ISSN 1725-2407

Amtsblatt

der Europäischen Union

C 97

European flag  

Ausgabe in deutscher Sprache

Mitteilungen und Bekanntmachungen

50. Jahrgang
28. April 2007


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III   Vorbereitende Rechtsakte

 

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

 

433. Plenartagung vom 15./16. Februar 2007

2007/C 097/01

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einsetzung eines Europäischen Beratenden Ausschusses für die Gemeinschaftspolitik im Bereich der statistischen InformationKOM(2006) 653 endg. — 2006/0217 (COD)

1

2007/C 097/02

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Umweltqualitätsnormen im Bereich der Wasserpolitik und zur Änderung der Richtlinie 2000/60/EGKOM(2006) 397 endg. — 2006/0129 (COD)

3

2007/C 097/03

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission: Eindämmung des Verlusts der biologischen Vielfalt bis zum Jahr 2010 — und darüber hinaus — Erhalt der Ökosystemleistungen zum Wohl der MenschenKOM(2006) 216 endg.

6

2007/C 097/04

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (kodifizierte Fassung)KOM(2006) 543 endg. — 2006/0170 (COD)

12

2007/C 097/05

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über reinrassige Zuchtrinder (Kodifizierte Fassung) KOM(2006) 749 endg. — 2006/0250 (CNS)

13

2007/C 097/06

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Benutzung von Arbeitsmitteln durch Arbeitnehmer bei der Arbeit (Zweite Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (kodifizierte Fassung) KOM(2006) 652 endg. — 2006/0214 (COD)

14

2007/C 097/07

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Asbest am Arbeitsplatz (kodifizierte Fassung)KOM(2006) 664 endg. — 2006/0222 (COD)

15

2007/C 097/08

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Thema Europäische Logistikpolitik

16

2007/C 097/09

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Eine Strategie für eine sichere Informationsgesellschaft — Dialog, Partnerschaft und Delegation der VerantwortungKOM(2006) 251 endg.

21

2007/C 097/10

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über die Überprüfung des EU-Rechtsrahmens für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste

27

2007/C 097/11

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission gemäß Artikel 138 Absatz 2 EG-Vertrag über die Verbesserung der Arbeitsnormen im SeeverkehrKOM(2006) 287 endg.

33

2007/C 097/12

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Beziehungen EU/Japan: Die Rolle der Zivilgesellschaft

34

2007/C 097/13

Entschliessung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Die Umsetzung der überarbeiteten Lissabon-Strategie

39

DE

 


III Vorbereitende Rechtsakte

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

433. Plenartagung vom 15./16. Februar 2007

28.4.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 97/1


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einsetzung eines Europäischen Beratenden Ausschusses für die Gemeinschaftspolitik im Bereich der statistischen Information“

KOM(2006) 653 endg. — 2006/0217 (COD)

(2007/C 97/01)

Der Rat der Europäischen Union beschloss am 22. Dezember 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 433. Plenartagung am 15./16. Februar 2007 (Sitzung vom 16. Februar) Frau FLORIO zur Hauptberichterstatterin und verabschiedete mit 105 Ja-Stimmen ohne Nein-Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Vorbemerkung

1.1

Mit dieser Stellungnahme möchte der EWSA seine Haltung zu dem Kommissionsvorschlag (1) für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates zum Ausdruck bringen, mit dem der CEIES (Europäische Beratende Ausschuss für statistische Informationen im Wirtschafts- und Sozialbereich) reformiert werden soll.

1.2

Der CEIES hat seit seiner Schaffung als beratendes Organ zur Förderung des Dialogs zwischen den Erstellern und den Nutzern von Statistiken auf EU-Ebene fungiert.

1.3

Die Kommission hebt in der Begründung ihres Vorschlags hervor, bei den Beratungen über die Reform des CEIES habe sich gezeigt, dass folgende gemeinsame Ziele bestehen:

es soll ein effizienteres und kleineres Organ geschaffen werden;

der reformierte CEIES soll dazu beitragen, die Qualität der Gemeinschaftsstatistiken zu verbessern;

der reformierte CEIES soll eine strategischere Rolle einnehmen, was die Unterstützung des Rates, des Europäischen Parlaments und der Kommission bei der Koordinierung der Ziele und Prioritäten der Gemeinschaftspolitik für statistische Information anbelangt;

die Zusammensetzung des reformierten CEIES muss auf jeden Fall alle an europäischen Statistiken interessierten Subjekte, auch aus der Zivilgesellschaft, widerspiegeln.

2.   Der Kommissionsvorschlag

2.1

Durch den Kommissionsvorschlag für einen Beschluss wird ein neuer CEIES geschaffen, der in Art. 1 als „Europäischer Beratender Ausschuss für die Gemeinschaftspolitik im Bereich der statistischen Information “bezeichnet wird und die Aufgabe hat, das Europäische Parlament, den Rat und die Kommission bei der Koordinierung der Prioritäten und strategischen Ziele der Gemeinschaftspolitik für statistische Information zu unterstützen.

2.2

Der CEIES soll bei der Erstellung des gemeinschaftlichen Statistischen Programms eine wichtigere Rolle spielen. Er soll von der Kommission konsultiert werden und zu Folgendem Stellung beziehen:

zur Zweckmäßigkeit des Programms im Hinblick auf die europäische Integration und Entwicklung und auf die Aktivitäten der EU unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen, sozialen und technischen Fortschritte;

zu den Ressourcen und Kosten für die Durchführung des Programms.

2.3

Darüber hinaus hat der CEIES die Aufgabe, der Kommission Bereiche zu melden, in denen neue Statistikarbeiten für wichtig gehalten werden, und gibt Ratschläge darüber, wie die Anforderungen der Nutzer an die Informationsqualität am besten erfüllt werden können.

2.4

Der CEIES gibt auf Ersuchen des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission Stellungnahmen zu folgenden Fragen ab:

Anforderungen der Nutzer an die Entwicklung der Gemeinschaftspolitik für statistische Information;

Prioritäten des gemeinschaftlichen Statistischen Programms;

Bewertung der vorhandenen Statistiken;

Qualität der Daten und Politik der Verbreitung.

2.5

Der CEIES ist auch befugt, dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission Berichte über die Anforderungen der Nutzer und die Kosten der Datenlieferanten vorzulegen.

2.5.1

Die Kommission erstattet alljährlich darüber Bericht, wie sie die Stellungnahmen des CEIES berücksichtigt hat.

2.6

Der Kommissionsvorschlag für einen Beschluss reduziert die Zahl der CEIES-Mitglieder von 79 auf 25. In Art. 4 heißt es, „Die Kommission ernennt nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Rates vierzehn Mitglieder des Ausschusses. [Dabei] übermittelt jeder Mitgliedstaat der Kommission eine Liste mit zwei Kandidaten, die über fundierte Kenntnisse im Bereich der Statistik verfügen. Die Kommission bemüht sich darum, dass die Zusammensetzung des Ausschusses die Zivilgesellschaft einschließlich der Wissenschaft angemessen widerspiegelt und die verschiedenen im Statistikprogramm der Gemeinschaft behandelten Statistikbereiche angemessen abdeckt.“

2.6.1

„Zehn Mitglieder werden direkt von den Institutionen und Gremien ernannt, denen sie angehören:

ein Vertreter des Europäischen Parlaments,

ein Vertreter des Rates,

ein Vertreter des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses,

ein Vertreter des Ausschusses der Regionen,

ein Vertreter der Europäischen Zentralbank,

zwei Vertreter des Ausschusses für das Statistische Programm,

ein Vertreter der Vereinigung der Europäischen Industrie- und Arbeitgeberverbände (UNICE),

ein Vertreter des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB),

ein Vertreter der Europäischen Union des Handwerks und der Klein- und Mittelbetriebe (UEAPME).“

2.6.2

„Der Generaldirektor von Eurostat ist Kraft seines Amtes Mitglied des Ausschusses.“

2.7

Mit dieser Reform wurde die Möglichkeit eingeführt, zeitweilige Arbeitsgruppen unter dem Vorsitz eines CEIES-Mitglieds einzusetzen, die Stellungnahmen zu besonders komplexen Statistikfragen abgeben.

2.8

Dieser Kommissionsvorschlag für einen Beschluss soll den vorhergehenden Beschluss des Rates 91/116/EWG ersetzen.

3.   Bemerkungen und Schlussfolgerungen

3.1

Die EU-Erweiterung auf 27 Mitgliedstaaten macht u.a. eine Reform des CEISIS erforderlich, wie auch in dieser Einrichtung selbst eingeräumt wird. Denn diese Einrichtung muss in der Lage sein, nicht nur die verschiedenen einzelstaatlichen Gegebenheiten, sondern auch die Erfordernisse der Nutzer und Lieferanten in Europa möglichst repräsentativ zu vertreten.

3.2

Eine stärkere strategische Rolle des CEISIS bei der Wahl der Prioritäten und bei der Bewertung, mit der Möglichkeit, Ad-hoc-Arbeitsgruppen einzusetzen, ist ein wichtiger Schritt, um dieser Einrichtung die ihr zustehenden Befugnisse und Mittel zu verleihen.

3.3

Das Ziel, einen neuen, kleineren und effizienteren Ausschuss zu schaffen, ist sicher zu teilen, doch muss die Unabhängigkeit, Maßgeblichkeit und Neutralität der CEISIS-Mitglieder gesichert sein. Daher äußert der EWSA seine Verwunderung über die neue Zusammensetzung des CEISIS: wenn diese Einrichtung wie vorgesehen den Dialog zwischen den Nutzern und den Erstellern von Statistiken fördern soll, sollten nach Ansicht des EWSA die Institutionen wesentlich weniger stark darin vertreten sein.

3.4

Darüber hinaus garantiert die vorgesehene Zusammensetzung nicht, dass der wirkliche Standpunkt von Institutionen wie dem Europäischen Parlament oder dem EWSA selbst zum Ausdruck kommt, da in ihnen ja unterschiedliche Fraktionen bzw. Interessengruppen vertreten sind.

3.5

Der EWSA ist die EU-Institution, die die Aufgabe hat, die verschiedenen Einrichtungen von Wirtschaft und Gesellschaft und die Akteure der Zivilgesellschaft zu repräsentieren. Dass der EWSA wie auch die anderen EU-Institutionen im neuen CEISIS von nur einem Mitglied vertreten sein sollen, schmälert die Bedeutung dieses europäischen Beratungsgremiums.

3.6

Gerade aufgrund der ihm eigenen Rolle und Zusammensetzung sollte der EWSA stärkeres Gewicht in der Konsultation haben — nicht so sehr wegen seiner institutionellen Rolle als vielmehr wegen seiner Fähigkeit, den Standpunkt der europäischen Zivilgesellschaft zum Ausdruck zu bringen.

3.7

Dem Vorschlag für einen Beschluss zufolge soll diese jedoch von 14 von der Kommission ernannten Mitgliedern vertreten werden, ohne dass angegeben würde, nach welchen Kriterien die verschiedenen europäischen Verbände ausgewählt werden. Hinzu kommen 10 Vertreter der Institutionen, der Sozialpartner der EU und von Eurostat.

3.8

Daher unterstützt der EWSA zwar die Reform des CEIES, fordert jedoch, dass in dem Kommissionsvorschlag seine beratende Rolle im Bereich gemeinschaftlicher Statistikinformationen anerkannt und höher eingestuft wird.

Brüssel, den 16. Februar 2007.

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  KOM(2006) 653 endg. — 2006/0217 (COD).


28.4.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 97/3


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Umweltqualitätsnormen im Bereich der Wasserpolitik und zur Änderung der Richtlinie 2000/60/EG“

KOM(2006) 397 endg. — 2006/0129 (COD)

(2007/C 97/02)

Der Rat beschloss am 15. September 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 175 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 25. Januar 2007 an. Berichterstatter war Herr BUFFETAUT.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 433. Plenartagung am 15./16. Februar 2007 (Sitzung vom 15. Februar) mit 188 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 9 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Zweck einer Richtlinie zu den Umweltqualitätsnormen

1.1

Dieser Vorschlag ist im Prinzip ein Vorschlag für eine „Tochterrichtlinie “der Wasserrahmenrichtlinie (2000/60/EG). Mit der Rahmenrichtlinie wurde eine Strategie zur Bekämpfung der Wasserverschmutzung durch Chemikalien festgelegt. Chemikalien können die Wasserökosysteme schädigen und somit zu Artenrückgang und Zerstörung von Biotopen führen. Zudem können sich die Schadstoffe in der Nahrungskette anreichern, wobei die Menschen den Schadstoffen im aquatischen Milieu nicht nur durch den Genuss von Fisch und anderen aquatischen Nahrungsmitteln sowie Trinkwasser, sondern auch bei Sport- und Freizeitaktivitäten ausgesetzt sein können.

1.2

Zu erwähnen ist auch, dass die Schadstoffe noch lange nach ihrem gesetzlichen Verbot in der Umwelt verbleiben, über große Entfernungen transportiert werden und Gebiete erreichen können, die zunächst von der Verschmutzung nicht betroffen zu sein scheinen.

1.3

Die Schadstoffe stammen aus ganz unterschiedlichen Quellen: Haushalten, Landwirtschaft, Verbrennungsanlagen, Industrie usw.

1.4

In einer ersten Etappe hatte die Kommission eine Liste von 33 auf Gemeinschaftsebene als höchst bedenklich geltenden Substanzen vorgelegt (Entscheidung 2455/2001/EG). Ziel des aktuellen Richtlinienvorschlags ist die Gewährleistung „eines hochgradigen Schutzes “vor den Gefahren, die von diesen 33 als höchst bedenklich geltenden Substanzen sowie von bestimmten anderen Schadstoffen für bzw. durch die aquatische Umwelt ausgehen.

1.5

Um dieses Ziel zu erreichen, werden in dem Richtlinienvorschlag Umweltqualitätsnormen aufgestellt. Es wird darauf verwiesen, dass in den letzten Jahren bereits mehrere Rechtsakte der Kommission mit einer Reihe von Emissionsbegrenzungsmaßnahmen verabschiedet wurden, die zur Erfüllung dieser Normen erforderlich sind.

1.6

Des Weiteren sollen verschiedene „Tochterrichtlinien “aufgehoben werden, um insbesondere dem wissenschaftlichen und technischen Fortschritt sowie Schadstoffen Rechnung zu tragen, die bislang noch nicht erfasst waren.

2.   Die Methode zur Festlegung der Umweltqualitätsnormen

2.1

Die Kommission schlägt vor, zwei Messkriterien miteinander zu verbinden:

den Jahresdurchschnitt;

die zulässige Höchstkonzentration.

2.2

Bei der Festlegung einer Umweltqualitätsnorm wird somit nicht nur die zulässige Höchstkonzentration zur Verhütung schwerer irreversibler kurzzeitiger Folgen für das Ökosystem aufgrund einer akuten Exposition zugrunde gelegt, sondern auch der Jahresdurchschnitt zum Schutz vor langfristigen irreversiblen Folgen bei chronischer Verschmutzung.

2.3

Die Kommission schlägt vor, für die meisten Stoffe Normen in Bezug auf die Schadstoffkonzentration in Oberflächengewässern aufzustellen. Die Kommission stellt jedoch fest, dass bei einigen Stoffen, die sich im Lauf der Nahrungskette anreichern können, nur für die Oberflächengewässer geltende Begrenzungen womöglich nicht ausreichen, um indirekte Wirkungen und eine Sekundärvergiftung zu vermeiden. Daher schlägt sie vor, dass die Mitgliedstaaten bei drei dieser Stoffe (Hexachlorbenzol, Hexachlorbutadien und Quecksilber) Umweltqualitätsnormen für Biota festsetzen.

3.   Die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten

3.1

Die Kommission schlägt vor, die Umweltqualitätsnormen für Wasser auf europäischer Ebene festzulegen, um in allen Mitgliedstaaten das gleiche Umweltschutzniveau zu gewährleisten und allen Wirtschaftsteilnehmern gleiche Bedingungen zu bieten. Generell ist die Kommission der Ansicht, dass die vorhandenen Umweltschutzsysteme ausreichen müssten, um den Mitgliedstaaten die Einhaltung der Qualitätsnormen zu ermöglichen. Sollten zusätzliche Maßnahmen erforderlich sein, sollte es den Mitgliedstaaten überlassen bleiben, in dem Maßnahmenprogramm, das gemäß Artikel 11 der Rahmenrichtlinie für jede Flussgebietseinheit festgelegt werden muss, geeignete Begrenzungsmaßnahmen vorzusehen.

4.   Die vorgeschlagenen Maßnahmen

4.1

Die wichtigsten Elemente der Richtlinie sind:

die Festlegung von Umweltqualitätsnormen mit Einführung einer Übergangszone für Überschreitungen;

die Erstellung einer Bestandsaufnahme der Einleitungen, Emissionen und Verluste, um zu überprüfen, ob die Vorgaben in Bezug auf Reduzierung erfüllt werden;

Aufhebung verschiedener „Tochterrichtlinien“;

Identifizierung prioritärer gefährlicher Stoffe unter den gemäß der Entscheidung 2455/2001/EG zu prüfenden 14 Stoffen.

5.   Allgemeine Bemerkungen

5.1

Das Ziel, die Verunreinigung von Gewässern durch gefährliche Substanzen, von denen potenziell schwere Gefahren mit irreversiblen Folgen ausgehen, zu verhindern, kann nur unterstützt werden.

5.2

Der EWSA hält es für wichtig, dass die Kommission auch weiterhin in der Lage bleibt, zuverlässig und auf wissenschaftlicher Basis umgehend jedwede Substanz zu erkennen, die Oberflächengewässer verschmutzen könnte, und vorsichtig formulierte Qualitätsnormen für die zulässigen Höchstkonzentrationen solcher Stoffe — einzeln oder in Kombination — aufzustellen. Der EWSA befürwortet die im vorliegenden Vorschlag enthaltenen vorläufigen Listen der prioritären Stoffe und Normen. Er schlägt vor, jährlich eine umfassende, wissenschaftliche und transparente Bewertung durchzuführen, um festzustellen, ob zu der Liste neue Stoffe hinzugefügt oder für einen der Stoffe neue zulässige Höchstkonzentrationen festgelegt werden müssen. Im Rahmen dieser Bewertung sollten insbesondere andere Stoffe untersucht werden, die im OSPAR-Übereinkommen oder anderen einschlägigen internationalen Vereinbarungen als prioritär eingestuft werden.

5.3

Der EWSA bringt seine Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass bisher noch keine endgültigen Normen für Blei, Nickel und deren Verbindungen festgelegt worden sind. Hieran sollte vorrangig gearbeitet werden und es sollten entsprechende Grenzwerte festgelegt werden — möglichst noch rechtzeitig, um in die vorliegende Richtlinie aufgenommen werden zu können, bevor diese verabschiedet wird.

5.4

Letztlich soll die Verbesserung der Wasserqualität dem Schutz der Biota und der Nahrungskette bis hin zum Menschen dienen. Wenn der Schadstoffgehalt aller Biota zuverlässig, durchgängig und effizient gemessen werden könnte, wäre es im Grunde besser, dementsprechend Normen festzulegen und zu überwachen. In der Regel gestaltet sich dies aber nach wie vor schwierig, und bei den meisten prioritären Stoffen ist es derzeit zweckmäßiger und normalerweise ausreichend sicher, eine Norm für die zulässige Höchstkonzentration in Oberflächengewässern aufzustellen. (Der Vorschlag, die Einhaltung der Umweltqualitätsnormen anhand der Jahresdurchschnittskonzentration und der zulässigen Höchstkonzentration zu überprüfen, ist realistisch, klar begründet und voll und ganz gerechtfertigt).

5.5

Doch gibt es toxische Stoffe, die sich im Verlauf der Nahrungskette anreichern. Bei diesen Stoffen können Normen für Oberflächengewässer allein keinen ausreichenden Schutz gegen toxische Wirkungen gewährleisten. Für diese Stoffe wäre es wünschenswert, — wie von der Kommission vorgeschlagen — eine Norm auf der Grundlage der zulässigen Höchstkonzentration des jeweiligen Stoffes im Gewebe von Fischen, Weichtieren, Krebstieren und anderen Biota aufzustellen. Zu diesen Stoffen zählen Hexachlorbenzol, Hexachlorbutadien und Methylquecksilber. Möglicherweise kommen künftig noch weitere Stoffe hinzu. Es gibt noch keine unumstrittene Methode für die Festlegung von Normen auf diese Weise, weshalb die Kommission lediglich vorschlägt, den Mitgliedstaaten die Einführung solcher Normen für die drei bisher eindeutig ermittelten Stoffe zu gestatten.

5.6

Nach heutigem Kenntnisstand muss dies wohl so hingenommen werden. Dennoch drängt der EWSA die Kommission, auch künftig die weitere wissenschaftliche Untersuchung des Phänomens der Bioakkumulation bestimmter toxischer Stoffe zu fördern und sich bereit zu halten, auf eine flächendeckendere Anwendung von Normen für Höchstkonzentrationen von toxischen Stoffen in Biota hinzuarbeiten, sobald die wissenschaftlichen und methodologischen Grundlagen der Überwachung sicherer etabliert sind. Bis dahin sollte mit Hilfe der Überwachungsmaßnahmen auch dafür gesorgt werden, dass der Grad der Verunreinigung der Sedimente sowie der Flora und Fauna nicht etwa ansteigt.

5.7

Die Erstellung einer Bestandsaufnahme der durch menschliche Aktivität bedingten Einleitungen, Emissionen und Verluste, anhand derer bestimmt werden soll, ob die Vorgaben in Bezug auf Reduzierung oder Beendigung der Verschmutzung erfüllt werden, ist zu begrüßen. Obgleich eine vollständige Erfassung der natürlichen Verunreinigung schwierig ist, könnte es in bestimmten Fällen sinnvoll sein, das Verhältnis zwischen natürlicher Verunreinigung und vom Menschen verursachter Verunreinigung zu klären.

5.8

Hinsichtlich der Bestandsaufnahme sollte darauf geachtet werden, dass jegliche Inkohärenzen oder Überschneidungen mit anderen bestehenden Instrumenten zum Schutz der Oberflächengewässer vermieden werden.

5.9

Die Frage der Übergangszonen für Überschreitungen wird realistisch, jedoch in nicht ganz zufrieden stellender Form behandelt. Es erscheint im Übrigen schwierig, gewährleisten zu können, dass die Umweltqualität des restlichen Wassers nicht beeinträchtigt wird. Im Zuge der Umsetzung dieses Konzeptes der Übergangszonen wird es notwendig sein, eine genaue Methode zur Festlegung dieser Zonen sowie der Standorte zur Messung der Verschmutzung auszuarbeiten.

5.10

Nicht außer Acht gelassen werden dürfen die Drittstaaten in Nachbarschaft zur EU, auf deren Gebiet Flüsse entspringen, die durch EU-Staaten fließen oder deren gemeinsame Grenze mit einem EU-Mitgliedstaat durch einen See verläuft. Wenn sich diese Drittstaaten nicht um den Gewässerschutz kümmern, können die Bemühungen einzelner EU-Mitgliedstaaten unter Umständen vergeblich sein, und die für 2015 festgelegten Zielsetzungen können nicht erfüllt werden. Diese Umstände sollten bei der Beurteilung und bei der Umsetzung der Richtlinie berücksichtigt werden. Im Übrigen wird dieser Aspekt in Artikel 12 der Wasserrahmenrichtlinie thematisiert.

6.   Besondere Bemerkungen und Beobachtungen

6.1

Zeitplan: in Artikel 4.5 des Richtlinienvorschlags wird das Jahr 2025 als Frist genannt, bis zu der die Emissionen eingestellt werden beziehungsweise die gefährlichen prioritären Stoffe vom Markt genommen sein müssen. Die Vorgaben für die Umweltqualität müssen dagegen im Einklang mit der Wasserrahmenrichtlinie bis 2015 erreicht sein. Die Einhaltung dieser Frist könnte sich in einigen Fällen als schwierig erweisen, umso mehr als sich die Verabschiedung dieser Tochterrichtlinie verzögert hat. Dennoch müssen die Mitgliedstaaten alles daran setzen, dieses Ziel zu erreichen, auch wenn unter bestimmten Umständen vorübergehende Ausnahmeregelungen getroffen werden können. Der EWSA empfiehlt der Kommission, die bei der Umsetzung erzielten Fortschritte zu überwachen und sich bereitzuhalten, weitere Maßnahmen vorzuschlagen, um bis zur vorgegebenen Frist eine möglichst flächendeckende Einhaltung mit einem Minimum an Ausnahmeregelungen zu unterstützen.

6.2   Die Rolle der Mitgliedstaaten

Es ist richtig, den Mitgliedstaaten die Verantwortung für die Festlegung zusätzlicher Maßnahmen zu überlassen, da die zu berücksichtigende Situation in vielen Fällen von den lokalen oder regionalen Gegebenheiten abhängig ist. Diese Flexibilität muss jedoch durch zuverlässige Informationssysteme, wie dies die Kommission unter Maßnahme 4 ihrer Mitteilung (1) befürwortet, ausgeglichen werden.

6.2.1

Die Kommission gibt sich in ihrer Begründung (Punkt 3 — Rechtliche Aspekte) jedoch zuversichtlich bei ihrer Bestandsaufnahme der Rechtsinstrumente, die den Mitgliedstaaten für die Erreichung der Ziele der Wasserrahmenrichtlinie hinsichtlich der prioritären Substanzen zur Verfügung stehen, zumal weil bestimmte signifikante Schadstoffquellen nicht durch eine entsprechende Regelung erfasst werden; dies gilt zum Beispiel für diffuse Verschmutzung durch Haushalts- oder Dienstleistungsprodukte, wofür neue Produktrichtlinien geschaffen werden müssten.

6.2.2

Unter diesen Bedingungen ist es unrealistisch anzunehmen, dass die Mitgliedstaaten neue, nicht unbedingt aufeinander abgestimmte Bestimmungen auf einzelstaatlicher Ebene einführen könnten, insbesondere wenn es absehbar ist, dass diese durch neue europäische Rechtsvorschriften überlagert werden. Es sei darauf hingewiesen, dass die Mitgliedstaaten in Erwartung einer neuen Rechtsvorschrift davon absehen sollten, neue Bestimmungen auf einzelstaatlicher Ebene einzuführen, die nicht unbedingt aufeinander abgestimmt sind.

6.3   Schutz der Trinkwasserquellen

6.3.1

Die Annahme des Richtlinienvorschlags wird zur Folge haben, dass Richtlinie 75/440/EG zum Schutz von Oberflächenwasser für die Trinkwassergewinnung, aufgehoben wird. Bei diesen Änderungen der Rechtsetzung ist darauf zu achten, dass die Kohärenz zwischen der neuen Richtlinie und der Trinkwasser-Richtlinie (2) gewahrt bleibt.

6.4   Überwachung

6.4.1

Um für Fortschritte bei der Erfüllung der Ziele dieser Richtlinie zu sorgen und europaweit gleiche Wettbewerbsbedingungen sicherzustellen, sind konsistentere und zuverlässigere Überwachungsnormen erforderlich. Der EWSA ist gespannt auf die anstehenden neuen Vorschläge zu einem Wasserinformations- und Meldesystem für Europa und hofft, dass diese einer engen Überwachung der Umsetzung der Richtlinie über prioritäre Stoffe förderlich sein werden.

7.   Kohärenz zwischen der Richtlinie zur Umweltqualität von Wasser und der REACH-Verordnung

7.1

Wenngleich die Kommission den Erfolg der Verhandlungen über die REACH-Verordnung und somit ihre Umsetzung bereits vorausgesetzt hatte, muss die Kohärenz zwischen den Bestimmungen der hier thematisierten Richtlinie und der REACH-Verordnung gewährleistet werden. Bei der Festsetzung der Umweltqualitätsnormen für Wasser muss der Markteinführung neuer chemischer Substanzen Rechnung getragen werden.

8.   Schlussfolgerung

8.1

Der EWSA stimmt der vorgeschlagenen vorläufigen Liste prioritärer Stoffe und den in Verbindung damit vorgeschlagenen Normen zu. Er drängt jedoch darauf, die bei den Normen für Blei und Nickel bestehende Lücke zu schließen und ein solides Verfahren zur regelmäßigen Prüfung von Liste und Normen einzuführen, um sie gegebenenfalls unverzüglich und auf effiziente Weise aktualisieren zu können.

8.2

Der EWSA unterstützt den allgemeinen Tenor des Richtlinienvorschlags.

8.3

Es wird eine Herausforderung sein, die Umweltqualitätsziele bis 2015 zu erreichen. Der EWSA weist jedoch nachdrücklich darauf hin, dass die Mitgliedstaaten sich verstärkt um die Erreichung dieser Ziele bemühen müssen.

8.4

Der Ausschuss hebt hervor, dass zur Umsetzung dieser Richtlinie und der Verwirklichung ihrer Ziele ein Informationssystem sowie ein Verfahren zur Überwachung der einzelstaatlichen Maßnahmen erforderlich sind. Er begrüßt die Initiative der Kommission zur Entwicklung eines „Wasserinformationssystems für Europa “(„Water Information System for Europe “(WISE)).

8.5

Der Ausschuss empfiehlt, darauf zu achten, dass der neue Vorschlag und die derzeitig geltenden Vorschriften miteinander in Einklang gebracht werden, sowie eine entsprechende europäische Regelung für bestimmte, von den derzeitigen Rechtsvorschriften nicht erfassten Quellen der Verunreinigung (z.B. diffuse Verschmutzung durch Haushaltsprodukte) zu verabschieden.

Brüssel, den 15. Februar 2007.

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  KOM(2006) 398 endg.

(2)  Richtlinie 98/83/EG.


28.4.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 97/6


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission: Eindämmung des Verlusts der biologischen Vielfalt bis zum Jahr 2010 — und darüber hinaus — Erhalt der Ökosystemleistungen zum Wohl der Menschen“

KOM(2006) 216 endg.

(2007/C 97/03)

Die Europäische Kommission beschloss am 22. Mai 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe nahm ihre Stellungnahme am 25. Januar 2007 an. Berichterstatter war Herr RIBBE.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 433. Plenartagung am 15./16. Februar 2007 (Sitzung vom 15. Februar) mit 137 gegen 7 Stimmen bei 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung der Schlussfolgerungen und Empfehlungen des Ausschusses

1.1

In der Situationsbeschreibung stimmen EWSA und Kommission überein: Die Erhaltung der Biodiversität ist eine notwendige und zentrale Aufgabe, für die es nicht nur eine ethisch-moralische Verpflichtung gibt. Es existieren auch genügend ökonomische Begründungen, die ein schnelleres und erfolgreicheres Handeln erforderlich machen. Die wirtschaftlichen Verluste, die sich aus dem Rückgang von Ökosystemleistungen ergeben, werden schon heute auf mehrere 100 Mrd. EUR beziffert. Dies ist eine Verschwendung, die sich unsere Volkswirtschaften einfach nicht leisten können.

1.2

Der Artenschwund in Europa ist das Ergebnis von Millionen einzelner Werteentscheidungen der letzten Jahrzehnte, die zum absolut überwiegenden Teil im Rahmen bestehender Gesetze vonstatten gingen. Der Anteil illegaler Maßnahmen am Biodiversitätsrückgang in Europa ist marginal.

1.3

Die Biodiversitätsentwicklung ist — trotz der politischen Versprechen — leider weiterhin negativ, was nicht daran liegt, dass man nicht wüsste, wie man dem Artenschwund begegnen könnte. Es fehlte bislang der politische Wille, die seit langem als notwendig anerkannten Maßnahmen auch wirklich durchzusetzen. Die Erfahrungen mit dem Netzwerk Natura 2000 sprechen für sich.

1.4

Die Gründe hierfür werden von der Kommission in ihrer Mitteilung richtig benannt, sie liegen u.a. an dem „Versagen der öffentlichen Institutionen und (dem) Versäumnis der traditionellen Wirtschaftswissenschaften, den wirtschaftlichen Wert des Naturerbes und der Ökosystemleistungen anzuerkennen“. Dies und die Tatsache, dass die ethisch-moralische Begründung der Biodiversitätserhaltung bei planerischen und politischen Abwägungsprozessen eher zweitrangig behandelt wird, haben zur jetzigen Zuspitzung der Situation geführt.

1.5

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klaffen extreme Lücken, die geschlossen werden müssen, will man der drohenden Gefahr des Glaubwürdigkeitsverlustes entgegen wirken.

1.6

Die Vorlage des Aktionsplans wird vom EWSA begrüßt, die dort genannten 160(!) Maßnahmen als sinnvoll anerkannt; die meisten davon sind aber keinesfalls neu, sondern stehen seit Jahren auf der Tagesordnung. Die Zukunft wird folglich zeigen, ob die Politik mit der Vorlage dieses Aktionsprogramms nun tatsächlich endlich die Kraft findet, die als notwendig anerkannten „tief greifenden Veränderungen herbeizuführen“, oder ob sich die Befürchtungen vieler Naturschützer bewahrheiten, dass die Politik zwar ein gesellschaftspolitisch brisantes Feld erneut verbal besetzt, aber es bei Lippenbekenntnissen bleibt.

1.7

Als einen zentralen Kritikpunkt an der Kommissionsmitteilung sieht der EWSA die fehlende strategische Auseinandersetzung mit der in seiner Sondierungsstellungnahme vom 18.5.2006 (1) aufgeworfenen Frage, wieso zwischen Anspruch, Ankündigung und Wirklichkeit bei der Biodiversitätserhaltung so eklatante Lücken klaffen. Der EWSA bedauert, dass dieses Problem in der Kommissionsmitteilung und dem Aktionsplan fast völlig ausgeklammert wurde.

1.8

Besonders notwendig scheint es dem EWSA deshalb, den Politikbereich 4, nämlich die „Verbesserung der Wissensbasis“, mit Priorität anzugehen, damit Mitbürger wie Politiker sich der wirklichen Konsequenzen ihres Handelns bewusst werden.

1.9

Es ist auf die Notwendigkeit hinzuweisen, die Nachbarländer der EU bei der Stärkung des Schutzes der biologischen Vielfalt zu unterstützen sowie zu vermeiden, dass die EU und die einzelnen Mitgliedstaaten Projekte kofinanzieren, die zu einem rascheren Verlust der Biodiversität in europäischen Drittstaaten beitragen können.

1.10

Der EWSA unterstützt das Konzept von der globalen Verantwortung der EU, wie sie von der Kommission beschrieben wird. Während die EU und die Mitgliedstaaten weniger als 0,004 % ihrer Wirtschaftskraft für entsprechende globale Biodiversitätsentwicklungs- und -erhaltungsmaßnahmen einsetzt, steigt die Verantwortung globaler Biodiversitätszerstörung (z.B. die der Tropenwälder) derzeit weiter an. Zukünftig können die Entwicklungen auf dem Biokraftstoffmarkt für eine weitere Zuspitzung der Situation verantwortlich werden.

1.11

Der EWSA bemängelt, dass der eigentliche Aktionsplan nur als „technische Anlage “und somit nur als gesondertes SEK-Dokument ausschließlich in englischer Sprache verfügbar ist. Er fordert die Kommission auf, eine Übersetzung des Aktionsplans in alle Amtssprachen vorzunehmen und für eine breite Verteilung, sowohl über das Internet als auch in Printform zu sorgen.

1.12

Die Verwirklichung der Ziele des Aktionsplans soll durch die bestehende Sachverständigengruppe „Biologische Vielfalt “beaufsichtigt werden. Der EWSA hält es für zwingend notwendig, die Zivilgesellschaft hier viel intensiver einzubeziehen.

2.   Hauptelemente und Hintergrund des Kommissionsdokuments

2.1

Nachdem die EU bereits im Jahr 1998 in ihrer Biodiversitätsstrategie auf die — so wörtlich — „ungeheuren Ausmaße“ des Biodiversitätsverlustes hingewiesen hat, einigten sich die Staats- und Regierungschefs der EU im Jahre 2001 auf das Ziel einer Eindämmung des „dramatischen“ Verlustes der biologischen Vielfalt (in der EU) bis zum Jahr 2010 (2). Der europäischen Öffentlichkeit wurde auf diesem Gipfel zudem das Versprechen gegeben, für die Wiederherstellung von Habitaten und natürlichen Systemen zu sorgen.

2.2

In der vorliegenden Mitteilung, mit der ein „Aktionsplan zum Erhalt der Biodiversität “vorgelegt wird, beschreibt die Kommission wieder einmal ausführlich und eindrucksvoll die derzeitige Situation im Bereich der Biodiversitätserhaltung, besser gesagt des anhaltenden Biodiversitätsrückgangs. Dieser Rückgang ist, das zeigen auch alle Studien der Europäischen Umweltagentur sowie die so genannten „Roten Listen “der gefährdeten Tier- und Pflanzenarten auf nationaler Ebene, nach wie vor höchst besorgniserregend. Die Kommission stellt in ihrer Mitteilung fest, dass man vom formulierten Ziel „Stopp des Biodiversitätsverlustes bis 2010 “noch weit entfernt ist und dass die nach wie vor negative Entwicklung nur umgekehrt werden kann, wenn „wir in Politik und Praxis tief greifende Veränderungen bewirken“.

2.3

Die Kommission beschreibt ferner, dass „Tempo und Ausmaß der Umsetzung … nach wie vor ungenügend“ ist, sie fordert „von der Gemeinschaft und von den Mitgliedstaaten ein schnelleres Handeln“, weil es ansonsten „sehr gut möglich“ ist, „dass die Ziele bis zum Jahr 2010 verfehlt werden“.

2.4

Eine solche Verfehlung des Ziels wäre nach Auffassung der Kommission doppelt problematisch. Denn der Erhalt der Biodiversität ist nicht nur eine ethisch-moralische Verpflichtung der Schöpfung gegenüber, sondern allein auch aus wirtschaftlicher Hinsicht sinnvoll und notwendig. In der Mitteilung wird präzise beschrieben, dass die biologische Vielfalt die Grundlage für Ökosystemleistungen ist, wozu u.a. „die Erzeugung von Lebensmitteln, Brennstoffen, Fasern und Medizin, die Regelung von Wasser, Luft und Klima, die Aufrechterhaltung der Fruchtbarkeit der Böden sowie die Nährstoffflüsse“ gehören. Global entwickeln sich „gut zwei Drittel der weltweiten Ökosystemleistungen rückläufig“, der — zugegebenermaßen nur schwer zu ermittelnde — finanzielle Schaden, der hierdurch entsteht, wird in der Kommissionsmitteilung auf „mehrere hundert Milliarden Euro“ geschätzt.

2.5

Weiter wird in der Kommissionsmitteilung hinterfragt, was bisher getan wurde, und mit welchem Erfolg. Dabei wird der Blick nicht nur auf die EU selbst gerichtet, sondern auch die globale Situation beschrieben und die globale Verantwortung der EU dargestellt.

2.6

Der eigentliche Kern der Mitteilung ist die Auseinandersetzung um die Frage, was zukünftig geschehen muss. Hierzu wird (allerdings nur in Form einer Anlage als SEK-Dokument) ein EU-Aktionsplan erstellt, der vier zentrale Politikbereiche behandelt, hierzu zehn vorrangige Ziele definiert und weitere vier „zentrale Unterstützungsmaßnahmen“ benennt.

2.6.1

Der erste Politikbereich widmet sich der „Biologischen Vielfalt in der EU“. Hierunter werden gleich 5 der insgesamt 10 vorrangigen Ziele formuliert, nämlich

der Schutz der wichtigsten Lebensräume und Arten der EU,

die Erhaltung und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosystemleistungen in sonstigen Landstrichen der EU,

die Erhaltung und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosystemleistungen in der sonstigen Meeresumwelt der EU,

die Stärkung der Vereinbarkeit der regionalen und territorialen Raumplanung mit der Erhaltung der biologischen Vielfalt in der EU sowie

die Verringerung der Auswirkungen von invasiven gebietsfremden Arten und gebietsfremdem Erbgut auf die biologische Vielfalt in der EU.

2.6.2

Politikbereich 2 widmet sich dem Thema „Die EU und die weltweite biologische Vielfalt“, da der Biodiversitätsverlust ja nicht auf das Gebiet der EU beschränkt ist und die EU sowie die Mitgliedstaaten einerseits völkerrechtliche Verpflichtungen zum weltweiten Schutz der Biodiversität eingegangen sind, andererseits sie über ihre Handelsbeziehungen eine Mitverantwortung an weltweiten Entwicklungen tragen. Hier werden drei weitere vorrangige Ziele formuliert, nämlich

eine wesentliche Stärkung des internationalen Regierungshandelns im Sinne der biologischen Vielfalt und der Ökosystemleistungen,

eine wesentliche Stärkung der Förderung der biologischen Vielfalt und der Ökosystemleistung im Bereich der EU-Außenhilfe sowie

eine wesentliche Verringerung der Auswirkungen des internationalen Handels auf die weltweite biologische Vielfalt.

2.6.3

Politikbereich 3 umfasst das Thema „Biologische Vielfalt und Klimawandel“und formuliert das Ziel einer

Unterstützung bei der Anpassung der biologischen Vielfalt an den Klimawandel.

2.6.4

Im 4. Politikbereich befasst sich die Mitteilung und der entsprechende Aktionsplan mit der „Wissensgrundlage“und fordert als 10. und somit letztes vorrangiges Ziel eine

wesentliche Stärkung der vorhandenen Wissensgrundlage für den Schutz und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt in der EU und weltweit.

2.6.5

Bei den vier zentralen Unterstützungsbereichen handelt es sich um

die Sicherstellung auseichender Finanzmittel,

die Stärkung der Entscheidungsfindung innerhalb der EU,

den Aufbau von Partnerschaften sowie

den Ausbau des Kenntnisstands, der Sensibilisierung und der Partizipation der Öffentlichkeit.

3.   Allgemeine Bemerkungen zum Inhalt der Kommissionsmitteilung

3.1

Der EWSA begrüßt die Vorlage der Mitteilung und die Erstellung eines Aktionsplans, die am 22.5.2006 und somit vier Tage nach der Verabschiedung einer Sondierungsstellungnahme des EWSA zum Thema „Kampagne der EU zur Erhaltung der Biodiversitätdie Position und der Beitrag der Zivilgesellschaft“ erfolgte. Der EWSA stellt fest, dass die Analyse der derzeitigen Situation sowie der Ursachen sich in beiden Dokumenten fast völlig decken.

3.2

Der EWSA stellt fest, dass die einzelnen Ursachen des Arten- und Biotoprückgangs, wie z.B. die Intensivierung der Landnutzung bzw. Aufgabe bisher extensiv genutzter Lebensräume, die Versiegelung und Zersiedlung etc., seit Jahren bekannt und vielfältig wissenschaftlich dokumentiert sind. Sie beruhen jeweils auf Entscheidungen und Maßnahmen von Wirtschaftsbeteiligten bzw. auf politischen Entscheidungen, die im Rahmen bestehender Gesetze erfolgen; die Biodiversitätsgefährdung, die auf illegale Maßnahmen zurückzuführen ist, ist relativ gering. Es sind folglich legale Politik-, Sach- und Werteentscheidungen, die zum Biodiversitätsverlust führen; häufig unterstützt bzw. initiiert durch Entscheidungen und Förderinstrumente der EU, der Mitgliedstaaten und der Kommunen.

3.3

Die Übereinstimmung zwischen EWSA und Kommissionsmitteilung hinsichtlich Situation und Analyse gilt auch für die Begründungen, weshalb Biodiversitätserhaltung nötig ist. Die Kommission nennt in ihrer Mitteilung ethisch-moralische sowie wirtschaftliche Begründungen, der EWSA spricht in seiner Sondierungsstellungnahme vom „Sinnwert “und vom „Nutzwert “von Landschaften und Biodiversität.

Biodiversität zwischen politischem Anspruch und Wirklichkeit

3.4

Die zu bewertende Kommissionsmitteilung reiht sich in eine lange Liste politischer Dokumente ein, in denen eine Eindämmung des Biodiversitätsverlustes angekündigt wird. Wieder und wieder wurden entsprechende politische Versprechen abgegeben, zuletzt auf dem Treffen der EU-Umweltminister im Dezember 2006, auf dem die Kommissionsmitteilung gut geheißen wurde.

3.5

Der EWSA muss aber leider feststellen, doch viel zu oft zwischen Anspruch und Wirklichkeit erhebliche Lücken klaffen; und die Öffentlichkeit nimmt diese natürlich wahr. Beispielsweise haben die für die Fischerei zuständigen Minister Ende Dezember 2006 Fangquoten für den Kabeljau festgelegt, die nach Auffassung aller (!) Meeresbiologen viel zu hoch liegen und mit großer Wahrscheinlichkeit zum Zusammenbruch der Bestände führen werden. Dennoch wurde aber von einem „guten Ergebnis “gesprochen. Dies deutet entweder auf eine sehr unterschiedliche Bewertung der Problematik und der Beziehung von Ursache und Wirkung hin, oder aber darauf, dass zwar das Thema verbal besetzt wird, real aber weiter bewusst die Politik betrieben wird, an deren Ende Biodiversitätsverlust steht.

3.6

Der Ausschuss hat mittlerweile in einer ganzen Reihe von Stellungnahmen zu diesem Thema auf diese Problematik hingewiesen und vor einem drohenden Glaubwürdigkeitsverlust der Politik gewarnt.

3.7

Ganz offensichtlich bestehen zwischen Kommission und EWSA Unterschiede bei der Bewertung der Frage, inwieweit die Bedeutung des Problems des Biodiversitätsrückgangs von der breiten Bevölkerung, den politisch Verantwortlichen und den wichtigsten Wirtschaftsakteuren bereits gesehen, bewertet und — ganz besonders — dem Rückgang politisch entgegengewirkt wird. Dabei stellt der EWSA nicht in Frage, dass der Biodiversitätsverlust nicht wahrgenommen wird. Und niemandem, keinem Mitbürger und keinem Politiker, will er unterstellen, bewusst Entscheidungen mit der Motivation zu fällen, die Biodiversität schwächen zu wollen. Doch scheinbar existieren große Schwierigkeiten, die langfristigen Folgen eigener Entscheidungen wirklich einordnen zu können und ggf. Konsequenzen daraus zu ziehen. Ein Beispiel, das diese Situation zusätzlich veranschaulicht, sind die Maßnahmen zur Bodenmelioration, die in einigen neuen Mitgliedstaaten, unter anderem in Polen, im Zeitraum 2004-2006 durchgeführt und für den Zeitraum 2007-2013 im Rahmen der Programme für die Entwicklung des ländlichen Raums geplant wurden. Die aus EU-Mitteln finanzierten Maßnahmen zur „Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Wasserressourcen “bestehen im Wesentlichen in der technischen Umgestaltung von Flussauen. Dies hat eine Reihe negativer Auswirkungen zur Folge, allen voran den Verlust der biologischen Vielfalt. Diese Maßnahmen werden leider auch in potenziellen Natura 2000-Gebieten durchgeführt und geplant.

3.8

Die Kommission spricht davon, dass Fragen der Biodiversitätserhaltung u.a. auch bei der Lissabon-Strategie eine „wichtige Rolle“ spielen würden, und auch der Ausschuss der Regionen zeigt sich in seiner Stellungnahme zu dieser Mitteilung „erfreut über die Schlussfolgerungen des Rates vom 23./24.3.2006, in denen dazu aufgerufen wird, das 2010-Ziel in alle einschlägigen Politikbereiche der Lissabon-Agenda aufzunehmen“. Der EWSA hat allerdings größte Zweifel, dass dies der Fall ist. Er muss vielmehr feststellen, dass die Rolle und Bedeutung der Biodiversität im Kontext der „Wirtschaftspolitik “nur marginal beachtet wird. In den Dokumenten zur Lissabon-Strategie finden sich beispielsweise Begriffe wie „Biodiversität “und „Naturschutz“, wie eine Auswertung zeigt, wenn überhaupt nur am Rande, und bei den nationalen Reformprogrammen ist es nicht anders.

3.9

Die Kommission hat völlig Recht, wenn sie in ihrer Mitteilung von einem „Versagen der öffentlichen Institutionen und (dem) Versäumnis der traditionellen Wirtschaftswissenschaften“ spricht, „den wirtschaftlichen Wert des Naturerbes und der Ökosystemleistungen anzuerkennen“. Wäre der Wert wirklich anerkannt und würden folglich die „externen Kosten “internalisiert, würde sich das Problem in dieser Form nicht stellen.

3.10

Der EWSA hatte schon in seiner o.g. Sondierungsstellungnahme angemerkt, dass derzeit die Konflikte zwischen den verschiedenen Strategien zur Förderung des Wirtschaftswachstums und der Biodiversität eher zunehmen. Wirtschaftswachstum wird heute oft zu undifferenziert als Mengenwachstum gesehen; und ein solches Wirtschaftswachstum kann durch die Erhaltung der Biodiversität behindert oder erschwert werden. Der Naturschutz und die Biodiversität werden somit in den überwiegenden Fällen, bei denen es z.B. um Sach- und Planungsentscheidungen geht, nicht als Chance für wirtschaftliche Entwicklung, sondern häufig als deren Hindernis bzw. Verhinderung verstanden. Nur so ist auch der „Druck “zu erklären, der immer noch, teilweise sogar verschärft, gegen die FFH- und die Vogelschutzrichtlinie der EU und dem daraus entwickelten Netz Natura 2000 ausgeübt wird. Auch wenn sich Umweltkommissar Dimas derzeit gegen eine Änderung der genannten Richtlinien ausspricht (3), so ist doch klar erkennbar: der Naturschutz wird vielfach als Flächenkonkurrent und Entwicklungsbremse gesehen und nur äußerst selten als Basis für wirtschaftliche Entwicklungen. Und die finanziellen Aufwendungen bzw. Verpflichtungen, die z.B. aus der Umsetzung des Natura-2000-Netzes resultieren, werden als Last und nicht als Investition in die Zukunft empfunden bzw. nicht zur Verfügung gestellt.

3.11

Neben dieser „ökonomischen “Wahrnehmung von Naturschutz und Biodiversität, die völlig konträr zur ökonomischen Begründung steht, die die Kommission für die Biodiversitätserhaltung nennt, gibt es ein zweites Problem, das von den Naturschutzverantwortlichen selbst verursacht wurde und das zu einer Konfliktverschärfung mit den Landeigentümern bzw. -nutzern geführt hat. Der EWSA hat mehrfach deutlich gemacht, dass die Art und Weise, wie beispielsweise das Natura-2000-Netz geplant wurde und nun umgesetzt wird, ein Paradebeispiel dafür ist, wie Naturschutz nicht funktionieren kann. Da kritisieren Minister auf nationaler bzw. Landesebene plötzlich die rechtlichen Grundlagen, die sie vor Jahren selbst geschaffen haben. Da werden für die politisch versprochenen Ausgleichszahlungen an die Landwirte die Gelder nicht bereitgestellt und da werden über die Köpfe der betroffenen Landeigentümer bzw. — nutzer hinweg Entscheidungen gefällt, anstatt diese „mitzunehmen“. Ein solcher Naturschutz wird unglaubwürdig und schafft Misstrauen.

3.12

Dabei zeigen viele Beispiele, dass in einem vernünftigen Miteinander durchaus beachtliche Erfolge erzielt werden könnten, wenn Politik und Verwaltung ihre gegebenen Versprechen auch einhalten und echte Partnerschaften eingegangen würden.

Die Finanzbeschlüsse der EU als Negativbeispiel

3.13

Gerade die Finanzbeschlüsse des EU-Gipfels vom Dezember 2005 zur Finanziellen Vorausschau 2007-2013 dokumentieren mit ihren Kürzungen der zur Sicherung der Biodiversität besonders bedeutungsvollen 2. Säule der GAP die Tatsache, dass bei den politischen Abwägungsprozessen trotz aller hehrer Erklärungen und Ziele die Biodiversität geopfert wird. Wenn ein halbes Jahr nach den o.g. Finanzbeschlüssen des EU-Gipfels die Kommission im Aktionsplan die „Sicherstellung ausreichender Finanzmittel“ für Natura 2000 als eine der vier zentralen Unterstützungsmaßnahmen beschreibt, so ist dies inhaltlich und formal gesehen zwar eine richtige Forderung, sie hat aber leider mit der politischen Realität nichts zu tun. Vielmehr belegt sie die Diskrepanz zwischen Wort und Tat.

3.14

Der EWSA hat mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass die 2. Säule der GAP völlig unterfinanziert ist, nachdem man ihr zusätzliche Aufgaben wie z.B. die Finanzierung des Natura-2000-Netzes sowie die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie zugeordnet hat. Was soll der Bürger von einer Politik halten, die so offensichtlich widersprüchlich ist und Konflikte vor Ort provoziert?

3.15

Der AdR hat deshalb völlig Recht, wenn er sich in seiner Stellungnahme dafür ausspricht, „bei der Überprüfung der Finanziellen Vorausschau 2007-2013 im Jahr 2008 einen erheblichen Teil der Mittel für nachhaltige Landwirtschaft und die Landschaftspflege vorzusehen“.

3.16

Ähnliches gilt für die im Kern richtige Forderung der Kommission, dass „sichergestellt werden (muss), dass die Gemeinschaftsmittel für die regionale Entwicklung die biologische Vielfalt fördern und nicht schädigen. Zwischen den Interessen der Planer und Bauträger sowie denen der biologischen Vielfalt muss es zu einem partnerschaftlichen Ausgleich kommen“. Der EWSA unterstützt auch diese mittlerweile mehrfach ausgesprochene Forderung nachdrücklich. Doch auch hier sind die Diskrepanzen zwischen (richtiger) Ankündigung und tagtäglicher politischer Praxis offenkundig, denn geändert hat sich im Grundsatz nichts. Nach wie vor werden (z.T. von der EU kofinanzierte) Infrastrukturprojekte durch naturschützerisch wertvollste Gebiete gebaut; und trotz der notwendigen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für den Naturschutz steht am Ende — siehe Situationsbeschreibung der EU — ein Biodiversitätsverlust.

3.17

Der EWSA ist im Übrigen der Auffassung, dass die für die Strukturfonds erhobene Forderung für alle Ausgaben der EU gelten muss, will man dem selbst gestellten Anspruch gerecht werden, eine kohärente Politik zu betreiben.

3.18

Der EWSA sieht folglich in allen Bereichen, in denen die EU aufgrund ihrer Kompetenzen Verantwortung trägt, Ansatzpunkte. Die Agrarpolitik wäre ein solcher Ansatz. Die bestehenden gesetzlichen Regelungen reichen aber, das zeigt die Situation, nicht aus, die Biodiversität flächendeckend zu erhalten. Wenn dann Agrarzahlungen „nur “an die Einhaltung bestehender Gesetze gekoppelt werden, wird schnell klar, dass damit Biodiversität nicht gefördert wird.

3.19

Nun sind die Direktzahlungen an die Landwirte, die den überwiegenden Teil des Agrarhaushaltes ausmachen, von ihrem Ansatz her nicht darauf ausgerichtet, die Biodiversität zu fördern, sondern die Landwirte auf die Herausforderungen der Weltmärkte vorzubereiten. Der EWSA hat aber mehrfach betont, dass das „Europäische Agrarmodell“, das u.a. auch die Erhaltung der Biodiversität umfasst, nicht zu Weltmarktbedingungen zu haben ist. Landwirte weltmarktfähig zu machen, und von ihnen gleichzeitig erwarten, dass sie die Biodiversität fördern, funktioniert nicht.

3.20

Deshalb hatte der Ausschuss gefordert, dass „solange die Weltmarktbedingungen eine flächendeckende naturschutzverträgliche Landwirtschaft eher behindern, … von der Politik besondere Anstrengungen unternommen werden (müssen)“, z.B. dahingehend, dass „die Beihilfesätze für die Agrarumweltmaßnahmen soweit erhöht werden, um alle EU-Landwirte für umweltfreundliche Produktionsverfahren zu gewinnen“  (4). Auch hier hinken die Taten den Ankündigungen hinterher.

3.21

Es ist eindeutig, dass sich die politische Situation beim Schutz der Biodiversität fundamental von der in anderen Politikbereichen, z.B. der Finanz- und Stabilitätspolitik, unterscheidet. Dort versucht die Kommission — teilweise auch gegen massivste Widerstände — eine klar erkennbare politische Linie durchzudrücken, und dort existieren, siehe Maastricht-Kriterien, auch Instrumente, um den für richtig gehaltenen Kurs auch einzufordern. Die Biodiversitätserhaltung kommt bislang über politische Lippenbekenntnisse kaum hinaus.

3.22

Genau deshalb hat der EWSA in seiner Sondierungsstellungnahme einen Schwerpunkt auf die Frage gelegt, welcher gesellschaftliche Hintergrund eine Situation, in der sich alle für die Biodiversität aussprechen, in der aber dennoch ein dramatischer Biodiversitätsschwund erfolgt, möglich machen konnte. Er kam zum Ergebnis, dass der Gesellschaft (und großen Teilen der Politik) sowohl Sinn- als auch Nutzwert von Biodiversität zu wenig bekannt ist. Wenn allerdings beide Begründungen der Biodiversitätserhaltung nicht wirklich völlig akzeptiert und verstanden werden, dann kann eine entsprechende Politik nicht greifen. Deshalb hatte der EWSA auch darum gebeten, einen politischen Schwerpunkt auf die Vermittlung der Notwendigkeit der Biodiversitätserhaltung zu legen. Der vorgelegte Aktionsplan der EU greift diese Problematik mit dem 4. Politikbereich und den „zentralen Unterstützungsmaßnahmen “zwar auf, doch nicht in der Ausführlichkeit, die angemessen wäre.

3.23

Der EWSA möchte an dieser Stelle darauf verzichten, die entsprechenden Aussagen aus seiner Stellungnahme vom 18.5.2006 zu wiederholen. Er kann Kommission, Rat und Parlament nur bitten, sich die entsprechenden Überlegungen des EWSA noch einmal vor Augen zu führen. Die dramatische Situation bei der Biodiversitätsentwicklung ist bekannt, sie erfolgt weitgehend im Rahmen jeweils legalen Handelns. Von Seiten der EU sind zwar einige Maßnahmen eingeleitet worden, aber sie wirken u.a. deshalb nicht, weil sie — wenn überhaupt — nur halbherzig aufgegriffen wurden. Und viele Entscheidungen werden nach wie vor gefällt, obwohl sie kontraproduktiv sind.

4.   Besondere Anmerkungen

4.1

Wenn in einem Aktionsplan über 160 verschiedene Vorschläge zur Verbesserung der Situation gemacht werden, so zeigt dies zunächst, dass bisher in sehr vielen Politikfeldern und auf den verschiedensten Ebenen Defizite vorhanden sein müssen. Man muss aber gleichzeitig auch die Frage stellen, ob alle Maßnahmen die gleiche Bedeutung haben und ob sie alle gleichzeitig angegangen werden. Diese Fragestellung soll nicht implizieren, dass der EWSA auch nur eine der aufgeführten Maßnahmen für falsch hielte. Er hat nur Zweifel, ob sie wirklich alle ernsthaft verfolgt werden.

4.2

Zentral wichtig ist es nach Meinung des EWSA, den 4. Politikbereich umgehend und umfassend anzugehen: die Wissensgrundlage über die wirkliche Bedeutung der Biodiversität und die wahren langfristigen Konsequenzen der jeweiligen Entscheidungen auf die Biodiversität muss dringend verbessert werden. Denn nur wenn ein entsprechender Kenntnisstand tatsächlich vorhanden ist und von Politik und Gesellschaft wirklich akzeptiert wird, kann sich die Betroffenheit entwickeln, die politisch notwendig ist, um zu den „tief greifenden, grundlegenden Veränderungen in Politik und Praxis“ zu kommen, die die Kommission für notwendig hält. Ob es momentan mehr an entsprechendem Wissen und Ideen, oder aber eher am politischen Durchsetzungswillen bzw. -vermögen mangelt, ist eine Frage, die nur extrem schwer zu beantworten sein wird.

4.3

Die EU wird sich eindeutig daran messen lassen müssen, ob sie ihre im Aktionsplan gemachte Ankündigung wahr machen wird, u.a. ihre Fach- und Ausgabenpolitik anders zu gestalten. Die Finanzbeschlüsse vom Dezember lassen bei vielen Betroffenen Skepsis aufkommen, ob diese Umkehrung ernsthaft angegangen wird. Diese Skepsis wird durch die Tatsache verstärkt, dass selbst dort, wo nicht einmal wirtschaftliche Interessen einem effektiveren Biodiversitätsschutz entgegenstehen, in der Vergangenheit kaum Erfolge erzielt werden konnten.

4.4

Als Beispiel hierfür sei ein Problemfeld genannt, dass im ganzen Dokument der Kommission überhaupt nicht angesprochen wird, obwohl es für viele bedrohte Arten von besonderer Bedeutung ist, nämlich die Jagd. In den 27 EU-Ländern, der Schweiz und Norwegen werden jährlich ungefähr 102 Millionen Vögel geschossen oder gefangen, darunter sind etwa 37 Millionen Singvögel. Diese Zahlen wurden aufgrund von Jagdstatistiken ermittelt. Es ist sicher: die hohen jagdlichen Verluste wandernder Vogelarten sind ein bedeutender Mortalitätsfaktor.

4.5

Vogelarten wie Kiebitz, Bekassine, Knäkente, Feldlerche, Wachtel, Turteltaube und Zwergschnepfe, alles Arten, deren Bestände in ganz Europa oder in Teilen von Europa zurückgehen, müssten und könnten deshalb von der Jagd verschont werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Jagd auf wandernde Tierarten in den meisten Ländern Europas nur einer kleinen Minderheit der Bevölkerung als Freizeitbeschäftigung dient. Eine wirtschaftliche Begründung existiert hierfür nicht, die Jagd erfolgt aus reiner Lust. Und dennoch — oder gerade deshalb? — ist hier bislang kein Erfolg zu verbuchen. Es zeigt sich immer wieder, wie schwierig es ist, selbst solche Gewohnheiten zu verändern, und noch schwieriger ist es, entsprechend „tief greifende, grundlegende Veränderungen“ zu bewirken.

4.6

Die griechische Insel Tilos ist ein bemerkenswert positives Beispiel dafür, was ein Jagdbann bewirken kann. Seit dem Jahr 1993 wird auf dieser Insel nicht mehr gejagt, was zu einer enormen Erhöhung der Artenvielfalt und der Artenbestände geführt hat. Die EU hat diese Entwicklung u.a. mit einem LIFE-Projekt gefördert.

4.7

Der EWSA möchte abschließend noch deutlich machen, dass er das Konzept der von der Kommission angesprochenen globalen Verantwortung teilt. Er stellt aber fest, dass sich die EU auch hier noch nicht mit Lorbeeren schmücken kann. Die Kommission schreibt in ihrer Mitteilung, dass derzeit „nur 1/100 der gesamten jährlichen Entwicklungshilfebudgets der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten“, will heißen: weniger als 0,004 % aller Ausgaben, für internationale Projekte zur Erhaltung der Biodiversität verwendet werden.

4.8

Auf der anderen Seite ist die hohe Mitverantwortung für die Zerstörung von Biodiversität in anderen Teilen der Welt zu sehen. In der Mitteilung wird die Zerstörung der tropischen Wälder als ein Beispiel genannt. Der EWSA gibt zu Bedenken, dass diese Waldrodungen nicht nur aus Sicht des Biodiversitätsschutzes kontraproduktiv sind, sondern auch aus Klimaschutzgründen: 20 % der globalen CO2-Belastung stammen aus Waldzerstörungen!

4.9

Der EWSA weist auf das offensichtliche Risiko für Pflanzenproduktion und Viehzucht angesichts der rasch fortschreitenden Erosion der genetischen Ressourcen für die Erzeugung von Nahrungsmitteln hin.

4.10

Der EWSA bringt seine tiefe Beunruhigung zum Ausdruck, dass beispielsweise durch die Umsetzung der Biokraftstoffstrategie der EU weitere massive Tropenwaldzerstörungen stattfinden könnten, wenn billigere Importware anstatt natur- und umweltschutzgerecht produzierte heimische Produkte Verwendung finden. Malaysia produziert derzeit rund 5 Mio. t Palmöl pro Jahr, die dazu angelegten Plantagen waren im Zeitraum zwischen 1985 und 2000 für rund 90 % aller Regenwaldabholzungen im Land verantwortlich. Nun sollen weitere 6 Mio. ha Regenwald gerodet werden, in Indonesien gar 16,5 Mio. ha, um Palmöl-Plantagen anzulegen. Das Palmöl ist für den Export bestimmt. Ein Heizkraftwerk der deutschen Gemeinde Schwäbisch-Hall, die gern als energiepolitisches Vorbild genannt wird, wird zu über 90 % mit Palmöl betrieben!

4.11

Neben diesen inhaltlichen und strategisch unterschiedlichen Einschätzungen möchte der EWSA noch zwei wichtige formale Dinge anmerken:

4.11.1

Es ist für die betroffenen und interessierten Kreise ein großes Ärgernis, wenn man verschiedene Dokumente der EU zusammensuchen muss, um einen vollen Überblick über ein und dasselbe Politikfeld zu bekommen. Aufgrund der verwaltungstechnischen Vorgabe, Kommissionsdokumente kurz zu halten, ist der eigentliche Aktionsplan, der im Inhaltsverzeichnis der Kommissionsmitteilung als Anhang 1 aufgeführt wird, der Kommissionsmitteilung nicht beigefügt. Er ist nur als gesondertes SEK-Dokument erhältlich, wobei auf dem entsprechenden Cover-Blatt der Begriff „Aktionsplan “nicht einmal erscheint. Dort wird nur von einem „technical annex “gesprochen. Der Aktionsplan ist auch nur in englischer Sprache (also nicht in anderen Amtssprachen) verfügbar, vom Schriftbild her schlecht lesbar. Dies alles ist ärgerlich. Der EWSA fordert deshalb die Kommission auf, eine Übersetzung des Aktionsplans in alle Amtssprachen vorzunehmen und für eine breite Verteilung, sowohl über das Internet als auch in Printform zu sorgen.

4.11.2

Die Kommission schlägt vor, dass die Verwirklichung der Ziele des Aktionsplans durch die bestehende Sachverständigengruppe „Biologische Vielfalt “beaufsichtigt werden soll. Der EWSA schlägt hingegen vor, die Zivilgesellschaft hier viel intensiver einzubeziehen, gerade vor dem o.g. und in der Sondierungsstellungnahme detailliert beschriebenen Problem, dass das Bewusstsein und die daraus resultierende „Betroffenheit “viel zu gering sind.

Brüssel, den 15. Februar 2007.

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  ABl. C 195 vom 18.8.2006, S. 96.

(2)  S. Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Europäischer Rat, Göteborg 15./16. Juni 2001.

(3)  Was vom EWSA begrüßt wird.

(4)  „Die Zukunft der GAP“, Stellungnahme des EWSA vom 21.3.2002, ABl. C 125 vom 27.5.2002, S. 87-99.


28.4.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 97/12


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (kodifizierte Fassung)“

KOM(2006) 543 endg. — 2006/0170 (COD)

(2007/C 97/04)

Der Rat beschloss am 11. Oktober 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 175 Absatz 1 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 25. Januar 2007 an. Berichterstatter war Herr OSBORN.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 433. Plenartagung am 15./16. Februar 2007 (Sitzung vom 15. Februar) mit 188 gegen 2 Stimmen bei 8 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Mit dem vorliegenden Vorschlag soll die Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung mit allen späteren Änderungen dieser Richtlinie kodifiziert werden.

1.2

Der Ausschuss befürwortet nachdrücklich die regelmäßige Kodifizierung des Gemeinschaftsrechts auf allen Gebieten. Er stimmt mit der Kommission und den anderen Institutionen darin überein, dass dadurch das Gemeinschaftsrecht in der Benutzung transparenter und zugänglicher und für die Bürger besser verständlich wird.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1

In diesem Fall hat die Kodifizierung den zusätzlichen Vorzug, dass sämtliche EU-Rechtsvorschriften zur integrierten Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung rechtzeitig in einer einzigen Richtlinie zusammengefasst werden, bevor im Zuge der derzeit laufenden Überprüfung dieses Bereichs neue Vorschläge vorgelegt werden. Dies erleichtert die Prüfung solcher neuen Vorschläge durch die EU-Institutionen und andere Beteiligte.

2.2

Der Ausschuss verweist in diesem Zusammenhang auf seine im Dezember 2003 verabschiedete Stellungnahme zu den Fortschritten bei der Umsetzung der Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (1). Darin hat der Ausschuss seine Besorgnis über eine Reihe von Problemen geäußert, die bei der Umsetzung der Richtlinie festgestellt wurden. Dazu gehörten Verzögerungen und Unklarheiten bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht, Verzögerungen und mangelnde Transparenz bei den Auflagen für Standorte, die der IVU-Richtlinie unterliegen, Schwierigkeiten bei der Gewährleistung einheitlicher Standards für Inspektionen von in Betrieb befindlichen Anlagen und der Durchsetzung von Genehmigungsauflagen sowie eine Reihe weiterer Probleme.

2.3

Inzwischen hat die Kommission einen Aktionsplan für schnellere Fortschritte in der gesamten EU aufgestellt. Der Ausschuss stellt mit Genugtuung fest, dass aus den aktuellen Untersuchungen der Kommission zum Stand der Umsetzung hervorgeht, dass diese in vielen Teilen der EU offenbar beschleunigt wurde.

2.4

Viele Aspekte der Umsetzung bereiten dem Ausschuss jedoch immer noch Sorge. Besonders besorgniserregend ist die Tatsache, dass mehrere Mitgliedstaaten offenbar erhebliche Probleme haben, all ihre Standorte wie von der Richtlinie gefordert bis Ende 2007 in Übereinstimmung mit der IVU-Kontrollregelung zu bringen. (Die meisten EU-Staaten hatten für die volle Umsetzung zehn Jahre Zeit und selbst den neuen Mitgliedstaaten standen zirka drei Jahre zur Verfügung, um zumindest die Rahmenbedingungen für die Kontrolle der Anlagen zu schaffen). Anlass zur Sorge gibt auch die Tatsache, dass die zuständigen Behörden in einigen Mitgliedstaaten Betriebsgenehmigungen für Anlagen, die weit hinter den in den BREF-Dokumenten festgelegten erreichbaren Emissionsgrenzwerten zurückbleiben, erteilt und dies nicht mit der ausreichenden Transparenz begründet haben. Nicht immer wird der Grundsatz der Gesamtbeurteilung eingehalten, der beträchtliche Kompensationen zwischen den Emissionen in die einzelnen Medien ermöglichen würde. Unterschiedliche Praktiken im Hinblick auf die Häufigkeit und Gründlichkeit der Inspektionen bieten ebenfalls Grund zur Sorge.

2.5

Der EWSA wird in späteren Phasen der Überprüfung der IVU-Rechtsvorschriften weitere Bemerkungen vorlegen. Schon jetzt ermutigt er die Kommission und die anderen Institutionen, wichtige neue Maßnahmen zu erwägen, um angesichts des sehr uneinheitlichen Umsetzungsstands, der in den derzeitigen Kommissionsuntersuchungen deutlich wird, eine wirksamere Umsetzung der Rechtsvorschriften sicherzustellen.

2.6

Die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IVU) kann die Betriebsnormen für Unternehmen europaweit stetig verbessern, und dies auf behutsame Art und Weise unter Berücksichtigung der Bedingungen und Gegebenheiten vor Ort. Es dauert jedoch sehr lange, bis IVU sich als merkliche Triebkraft für Veränderungen und Verbesserungen in der Ökoeffizienz etabliert. IVU muss unbedingt europaweit transparent umgesetzt und konsequent durchgesetzt werden, damit das Vertrauen der Wirtschaft und der anderen Teile der Zivilgesellschaft in dieses System erhalten bleibt. Andernfalls wird es nicht gelingen, dynamische Rahmenbedingungen für die stetige Leistungsverbesserung durch Nutzung der sich im Investitionszyklus bietenden Chancen zu schaffen; vielmehr würde der lautere Wettbewerb beeinträchtigt und wachsendes Misstrauen in das gesamte System als Mittel zur Steigerung der Umweltfreundlichkeit und für eine bessere Umweltqualität in ganz Europa gesät.

2.7

Die Kodifizierung der bestehenden Rechtsvorschriften in dieser Richtlinie ist für sich allein genommen schon ein nützlicher Schritt. Sie sollte jedoch als bloßer Wegbereiter für weitere Maßnahmen angesehen werden, welche im Hinblick auf eine verbesserte Umsetzung im Anschluss an die derzeitige Überprüfung der Rechtsvorschriften wahrscheinlich notwendig werden.

Brüssel, den 15. Februar 2007.

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  ABl. C 80 vom 30.3.2004, S. 29-34.


28.4.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 97/13


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über reinrassige Zuchtrinder “(Kodifizierte Fassung)

KOM(2006) 749 endg. — 2006/0250 (CNS)

(2007/C 97/05)

Der Rat beschloss am 22. Dezember 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 37 und 94 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 25. Januar 2007 an. Berichterstatter war Herr BROS.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 433. Plenartagung am 15./16. Februar 2007 (Sitzung vom 15. Februar) mit 184 gegen 1 Stimme bei 16 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Mit diesem Vorschlag soll die Richtlinie 77/504/EWG des Rates vom 25. Juli 1977 über reinrassige Zuchtrinder kodifiziert werden. Die neue Richtlinie ersetzt die verschiedenen Rechtsakte, die Gegenstand der Kodifizierung sind. Der Vorschlag behält den materiellen Inhalt der kodifizierten Rechtsakte vollständig bei und beschränkt sich darauf, sie in einem Rechtsakt zu vereinen, wobei nur insoweit formale Änderungen vorgenommen werden, als diese aufgrund der Kodifizierung selbst erforderlich sind.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hält es für sehr sinnvoll, sämtliche einschlägigen Rechtsakte in einer Richtlinie zusammenzufassen. Im Zusammenhang mit dem „Europa der Bürger “ist es dem Ausschuss ebenso wie der Kommission ein wichtiges Anliegen, das Gemeinschaftsrecht zu vereinfachen und klarer zu gestalten, damit es für die Bürger besser verständlich und zugänglicher wird, ihnen neue Möglichkeiten eröffnet und sie die einzelnen Rechte, die es ihnen zuerkennt, besser in Anspruch nehmen können.

2.2

Es ist gewährleistet, dass diese kodifizierte Fassung keine materiellen Änderungen aufweist und lediglich dazu dient, das Gemeinschaftsrecht klar und transparent zu machen. Der Ausschuss befürwortet diese Zielsetzung voll und ganz und unterstützt angesichts der genannten Gewährleistung den Vorschlag.

Brüssel, den 15. Februar 2007.

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


28.4.2007   

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C 97/14


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Benutzung von Arbeitsmitteln durch Arbeitnehmer bei der Arbeit (Zweite Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) “(kodifizierte Fassung)

KOM(2006) 652 endg. — 2006/0214 (COD)

(2007/C 97/06)

Der Rat beschloss am 22. November 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 22. Januar 2007 an. Berichterstatter war Herr VERBOVEN.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 433. Plenartagung am 15./16. Februar 2007 (Sitzung vom 15. Februar) mit 181 gegen 2 Stimmen bei 11 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung und Empfehlungen

1.1

Der Ausschuss heißt den Vorschlag im Wesentlichen gut, appelliert an die Kommission, seine zwei Vorbehalte zu berücksichtigen und den Wortlaut der Erwägungsgründe entsprechend zu ändern und plädiert dafür, dass Parlament und Rat den Vorschlag zügig annehmen.

2.   Begründung

2.1   Zusammenfassung des Kommissionsvorschlags

2.1.1

Mit dem vorliegenden Vorschlag soll die Richtlinie 89/655/EWG des Rates vom 30. November 1989 über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Benutzung von Arbeitsmitteln durch Arbeitnehmer bei der Arbeit kodifiziert werden. Die neue Richtlinie ersetzt die verschiedenen Rechtsakte, die Gegenstand der Kodifizierung sind (1); laut Kommission behält der Vorschlag den materiellen Inhalt der kodifizierten Rechtsakte vollständig bei und beschränkt sich darauf, sie in einem Rechtsakt zu vereinen, wobei nur insoweit formale Änderungen vorgenommen werden, als diese aufgrund der Kodifizierung selbst erforderlich sind.

2.2   Bemerkungen

2.2.1

Bei der Benutzung von Arbeitsmitteln am Arbeitsplatz stellt die Einhaltung der Vorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz einen wichtigen Bestandteil der vorbeugenden Maßnahmen dar. Diese Vorschriften sind seit 1989 Gegenstand einer Mindestharmonisierung. Die Richtlinie vom 30. November 1989 wurde mehrfach geändert und erfasst mittlerweile eine größere Anzahl an Arbeitssituationen (im Wesentlichen die Arbeit an hoch gelegenen Arbeitsplätzen) und beinhaltet ein erweitertes Konzept des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz unter Berücksichtigung ergonomischer Grundsätze. Die verschiedenen Änderungsfassungen können den Adressaten dieser Rechtsvorschriften Schwierigkeiten bereiten, auch wenn die Kommission eine inoffizielle Koordinierung der geltenden Vorschriften vorgenommen hat.

2.2.2

Eine Kodifizierung darf zu keiner materiellen inhaltlichen Änderung führen. Der Ausschuss ist nach Prüfung des Vorschlags der Auffassung, dass der vorliegende Text — vorbehaltlich der folgenden Bemerkungen — diesem Grundsatz gerecht wird.

In den Erwägungsgründen (10) und (11) der Richtlinie 2001/45/EG wird auf die notwendige spezifische Unterweisung von Arbeitnehmern, die Arbeitsmittel an hoch gelegenen Arbeitsplätzen verwenden, hingewiesen. Der Ausschuss plädiert dafür, in den Erwägungsgründen des Kodifizierungsvorschlags eine solche Empfehlung nicht zu unterlassen.

Der Ausschuss ist der Auffassung, dass gemäß dem Beschluss 2003/C 218/01 des Rates vom 22. Juli 2003 der Beratende Ausschuss für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz zu dem Vorschlag gehört werden sollte. Entsprechend der bisherigen Praxis sollte eine solche Konsultation in den Erwägungsgründen der Richtlinie aufgeführt werden.

2.2.3

Vorbehaltlich dieser Bemerkungen stellt der Vorschlag nach dem Dafürhalten des Ausschusses eine zweckmäßige Verknüpfung der geltenden Rechtsvorschriften dar, macht sie verständlicher und wirft keine grundsätzlichen Probleme auf.

2.2.4

Der Ausschuss heißt den Vorschlag im Wesentlichen gut, appelliert an die Kommission, seine zwei Vorbehalte zu berücksichtigen und den Wortlaut der Erwägungsgründe entsprechend zu ändern und plädiert dafür, dass Parlament und Rat den Vorschlag zügig annehmen.

Brüssel, den 15. Februar 2007.

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Richtlinie 89/655/EWG des Rates, Richtlinie 95/63/EG des Rates und Richtlinie 2001/45/EG des Europäischen Parlaments und des Rates.


28.4.2007   

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C 97/15


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Asbest am Arbeitsplatz (kodifizierte Fassung)“

KOM(2006) 664 endg. — 2006/0222 (COD)

(2007/C 97/07)

Der Rat beschloss am 12. Dezember 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 22. Januar 2007 an. Berichterstatter war Herr VERBOVEN.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 433. Plenartagung am 15./16. Februar 2007 (Sitzung vom 15. Februar) mit 192 gegen 3 Stimmen bei 6 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Ausschuss begrüßt den Kommissionsvorschlag und wünscht eine rasche Annahme durch das Europäische Parlament und den Rat.

1.2

Der Ausschuss bekräftigt außerdem seine Aufforderung an die Mitgliedstaaten, das IAO-Übereinkommen 162 über Sicherheit bei der Verwendung von Asbest zu ratifizieren.

2.   Begründung

2.1   Wesentlicher Inhalt des Kommissionsvorschlags

2.1.1

Mit dem vorliegenden Vorschlag soll die Richtlinie 83/477/EWG des Rates vom 19. September 1983 über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Asbest am Arbeitsplatz (Zweite Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 8 der Richtlinie 80/1107/EWG) kodifiziert werden. Die neue Richtlinie ersetzt die verschiedenen Rechtsakte, die Gegenstand der Kodifizierung sind (1). Der Vorschlag behält nach Auffassung der Kommission den materiellen Inhalt der kodifizierten Rechtsakte vollständig bei und beschränkt sich darauf, sie in einem Rechtsakt zu vereinen, wobei nur insoweit formale Änderungen vorgenommen werden, als diese aufgrund der Kodifizierung selbst erforderlich sind.

2.2   Allgemeine Bemerkungen

2.2.1

Die Asbestexposition ist nach wie vor für verschiedene Arbeitnehmerkategorien — insbesondere in der Baubranche — ein erheblicher Risikofaktor. Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass in Europa im Laufe des 20. Jahrhunderts mehrere Dutzend Millionen Tonnen Asbest verarbeitet wurden. Trotz des von der Europäischen Union 1999 verfügten Verbots von Asbest wird die Asbestexposition in erster Linie aufgrund zahlreicher asbesthaltiger Gebäude noch über Jahrzehnte erfolgen. Außerdem können die Entsorgung sehr unterschiedlicher asbesthaltiger Gebäudeteile und Vorrichtungen sowie die Bewirtschaftung von Abfällen ebenfalls Risiken einer Asbestexposition beinhalten.

2.2.2

Der Ausschuss hat sich bereits mehrfach mit Fragen des Schutzes der Arbeitnehmer, die durch Asbest gefährdet sind, befasst. Insbesondere ist auf die am 4. März 1999 verabschiedete Initiativstellungnahme (2) hinzuweisen.

2.2.3

Die erste Richtlinie zum Schutz der Arbeitnehmer vor den Risiken einer Asbestexposition stammt aus dem Jahr 1983. Sie wurde mehrmals geändert, um den Anwendungsbereich auszudehnen, die Vorsorgemaßnahmen zu verstärken und die Grenzwerte der Exposition zu senken. Die verschiedenen Überarbeitungen können den Adressaten dieser Rechtsvorschrift Probleme bereiten.

2.2.4

Eine Kodifizierung darf zu keinerlei Änderungen des materiellen Inhalts führen. Der Ausschuss vertritt nach Überprüfung des Vorschlags die Auffassung, dass das zu überprüfende Dokument dieser Grundbedingung voll und ganz entspricht. Es beinhaltet eine logische Gliederung der verschiedenen geltenden Vorschriften, wodurch diese deutlicher werden, und wirft somit keinerlei grundlegende Probleme auf.

2.2.5

Der Ausschuss wünscht, dass die Kommission die Anhörung der Sozialpartner und des Beratenden Ausschusses für Sicherheit, Arbeitshygiene und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz unverzüglich durchführt.

2.2.6

Der Ausschuss begrüßt folglich den Kommissionsvorschlag und fordert dessen rasche Annahme durch das Parlament und den Rat.

2.3   Besondere Bemerkungen

2.3.1

Der Ausschuss verweist auf seine Stellungnahme vom 4. März 1999 und bekräftigt insbesondere seine Aufforderung an die Mitgliedstaaten, das IAO-Übereinkommen 162 über Sicherheit bei der Verwendung von Asbest zu ratifizieren. Bis heute wurde dieses Übereinkommen von lediglich 10 der 27 EU-Mitgliedstaaten unterzeichnet. Eine Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union wäre dem Ansehen des IAO-Übereinkommens als wesentliches Instrument für den weltweiten Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer förderlich.

Brüssel, den 15. Februar 2007.

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Richtlinie 83/477/EWG des Rates, Richtlinie 91/382/EWG des Rates, Richtlinie 98/24/EG des Rates (nur Artikel 13) und Richtlinie 2003/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates.

(2)  ABl. C 138 vom 18.5.1999, S. 24.


28.4.2007   

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C 97/16


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Thema „Europäische Logistikpolitik“

(2007/C 97/08)

In ihrem Schreiben vom 17. November 2005 ersuchte Frau KIVINIEMI, finnische Ministerin für Außenhandel und Entwicklung, im Namen des finnischen EU-Ratsvorsitzes den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des Vertrags um Erarbeitung einer Stellungnahme zu dem Thema: „Europäische Logistikpolitik“.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 11. Januar 2007 an. Berichterstatter war Herr RANOCCHIARI.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 433. Plenartagung am 15./16. Februar 2007 (Sitzung vom 15. Februar) mit 82 gegen 5 Stimmen bei 10 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Empfehlungen und Schlussfolgerungen

1.1

Ein leistungsfähiges Verkehrssystem ist eine notwendig Voraussetzung für die Erhaltung und den Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit Europas. Nur durch hohe Effizienz der Verkehrsträger und nahtlose Zusammenarbeit zwischen diesen lässt sich die Komplexität der Verkehrsströme in einer modernen Gesellschaft in den Griff bekommen. Fortschrittliche und integrierte Logistiklösungen können dazu beitragen, die Güterverkehrsdienste zu optimieren und somit das Wachstum zu fördern und Europas globale Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

1.2

Die Initiative des finnischen Ratsvorsitzes und die im Juni d.J. veröffentlichte Mitteilung der Kommission (1) machen deutlich, dass effektive Logistik ein Mittel zur Stärkung und Nutzung der Synergien zwischen Umweltschutz und Wettbewerb sein kann. Dies kann durch Optimierung der rationalen Nutzung von Fahrzeugen und Infrastrukturen zur Vermeidung unnötigen Verkehrs erreicht werden. Deshalb sind nach Auffassung des Ausschusses Entwicklungsanstrengungen erforderlich, die Nutzen aus den Kenntnissen aller Akteure — Logistikunternehmen und deren Mitarbeiter, Kundenunternehmen und deren Angestellte sowie Behörden und Verbände — zieht.

1.3

Grundlage solcher Entwicklungsanstrengungen sollte ein von der Kommission konzipierter strategischer Plan für Logistik im Dienste von Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit sein. Der Plan sollte die Aufgaben der Behörden und der Wirtschaft eindeutig festgelegen, und er sollte alle Verkehrsträger betreffen und von den wirtschaftlichen, verkehrspolitischen, sozialen und umweltspezifischen Interessen und regionalen Gegebenheiten ausgehen.

1.4

Verkehrslogistik ist eine personalintensive Aktivität, die sachkundiger und gut ausgebildeter Mitarbeiter und Führungskräfte bedarf. Der Plan sollte deshalb vertieft auf die Voraussetzungen für die schulische Bildung und die weiterführende Ausbildung im Logistikbereich eingehen. Die Voraussetzungen für die Förderung von Forschung und Entwicklung in Bezug auf Infrastrukturen sollten auch untersucht werden.

1.5

In diesem Zusammenhang können die Arbeitsmärkte von großer Bedeutung sein für den Erhalt und die Weiterentwicklung von Logistik-Dienstleistungen, welche den Erfordernissen der Wettbewerbsfähigkeit und der gewerblichen Wirtschaft gerecht werden. Die Sozialpartner können die Spielregeln und das Funktionieren des Logistik-Arbeitsmarkts im Wege eines kontinuierlichen Dialogs positiv beeinflussen. Arbeitsplatzsicherheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz sowie die Effizienzsteigerung der Arbeit können als gemeinsame Ziele angesehen werden.

1.6

Der frühere Ansatz der Kommission zur Lösung des Problems der Verkehrsüberlastung auf bestimmten Achsen in der EU durch Regulierung der Anteile der Verkehrsträger am Verkehr unter Bezugnahme auf das Jahr 1998 scheint sich mit der heutigen Entwicklung des Verkehrsmarkts nicht in Einklang bringen zu lassen.

1.7

Die Hauptaufgabe besteht nun darin, das Zusammenwirken der Verkehrsträger zu bewerkstelligen, wenn immer dies möglich ist und die Effizienz und Angemessenheit eines jeden einzelnen Verkehrsträgers voll ausgenützt werden kann, wofür entsprechende technische, praktische und wirtschaftliche Voraussetzungen gegeben sein müssen. Die Herausforderung für die EU besteht darin, eine Gemeinschaftspolitik ins Werk zu setzen, die diese Voraussetzungen schafft bzw. diese Grundlagen weiterentwickelt. Die künftige Politik muss ebenfalls auf die Gewährleistung sicherer, umweltfreundlicher und effizienter Verkehrssysteme abzielen.

2.   Hintergrund

2.1

Finnland hat in seinem Ersuchen um Erarbeitung einer Sondierungsstellungnahme des EWSA zum Thema „Europäische Logistikpolitik“ eine Reihe von Gründen für die große Bedeutung dieses Bereichs für die europäische Wettbewerbsfähigkeit angeführt und unter anderem auf Folgendes hingewiesen:

2.2

Die Weltwirtschaft befindet sich in einer Übergangsperiode. Die letzte Phase der Globalisierung begann in den Neunzigerjahren mit der Öffnung der wachsenden Wirtschaften Asiens für die internationale Marktwirtschaft. Dies führte zu Verlagerungen bei der Industrieproduktion als auch bei der Bereitstellung von Dienstleistungen. In Europa sind Strukturveränderungen in der Industrieproduktion und auf den Dienstleistungsmärkten festzustellen, die auf die EU-Erweiterung, das Wirtschaftswachstum in den EU-Nachbarländern und auf die wirtschaftliche Erholung Russlands zurückzuführen sind. Die EU muss rasch und entschlossen — wie in der Lissabon-Strategie umrissen — auf diese Herausforderungen reagieren.

2.3

Diese Entwicklungen wirken sich auch auf den europäischen Verkehrssektor aus. Erstens müssen die Verkehrsmärkte aller Mitgliedstaaten erfolgreich in den Verkehrsmarkt der Gemeinschaft integriert werden. Der Ausschuss empfiehlt, dabei denjenigen Ländern besondere Aufmerksamkeit zu widmen, die technisch immer noch ins Verkehrssystem der ehemaligen UdSSR integriert sind. Zweitens müssen verbliebene Verkehrsbarrieren in der EU abgebaut und Beförderungsvorgänge effektiv organisiert werden. Drittens müssen Verkehrsverbindungen ausgebaut werden, um die wirtschaftlichen Potenziale der EU-Nachbarstaaten voll und ganz auszuschöpfen. Die bestehenden Engpässe an den Grenzen zu Drittstaaten belegen, wie wichtig die Lösung dieser Probleme ist. Der Güterverkehr verläuft in zahlreichen Fällen über die EU-Außengrenzen, weshalb der Entwicklung angemessener Infrastrukturen und Technologien sowohl auf der Seite der EU, als auch auf der Seite von Drittstaaten größte Bedeutung beigemessen werden muss.

2.4

Die Lissabon-Strategie zielt u.a. darauf ab, Europa zur wettbewerbsfähigsten Wirtschaft der Welt zu entwickeln. Ein modernes, gut funktionierendes Verkehrssystem ist für die nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung von entscheidender Bedeutung. Eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in der EU macht aber auch Verbesserungen in puncto Qualität, Pünktlichkeit und Effizienz des Verkehrssystems erforderlich. Gleichzeitig führt ein rascher Anstieg des Warentransports — insbesondere auf der Straße — in vielen Teilen Europas zu Verkehrsüberlastung. Dies geht einher mit zusätzlichen Kosten für die europäische Industrie. Eine solche unerwünschte Entwicklung hat negative Auswirkungen auf die natürlichen Lebensgrundlagen.

2.5

Die EU hat erhebliche Anstrengungen zur Öffnung der Logistik-Dienstleistungsmärkte und zur Integration der Verkehrsnetze in Europa unternommen. Das Ergebnis ist jedoch immer noch nicht zufrieden stellend und zahlreiche Hindernisse verhindern weitere Fortschritte. In der gemeinschaftlichen Verkehrspolitik wird der Logistik nicht die gebührende Aufmerksamkeit zuteil, obwohl Logistikkosten für Industrie und Handel hoch sind und einen erheblichen Anteil des Gesamtumsatzes der Unternehmen ausmachen. Der Logistiksektor ist auch ein wichtiger Arbeitsgeber in Europa.

2.6

Effektive Logistik ist ein Mittel zur Stärkung und Nutzung der Synergien zwischen Umweltschutz und Wettbewerb. Dies kann durch Optimierung der rationalen Nutzung von Fahrzeugen und Infrastrukturen zur Vermeidung unnötigen Verkehrs erreicht werden.

2.7

Eine optimierte Logistik kann auch positive Auswirkungen auf die regionale Entwicklung in der EU haben, da sie die Bedeutung der geographischen Lage verringert und somit die regionale Wirtschaftsentwicklung und Wettbewerbsfähigkeit steigert. Verkehrslogistik könnte im Rahmen der nachhaltigen Mobilität eine wichtige Rolle spielen.

3.   Einleitung

3.1

Die Kontakte zwischen Finnland und der Europäischen Kommission führten zur Veröffentlichung der Kommissionsmitteilung „Güterverkehrslogistik in Europader Schlüssel zur nachhaltigen Mobilität“  (2) im Juni 2006. Das Dokument geht auf die Voraussetzungen für eine engere Verbindung von Logistik- und Verkehrspolitik ein.

3.2

In dem im März 2006 veröffentlichten Konsultationspapier (3) greift die Kommission einige Fragen im Hinblick auf diese Mitteilung auf. Diese betreffen die künftige Entwicklung auf dem Gebiet der Logistik und deren Bedeutung für einen reibungslos funktionierenden Verkehrssektor in der EU — mit deutlichem Verweis auf die Intermodalität bzw. Zusammenarbeit der Verkehrsträger.

3.3

Laut Dokument zeigt sich bei einem Vergleich von BIP und Logistikausgaben (einschließlich Verkehrswesen) zwischen Europa (EU-15) und Nordamerika, dass der auf die Logistik entfallende BIP-Anteil in Europa von 12,2 % in 1998 auf 13,3 % im Jahr 2002 angewachsen ist. Im gleichen Zeitraum gingen die Logistikausgaben in Nordamerika von 11 % auf 9,9 % zurück.

3.4

Die Kommission weist in ihrem Konsultationspapier auch auf frühere, von ihr ergriffene Maßnahmen hin. Im Rahmen von Forschung und technologischer Entwicklung (FTE) hat es in den letzten Jahren eine Reihe von Projekten gegeben, die einerseits die Intermodalität und andererseits die Logistik zum Gegenstand hatten. Ziel dieser Projekte ist die Entwicklung eines besseren Verständnisses der wechselseitigen Beziehungen zwischen Logistikentscheidungen und Verkehrsdiensten (4).

3.5

Das Weißbuch der Kommission von 2001 (5) enthält grundlegende Tatsachen über das Verkehrssystem der EU und legt Ideen und Vorschläge zur Verbesserung des Verkehrswesens bis 2010 vor. Es werden quantitative Ziele für die verschiedenen Verkehrsträger genannt. Bis zum Jahr 2010 sollen die Marktanteile der verschiedenen Verkehrsträger wieder auf die Werte von 1998 zurückgeführt werden. Die Bedeutung der Intermodalität, d.h. der Art und Weise des Zusammenwirkens unterschiedlicher Verkehrsträger, vor allem bei längeren Gütertransporten innerhalb Europas, wird stark betont. Ziel ist es, mehr Güter über die Eisenbahn und den Wasserweg zu befördern. Das Marco-Polo-Programm ist Teil dieses Ziels. Voraussetzung dafür ist indes, dass flexible technische und logistische Lösungen gefunden werden, die ein nahtloses „Tür-zu-Tür-Konzept “ermöglichen. Im Weißbuch wird ausgeführt, dass Zeitverluste und Mehrkosten im Zusammenhang mit dem Umsetzen der Ware die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen. Dadurch wird der Lkw-Verkehr begünstigt, da das weit verzweigte Straßenverkehrsnetz den Transport von Gütern an prinzipiell jeden beliebigen Bestimmungsort ermöglicht. Diese Bemerkungen zu der entwickelten Straßeninfrastruktur beziehen sich hauptsächlich auf die Staaten der EU-15. In den neuen Mitgliedstaaten ist das Straßennetz in geringerem Maße ausgebaut und oft von minderer Qualität. In diesen Staaten besteht ein enormes Potenzial zum Ausbau des Verkehrssystems, das durch die Förderung von Investitionen in die Infrastruktur genutzt werden sollte.

3.6

Die Mitteilung der Kommission (6) zur Halbzeitbilanz des Weißbuchs, in der die Bedeutung der „Co-Modalität “bestätigt wird, scheint mit Blick auf eine ausgeglichene Verteilung zwischen verschiedenen Verkehrsträgern pragmatischer zu sein.

4.   Der Schwerpunkt des finnischen Ratsvorsitzes einer künftigen europäischen Logistikpolitik und Entwicklungen im Logistiksektor

4.1

Die von Finnland der Kommission übermittelten vorbereitenden Arbeiten umfassen zum einen eine Untersuchung neuer Entwicklungen im Logistiksektor, zum anderen eine Überprüfung des so genannten EuLOG-Projekts (Euregionales Netzwerk Logistik). Hauptziel dieses Projekts war es, ein Diskussionspapier zu erarbeiten, das eine umfassende Zusammenstellung des besten gesamten Wissens über die gewünschte künftige Entwicklung der europäischen Verkehrslogistik sowie der für das Erreichen dieses Ziels notwendigen Maßnahmen enthält.

4.2

Die Industrieproduktion wird vor allem in den Schwellenländern China, Indien, Brasilien und Russland steigen. Sowohl die Menge der zu transportierenden Waren als auch die Länge der Verkehrswege wird zunehmen. Die Kontrolle der globalen Lieferketten ist aufwändig, weshalb die entsprechende Entscheidungsfindung nach Asien verlagert werden könnte. Da der Wettbewerb zwischen Wirtschaftsregionen zunimmt, wird die Leistungsfähigkeit von Infrastrukturen ein immer wichtigerer Faktor der Wettbewerbsfähigkeit. Der Anstieg von Produktion und Verbrauch in Osteuropa zwingt außerdem dazu, einen Teil des Güterverkehrs über andere Verkehrsarten als den Straßenverkehr abzuwickeln, wofür die Entwicklung von GVZ in den Grenzländern dieser Region äußerst wichtig ist. Gleichzeitig bietet sich hier eine Gelegenheit zur Kostenoptimierung des Verkehrssystems der EU. Die Institutionen der EU sollten diesen positiven Trend fördern und umweltfreundliche Verkehrsträger fördern.

4.3

Was Industrieproduktion und Dienstleistungen betrifft, ist Kundenorientierung für die Struktur der Lieferketten entscheidend. Die Lieferketten unterscheiden sich voneinander nicht nur aufgrund der unterschiedlichen Produkteigenschaften, sondern auch bezüglich der Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden. Systemintegration betrifft sowohl technologische als auch organisatorische Aspekte und ist wissensbasiert. Der Aufbau von Vertriebsnetzen erfordert Erfindungsreichtum, sowohl im Hinblick auf Produkte als auch auf Verfahren. In der westlichen Welt werden Dienstleistungen zunehmen, wohingegen die Produktion in andere Teile des Netzes verlagert wird. Es besteht Bedarf an exakten Angaben über die Umweltauswirkungen der Produkte und Dienstleistungen. Dadurch steigt die Bedeutung der Ortung und Verfolgung im Rahmen der Effizienzsteigerung und der Abfallvermeidung. Die Bedeutung der umgekehrten Logistik (reverse logistic) wird zunehmen, da Produkte nach Verbrauch kontrolliert verwertet oder entsorgt werden müssen.

4.4

Informations- und Kommunikationssysteme ermöglichen die Überwachung entscheidender Informationsflüsse zwischen Planung, Verwaltung und Durchführung von Logistikketten. IKT ermöglichen die Optimierung des Sicherheitsniveaus und der Logistikdienstleistungen bei gleichzeitiger Senkung der Kosten. Dafür sind neue intelligente Technologien und genormte Schnittstellen erforderlich. Aufgrund der Verbreitung der Hochfrequenz-Erkennung gibt es große Möglichkeit zur Optimierung von Ortung und Verfolgung in Bezug auf die Lieferanten.

4.5

Wirtschaftlichkeit ist stets von Bedeutung. Die Verkehrskosten steigen aufgrund des Anstiegs der Lohnkosten und des Ölpreises sowie von Staukosten, Infrastruktur-Nutzungsgebühren und stetig steigenden Sicherheitsanforderungen. Die umgekehrte Logistik wirkt sich auch auf die Wirtschaftlichkeit aus. Logistikkosten sind unzureichend bekannt und Entscheidungen basieren folglich auf unvollständigen Informationen. Es müssen Modelle für die Berechung der realen Kosten erarbeitet werden. Logistikkosten müssen Teil der Leistungsindikatoren von Unternehmen werden. In diesem Zusammenhang von grundlegender Bedeutung für die Berechnung der tatsächlichen Logistikkosten wird ein von der Europäischen Kommission im Rahmen der Umsetzung der so genannten Eurovignette entwickeltes Kostenberechnungsmodell sein, das unter anderem die externen Kosten und die Kosten für die Nutzung der Infrastruktur berücksichtigt.

4.6

Politische Maßnahmen zielen darauf ab, ein dem Handel und der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zuträgliches Umfeld zu schaffen. Regulierung ist ein notwendiger Teil der sozialen Marktwirtschaften Europas, muss allerdings auf intelligente Art und Weise erfolgen und Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit fördern. Die Harmonisierung von Politik, Vorschriften und Infrastrukturinvestitionen ist Voraussetzung für die Beseitigung von Hindernissen bei der Vollendung des Binnenmarkts. Wenngleich regionale Gebietskörperschaften eine immer wichtigere Rolle bei Regulierung und Investitionen im Verkehrsbereich spielen, müssen auch sie die Entwicklung des globalen Handlungsumfelds berücksichtigen.

4.7

Die Behörden werden Innovationen und deren Nutzung fördern. Unter logistischen Gesichtspunkten sind das Lieferkettenmanagement und neue Geschäftsmodelle die wichtigsten Entwicklungsbereiche. Lieferketten müssen z.B. im Hinblick auf Sicherheit, Ortung und Verfolgung sowie intermodale Vorgänge weiterentwickelt werden. In der Logistikbranche sind neue Qualifikationen z.B. bei der Zusammenarbeit und bei der Risikoteilung erforderlich.

5.   Allgemeine Bemerkungen

5.1

Der Begriff Logistik wird häufig ohne genaue Inhalts- oder Bedeutungsbestimmung verwandt. Eine einheitliche Begriffsbestimmung gibt es nicht. Güterlogistik (oder Verkehrslogistik) kann bezeichnet werden als der Prozess der Planung, Durchführung, Überwachung und Synchronisierung des effizienten und kostenwirksamen Vor- und Rücklaufs von Rohstoffen, Halbfabrikaten und Fertigerzeugnissen vom Ausgangspunkt zum Ort des Verbrauchs zum Zweck der Befriedigung der Bedürfnisse der Kunden. Diese Definition umfasst auch die von der Kommission im Konsultationspapier verwandte Begriffsbestimmung.

5.2

Der Ausschuss stellt in der Einleitung fest, dass der finnische Ratsvorsitz die Bedeutung eines gut funktionierenden europäischen Logistikmarkts mit zahlreichen Gründen untermauert und überzeugend darlegt, dass Logistik einen deutlich höheren Stellenwert in der europäischen Verkehrspolitik bekommen muss. Der Ausschuss teilt diese Einschätzung und ist deshalb bereit, diese Initiative voll und ganz zu unterstützen.

5.3

Die neue Lissabon-Strategie stellt eine große Herausforderung dar, für deren Bewältigung Wirtschaftswachstum in Europa erforderlich ist, was wiederum einen Anstieg des Handels, laufende Rationalisierung und Innovation in Wirtschaft erforderlich macht. Dies ist in zunehmendem Maße von internationalen Einflüssen und Wettbewerbsfaktoren abhängig.

5.4

In fast allen gesellschaftlichen Bereichen stellt der Personen- und Güterverkehr eine grundlegende Voraussetzung für wirtschaftliche Aktivitäten, Produktion und Handel dar. Zeit und Kostenfaktoren sind nicht nur für wirtschaftliche Allokationsentscheidungen, sondern auch für individuelle Entscheidungen ausschlaggebend. Genauso wie gesellschaftliche Strukturveränderungen den Verkehrsbedarf beeinflussen, sind Veränderungen auch auf die Entstehung — oder das Ausbleiben — neuer Verkehrsmöglichkeiten zurückzuführen.

5.5

Der Ausschuss ist der Auffassung, dass in einer in immer stärkerem Maße globalisierten Wirtschaft Logistik und ihre Kosten nicht nur ein zunehmend wichtiges Mittel für Wettbewerb und Rationalisierung darstellen, sondern auch für den Umweltschutz von immer größerer Bedeutung sind. Die Zugänglichkeit von Märkten, Beschäftigung, Bildung, Dienstleistungen usw. kann nur unter der Bedingung eines gut funktionierenden Verkehrssystems gewährleistet werden.

5.6

Der Ausschuss teilt deswegen die Ansicht der Kommission, dass Verkehr ein wesentlicher Faktor für die Erhaltung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit Europas ist. Nur durch hohe Effizienz der Verkehrsträger und nahtlose Zusammenarbeit zwischen ihnen lässt sich die Komplexität der Verkehrsströme in einer modernen Gesellschaft in den Griff bekommen. Fortschrittliche und integrierte Logistiklösungen können dazu beitragen, die Güterverkehrsdienste zu optimieren und somit das Wachstum zu fördern und Europas globale Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

5.7

Es muss in diesem Zusammenhang daran erinnert werden, dass Logistik eine unternehmensbasierte und auf Kundennachfrage basierende Wirtschaftstätigkeit ist, wobei die entsprechenden Dienstleistungen vom Markt angeboten werden müssen. Das bedeutet, dass die Entwicklung in diesem Sektor im Wesentlichen durch die Kundenbedürfnisse in puncto Verkehr und dessen Abwicklung gesteuert wird. Als Beispiel kann hier die verarbeitende Industrie genannt werden, deren Nachfrage nach Verkehrsdienstleistungen kontinuierlich steigt, um die Lagerhaltung sowohl von Halb- als auch von Fertigprodukten zu senken. Das steigende Volumen des Internethandels und die Liberalisierung der Postmärkte in Europa sind weitere Bereiche, in denen der Bedarf an raschen und pünktlichen Verkehrsdienstleistungen und somit an Logistik steigen wird. Ebenfalls muss betont werden, dass eine solche Entwicklung auf nachhaltige Art und Weise stattfinden muss, indem spezielle Vorschriften zum Schutz sozialer und ökologischer Standards vorgesehen werden.

5.8

Die Entscheidung der Kunden in Bezug auf Verkehrsdienstleistungen wird durch eine lange Reihe von Faktoren beeinflusst und hängt natürlich von der Art der zu befördernden Güter ab. Hochwertige, zerbrechliche oder leicht verderbliche Güter werden per Lastkraftwagen oder Flugzeug befördert. Geringwertige, schwere oder sperrige Güter werden auf dem Wasserweg oder der Schiene befördert. Zeitaspekte (just in time) und die Anzahl der Verkehrsträgerwechsel sind weitere Faktoren, die die Wahl des Verkehrsträgers beeinflussen.

5.9

Die Mitteilung der Kommission über die Halbzeitbilanz des Weißbuchs ist von dieser Auffassung geprägt, und dies wird vom Ausschuss begrüßt. Die Mitteilung wird Gegenstand einer eigenen Ausschussstellungnahme sein, was den Ausschuss allerdings nicht davon abhalten soll, bereits jetzt einige diesbezügliche Bemerkungen vorzubringen. Das der Mitteilung vorausgegangene Konsultationspapier war ganz auf die Intermodalität im Zusammenhang mit den Vorgaben des Weißbuchs von 2001 ausgerichtet, die die Verlagerung eines Teils des Verkehrsvolumens von der Straße auf die Schiene und den Wasserweg zu verlagern.

5.10

Der Ausschuss nimmt mit Genugtuung zur Kenntnis, dass die Kommission Intermodalität nicht mehr als Ziel an sich, sondern als Mittel zur Kombination der Verkehrsträger ansieht.

5.11

Die Kommission bekräftigte im Konsultationspapier zur Halbzeitrevision des Weißbuchs das Ziel, die Verteilung zwischen den Verkehrsträgern, wie sie im Jahr 1998 bestand, wiederherzustellen. Im Weißbuch von 2001 wurde betont, dass die Europäische Union Maßnahmen gegen das zunehmende Ungleichgewicht zwischen den Verkehrsträgern ergreifen muss. Der Vormarsch des Straßen- und des Luftverkehrs führt zu einer zunehmenden Überlastung der Netze. Gleichzeitig hemmt die mangelnde Kapazitätsauslastung der Eisenbahn und der Küstenschifffahrt die Entwicklung reeller Alternativen zum Güterkraftverkehr. Die Stauprobleme in bestimmten Teilen der Europäischen Union dürfen jedoch nicht die mangelnde Anbindung der Randregionen an die zentralen Märkte verdecken.

5.12

Dies bewirkt laut Kommission mit der Zeit ein Ungleichgewicht bei der Verkehrsaufteilung, das zur Überlastung insbesondere der wichtigsten transeuropäischen Korridore und der Städte führt. Eine Lösung dieses Problems setzt voraus, dass bis spätestens 2010 zwei Hauptziele erreicht werden:

Gewährleistung eines kontrollierten Wettbewerbs zwischen den Verkehrsträgern;

Gemeinsame Strategien für diese Verkehrsträger, damit die Intermodalität gelingt.

5.13

Der Ausschuss kritisierte in seiner Stellungnahme (7) zum Weißbuch von 2002 diese Auffassung. Bezüglich des ersten Punktes betonte der Ausschuss: „Beim Problem der Verkehrsstaus, einem der zentralen Themen des Weißbuchs, wird übersehen, dass davon nur ein ganz kleiner Teil des Gemeinschaftsraumes betroffen ist, auch wenn es natürlich zutrifft, dass es sich dabei um Gebiete mit einer sehr hohen Bevölkerungsdichte (einer der Ursachen des Problems) handelt. Daher erscheint es, wie bereits oben ausgeführt, unangemessen, eine allgemeine, einheitliche Verkehrspolitik für den gesamten Gemeinschaftsraum aufzustellen; vielmehr wären Konzepte für eine gebietsspezifische Politik gefordert. “Der Ausschuss bekräftigt diese Auffassung.

5.14

Quantitative Ziele sind bei der Verteilung der Marktanteile der verschiedenen Verkehrsträger irreführend. Die Gesamtvolumina der Gütertransporte innerhalb der EU der verschiedenen Verkehrsträger geben nicht adäquat darüber Aufschluss, wie Straße, Eisenbahn, Kurzstreckenseeverkehr, Binnenschifffahrt und Pipelines auf dem Markt miteinander in Wettbewerb stehen. Die derzeitigen Statistiken, wonach die Marktanteile der einzelnen Verkehrsträger anhand der Transportleistungen quantitativ verglichen werden, geben die tatsächliche Situation auf dem Verkehrsmarkt nicht korrekt wider. Die Entwicklung neuerer Statistik-Methoden, die eine Unterscheidung zwischen Fern- und Nahverkehr erlauben, sollte gefördert werden.

5.15

Die Hauptaufgabe besteht vielmehr darin, das Zusammenwirken der Verkehrsträger zu bewerkstelligen, wenn immer dies möglich ist und die Effizienz und Angemessenheit eines jeden einzelnen Verkehrsträgers voll ausgenützt werden kann. Alles in allem erfordert dies fortschrittliche logistische Lösungen. Das Ergebnis dieser Bemühungen kann auf längere Sicht eine wesentlich rationellere und umweltfreundlichere Nutzung der Gesamttransportkapazität mit sich bringen, was die Engstellen auf gewissen Straßen in gewissem Umfang verringern kann. Dabei darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass eine moderne und gut funktionierende Infrastruktur unabdingbare Voraussetzung hierfür ist.

5.16

Der Ausschuss stellt fest, dass der Schwerpunkt der Mitteilung zur Halbzeitüberprüfung des Weißbuchs aus dem Jahr 2001, die während der Ausarbeitung dieser Stellungnahme vorgelegt wurde, auf einen ganzheitlichen Ansatz verlagert wurde, bei dem jeder Verkehrsträger seinen ihm eigenen Platz hat. Damit soll eine Verkehrspolitik geschaffen werden, mit der es gelingt, die internationale Wettbewerbsfähigkeit für den Kombiverkehr zu verbessern und Lösungen anzubieten, bei denen mehrere Verkehrsträger integriert werden, um so vor allem Staus und Schwachstellen in der Logistikkette zu beseitigen zu können.

6.   Bedeutung eines funktionierenden Logistikmarkts

6.1

Verkehr ist — unabhängig von der Art des Verkehrsträgers — der am deutlichsten sichtbare Teil der Logistikkette und steht deshalb bei der Behandlung des Themas Logistik unausweichlich im Zentrum.

6.2

Logistik steuert die Kette der Versorgung der Wirtschaft mit Gütern und Informationen sowie die Verteilung der Fertigerzeugnisse. Diese Aktionskette hat das Ziel, die Nachfrage und die Erwartungen der Kunden zu befriedigen und dabei ökologisch und sozial nachhaltig zu sein.

6.3

Koordination und Integration sind zwei Schlüsselbegriffe für den Verkehrssektor. Die materielle Zusammenarbeit bringt das Umsetzen mit sich, was sowohl den Gütertransport verteuert als auch Risiken beinhaltet. Damit eine solche Koordination funktionieren kann, müssen sich die Ladeeinheiten einfach umsetzen lassen. Das ist sowohl eine technische, als auch eine organisatorische Frage.

6.4

Für die Realisierung der Koordination sind Aktivitäten in mehreren Bereichen erforderlich. Erforderlich ist die organisatorische Koordination zwischen den Verkehrsträgern, eine Gesamtschau für die Entwicklung der Knotenpunkte, intermodale Ladeeinheiten und multimodale Systeme. Die ganzheitliche Sichtweise muss weiterentwickelt werden, damit ein wirkungsvolles, wettbewerbsfähiges Logistiksystem und nachhaltiger Verkehr realisiert wird.

6.5

Logistik ist damit ein Teil der Aktivitäten von Industrie und Handel. Die Entwicklung geht von der kapazitätsgesteuerten hin zur auftragsgesteuerten Lieferung. Produkte werden an die Kundenwünsche angepasst. Hohe Anforderungen werden in puncto kurze Laufzeiten und Just-in-time-Lieferungen sowie Präzision und Flexibilität gestellt. Der Handel wird zusehends globalisiert und zahlreiche Subunternehmer werden in die Lieferkette eingebunden. Die umlaufenden Warenwerte steigen in dem Maße an, wie die Unternehmen ihre Lagerhaltung zwecks Senkung der Kapitalbindung verringern.

6.6

Dadurch werden schnelle und pünktliche Lieferungen sowohl während des Herstellungsprozesses als auch bei der Verteilung an die Endverbraucher inklusive Rücklauf erforderlich. Die Forderung nach einer effektiven Logistik wird immer dringlicher. Die Fähigkeit der optimalen Ausnützung und Verknüpfung der Lieferketten sind zentrale Fragen für erfolgreiche Steuerung und Lenkung der Material- und Produktströme.

6.7

Alle Verkehrsträger sind von Bedeutung und ihr Zusammenwirken muss gefördert werden. Solche intermodalen Transporte machen z.T. eine neue Denkweise erforderlich, damit die unterschiedlichen Verkehrsträger optimal miteinander verbunden werden können.

6.8

Die Einrichtung von Terminals, Netzwerken, die Verarbeitung elektronischer Daten sowie wechselseitiges Vertrauen schaffen neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen den Akteuren auf dem Verkehrsmarkt.

6.9

Jeder Verkehrsträger hat seine eigene Geschichte. Veränderungen in Richtung Liberalisierung gehen indes auf technische, wirtschaftliche und handelsspezifische Voraussetzungen zurück. Die EU spielte und spielt in diesem fortlaufenden Veränderungsprozess eine wichtige Rolle.

6.10

Alle Unternehmen sind sich der großen Bedeutung effizienter Logistik für die Produktions- und Transportketten bewusst. In vielen Branchen werden intensive Entwicklungsanstrengungen in diesem Bereich unternommen, die angeregt und gefördert werden sollten, da sie auch positive Auswirkungen im größeren Rahmen der nachhaltigen Mobilität haben können.

6.11

Aus all diesen Gründen unterstützt der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss das Vorhaben des finnischen Ratsvorsitzes, die Frage der europäischen Logistikpolitik auf die Tagesordnung zu setzen.

Brüssel, den 15. Februar 2007.

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Güterverkehrslogistik in Europader Schlüssel zur nachhaltigen Mobilität, KOM(2006) 336 endg. vom 28.6.2006.

(2)  Ebenda.

(3)  Konsultationspapier — Logistik zur Förderung des intermodalen Güterverkehrs.

(4)  Siehe insbesondere Projekte wie SULOGTRA, PROTRANS, EUTRALOG, FREIGHTWISE, POLLOCO usw.

(5)  Weißbuch: Die europäische Verkehrspolitik bis 2010. Weichenstellungen für die Zukunft, KOM(2001) 370 vom 12.9 2001.

(6)  Siehe Fußnote 2.

(7)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss zu dem Weißbuch „Die europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft“ (KOM(2001) 370 endg.) — ABl. C 241 vom 7.10.2002.


28.4.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 97/21


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Eine Strategie für eine sichere Informationsgesellschaft — Dialog, Partnerschaft und Delegation der Verantwortung“

KOM(2006) 251 endg.

(2007/C 97/09)

Die Kommission beschloss am 31. Mai 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß 262 Artikel des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 11. Januar 2007 an. Berichterstatter war Herr PEZZINI.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 433. Plenartagung am 16. Februar 2007 mit 132 Ja-Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Nach Überzeugung des Ausschusses stellt die Informatiksicherheit ein zunehmendes Problem für Unternehmen, Verwaltungen, öffentliche und private Einrichtungen und für die einzelnen Bürger dar.

1.2

Der Ausschuss schließt sich im Wesentlichen den Analysen und Argumenten an, die eine neue Strategie fordern, um die Netz- und Informationssicherheit zu erhöhen und Angriffe und Eindringlinge abwehren, die ja nicht an Staatsgrenzen Halt machen.

1.3

Nach Ansicht des Ausschusses sollte die Kommission weitere Anstrengungen unternehmen, um eine innovative und strukturierte Strategie umzusetzen, die dem Ausmaß des Phänomens und seinen Auswirkungen auf die Wirtschaft und das Privatleben gerecht wird.

1.3.1

Der EWSA weist auch darauf hin, dass die Kommission unlängst eine neue Mitteilung über Computersicherheit vorgelegt hat und demnächst ein neues Dokument zu demselben Thema erwartet wird. Der Ausschuss behält sich vor, künftig eingehender Stellung zu beziehen und dabei alle Mitteilungen zum Thema zu berücksichtigen.

1.4

Der Ausschuss hebt hervor, dass der Aspekt Informatiksicherheit keineswegs von der Stärkung des Datenschutzes und dem Schutz der Freiheiten losgelöst werden darf, die ja in der europäischen Menschenrechtskonvention garantiert sind.

1.5

Der Ausschuss fragt sich, welchen Mehrwert der Vorschlag derzeit bietet, vergleicht man ihn mit dem 2001 beschlossenen integrierten Ansatz, mit dem dasselbe Ziel wie mit der nun vorliegenden Mitteilung verfolgt wurde (1).

1.5.1

Die dem Vorschlag beiliegende Folgenabschätzung (2) enthält gegenüber der Position von 2001 einige interessante Aktualisierungen, wurde jedoch in einer einzigen Sprache verfasst, ist also für viele europäische Bürger nicht verständlich, die sich nach dem eigentlichen Dokument ein Urteil bilden, das in allen Amtssprachen vorliegt.

1.6

Der Ausschuss erinnert an die Schlussfolgerungen des Weltgipfels 2005 in Tunis zur Informationsgesellschaft, die von der UN-Generalversammlung am 27. März 2006 verabschiedet wurden:

Grundsatz des Zugangs ohne Diskriminierung;

Einsatz der IKT als Friedensinstrument;

Instrumente zur Stärkung der Demokratie, der Kohäsion und der good governance;

Verhütung von Missbrauch unter Achtung der Menschenrechte (3).

1.7

Der Ausschuss hebt hervor, dass eine dynamische und integrierte EU-Strategie außer Dialog, Partnerschaft und Verantwortung auch folgendes zu leisten hätte:

vorbeugende Maßnahmen;

Übergang von der Informatiksicherheit zur Informatik„versicherung“ (4);

Schaffung eines sicheren und anerkannten EU-Rechtsrahmens, der auch Strafen vorsieht;

stärkere technische Standardisierung;

digitale Identifizierung der Nutzer;

europäische Analysen und Planungen (Foresight) zur Informatiksicherheit mit multimodalen technologischen Konvergenzen;

stärkere europäische und einzelstaatliche Mechanismen zur Risikoabschätzung;

Maßnahmen zur Vermeidung der Entstehung von Informatik-Monokulturen;

stärkere EU-Koordinierung auf europäischer und internationaler Ebene;

Schaffung einer IKT-Sicherheitsstelle zwischen den Generaldirektionen;

Schaffung eines „europäischen Netz- und Informationssicherheitsnetzes“;

Optimierung der Rolle der europäischen Informationssicherheitsforschung;

Einführung eines europäischen Tages der Computersicherheit;

EU-Pilotaktionen zur Informatiksicherheit in verschiedenen Schularten.

1.8

Und schließlich macht der EWSA darauf aufmerksam, dass für eine dynamische und integrierte EU-Strategie entsprechende Haushaltsmittel aufgebracht werden müssen und eine solche Strategie Initiativen und verstärkte Koordinierungsmaßnahmen auf Gemeinschaftsebene umfassen muss, die es Europa ermöglichen, international mit einer Stimme zu sprechen.

2.   Begründung

2.1

Die Sicherheit der Informationsgesellschaft ist eine grundlegende Herausforderung, wenn es darum geht, das Vertrauen in Kommunikationsnetze und -dienste sowie deren Zuverlässigkeit zu sichern, sind die doch entscheidende Faktoren für die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft.

2.2

Informatiknetze und -systeme müssen geschützt werden, um die Wettbewerbs- und Handelsfähigkeit aufrechtzuerhalten, die Integrität und Kontinuität der elektronischen Kommunikation zu gewährleisten, Betrugsfällen vorzubeugen und den rechtlichen Schutz der Privatsphäre sicherzustellen.

2.3

Die elektronische Kommunikation und die damit zusammenhängenden Dienste sind das größte Segment des gesamten Telekommunikationssektors: 2004 haben etwa 90 % der europäischen Unternehmen das Internet aktiv genutzt, 65 % haben eine eigene Website entwickelt, während Berechnungen zufolge etwa die Hälfte der europäischen Bevölkerung das Internet regelmäßig nutzt und 25 % der Haushalte den Breitbandzugang permanent verwenden (5).

2.4

Angesichts einer beschleunigten Investitionsentwicklung macht das Ausgabenvolumen für die Sicherheit nur 5 bis 13 % aller Investitionen in die Informationstechnologien aus. Dieser Prozentsatz ist allzu gering. Aktuellen Studien zufolge sind von durchschnittlich 30 Protokollen, die sich die Schlüsselstrukturen teilen, 23 anfällig für Multiprotokoll-Angriffe (6). Darüber hinaus werden Schätzungen zufolge jeden Tag durchschnittlich 25 Mio. elektronische SPAM (7)-Nachrichten verschickt; daher begrüßt der Ausschuss den unlängst von der Kommission hierzu vorgelegten Vorschlag.

2.5

Computerviren (8): Die rasche Ausbreitung von „Worms“ (9) und „Spyware“ (10) hat parallel zur wachsenden Entwicklung der Systeme und Netze elektronischer Kommunikation stattgefunden, die immer komplexer und zugleich immer anfälliger wurden — auch aufgrund der Konvergenz von Multimedia, Mobiltelefonie und GRID-Infoware-Systemen (11): Fälle von Erpressungen mit DDoS-Attacken, Diebstahl der Online-Identität, Phishing (12), Piracy (13) usw. sind Herausforderungen für die Sicherheit der Informationsgesellschaft, welche die Europäische Gemeinschaft in ihrer Mitteilung von 2001 (14) — Gegenstand einer Stellungnahme des Ausschusses (15) — entsprechend dreier Interventionsachsen behandelt hat:

besondere Sicherheitsmaßnahmen,

Rechtsrahmen einschließlich Datenschutz und Schutz der Privatsphäre,

Bekämpfung der Cyberkriminalität.

2.6

Die Erfassung der Angriffe auf die Informationstechnik (IT), ihre Identifizierung und ihre Prävention innerhalb eines Netzsystems sind eine Herausforderung für die Suche nach geeigneten Lösungen, denn die Konfigurationen verändern sich kontinuierlich, die Netzprotokolle sowie die angebotenen und entwickelten Dienste sind vielfältig und die asynchronen Angriffsformen äußerst komplex (16).

2.7

Leider werden jedoch die Risiken unterschätzt und wird der Entwicklung einer Sicherheitskultur weniger Aufmerksamkeit geschenkt, da die Investitionsrendite im Sicherheitsbereich kaum sichtbar und die Eigenverantwortlichkeit der nutzenden Bürger wenig ausgeprägt ist.

3.   Der Kommissionsvorschlag

3.1

Mit der Mitteilung über die Strategie für eine sichere Informationsgesellschaft (17) will die Kommission die Informationssicherheit durch die Konzeption einer dynamischen, integrierten Strategie auf folgenden Grundlagen verbessern:

a)

Verbesserung des Dialogs zwischen den Behörden und der Kommission durch eine vergleichende Bewertung der einzelstaatlichen Maßnahmen und durch die Ermittlung bewährter Verfahren für elektronische Kommunikation im Sicherheitsbereich;

b)

eine stärkere Sensibilisierung der Bürger und der KMU für effektive Sicherheitssysteme durch Initiativen der Kommission und eine stärkere Einbindung der Europäischen Agentur für Netz- und Informationssicherheit (ENISA);

c)

ein Dialog über die Instrumente und Bestimmungen für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Sicherheit und Grundrechten, einschließlich des Schutzes der Privatsphäre.

3.2

Darüber hinaus ist in der Mitteilung vorgesehen, dass die ENISA mit dem entsprechenden Rahmen für die Sammlung von Daten über Sicherheitsverstöße, über den Grad des Nutzervertrauens und über die Entwicklungen der Sicherheitsindustrie eine vertrauensvolle Partnerschaft

a)

mit den Mitgliedstaaten,

b)

mit den Verbrauchern und Nutzern sowie

c)

mit der Informationssicherheitsindustrie und

d)

mit dem Privatsektor

entwickelt und mehrsprachiges EU-Portal zur Information über und Warnung vor Risiken einrichtet — für eine strategische Partnerschaft zwischen Privatsektor, Mitgliedstaaten und Forschern.

3.2.1

Des Weiteren ist in der Mitteilung eine stärkere Eigenverantwortlichkeit der interessierten Kreise hinsichtlich des Bedarfs und der Risiken im Sicherheitsbereich vorgesehen.

3.2.2

Hinsichtlich der internationalen Zusammenarbeit und jener mit Drittstaaten bildet „Die weltweite Dimension der Netz- und Informationssicherheit [NIS] eine Herausforderung für die Kommission, auf internationaler Ebene und in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten ihre Bemühungen zu verstärken, eine weltweite Zusammenarbeit in Fragen der NIS […] zu fördern“ (18); unter den Dialog-, Partnerschafts- und Verantwortungsmaßnahmen wird diese Angabe jedoch nicht aufgegriffen.

4.   Bemerkungen

4.1

Der Ausschuss stimmt den Analysen und Überlegungen zur Begründung einer integrierten und dynamischen europäischen Strategie für die Netz- und Informationssicherheit uneingeschränkt zu, denn er hält die Sicherheitsfrage für wesentlich, um eine positivere Einstellung zur IT-Anwendung zu fördern und das Vertrauen in letztere zu stärken. Die Positionen des EWSA wurden in zahlreichen Stellungnahmen dargelegt (19).

4.1.1

Der Ausschuss bekräftigt erneut (20), dass „das Internet und die neuen Online-Technologien (wie Mobiltelefone und PDA mit Multimediafunktion und Web-Anschluss, die reißenden Absatz finden) … nach Ansicht des Ausschusses grundlegende Mittel zur Förderung einer wissensbasierten Wirtschaft, des elektronischen Geschäftsverkehrs und der Online-Verwaltung [sind]“.

4.2   Für energischere Kommissionsvorschläge

4.2.1

Der Ausschuss hält jedoch den von der Kommission vorgeschlagenen Ansatz — der darin besteht, diese integrierte und dynamische Strategie auf einen offenen und integrativen Dialog und eine Partnerschaft zwischen den interessierten Kreisen und insbesondere den Nutzern sowie auf stärkere Übernahme von Verantwortung zu stützen — für noch ausbaufähig.

4.2.2

Diese Ansicht wurde bereits in früheren Stellungnahmen unterstrichen: „Darüber hinaus müssen alle Internetnutzer direkt in die Bekämpfung derartiger Inhalte eingebunden werden, um diese wirksam zu gestalten. Die Internetnutzer müssen über die Vorkehrungen und Mittel aufgeklärt und informiert werden, mit denen sie sich gegen derartige gefährliche und unerwünschte Inhalte sowie den Missbrauch ihrer Website als Schnittstelle für die Weiterverbreitung solcher Inhalte schützen können. Dem Bereich Sensibilisierung des Aktionsplanes muss nach Ansicht des Ausschusses Priorität bei der Mobilisierung der Nutzer eingeräumt werden“ (21).

4.2.3

Nach Ansicht des Ausschusses muss die Einbindung der Nutzer und der Bürger jedoch so erfolgen, dass der notwendige Informations- und Netzschutz mit den Bürgerrechten und dem Recht der Nutzer auf sicheren Zugang und auf erschwingliche Preise in Einklang steht.

4.2.4

Es ist zu bedenken, dass das Streben nach Computersicherheit dem Verbraucher Kosten verursacht, auch in Form verlorener Zeit zur Entfernung oder Umgehung der Hindernisse. Nach Ansicht des Ausschusses sollte es obligatorisch sein, in jeden Computer ab Werk Virusschutzsysteme einzubauen, die der Nutzer ein- oder ausschalten könnte.

4.3   Für eine dynamischere und innovativere Gemeinschaftsstrategie

4.3.1

Darüber hinaus sollte sich die EU dem Ausschuss zufolge ehrgeizigere Ziele stecken, eine innovative, integrierte und dynamische Strategie ins Leben rufen und neue Initiativen ergreifen, z.B. durch folgende Maßnahmen:

Maßnahmen, die eine digitale Identifizierung der einzelnen Nutzer ermöglichen, da diese allzu oft aufgefordert werden, ihre persönlichen Daten anzugeben;

Maßnahmen über das ETSI (22), die als Voraussetzung für eine sichere Nutzung der IKT fungieren und punktuelle, rasche Lösungen bieten können, die durch eine in der ganzen EU einheitliche Sicherheitsschwelle definiert werden;

vorbeugende Maßnahmen durch die Integration der Mindestsicherheitsanforderungen in den Informatik- und Netzsystemen und Durchführung von Pilotaktionen wie Sicherheitskursen in allen Schultypen;

Schaffung eines sicheren und anerkannten Rechtsrahmens auf europäischer Ebene. Die Anwendung dieses Rahmens auf die Informatik und auf die Netze würde einen Übergang von Informatiksicherheit zu Informatik „versicherung “ermöglichen;

Stärkung der europäischen und einzelstaatlichen Risikoabschätzungsmechanismen und stärkere Kapazität zur Umsetzung der Gesetze und Vorschriften, um Informatikkriminalität gegen die Privatsphäre und gegen Datenarchive zu bekämpfen;

Maßnahmen zur Vermeidung der Entstehung von Informatik-Monokulturen mit leichter „perforierbaren “Produkten und Lösungen; Unterstützung diversifizierter plurikultureller Innovationen mit dem Ziel der Schaffung eines einheitlichen europäischen Informationsraums (SEIS = Single European Information Space).

4.3.2

Zweckmäßig wäre nach Ansicht des EWSA die Schaffung einer IKT-Sicherheitsstelle zwischen den Generaldirektionen (23). Durch diese Stelle könnte auf folgenden Ebenen gehandelt werden:

innerhalb der Kommissionsdienststellen;

auf nationaler Ebene durch horizontale Lösungen für die Aspekte Interoperativität, Identitätsverwaltung, Schutz des Privatlebens, freier Zugang zu Informationen und Dienstleistungen, Mindestsicherheitsanforderungen;

international, damit Europa in verschiedenen Organisationen wie UN, G 8, OSZE und ISO mit einer Stimme spricht.

4.4   Für stärkere und verantwortungsvolle Koordinierungsmaßnahmen der EU

4.4.1

Der EWSA misst auch der Schaffung eines „europäischen Netz- und Informationssicherheitsnetzes “große Bedeutung bei, durch das Umfragen, Studien und Workshops zu den Sicherheitsmechanismen und ihrer Interoperativität, über fortgeschrittene Kodierung und den Schutz des Privatlebens durchgeführt werden können.

4.4.2

Nach Ansicht des EWSA sollte für diesen heiklen Sektor die Rolle der europäischen Forschung durch eine sinnvolle inhaltliche Synthese folgender Programme optimiert werden:

des Europäischen Sicherheitsforschungsprogramms (ESRP) (24) des 7. FTE-Rahmenprogramms,

des Programms „Safer Internet Plus “und

des Europäischen Programms für den Schutz kritischer Infrastrukturen (EPCIP) (25).

4.4.3

Diesen Anregungen könnte noch die Einführung eines „europäischen Tags der Computersicherheit “hinzugefügt werden; im Rahmen dieses Tages würden einzelstaatliche Bildungskampagnen in Schulen und Informationskampagnen für die Bürger über Verfahren zum Schutz von Informationen in Computern durchgeführt. Dabei sollten natürlich auch Informationen über die technischen Fortschritte verbreitet werden, die im breiten und sich rasch weiterentwickelnden Computerbereich eingetreten sind.

4.4.4

Der Ausschuss hat wiederholt Folgendes unterstrichen: „Je nachdem, wie sicher sie den elektronischen Geschäftsverkehr einstufen, sind auch die Unternehmen gewillt, IKT in ihrem Betrieb einzusetzen. In gleicher Weise hängt auch die Bereitschaft der Nutzer, ihre Kreditkartendaten auf einer Homepage bekannt zu geben, stark von ihrer Einschätzung der Sicherheit dieser Transaktion ab“ (26).

4.4.5

Der Ausschuss ist überzeugt, dass angesichts des enormen Wachstumspotenzials des Sektors besondere Maßnahmen zu ergreifen und die aktuellen Maßnahmen an die neuen Entwicklungen anzupassen sind. Die europäischen Initiativen für Informationssicherheit müssen mit einer integrierten Strategie einhergehen, indem Grenzen zwischen den einzelnen Sektoren beseitigt und eine homogene und sichere Verbreitung der IKT in der Gesellschaft gewährleistet werden.

4.4.6

Nach Ansicht des Ausschusses kommen einige wichtige Strategien wie diese allzu langsam voran, da die Mitgliedstaaten den auf Gemeinschaftsebene zu fassenden Beschlüssen bürokratische und kulturelle Schwierigkeiten in den Weg stellen.

4.4.7

Nach Ansicht des Ausschusses werden unzureichende Gemeinschaftsmittel dafür eingesetzt, die zahlreichen und dringenden Projekte zu verwirklichen, die nur dann konkrete Antworten auf die durch die Globalisierung entstandenen neuen Probleme liefern, wenn sie auf Gemeinschaftsebene verwirklicht werden.

4.5   Für stärkeren Verbraucherschutz durch die EU

4.5.1

Der Ausschuss ist sich bewusst, dass die Mitgliedstaaten ihre technologischen Sicherheitsmaßnahmen und Verfahren des Sicherheitsmanagements nach ihren eigenen Bedürfnissen entwickelt haben und sich hierbei auf unterschiedliche Aspekte konzentrieren. Auch deshalb ist es schwierig, eine eindeutige, wirksame Antwort auf die Sicherheitsprobleme zu finden. Mit Ausnahme einiger Verwaltungsnetze gibt es keine systematische grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, wenngleich Sicherheitsfragen von den einzelnen Mitgliedstaaten nicht separat angegangen werden können.

4.5.2

Der Ausschuss weist jedoch darauf hin, dass der Rat mit Beschluss 2005/222/JI einen Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen den Justiz- und sonstigen zuständigen Behörden geschaffen hat, um einen kohärenten Ansatz der Mitgliedstaaten durch Angleichung ihrer einzelstaatlichen Strafrechtsvorschriften für Angriffe auf Informationssysteme hinsichtlich folgender Aspekte zu gewährleisten:

rechtswidriger Zugang zu Informationssystemen;

rechtswidriger Eingriff durch vorsätzliche schwere Behinderung oder Störung des Betriebs eines Informationssystems;

rechtswidriger Eingriff in die Daten mit dem Ziel, die Computerdaten eines Informationssystems zu löschen, beschädigen, verstümmeln, verändern, unterdrücken oder unzugänglich zu machen;

Anstiftung oder Beihilfe zu oben genannten Delikten.

4.5.3

Des Weiteren werden in dem Rahmenbeschluss die Kriterien für die Feststellung der Haftung der juristischen Person und die Sanktionen genannt, die bei Feststellung ihrer Haftung angewandt werden können.

4.5.4

Hinsichtlich des Dialogs mit den Behörden der Mitgliedstaaten unterstützt der Ausschuss den Kommissionsvorschlag, dass diese Behörden eine vergleichende Bewertung der eigenen staatlichen Maßnahmen für die Sicherheit der Informationsnetze und -systeme, einschließlich der besonderen Maßnahmen für den öffentlichen Sektor, vornehmen sollen. Dieser Vorschlag wurde in einer Stellungnahme des EWSA von 2001 unterbreitet (27).

4.6   Für eine stärkere Verbreitung einer „Sicherheitskultur“

4.6.1

Die Informationssicherheitsindustrie muss effektiv gewährleisten, dass sie — entsprechend dem Stand der Technik — Systeme zur materiellen Überwachung ihrer eigenen Installationen verwendet und die Kommunikationen verschlüsselt, um das Recht ihrer Kunden auf Schutz der Privatsphäre und auf Vertraulichkeit zu schützen (28).

4.6.2

Hinsichtlich der Sensibilisierungsmaßnahme hält es der Ausschuss für grundlegend, eine echte „Sicherheitskultur “zu schaffen, die vollständig mit der Informations-, der Kommunikations- und der Meinungsfreiheit in Einklang steht. Im Übrigen sind vielen Nutzern sämtliche Sicherheitsrisiken gar nicht bewusst, während viele Betreiber, Verkäufer oder Erbringer von Diensten nicht einschätzen können, ob und in welchem Maße das System Schwachstellen aufweist.

4.6.3

Der Schutz der Privatsphäre und persönlicher Daten sind vorrangige Ziele, die Verbraucher haben aber auch einen Anspruch auf wirklich effizienten Schutz gegen missbräuchliche namentliche Identifizierung durch spezielle Spionierprogramme (Spyware und Web Bugs) oder auf anderem Wege. Der Praxis des Spamming (29) (massiver Versand von nicht verlangten Mails), die häufig mit diesen missbräuchlichen Handlungen einhergeht, muss ebenfalls wirksam entgegengetreten werden. Diese Eingriffe gehen auf Kosten der Opfer solcher Handlungsweisen (30).

4.7   Für eine stärkere und aktivere EU-Agentur

4.7.1

Der Ausschuss befürwortet eine wichtigere und wirksamere Rolle der Europäischen Agentur für Netz- und Informationssicherheit (ENISA): bei der Sensibilisierungsmaßnahme, aber auch und vor allem bei Maßnahmen zur Information und Bildung der Betreiber und Nutzer, wie er bereits in einer unlängst vorgelegten Stellungnahme (31) zur Bereitstellung öffentlicher elektronischer Kommunikationsdienste betont hat.

4.7.2

Was schließlich die Maßnahmen zur Stärkung der Eigenverantwortlichkeit jeder Gruppe der interessierten Kreise angeht, so wurde das Subsidiaritätsprinzip hierbei offensichtlich strikt eingehalten. In der Tat ist es Aufgabe der Mitgliedstaaten und des Privatsektors, diese entsprechend ihren besonderen Zuständigkeiten durchzuführen.

4.7.3

Die ENISA sollte die Beiträge des Europäischen Netz- und Informationssicherheitsnetzes nutzen können, um gemeinsame Arbeiten zu organisieren; auch sollte sie das mehrsprachige EU-Webportal für Computersicherheit dafür einsetzen, persönliche und interaktive Informationen in leicht verständlicher Sprache für private Nutzer verschiedenen Alters und für KMU zu übermitteln.

Brüssel, den 16. Februar 2007.

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADOS


(1)  Vgl. die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Sicherheit der Netze und Informationen: Vorschlag für einen europäischen Politikansatz“, ABl. C 48 vom 21.2.2002, S. 33.

(2)  Eine Folgenabschätzung hat nicht denselben Wert wie ein Strategiepapier.

(3)  UN-Empfehlungen Nr. 57 und 58 vom 27.3.2006; Schlussdokument Nr. 15 von Tunis.

(4)  Vgl. „Emerging technologies in the context of security“, CCR, Institut für Schutz und Sicherheit der Bürger, Heft für strategische Forschung, September 2005, Europäische Kommission

http://serac.jrc.it.

(5)  i2010:a strategy for a secure information society — Factsheet 8 (June 2006), EC Information Society and Media

http://ec.europa.eu/information_society/doc/factsheets/001-dg-glance-it.pdf.

(6)  Protokoll der First International Conference on Availability, Reliability and Security (Erste Internationale Konferenz über Verfügbarkeit, Verlässlichkeit und Sicherheit, ARES 2006). Band 00 ARES 2006, Herausgeber: IEEE Computer Society.

(7)  SPAM = Unerbetene kommerzielle E-Mail. „Spam “bedeutete ursprünglich „spiced pork and ham “(= gewürztes Schweinefleisch und Schinken) in Dosen, das im Zweiten Weltkrieg sehr beliebt war, als es zur Hauptnahrungsquelle der US-Truppen und der Bevölkerung des Vereinigten Königreichs wurde. Nach dem jahrelangen Verzehr des nicht rationierten „spam “hatten die Menschen genug davon.

(8)  Ein Computervirus ist eine Art Malware, ein sich selbst vermehrendes Computerprogramm, welches sich in andere Computerprogramme einschleust und sich damit — im Allgemeinen unbemerkt — reproduziert. Computerviren können für das Betriebssystem mehr oder weniger schädlich sein, verursachen jedoch auch im unschädlichsten Fall einen gewissen Verlust an Ressourcen im Bereich RAM, CPU und Speicherkapazität auf der Festplatte. Siehe

http://de.wikipedia.org/wiki/Computervirus.

(9)  Worm = sich selbst verbreitende Malware: Ein E-Mail-Wurm ist eine zerstörerische Netzwerkattacke, die sämtliche E-Mail-Adressen aus dem Client-E-Mail-Programm (z.B. MS Outlook) sammelt und an diese E-Mail-Adressen Hunderte von E-Mails mit dem Wurm-Programm als Attachment verschickt.

(10)  Spyware = Softwareprogramme, die „Spuren “vom Internetsurfen des Nutzers speichern und sich ohne Benachrichtigung des Nutzers sowie ohne dessen Wissen, Zustimmung oder Kontrolle selbst installieren.

(11)  GRID Infoware = ermöglicht das Teilen, Auswählen und Sammeln einer Vielzahl voneinander entfernter Rechnerressourcen (wie Superrechner, Rechnercluster, Speichersysteme, Datenquellen, Instrumente, Humanressourcen) und bündelt sie zu einer einzigen einheitlichen Ressource für komplizierte Berechnungen und datenintensive Computeranwendungen.

(12)  Phishing = In der Informationstechnik beschreibt der Begriff eine Form des Cracking, um Zugang zu personenbezogenen und vertraulichen Daten mit dem Ziel des Identitätsdiebstahls zu erhalten. Zu diesem Zweck werden gefälschte elektronische Nachrichten verschickt, die so verfasst sind, dass sie authentisch wirken.

(13)  Piracy = Ein von „Softwarepiraten “verwendeter Begriff für Software, deren Kopierschutz entfernt und die zum Herunterladen ins Internet gestellt wurde.

(14)  KOM(2001) 298 endg.

(15)  Vgl. Fußnote 1.

(16)  Multivariate Statistical Analysis for Network Attacks Detection Guangzhi Qu, Salim Hariri* — 2005 US, Arizona

Internet Technology Laboratory, ECE Department, The University of Arizona, http://www.ece.arizona.edu/~hpdc.

Mazin Yousif, Intel Corporation, USA. — Work supported in part by a grant from Intel Corporation IT R&D Council.

(17)  KOM(2006) 251 endg. vom 31.5.2006.

(18)  KOM(2006) 251, Kap. 3, zweitletzter Absatz.

(19)  Vgl.

Stellungnahme des EWSA zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlicher elektronischer Kommunikationsdienste verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG“, ABl. C 69 vom 21.3.2006, S. 16;

Stellungnahme des EWSA zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regioneni2010Eine europäische Informationsgesellschaft für Wachstum und Beschäftigung“, ABl. C 110 vom 9.5.2006, S. 83;

Stellungnahme des EWSA zu dem „Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein mehrjähriges Gemeinschaftsprogramm zur Förderung der sichereren Nutzung des Internet und neuer Online-Technologien“, ABl. C 157 vom 28.6.2005, S. 136;

Stellungnahme des EWSA zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Sicherheit der Netze und Informationen: Vorschlag für einen europäischen Politikansatz“, ABl. C 48 vom 21.2.2002, S. 33.

(20)  Vgl. Fußnote 19, 3. Gedankenstrich.

(21)  Vgl. Fußnote 19, 3. Gedankenstrich.

(22)  ETSI = European Telecommunications Standards Institute; s. insbes. den Workshop vom 16./17. Januar 2006. Das ETSI hat u.a. Spezifikationen zu illegalem Abhören (TS 102 232, 102 233 und 102 234), zu LAN-Wireless-Internetzugängen (TR 102 519) und zu elektronischen Unterschriften erarbeitet und Sicherheitsalgorithmen für GPRS- und UMTS-Mobiltelefone entwickelt.

(23)  Ein solches Zentrum zwischen den Generaldirektionen könnte im Rahmen der IST-Prioritäten des spezifischen Programms „Zusammenarbeit “des 7. FTE-Rahmenprogramms oder durch das Europäische Sicherheitsforschungsprogramm (ESRP) finanziert werden.

(24)  Vgl. 7. Rahmenprogramm Forschung, Technologie und Demonstration, spezifisches Programm Zusammenarbeit, thematische Priorität Sicherheitsforschung mit Haushaltsmitteln in Höhe von 1,35 Mrd. EUR für 2007-2013.

(25)  KOM(2005) 576 vom 17.11.2005.

(26)  Vgl. Fußnote 19, 2. Gedankenstrich.

(27)  Vgl. Fußnote 19, 4. Gedankenstrich.

(28)  Vgl. Richtlinie 97/66/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation (ABl. L 24/1998).

(29)  Spam(ming) = pourriel oder pollupostage auf Französisch.

(30)  Vgl. Stellungnahmen über „Elektronische Kommunikationsnetze “(ABl. C 123 vom 25.4.2001, S. 50), über „Elektronischen Geschäftsverkehr “(ABl. C 169 vom 16.6.1999, S. 36) und über „Auswirkungen des elektronischen Handels auf den Binnenmarkt “(ABl. C 123 vom 25.4.2001, S. 1).

(31)  Vgl. Fußnote 19, 1. Gedankenstrich.


28.4.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 97/27


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über die Überprüfung des EU-Rechtsrahmens für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste“

(2007/C 97/10)

Die Europäische Kommission beschloss am 29. Juni 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 11. Januar 2007 an. Berichterstatter war Herr McDonogh.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 433. Plenartagung am 15./16. Februar 2007 (Sitzung vom 16. Februar) mit 139 Ja-Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

1.   Hintergrund

1.1   Zusammenfassung

In der Mitteilung wird die Funktionsweise der in dem Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste erfassten Richtlinien (1) dargelegt. Es wird erläutert, inwiefern die mit dem Rechtsrahmen verfolgten Ziele erreicht wurden und wo Änderungsbedarf besteht. Auf die vorgeschlagenen Änderungen wird im zugehörigen Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen eingegangen (2). Die vielfältigen Alternativen, die vor der Erarbeitung der in der Mitteilung enthaltenen Schlussfolgerungen erwogen wurden, werden in der zugehörigen Folgenabschätzung (3) erörtert.

1.2   Struktur des Rechtsrahmens

Die Schaffung eines einheitlichen europäischen Informationsraums innerhalb eines offenen und wettbewerbsorientierten Binnenmarktes ist eine der wichtigsten Herausforderungen (4), vor denen Europa im Rahmen der breiter gefassten Strategie für Wachstum und Beschäftigung steht. Die elektronische Kommunikation ist für die gesamte Volkswirtschaft von grundlegender Bedeutung und wird auf EU-Ebene durch einen Rechtsrahmen geregelt, der 2003 in Kraft getreten ist.

Der Rechtsrahmen umfasst ein gemeinsames Regelwerk für jedwede auf elektronischem Wege übermittelte Kommunikation, ungeachtet dessen, ob die Übertragung drahtlos oder über ein Festnetz, in Form von Daten oder Sprache bzw. über Internet oder Mobilfunk erfolgt und ob es sich um eine allgemein zugängliche oder persönliche Kommunikation handelt (5). Ziel ist es, den Wettbewerb im elektronischen Kommunikationsmarkt anzukurbeln, die Funktionsweise des Binnenmarktes zu verbessern und die Interessen der Europäischen Bürger zu schützen (6).

Die wichtigsten der in dem Rechtsrahmen zusammengeführten Rechtsinstrumente sind folgende:

die Rahmenrichtlinie, in der die wichtigsten Grundsätze, Ziele und Verfahren für eine EU-Regulierungspolitik in Bezug auf die Bereitstellung von elektronischen Kommunikationsdiensten und -netzen enthalten sind;

die Zugangsrichtlinie, in der Verfahren und Grundsätze für die Festlegung wettbewerbsorientierter Verpflichtungen in Bezug auf den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen sowie deren Zusammenschaltung für Betreiber mit beträchtlichen Marktanteilen festgelegt sind;

die Genehmigungsrichtlinie, in der ein System für Allgemeingenehmigungen anstelle von Einzel- oder Gruppengenehmigungen eingeführt wird, um den Marktzugang zu erleichtern und die Verwaltungsauflagen für die Betreiber zu verringern;

die Universaldienstrichtlinie, in der ein Mindestangebot von grundlegenden elektronischen Kommunikationsdiensten zu einem erschwinglichen Preis sowie eine Reihe grundlegender Rechte für die Nutzer und Verbraucher elektronischer Kommunikationsdienste festgeschrieben wird;

die Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation, die Bestimmungen für den Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten enthält, die in Kommunikationen über öffentliche Kommunikationsnetze verarbeitet werden;

die Wettbewerbsrichtlinie, in der die auf der Grundlage von Artikel 86 EG-Vertrag erlassenen Rechtsvorschriften konsolidiert werden, mit denen die Liberalisierung des Telekommunikationssektors im Laufe der Jahre vorangebracht wurde (die allerdings in dieser Überprüfung nicht erfasst werden);

die Empfehlung der Europäischen Kommission über relevante Produkt- und Dienstmärkte, die eine Liste von 18 Marktbereichen enthält, die von den nationalen Regulierungsbehörden zu prüfen sind.

Ferner hat die Europäische Kommission die Frequenzentscheidung (Entscheidung 622/2002/EG) angenommen, mit der die Verfügbarkeit und die effiziente Nutzung des Frequenzspektrums innerhalb des Binnenmarktes gewährleistet werden soll.

1.3   Bewertung des Rechtsrahmens — Verwirklichung der Ziele

Marktentwicklung

Seit der vollständigen Wettbewerbsöffnung der Märkte im Jahr 1998 kommen die Nutzer und Verbraucher in den Genuss einer größeren Auswahl, niedrigerer Preise und innovativer Produkte und Dienste. Im Jahr 2005 machte der IKT-Sektor 614 Mrd. EUR aus (7). Außerdem tragen die IKT auch auf makroökonomischer Ebene zur Produktivitätssteigerung und zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Volkswirtschaft als Ganzes bei und sind somit ein wichtiger Faktor für mehr Wachstum und Beschäftigung.

Konsultation der Interessengruppen

Die Antworten auf die Aufforderung der Europäischen Kommission zur Stellungnahme (8) waren im Hinblick auf die Auswirkungen des Rechtsrahmens im Allgemeinen positiv. Die Verbraucher- und Branchenverbände befürworteten den Ansatz des Rechtsrahmens, übten aber Kritik an dessen Umsetzung. In zahlreichen Äußerungen wurde eine Vereinfachung der Marktüberprüfung angemahnt und die neue Kompetenzverteilung bei der Frequenzharmonisierung (9) begrüßt.

Innovation, Investitionen und Wettbewerb

In den letzten Jahren waren die Investitionen in diesem Sektor in Europa höher als in anderen Regionen der Welt (45 Mrd. EUR im Jahr 2005) (10). Haupttriebkraft ist und bleibt aber der Wettbewerb. Die Länder, die den EU-Rechtsrahmen effektiv und wettbewerbsorientiert umgesetzt haben, konnten auch die meisten Investitionen anziehen (11). Länder mit einem harten Wettbewerb zwischen etablierten Betreibern und Kabelnetzbetreibern weisen in der Regel auch die größte Breitbanddurchdringungsrate auf (12).

Zusammenfassung

Die Europäische Kommission ist der Ansicht, dass mit einem effektiveren Frequenzmanagement die Möglichkeiten in diesem Bereich für innovative, vielfältige und erschwingliche Dienste für europäische Bürger ausgeschöpft und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen IKT-Industrie gestärkt werden können. Davon abgesehen sind nach Meinung der Europäischen Kommission die Grundsätze und die flexiblen Instrumente des Rechtsrahmens bei vollständiger und wirksamer Anwendung am besten geeignet, die Investitionstätigkeit, die Innovation und die Marktentwicklung zu fördern.

1.4   Überblick über die vorgeschlagenen Änderungen

Der gegenwärtig geltende Rechtsrahmen hat beträchtliche Vorteile gebracht, muss aber in mehreren Bereichen überprüft werden, damit er auch im kommenden Jahrzehnt effektiv angewandt werden kann. Die beiden Hauptänderungen beziehen sich auf:

die Anwendung des Frequenzverwaltungskonzepts der Europäischen Kommission, das in der Mitteilung vom September 2005 (13) dargelegt wurde, auf den Bereich der elektronischen Kommunikation;

die Vereinfachung der Verfahren im Zusammenhang mit der Überprüfung der Märkte, die für eine Vorabregulierung in Betracht kommen.

Darüber hinaus schlägt die Kommission weitere Änderungen mit folgenden Zielen vor:

Konsolidierung des Binnenmarktes,

bessere Wahrung der Verbraucher- und Nutzerinteressen,

Erhöhung der Sicherheit,

Aufhebung veralteter Vorschriften.

Die Erwägungen der Europäischen Kommission sowie die nach derzeitigem Sachstand in Aussicht genommenen Änderungen werden in dieser Mitteilung und im zugehörigen Arbeitspapier (14) erläutert.

2.   Einleitung

2.1

Der Ausschuss begrüßt weitgehend die Vorschläge der Europäischen Kommission zur Überprüfung des EU-Rechtsrahmens für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste. Der Ausschuss würdigt die umfassenden Arbeiten der Europäischen Kommission im Zuge der Überprüfung — die Zusammenfassung von Expertenberichten und der im Laufe der Konsultation vorgebrachten Argumente aller Betroffenen —, an deren Ende die in der Mitteilung „Überprüfung des EU-Rechtsrahmens für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste“ (KOM(2006) 334 endg.) und in dem Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen SEK(2006) 816 enthaltenen Empfehlungen stehen. Der Ausschuss fordert die Europäische Kommission jedoch auf, seine in dieser Stellungnahme vorgebrachten Bedenken und Empfehlungen zu berücksichtigen.

2.2

Der Rechtsrahmen muss mit der Strategie für die Entwicklung des IKT-Sektors im Einklang stehen und dem wesentlichen Beitrag der elektronischen Kommunikation zum wirtschaftlichen und sozialen Leben der EU gerecht werden. Der Ausschuss befürwortet daher ausdrücklich die Ziele der Überprüfung des Rechtsrahmens, die Initiative „i2010Eine europäische Informationsgesellschaft für Wachstum und Beschäftigung“  (15) voranzubringen, die den Rahmen für den Beitrag des IKT-Sektors zur Lissabon-Strategie zur Förderung von Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung vorgibt. Im Besonderen sei hier die Bedeutung des Rechtsrahmens für die Schaffung eines einheitlichen europäischen Informationsraums mit erschwinglichen und sicheren Hochgeschwindigkeitsbreitbandverbindungen, reichhaltigen und vielseitigen Inhalten und digitalen Diensten sowie weltweite Spitzenleistung in der IKT-Forschung und Entwicklung durch das Aufschließen zur internationalen Konkurrenz Europas und eine Informationsgesellschaft, die alle Menschen einbezieht, hochwertige öffentliche Dienste bietet und zur Anhebung der Lebensqualität beiträgt, genannt.

2.3

Der Ausschuss erkennt den Erfolg dieses Rechtsrahmens seit seiner Einführung an. So ist eine europaweite Telekommunikationsindustrie entstanden; auf vielen Märkten herrscht ein stärkerer Dienstleistungswettbewerb; die Innovationstätigkeit boomt, und die Realkosten für EU-Telekommunikationsdienste konnten verringert werden. Außerdem konnte die Investitionsquote in den letzten Jahren einen Anstieg verzeichnen. Und in Bezug auf das Investitionsniveau hat Europa die USA und den asiatisch-pazifischen Raum überholt. Die höchsten Investitionsquoten wurden in denjenigen Ländern erzielt, die den Rechtsrahmen zeitgerecht und effizient umgesetzt haben. Dies allein zeugt von seinen positiven Auswirkungen. Ungeachtet all dieser positiven Auswirkungen weist der Ausschuss jedoch darauf hin, dass die digitale Kluft in ganz Europa immer größere Ausmaße annimmt.

2.4

Der Ausschuss verweist auf frühere Stellungnahmen, in denen er den Rechtsrahmen befürwortet und Empfehlungen zur Verbesserung der Maßnahmen für die Förderung von Entwicklung und Wachstum der elektronischen Kommunikation vorgetragen hat, um die i2010-Strategie voranzubringen (16).

Der Ausschuss möchte sich daher in seiner Stellungnahme zu Bereichen von besonderer Bedeutung äußern und verschiedene Empfehlungen aussprechen.

3.   Empfehlungen

3.1

Als allgemeiner Grundsatz der Regulierung sollte das öffentliche Interesse, also das „öffentliche Wohl“, Vorrang vor privaten oder wirtschaftlichen Interessen haben. Der Ausschuss ist ferner der Ansicht, dass die Selbstregulierungskräfte des Marktes nicht ausreichen, um das öffentliche Wohl angemessen sicherzustellen. Daher bedarf es eines starken Rechtsrahmens, um die mehrheitlichen Interessen der Bürger voranzubringen, wie dies mit der Lissabon-Strategie beabsichtigt wurde.

3.2

Deshalb sollte Europa so schnell wie möglich auf einen stärker marktorientierten Ansatz für die Frequenzverwaltung hinwirken, in dem die Kompetenzen der Marktteilnehmer gestärkt werden, ein breiter angelegter Frequenzhandel eingeführt wird und die bürokratischen Vorschriften der Mitgliedstaaten für die Breitbandzuteilung abgebaut werden.

3.3

So sollte eine Europäische Frequenzagentur eingerichtet werden, um ein kohärentes und integriertes System für eine gesamteuropäische Frequenzverwaltung zu schaffen.

3.4

Neben der Vereinfachung der Mitteilungsanforderungen gemäß dem „Verfahren nach Artikel 7 “sollte die Europäische Kommission im Interesse einer Diversifizierung des Angebots ihr Augenmerk auch verstärkt auf die Regulierungsmaßnahmen der nationalen Regulierungsbehörden (NRB) richten.

3.5

Die Europäische Kommission sollte die unterschiedlichen Bedingungen, die auf den verschiedenen nationalen Märkten vorherrschen, und die entsprechende Sachkenntnis der NRB respektieren. Daher hegt der Ausschuss große Vorbehalte gegenüber dem in dem „Verfahren nach Artikel 7 “vorgeschlagenen Vetorecht der Europäischen Kommission und betont, dass diese beim Gebrauch dieses Vetorechts ganz besondere Vorsicht walten lassen muss.

3.6

Der Ausschuss befürchtet, dass Oligopole entstehen könnten, wenn großen multinationalen IKT-Dienstleistern und Netzwerkbetreibern im Rechtsrahmen ein zu großer Stellenwert eingeräumt wird. Diese Sorge sollte in dem Rechtsrahmen angemessen berücksichtigt werden, so dass internationale Unternehmen nicht auf unfaire Weise bevorteilt werden.

3.7

Zur Förderung der Einrichtung des Binnenmarktes, zur Harmonisierung der Maßnahmen und zur Vereinheitlichung des Regulierungsansatzes sollte die Europäische Kommission stärker auf den Kommunikationsausschuss (COCOM) und den Funkfrequenzausschuss (RSCOM) sowie die Gruppe Europäischer Regulierungsstellen (ERG) und die Gruppe für Frequenzpolitik (RSPG) zurückgreifen.

3.8

Um den Verbrauchern zweckdienliche Informationen über die zur Verfügung stehende Dienstepalette zu bieten, sollten nach Meinung des Ausschusses die nationalen Regulierungsbehörden (NRB) zur Bereitstellung von webgestützten Instrumenten angehalten werden, um Verbrauchern den Vergleich von konkurrierenden Marktangeboten für die elektronische Kommunikation (Dienstleistungen und Preise) zu erleichtern.

3.9

In dem für 2007 vorgesehenen Grünbuch zu Universaldienstleistungen sollte die Notwendigkeit anerkannt werden, die immer größere Infrastruktur- und Dienstleistungskluft zwischen den am stärksten und den am wenigsten entwickelten Regionen der EU zu überbrücken. Wenn eine Analyse, die anhand von Instrumenten innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens durchzuführen ist, ergibt, dass die Universaldienstverpflichtung dazu nicht ausreicht, dann müssen alternative Maßnahmen gefunden werden — beispielsweise im Rahmen nationaler Investitionsprogramme, die mit Mitteln aus den EU-Strukturfonds gefördert werden.

3.10

Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass aufgrund der steigenden Bedeutung von Breitbanddiensten für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Breitbandanschlüsse in die Definition der Universaldienste (17) aufzunehmen sind.

3.11

Wie bereits in der Ausschussstellungnahme zur Überwindung der Breitbandkluft (18) gefordert, sollte die Europäische Kommission festlegen, ab welcher effektiven Download-Mindestgeschwindigkeit und Dienstqualität eine Internetverbindung als Breitbandanschluss gilt.

3.12

Der Ausschuss fordert die Europäische Kommission auf, bei der Konzipierung eines EU-weiten Sanktionssystems für kriminell motivierte Verletzungen der Sicherheit elektronischer Kommunikation mit den nationalen Regulierungsbehörden (NRB) zusammenzuarbeiten. Ferner sollte die Schaffung von Mechanismen in Erwägung gezogen werden, die es den Verbrauchern EU-weit erleichtern, sich in einem gerichtlichen Eilverfahren (Einzel- oder Sammelklage) gegen Einzeltäter zur Wehr zu setzen.

3.13

Über den Rechtsrahmen hinaus fordert der Ausschuss die Europäische Kommission dringend auf, Sicherheitsverletzungen wie Spam-Mail, Phishing und Hacker-Attacken aus Drittländern systematisch zu untersuchen und Abhilfemaßnahmen auf zwischenstaatlicher Ebene zu verfolgen.

4.   Bemerkungen

4.1   Unterstützung für den Rechtsrahmen und seine Überprüfung

4.1.1

Für die Schaffung eines einheitlichen gesamteuropäischen Marktes für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste bedarf es eines leistungsfähigen Rechtsrahmens, um die komplexen politischen und sozioökonomischen Faktoren, die harmonisiert werden müssen, miteinander zu verknüpfen. Der geltende Rechtsrahmen hat sich als effizientes Instrument für die Schaffung eines wettbewerbsfähigen, innovativen und wachstumsstarken Marktes für Kommunikationsdienste in Europa erwiesen, wobei gleichzeitig der Wille bekundet wurde, auch die Erfordernisse der Dienstleister und Verbraucher sowie die nationalen Interessen ausgewogen zu berücksichtigen.

4.1.2

Der geltende Rechtsrahmen trat vor drei Jahren in Kraft; nun ist es an der Zeit, seine Bestimmungen auf der Grundlage von Erfahrungswerten und unter Berücksichtigung künftiger Herausforderungen zu überprüfen. Die von der Europäischen Kommission berücksichtigten Expertenberichte (19) und das breit angelegte Konsultationsverfahren mit allen betroffenen Akteuren haben eine umfassende Grundlage für die Überarbeitung geschaffen. Den Kommissionsvorschlägen ist zu entnehmen, dass allen Faktoren in ausgewogenem Maße Rechnung getragen wurde.

4.1.3

Die in der Mitteilung und dem zugehörigen Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen enthaltenen Vorschläge stellen ausgewogene und angemessene Änderungen am geltenden Rechtsrahmen dar.

4.1.4

Der Ausschuss nimmt die Vorschläge zur Aufhebung bestimmter veralteter Bestimmungen des Rechtsrahmens zur Kenntnis.

4.2   Frequenzmanagement

4.2.1

Das Funkfrequenzspektrum als Produktionsfaktor für elektronische Kommunikationsdienste und -netze (wie Mobil-, Drahtlos- und Satellitenkommunikation oder Rundfunksendungen) und weitere Anwendungen (Jedermann-Funkgeräte — SRD, Verteidigung, Verkehr, Funkortung und GPS/GALILEO-Satellitensystem) hat in den letzten zehn Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Nach Schätzungen beläuft sich das Marktvolumen der elektronischen Kommunikationsdienste, die auf der Nutzung von Funkfrequenzen beruhen, in der EU auf über 200 Mrd. EUR jährlich, d.h. auf 2-2,5 % des jährlichen europäischen BIP.

4.2.2

Da der Großteil der in der EU zur Verfügung stehenden Funkfrequenzen bereits einem bestimmten Nutzungszweck bzw. Nutzer zugewiesen ist, kann jedwede neue Zuweisung nur zu Lasten eines bestehenden Nutzers erfolgen. Die Frequenzpolitik muss nicht nur den Anforderungen der elektronischen Kommunikation, sondern auch aller sonstigen Verwendungszwecke einschl. Forschung, Flug- und Seeverkehr, Raumfahrt, audiovisuelle Dienste (Inhalte), Verteidigung, Erdbeobachtung, Gesundheit, eInclusion, Straßenverkehrssicherheit, Wissenschaft usw. Rechnung tragen. Es werden immer mehr Maßnahmen entwickelt und auf europäischer Ebene vereinbart, die im Wettbewerb um Funkfrequenzen stehen.

4.2.3

Aufgrund der rasanten technologischen Entwicklung sowie der Digitalisierung der Übertragung und der Konvergenz von Kommunikationsdiensten lässt sich die Verbindung zwischen Plattformen für den Frequenzzugang und den traditionellen Frequenzverwaltungsdiensten kaum noch erkennen.

4.2.4

Technologische Innovationen haben zu einer deutlichen Verringerung des Risikos von Interferenzen zwischen verschiedenen Frequenznutzern geführt, wodurch der ausschließliche Zugang zu Frequenzressourcen nicht mehr im gleichen Maße erforderlich ist. Dies ermöglicht wiederum den weitreichenderen Einsatz von Allgemeingenehmigungen mit leichten technischen Frequenznutzungsanforderungen. Durch die Anwendung dieser innovativen Technologien könnten somit die Zugangsbarrieren zum Frequenzspektrum abgebaut und seine effiziente Nutzung gefördert werden.

4.2.5

Die Deckung der aufgrund der technologischen Entwicklung im Bereich der elektronischen Kommunikationsdienste enorm gestiegenen Nachfrage nach europaweiten Funkfrequenzen ist ebenso wichtig wie der Schutz von Funkfrequenzen für andere kritische Anwendungen; und deshalb müssen die für das Frequenzmanagement in der EU verwendeten Mechanismen grundlegend überarbeitet werden.

4.2.6

Es wäre unrealistisch zu glauben, dass all die verschiedenen Regulierungsbehörden in Europa, die derzeit für Frequenzzuweisungen zuständig sind, ein einheitliches System für eine gesamteuropäische Frequenzverwaltung schaffen könnten. Es wäre daher sinnvoll, eine zentrale Stelle in Form einer Europäischen Frequenz-Agentur mit der Koordinierung, Leitung und Kontrolle der Verwaltung dieser kritischen Ressource zu beauftragen. Da ihre Tätigkeit die grundlegenden öffentlichen Freiheiten eng berührt, muss diese Stelle dem Europäischen Parlament und dem Rat über ihre Tätigkeit Bericht erstatten.

4.2.7

Kommerziellen Interessen sollte mehr Freiheit für einen — regulierten — Frequenzhandel eingeräumt werden, damit kommerzielle Frequenzen im Bereich der elektronischen Kommunikation möglichst effizient und rentabel genutzt werden.

4.3   Binnenmarkt und Wettbewerb

4.3.1

Die Vollendung des Binnenmarktes ist eine der Hauptantriebskräfte für die Steigerung des Wohlstands und die Verbesserung der Lebensqualität in Europa. Mit seiner Mischung aus Leitlinien und verbindlichen Vorgaben bildet der Rechtsrahmen das politische Rückgrat für die Fortschritte bei der Vollendung des Binnenmarktes für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste. Gleichzeitig wird dabei den unterschiedlichen Gegebenheiten und Problemen der einzelnen Mitgliedstaaten Rechnung getragen, und es werden Wettbewerb und Investitionen im Netz- und Dienstebereich gefördert.

4.3.2

Bei der Vollendung des Binnenmarktes sollte immer sichergestellt werden, dass das öffentliche Interesse, d.h. das „öffentliche Wohl“, Vorrang vor privaten oder wirtschaftlichen Interessen hat. Die Selbstregulierungskräfte des Marktes reichen nicht aus, um das „öffentliche Wohl “sicherzustellen. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Dienstqualität und bei geringem Wettbewerb. Daher bedarf es eines starken Rechtsrahmens, um die mehrheitlichen Interessen der Bürger voranzubringen, wie dies mit der Lissabon-Strategie beabsichtigt wurde, und ihnen die modernste Technologie zum besten Preis zu bieten.

4.3.3

Die Mehrheit der IKT-Dienstleister und Netzwerkbetreiber sind auf einem einzigen nationalen Markt tätig. Der Ausschuss befürchtet jedoch, dass Oligopole entstehen, d.h. dass einige große Unternehmen den europäischen Markt beherrschen könnten, wenn großen multinationalen IKT-Dienstleistern und Netzwerkbetreibern im Rechtsrahmen ein zu großer Stellenwert eingeräumt wird. Diese Sorge sollte in dem Rechtsrahmen angemessen berücksichtigt werden, so dass internationale Unternehmen nicht auf unfaire Weise zu Lasten der nationalen Betreiber bevorteilt werden.

4.3.4

Die Einrichtung einer zentralen europäischen Regulierungsbehörde nach dem Vorbild der im Bankenwesen bestehenden Behörde wäre womöglich eine schnellere und direktere Lösung zur Vollendung des Binnenmarktes für elektronische Kommunikation. Allerdings könnte sich der Verlust des bislang von den nationalen Regulierungsbehörden (NRB) gesicherten Fach- und Sachverstands für einige Mitgliedstaaten negativ auswirken; ferner könnten nationale Widerstände eine Vollendung des Binnenmarktes behindern.

4.3.5

Derzeit ist es wohl am zweckdienlichsten, das geltende System der dezentralisierten Regulierung durch eine umfassendere Nutzung der bestehenden Struktur aus Ausschüssen und politischen Beratungsgremien zu stärken. Es ist besser, eine gemeinsame Vorgehensweise zu finden als mit aller Macht eine „Patentlösung “durchsetzen zu wollen.

4.3.6

Auch wenn dies über den Rechtsrahmen hinausgeht, zeigt sich der Ausschuss dennoch besorgt, dass die rasante Zunahme an über elektronische Kommunikationsnetzwerke verfügbaren internationalen Mediendiensten zu einer ungewünschten Verbreitung von qualitativ minderwertigen Medieninhalten führen könnte. Die Europäische Kommission sollte Überlegungen anstellen, wie die Erzeugung und Verbreitung von qualitativ hochwertigen Medieninhalten, insbesondere von Inhalten, die der reichen kulturellen Vielfalt der EU Rechnung tragen, mit EU-Maßnahmen gefördert werden könnten.

4.4   Verbraucherrechte

4.4.1

Aufgrund der zunehmenden Komplexität der Dienste und der immer breiteren Palette an gesamteuropäischen Diensten müssen die Verbraucher über die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten angemessen informiert werden. Zur Gewährleistung von Dienstqualität und Preistransparenz müssen Verbraucher zweckdienliche Informationen zu konkurrierenden Angeboten erhalten. Das Verbraucherrecht muss ständig aktualisiert werden, um den neuesten Marktentwicklungen Rechnung zu tragen. Der Ausschuss schlägt vor, dass die nationalen Regulierungsbehörden (NRB) zur Bereitstellung von webgestützten Instrumenten mit standardisierten Parametern angehalten werden, um Verbrauchern den Vergleich von konkurrierenden Marktangeboten für die elektronische Kommunikation (Dienstleistungen und Preise) zu erleichtern.

4.4.2

Die Universaldienstrichtlinie muss zugegebenermaßen überarbeitet werden; und die Absicht der Kommission, im Jahr ein 2007 Grünbuch vorzulegen, wird begrüßt. Es ist jedoch wichtig, dass die Bürger, die in weniger entwickelten Regionen leben, durch die Aufhebung der Universaldienstverpflichtung für marktbeherrschende Dienstleister nicht noch weiter benachteiligt werden. Das Problem der digitalen Kluft wird sich noch weiter zuspitzen, wenn über neue Geschäftskonzepte der Ausbau des Angebots an WebTV-Diensten für diejenigen Bürger vorangetrieben wird, die über Hochgeschwindigkeitsbreitbandanschlüsse verfügen.

4.4.3

Sollte beschlossen werden, dass die Universaldienstverpflichtung nicht länger ein faires oder praktisches Mittel für die Sicherstellung grundlegender elektronischer Kommunikationsdienste im 21. Jahrhundert wie Breitband ist, dann müssen alternative Finanzierungsmechanismen gefunden werden, um die digitale Kluft zu überbrücken — möglicherweise durch die EU-Strukturfonds.

4.5   Sicherheit

4.5.1

Der Ausschuss verweist auf seine Stellungnahme zu der Mitteilung über eine Strategie für eine sichere Informationsgesellschaft (KOM(2006) 251 endg.) und fordert eine integrierte Informationssicherheitsstrategie, die sämtliche europäische Initiativen umfasst.

4.5.2

Sicherheitslücken in elektronischen Kommunikationsnetzen führen zu einem erheblichen Vertrauensverlust und zu Voreingenommenheit seitens der Nutzer. Außerdem können Sicherheitsverletzungen das Recht der Unionsbürger auf Privatsphäre beeinträchtigen. Die Europäische Kommission muss daher alles daran setzen, die Netzwerksicherheit und den Schutz der Rechte der Unionsbürger zu gewährleisten. Der Ausschuss begrüßt die im Zuge der Überprüfung des Rechtsrahmens vorgeschlagenen einschlägigen Maßnahmen.

4.5.3

Die Sicherheit der elektronischen Kommunikation ist für die Durchsetzung und Verbreitung von Informationstechnologien und -diensten von grundlegender Bedeutung. Es bedarf strenger Sanktionen in der EU zur Verhinderung dieser Art von Straftat, die das Vertrauen der Verbraucher untergräbt und die Entwicklung der Informationsgesellschaft verzögert. Der Ausschuss fordert die Europäische Kommission auf, bei der Konzipierung eines EU-weiten Sanktionssystems für kriminell motivierte Verletzungen der Sicherheit elektronischer Kommunikation mit den nationalen Regulierungsbehörden (NRB) zusammenzuarbeiten. Ferner sollte die Schaffung von Mechanismen in Erwägung gezogen werden, die es Verbrauchern erleichtern, sich gegen Einzeltäter zur Wehr zu setzen.

4.5.4

Neben Sicherheitsverletzungen durch in Europa selbst ansässige Personen ist die Sicherheit der europäischen Netzwerke und Bürger tagtäglich unerlaubten Zugriffen aus Drittländern ausgesetzt. Es sollte jedwede nur erdenkliche Maßnahme ergriffen werden, um die Täter auszuforschen. So sollten auch Staaten, von deren Hoheitsgebiet aus die Zugriffe erfolgen, für den verursachten Schaden haftbar gemacht werden.

Brüssel, den 16. Februar 2007.

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Richtlinien 2002/19/EG, 2002/20/EG, 2002/21/EG, 2002/22/EG (ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 7) und 2002/58/EG (ABl. L 201 vom 31.7.2002, S. 37).

(2)  SEK(2006) 816.

(3)  SEK(2006) 817.

(4)  KOM(2005) 24 endg. vom 2.2.2005.

(5)  Die Regelung kommerzieller Inhaltedienste wie Dienste der Informationsgesellschaft und Rundfunk, die über Übermittlungsinfrastrukturen angeboten werden können, sind in weiteren Gemeinschaftsinstrumenten erfasst (beispielsweise in der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr 2000/31/EG oder der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen “89/552/EG). Dienste der Informationsgesellschaft werden in der Richtlinie 2000/31/EG über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften wie folgt definiert: „[…] alle Dienstleistungen, die in der Regel gegen Entgelt im Fernabsatz mittels Geräten für die elektronische Verarbeitung und Speicherung von Daten auf individuellen Abruf eines Empfängers erbracht werden.“

(6)  KOM(2003) 784 endg.

(7)  KOM(2006) 68 endg. vom 20.2.2006.

(8)  Die Ergebnisse können unter folgender Adresse eingesehen werden:

http://ec.europa.eu/information_society/policy/ecomm/info_centre/documentation/public_consult/review/index_en.htm

(9)  Die Frequenzentscheidung 676/2002/EG gestattet eine technische Harmonisierung der Frequenznutzungsbedingungen (über den Funkfrequenzausschuss); die strategische Beratung in Bezug auf die Frequenzpolitik übernimmt dagegen die Gruppe für Frequenzpolitik.

(10)  Siehe Fußnote 6.

(11)  London Economics und PricewaterhouseCoopers: Studie für die GD Informationsgesellschaft und Medien der Europäischen Kommission „An assessment of the Regulatory Framework for Electronic CommunicationsGrowth and Investment in the EU e-communications sector“ (Bewertung des Rechtsrahmens für die elektronische Kommunikation — Wachstum und Investitionen im Sektor der elektronischen Kommunikation in der EU) (noch nicht veröffentlicht).

(12)  Siehe zugehöriges Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen, Abschnitt 2 (nur EN).

(13)  KOM(2005) 411 endg. vom 6.9.2005.

(14)  SEK(2006) 816.

(15)  KOM(2005) 229 endg., siehe

http://europa.eu.int/information_society/eeurope/i2010/index_en.htm (nur auf EN).

(16)  U.a. Ausschussstellungnahmen zu folgenden Kommissionsvorlagen:

„Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Anpassung der Politik im Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs an ein sich wandelndes Umfeld: Die Lehren aus der Initiative ‚GoDigital ‘und die künftigen Herausforderungen “— ABl. C 108 vom 30.4.2004, S. 23;

„Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein mehrjähriges Gemeinschaftsprogramm zur Förderung der sichereren Nutzung des Internet und neuer Online-Technologien “— ABl. C 157 vom 28.6.2005, S. 136;

„Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Hochgeschwindigkeitsverbindungen für Europa: Neue Entwicklungen in der elektronischen Kommunikation “— ABl. C 120 vom 20.5.2005, S. 22;

„Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — ‚i2010 — Eine europäische Informationsgesellschaft für Wachstum und Beschäftigung‘“— ABl. C 110 vom 9.5.2006, S. 83;

„Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — eAccessibility “— ABl. C 110 vom 9.5.2006, S. 26;

„Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Überwindung der Breitbandkluft “— CESE 1181/2006;

„Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Eine Strategie für eine sichere Informationsgesellschaft — Dialog, Partnerschaft und Delegation der Verantwortung “— R/CESE 1474/2006 (in Ausarbeitung).

(17)  KOM(2005) 203 endg. und Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie).

(18)  „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Überwindung der Breitbandkluft “— CESE 1181/2006.

(19)  Einschl. „Preparing the next steps in regulation of electronic communications, Analysys“ (Vorbereitung der nächsten Etappen für die Regulierung der elektronischen Kommunikation — eine Analyse) (2006); „An assessment of the regulatory framework for electronic communicationsgrowth and investment in the EU e-communications sector“ (Bewertung des Rechtsrahmens für die elektronische Kommunikation — Wachstum und Investitionen im Sektor der elektronischen Kommunikation in der EU), London Economics und Price Waterhouse (2006).


28.4.2007   

DE

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Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission gemäß Artikel 138 Absatz 2 EG-Vertrag über die Verbesserung der Arbeitsnormen im Seeverkehr“

KOM(2006) 287 endg.

(2007/C 97/11)

Die Europäische Kommission beschloss am 16. Juni 2006 gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 11. Januar 2007 an. Berichterstatter war Herr ETTY.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 433. Plenartagung am 15./16. Februar 2007 (Sitzung vom 15. Februar) mit 190 Ja-Stimmen bei 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Das konsolidierte Seearbeitsübereinkommen aus dem Jahr 2006 ist ein neues, wichtiges Instrument der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO), in dem sowohl die Wahrung der Rechte der Seeleute auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen als auch die Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen für Reeder festgeschrieben sind.

1.2

Es wird als die vierte Säule des internationalen Rechtsrahmens für qualitätsorientierte Schifffahrt dargestellt und ergänzt die drei grundlegenden Seeverkehrsübereinkommen der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO): das SOLAS-Übereinkommen (Schutz des menschlichen Lebens auf See), das STCW-Übereinkommen (Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten) und das MARPOL-Übereinkommen (Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe).

1.3

Das neue Übereinkommen ersetzt 68 geltende Instrumente der IAO über die Arbeit auf See. Es tritt in Kraft, sobald es von 30 IAO-Mitgliedstaaten, die zusammen mindestens 33 % der weltweiten Tonnage ausmachen, ratifiziert wurde.

2.   Bemerkungen

2.1

In dem Übereinkommen werden die Arbeitsnormen für Personal an Bord von Seeschiffen mit einem Bruttoraumgehalt von 500 Tonnen und mehr, die für internationale Reisen verwendet werden oder Fahrten von einem Hafen oder zwischen Häfen in einem anderen Land durchführen, festgelegt. Diese beziehen sich auf

Mindestanforderungen an Seeleute für die Arbeit auf einem Schiff,

Beschäftigungsbedingungen,

Unterkunftsräume, Erholungseinrichtungen, Nahrungsmittel und Verpflegung,

Gesundheitsschutz, medizinische Betreuung, soziale Betreuung und Sozialschutz sowie

Erfüllung und Durchsetzung der Anforderungen.

2.2

Der Ausschuss begrüßt die Unterstützung, die die Europäische Kommission der Arbeit der IAO, deren Ergebnis dieses neue Übereinkommen ist, zuteil werden ließ, und ihre gute Zusammenarbeit mit den Regierungen sowie den Arbeitgeber- und -nehmerverbänden der Mitgliedstaaten im Rahmen des dreigliedrigen Sonderausschusses der IAO. Damit wurde sicherlich der Grundstein für die Arbeit gelegt, die nach Schaffung dieses neuen Instruments angegangen werden muss: die Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten und, wenn erforderlich, die Anpassung des Acquis communautaire.

2.3

Der Ausschuss hält fest, dass das Übereinkommen das Ergebnis eines heiklen Kompromisses ist, der im Zuge einer Entscheidungsfindung auf internationaler Ebene und in einer dreigliedrigen Struktur erzielt wurde. Die Maßnahmen der Europäischen Kommission sollten dieses Ergebnis stärken und fördern und Schritte verhindern, die seine erfolgreiche Umsetzung gefährden könnten.

2.4

Der Ausschuss befürwortet die Absicht der Europäischen Kommission, eine rasche Ratifizierung seitens der Mitgliedstaaten voranzutreiben. Denn eine Ratifizierung durch die 27 Mitgliedstaaten, die 28 % der Weltflotte ausmachen, wäre ein Meilenstein.

2.5

Die Ratifizierung ist jedoch allein Sache der Mitgliedstaaten, da die EU nicht Mitglied der IAO ist. Der Ausschuss nimmt den Beschluss der Europäischen Kommission zur Kenntnis, die Sozialpartner auf europäischer Ebene zu Verhandlungen für den Abschluss einer Vereinbarung einzuladen, und bringt sein Interesse daran zum Ausdruck. Eine derartige Vereinbarung könnte sicherlich die Ratifizierung seitens der Mitgliedstaaten erleichtern. Der Ausschuss geht davon aus, dass die Mitgliedstaaten das Übereinkommen so bald wie möglich, hoffentlich bereits 2008, ratifizieren.

2.6

Die Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern sind bereits im Gange. Unter diesen Umständen ist der Ausschuss der Ansicht, dass es zweckdienlich ist, wenn er zum gegenwärtigen Zeitpunkt von einer Stellungnahme zu den drei Hauptfragen absieht, die von der Europäischen Kommission in ihrer Mitteilung aufgeworfen werden, und zwar

Anpassung des Acquis communautaire,

Erlass ergänzender Rechtstexte und

Hinausgehen über die Bestimmungen des Übereinkommens.

Dies gilt auch für die Frage, ob Teil B des Übereinkommens (Leitlinien) verpflichtend werden soll.

Erzielen die Sozialpartner keine Vereinbarung, wird der Ausschuss diese Fragen erörtern.

2.7

In Bezug auf die Einrichtung der im Übereinkommen verankerten dreigliedrigen Struktur verweist der Ausschuss darauf, dass eine derartige Struktur im Vertrag nicht vorgesehen ist. Angesichts dessen hält der Ausschuss fest, dass jedwede Lösung, die von der Europäischen Kommission zur Sicherstellung eines koordinierten Vorgehens der Mitgliedstaaten im Zuge einer dreigliedrigen Entscheidungsfindung angestrebt wird, keinesfalls dreigliedrig vereinbarte IAO-Bestimmungen auf nationaler Ebene schwächen darf.

2.8

Nach Meinung des Ausschusses sollte die Europäische Kommission Expertentreffen im Rahmen der IAO zur Ausarbeitung operationeller Leitlinien für die Flaggen- und Hafenstaatkontrolle unterstützen.

Brüssel, den 15. Februar 2007.

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


28.4.2007   

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Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Beziehungen EU/Japan: Die Rolle der Zivilgesellschaft“

(2007/C 97/12)

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 17. Januar 2007, gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung eine Stellungnahme zu erarbeiten: „Beziehungen EU/Japan: Die Rolle der Zivilgesellschaft“.

Mit Schreiben vom 6. April 2006 befürwortete Frau FERRERO-WALDNER, für Außenbeziehungen und Europäische Nachbarschaftspolitik zuständiges Kommissionsmitglied, diese Initiative.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Außenbeziehungen nahm ihre Stellungnahme am 24. Januar 2007 an. Berichterstatterin war Frau PÄÄRENDSON.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 433 Plenartagung am 15./16. Februar 2007 (Sitzung vom 16. Februar) mit 112 gegen 3 Stimmen bei 28 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung und Empfehlungen

1.1

Der Ausschuss wurde von der Europäischen Kommission ersucht, die Entwicklung der Zivilgesellschaft in Japan zu untersuchen und Wege aufzuzeigen, wie die Europäische Union (EU) und Japan zusammenarbeiten könnten, um die Beziehungen EU/Japan weiter zu stärken.

1.2

Die EU und Japan teilen viele gemeinsame Werte und Interessen. Auf offizieller Ebene hat sich bereits in vielen Bereichen eine gut funktionierende Zusammenarbeit entwickelt.

1.3

Das Interesse Japans an regionaler Zusammenarbeit nach dem Modell der „funktionalen Integration “gewinnt zunehmend an Bedeutung.

1.4

Die Zivilgesellschaft in Japan nimmt eine immer wichtigere Rolle ein, auch wenn sie sich überwiegend mit lokalen und regionalen Themen befasst.

1.5

Derzeit bestehen in relativ wenigen Bereichen enge Kontakte zwischen der Zivilgesellschaft der EU und Japans, obgleich die zunehmende Anerkennung gemeinsamer Herausforderungen zeigt, dass es an der Zeit ist, die Kontakte auszubauen.

1.6

Es wird eine geraume Zeit in Anspruch nehmen, mehr und engere Kontakte zu knüpfen, wobei von entscheidender Bedeutung sein wird, die geeignetsten Partner zu finden.

1.7

Als erster wichtiger Schritt könnte ein Treffen veranstaltet werden, um gemeinsame Probleme zu erkennen und zu erwägen, wie man deren Bewältigung in Angriff nehmen kann.

1.8

Geeignete Organisationen der Zivilgesellschaft beider Seiten sollten regelmäßig bei Einladungen zu sie betreffenden Seminaren und ähnlichen Veranstaltungen berücksichtigt werden.

1.9

Im Laufe der Zeit könnte ein strukturierterer Dialog in Form eines Diskussionsforums ins Auge gefasst werden.

1.10

Die zwei Europäischen Institute (im Folgenden: EU-Zentren) in Japan bieten bereits jetzt eine Grundlage für Netzwerke und Partnerschaften.

1.11

Die benötigten finanziellen Mittel dürften durch die verstärkte Nutzung solcher Technologien wie Videokonferenzen und Sprachtelefonie über das Internet-Protokoll gering gehalten werden.

2.   Einleitung

2.1

Angesichts der zunehmenden früheren Kooperation beschlossen die EU und Japan im Jahre 2001, ein Jahrzehnt der Zusammenarbeit EU/Japan unter dem Motto „Unsere gemeinsame Zukunft gestalten “zu initiieren (1). Dieser Aktionsplan ist in vier Kapitel („Zielsetzungen“) unterteilt. Die letzte Zielsetzung (Ziel IV), die „Annäherung der Völker und der Kulturen“, beinhaltet die „Entwicklung von Beziehungen zwischen den Zivilgesellschaften und die Förderung des interregionalen Austausches“. Von Bedeutung ist ebenfalls das Ziel III („Bewältigung globaler und gesellschaftlicher Herausforderungen“).

2.2

Aktuelle, für die Beziehungen zwischen den Zivilgesellschaften wichtige Ereignisse waren das äußerst erfolgreiche EU/Japan-Jahr 2005 „Year of people-to-people exchanges“, die Einrichtung zweier EU-Zentren in Japan (2) in der Region Tokio (3) und in Kansai (4) sowie die Veranstaltung eines gemeinsamen Symposiums im April 2005 in Brüssel zur Beratung über die bisherige Umsetzung des Aktionsplans „Gestaltung unserer gemeinsamen Zukunft “sowie darüber, wie der Aktionsplan angesichts der veränderten Lage in Japan, der EU und in anderen Teilen der Welt möglicherweise geändert werden muss.

2.3

Mit dieser Stellungnahme sollen die Entwicklung der Zivilgesellschaft Japans untersucht und Wege aufgezeigt werden, wie die Zivilgesellschaft der EU, insbesondere der EWSA, mit der japanischen Zivilgesellschaft zusammenarbeiten könnte, um die Beziehungen EU/Japan weiter zu stärken (5).

2.4

Der Ausschuss definiert den Begriff „Zivilgesellschaft “folgendermaßen: „Gesamtheit aller Organisationsstrukturen, deren Mitglieder (…) dem allgemeinen Interesse dienen und welche auch als Mittler zwischen öffentlicher Gewalt und den Bürgern auftreten.“ (6)

3.   Allgemeiner Kontext

3.1

Japan ist ein wichtiger Akteur in Ostasien, einer Region mit wachsender wirtschaftlicher Bedeutung, in der sich die regionale Zusammenarbeit schnell entwickelt, jedoch auch die Sicherheitsbelange immer wichtiger werden. Da für die EU die Region Ostasien, einschließlich China, zunehmend an Bedeutung gewinnt, würde eine engere Beziehung EU/Japan einen Ausgleich darstellen und eine verstärkte Zusammenarbeit in regionalen Fragen beinhalten (7).

3.2

Japan ist auch ein strategischer Partner der EU. Auch wenn sich Europa und Japan in entgegengesetzten Teilen der Welt befinden und ihre Kulturen vielschichtig und sehr unterschiedlich sind, haben beide viel gemeinsam. Sie sind bedeutende Wirtschaftseinheiten, die ihre internationale Rolle verstärken wollen. Sie teilen viele Grundwerte und haben viele gemeinsame Interessen und Probleme. Beide sind demokratische Gesellschaften. Es liegt im gegenseitigen Interesse, die Beziehungen und das gegenseitige Verständnis zu konsolidieren und zu vertiefen.

3.3

Aus wirtschaftlicher Sicht ist Japan mit 6,6 % der fünftgrößte Exportmarkt der EU, während die EU für Japan den zweitgrößten Exportmarkt darstellt. Japan hat eine jährliche BIP-Wachstumsrate von ca. 2,7 % und eine Arbeitslosenquote von ca. 4,5 %. Japan stellt etwa 14 % des BSP der Welt (China: 3,4 %) und hat ein durchschnittliches Pro-Kopf-Einkommen von $ 32 230 (China: $ 780).

3.4

In früheren Phasen der Zusammenarbeit wurde dem Handel und anderen Wirtschaftsfaktoren die größte Bedeutung beigemessen, darunter auch erheblichen beiderseitigen Auslandsinvestitionen. Für beide Seiten sind Wirtschaftsreformen zur Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit in einer globalisierten Welt notwendig, während sie sich auf ihre eigenen Sozialmodelle stützen und auf nachhaltiges Wachstum setzen.

3.5

Es gibt bereits viele Bereiche, in denen die Zusammenarbeit EU/Japan gut funktioniert. Zum Beispiel gibt es ständige Diskussionsforen zu Themen wie Industriepolitik, Wissenschaft und Technologie, Informationstechnologie, Beschäftigung und Soziales, elektronischer Handel, Forschung, Entwicklungshilfe und Umweltschutz. Die japanischen Sozialpartner haben 2006 zunehmendes Interesse an Praktiken der sozialen Verantwortung der Unternehmen gezeigt. Ferner werden im Rahmen des Reformdialogs zwischen der EU und Japan zu Regelungsfragen (der vor ca. 12 Jahren aufgenommen wurde) alle regulatorischen Fragen zusammenhängend behandelt. Einzelheiten zu einigen Programmen sind in Anhang I dargestellt. In den Dialog sind etliche Generaldirektionen der Europäischen Kommission und auch Mitgliedstaaten der EU einbezogen.

3.6

In Japan entwickelt sich allmählich etwas, was man mit „Gefühl der Nähe “zu Europa bezeichnen könnte. Jedoch kennt man dort die kürzlich beigetretenen Mitgliedstaaten nach wie vor wenig.

4.   Entwicklung der Zivilgesellschaft

4.1

Wie bereits erwähnt, sind Kultur und soziale Bedingungen in Japan (8) und der EU sehr verschieden. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich auch die Organisationen der Zivilgesellschaft Japans unterscheiden. Der deutlichste Unterschied besteht darin, dass in Japan bis vor kurzem der Staat eine relativ dominante Rolle bei der Gestaltung der Zivilgesellschaft innehatte. Die Organisationen (außer den Sozialpartnern) mussten von den Behörden genehmigt werden und standen dann unter deren Aufsicht.

4.2

Dies wurde von der Öffentlichkeit akzeptiert, da die Kombination einer elitären zentralen Bürokratie mit den Interessen der wichtigsten Industrievertreter (unterstützt durch das Parlament) schnelle und effiziente politische Entscheidungen und deren Umsetzung ermöglichte. Dies alles trug zu einem Wirtschaftswachstum bei (9). Unter diesen Bedingungen war die Rolle der Zivilgesellschaft in der Gesellschaft sehr eingeschränkt. Begriffe wie Zivilgesellschaft, Governance und Rechenschaftspflicht waren zu jener Zeit nicht verbreitet.

4.3

Ende der 80er Jahre kam es zum Platzen der so genannten „Seifenblasenwirtschaft“. Dies führte zur Periode der Deflation und wirtschaftlichen Stagnation, die erst jüngstens überwunden wurde. In den 90er Jahren gab es dann mehrere Skandale, in die leitende Beamte verwickelt waren, wodurch das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Vorherrschaft des Staates und der Interessen der wichtigsten Industrievertreter zu schwinden begann. Dies und die schlechte Durchführung der Rettungs- und Wiederaufbauarbeiten nach dem Großen Hanshin-Awaj-Erdbeben in Kobe 1995 zeigten der Öffentlichkeit die Effizienz (und das Potenzial) einiger Organisationen der Zivilgesellschaft. Als Folge wurde 1998 ein neues Gesetz „Über gemeinnützige Organisationen “(NPOs) angenommen, mit dem man anerkannte, dass die Organisationen der Zivilgesellschaft eine bedeutende Rolle beim verantwortungsvollen Regieren wahrnehmen können (10). Durch dieses Gesetz wurden viele Hindernisse für die Entwicklung von NPOs und die lästige bürokratische Beaufsichtigung größtenteils beseitigt. Dies war eine der Veränderungen, die der japanischen Gesellschaft und Politik weniger Regulierung und Zentralisierung brachte.

4.4

Diese Ereignisse leiteten einen Wandel in der Zivilgesellschaft ein. Die Anzahl der Organisationen erhöht sich relativ schnell, wobei der größte Zuwachs bei denjenigen Gruppen zu verzeichnen ist, die starken Wert auf ihre Unabhängigkeit von den Behörden legen. In Japan wird nun die Frage diskutiert, wie alle Möglichkeiten, die der japanischen Gesellschaft zur Verfügung stehen, besser genutzt werden können. Dadurch werden die Bedeutung und der Einfluss der organisierten Zivilgesellschaft steigen. Man beginnt, den Prozess der partizipatorischen Demokratie besser zu verstehen, und alle Entwürfe von Rechtsvorschriften sind nun für Anmerkungen im Internet zugänglich. Dennoch werden die Entscheidungen nach Angaben der Organisationen der Zivilgesellschaft nicht of genug von der Meinung der Zivilgesellschaft (mit Ausnahme der Sozialpartner) beeinflusst.

4.5

In der Diskussion über die japanische Zivilgesellschaft wird diese meist in zwei wesentliche Gruppen eingeteilt. Erstens gibt es die nichtstaatlichen Organisationen (NGOs), die im Wesentlichen im Bereich Entwicklung und humanitäre Maßnahmen für Drittländer tätig sind. Sie werden zum großen Teil von der Regierung (Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten) finanziert. Sie arbeiten eng mit den Behörden zusammen, die für die Programme der Öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) verantwortlich sind, und treffen sich regelmäßig mit der Regierung zwecks Förderung des engen Dialogs und der Zusammenarbeit. Ihre Finanz- und Humanressourcen sind jedoch nach wie vor eingeschränkt.

4.6

Außerdem gibt es die gemeinnützigen Organisationen (NPOs), die in den verschiedensten Bereichen tätig sind. Zu ihnen gehören die Sozialpartner, Handels- und Berufsverbände sowie Organisationen, die in den Bereichen Umwelt, Verbraucherschutz, Landwirtschaft, Kultur u.a. tätig sind. Diese Beteiligten werden in dem beginnenden sozialen Dialog in japanischen Unternehmen und Unternehmen mit Auslandsinvestitionen über ihre soziale Verantwortung eine zunehmende Rolle spielen, wobei der Grundsatz der Freiwilligkeit beachtet wird. Ferner kommt Organisationen des Gesundheitswesens eine äußerst wichtige Rolle zu. Manchmal können diese eine staatliche Unterstützung erhalten. Sehr viele dieser Organisationen befassen sich vorrangig mit der Lösung lokaler und regionaler Probleme, wobei sie zugunsten der örtlichen Bevölkerung arbeiten. Folglich gibt es weniger gemeinnützige Organisationen auf nationaler Ebene.

4.7

Die Jugend wird auch gut durch Studenten- und andere Organisationen vertreten.

5.   Aktuelle Kontakte zwischen der organisierten Zivilgesellschaft Japans und der EU

5.1

Während zwischen den Behörden der EU und Japans zahlreiche und regelmäßige Kontakte bestehen (s.o. Ziffer 3.5 und Anhänge), deren Bedeutung regelmäßig von den Spitzenpolitikern beider Seiten hervorgehoben wird, sind die Beziehungen zwischen den meisten Organisationen der Zivilgesellschaft bedeutend schwächer. Dennoch bestehen in einigen Bereichen bereits feste und aktive Verbindungen.

5.2   Sozialpartner

Arbeitgeber — Nippon Keidanren (der Japanische Unternehmerdachverband) ist eine übergreifende Wirtschaftsorganisation, die im Mai 2002 durch Zusammenschluss von Keidanren (Japanische Vereinigung der Wirtschaftsorganisationen) und Nikkeiren (Japanische Vereinigung der Arbeitgeberverbände) entstand. Zu seinen 1 662 Mitgliedern gehören 1 351 Unternehmen, 130 Industrieverbände sowie 47 regionale Wirtschaftsorganisationen (Stand vom 20. Juni 2006).

Die Gewerkschaften sind sowohl hinsichtlich ihrer Mitgliederzahl als auch ihrer Ressourcen relativ schwach. Etwa 20 % der Arbeitnehmer sind Gewerkschaftsmitglieder. Etwa zwei Drittel davon gehören der größten Gewerkschaftsorganisation (RENGO (11)) an. RENGO hat ein Büro in Brüssel. Die Organisation hat Zugang zu vielen Informationen des Europäischen Gewerkschaftsbunds (EGB) und schickt oft Vertreter zu Gewerkschaftssitzungen in den Mitgliedstaaten.

5.3

In den letzten zehn Jahren fand jährlich das europäisch-japanische Diskussionsforum „EU/Japan Business Dialog Roundtable “(Arbeitgeber) statt, um über die Möglichkeiten der Verbesserung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen und zunehmend auch über globale Themen wie Energie zu beraten. Die Empfehlungen des Forums werden den Spitzenpolitikern, die bereit sind, diese zu berücksichtigen, auf dem jährlichen bilateralen Gipfeltreffen EU/Japan vorgelegt. Ferner stehen Unternehmensverbände der EU und Japans bereits im Dialog zu einem breiten Spektrum von Themen.

5.4

Angesichts weltweiter Probleme wie Lebensmittelsicherheit und -kennzeichnung finden bereits seit sechs Jahren Treffen der Verbraucherorganisationen der EU und Japans statt. Andere Beispiele für die Zusammenarbeit sind jährliche Dialoge von Journalisten, Bürgerbewegungen, NGOs und Umweltschützern. Außerdem gibt es bereits eine Zusammenarbeit im akademischen Bereich zwischen Universitäten, Fachhochschulen und Forschungsinstituten, die seit der jüngsten Gründung zweier EU-Institute in Japan vertieft wird. Die akademischen Einrichtungen Japans haben besonders enge Verbindungen untereinander und mit solchen Einrichtungen in der EU.

5.5

Da für eine bessere gegenseitige Verständigung persönliche Kontakte erforderlich sind, haben die EU und Japan vereinbart, das Jahr 2005 zum Jahr des Austauschs zwischen den Menschen (People to People Exchange) zu erklären. Dies war ein erfolgreiches Programm, in dessen Rahmen ca. 1 900 Veranstaltungen stattfanden. Gegenwärtig wird über die Fortsetzung des Programms beraten. Nun gilt es als Herausforderung, das Erreichte beizubehalten und darauf aufzubauen.

5.6

Die aktuellen Kontakte sind sehr nützlich und zeigen, dass es möglich ist, dauerhafte Beziehungen in Bereichen aufzubauen, in denen vor dem Hintergrund der sich verändernden Welt klare gemeinsame Aufgaben bestehen, die eine globale Herangehensweise und Standards sowie Wettbewerbsfähigkeit erfordern. Dies betrifft die nachhaltige Entwicklung (insbesondere Energiesicherheit, „grüner Einkauf“ (12) und natürliche Ressourcen), Entwicklungshilfe (die EU und Japan sind die weltweit größten Geldgeber), Überalterung der Bevölkerung (mit den Auswirkungen auf die Renten, die Gesundheitsversorgung und soziale Hilfe), Immigration, Arbeiten in multiethnischen Gesellschaften, Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben sowie Beschäftigungsprobleme. Auch in den Bereichen Soziale Verantwortung der Unternehmen und ausgewogene Vertretung von Männern und Frauen werden die gemeinsamen Interessen immer deutlicher. Ein Meinungsaustausch zu den vorstehenden Themen wäre sachdienlich.

5.7

Der EWSA verfügt über informelle Verbindungen zu dem EU-Zentrum in Kansai. Dies sind gegenwärtig seine einzigen Verbindungen, obwohl viele Ausschussmitglieder bereits einige Erfahrungen in der Arbeit mit japanischen Organisationen haben.

6.   Mögliche Maßnahmen zum Aufbau und zur Erhaltung von Beziehungen zwischen den Zivilgesellschaften der EU und Japans

6.1

Angesichts gemeinsamer Herausforderungen ist es klar, dass die Zivilgesellschaft eine bedeutende Rolle sowohl in der EU und in Japan als auch bei gemeinsamen Vorhaben und in den Beziehungen zwischen beiden Seiten wahrnehmen muss. Durch bilaterale Diskussionen und klare Darstellung ihrer Positionen können die Organisationen der Zivilgesellschaft auf den laufenden politischen Prozess zwischen der EU und Japan einwirken. Zweifelsohne gibt es eine Menge Möglichkeiten bedeutend mehr für die Umsetzung der entsprechenden Kapitel des Aktionsplans EU/Japan (13) durch Einbeziehung der Zivilgesellschaft zu tun, und durch diese Tätigkeit kann wesentlich zur Schaffung eines zusätzlichen Nutzens in den Beziehungen EU/Japan beigetragen werden.

6.2

Beim Aufbau von Kontakten zwischen der organisierten Zivilgesellschaft Japans und der EU muss als erster Schritt das Ziel verfolgt werden, sich gegenseitig kennen zu lernen und zu verstehen. Dadurch werden Netzwerke geschaffen. Erst dann kann mit einer richtigen Zusammenarbeit begonnen und können die bereits bestehenden festen Verbindungen zwischen den jeweiligen Behörden ergänzt werden. Dies wird kein schneller Prozess sein, es wäre jedoch hilfreich, die Unterstützung der Kommission und der japanischen Behörden für ein erstes Treffen zu erhalten, auf dem gemeinsame Probleme herausgefunden und über das weitere Vorgehen sowie darüber, welche Organisationen am besten als Vertretungen beider Seiten in Frage kämen (14), beraten werden könnte. Nach diesem anfänglichen Treffen sollte mit der konkreten Arbeit, einschließlich mit gemeinsamen Aktionen, begonnen werden. Die Teilnehmer des Treffens sollten Vertreter der Zivilgesellschaft der EU und Japans sein, die eine Grundlage für die weitere Vernetzung bieten könnten. Für die EU sollten der EWSA und die Sozialpartner auf EU-Ebene die Mehrheit der Delegierten für diese Veranstaltung stellen.

6.3

Die Kommission sollte die Einbeziehung von Organisationen der Zivilgesellschaft der EU und Japans in alle betreffenden Seminare und ähnliche Veranstaltungen erwägen. Sie sollte auch die japanischen Behörden anregen, ähnlich vorzugehen. Im Laufe der Zeit würde dadurch ein gegenseitiges Verständnis der Partner aufgebaut und ein Netz für alle Arten von Kontakten gebildet. Die Festlegung solcher Veranstaltungen sollte regelmäßig auf der Tagesordnung von gemeinsamen Sitzungen der Kommission und ihrer japanischen Gesprächspartner stehen.

6.4

Von entscheidender Bedeutung wird es sein, geeignete Themen für die Diskussionen auszuwählen, an denen Organisationen der Zivilgesellschaft beteiligt werden. Wenn es darum geht, bei offiziellen Treffen festzulegen, zu welchen Themen die Organisationen der Zivilgesellschaft einen nützlichen Beitrag leisten könnten, sollten die Kommission und die japanischen Behörden den EWSA beauftragen, diese Frage zusammen mit den japanischen Partnereinrichtungen zu lösen. Im Rahmen solcher Treffen könnten die Gewerkschaften zum Beispiel die Kernarbeitsnormen der ILO erörtern. Zunächst könnte diese Aufgabe auf Ad-hoc-Basis durchgeführt werden, wobei erwogen werden sollte, kleine beratende Ad-hoc-Gruppen einzurichten (15).

6.5

Da die regionale Zusammenarbeit für Japan wachsende Bedeutung haben wird, könnte die organisierte Zivilgesellschaft der EU auch ihre Erfahrung bei der Unterstützung der Integration von Staaten unterschiedlichen Entwicklungsniveaus im Sinne der funktionalen Integration vermitteln. Einige interessante Beispiele könnten auch sein, wie die neueren Mitgliedstaaten funktionsfähige Organisationen der Zivilgesellschaft eingerichtet und es erreicht haben, dass die Behörden diese Organisationen in den Konsultations- und Entscheidungsfindungsprozess einbinden. Der Erfolg der EU beim Abwehren und Abbau potenzieller Rivalitäten und Konflikte könnte ebenfalls ein geeignetes Modell für eine mögliche Unterstützung hinsichtlich regionaler Sicherheitsbelange darstellen.

6.6

Durch die Gründung zweier EU-Zentren in Japan (das EU-Zentrum in Tokio und das EU-Zentrum in Kansai) können Netzwerke aufgebaut und gegenseitiges Verständnis gefördert werden. Dies umfasst u.a. Folgendes:

Der EWSA könnte als Kontaktstelle zur Unterstützung und Information dienen.

Er könnte auch Kontakte in der jeweils anderen Region vermitteln.

Ferner könnte er gegenseitige Einladungen zu geeigneten Seminaren (oder anderen Veranstaltungen) für Redner und Teilnehmer geben.

Der EWSA könnte auch anbieten, Vorträge zu EU-relevanten Themen zu halten, bei denen er mitwirkt: Entscheidungsprozesse in der EU, die Rolle der organisierten Zivilgesellschaft in der EU und auf einzelstaatlicher Ebene, die Rolle der Sozialpartner, Umgang von Unternehmen mit der Diskussion und Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften.

Der EWSA könnte regelmäßig Praktikumplätze für die EU-Zentren anbieten.

Das EU-Zentrum in Kansai erwägt bereits die Möglichkeit, gemeinsam eine Reihe von Seminaren/Workshops zu spezifischen Themen zu veranstalten. Diesbezüglich bieten sich Themen wie Lebensmittelkennzeichnung, Umweltschutz und Überalterung der Gesellschaft als erste Schwerpunkte an.

6.7

Es sei ebenfalls darauf hingewiesen, dass Universitäten (und ähnliche Einrichtungen) in der japanischen Gesellschaft eine wichtige Rolle spielen und eine weitere Möglichkeit zur Förderung des gegenseitigen Verständnisses zwischen den Organisationen der Zivilgesellschaft darstellen. Sie können ebenfalls helfen, die Jugend einzubeziehen, der eine wesentliche Rolle zukommt, wenn es um den Aufbau langfristiger Kontakte geht.

6.8

Ferner sollte der Ausschuss die Einsetzung einer kleinen Kontaktgruppe erwägen, die als Kontaktstelle für die japanischen Partner fungiert und diese mit aktuellen Informationen versorgt. Während sich die Zivilgesellschaften langfristig immer besser kennen lernen, sollte erwogen werden, eine Art ständiges Gremium wie etwa ein Diskussionsforum einzurichten.

6.9

Der Kontakt mit dem Gemischten Parlamentarischen Ausschuss EU/Japan sollte erhalten bleiben, damit das Verständnis der Rolle und des Potenzials der Zivilgesellschaft gesichert und auf geeignete Weise zum gemeinsamen Wohl genutzt wird.

6.10

Die Finanzierung wird wie überall von entscheidender Bedeutung sein. Jedoch dürften die Kosten solcher Maßnahmen nicht hoch sein, da neuere Technologien wie etwa Videokonferenzen und Sprachtelefonie über das Internet-Protokoll (VoIP-Konferenzschaltungen) in vielen Fällen bei der Kostenreduzierung helfen könnten, vor allem für die Kontakte kleiner Ad-hoc-Gruppen, die eventuell eingerichtet werden.

Brüssel, den 16. Februar 2007.

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  „Unsere gemeinsame Zukunft gestalten“. Ein Aktionsplan für die Zusammenarbeit EU/Japan; Gipfeltreffen EU/Japan, Brüssel, 2001.

(2)  Die EU-Zentren werden von der EU finanziert und haben die Aufgabe, die Bewusstseinskluft zwischen Japan und der EU zu überbrücken und Studenten aller Fachrichtungen Wissen über die Europäische Union zu vermitteln.

(3)  Beteiligte Institutionen: die Universität Hitotsubashi, die Internationale Christliche Universität, die Universität für ausländische Studien in Tokio sowie das Tsuda College

http://www.euij-tc.org.

(4)  Beteiligte Institutionen: Universität Kobe, Kwansei-Gakuin-Universität und die Universität Osaka

http://euij-kansai.jp/index_en.html.

(5)  Siehe das Schreiben D/06/468 von Kommissionsmitglied FERRERO-WALDNER vom 6. April 2006.

(6)  Für eine ausführlichere Definition siehe KOM(2005) 290.

(7)  Es gibt bereits eine beträchtliche Anzahl regionaler Gremien, von denen einige auch eine europäische Beteiligung vorsehen. Als wichtige Beispiele seien das Asien-Europa-Treffen (ASEM) und die Asien-Europa-Stiftung (ASEF) genannt. Die Einbindung in solche Gremien könnte den Nutzen der zivilgesellschaftlichen Zusammenarbeit EU/Japan weiter erhöhen.

(8)  Die japanische Kultur blickt auf eine sehr lange Geschichte zurück und ist stark durch den Umstand geprägt, dass das Land jahrhundertelang vom Rest der Welt abgeschnitten war.

(9)  Dieser Erfolg führte zu einer „Output-Legitimität“, bei der sich die Legitimität auf die Leistung bei der Umsetzung der Ziele stützte, während die „Input-Legitimität“, die auf dem demokratisch-partizipatorischen Prozess beruht, benachteiligt wurde.

(10)  Aus japanischer Sicht gab es auch in der EU Krisen, wie z.B. die Ereignisse, die zum Rücktritt der SANTER-Kommission führten, in einer Zeit, als es zu einem Umdenken bezüglich des verantwortungsvollen Regierens in der EU kam, was schließlich zu einer größeren Einbeziehung der Zivilgesellschaft der EU in den Politikprozess führte.

(11)  RENGO gehören 6 500 000 Arbeitnehmer an (Stand Juni 2006).

(12)  Das System des sogenannten „grünen Einkaufs “(Green purchasing) beinhaltet, dass im öffentlichen Beschaffungswesen ein bestimmter Anteil umweltfreundlicher Produkte erreicht werden muss.

(13)  Siehe Ziffer 2.1 oben.

(14)  Obwohl einige japanische Partner wie das Japanische Zentrum für internationalen Austausch (JCIE) und die EU-Institute in Japan dabei helfen könnten, wird es anfangs auch erforderlich sein, die japanischen Behörden um Rat zu bitten.

(15)  Ähnlich wie auf anderen Gebieten wird das Problem der Sprachbarrieren bestehen.


28.4.2007   

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Amtsblatt der Europäischen Union

C 97/39


Entschliessung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Umsetzung der überarbeiteten Lissabon-Strategie“

(2007/C 97/13)

Der Europäische Rat begrüßte in den Schlussfolgerungen des Ratsvorsitzes vom 23./24. März 2006 (Ziffer 12) die Initiative des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, mit der auf Gemeinschaftsebene die Eigenverantwortung für die Lissabon-Strategie gestärkt werden soll. Er hielt den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss an, seine Arbeit fortzusetzen, und ersuchte ihn, bis Anfang 2008 einen zusammenfassenden Bericht zur Unterstützung der Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung zu erarbeiten. Der EWSA fasst mit dieser Entschließung seine Position zur überarbeiteten Lissabon-Strategie zusammen und verweist auch auf seine einschlägigen Arbeiten.

„Die Umsetzung der überarbeiteten Lissabon-Strategie“

In seiner Präsidiumssitzung vom 14. Februar 2007 beschloss der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss, zur Frühjahrstagung des Europäischen Rates eine Entschließung vorzulegen. Der Ausschuss verabschiedete diese Entschließung auf seiner Plenartagung am 15./16. Februar 2007 (Sitzung vom 15. Februar) mit 125 Ja-Stimmen bei 10 Stimmenthaltungen.

1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die Folgemaßnahmen der Europäischen Kommission zu den Nationalen Reformprogrammen (NRP) der Mitgliedstaaten. Er fürchtet jedoch, dass es trotz der Neubelebung der Lissabon-Strategie im Jahr 2005 immer noch nicht gelungen ist, für Kenntnis und Unterstützung der Strategie in der Bevölkerung zu sorgen. Der EWSA betont, dass die politische Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten für die gemeinsam im Rat vereinbarten Verpflichtungen ein wesentliches Element ist. Neben den oben genannten Aufgaben der Mitgliedstaaten bedarf es effizienter Partnerschaften und neuer Bündnisse mit den Sozialpartnern und der Zivilgesellschaft. Zu gewährleisten ist eine effektive Politikgestaltung auf mehreren Ebenen, einschließlich der Konsultation der interessierten Kreise, die von der Europäischen Kommission genau beobachtet werden muss.

1.1

Nach Ansicht des EWSA sollte die derzeitige Bewertungsmethode durch eine transparente Evaluierung der Leistungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Umsetzung der Strategie ergänzt werden. Zu diesem Zweck sollten für jeden Mitgliedstaat eigens konzipierte Empfehlungen zu einer zielgerichteten Debatte und nach Möglichkeit zu einer Überprüfung im Europäischen Rat führen, damit die wichtigsten Bereiche für künftige Maßnahmen bestimmt werden können.

1.2

Der EWSA ist der Auffassung, dass bei der Festlegung und Umsetzung der NRP rechtzeitige Konsultationen mit der organisierten Zivilgesellschaft auf nationaler Ebene durchzuführen sind, damit alle Beteiligten eine tatsächliche Partnerschaft und Teilhabe anstreben und Verantwortung für den Prozess übernehmen. In Ländern, in denen es einzelstaatliche Wirtschafts- und Sozialräte und vergleichbare Einrichtungen gibt, sollten sie eine wichtige Rolle spielen.

1.3

Der EWSA unterstützt nachdrücklich die stärkere Konzentration auf die überarbeitete Strategie. Der Ausschuss beabsichtigt, in diesem Sommer vier Informationsberichte zu folgenden Themen vorzulegen: „Investitionen in Wissen und Innovation, Unternehmerpotenzial, insbesondere hinsichtlich KMU, Beschäftigung für vorrangige Bevölkerungsgruppen“ und „Eine Energiepolitik für Europa“, die die Grundlage für seinen zusammenfassenden Bericht 2008 an den Europäischen Rat bilden. Diese Berichte werden in enger Zusammenarbeit mit den einzelstaatlichen Wirtschafts- und Sozialräten sowie den vergleichbaren Einrichtungen erarbeitet, welche die Zivilgesellschaft vertreten.

1.4

Der EWSA betont, dass die vollständige Umsetzung der überarbeiteten Lissabon-Strategie einer koordinierten makroökonomischen Politik mit aktiver Wachstums- und Beschäftigungsförderung bedarf. Die derzeitigen positiven Wirtschaftsaussichten sollten keinesfalls die Ambitionen des Ausschusses zur Umsetzung der Strategie schmälern. Interdependenz zwischen den Volkswirtschaften bedeutet, dass Strukturreformen in einer europäischen Perspektive durchgeführt werden müssen. Deshalb sollten die NRP in den Rahmen einer paneuropäischen makroökonomischen Politik eingefügt werden, zu dem alle Betroffenen beitragen sollten. Der weltweite Kontext ist dabei stets zu berücksichtigen.

1.5

Der EWSA unterstreicht, dass zugleich auch der ständige industrielle Wandel sowie die Arbeits- und die Lebensqualität gewährleistet werden müssen. Ziel sollte es sein, eine Symbiose von Wettbewerbsfähigkeit, sozialem Zusammenhalt und nachhaltiger Entwicklung zu erreichen. Bei der Verfolgung dieses Ziels müssen Europa und die Mitgliedstaaten die Botschaft der überarbeiteten Lissabon-Strategie so entschlüsseln, dass die Bürger deren Ziele richtig verstehen können. Dies erfordert eine effektive Kommunikation, an der es bislang gefehlt hat.

2.

Nach Ansicht des EWSA muss die gesamte Strategie ein dynamischer Prozess sein, der ständige Abstimmung zwischen den Mitgliedstaaten und dem Rat sowie mit der Europäischen Kommission erfordert. Zu diesem Zweck müssen folgende spezifische Fragen behandelt werden:

2.1

Auf einzelstaatlicher und regionaler Ebene:

In den einzelstaatlichen Haushaltsplänen sollten Lissabon-bezogene Prioritäten, einschließlich diesbezüglicher Mittel, deutlicher festgelegt werden;

die gesamte Kette der Bildungs- und Ausbildungssysteme sollte überprüft werden, und die Inhalte in den Bereichen Allgemeinbildung sowie wissenschaftliche und technische Ausbildung sollten so anspruchsvoll wie möglich sein, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, sich dem wandelnden Umfeld anzupassen und die Teilhabe der Bürger und die Qualität der Arbeitsplätze zu verbessern und Unternehmergeist und Innovation zu fördern;

der demografische Wandel und seine Auswirkungen auf die Finanzen, den Arbeitsmarkt und das Gesundheitswesen sind anzugehen;

eine innovative Arbeitsmarktreform sollte von Bestimmungen der Flexicurity geleitet sein, die gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit fördern und eine angemessene soziale Sicherheit schaffen;

die in Barcelona gesteckten Ziele bezüglich Investitionen in FuE sollten erreicht werden;

die Mitgliedstaaten müssen den Austausch bewährter Verfahren richtig nutzen, die unter anderem den Vorteil haben, dass sie die Konvergenz europaweiter Ziele fördern.

2.2

Auf europäischer Ebene:

Rat und Kommission sollten Zeitpläne und Fristen für die gemeinsam vereinbarten Prioritäten festlegen;

erforderlich ist eine gemeinsame Energiepolitik;

die Bewältigung des Klimawandels ist von großer Bedeutung;

die europäischen Fonds (der Regionalfonds, der Sozialfonds und das 7. Forschungsrahmenprogramm) und die sonstigen EU-Finanzinstrumente wie das Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation sollten den Prioritäten der Lissabon-Strategie entsprechen.

2.3

Auf sämtlichen Ebenen bedarf es folgender Maßnahmen:

Es ist eine spezifischere und konkretere Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern und anderen Beteiligten bei der Formulierung und Begleitung Lissabon-bezogener Maßnahmen vonnöten;

entscheidend sind eine Agenda zur besseren Rechtsetzung und ein gut funktionierender Binnenmarkt, welche die Ziele der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Entwicklung im Kontext weltweiter Veränderungen angehen.

3.

Der EWSA fordert den Europäischen Rat auf, diesen oben skizzierten Ansatz voll und ganz zu unterstützen und die organisierte Zivilgesellschaft als einen aktiveren Beteiligten bei der Umsetzung der überarbeiteten Lissabon-Strategie einzubeziehen.

Brüssel, den 15. Februar 2007.

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS