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 151/35


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Sicherheitsvorschriften und -normen für Fahrgastschiffe (Neufassung)“

KOM(2007) 737 endg. — 2007/0257 (COD)

(2008/C 151/11)

Der Rat beschloss am 18. Dezember 2007, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 80 Absatz 2 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Sicherheitsvorschriften und -normen für Fahrgastschiffe (Neufassung)“

Da der Ausschuss dem Inhalt des Vorschlags vollkommen zustimmt und keine Bemerkungen dazu vorzubringen hat, beschloss er auf seiner 441. Plenartagung am 16./17. Januar 2008 (Sitzung vom 16. Januar) mit 131 Ja-Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen, eine befürwortende Stellungnahme zu diesem Vorschlag abzugeben.

 

Brüssel, den 16. Januar 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


17.6.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 151/36


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Weißbuch Sport“

KOM(2007) 391 endg.

(2008/C 151/12)

Die Europäische Kommission beschloss am 11. Juli 2007, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Weißbuch Sport“

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 19. Dezember 2007 an. Berichterstatterin war Frau KOLLER.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 441. Plenartagung am 16./17. Januar 2008 (Sitzung vom 16 Januar) mit 125 Stimmen gegen 1 Stimme bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

Am 11. Juli 2007 nahm die Europäische Kommission das Weißbuch Sport an, das die erste umfassende Analyse der Situation des europäischen Sports und seiner Probleme sowie einen konkreten Aktionsplan enthält.

1.   Empfehlungen und Vorschläge

1.1

Der EWSA empfiehlt, dass die Mitgliedstaaten festlegen, welche der im Weißbuch und im darin enthaltenen Aktionsplan allgemein definierten Aufgaben für die Gemeinschaft Vorrang haben sollen. Dies sollte im Einklang mit dem hoffentlich im Jahr 2009 in Kraft tretenden Vertrag von Lissabon geschehen, da der Schwerpunkt in Artikel 149 des Vertrags auf der Rolle des Sports in den Bereichen Bildung und Jugend liegt.

1.2

Die Zukunft Europas hängt von der Gesundheit und Produktivität seiner Bevölkerung ab. Der EWSA ist sehr besorgt darüber, dass auf Übergewicht und Bewegungsarmut zurückzuführende Krankheiten, die die gesamte Bevölkerung betreffen, nun bereits auch bei jungen Menschen auftreten.

1.3

Der EWSA empfiehlt, bei der Konzeption der neuen Programme für gesundheitsfördernden Sport einerseits der gemeinschaftlichen und andererseits der multidisziplinären Dimension Rechnung zu tragen. Ein gemeinsames Vorgehen mehrerer Ressorts auf Gemeinschaftsebene kann sich positiv auf die im Rahmen der einzelstaatlichen Regierungsstrukturen ergriffenen fragmentarischen Maßnahmen auswirken.

1.4

Der EWSA lenkt die Aufmerksamkeit auf die Umsetzung der als erforderlich angesehenen und dem Subsidiaritätsprinzip entsprechenden Maßnahmen. Er fordert die Kommission auf, ihre wichtige Rolle als Koordinatorin und Impulsgeberin der für die in diesem Bereich notwendige Arbeit auch künftig zu spielen.

1.5

Der obligatorische Sportunterricht sollte sowohl in der Primar- als auch in der Sekundarstufe auf mindestens drei Wochenstunden erhöht werden. Nach Ansicht des EWSA sollten auch während der Hochschulausbildung Möglichkeiten zur Ausübung von Sport bestehen und Sportkurse zu Pflichtveranstaltungen zählen. Sowohl in der Primar- und Sekundarstufe als auch während der Hochschulausbildung sollte der Sportunterricht so gestaltet werden, dass alle Kinder und jungen Menschen — darunter auch solche mit Behinderungen — daran teilhaben können; dies kann geschehen, indem der Unterricht individuell oder gemeinsam für alle organisiert wird. Zudem muss auf die Bedingungen des schulischen Sportunterrichts und besonders den Zustand der nach dem Unterricht zur Verfügung stehenden Dusch- und Waschanlagen geachtet werden, die häufig abstoßend wirken und den Jugendlichen keinen Anreiz zur sportlichen Betätigung geben.

1.6

Die Sozialpartner auf allen Ebenen sollten dazu angeregt werden, eine gesunde Lebensweise zu fördern. Es sollten Anreize für Arbeitgeber geschaffen werden, um Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung zu ergreifen, zu denen auch Bewegungsprogramme gehören.

1.7

Der EWSA empfiehlt die Einsetzung einer Arbeitsgruppe zu diesem Thema, um die Erfahrungen der Mitgliedstaaten zu erörtern und die bestehenden Möglichkeiten zu eruieren, darunter auch integrative Lösungsmodelle für Menschen mit Behinderungen.

1.8

Der EWSA hielte es für sinnvoll, Informationskampagnen zu den neuen Möglichkeiten zur Beantragung von Finanzmitteln zu starten, da die Programme bisher nur wenige Möglichkeiten für den Sport boten. Er dringt darauf, dass die Sensibilisierungsinitiativen Teil einer umfassenden, integrierten Strategie sind. Die Informationsmaßnahmen dürfen nicht ausschließlich auf Jugendliche ausgerichtet sein, sondern müssen auf der Erkenntnis fußen, dass Sport für alle Altersgruppen von Nutzen ist, auch für Menschen mit Behinderungen.

1.9

Der EWSA empfiehlt, einen gesonderten Teil der Strukturfonds für die Finanzierung geeigneter Sport-, Freizeit-, Gemeinschafts- und Mehrzweckeinrichtungen vorzusehen. Er verweist allerdings darauf, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften oft eher dazu tendieren, große Sportarenen bauen zu lassen, statt sich um die Errichtung von Sportplätzen und anderer Einrichtungen für die sportliche Betätigung der Bevölkerung zu bemühen. Aus Strukturfondsmitteln sollte daher vor allem die Schaffung gerade solcher Einrichtungen gefördert werden.

1.10

Der EWSA begrüßt die erneute Veranstaltung des Sportforums, da dieses eine nützliche Plattform für den Dialog zwischen allen wichtigen Interessenträgern darstellen und zu konkreten, auf eine verstärkte Wertschätzung des Sports abzielenden Maßnahmen führen kann.

1.11

Der EWSA würde gerne als Beobachter am Sportforum teilnehmen, da so der Standpunkt der Zivilgesellschaft direkt geltend gemacht werden könnte.

1.12

Der EWSA empfiehlt, dass die mit der Finanzierung des Sports beschäftigte Arbeitsgruppe ihre Tätigkeit auf die Prüfung der einzelstaatlichen Steuer- und Sozialversicherungsbestimmungen im Bereich Sport sowie auf das Sammeln vorbildlicher Verfahrensweisen ausdehnt.

1.13

Der EWSA hält es für erforderlich, die im Umfeld großer internationaler und nationaler Sportveranstaltungen auftretende Kriminalität zu bekämpfen, wobei insbesondere Minderjährige und Frauen zu schützen sind.

1.14

Nach Ansicht des EWSA sollten die Führungskräfte/Vorstandsmitglieder derjenigen Sportorganisationen, die direkt oder indirekt Gemeinschaftsmittel erhalten, mit Profimannschaften und –sportlern an Wettbewerben teilnehmen und über einen Jahresetat von mehr als fünf (5) Mio. EUR verfügen, nach dem Vorbild der für die Inhaber politischer oder öffentlicher Ämter geltenden Bestimmungen jährlich ihre Einkünfte und Vermögenszuwächse offen legen müssen.

1.15

Der soziale Dialog darf sich nicht auf Profisportler beschränken, sondern muss auf Fitnessclubs und gemeinnützige Einrichtungen ausgedehnt werden und sollte auch folgende Tätigkeiten erfassen: Sportlehrer und -trainer, Sportwissenschaftler, Sportmediziner, Physiotherapeuten, Masseure, etc. Weiters sollten auch jene Berufsgruppen erfasst werden, die im Sport als Trainer, Manager, Veranstalter, Agenturen, Promotoren, Vermarkter etc. nennenswerte Einkünfte erwirtschaften. Die Mitgliedstaaten müssen dazu angeregt werden, den sozialen Dialog auch auf nationaler Ebene in allen Bereichen des Sports einzuführen.

2.   Hintergrund und Ziel des Weißbuchs

2.1

Der Sport steht mit den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen im Zusammenhang: Bildung, Kultur, Wirtschaft und freier Wettbewerb, freier Personen- und Warenverkehr, Menschenrechte und Gesundheit. Zweifellos ist der Sport auch über seine wirtschaftliche Bedeutung hinaus aus zahlreichen Gründen sehr wichtig für die Gesellschaft.

2.2

Die Sportvereine haben in den letzten Jahrzehnten tief greifende Veränderungen erfahren und verlieren immer mehr ihren nationalen und Amateurcharakter (Freiwilligkeitsbasis). Viele funktionieren schon wie ein Unternehmen, weshalb auch die Vorschriften des europäischen Binnenmarkts für sie gelten.

2.3

Bis jetzt hat die EU keinerlei direkte rechtliche Kompetenzen im Sport. Rechtliche Auswirkungen auf den Sport ergeben sich aus dem abgeleiteten EU-Recht (z.B. aus der Rechtsprechung) oder aus der direkten Anwendung von auf den Sport übertragbaren Bestimmungen des Primärrechts.

2.4

Vor der Veröffentlichung des Weißbuchs gab es zwar auf EU-Ebene keine Strategie für den Sport, aber der Sport war in den einzelnen europäischen Politikbereichen immer gegenwärtig. Bereits im Vertrag von Amsterdam aus dem Jahr 1997 wurde auf den Sport Bezug genommen, 1999 erschien dann der Helsinki-Bericht zum Sport, in dem die Europäische Kommission Maßnahmen zur Stärkung der gesellschaftlichen und erzieherischen Rolle des Sports ankündigte. In beiden Dokumenten wurde die soziale, gesellschaftliche und erzieherische Rolle des Sports hervorgehoben.

2.5

Im Jahr 2000 ging es auch in der Erklärung von Nizza um Sport und 2004 beschloss die damalige Regierungskonferenz, den Sport in den EU-Vertrag aufzunehmen.

2.6

Das Europäische Parlament verabschiedete ebenfalls zwei Berichte zum Thema Sport (1). Zudem erschien ein weiterer wichtiger, aber von der Europäischen Kommission unabhängiger Text über den europäischen Sport, die Unabhängige Studie zum Europäischen Sport  (2), in deren erstem Teil der europäische Sport ganz allgemein und in deren zweitem er anhand des Fußballs analysiert wird.

2.7

Im Reformvertrag, der hoffentlich 2009 ratifiziert wird, ist ein gesonderter Absatz dem Sport gewidmet, wodurch der Sport endlich unter EU-Kompetenz fällt.

2.8

Das Weißbuch ist das Ergebnis eines langen Prozesses, der die Anhörung von Regierungsstellen und regierungsunabhängigen Stellen der Mitgliedstaaten, der organisierten Zivilgesellschaft, olympischer Komitees und entsprechender Entscheidungsträger sowie Konferenzen und informelle Ministertreffen umfasste, während gleichzeitig über mehrere Monate eine Online-Konsultation durchgeführt wurde, zu der 777 Beiträge eingingen. Zudem einigten sich die verschiedenen EU-Generaldirektionen in mehreren Sitzungen über die mit Sport in Zusammenhang stehenden Aspekte der einzelnen Politikbereiche. Das Weißbuch enthält umfassende Initiativen sowohl für den Amateur- als auch für den Wettkampfsport und erkennt gleichzeitig an, dass der Sport in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt.

2.9

Die Auswertung der durchgeführten Konsultationen zeigte, dass sich die Kernprobleme im Zusammenhang mit Sport auf drei Hauptbereiche konzentrieren:

gesellschaftliche Rolle des Sports;

wirtschaftliche Dimension des Sports;

organisatorische Fragen des Sports.

2.10

Neben den vorgenannten stellten sich sechs völlig andere und voneinander unabhängige, aber sehr schwerwiegende weitere Probleme:

die durch das Fehlen eines europäischen Rechtsrahmens entstehende Unsicherheit;

Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Sportmanagement, insbesondere im Profisport: illegale Praktiken von Spieleragenturen, die zu jungen Spielern unzureichenden Schutz gewähren, sowie Doping, Rassismus und Gewalt im Sport;

die Finanzierung des Sports und die Probleme im Zusammenhang mit den traditionellen Finanzierungsarten, insbesondere die Finanzierungsmöglichkeiten auf lokaler Ebene;

das Fehlen von Daten über den Sportsektor, auf deren Grundlage die Politiker handeln könnten;

Übergewicht, Adipositas, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Gelenkentzündungen, die auf fehlende körperliche Aktivität zurückzuführen sind und immer größere Teile der Bevölkerung betreffen;

die unzureichende Einbindung des Sports in das Unterrichtswesen.

2.11

Nach den entsprechenden Analysen war der Europäischen Kommission klar, dass die Europäische Union die Besonderheiten des Sports stärker berücksichtigen und Lösungen zur Bewältigung der Herausforderungen finden muss. Es zeigte sich, dass dem Sport im Rahmen der bereits bestehenden und der geplanten EU-Programme und -Aktionen stärker Rechnung zu tragen und festzulegen ist, wie sich Sportprojekte durch Finanzinstrumente der EU fördern lassen. Außerdem wurde deutlich, dass auf EU-Ebene im Sportbereich ein besserer Dialog und bessere politische Zusammenarbeit erforderlich sind.

3.   Zweck und Inhalt des Weißbuchs

3.1

Das Weißbuch „soll eine strategische Ausrichtung der Rolle des Sports in Europa ermöglichen, eine Diskussion über bestimmte Probleme anregen, die Sichtbarkeit des Sports in der EU-Politik erhöhen und die Öffentlichkeit für die Bedürfnisse und Besonderheiten des Sportsektors sensibilisieren. Die Initiative hat zum Ziel, wichtige Themen wie die Anwendung des EU-Rechts im Sportbereich zu illustrieren und weitere sportbezogene Maßnahmen auf EU-Ebene darzulegen“ (3).

3.2

Das Weißbuch enthält 53 spezifische Maßnahmen und zeigt außerdem die positive Rolle auf, die der Sport in vielen gesellschaftlichen Bereichen spielt. Die Liste der geplanten Aktionen mit dem Titel „Pierre-de-Coubertin-Aktionsplan“ ist dem Weißbuch als Anhang beigefügt. Der Plan hat zwei grundlegende Ziele:

die Integration des Sports in die verschiedenen Politikbereiche der EU, damit dieser häufiger als Instrument der Gemeinschaftspolitik eingesetzt werden kann;

die Schaffung eines sichereren Rechtsrahmens, damit in Europa ein besseres Sportmanagement möglich wird.

4.   Bemerkungen

4.1

Die im Folgenden ausgeführten besonderen Bemerkungen entsprechen der Gliederung des Weißbuchs.

4.2

Der EWSA pflichtet der Analyse der wichtigen und positiven Rolle des Sports in der Gesellschaft voll und ganz bei.

4.3

Der EWSA begrüßt, dass die Kommission die gesundheitsfördernde körperliche Aktivität zu einem Eckstein der Maßnahmen im Zusammenhang mit Sport machen wird, weshalb er der Idee, Leitlinien für körperliche Aktivität zu entwickeln und ein Netzwerk für gesundheitsfördernde Bewegung (HEPA) zu schaffen, zustimmt. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die sitzende und bewegungsarme Lebensweise Adipositas sowie zahlreichen chronischen Krankheiten Vorschub leistet. Die Behandlung der bereits bestehenden Krankheiten und die durch den Arbeitsausfall verursachten Verluste sind eine enorme Belastung für Haushalt und Wirtschaft; im Vergleich dazu ist es günstiger, Vorbeugung und körperliche Bewegung zu finanzieren. Durch den Ausbau eines alters- und geschlechtsspezifischen Sportangebots sowie durch Förderung des Sportangebots im Ruhestand kann Unfällen wirksam vorgebeugt und damit das Pflegerisiko gesenkt werden. Dazu ist auch ein Umdenken in der Gesellschaft erforderlich.

4.4

Der EWSA stimmt der Bedeutung der branchenübergreifenden Zusammenarbeit sowie der Feststellung zu, dass die bestehenden Gemeinschaftsprogramme (in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Gesundheitswesen, Jugend und Unionsbürgerschaft oder lebenslanges Lernen) künftig auch den Sport berücksichtigen müssen.

4.5

Der EWSA begrüßt, dass im Weißbuch die Notwendigkeit einer Koordination der Dopingbekämpfung thematisiert und die Abstimmung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten in diesem Bereich mit der Tätigkeit der bestehenden internationalen Organisationen für erforderlich angesehen wird, vor allem um eventuelle Überschneidungen zu vermeiden und so die Ressourcen wirksamer einsetzen zu können. Zurzeit ist die Dopingbekämpfung nicht ausreichend, und die Jugend wird nicht davon abgeschreckt, Dopingmittel zu gebrauchen. Der EWSA regt an, dass deshalb eine Studie über den Stand der nationalen Gesetzgebungen erstellt und eine rechtsvergleichende Analyse der Defizite und Lücken vorgenommen wird.

4.6

Der EWSA stellt fest, dass die zur Dopingprävention genutzten Verzeichnisse die Frage nach dem gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebenen Schutz von Personendaten aufwerfen.

4.7

Der EWSA begrüßt, dass im Weißbuch die Möglichkeiten der Unterstützung sportlicher und körperlicher Aktivität im Rahmen der bestehenden Bildungs- und Ausbildungsprogramme der Gemeinschaft (Comenius, Leonardo, Erasmus, Grundtvig, EQF, ECVET) skizziert werden.

4.8

Der EWSA begrüßt die Einleitung der Studie über die Ausbildung junger Sportler. Er empfiehlt, eine Studie über die Verantwortung der Sportvereine für die jungen Leistungssportler zu erstellen, damit die Vereine ihnen nach ihrer aktiven Laufbahn eine Berufsbildung ermöglichen und sie beim Einstieg in das Berufsleben unterstützen.

4.9

Der EWSA macht darauf aufmerksam, dass die für begabte junge Sportler vorgesehenen Ausbildungssysteme allen zugänglich sein und die Freizügigkeit der Arbeitnehmer ermöglichen müssen. Indessen bedarf die Problematik der „vor Ort ausgebildeten Sportler“ einer sorgsamen Analyse, da die Vereine für die Suche und Ausbildung von jungen Talenten eine wichtige Rolle spielen. Sie investieren dafür erhebliche Mittel und erfüllen so eine gesellschaftlich nützliche Aufgabe. Die Vereine müssen dazu angehalten werden, diese Aufgabe fortzusetzen.

4.10

Der EWSA konstatiert mit Zufriedenheit, dass den gemeinnützigen Sportorganisationen, der ehrenamtlichen Tätigkeit und dem Breitensport ein wichtiger Platz eingeräumt wird, da ein Großteil des europäischen Sports auf diesen Strukturen beruht.

4.11

Gleichzeitig weist der EWSA darauf hin, dass die Lage der gemeinnützigen Organisationen, ihre Finanzierung, wirtschaftliche Tätigkeit sowie Unterstützung durch die Gebietskörperschaften — aufgrund der unterschiedlichen historischen Traditionen — in den einzelnen Mitgliedstaaten voneinander abweichen. Der EWSA hofft, dass diese Unterschiede in der zu dieser Thematik geplanten Studie dargelegt werden.

4.12

Der EWSA begrüßt die Erkenntnis, dass Gemeinschaftsprogramme und -aktionen zur besseren Nutzung der Möglichkeiten, die der Sport für die gesellschaftliche Integration bietet, sowie zur einer positiven Zusammenarbeit zwischen den benachteiligten und ausgegrenzten Gruppen und der Gesellschaft, in die sie integriert werden sollen, beitragen könnten.

4.13

Das Weißbuch thematisiert den Sport von Menschen mit Behinderungen. Der EWSA stellt erfreut fest, dass der freie Zugang zu Sporteinrichtungen sowie die Ausbildung von ehrenamtlichen Helfern und Personal für Menschen mit Behinderungen erörtert werden.

4.14

Der EWSA begrüßt, dass im Weißbuch die größere Teilhabe von Frauen am Sport und ihre aktivere Rolle in diesem Bereich erwähnt werden sowie die Gleichstellung der Geschlechter propagiert wird. Die sportliche Aktivität von Frauen kann die der Familie und der Kinder positiv beeinflussen und sich so auf die Gesellschaft als Ganzes auswirken.

4.15

Der EWSA begrüßt den Gedanken, dass mit den bestehenden internationalen und nationalen Organisationen zusammengearbeitet werden soll, um der Gewalt auf den Tribünen vorzubeugen, und hält es für wichtig, Überschneidungen zu vermeiden, um die Ressourcen effizienter zu nutzen.

4.16

Der EWSA weist darauf hin, dass die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zur Prävention von Gewalt bei Sportveranstaltungen derzeit im Rahmen der Zusammenarbeit im Bereich Inneres in der Gruppe „Polizeiliche Zusammenarbeit“ (PCWP) stattfindet.

4.17

Der EWSA begrüßt, dass im Weißbuch die wirtschaftliche Wirkung des Sports und sein Potenzial zur Schaffung von Arbeitsplätzen anerkannt werden, bedauert jedoch, dass die Möglichkeit unerwähnt bleibt, die bestehenden Gemeinschaftsressourcen in Zukunft auch zur Finanzierung von Sport-, Freizeit-, Gemeinschafts- und Mehrzweckeinrichtungen zu nutzen, die den geltenden Kriterien genügen.

4.18

Der EWSA hielte es für sinnvoll, auf europäischer Ebene ein einheitliches System für Sportstatistiken zu schaffen, um die Entscheidungsfindung zu erleichtern.

4.19

Der EWSA merkt an, dass die nationalen Sportstrukturen und Statistiksysteme voneinander abweichen und ein Großteil der wirtschaftlichen Wirkung des Sports durch schwer messbare Indikatoren (wie den Rückgang des Krankenstandes und der Medikamentenverkäufe oder die Verstärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts) angegeben wird.

4.20

Der EWSA hält die Erhebungen von Eurobarometer, die geplante Studie über den Zusammenhang zwischen dem Sportsektor und dem Lissabon-Prozess sowie den Erfahrungsaustausch über sportliche Großveranstaltungen für nützlich.

4.21

Angesichts der bereits erwähnten Vielfalt der europäischen Sportstrukturen begrüßt der EWSA den Gedanken einer Studie der Europäischen Kommission über die Finanzierung des Sports in den Mitgliedstaaten und die damit einhergehenden Steuerbefreiungen bzw. -vorteile.

4.22

Nach Ansicht des EWSA stellt der Zusammenhang zwischen der Besonderheit des Sports und dem Gemeinschaftsrecht eine grundlegende Frage dar, deren Klärung für die Sportorganisationen von großer Bedeutung ist.

4.23

Der EWSA vertritt die Auffassung, dass die Bemühungen um eine bessere Lösung fortzusetzen sind. Langfristig bietet die Anwendung des Fallrechts den Interessenträgern im Sport nicht die erforderliche Rechtssicherheit.

4.24

Die Problematik der erforderlichen Harmonisierung der Bestimmungen und Interessen der Sportorganisationen mit dem Gemeinschaftsrecht ist mit mehreren weiteren Fragen verknüpft: der geplanten Folgenabschätzung bezüglich der Spielermanager, dem geplanten Dialog über die Lizenzsysteme der Vereine und der gemeinsamen Veräußerung der Übertragungsrechte für Sportveranstaltungen. Der EWSA befürwortet diese Vorschläge.

4.25

Auch der EWSA sieht die Notwendigkeit, minderjährige Sportler zu schützen, und begrüßt die im Weißbuch angekündigten Maßnahmen (Überwachung der Umsetzung der Richtlinie über den Jugendarbeitsschutz, Studie über Kinderarbeit, Information der Mitgliedstaaten über bestehende Rechtsvorschriften).

4.26

Der EWSA befürwortet uneingeschränkt die Bekämpfung jeglicher Form von Kriminalität im Zusammenhang mit dem Sport (Korruption, Geldwäsche) und die Entwicklung von damit verbundenen europäischen Strategien.

4.27

Der EWSA befürwortet die Schaffung stabiler Lizenzsysteme für die Profivereine in der EU, die deren Funktionsweise transparent machen.

4.28

Der EWSA hält es für außerordentlich wichtig, die Medieneinnahmen mittels solidarischer Mechanismen aufzuteilen und so den Amateursport zu unterstützen.

4.29

Angesichts der zahlreichen in dieser Stellungnahme genannten Aufgaben begrüßt der EWSA die Fortsetzung des Dialogs und der Konzertierung sowohl zwischen der Europäischen Kommission, den Mitgliedstaaten und den regierungsunabhängigen Sportorganisationen als auch zwischen den EU-Institutionen.

4.30

Der EWSA unterstützt voll und ganz die Einsetzung von europäischen Ausschüssen für den sozialen Dialog innerhalb der einzelnen Branchen (4), um so das Funktionieren des europäischen Binnenmarkts im Bereich Sport zu fördern. Neben den Arbeitgebern (Vereinen) und den Arbeitnehmern (Sportlern, Trainern, zu ihren Diensten stehendes Personal) sollten auch die Sportgerätehersteller und die in den verschiedenen Bereichen des Sports tätigen internationalen Organisationen in den sozialen Dialog auf europäischer Ebene einbezogen werden.

4.31

Mögliche Themen für den sozialen Dialog sind die Rentenkassen der Wettkampfsportler, Werbe- und Bildrechte, Gesundheit am Arbeitsplatz, die Problematik der vor Ort ausgebildeten Sportler, die Arbeitsverträge sowie die Förderung des beruflichen Einstiegs nach Ende der Sportlaufbahn.

Brüssel, den 16. Januar 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Pál Schmitt: „Bericht über die Rolle des Sports in der Erziehung“ und Ivo Belet: „Bericht über die Zukunft des Profifußballs in Europa“.

(2)  José Luis Arnaut, „Unabhängige Studie zum Europäischen Sport“: umfassender, unter britischem Ratsvorsitz in Zusammenarbeit mit mehreren Ländern verfasster Bericht über die Besonderheiten des europäischen Sports, die tatsächlichen Möglichkeiten politischer Initiativen und praktische Lösungen.

(3)  Auszug aus der Einleitung des Weißbuchs.

(4)  Auf der Grundlage von Artikel 138 und 139 des EU-Vertrags.


17.6.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 151/41


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Thema „Verbesserung der Qualität der Lehrerbildung“

KOM(2007) 392 endg.

(2008/C 151/13)

Die Europäische Kommission beschloss am 3. August 2007, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgendem Thema zu ersuchen:

„Verbesserung der Qualität der Lehrerbildung“

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 19. Dezember 2007 an. Berichterstatter war Herr SOARES.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 441. Plenartagung am 16./17. Januar 2008 (Sitzung vom 16. Januar) einstimmig folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

1.1

Bildung gilt von jeher nicht nur als Kernelement des persönlichen Entfaltungs- und Reifungsprozesses, sondern auch als Faktor der gesellschaftlichen Entwicklung. In einer Welt, die durch Globalisierung und hohen Wettbewerbsdruck gekennzeichnet ist, spielt sie angesichts der erforderlichen komplexen Kenntnisse und Fähigkeiten für die Zukunft der Gesellschaft wie auch des Einzelnen eine noch wichtigere und zentralere Rolle.

1.2

Nach Auffassung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses besteht das wesentliche Ziel der Bildung weiterhin darin, freie, kritische und mündige Bürgerinnen und Bürger heranzubilden, die zur Entwicklung der Gesellschaft, deren Mitglieder sie sind, beitragen können. Die Bürger sollten die für die Bewältigung der neuen Herausforderungen erforderlichen Fähigkeiten besitzen und sich dabei der Tatsache bewusst sein, dass sie Teil eines kulturellen Erbes sind und dieselben Werte teilen und dass die Welt, in der sie leben, nicht ihnen alleine gehört, sondern für kommende Generationen erhalten bleiben muss. Bildung muss überdies zur Emanzipation des Einzelnen beitragen.

1.3

Für die Erreichung dieses Ziels spielen Lehrer eine Schlüsselrolle, da sie nicht nur für die Wissensvermittlung zuständig sind, sondern auch für die Interaktion mit Kindern und Jugendlichen in einer Gesellschaft, in der sich die Familienstrukturen rasch verändert und neue familiäre Organisationenformen herausgebildet haben.

1.4

Der EWSA begrüßt die Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament „Verbesserung der Qualität der Lehrerbildung“ und erklärt sich mit dem darin entwickelten Ansatz grundsätzlich einverstanden.

1.5

Nach dem Dafürhalten des EWSA könnte die Kommission — trotz ihrer in dieser Hinsicht beschränkten Zuständigkeit — in ihrer Mitteilung jedoch etwas weiter gehen und andere Fragen anschneiden, die wegen ihrer gegenwärtigen Relevanz besondere Aufmerksamkeit verdienen.

1.6

Konkret: Welche neuen Strategien können und müssen vor dem Hintergrund der weltweiten Veränderungen für den Unterricht entwickelt werden? Wie soll auf die neuen Herausforderungen durch die veränderten Familienstrukturen und neuen familiären Organisationsformen reagiert werden? Wie kann die Weiterbildung von Lehrkräften in den Kontext des lebenslangen Lernens eingebettet werden? Wie kann die Attraktivität des Lehrerberufs für Jugendliche u.a. hinsichtlich der Gehälter und Sozialleistungen gesteigert werden?

1.7

Der EWSA ist, wie auch die Kommission in ihrer Mitteilung feststellt, der festen Überzeugung, dass es in einer immer komplexeren und anspruchsvolleren Gesellschaft dringend erforderlich ist, den Lehrerberuf als ein Schlüsselelement für die Förderung einer hochwertigen Bildung, die sich den Anforderungen unserer Zeit anpassen kann, zu betrachten. Deshalb sind die Verbesserung der Lehrerbildung und die Schaffung angemessener Gehalts- und Karrierebedingungen im Hinblick auf dieses Ziel entscheidende Fragen.

2.   Zusammenfassung der Kommissionsmitteilung

2.1

In der Mitteilung wird die Qualität der Lehrerbildung als entscheidender Faktor für die Sicherung der Qualität der Bildung und die Verbesserung der Lernergebnisse junger Menschen bezeichnet. Es werden mehrere mögliche Maßnahmen in diesem Bereich aufgeführt, und es wird beschrieben, wie die Kommission diese Maßnahmen unterstützen könnte.

2.2

Nach Auffassung der Kommission sollte die Umsetzung dieser Vorschläge insgesamt folgende Ergebnisse zeitigen: Die Erstausbildung und die berufliche Weiterbildung von Lehrkräften erfolgen auf koordinierte und kohärente Weise und werden angemessen finanziert; alle Lehrkräfte verfügen über das Wissen, die Einstellung und die pädagogischen Fähigkeiten, die sie benötigen, um effizient arbeiten zu können; die Professionalisierung im Lehrerberuf wird gefördert; die Reflexion pädagogischer Praxis und die Forschung innerhalb des Lehrerberufs werden gefördert und der Status und die Anerkennung des Lehrerberufs verbessert.

2.3

Damit sollen ein Beitrag zur Verbesserung der Qualität der Bildung für alle geleistet und die Mitgliedstaaten dabei unterstützt werden, ihre Lissabon-Ziele hinsichtlich des sozialen Zusammenhalts, der Wettbewerbsfähigkeit und des Wirtschaftswachstums zu erreichen.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der Lehrerberuf hat sich im Laufe der Zeit hinsichtlich seiner Formen wie auch seiner Funktionen infolge der gesellschaftlichen Entwicklungen und der neuen Erwartungen, die an die Schulen gestellt werden, verändert. Der „Lehrer als Wissensvermittler“, von dem man ein Wissen verlangt, das nicht hinterfragt werden darf, hat sich zum „Lehrer als Erzieher“ entwickelt, der das Lernen fördert und in der Lage ist, die Informationen, die die Jugendlichen aus anderen Quellen erhalten haben und mitunter aktueller als die des Lehrers selbst sind, zu strukturieren.

3.1.1

Insbesondere die durch das Internet erworbenen Kenntnisse und die neuen Kommunikations- und Informationstechnologien, über die die meisten Jugendlichen heute verfügen, zu denen sie Zugang haben und die sie sich — ohne angemessene Reflexion — zu eigen machen, bereiten Probleme, die im Rahmen der Lehrererstausbildung wie auch der –fortbildung behandelt werden müssen, damit die Lehrkräfte in der Lage sind, diese neuen Kenntnisse in den Unterricht einzubinden.

3.2

Die Schule ist ihrerseits im Gefolge einer zunehmend vielfältigen, anspruchsvollen und vielschichtigen Gesellschaft demokratischer und heterogener geworden. Demokratie, Gleichberechtigung und Vielfalt sind infolge dieser Entwicklung in der heutigen Schule grundlegende Begriffe geworden, die eine Voraussetzung für eine integrative Schule darstellen, die auch Kinder und Jugendliche mit Behinderungen einschließt. In diesem Zusammenhang stehen die Lehrer vor einer neuen Aufgabe, nämlich immer individuellere und spezifischere Antworten zu liefern.

3.3

Einwanderung, soziale Diskriminierung, Armut, Jugendgewalt (vor allem in Städten) sowie berufliche Prekarität und Langzeitarbeitslosigkeit sind Phänomene, die in die Schule „eingedrungen“ sind und den Lehrerberuf nicht nur komplexer und schwieriger, sondern auch instabiler und unsicherer gemacht haben. Sehr häufig wissen die Lehrer nicht, wie sie mit diesen neuen Problemen umgehen sollen, und werden auch nicht in der notwendigen Weise unterstützt.

3.4

Darüber hinaus erfordern die neuen Familienstrukturen, die durch die Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit, der Einelternfamilien und der anderen Formen des Zusammenlebens bedingt sind, neue Fähigkeiten seitens der Lehrer, vor allem die Fähigkeit, auf das von der jeweiligen Familie gewählte Verantwortungsmuster einzugehen.

3.5

Die Erstausbildung von Lehrkräften hat nicht bzw. nicht immer mit dieser Entwicklung Schritt gehalten. Die lange Zeit allzu akademisch ausgerichtete Ausbildung ist vielfach in eine übermäßig pädagogisch-didaktische Ausbildung übergegangen (verbunden mit einer deutlichen Zurückdrängung des Fachwissens in der Erstausbildung). Es ist daher notwendig, diese beiden Schwerpunkte der Lehrerausbildung wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

3.6

Tatsächlich sollte die Erstausbildung auf ein ausgewogenes Verhältnis von wissenschaftlichen und pädagogischen Kenntnissen abzielen, da genau dies den Lehrerberuf auszeichnet. Sie sollte aber auch eine psychosoziologische und sogar anthropologische Komponente umfassen, die die Aneignung theoretischer und praktischer Fähigkeiten für den Unterricht in multikulturellen Milieus, in denen Konflikte gemanagt und Probleme gelöst werden müssen, ermöglicht und gleichzeitig zur Aufwertung der Interkulturalität beiträgt. In der Erstausbildung sollten die künftigen Lehrer auch lernen, Jugendlichen zuzuhören und diese in die Suche nach den besten Lösungen einzubeziehen. In diesem Zusammenhang ist es grundlegend, die Rechte zu berücksichtigen, die Kindern und Jugendlichen laut UN-Kinderkonvention zustehen, wonach alle Kinder und Jugendlichen Recht auf Bildung und Ausbildung, Freizeit, gute Behandlung und Einfluss auf das eigene Leben haben.

3.7

Zwar teilt der EWSA die Auffassung der Kommission, dass Lehrer in keiner Erstausbildung die für den Erfolg ihrer gesamten Laufbahn notwendigen Kenntnisse und Kompetenzen erwerben können. Er ist aber auch der Ansicht, dass mit der Länge und Qualität der Erstausbildung die Wertschätzung eines Lehrers für die eigene Fortbildung steigen dürfte. Diese Tatsache wurde in den Maßnahmen für die Lehrerausbildung bisher nicht genügend berücksichtigt.

3.8

Im Übrigen muss die Erstausbildung von Lehrkräften auch Ziele umfassen, die über die Inhalte und Methoden des Lehrens hinausgehen. So sollte sie die Vorstellung vermitteln, dass Lehrer über ihren Berufsalltag reflektieren und in der Lage sein müssen, die Zusammenhänge, in denen sie tätig sind, zu beurteilen, die erforderlichen Strategien zu entwickeln und ihre Ergebnisse zu bewerten. Auch sollte sie begreiflich machen, dass Bildung ein Instrument des sozialen Zusammenhalts, der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung sowie der Heranbildung von aktiven, engagierten, die kulturelle und ökologische Vielfalt achtenden Bürgern — ja von „Bürgern, die eine bessere Welt aufbauen“ — sein kann und muss. Tatsache ist, dass Lehrer die eigentlichen Bindeglieder des sozialen Zusammenhalts sind.

3.9

Die Fortbildung muss nicht nur von den individuellen Erfordernissen des Lehrers als Fachmann abhängen, der die Grenzen seines eigenen Wissens erkennt und sich der fortwährenden sozialen und technologischen Entwicklungen sowie der kollektiven Erfordernisse der Schule als Gemeinschaft, die sich in eine größere Gemeinschaft mit anderen Akteuren und Interessenträgern einfügt, bewusst ist.

3.10

In vielen Ländern ist Fortbildung eine Errungenschaft der jüngeren Zeit. Sie muss weiterhin gefördert werden, da sie für die Entwicklung des Lehrerberufs von wesentlicher Bedeutung ist. Darüber hinaus gehört sie zu den berufsbedingten Pflichten von Lehrkräften und gilt als unabdingbar für die Berufsausübung. Um konkrete Formen annehmen zu können, erfordert sie jedoch ein ausreichendes Maß an Zeit, Raum und Mitteln.

3.11

Die Fortbildung von Lehrkräften in berufsbezogenen und technischen Fächern muss mit der technologischen Entwicklung in Einklang stehen und Partnerschaften mit Unternehmen umfassen, damit Lehrer den neuesten Stand der Technologie kennen lernen können.

3.12

Einer der schwerwiegendsten Irrtümer in der Fortbildungspolitik ist die Annahme, dass die Fortbildung entsprechend den Anforderungen eines bestimmten Fachbereichs einheitlich gestaltet werden könne. Zwar stimmt es, dass dieser Aspekt nicht außer Acht gelassen werden darf; es ist aber auch zutreffend, dass die Fortbildung den Bedürfnissen der Gemeinschaft, deren Teil die Schulen sind, gerecht werden und mit dem Bildungsauftrag der Schulen selbst in Einklang stehen muss. Nur auf diese Weise können die Probleme der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung jedes Landes bzw. jeder Region gemeistert und die neuen Faktoren des Zusammenlebens in der Gesellschaft berücksichtigt werden.

3.13

Die Bedingungen des Berufseinstiegs und der beruflichen Laufbahn, die spezifischen Hilfen für die Ausübung des Berufs, die der sozialen Bedeutung des Berufs entsprechende Bezahlung und die gesellschaftliche Anerkennung der ausgeübten Tätigkeit sind einige der Faktoren, die neben der Lehrerbildung dazu beitragen, die am besten geeigneten Personen für diesen (als schwer und anstrengend bekannten) Beruf zu interessieren und dergestalt das Bildungswesen zu verbessern und dessen Anforderungs- und Qualitätsniveau anzuheben.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Die Kommission betont in ihrer Mitteilung, dass die Lehrerbildung mit anderen Politiken eng verknüpft ist, wie z.B. dem Europäischen Pakt für die Jugend (1) oder den Maßnahmen in den Bereichen Innovation, Forschung, Unternehmen (2), Mehrsprachigkeit (3) und Anerkennung beruflicher Qualifikationen (4).

4.2

Der EWSA räumt zwar grundsätzlich ein, dass diese Politiken mit dem Untersuchungsgegenstand verknüpft werden können, ist aber auch der Ansicht, dass andere Aspekte herausgestellt werden sollten, die im Rahmen jeder Erst- und Fortbildung von Lehrkräften Berücksichtigung finden müssen:

4.2.1

Zur Erreichung der Millenniumsziele, auf die sich sämtliche EU-Mitgliedstaaten im Rahmen der UNO geeinigt haben, sind hoch qualifizierte Lehrer erforderlich. Deshalb muss die Lehrerbildung auf einer gemeinsamen Strategie basieren.

4.2.2

Die Lissabon-Ziele, in deren Mittelpunkt das Wissen und somit die Bildung stehen, beruhen auf dem Grundsatz, dass die Menschen das wichtigste Kapital Europas sind. Die Sensibilisierung von Jugendlichen für die nachhaltige Entwicklung und die soziale Marktwirtschaft ist eine Aufgabe, die sich aus der Lissabon-Strategie ableitet und Teil der Jugendbildung sein muss.

4.2.3

Die Geschlechterdimension ist nicht nur deshalb wichtig, weil die meisten Lehrer Frauen sind, sondern auch, weil es sich um eine zentrale Frage der europäischen Politik für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung und den sozialen Zusammenhalt handelt.

4.2.4

Eine ganzheitliche Bildung von Jugendlichen umfasst körperliche Betätigung, geistige Entwicklung, Förderung von Kreativität und Innovationsfähigkeit, Teilhabe und Wissen um den sozialen Nutzen. Die Vermittlung einer umfassenden Bildung für Kinder und Jugendliche erfordert eine kognitive Fähigkeit, eine pädagogisch-didaktische Vorbereitung und Teamgeist, was nur durch eine anspruchsvolle Erstausbildung und eine angemessene Fortbildung erreicht werden kann.

4.3

In der Mitteilung wird von den Lehrern in der Europäischen Union ein Bild skizziert, in dem drei Aspekte im Vordergrund stehen: Geschlecht, Alter und Bezahlung. Allerdings wird auf die möglichen Wechselbeziehungen zwischen diesen drei Aspekten nicht näher eingegangen.

4.3.1

Zwar sind Frauen in allen Bildungssektoren in der Mehrheit, doch ist ihr Anteil umgekehrt proportional zu der gesellschaftlichen und/oder der sich im Gehalt widerspiegelnden Bedeutung der einzelnen Sektoren. So nimmt der Anteil der Frauen am gesamten Lehrkörper von den Vorschulen zu den Hochschulen ab.

4.3.2

Der Lehrerberuf genießt heute eine relativ geringe gesellschaftliche Anerkennung. Er muss mit anderen Studiengängen mit gleichwertigen Abschlüssen konkurrieren, die für die jüngsten Bevölkerungsgruppen attraktiver sind. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die beruflichen Anforderungen sowohl in der Erstausbildung als auch hinsichtlich der sozialen Verantwortung gestiegen sind, ohne dass eine parallele Entwicklung bei den Arbeits-, Karriere- und Gehaltsbedingungen stattgefunden hat.

4.3.2.1

Insbesondere die Fächer der exakten Wissenschaften und der Informations- und Kommunikationswissenschaften leiden unter den Folgen dieser Konkurrenz (in diesen Fächern herrscht ein allgemeiner Mangel an Lehrkräften).

4.3.3

Des Weiteren macht der EWSA darauf aufmerksam, dass sich einige Feststellungen in der Mitteilung nicht auf eine fundierte Analyse stützen, womit das Risiko verbunden ist, dass komplexere Sachverhalte im Dunkeln bleiben. Beispielsweise ist es beim Vergleich der Lehrergehälter mit dem nationalen Durchschnittseinkommen notwendig, das Gewicht der Gehälter im Verhältnis zum BIP und das Verhältnis der Gehälter zur Länge der Berufstätigkeit zu berücksichtigen sowie einen Vergleich mit anderen in Bezug auf die akademische Ausbildung ebenso anspruchsvollen Berufen anzustellen.

4.3.4

In Europa ist die Lehrerschaft eindeutig überaltert, und es ist fraglich, ob ihre Erneuerung möglich ist — angesichts des sehr hohen Anteils von Lehrern im Alter zwischen 50 und 64 Jahren. Es bedarf einer Studie über die künftigen Folgen des demografischen Wandels.

4.3.5

Es erscheint deshalb dringend angezeigt, die Attraktivität des Lehrerberufs für Jugendliche zu steigern. Das setzt natürlich umfangreichere Investitionen voraus; vielleicht noch wichtiger ist es, die Rolle der Lehrer in der Gesellschaft durch Änderungen auf sozialer und kultureller Ebene aufzuwerten.

4.4

In der Kommissionsmitteilung werden einige Parameter im Bereich der Bildungspolitik aufgeführt, die die Lehrerbildung verbessern könnten, vor allem hinsichtlich des lebenslangen Lernens, der notwendigen Kompetenzen, des Nachdenkens über die pädagogische Praxis, der Forschung, der Qualifikationen, der Lehrerbildung an den Hochschulen und der Rolle des Lehrerberufs in der Gesellschaft.

4.4.1

Der EWSA ist mit den Überlegungen der Kommission einverstanden, vertritt aber auch die Ansicht, dass diese nicht isoliert und von den verschiedenen Kontexten, auf die sie sich beziehen, losgelöst betrachtet werden sollten. Natürlich sind sie alle relevant; sie machen jedoch vor dem Hintergrund der Inflation von Kenntnissen, Techniken und Möglichkeiten des Zugangs zu Informationen einen anderen Blick der Gesellschaft auf die Rolle des Lehrers erforderlich.

5.   Empfehlungen des EWSA

An dieser Stelle bekräftigt der EWSA, dass er die Mitteilung der Kommission grundsätzlich begrüßt. Er vertritt aber auch die Auffassung, dass die Problematik der Verbesserung der Lehrerbildung einen Ansatz erfordert, der über die berufliche Erstausbildung und Fortbildung von Lehrkräften hinausgeht. Deshalb unterbreitet er folgende Empfehlungen:

5.1

Der Lehrerberuf muss gesellschaftlich aufgewertet werden angesichts seiner Bedeutung für die Verwirklichung der Lissabon-Ziele und angesichts seiner Aufgabe, das wertvollste Kapital der Europäischen Union — nämlich ihre Humanressourcen — zu gestalten.

5.2

Eine neue Anerkennung des Lehrerberufs setzt voraus, dass die Gehälter, die Teamarbeit und die Fortbildung sowie die Bedingungen für den Berufseinstieg, den beruflichen Werdegang und die tägliche Arbeit verbessert und die spezifischen Hilfen für die Sektoren und Gruppen, die diese benötigen, verstärkt werden, so dass es gelingt, ambitionierte und kompetente junge Menschen für die Lehrtätigkeit zu interessieren.

5.2.1

Diese Verbesserung und Aufwertung sollte durch ein „Leistungsverzeichnis“ flankiert werden, in dem die von den Lehrern erwarteten Fähigkeiten (in Bezug auf ihr akademisches Wissen sowie ihr soziologisches Wissen über die Bevölkerungsgruppen, mit denen sie zu tun haben) und pädagogische Methoden aufgeführt sind.

5.3

Auch wenn die Bildung kein spezifischer Zuständigkeitsbereich der Europäischen Union ist, können die Stärkung der offenen Koordinierung, die Erhebung und Weiterleitung von Informationen, der Austausch bewährter Verfahren und die Durchführung gezielter Programme zur Aufwertung des Lehrerberufs Instrumente sein, um die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung einschlägiger aktiver Maßnahmen zu unterstützen.

5.4

Der Lehrerberuf ist eine Tätigkeit mit hoher Verantwortung. Es müssen deshalb Strategien zur möglichen Unterstützung junger Lehrer, die am Anfang ihrer Laufbahn stehen, entwickelt werden, und zwar in Form der Begleitung durch erfahrenere Lehrer, die im Übrigen aufgrund arbeitsbedingter (körperlicher und psychischer) „Abnutzungserscheinungen“ nicht dazu verpflichtet werden sollten, ein und dieselbe Funktion bis zur Pensionierung auszuüben.

5.5

Das Erfordernis fächerübergreifender pädagogischer Teams, die von den Lehrern koordiniert werden können, ist heute ein wesentliches Instrument für jedes Bildungsprojekt, das den neuen sozialen Realitäten — Familienstruktur und -organisation, Arbeitszeit und -organisation, Langzeitarbeitslosigkeit, Einwanderung (insbesondere die Probleme aufgrund der Unkenntnis der Sprache und der Kultur des Aufnahmelands) oder dauerhaften spezifischen Gegebenheiten (Kinder und Jugendliche mit besonderen Bildungsbedürfnissen aufgrund von Behinderungen, Bekämpfung des Sexismus, Berücksichtigung der Geschlechtergleichstellung) Rechnung trägt. Damit Lehrer künftig diesen Herausforderungen in der integrativen Schule begegnen können, muss ihre Grundausbildung u.a. spezifische Kenntnisse über das Unterrichten von Kindern mit Behinderungen umfassen. Lehrern ist im Rahmen von längerfristigen Fortbildungen in Form eines Master- oder Ph.D.-Abschlusses die Möglichkeit zu bieten, sich in diesem Bereich zu spezialisieren.

5.6

Eine andere, immer häufiger auch in schulischen Einrichtungen anzutreffende soziale Realität ist die Jugendgewalt. Um dieses vor allem in Städten sehr verbreitete Phänomen meistern zu können, ist ein multidisziplinärer Ansatz erforderlich.

5.7

Andererseits sind Investitionen in Hilfspersonal wesentlich, um die Bildungsaufgaben zu unterstützen, die in die Zuständigkeit der Schulen fallen und die über die spezifischen Aufgaben von Lehrern hinausgehen.

5.8

Die Erstausbildung muss alle vorgenannten Rahmenbedingungen berücksichtigen und folglich sowohl wissenschaftlich als auch pädagogisch und didaktisch hochwertig sein sowie hohe Ansprüche hinsichtlich der neuen Kompetenzen stellen, z.B. der Fähigkeit, im Team zu arbeiten, mit anderen sozialen Akteuren (insbesondere den Familien) zu interagieren und andere für das Lernen zu begeistern. Sie muss auch das Verständnis gruppendynamischer Prozesse fördern und die Fähigkeit zur Leitung von Gruppen vermitteln, um die Prävention und Lösung latenter gesellschaftlicher Konflikte zu ermöglichen.

5.9

Deshalb empfiehlt der EWSA, den Lehrerberuf als einen Beruf zu betrachten, der eine lange, anspruchsvolle Erstausbildung sowie bessere Kenntnisse der Beziehungen zwischen Schule und Gesellschaft (einschließlich der Arbeitswelt) erfordert.

5.10

Die Fortbildung muss hingegen als strukturierendes Element der Entwicklung der beruflichen Laufbahn aufgefasst werden. Deshalb müssen die Staaten Programme zur Schaffung eines Systems erarbeiten, das in Einklang mit den Bedürfnissen von Lehrern und Schulen steht.

5.11

Damit die Fortbildung erfolgreich und hinsichtlich ihrer Ziele effizient ist, bedarf es einer aktiven Beteiligung der Lehrer von der Konzeptions- und Planungsphase bis hin zur Durchführungsphase. Die Fortbildung muss sich vor allem auf die Schulen und die Ziele des Bildungsauftrags der einzelnen Schulen konzentrieren.

5.12

Die wirtschaftlichen und sozialen Akteure (insbesondere die Lehrergewerkschaften) müssen als Gesprächspartner betrachtet werden, die einen wertvollen Beitrag zur Festlegung der Ziele und zur Bewertung der Systeme der Erst- und Fortbildung von Lehrkräften leisten können.

5.13

Die Fortbildung könnte eine Komponente „Beteiligung von Eltern und Erziehungsberechtigten“ umfassen, damit sich diese am Bildungsauftrag der Schulen beteiligen, sich der Vielfältigkeit der Faktoren, die das Lernen ihrer Kinder beeinflussen, bewusst werden und damit die Bildung ihrer Kinder über den Familienbereich hinaus mitgestalten können.

5.14

Die Fortbildung sollte auch als interprofessionelles Diskussionsforum dienen, weshalb darin andere Akteure des Bildungssektors einbezogen werden sollten. Es sollte auch die Möglichkeit erwogen werden, verschiedene Schulen an einem umfassenderen Prozess zu beteiligen.

5.15

Schließlich sollten die europäischen Programme den Erfahrungs- und Informationsaustausch zwischen Schulen verschiedener Länder, die aber mit ähnlichen Realitäten konfrontiert sind, fördern. Beispielsweise wäre ein Erfahrungsaustausch zwischen Schulen in Aufnahmeländern von Migranten und Schulen in Herkunftsländern sinnvoll, um die Schwierigkeiten der Kinder und Jugendlichen aus dieser Bevölkerungsgruppe zu begreifen und Strategien zu entwickeln, die es ermöglichen, offenkundige Probleme zu bewältigen.

5.16

Darüber hinaus kann im Rahmen der Lissabon-Strategie (insbesondere durch Studienurlaube) die Mobilität von Lehrkräften in den EU-Mitgliedstaaten und damit der Austausch von Erfahrungen und Innovationen zur Verbesserung des lebenslangen Lernens gefördert werden.

5.17

Schließlich müssen angemessene und in allen Mitgliedstaaten anerkannte Bildungsindikatoren ermittelt werden, um die Fortschritte zu bewerten und die Bildungssysteme dem gemeinsamen Ziel der Verbesserung der Qualifikationen und des sozialen Zusammenhalts ein Stück näher zu bringen.

Brüssel, den 16. Januar 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Siehe z.B. die Stellungnahme des EWSA vom 26.10.2005 zum Thema „Die Anliegen Jugendlicher in Europa aufgreifen — Umsetzung des Europäischen Pakts für die Jugend und Förderung der aktiven Bürgerschaft“. (ABl. C 28 vom 3.02.2006), Berichterstatterin: Frau VAN TURNHOUT.

(2)  Siehe z.B. die Stellungnahmen des EWSA vom 12.7.2007 zum Thema „Investitionen in Wissen und Innovation (Lissabon-Strategie)“ (Initiativstellungnahme — ABl. C 256 vom 27.10.2007), Berichterstatter: Herr WOLF, und vom 11.07.2007 zum Thema „Beschäftigungsfähigkeit und Unternehmergeist“ (Sondierungsstellungnahme — ABl. C 256 vom 27.10.2007), Berichterstatter: Herr PARIZA CASTAÑOS.

(3)  Siehe z.B. die Stellungnahme des EWSA vom 26.10.2006 zum Thema „Eine neue Rahmenstrategie für Mehrsprachigkeit“ (ABl. C 324 vom 30.12.2006), Berichterstatterin: Frau LE NOUAIL-MARLIÈRE.

(4)  Siehe z.B. die Stellungnahme des EWSA vom 30.5.2007 zu dem Vorschlag für eine Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates zur „Einrichtung eines Europäischen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen“ (ABl. C 175 vom 27.7.2007), Berichterstatter: Herr RODRÍGUEZ GARCÍA-CARO.


17.6.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 151/45


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Förderung der Beteiligung junger Menschen an Bildung, Beschäftigung und Gesellschaft“

KOM(2007) 498 endg.

(2008/C 151/14)

Die Europäische Kommission beschloss am 5. September 2007 gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Förderung der Beteiligung junger Menschen an Bildung, Beschäftigung und Gesellschaft“

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 19. Dezember 2007 an. Berichterstatter war Herr TRANTINA.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 441. Plenartagung am 16./17. Januar 2008 (Sitzung vom 17. Januar) mit 137 Ja-Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung der Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss teilt die Auffassung, dass eine wahrhaft übergreifende europäische Jugendstrategie erarbeitet werden sollte, und ist bereit, im Rahmen seiner Möglichkeiten einen Beitrag dazu zu leisten, etwa durch direkte Kontakte mit den Basisorganisationen und Sensibilisierung der EU-Institutionen für die Probleme und Lösungen vor Ort.

1.2

Nach Meinung des EWSA sollte die Schaffung einer erfolgreichen, dauerhaften, übergreifenden europäischen Kinder- und Jugendstrategie durch eine permanente Struktur in der Kommission (zur Koordinierung der Arbeit der verschiedenen GD) oder durch eine interinstitutionelle Gruppe unterstützt werden und auf der Einrichtung eines Beobachtungsmechanismus mit klaren Zielen und Fristen basieren.

1.3

Der EWSA ist der Ansicht, dass die Verbesserung der Beschäftigung in der Europäischen Union dabei ansetzen sollte, dass — noch bevor ältere Arbeitnehmer mobilisiert werden — die Beschäftigung junger Menschen massiv verbessert wird. Dies würde nämlich soziologische Auswirkungen (Eigenständigkeit, soziales Leben, Geburtenrate, Familie) und wirtschaftliche Auswirkungen (Wachstum, Sozialbeiträge, Konsum, Spareinlagen, Investitionen z. B. im Wohnungsbau etc.) haben, die weitaus langfristiger in die Zukunft hineinwirken. Er fordert die Mitgliedstaaten und die europäischen Institutionen auf, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Jugendarbeitslosigkeit in Europa zu senken, in der Hauptsache durch die raschere und wirkungsvollere Umsetzung des Europäischen Pakts für die Jugend und der nationalen Reformprogramme der Mitgliedstaaten im Rahmen der Lissabon-Strategie.

1.4

Der EWSA dringt darauf, dass der Situation junger Menschen in ländlichen Gebieten und benachteiligten städtischen Gebieten besser Rechnung getragen wird. Er ruft die Mitgliedstaaten auf, Kinderarmut zu bekämpfen und fordert Maßnahmen, um die gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe von Jugendlichen mit Behinderungen zu fördern.

1.5

Der EWSA empfiehlt, dass die Europäische Kommission bei der Anerkennung der Freiwilligenarbeit von Jugendlichen noch weiter geht, indem sie mit den Interessenvertretungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Vertretern der formellen Bildungseinrichtungen und den einschlägigen NRO zusammenarbeitet.

1.6

Der Ausschuss wiederholt seine wichtigsten Bemerkungen zur freiwilligen Tätigkeit Jugendlicher. Es geht ihm vor allem um folgende Punkte:

Die Kommission sollte ein Jahr der Freiwilligen ausrufen und ein Weißbuch über Freiwilligenarbeit und aktive Bürgerschaft in Europa veröffentlichen.

Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten das Bewusstsein dafür stärken, wie sehr die Jugendarbeit zur Entfaltung junger Menschen sowie zur Entwicklung der Fähigkeiten, Werte und Sichtweisen beiträgt, die Jugendliche durch ihr aktives Engagement in Jugendorganisationen und für die Jugendarbeit erwerben.

1.7

Der Ausschuss rät von unbeständigen und perspektivlosen Lösungen bei der Integration in die Arbeitswelt ab: Man sollte nicht länger auf prekäre Beschäftigungsverhältnisse und immer unsichere Arbeitszeiten und Arbeitsverträge setzen, da sich gezeigt hat, wie diese auf zunehmend jüngere Menschen mit verschiedensten sozialen Hintergründen wirken. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse, die als Zwischenlösung für die Zeit zwischen Abschluss der Grundbildung und dem Eintritt in das aktive Leben angepriesen werden, verzögern lediglich das berufliche Vorankommen und die dauerhafte Übernahme von Eigenverantwortung im sozialen und familiären Bereich, wie bedauerlicherweise den Studien und Beobachtungen der Dubliner Stiftung, der ILO oder des Europäischen Beschäftigungsobservatoriums zu entnehmen ist.

1.8

Weiterhin befürwortet der Ausschuss die Entwicklung eines strukturierten Dialogs zwischen Entscheidungsträgern und Jugendlichen. Ein solcher Dialog würde einen Beitrag zur Entwicklung einer übergreifenden europäischen Jugendstrategie sein, die die Kommission in ihrer Mitteilung anregt. Der Ausschuss begrüßt den Vorschlag der Kommission, alle drei Jahre einen EU-Jugendbericht vorzulegen, und empfiehlt die Einbindung zivilgesellschaftlicher Jugendorganisationen, insbesondere der nationalen Jugendräte, in die Ausarbeitung eines solchen Berichts.

1.9

Der EWSA unterstützt den Aufbau einer starken Partnerschaft zwischen der EU und Jugendlichen, die durch die Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung der europäischen Institutionen und des Europäischen Jugendforums als der Partnerorganisation auf Seite der Jugendlichen bekräftigt werden soll.

2.   Einleitung

2.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss setzt sich bereits seit mehr als zehn Jahren mit dem Thema „Jugend“ auseinander. Die Aussagen der jüngsten Stellungnahmen des Ausschusses haben nichts von ihrer Aktualität eingebüßt und können, zumindest in Teilen, auch in die vorliegende Stellungnahme einfließen (1).

2.2

Am 5. September 2007 legte die Europäische Kommission ihre Mitteilung „Förderung der umfassenden Beteiligung junger Menschen an Bildung, Beschäftigung und Gesellschaft“ vor, an deren Ausarbeitung die GD Bildung und Kultur und die GD Beschäftigung, soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit beteiligt waren. Außerdem wirkten noch weitere Generaldirektionen daran mit. In der Mitteilung wird eine Reihe von Themenkreisen behandelt, darunter Bildung, Beschäftigung, Gesundheit und Bürgerschaft Jugendlicher, wobei der Versuch unternommen wird, eine bereichsübergreifende Perspektive anzulegen. Sie wird von zwei Arbeitspapieren der Kommissionsdienststellen begleitet, und zwar zur Freiwilligenarbeit und zur Jugendarbeitslosigkeit.

2.3

Die Kommission reagiert damit auf die beachtenswerten Untersuchungsergebnisse, die im Bericht Investing in youth: an empowerment strategy des BEPA (Beratergremium für europäische Politik) im April 2007 publiziert wurden.

2.4

Grundsätzlich begrüßt der Ausschuss die Herangehensweise der Europäischen Kommission sowohl im Hinblick auf die Art der Ausarbeitung als auch den Inhalt der Mitteilung. Er zeigt sich erfreut, dass mehrere Generaldirektionen an der Ausarbeitung mitgewirkt haben.

2.5

Allerdings stellt sich für den Ausschuss die Frage, wie es um die Umsetzung dieser Pläne bestellt ist, damit eine solche übergreifende Jugendstrategie Gestalt annehmen kann. Die Europäische Kommission macht keine Empfehlungen, auf welchem Weg dieses Ziel erreicht werden könnte. Einer ersten Reaktion des Rates zufolge liegen derzeit auch in keinem Mitgliedstaat dahingehende Pläne vor.

3.   Bessere und mehr Bildung für alle jungen Menschen

3.1

Dieses Kapitel ist fast ausschließlich der formellen Bildung gewidmet; doch zum Erwerb der für den Erfolg des lebenslangen Lernens notwendigen Fähigkeiten und Qualifikationen trägt auch die informelle Bildung bei, indem sie die Bestrebungen des Schulsystems flankiert. Sie muss daher ebenfalls berücksichtigt werden.

3.2

Vom Grundsatz her schließt sich der Ausschuss den Vorschlägen zur Verbesserung der Bildungsqualität an, denn hier wird die Linie, die durch die aktuellen Strategien und Dokumente vorgezeichnet ist, weiterverfolgt.

3.3

Auch der Ausschuss ist der Auffassung, dass ein jugendspezifisches Element im „Europass“ als Ergänzung zu „Youthpass“ entwickelt werden sollte, denn letzterer hat nur die Aktivitäten Jugendlicher im Rahmen des Programms „Jugend in Aktion“ zum Gegenstand. Das Spektrum der anerkennenswerten Tätigkeiten Jugendlicher müsste jedoch viel breiter gefasst werden.

3.4

Der EWSA empfiehlt, dass die Europäische Kommission bei der Anerkennung der Freiwilligenarbeit Jugendlicher noch weiter geht, indem sie mit den Interessenvertretungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Vertretern der formellen Bildungseinrichtungen und den einschlägigen NRO zusammenarbeitet.

3.5

Jugendliche Schulabbrecher sollten die Möglichkeit haben, an informellen Berufsbildungsprogrammen teilzunehmen, die ihnen das notwendige Rüstzeug für das Erwachsenenleben mit auf den Weg geben und sie in die Lage versetzen, sich am Arbeitsmarkt entweder als Beschäftigte oder als Selbständige erfolgreich zu behaupten.

4.   Jugend und Beschäftigung: Eine Herausforderung für Europa

4.1

Der EWSA sieht die Jugendarbeitslosigkeit als eine Zeitbombe für die Zukunft Europas und fordert die Mitgliedstaaten und die europäischen Institutionen auf, die notwendigen Schritte zur Verbesserung der Situation zu unternehmen. Diese Maßnahmen sollten vor allem auf einer schnelleren und wirkungsvolleren Umsetzung des Europäischen Pakts für die Jugend aufbauen — hier sind zahlreiche Mitgliedstaaten zum Teil erheblich in Verzug. Gegenwärtig hat der Europäische Pakt für die Jugend eher den Charakter einer Absichtsbekundung als eines tatsächlichen Arbeitsplans.

4.2

In einer früheren Stellungnahme (2) hatte der EWSA gefordert, die Aufnahme folgender Zielvorgaben in die Reformprogramme der Mitgliedstaaten für die Lissabon-Strategie zu erwägen:

Festlegung individueller Zielvorgaben für jeden Mitgliedstaat im Hinblick auf eine Verringerung der Jugendarbeitslosigkeit um mindestens 50 % im Zeitraum 2006-2010 (derzeit liegt die Arbeitslosenquote in der Europäischen Union bei Jugendlichen unter 25 bei 17,4 %); sie liegt in den meisten Ländern oberhalb der Gesamtarbeitslosigkeit und ist in den meisten EU-Ländern mindestens doppelt so hoch wie in der Gesamtwirtschaft;

Nachbesserungen bei der Zielvorgabe zur Reduktion der maximalen Frist zur Aktivierung Arbeit bzw. Lehrstellen suchender Jugendlicher von sechs auf vier Monate;

Entwicklung von Systemen der sozialen Sicherung, die es Jugendlichen ermöglichen, Entscheidungen für die eigene Zukunft zu treffen;

Verringerung der Schulabbrüche um 50 % im Zeitraum 2006-2010 und Förderung von 'Schnupperpraktika' in Unternehmen.

4.3

Der Ausschuss hat unlängst eine Sondierungsstellungnahme zum Thema „Flexicurity“ (3) verabschiedet, die ein guter Ausgangspunkt für künftige Arbeiten zu diesem Thema wäre. Darin wird u.a. festgestellt, dass „junge Menschen in vielen Mitgliedstaaten mit einer unsicheren Beschäftigungssituation konfrontiert [sind], die sich durch hohe Arbeitslosigkeit, befristete Arbeitsverträge, ungenügende soziale Absicherung und Arbeit unter dem Qualifikationsniveau auszeichnet“.

4.4

Obschon soziale Instabilität bislang als typisch und charakteristisch für einen bestimmten Lebensabschnitt — die Jugend — angesehen wurde, betrifft sie nun weite Kreise der Jugendlichen in Europa und der Welt immer stärker. Sie sind prekären Beschäftigungsverhältnissen und materiellen Schwierigkeiten ausgesetzt, wovon man sich bei der Lektüre der letzten Berichte der ILO überzeugen kann. Es ist zudem Sache der Elterngenerationen, sich darüber Gedanken zu machen, welche Zukunft sie den Nachgeborenen hinterlässt.

4.5

Schon bei früheren Gelegenheiten hatte der EWSA die „Förderung junger Existenzgründer in finanzieller und materieller Hinsicht sowie durch Beschränkung des bürokratischen Aufwands bei der Unternehmensgründung“ gefordert. Deshalb ist der EWSA an dem vorgeschlagenen Pilotprojekt interessiert, durch das die Mobilität junger Unternehmer gefördert werden soll.

4.6

Was die Kommissionsinitiative in Sachen Praktika anbelangt, so teilt auch der EWSA die Auffassung, dass ein europäischer Qualitätsrahmen für Praktika eingeführt werden müsste, für den auch bei den Unternehmen geworben werden sollte, damit sich diese an dessen Prinzipien halten und klare Verträge mit Jugendlichen schließen. Gegenwärtig werden jugendliche Praktikanten nicht selten als billige Arbeitskräfte genutzt, wodurch ihnen die Möglichkeit, etwas für ihre künftige Arbeit zu lernen und sich darauf vorzubreiten, vorenthalten wird.

4.7

Im Einklang mit dem Vorschlag der Kommission, durch den die Mitgliedstaaten ermutigt werden, nationale Politiken und EU-Mittel zu nutzen, um den Übergang junger Menschen vom Bildungswesen ins Arbeitsleben zu unterstützen, fordert der EWSA die Mitgliedstaaten auf, den Verwaltungsaufwand zu reduzieren, der bei der Beantragung von EU-Geldern anfällt, da dieser die Möglichkeiten der Jugend-NRO schmälert, von dieser Art der Finanzierung zu profitieren. Die Vorfinanzierung von NRO-Projekten könnte ebenfalls ein Beitrag zur Verbesserung der Erfolgschancen ihrer Projekte sein.

5.   Das Potenzial aller umfassend nutzen

5.1

Der EWSA dringt darauf, dass der Situation junger Menschen in ländlichen Gebieten und benachteiligten städtischen Gebieten besser Rechnung getragen wird. In vielen ländlichen Gebieten und benachteiligten städtischen Gebieten haben die Jugendlichen kaum Zugang zu guten Bildungs- und Ausbildungsstätten, Mobilität, Gesundheitsfürsorge, Freizeiteinrichtungen oder Beschäftigungsmöglichkeiten und auch kaum eine Gelegenheit, sich in der Zivilgesellschaft zu engagieren.

5.2

Der Ausschuss fordert die Mitgliedstaaten auf, mehr zur Bekämpfung der Armut von Kindern und Jugendlichen zu tun, denn diese zieht für die Betroffenen weite Kreise in Bereichen wie Gesundheit und Bildung und hat selbst auf die künftigen „Lebenschancen“ eines Kindes, aus der Armutsspirale auszubrechen, erhebliche Auswirkungen.

5.3

In der Stellungnahme wird der grundlegende Zusammenhang, der zwischen Umfang und Niveau der Tagesbetreuung von Kindern sowie den späteren schulischen Leistungen und einem erfolgreichen Berufsleben besteht, nicht thematisiert. Der EWSA empfiehlt, entsprechend den Zielen der Lissabon-Strategie die Bedeutung der Tagesbetreuung von Kindern als Vorbereitung auf die Schule und auf ein selbstständiges Leben sowie als Instrument für die gesellschaftliche Integration und das Aufholen von Rückständen hervorzuheben.

5.4

Der EWSA mahnt zusätzliche Maßnahmen an, um die gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe von Kindern und Jugendlichen, die besondere Bedürfnisse haben, benachteiligt sind oder mit Behinderungen leben, zu fördern: sie sollen gleichberechtigt an den Maßnahmen im Rahmen des Programms Jugend teilnehmen können und einen gleichberechtigten Zugang zu Informationen über Jugendpolitik, Projekte im Jugendbereich und Sensibilisierungsmaßnahmen haben.

5.5

In Bezug auf die Bedeutung von Gleichstellungsfragen schließt sich der Ausschuss der Analyse der Kommission an. Allerdings bedauert er, dass in der Mitteilung keine neuen Vorschläge für Maßnahmen gegen stereotype Geschlechterrollen unterbreitet werden.

5.6

Der EWSA hat die Kommission bereits ersucht, Maßnahmen für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ins Auge zu fassen und insbesondere einen ausgewogenen Lebensstil zu fördern:

Der Ausschuss hatte eine kollektive Einbeziehung Jugendlicher in die EU-Plattform für Maßnahmen zugunsten einer gesunden, ausgewogenen Ernährung und körperlicher Bewegung gefordert.

Mit Sorge sieht der Ausschuss die Zunahme des schädlichen, riskanten Trinkens bei jungen Erwachsenen und Kindern in vielen Mitgliedstaaten in den letzten zehn Jahren, insbesondere die heftigen gelegentlichen Alkoholexzesse („Koma-Trinken“).

Bedenklich aus der Sicht des Ausschusses sind ebenso Geschäftspraktiken, Mischungen aus Alkohol und Erfrischungsgetränken in Dosen zu verkaufen, um Jugendliche an einen regelmäßigen Alkoholkonsum heranzuführen.

Der Ausschuss dringt auf ein verstärktes Vorgehen gegen die verschiedenen Formen von Gewalt gegen Kinder und Jugendliche sowie auf bessere Information und Ausbildung in Sachen Vorbeugung und Handhabung.

5.7

Im Geiste der „Solidarität zwischen den Generationen“, die in den jüngsten Stellungnahmen des Ausschusses (4) angemahnt wird, ist es notwendig, die Solidarität mit den Jugendlichen in die bereichsübergreifenden horizontalen Politiken mit einzubinden, jedoch im Geiste der Zusammenarbeit und der Solidarität mit den anderen Altersgruppen in der Zivilgesellschaft — Kindern, Erwachsenen und alten Menschen.

5.8

Aus diesem Grunde begrüßt der Ausschuss, dass die Kommission eine neue Gesundheitsstrategie vorlegt.

6.   Aktive junge Bürger

6.1

Die aktive Teilnahme Jugendlicher ist ein Anliegen, das der EWSA durchgängig in seinen Stellungnahmen sowie durch sein Angebot zur Mitwirkung an der Europäischen Jugendwoche 2007 gefördert hat.

6.2

Der EWSA hatte in einer früheren Stellungnahme die Bedeutung der aktiven Beteiligung und Selbstbestimmung junger Menschen in der Gesellschaft insgesamt betont und dazu folgende Empfehlungen ausgesprochen:

Junge Menschen sollen in den Mittelpunkt dieses Rahmens gestellt und dazu angeregt werden sowie die Gelegenheit erhalten, sich mit all ihren Ausdrucksmöglichkeiten aktiv an der Politikgestaltung zu beteiligen.

Die Mitgliedstaaten und die Institutionen müssen die nötigen Mittel und Verfahren sowie die erforderliche Unterstützung bereitstellen, um es Jugendlichen auf allen Ebenen zu erleichtern, an Entscheidungen und Maßnahmen mitzuwirken, die ihr Leben beeinflussen. Nur wirkliche Einflussnahme kann zur Übernahme echter Verantwortung führen.

Der EWSA fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, junge Menschen und Jugendorganisationen an der Politikgestaltung und -umsetzung partnerschaftlich mitwirken zu lassen und weiterhin auf ihre Einbeziehung in allen Phasen hinzuwirken.

Jugendliche, Jugendorganisationen und die Sozialpartner müssen zu der Frage gehört werden, wie Maßnahmen zur Umsetzung dieser Initiative im Rahmen der nationalen Lissabon-Reformprogramme entwickelt werden und Folgemaßnahmen zu deren Umsetzung aussehen sollten.

6.3

Der EWSA würde es begrüßen, wenn der Teil der Mitteilung, in dem es um die freiwilligen Aktivitäten junger Menschen geht (Ziffer 5.2), kraftvoller und weniger allgemein formuliert würde. Der Ausschuss bedauert, dass keine seiner Empfehlungen aus seiner Sondierungsstellungnahme (5) berücksichtigt wurde.

6.4

Daher wiederholt der Ausschuss seine Hauptanliegen hinsichtlich dieses Themenfelds:

Auf europäischer Ebene sollte eine Charta verabschiedet werden, in der die Rolle der Freiwilligenorganisationen mitsamt ihren Rechten und Pflichten festgelegt wird.

Die Kommission sollte ein Jahr der Freiwilligen ausrufen und ein Weißbuch über Freiwilligenarbeit und aktive Bürgerschaft in Europa veröffentlichen.

Die Mitgliedstaaten sollten rechtliche Rahmenbedingungen ausarbeiten, die ein Recht auf Freiwilligenarbeit unabhängig vom jeweiligen rechtlichen oder sozialen Status des Einzelnen vorsehen und Regelungen im Versicherungsbereich und die Erstattung von Unkosten enthalten.

Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten das Bewusstsein dafür stärken, wie sehr die Jugendarbeit zur Entfaltung junger Menschen sowie zur Entwicklung der Fähigkeiten, Werte und Sichtweisen beiträgt, die Jugendliche durch ihr aktives Engagement in Jugendorganisationen und für die Jugendarbeit erwerben.

Die EU sollte besonders um eine bessere Anerkennung der durch freiwillige Tätigkeiten erworbenen Befähigungen bemüht sein.

6.5

Der EWSA unterstützt den Aufbau einer starken Partnerschaft zwischen der EU und Jugendlichen in Form einer gemeinsamen Erklärung der europäischen Institutionen und des Europäischen Jugendforums als der Partnerorganisation auf Seite der Jugendlichen, die im Jahresverlauf unterzeichnet werden soll. Er stellt mit Zufriedenheit fest, dass das Europäische Jugendforum „darauf bedacht ist, über angemessene Maßnahmen und Werkzeuge gemeinsam mit den Partnern nachzudenken, um sicherzustellen, dass die Meinungen, insbesondere der benachteiligten Jugendlichen, Gehör finden und im Rahmen dieses Prozesses berücksichtigt werden können“ (6).

6.6

Weiterhin befürwortet der Ausschuss die Entwicklung eines strukturierten Dialogs zwischen Entscheidungsträgern und Jugendlichen. Ein solcher Dialog wäre ein Beitrag zur Entwicklung einer übergreifenden europäischen Jugendstrategie, die die Kommission in ihrer Mitteilung anregt. Zu diesem Zweck schlägt der EWSA eine Aussprache vor, zu der alle relevanten Generaldirektionen der Kommission, Vertreter des Rats und des Europäischen Parlaments sowie der Jugendzivilgesellschaft zusammengerufen werden könnten, um einen gemeinsamen Plan zu erarbeiten, mit der die Jugendthematik bereichsübergreifend behandelt werden könnte. Der EWSA sieht einen solchen gemeinsamer Plan als einen konkreten Schritt, um den Forderungen der Jugendlichen und der Jugendzivilgesellschaft nachzukommen, die im März 2007 auf dem EU-Jugendgipfel in Rom geäußert wurden.

6.7

Bei einem strukturierten Dialog mit den Jugendlichen sollten auch die bereits vorhandenen Mittel, namentlich die an Jugendliche gerichteten Veranstaltungen der EU-Präsidentschaften und der Europäischen Jugendwoche, wirkungsvoll genutzt werden. Allerdings müssen diese Veranstaltungen auch für Diskussionen über den Fortschritt der übergreifenden europäischen Jugendstrategie genutzt werden; auch sollten ihre schriftlichen Ergebnisse mit diesem Fortschritt verknüpft werden. Es geht nicht darum, neue Deklarationen zu verfassen — das Rad muss nicht dauernd neu erfunden werden.

6.8

Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission, alle drei Jahre einen EU-Jugendbericht vorzulegen. Ein solcher Bericht sollte mit der übergreifenden Jugendstrategie und ihren Zielen verbunden und mit klar definierten Indikatoren für Erfolg oder Misserfolg versehen werden. Die Einbindung der Jugendzivilgesellschaft, insbesondere der nationalen Jugendräte, in die Ausarbeitung eines solchen Berichts ist zu gewährleisten.

Brüssel, den 17. Januar 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  EWSA-Stellungnahme vom 26.10.2005 zur Mitteilung über europäische Politiken im Jugendbereich — Die Anliegen Jugendlicher in Europa aufgreifen — Umsetzung des Europäischen Pakts für die Jugend und Förderung der aktiven Bürgerschaft, Berichterstatterin: Frau VAN TURNHOUT (ABl. C 28 vom 3.2.2006).

EWSA-Stellungnahme vom 13.12.2006 zum Thema „Freiwillige Aktivitäten, ihre Rolle in der europäischen Gesellschaft und ihre Auswirkungen“, Berichterstatterin: Frau KOLLER (ABl. C 325 vom 30.12.2006).

EWSA-Stellungnahme vom 6.7.2006 zur Mitteilung der Kommission „Umsetzung des Lissabon-Programms der Gemeinschaft: Förderung des Unternehmergeistes in Unterricht und Bildung“, Berichterstatterin: Frau JERNECK (ABl. C 309 vom 16.12.2006).

EWSA-Stellungnahme vom 12.7.2007 zum Thema „Beschäftigung für vorrangige Bevölkerungsgruppen (Lissabon-Strategie)“, Berichterstatter: Herr GREIF (ABl. C 256 vom 27.10.2007).

EWSA-Stellungnahme vom 14.9.2006 zum Thema „Unionsbürgerschaft: Verbesserung ihrer gesellschaftlichen Wahrnehmung und Wirkung“, Berichterstatter: Herr VEVER (ABl. C 318 vom 23.12.2006).

EWSA-Stellungnahme vom 10.3.2005 zum „Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über die Durchführung des Programms 'Jugend in Aktion' im Zeitraum 2007-2013“, Berichterstatter: Herr RODRÍGUEZ GARCÍA-CARO (ABl. C 234 vom 22.9.2005).

EWSA-Stellungnahme vom 30.5.2007 zur Mitteilung der Kommission „Eine EU-Strategie zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Verringerung alkoholbedingter Schäden“, Berichterstatterin: Frau VAN TURNHOUT, Mitberichterstatter: Herr JANSON (ABl. C 175 vom 27.7.2007).

EWSA-Stellungnahme zum Thema „Flexicurity (Gemeinsame Grundsätze für den Flexicurity-Ansatz herausarbeiten: Mehr und bessere Arbeitsplätze durch Flexibilität und Sicherheit)“, KOM(2007) 359 endg. Berichterstatter: Herr JANSON, Mitberichterstatter: Herr ARDHE — SOC/283, noch nicht verabschiedet.

(2)  EWSA-Stellungnahme vom 26.10.2005 zu der Mitteilung der Kommission: „Die Anliegen Jugendlicher in Europa aufgreifen — Umsetzung des Europäischen Pakts für die Jugend und Förderung der aktiven Bürgerschaft“, Berichterstatterin: Frau VAN TURNHOUT (ABl. C 28 vom 3.2.2006).

(3)  EWSA-Stellungnahme zum Thema „Flexicurity (die Dimension der internen Flexibilität — Tarifverhandlungen und sozialer Dialog als Instrumente der Arbeitsmarktregulierung und -reform)“, KOM(2007) 359 endg. Berichterstatter: Herr JANSON, Mitberichterstatter: Herr ARDHE — SOC/283, noch nicht verabschiedet.

(4)  Initiativstellungnahme vom 16.12.2004 zum Thema „Beziehungen zwischen den Generationen“, Berichterstatter: Herr BLOCH-LAINÉ (ABl. C 157 vom 28.06.2005).

EWSA-Stellungnahme zum Thema „Die Solidarität zwischen den Generationen fördern“, Berichterstatter: Herr JAHIER (CESE 1711/2007 — SOC 277). Verabschiedet auf der Plenartagung vom 12./13. Dezember 2007.

(5)  EWSA-Stellungnahme vom 13.12.2006 zum Thema „Freiwillige Aktivitäten, ihre Rolle in der europäischen Gesellschaft und ihre Auswirkungen“, Berichterstatterin: Frau KOLLER, Mitberichterstatterin: Frau EULENBURG (ABl. C 325 vom 30.12.2006).

(6)  Reaktion des EJF auf die Mitteilung der Europäischen Kommission, 7.4.2007.


ANLAGE

zur Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Folgender Änderungsantrag, auf den über ein Viertel der abgegebenen Stimmen entfiel, wurde im Verlauf der Beratungen abgelehnt (Artikel 54 Absatz 3 GO):

Ziffer 6.3

Text wie folgt ändern:

„Der EWSA würde es begrüßen, wenn der Teil der Mitteilung, in dem es um die freiwilligen Aktivitäten junger Menschen geht (Ziffer 5.2), kraftvoller und weniger allgemein formuliert würde. Er ruft in Erinnerung, dass ‚Freiwilligenarbeit‘ nicht mit ‚Wohltätigkeit‘ gleichzusetzen ist und auch freiwillige Tätigkeiten entlohnt werden können  (1). Der Ausschuss bedauert, dass keine seiner Empfehlungen aus seiner Sondierungsstellungnahme berücksichtigt wurde.“

Abstimmung

Ja-Stimmen: 17 Nein-Stimmen: 30 Stimmenthaltungen: 15


(1)  EWSA-Stellungnahme vom 13.12.2006 zum Thema Freiwillige Aktivitäten, ihre Rolle in der europäischen Gesellschaft und ihre Auswirkungen, Berichterstatterin: Frau KOLLER, Mitberichterstatterin: Frau EULENBURG (ABl. C 325 vom 30.12.2006).


17.6.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 151/50


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Ausdehnung der Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und der Verordnung (EG) Nr. […] auf Drittstaatsangehörige, die nicht bereits ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit unter diese Bestimmungen fallen“

KOM(2007) 439 endg. — 2007/0152 (CNS)

(2008/C 151/15)

Der Rat beschloss am 5. Oktober 2007, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Ausdehnung der Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und der Verordnung (EG) Nr. […] auf Drittstaatsangehörige, die nicht bereits ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit unter diese Bestimmungen fallen“

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 19. Dezember 2007 an. Berichterstatter war Herr RODRÍGUEZ GARCÍA-CARO.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 441. Plenartagung am 16./17. Januar 2008 (Sitzung vom 16. Januar) einstimmig folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt den Vorschlag für eine Verordnung zur Ausdehnung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 883/2004 und der Verordnung Nr. […] auf Drittstaatsangehörige, die nicht bereits ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit unter diese Bestimmungen fallen, denn er sieht darin einen Fortschritt für die Gleichbehandlung von EU-Bürgern und Staatsangehörigen von Drittstaaten, die ihren rechtmäßigen Wohnsitz in der EU haben.

1.2

In diesem Sinne bringt der Ausschuss seine Hoffnung und seinen Wunsch zum Ausdruck, dass den folgenden Bemerkungen Rechnung getragen werde, die ein Resümee der im weiteren Verlauf der Stellungnahme folgenden Aussagen sind:

1.2.1

Es ist jede Situation zu vermeiden, die zur Folge haben würde, dass die Verordnung Nr. 859/2003 und damit auch die Verordnung Nr. 1408/71 sowie deren Durchführungsverordnung weiterhin gültig bleiben.

1.2.2

Der Rechtsakt, der die Verordnung Nr. 859/2003 ersetzt, sollte keinen Anhang mit Sonderbestimmungen enthalten, die Ausnahmen von der Anwendung der Verordnung Nr. 883/2004 bedeuten.

1.2.3

Als Vertreter der organisierten Zivilgesellschaft der Europäischen Union sollte der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss stets um Stellungnahme ersucht werden, wenn es um den Erlass von Rechtsakten dieser Art geht.

2.   Einleitung

2.1

Im April 1991 sprach sich der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss in seiner Initiativstellungnahme zum „Rechtlichen Status der Wanderarbeitnehmer aus Drittländern“ für die Gleichbehandlung von EU-Bürgern und Drittstaatsangehörigen im sozialen Bereich aus (1).

2.2

Der Europäische Rat betonte im Oktober 1999 auf seiner Tagung in Tampere, dass die EU eine gerechte Behandlung von Drittstaatsangehörigen sicherstellen muss, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet ihrer Mitgliedstaaten aufhalten; ihnen sollten vergleichbare Rechte und Pflichten wie EU-Bürgern zuerkannt werden. Zu diesen Rechten gehört natürlich auch die Freizügigkeit mit den Konsequenzen, die diese Mobilität im Bereich Beschäftigung und Soziales mit sich bringt.

2.3

Gemäß Artikel 63 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beschließt der Rat nach Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam „Maßnahmen zur Festlegung der Rechte und der Bedingungen, aufgrund derer sich Staatsangehörige dritter Länder, die sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhalten, in anderen Mitgliedstaaten aufhalten dürfen“ (2). Diese Maßnahmen berühren das Aufenthalts- und Mobilitätsrecht der Betroffenen.

2.4

Im Mai 2003 wurde die Verordnung (EG) Nr. 859/2003 (3) zur Ausdehnung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 1408/71 und der Verordnung Nr. 574/72 auf Drittstaatsangehörige, die ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter diese Bestimmungen fallen, veröffentlicht (4). Diese Verordnung, die auf dem in Artikel 63 EG-Vertrag enthaltenen Mandat fußt, beinhaltete die Ausdehnung der Bestimmungen der Verordnungen über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Drittstaatsangehörige, ihre Familienangehörigen und die Hinterbliebenen von EU-Bürgern, wenn sie Drittstaatsangehörige sind und ihren rechtmäßigen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben.

2.5

Im Jahr 2004 wurde mit der Annahme der Verordnung Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit als Zeitpunkt für die Aufhebung der Verordnung Nr. 1408/71 der Tag der Annahme und Veröffentlichung der Durchführungsverordnung zu jener Verordnung festgelegt. Ohne die Annahme des Verordnungsvorschlags, der Gegenstand der vorliegenden Stellungnahme ist, unterlägen Drittstaatsangehörige mit rechtmäßigem Wohnsitz in der EU weiterhin der Verordnung Nr. 1408/71, sie kämen nicht in den Genuss der in der Verordnung Nr. 883/2004 vorgesehenen Vereinfachungs- und Verbesserungsmaßnahmen, und es entstünde die paradoxe Situation eines Nebeneinanders von zwei Verordnungen zur sozialen Sicherheit, von denen eine ausschließlich für Drittstaatsangehörige gilt.

3.   Wesentlicher Inhalt des Vorschlags

3.1

Der Vorschlag für eine Verordnung umfasst drei Artikel; hinzu kommt wahrscheinlich wie bei der Vorgängerverordnung ein Anhang, der dem vorliegenden Vorschlag jedoch nicht beigefügt ist. Die Artikel enthalten nahezu den gleichen Wortlaut wie die der Verordnung, die ersetzt werden soll.

3.2

Artikel 1 bestimmt den Anwendungsbereich, also Drittstaatsangehörige, ihre Familienangehörigen und ihre Hinterbliebenen, die ihren rechtmäßigen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben und die nicht bereits unter die Verordnung Nr. 883/2004 fallen.

3.3

Artikel 2 enthält die gleichen Ausnahmebestimmungen wie die gegenwärtig geltende Verordnung Nr. 859/2003 in Bezug auf die Ansprüche, die für den Zeitraum vor dem 1. Juni 2003 — dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der derzeitig geltenden Verordnung — geltend gemacht werden können.

3.4

Artikel 3 legt das Datum des Inkrafttretens der Verordnung fest und bestimmt, dass die Verordnung Nr. 859/2003 mit Wirkung vom selben Tag aufgehoben wird.

4.   Bemerkungen

4.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt den Vorschlag für eine Verordnung und bekundet erneut seine uneingeschränkte Zustimmung zu einer Ausdehnung der Gleichbehandlung von Staatsangehörigen der EU-Mitgliedstaaten und Staatsangehörigen von Drittstaaten im sozialen Bereich in der Überzeugung, dass diese Gleichstellung die schrittweise Integration der Migranten aus Drittstaaten in die Länder der EU erleichtern wird.

4.2

Der Ausschuss ist erfreut, dass ihn der Rat im Zuge des Verfahrens zum Erlass der Verordnung, durch die die Verordnung Nr. 883/2004 und die zugehörige Durchführungsverordnung auf Drittstaatsangehörige, die nicht bereits ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit unter diese Bestimmungen fallen, ausgedehnt werden soll, um Stellungnahme ersucht hat. Er äußert in diesem Zusammenhang sein Unverständnis darüber, dass im Zuge des Verfahrens zum Erlass der Verordnung Nr. 859/2003 kein entsprechendes Ersuchen an ihn gerichtet wurde, so dass er sich zu einer so wichtigen Frage nicht äußern konnte.

4.3

Unbeschadet der Themen, zu denen der Ausschuss obligatorisch zu hören ist, wäre es aus Sicht des Ausschusses sinnvoll, dass er in allen Fragen zu Rate gezogen wird, die Auswirkungen im sozialen Bereich haben, vor allem wenn sie mit dem Geltungsbereich von Bestimmungen über Sozialleistungen, die im Rahmen der Systeme der sozialen Sicherheit gewährt werden, zu tun haben.

4.4

In den Erwägungsgründen der Verordnung Nr. 859/2003 heißt es unter anderem, dass das Vereinigte Königreich und Irland gemäß Artikel 3 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands mitgeteilt haben, dass sie sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchten.

4.5

In dem Vorschlag für eine Verordnung, die die Verordnung Nr. 859/2003 ersetzen soll, findet sich bisher kein Erwägungsgrund, in dem dieser Umstand aufgegriffen wird, so dass der Ausschuss davon ausgeht, dass seitens der beiden Mitgliedstaaten noch keine entsprechende Mitteilung ergangen ist. In dieser Hinsicht hofft der Ausschuss, dass die Annahme durch diese Länder anlässlich des Erlasses der neuen Verordnung erneut erfolgt, damit nicht die bereits in Ziffer 2.5 dieser Stellungnahme angesprochene Situation eintritt, dass nämlich die Verordnung Nr. 1408/71 nur in einem oder zwei Mitgliedstaaten in Kraft bleibt und auch dort nur für Drittstaatsangehörige gilt.

4.6

Die derzeit geltende Verordnung Nr. 859/2003 enthält einen Anhang, der Sonderbestimmungen für die Anwendung der Verordnung in zwei Mitgliedstaaten enthält, die bestimmte konkrete Leistungen betreffen. Der Vorschlag, der Gegenstand der vorliegenden Stellungnahme des Ausschusses ist, enthält keinen solchen Anhang. Das kann darauf zurückzuführen sein, dass kein Mitgliedstaat einen Ausnahmetatbestand in den Verordnungstext einbringen wollte, oder auch darauf, dass sich die Mitgliedstaaten zu diesem Aspekt bisher noch nicht geäußert haben.

4.7

Unabhängig davon, aus welchem Grund der besagte Anhang fehlt, möchte der Ausschuss getreu dem Standpunkt, den er bereits vor über 15 Jahren in seiner Initiativstellungnahme zum „Rechtlichen Status der Wanderarbeitnehmer aus Drittländern“ (5) vertreten hat, erneut zur Gleichbehandlung von Staatsangehörigen der EU-Mitgliedstaaten und Staatsangehörigen von Drittstaaten im sozialen Bereich aufrufen und bringt in diesem Sinne seine Hoffnung zum Ausdruck, dass der neuen Verordnung kein Anhang beigefügt werde.

Brüssel, den 16. Januar 2008

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  ABl. C 339 vom 31.12.1991, Berichterstatter: Herr AMATO.

(2)  Konsolidierte Fassung des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft.

(3)  ABl. L 124 vom 20.5.2003.

(4)  Die Verordnung Nr. 883/2004 gilt bereits für Staatenlose, Flüchtlinge und die Familienangehörigen und Hinterbliebenen von EG-Bürgern.

(5)  ABl. C 339 vom 31.12.1991, Berichterstatter: Herr AMATO.