ISSN 1725-2407

Amtsblatt

der Europäischen Union

C 93

European flag  

Ausgabe in deutscher Sprache

Mitteilungen und Bekanntmachungen

50. Jahrgang
27. April 2007


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III   Vorbereitende Rechtsakte

 

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

 

432. Plenartagung vom 17. und 18. Januar 2007

2007/C 093/01

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates: Einführung eines Gemeinschaftsprogramms zur Verbesserung der Funktionsweise der Steuersysteme im Binnenmarkt (Fiscalis 2013)KOM(2006) 202 endg. — 2006/0076 (COD)

1

2007/C 093/02

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Wirkung und Folgen der Strukturpolitik für den Zusammenhalt in der EU

6

2007/C 093/03

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Abgaben, Zölle, Steuern und sonstige MaßnahmenKOM(2006) 605 endg. — 2006/0192 (CNS)

15

2007/C 093/04

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 89/665/EWG und 92/13/EWG des Rates zwecks Verbesserung der Wirksamkeit der Nachprüfungsverfahren im Bereich des öffentlichen AuftragswesensKOM(2006) 195 endg./2 — 2006/0066 (COD)

16

2007/C 093/05

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 92/49/EWG des Rates sowie der Richtlinien 2002/83/EG, 2004/39/EG, 2005/68/EG und 2006/48/EG betreffend Verfahrensregeln und Bewertungskriterien für die aufsichtliche Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von Beteiligungen im FinanzsektorKOM(2006) 507 endg. — 2004/0166 (COD)

22

2007/C 093/06

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Überprüfung des Binnenmarktes

25

2007/C 093/07

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über eine Regelung zum Ausgleich der Mehrkosten bei der Vermarktung bestimmter Fischereierzeugnisse der Azoren, Madeiras, der Kanarischen Inseln und der französischen Departements Guayana und Réunion im Zeitraum 2007 bis 2013KOM(2006) 740 endg. — 2006/0247 (CNS)

31

2007/C 093/08

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen

32

2007/C 093/09

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Menschenwürdige Arbeit für alle — Der Beitrag der Europäischen Union zur weltweiten Umsetzung der Agenda für menschenwürdige ArbeitKOM(2006) 249 endg.

38

2007/C 093/10

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 89/391/EWG des Rates und ihrer Einzelrichtlinien sowie der Richtlinien des Rates 83/477/EWG, 91/383/EWG, 92/29/EWG und 94/33/EG im Hinblick auf die Vereinfachung und Rationalisierung der Berichte über die praktische DurchführungKOM(2006) 390 endg. — 2006/0127 (COD)

42

2007/C 093/11

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Der Zustand der europäischen Gesellschaft — eine Bestandsaufnahme

45

DE

 


III Vorbereitende Rechtsakte

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

432. Plenartagung vom 17. und 18. Januar 2007

27.4.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 93/1


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates: Einführung eines Gemeinschaftsprogramms zur Verbesserung der Funktionsweise der Steuersysteme im Binnenmarkt (Fiscalis 2013)“

KOM(2006) 202 endg. — 2006/0076 (COD)

(2007/C 93/01)

Der Rat beschloss am 23. Juni 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 7. Dezember 2006 an. Berichterstatter war Herr BURANI.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 432. Plenartagung am 17. und 18. Januar 2007 (Sitzung vom 17. Januar) mit 153 gegen 2 Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Ausschuss ist im Großen und Ganzen mit dem von der Kommission vorgelegten Dokument einverstanden, möchte aber einige Überlegungen dazu vorbringen sowie einige Vorbehalte zu klärungsbedürftigen Aspekten äußern.

1.2

In Bezug auf den Ausbildungsbereich beziehen sich diese Überlegungen auf die bislang durchgeführten Maßnahmen: Es hat den Anschein, dass gemeinsame Seminare auf Unionsebene zu kostspielig sind, setzt man diese zu den Ergebnissen in Beziehung. Es stellt sich die Frage, ob die Ressourcen nicht vielmehr auf eine auf nationaler Ebene durchgeführte Fortbildung konzentriert werden sollten, bei der allerdings von der Kommission geschulte Fachleute eingesetzt werden. Die Ausbildung der Ausbilder sollte folglich zum Kernpunkt des Gemeinschaftsprogramms werden.

1.3

Die Vorbehalte betreffen nicht eindeutige Aspekte im Zusammenhang mit der Bereitstellung der Daten seitens der Steuerbehörden für andere Behörden: die Bedingungen und Modalitäten für den Datenzugang letztgenannter sind nicht geklärt und geben Anlass zu gewissen Bedenken, insbesondere in Bezug auf den Schutz der Privatsphäre. Auch die Frage des Eigentums und der Verfügbarkeit der Daten sollte geklärt werden, ebenso bleiben die Kriterien für die Ermittlung der Kosten, die Dritten für die Bereitstellung der Daten in Rechnung gestellt werden, unklar.

2.   Einleitung

2.1

Die Zoll- und Steuerbehörden spielen bei der Durchführung der Kontrollen an den Außengrenzen und beim Schutz der finanziellen und sonstigen Interessen der Gemeinschaft eine grundlegende Rolle. Angesichts neuer Herausforderungen und ständiger Veränderungen sind — besonders im EDV-Bereich — Verbesserungen und Weiterentwicklungen notwendig. In der Mitteilung wird ein Gemeinschaftsprogramm zur Verbesserung der Funktionsweise der Steuersysteme im Binnenmarkt (Fiscalis 2013) vorgestellt.

2.2

Die von der Gemeinschaft zu tragenden Betriebskosten lassen sich in zwei Hauptkategorien einteilen: gemeinsame Maßnahmen und IT-Maßnahmen. Zu den gemeinsamen Maßnahmen gehören Seminare, Projektgruppen, Arbeitsbesuche, multilaterale Prüfungen und Fortbildungsmaßnahmen. Zu den IT-Maßnahmen zählen der Betrieb und die Weiterentwicklung vorhandener transeuropäischer Systeme und die Entwicklung neuer Systeme. Für den Zeitraum 2008-2013 sind insgesamt 156,9 Mio. EUR aus dem Gemeinschaftshaushalt bereitzustellen. Das Programm 2013 läuft entsprechend der Geltungsdauer der Finanziellen Vorausschau 2007-2013 über sechs Jahre.

2.3

In der Einleitung des Dokuments „Zwischenevaluierung des Programms Fiscalis 2007“ (1) werden insbesondere zum einen die Kandidatenländer genannt, denen die Möglichkeit geboten wird, auf praktische Mittel zurückzugreifen, damit die Steuerverwaltungen dieser Länder allen ihnen nach dem Gemeinschaftsrecht obliegenden Aufgaben vom Tage ihres Beitritts an gerecht werden können. Zum anderen werden die Partnerländer der Europäischen Nachbarschaftspolitik erwähnt, die unter gewissen Bedingungen die Möglichkeit haben, an ausgewählten Aktivitäten des Programms teilzunehmen.

2.4

Bei der Zwischenevaluierung wurde ferner bestätigt, dass das Teilen von Informationen und der Austausch von Kenntnissen zwischen den Verwaltungen sowie zwischen den Verwaltungen und der Kommission besser strukturiert und das auf den Programmveranstaltungen erworbene Wissen konsolidiert werden muss. Diese Aspekte sollten daher in ganz besonderem Maße beachtet werden.

3.   Wesentlicher Inhalt des Vorschlags für eine Entscheidung

3.1

Nach einer kurzen Erläuterung des Aktionsprogramms Fiscalis 2013, die auf die Begriffsbestimmungen und die Inhalte eingeht, werden die Ziele des Programms genannt. Diese umfassen:

a)

im Bereich der Mehrwertsteuer, der Verbrauchsteuer, der Einkommens- und Kapitalsteuer:

i)

die Gewährleistung, dass der Informationsaustausch und die Verwaltungszusammenarbeit auf effiziente, wirksame und umfassende Weise erfolgen;

ii)

die Schaffung der Voraussetzungen dafür, dass die Beamten einen gemeinsamen hohen Kenntnisstand in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht und seine Anwendung in den Mitgliedstaaten erwerben;

iii)

die stetige Verbesserung der Verwaltungsverfahren zur Berücksichtigung der Bedürfnisse der Verwaltungen und der Steuerzahler durch Entwicklung und Verbreitung von bewährten Verwaltungspraktiken;

b)

im Bereich der Steuern auf Versicherungsprämien die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungen zur Gewährleistung einer besseren Anwendung der geltenden Vorschriften;

c)

im Bereich der Kandidatenländer und möglicher Kandidatenländer, die Berücksichtigung der besonderen Erfordernisse dieser Länder im Bereich des Steuerrechts und der Verwaltungskapazitäten;

d)

im Bereich der Drittländer, insbesondere der Partnerländer der Europäischen Nachbarschaftspolitik, die Verbesserung der Zusammenarbeit der Steuerbehörden dieser Länder.

3.2

Die Kommission erlässt jährlich ein Arbeitsprogramm, um diese Ziele erreichen zu können. Das Programm entwickelt sich mithilfe der Kommunikations- und Informationsaustauschsysteme, die von der Kommission für alle Teilnehmerländer zur Verfügung gestellt werden. Diese umfassen verschiedene Netzwerke und gemeinsame Systeme wie z.B. CCN/CSI, MIAS und EMCS. Die nichtgemeinschaftlichen Elemente dieser Systeme umfassen die angeschlossenen einzelstaatlichen Datenbanken, die Vernetzung zwischen den gemeinschaftlichen und den nichtgemeinschaftlichen Elementen sowie die Hard- und Software, die die betreffenden Mitgliedstaaten für erforderlich halten, um deren Funktionstüchtigkeit für ihre eigenen Verwaltungen zu gewährleisten. Die teilnehmenden Länder stellen die ständige Einsatzbereitschaft der nichtgemeinschaftlichen Elemente sicher und gewährleisten die Interoperabilität zwischen diesen und den gemeinschaftlichen Elementen. Die Kommission koordiniert ihrerseits in Zusammenarbeit mit den Teilnehmerländern die verschiedenen Aspekte von Installation und Betrieb der gemeinschaftlichen und nichtgemeinschaftlichen Elemente der Systeme und Infrastrukturen.

3.3

Die Kommission und die Teilnehmerländer organisieren gemeinsam Seminare und Projektgruppen und sorgen für die Verbreitung der Ergebnisse. Die Teilnehmerländer organisieren ihrerseits Arbeitsbesuche für ihre Beamten. Ferner gewährleistet die Kommission in Zusammenarbeit mit den Teilnehmerländern die systematische und strukturierte gemeinsame Nutzung der sich aus den Programmaktivitäten ergebenden Informationen.

3.4

Die Ausgaben für die Durchführung des Programms werden zwischen der Gemeinschaft und den teilnehmenden Ländern aufgeteilt.

Die Gemeinschaft übernimmt folgende Ausgaben:

a)

die Kosten für die Anschaffung, Entwicklung, Einrichtung, Wartung und den täglichen Betrieb der gemeinschaftlichen Elemente der in Artikel 6 Absatz 3 genannten Kommunikations- und Informationsaustauschsysteme;

b)

die den Teilnehmerländern im Zusammenhang mit multilateralen Prüfungen, Arbeitsbesuchen, Seminaren und Projektgruppen entstehenden Reise- und Aufenthaltskosten der Beamten;

c)

die bei der Organisation von Seminaren entstehenden Kosten sowie die durch die Teilnahme von externen Sachverständigen und der in Artikel 11 genannten Vertreter entstehenden Reise- und Aufenthaltskosten;

d)

die Kosten für die Anschaffung, Entwicklung, Einrichtung und Wartung der Schulungssysteme und -module, sofern sie allen Teilnehmerländern gemeinsam sind;

e)

die Kosten für alle sonstigen in Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe f genannten Tätigkeiten.

Die Teilnehmerländer übernehmen folgende Kosten:

a)

die Kosten für die Entwicklung, den Erwerb, die Einrichtung und Wartung der nichtgemeinschaftlichen Elemente für die in Artikel 6 Absatz 4 beschriebenen Kommunikations- und Informationsaustauschsysteme;

b)

die Kosten der beruflichen Grund- und Fortbildung ihrer Beamten, einschließlich Sprachkurse.

3.5

Bezüglich der Kontrolle wird — ohne Nennung weiterer Details — angegeben, dass das Programm einem laufenden Monitoring unterzogen wird, das von den Teilnehmerländern und der Kommission gemeinsam durchgeführt wird. Ferner sind zwei Evaluierungen in Form eines Zwischen- und eines Abschlussberichts vorgesehen.

4.   Einleitung: Die Leitprinzipien des Programms

4.1

Die Vorlage des Kommissionsdokuments stellt eine Bringschuld dar, da die Kommission damit ihrer gegenüber dem Europäischen Parlament und dem Rat eingegangenen Verpflichtung gemäß Artikel 15 Absatz 4 Buchstabe a der Entscheidung über das Programm Fiscalis 2003-2007 nachkommt. Auf der Grundlage dieser Verpflichtung hat die Kommission eine Mitteilung (KOM(2005) 111 endg. vom 6.4.2005) angenommen, in der sie die erforderliche Neuauflage der beiden Programme Fiscalis 2013 und Zoll 2013 als Folgeprogramme der Programme Fiscalis 2003-2007 und Zoll 2007 bekräftigt. Der Ausschuss befasst sich in dem vorliegenden Dokument mit dem Programm Fiscalis, auf das Programm Zoll 2013 geht er in einer gesonderten Stellungnahme ein.

4.2

Mit dem Programm 2013, das den Zeitraum 2008-2013 abdeckt, werden keine wesentlichen Neuerungen in Bezug auf das laufende Programm eingeführt. Vielmehr soll gemäß der Neubelebung der Lissabon-Strategie dessen Wirksamkeit verbessert werden. Es zielt folglich darauf ab, die Zusammenarbeit zwischen den Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten (und der künftigen Beitrittsländer) weiterzuentwickeln, damit die bereits im anfänglichen Programm aufgestellten Ziele erreicht werden:

die gemeinsame Anwendung der steuerlichen Vorschriften der Gemeinschaft;

den Schutz der finanziellen Interessen der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft;

das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes durch die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuervermeidung;

die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen und

die Senkung der Kosten, die den Verwaltungen und Steuerpflichtigen durch die Beachtung der Rechtsvorschriften entstehen.

4.3

Das Kommissionsdokument basiert auf einer eingehenden Untersuchung der gegenwärtigen Lage, die durch Besuche in mehreren Mitgliedstaaten sowie Kontakte mit den Verwaltungen, Fachleuten sowie Steuerpflichtigen ergänzt wurde. Im Ergebnis wird das Programm konzipiert als „Weiterführung des 2007-Programms, verstärkt durch zusätzliche finanzielle Mittel zur Unterstützung neuer politischer Initiativen auf der einen Seite und eine geringfügige Erhöhung des Budgets aller anderen Teilrubriken auf der anderen Seite“. Der Ausschuss erklärt sich mit der Wahl dieser Option einverstanden.

4.4

Wie bereits unter Ziffer 2.2 ausgeführt, belaufen sich die Gesamtkosten des Programms 2008-2013 auf 168,47 Mio. EUR: der Großteil dieses Betrags, 156,9 Mio. EUR, entfällt auf die Betriebskosten zu Lasten des Gemeinschaftshaushalts. Zu den gemeinsamen Maßnahmen gehören Seminare, Projektgruppen, Arbeitsbesuche, multilaterale Prüfungen, Fortbildungsmaßnahmen und alle sonstigen Aktivitäten zur Realisierung der Ziele. Zu den IT-Maßnahmen zählen der Betrieb und die Weiterentwicklung der vorhandenen transeuropäischen Systeme und die Entwicklung neuer Systeme.

5.   Allgemeine Bemerkungen

5.1

Der Ausschuss teilt voll und ganz die Auffassung, dass das Programm Fiscalis gemäß den bereits aufgezeigten Grundzügen weitergeführt werden muss. Die Kommissionsinitiative ist folglich zu unterstützen, insbesondere in der Hoffnung auf die Verbesserung einiger Aspekte, vor allem in Bezug auf die Wirksamkeit der gemeinsamen Fortbildungsprogramme und den Sprachengebrauch. Andererseits hat die Kommission bereits selbst in einem Dokument auf diese Defizite hingewiesen und dabei auch Lösungen zur Abhilfe aufgezeigt (2).

5.2

Die Fortbildung kann in zwei maßgebliche Kategorien unterteilt werden: in gemeinschaftliche Fortbildungsmaßnahmen, die durch den Gemeinschaftshaushalt finanziert werden, und in die einzelstaatliche Fortbildung, die im Prinzip von den entsprechenden Mitgliedstaaten finanziert werden. Der Begriff „Fortbildung “umfasst die eigentliche Schulung (d.h. die Unterrichtung in bestimmten technischen, rechtlichen oder verwaltungsspezifischen Themenbereichen unter der Anleitung von Fachleuten), Seminare (die im Allgemeinen einen interdisziplinären Ansatz haben und für Akteure verschiedener Länder offen stehen) sowie den Austausch von Bediensteten (Einzelpersonen oder Gruppen).

5.3

Die Kommission gibt in dem in Ziffer 3.1 zitierten Vorschlag für eine Entscheidung einen detaillierten Bericht über die ersten Ergebnisse der Fortbildungsprogramme, der einen nur in Maßen zufrieden stellenden Gesamteindruck vermittelt. In dem Dokument werden verschiedene Mängel und Missstände keineswegs verschwiegen und Lösungswege zur Beseitigung oder Reduzierung der Defizite aufgezeigt. Andererseits können diese Probleme aufgrund der Komplexität des Programms, der Anzahl der beteiligten Mitgliedstaaten, der Unterschiedlichkeit der bestehenden Systeme, des unterschiedlichen Erfahrungs- und Organisationsstands der nationalen Verwaltungen sowie schließlich aufgrund der Sprachenvielfalt auch gar nicht ausgeschlossen werden. Letztgenannter Aspekt stellt schließlich auch ein Hindernis für alle gemeinschaftsübergreifenden Programme dar, dessen Bedeutung viel zu häufig unterschätzt wird. Die Hauptaufgabe besteht nach wie vor darin, ein gemeinsames Mindestniveau für Kenntnisse und berufliche Fähigkeiten festzulegen, das sich zumindest mit Mindestparametern, die von allen Mitgliedstaaten akzeptiert und angewandt werden können, messen lässt.

5.4

Wie unter Ziffer 3.5 bereits ausgeführt, sorgt die Kommission für die Überwachung der korrekten Durchführung der Programme; nach Auffassung des Ausschusses ist es besonders wichtig, dass die korrekte Umsetzung gemeinschaftlicher Normen und die umfassende Berücksichtigung gemeinschaftlicher Werte überprüft wird. Diese Kontrollen sind von grundlegender Bedeutung: nicht nur aufgrund der notwendigen Überwachung der korrekten Verwendung von Gemeinschaftsmitteln gemäß den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechnungswesens, sondern auch, weil das Ausbildungsniveau der Beamten nicht nur dem Ermessen der Mitgliedstaaten überlassen bleiben sollte.

5.5

Angesichts der Vielschichtigkeit der Materie möchte der Ausschuss keine diesbezüglichen Empfehlungen aussprechen und beschränkt sich vielmehr auf einige möglichst objektive Bemerkungen, ohne sich über Gebühr darum zu kümmern, ob diese auch politisch korrekt sind.

5.5.1

Zunächst ist doch bekannt, dass das Niveau der Erfahrung und der beruflichen Fähigkeiten der einzelstaatlichen Beamten je nach Mitgliedstaat erhebliche Unterschiede aufweist. Deshalb ist es äußerst schwierig, ein gemeinsames Modul für Fortbildungsmaßnahmen zu finden, die in Form von Seminaren durchgeführt werden, die für eine Vielzahl von Teilnehmern offen stehen. Des Weiteren trägt die Sprachenvielfalt zur Verwirrung bei: Die aus dem direkten Kontakt mit der Sprache des Vortragenden resultierende Wahrnehmung ist eine Sache, eine ganz andere ist die über einen Dolmetscher vermittelte Botschaft. Ferner ist festzustellen, dass audiovisuelle Hilfsmittel (wie z.B. Dias, Schaubilder und Folien) von den Teilnehmern nicht in ihrer Muttersprache aufgenommen werden können (bekanntlich ist die visuelle Speicherung von Botschaften sehr wichtig). Kurzum, man kann sich durchaus fragen, ob diese Seminare — deren Veranstaltung mit einem hohen Aufwand in puncto Human- und Finanzressourcen verbunden ist — nicht auf ein Minimum beschränkt — oder zumindest auf eine spätere, durch größere „Reife “des Programms gekennzeichnete Phase verschoben werden sollten. Die aufgrund dieser Entscheidung erzielten Einsparungen an finanziellen Mitteln und Humanressourcen könnten eventuell zur — zumindest partiellen — Finanzierung der Fortbildung auf nationaler Ebene in denjenigen Ländern verwendet werden, die sich in einer relativ benachteiligten Lage befinden, was insbesondere die unlängst beigetretenen Mitgliedstaaten betrifft.

5.5.2

Im Evaluierungsdokument der Kommission bleibt ein Aspekt unerwähnt, der hingegen von grundlegender Bedeutung zu sein scheint: Die Fortbildung auf Gemeinschaftsebene der nationalen Ausbilder, die eine zentrale Funktion für das gesamte System haben sollte: Nur ein der Sprache der Teilnehmer mächtiger Ausbilder kann die umfassende Wirkung der Aussagen und insbesondere der Diskussionen, zentraler Bestandteil der Fortbildung, gewährleisten. Vor allem aber ist nur ein nationaler Ausbilder in der Lage, ein didaktisches Konzept für die Überleitung vom eigenen nationalen System — das er ausgezeichnet kennt — zum Gemeinschaftssystem anzuwenden. Die Auswahl des für diese Aufgabe geeigneten Personals sollte Aufgabe der einzelstaatlichen Behörden sein. Hohe berufliche Qualifikation und didaktische Fähigkeiten sollten grundlegende Voraussetzungen sein; dasselbe gilt für diejenigen, die für die gemeinschaftsspezifische Fortbildung der nationalen Ausbilder zuständig sind. Schließlich kann diese Art von Fortbildung nach Auffassung der Sachverständigen nicht im Rahmen von kurz andauernden Seminaren bewerkstelligt werden: dafür sind vielmehr Lehrgänge mit einer Laufzeit von mindestens mehreren Monaten erforderlich.

5.6

Ein ganz anderer, ebenfalls wichtiger Aspekt betrifft die Verbindung des Fiscalis-Systems mit dem System „Zoll 2013“, insbesondere in Bezug auf die MwSt und die Verbrauchsteuer. Der Ausschuss hat in seiner Stellungnahme zu dem „Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein papierloses Arbeitsumfeld für Zoll und Handel (3) auf den zweiten Erwägungsgrund des Vorschlags aufmerksam gemacht (4): „Im Rahmen der europaweiten Aktion “e-Government „[…] sind Maßnahmen erforderlich, […] um die Bekämpfung von Betrug, organisiertem Verbrechen und Terrorismus zu unterstützen.“In der Stellungnahme wird damit verdeutlicht, dass es mit einer engen und strukturierten Verbindung zwischen den Zollarchiven und den Mehrwertsteuerbehörden möglich wäre, etwaige Betrügereien bezüglich aus Drittstaaten eingeführter Waren — insbesondere die Fälschung von Ursprungskennzeichnungen — aufzudecken.

5.6.1

Im Programm Fiscalis fehlt jedweder Hinweis auf strukturierte Verbindungen des Fiscalis-Systems mit den Systemen anderer Verwaltungen; lediglich in Erwägungsgrund (5) des Vorschlags für eine Entscheidung über die Einführung des Gemeinschaftsprogramms heißt es, dass „es möglich sein (sollte), in dieses Programm weitere steuerbezogene Informationsaustauschsysteme, wie das System zur Kontrolle der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren (EMCS) “einzuschließen. Offensichtlich sind aber nur Informationen gemeint, die sich auf den Datenaustausch zwischen den Steuerbehörden beschränken.

5.6.2

In der unter Ziffer 5.6 genannten Stellungnahme verweist der Ausschuss auch auf Empfehlungen des Europäischen Parlaments und des Rates (5), in der eine Reihe von Maßnahmen zur „Aufnahme der Zusammenarbeit im Polizei-, Zoll- und Justizbereich “zur Umsetzung des Haager Programms  (6) im Bereich der Sicherheit der Union genannt werden; der Begriff Sicherheit schließt dabei auch die Bekämpfung des grenzüberschreitenden Handels mit verbotenen oder beschränkt handelbaren Waren ein. Eine Verbindung, wie in der vorstehenden Ziffer genannt, würde Kontrollen durch den Zoll ermöglichen, die gegenwärtig nicht möglich sind: Dies wäre ein indirekter Beitrag der Zollbehörden zum Haager Programm. Der Ausschuss ist sich sehr wohl der Tatsache bewusst, dass ein solches Vorhaben bei bereits laufenden Programmen und mittlerweile konsolidierten Verfahren nicht mehr verwirklicht werden kann. Bleibt nur die Empfehlung auszusprechen, dass strukturierte Verknüpfungen zwischen den verschiedenen Datenbanken der EU und der Mitgliedstaaten Bestandteil der strategischen Programme der Union werden sollten, und zwar nicht nur aus Gründen der Sicherheit, sondern auch aufgrund anderer wirtschafts- und sozialpolitischer Zielsetzungen.

6.   Besondere Bemerkungen

6.1

Artikel 3: Teilnahme am Programm. Das Programm steht — neben den Mitgliedstaaten — offen für die Kandidatenländer, auch für die potenziellen Kandidatenländer, sowie für einige Partnerländer der Europäischen Nachbarschaftspolitik, falls sie ein ausreichendes Niveau der Anpassung der betroffenen Gesetzgebung erreicht haben. Der Zweck dieser Vorschrift ist sicherlich begrüßenswert und steht in Übereinstimmung mit der Schaffung eines möglichst großen „Raums der Steuer“. Der Ausschuss fragt sich indes, ob das Projekt angesichts der beschränkten Ressourcen und der bereits bei der Durchführung aufgetretenen Schwierigkeiten — die durch die Aufnahme weiterer Teilnehmer noch zunehmen würden — nicht zu ambitiös ist.

6.2

Artikel 6: Kommunikations- und Informationsaustauschsysteme. Die gemeinschaftlichen Elemente des Systems beschränken sich auf die Hardware, die Software und die Vernetzung aller Teilnehmerländer. Sämtliche sonstigen Bestandteile (die Datenbanken, die Vernetzung zwischen den gemeinschaftlichen und den nichtgemeinschaftlichen Elementen sowie die Hard- und Software, die die Mitgliedstaaten für die Funktionstüchtigkeit ihrer Systeme benötigen) werden den nichtgemeinschaftlichen Elementen zugerechnet.

6.2.1

Die oben genannte Klassifizierung scheint korrekt zu sein; jedoch weckt die in Absatz 6 genannte Bestimmung gewisse Zweifel, derzufolge „die Kommission (...) beschließen (kann), das Kommunikations- und Informationsaustauschsystem anderen öffentlichen Verwaltungen für steuerrelevante oder andere Zwecke zur Verfügung zu stellen, sofern sie einen finanziellen Beitrag zum Programmbudget leisten“. Die Formulierung „oder andere Zwecke “ist ausgesprochen vieldeutig: Die Kommission muss angeben, welche andere öffentlichen Verwaltungen berechtigt sind, Informationen zu erhalten und welche Garantien sie zu geben haben bzw. welche Kontrollen dabei durchzuführen sind. Der Ausschuss empfiehlt, zur Beseitigung aller Zweifel auszuführen, dass Informationen nur im Rahmen der justiziellen Zusammenarbeit und gemäß den geltenden Vorschriftenund stets gemäß den Bestimmungen zum Schutz der Privatsphärezur Verfügung gestellt werden können.

6.2.2

Nach Auffassung des Ausschusses muss die Vorschrift klarer werden: Auf den ersten Blick scheint die Kommission nicht die Befugnis zu haben, Informationen, die sicherlich Eigentum der Mitgliedstaaten sind, wenn sie in den Datenbanken dieser Länder enthalten sind, Dritten — wer auch immer diese sein mögen — zur Verfügung zu stellen. Wenn es sich hingegen um Informationen handelt, die sich in unmittelbarem Besitz der Kommission befinden, stellt sich die Frage, ob diese frei und ohne Zustimmung oder Benachrichtigung der Mitgliedstaaten über diese verfügen kann. Anders ausgedrückt: Sind die der Kommission übermittelten oder von ihr aufbereiteten Daten automatisch rechtmäßiges Eigentum der Kommission? Mit welchen Kriterien werden die Kosten ermittelt, die Dritten auferlegt werden, und wem stehen die dadurch eingenommenen Beträge zu? Und können Daten im Besitz der Kommission überhaupt Dritten zur Verfügung gestellt werden, ohne dass die betroffenen Mitgliedstaaten hierüberim Voraus oder im Nachhineininformiert werden? Der Ausschuss misst diesen Fragen grundlegende Bedeutung bei und ist der Auffassung, dass sie eine Antwort erforderlich machen, die die Haltung der Kommission unmissverständlich klärt.

Brüssel, den 17. Januar 2007

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  SEK(2005) 1045, Arbeitsdokument der KommissionsdienststellenZwischenevaluierung des Programms Fiscalis 2007.

(2)  Siehe Fußnote 1.

(3)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Papierloses Arbeitsumfeld für Zoll und Handel“, ABl. C 318 vom 23.12.2006, Ziffer 2.5.

(4)  „Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein papierloses Arbeitsumfeld für Zoll und Handel“, KOM(2005) 609 endg.

(5)  „Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament — Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts: Bilanz des Tampere-Programms und Perspektiven “(KOM(2004) 401 endg.).

(6)  „Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Das Haager Programm: Zehn Prioritäten für die nächs-ten fünf Jahre. Die Partnerschaft zur Erneuerung Europas im Bereich der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts “(KOM(2005) 184 endg.).


27.4.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 93/6


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Wirkung und Folgen der Strukturpolitik für den Zusammenhalt in der EU“

(2007/C 93/02)

Das Europäische Parlament beschloss am 20. Juli 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgendem Thema zu ersuchen: „Wirkung und Folgen der Strukturpolitik für den Zusammenhalt in der EU“.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 7. Dezember 2006. an. Berichterstatter war Herr DERRUINE.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 432. Plenartagung am 17./18. Januar 2007 (Sitzung vom 18. Januar) mit 164 gegen 2 Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Diese Sondierungsstellungnahme wurde aufgrund des Schreibens des Präsidenten des Europäischen Parlaments vom 20. Juli 2006 erarbeitet, in dem der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss um einen Beitrag ersucht wurde, der in den Bericht des EP über die Wirkung und die Folgen der Strukturpolitik für den Zusammenhalt in der EU einfließen soll.

1.2

Der EWSA erinnert daran, dass im Geiste des Vertrages (Artikel 2, 158 und 159) alle Politiken zum Ziel des Zusammenhalts beitragen müssen, das nicht allein Sache der Strukturpolitik sein kann. Darauf hat der Europäische Rat auf seiner Tagung im März 2006 erneut hingewiesen.

1.3

Nach Auffassung des EWSA kann der Zusammenhalt nicht allein mit BSP-Indikatoren erfasst werden. Er dringt daher auf einen „repräsentativeren Indikator“, der „neben dem BIP […] u.a. auch Parameter wie die Beschäftigungs- und Arbeitslosenquote, den Umfang des sozialen Schutzes und den Grad der Inanspruchnahme von Leistungen der Daseinsvorsorge beinhalten “soll.

1.4

Die Maßnahmen zur Stärkung des Zusammenhalts sollten — auch in ihrer territorialen Dimension — in den nationalen Reformplänen im Rahmen der Lissabon-Strategie, im Lissabon-Gemeinschaftsprogramm, in den von der Kommission vorgeschlagenen integrierten Leitlinien wie auch in den von ihr durchgeführten Wirkungsanalysen stärkere Berücksichtigung finden.

1.5

Struktur- und Kohäsionsfonds haben schon früh die Zielsetzungen der Lissabon-Strategie in all ihren Dimensionen vorweggenommen — Wachstum, Zusammenhalt, Arbeitsplätze und Arbeitsqualität, ökologische Nachhaltigkeit — und zur Festigung des europäischen Sozialmodells beigetragen.

1.6

Sie haben eine unbestreitbare Wirkung hervorgebracht, die es den in Bezug auf Beschäftigung, Wachstum und Infrastrukturen schlechter gestellten Ländern und Regionen ermöglicht hat, eine Verringerung des Rückstands einzuleiten. Sie haben Hebelwirkungen erzielt und die Verankerung des (noch verbesserungsfähigen) Grundsatzes der Partnerschaft vor Ort bewirkt. Sie haben dazu beigetragen, die lokalen Verwaltungen zu mehr Disziplin anzuspornen und die Wahrnehmung der EU in der Öffentlichkeit zu gewährleisten.

1.7

Die Strukturpolitik unterstützt zugleich auch den Binnenmarkt dank der Handelsströme und der Beschäftigungssteigerung, die durch die Planung und Durchführung der im Rahmen der Strukturfonds geförderten Projekte erzeugt werden, die im Übrigen ohne die Katalysatorfunktion der Gemeinschaftsintervention in den meisten Fällen nicht zustande gekommen wären.

1.8

Dennoch stellt der EWSA fest, dass der historische Konsens, der auf einen Ausbau der Strukturfonds (Instrumente und Mittel) im Einklang mit der Entwicklung des Binnenmarkts und der einheitlichen Währung ausgelegt war, in den letzten Jahren zerbrochen ist.

1.9

Im Lauf der Zeit hat sich das durch die Großstädte London, Hamburg, München, Mailand und Paris begrenzte Polygon, wo auf 20 % der Fläche der EU 40 % der Bevölkerung leben und 50 % des Wohlstands erzeugt werden, zur Wachstumslokomotive entwickelt, die die anderen europäischen Regionen „mitgezogen “hat. Aufgrund der jüngsten wie auch der noch anstehenden Erweiterungen muss über die Förderung weiterer dynamischer Großregionen nachgedacht werden, um den gesamten Gemeinschaftsraum zu erfassen.

1.10

Dies erfordert angemessene Infrastrukturen, die nicht nur diese Regionen untereinander, sondern auch die städtischen Zentren und ihre ländlichen Randgebiete innerhalb dieser Regionen verbinden. Jedoch stehen die im Rahmen der Finanziellen Vorausschau und des Stabilitäts- und Wachstumspakts beschlossenen Haushaltsbeschränkungen ihrer Modernisierung entgegen.

1.11

Nach Auffassung des EWSA muss über die im Stabilitäts- und Wachstumspakts festgelegten finanziellen Leitvorgaben und ihre Folgen für die Finanzierung der transeuropäischen Netze — und zwar insbesondere für die fehlenden Teilstücke — nachgedacht werden, da die Projekte, die Gemeinschaftshilfe erhalten, von den einzelstaatlichen Behörden kofinanziert werden müssen.

1.12

Der Ausschuss wiederholt seinen Vorschlag, das Finanz-Engineering der Strukturfonds zu überdenken. Er hält es für notwendig, von der gegenwärtigen Praxis abzugehen, die nicht verwendeten Mittel an die Mitgliedstaaten zurückfließen zu lassen, um deren Beitrag zu verringern.

1.13

Der Ausschuss bekräftigt seine Forderung an die Kommission, erstens Vorschläge mit zwingender Wirkung für die Mitgliedstaaten zur Festlegung der Modalitäten für die Beteiligung der sozialen und wirtschaftlichen Akteure an der Strukturpolitik vorzulegen, und zweitens Indikatoren für den Konsultationsprozess in den Mitgliedstaaten zu erarbeiten. Er ist der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten in jedem Fall angeben sollten, wie sie den Rückfluss der Informationen über die Art und Weise der Umsetzung des Partnerschaftsprinzips für die Begleitausschüsse organisieren.

1.14

Der EWSA bittet das Europäische Parlament um seine Unterstützung, damit die in dieser Stellungnahme entwickelten Gedanken gebührend berücksichtigt werden, wenn 2008/2009 das Dokument der Kommission zur Reform des Gemeinschaftshaushalts vorgelegt und wenn künftig über die Zukunft Europas und den Beitrag der Regionalpolitik nachgedacht wird.

2.   Der Zusammenhalt gemäß dem Vertrag und seine Merkmale

2.1

Bereits 1957 wurde im EWG-Vertrag von Rom das Bestreben verankert, „den Abstand zwischen einzelnen Gebieten und den Rückstand weniger begünstigter Gebiete [zu] verringern“. Im Vertrag von Amsterdam wird eine „ausgewogene und nachhaltige Entwicklung“ als einer der Grundsätze der Gemeinschaft festgeschrieben. Dieses Ziel wird auch in Artikel 158 genannt: „Die Gemeinschaft entwickelt und verfolgt weiterhin ihre Politik zur Stärkung ihres wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts, um eine harmonische Entwicklung der Gemeinschaft als Ganzes zu fördern. Die Gemeinschaft setzt sich insbesondere zum Ziel, die Unterschiede im Entwicklungsstand der verschiedenen Regionen und den Rückstand der am stärksten benachteiligten Gebiete oder Inseln, einschließlich der ländlichen Gebiete, zu verringern.“

2.2

Artikel 159 besagt Folgendes: „Die Mitgliedstaaten führen und koordinieren ihre Wirtschaftspolitik in der Weise, dass auch die in Artikel 158 genannten Ziele erreicht werden. Die Festlegung und Durchführung der Politiken und Aktionen der Gemeinschaft sowie die Errichtung des Binnenmarkts berücksichtigen die Ziele des Artikels 158 und tragen zu deren Verwirklichung bei. Die Gemeinschaft unterstützt auch diese Bemühungen durch die Politik, die sie mit Hilfe der Strukturfonds (Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die LandwirtschaftAbteilung Ausrichtung, Europäischer Sozialfonds, Europäischer Fonds für regionale Entwicklung), der Europäischen Investitionsbank und der sonstigen vorhandenen Finanzierungsinstrumente führt.“

2.3

An dieser Stelle muss unterstrichen werden, dass im Geiste des Vertrages alle Politiken zu diesem Ziel des Zusammenhalts beitragen müssen, das nicht allein Sache der Strukturpolitik sein kann. Darauf hat der Europäische Rat auf seiner Tagung im März 2006 nochmals hingewiesen (1).

2.4

Vor weiteren Überlegungen sollte zunächst einmal definiert werden, was unter „Zusammenhalt “zu verstehen ist. Sehr häufig wird dieser mit dem Pro-Kopf-BIP als Indikator erfasst. In seiner Stellungnahme zum „Beitrag der Gemeinschaftspolitiken zum wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt“  (2), hatte der Ausschuss bereits einen repräsentativeren Indikator für den Zusammenhalt vorgeschlagen, der „neben dem BIP […] u.a. auch Parameter wie die Beschäftigungs- und Arbeitslosenquote, den Umfang des sozialen Schutzes und den Grad der Inanspruchnahme von Leistungen der Daseinsvorsorge beinhalten“sollte.

2.5

Im Entwurf für einen Verfassungsvertrag wurde mit der Aufnahme der territorialen Dimension des Zusammenhalts eine Neuerung vorgenommen. Dieser Aspekt des Zusammenhalts war bis dahin vernachlässigt worden, trotz der Verabschiedung des Europäischen Raumentwicklungskonzepts (EUREK), das doch sehr wertvolle Informationen liefert und während des deutschen Vorsitzes aktualisiert werden soll, um die jüngsten wie auch die geplanten weiteren Beitritte zu berücksichtigen.

2.6

Im Einklang mit den Schlussfolgerungen einer informellen Ministertagung zum territorialen Zusammenhalt (3) sollte diese territoriale Dimension daher sowohl in die nationalen Reformpläne als auch in das Gemeinschaftsprogramm im Rahmen der Lissabon-Strategie einbezogen werden. Sie sollte auch von der Kommission nicht nur in ihren integrierten Leitlinien, sondern auch in ihren Wirkungsanalysen stärker berücksichtigt werden, bei denen bislang die Wettbewerbsfähigkeit als einziges Kriterium angelegt wurde.

3.   Weshalb Strukturpolitik und in welcher Form?

3.1

Bei der Abfassung der Römischen Verträge im Jahr 1957 waren sich die sechs Gründerstaaten der Tatsache bewusst, dass der Weg der wirtschaftlichen Integration Umstrukturierungen in den strategischen Sektoren Stahl und Kohle unvermeidlich machte. Sie schufen daher den Europäischen Sozialfonds (ESF), um die Folgen dieses industriellen Wandels durch die Finanzierung von Einstellungsbeihilfen und Ausbildungsmaßnahmen abzufedern.

3.2

Nach der ersten Beitrittswelle, die aus einer Gruppe von Ländern mit einem niedrigeren Wohlstandsniveau als das der sechs Gründerstaaten bestand, und in der Folge der Ölkrise und der dadurch ausgelösten schweren Wirtschaftskrise wurde im Jahr 1975 auf ausdrücklichen Wunsch des Vereinigten Königreichs, das mit erheblichen industriellen Umstrukturierungen fertig werden musste, der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) geschaffen. Dieses Instrument wurde 1988 neu gestaltet (und 1994 weiter verbessert), um ergänzend zum ESF und zum EAGFL-Ausrichtung die Regionen mit Entwicklungsrückstand finanziell zu unterstützen, wie z.B. durch produktive Investitionen zur Schaffung oder Erhaltung dauerhafter Arbeitsplätze, Infrastrukturinvestitionen, Hilfen für die KMU, Technologietransfer, Entwicklung geeigneter Finanzinstrumente, direkte Investitionsbeihilfen und Beihilfen für lokale Dienstleistungseinrichtungen.

3.3

Die Mitte der 80er Jahre ist durch neuerliche Erweiterungen gekennzeichnet, im Zuge derer junge Demokratien der EU beitreten, die es zu konsolidieren gilt. Die Entscheidungsträger auf europäischer Ebene bekunden den politischen Willen zur Anhebung dieser Länder auf das Niveau der bestehenden Mitgliedstaaten und demonstrieren ihre Bereitschaft zur Verwirklichung dieser finanziellen Solidarität durch die Verdoppelung der für die Strukturfonds (sowie für die EAGFL-Ausrichtung mit Ziel 5b) bereitgestellten Haushaltsmittel. Der wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt wird in die Ziele des Vertrages aufgenommen, und die Haushaltsmittel für die Regionalpolitik werden verdoppelt, um die Konvergenz zu unterstützen. Die Idee, dass das Aufholen des Rückstands nicht über Sozialdumping verwirklicht werden darf, sondern unter Wahrung des Acquis communautaire und mit Hilfe von Regionalentwicklungsprogrammen, an denen die Sozialpartner beteiligt werden, erreicht werden muss, ist fest in den Köpfen verankert. Es wird auch allseits anerkannt, dass das freie Spiel der Marktkräfte nicht ausreicht, um den von der Gründervätern angestrebten Zusammenhalt herbeizuführen, und dass für diesen Zusammenhalt öffentliche Interventionen zur Herstellung eines Gleichgewichts zwischen den Regionen unverzichtbar sind. Seit 1988 wird Kohäsionspolitik betrieben. Ihr Ziel ist die Verringerung der Unterschiede im Entwicklungsstand zwischen den einzelnen Regionen der EU, die Kompensation der Spannungen und Ungleichgewichte, die infolge der nationalen Anstrengungen zur Einhaltung der WWU-Bestimmungen auftreten.

3.4

Aus den vorhergehenden Absätzen wird deutlich, dass die Struktur- und Kohäsionsfonds schon früh die Zielsetzungen der Lissabon-Strategie in all ihren Dimensionen vorweggenommen haben — Wachstum, Zusammenhalt, Arbeitsplätze und Arbeitsqualität sowie ökologische Nachhaltigkeit.

3.5

1994 wird der Kohäsionsfonds errichtet. Die Empfänger sind im Gegensatz zum EFRE nicht mehr die Regionen, sondern die Länder. Genauer gesagt ist er für diejenigen Länder bestimmt, deren Pro-Kopf-BSP weniger als 90 % des Gemeinschaftsdurchschnitts beträgt, und zwar für Umwelt- und Verkehrsinfrastrukturvorhaben.

3.6

Anlässlich der Ausarbeitung der Kommissionsvorschläge für die Finanzielle Vorausschau 2007-2013 hatte EU-Kommissar Michel Barnier darauf hingewiesen, dass angesichts der Zunahme der Disparitäten infolge der europäischen Wiedervereinigung von 2004 die Höhe der für die Strukturpolitik bereitgestellten Mittel 0,45 % des Gemeinschafts-BIP nicht unterschreiten dürfe, da ansonsten der Zusammenhalt in Gefahr geraten würde. Letztendlich wurde der Etat mit 0,37 % des BIP (4) festgesetzt, was vom Ausschuss als nicht hinnehmbar bezeichnet wurde. Die Regierungen waren nicht bereit, sich auch gegenüber den neuen Mitgliedstaaten um Solidarität zu bemühen.

3.7

Dieser kurze Rückblick in die Vergangenheit lässt einen historischen Konsens erkennen, der bis vor einigen Jahren noch bestanden hat und auf einen Ausbau der Strukturfonds (vom Inhalt wie auch von der Mittelausstattung her) in Abhängigkeit von den von der Union zu bewältigenden Aufgaben (Vertiefung des Binnenmarktes, einheitliche Währung, neue Beitritte) ausgelegt war. Es ist anzumerken, dass dieser Konsens quer durch alle in den Gemeinschaftsinstitutionen vertretenen Parteienfamilien ging. Der Bruch dieses stillschweigenden Einvernehmens entlarvt die großen Worte über das „Europäische Sozialmodell“.

4.   Auswirkungen von Struktur- und Kohäsionsfonds

4.1

Die Auswirkungen der Strukturfonds auf den Zusammenhalt lassen sich nur schwer schätzen, da keine ununterbrochenen statistischen Datenreihen von Eurostat über das BIP oder die Beschäftigung in den NUTS-2- und NUTS-3-Gebieten vorliegen. Es können jedoch zeitliche Verschiebungen von bis zu mehreren Jahren auftreten, ja es können sogar rund zehn Jahre vergehen, bis ein von der EU kofinanziertes Projekt operabel und profitabel wird. Dieser Zeitaspekt bedeutet jedoch nicht, dass die Strukturfonds keine kurzfristige Wirkung haben.

4.2

„Zwischen 1994 und 2001 lag das Wachstum des Pro-Kopf-BIP in den Kohäsionsländern — Irland nicht eingerechnet — jährlich 1 % über dem EU-Durchschnitt [3 % gegenüber 2 %] und mit Ausnahme von Griechenland ist der Anteil der Beschäftigten an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in all diesen Ländern weit überdurchschnittlich gestiegen. Andererseits war in Griechenland — ebenso in Irland — das Wachstum der Arbeitsproduktivität in diesem Zeitraum mehr als doppelt so hoch wie die durchschnittliche EU-Rate, auch in Portugal lag es weit über dem Durchschnitt.“ (5)

4.3

„In Spanien lag das BIP im Jahr 1999 daher schätzungsweise rund 1,5 % höher, als es ohne Strukturinterventionen der Fall gewesen wäre, in Griechenland belief sich der Unterschied auf mehr als 2 %, in Irland auf fast 3 % und in Portugal auf mehr als 4,5 %. Bezüglich der neuen deutschen Bundesländer geht man davon aus, dass das BIP infolge der Strukturinterventionen um rund 4 % höher ausgefallen ist.“ (6)

4.4

Man könnte versucht sein, die tatsächliche Wirkung der Strukturfonds dadurch zu relativieren, dass der Erfolg durch die Konjunktur, einzelstaatliche politische Entscheidungen, andere sektorielle Gemeinschaftsmaßnahmen usw. erklärt wird. Die folgenden Elemente bestätigen jedoch tendenziell die Hypothese eines echten Mehrwerts der gemeinschaftlichen Strukturpolitik für den Zusammenhalt und die Konvergenz.

Jeder Euro, der auf EU-Ebene im Rahmen der Kohäsionspolitik ausgegeben wird, zieht weitere Ausgaben nach sich, die sich in den weniger entwickelten Regionen (derzeitiges Ziel 1) im Schnitt auf 0,9 EUR und in den in einem Umstrukturierungsprozess befindlichen Regionen (derzeitiges Ziel 2) auf 3 EUR belaufen.“  (7)

Zu den Strukturfonds insgesamt wird folgendes ausgesagt: „Man kann davon ausgehen, dass durchschnittlich rund ein Viertel der Strukturausgaben in Form einer Steigerung der Importe, insbesondere von Maschinen und Ausrüstungsgütern, in die übrige Union zurückfließen. Besonders ausgeprägt ist dieser Rückfluss im Fall von Griechenland (42 % der Ausgaben) und Portugal (35 %). (8)

4.5

Trotz dieser Anzeichen für eine schrittweise Annäherung der sozialen und wirtschaftlichen Leistung der Mitgliedstaaten ist eine nuanciertere Darstellung erforderlich, da dieser Vorgang auf der Ebene der Regionen sehr viel langsamer vonstatten geht.

4.5.1

„Ein unverhältnismäßig großer Teil der ADI [ausländischen Direktinvestitionen] fließt […] in die wirtschaftlich stärkeren anstatt in die schwächeren Teile der Union. […] Innerhalb der einzelnen Länder konzentrieren sich die ADI im Allgemeinen in und um die Großstädte, insbesondere die Hauptstädte, während nur ein sehr geringer Teil in die rückständigen Regionen fließt“ (9).

4.6

Zwischen 2000 und 2004 wurden im Rahmen der Kohäsionspolitik fast 3 600 Großprojekte genehmigt, von denen 1 600 mit Hilfe der Europäischen Investitionsbank (EIB) finanziert wurden. Die EIB wird zur Förderung des Zusammenhalts und zur Unterstützung der Lissabon-/Göteborg-Strategie in fünf Bereichen tätig: wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt, Initiative „Innovation 2010 “(i2i), transeuropäische Netze, Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität sowie Unterstützung der KMU. Besonders wirkungsvoll ist ihr Tätigwerden bei Großvorhaben, die mit erheblichen Risiken verbunden sind (große Infrastrukturprojekte, FuE-Vorhaben usw.). Mit Hilfe der Finanzierung innovativer Programme durch die EIB wird überdies eine Hebelwirkung zwischen 1:3 und 1:6 erzeugt.

4.7

Außerdem ist vor allem auch hervorzuheben, dass die Strukturpolitik nicht allein den Regionen und Mitgliedstaaten dabei hilft, ihr Entwicklungspotenzial durch Investitionen in ihr physisches Kapital, ihre Humanressourcen und in die Technologien auszuschöpfen, um Probleme im Zusammenhang mit einer starken Wirtschafts- bzw. Währungsintegration zu bewältigen (einheitliche Zinssätze und Wechselkurse, Liberalisierung, zunehmender Wettbewerb und die damit einhergehenden Umstrukturierungen und Entlassungen). Gleichzeitig unterstützt sie auch den Binnenmarkt durch die Handelsströme und die Beschäftigungssteigerung, die durch die Planung und Durchführung der im Rahmen der Strukturfonds geförderten Projekte erzeugt werden, die ohne die Katalysatorfunktion der Gemeinschaftsintervention im Übrigen in den meisten Fällen nicht zustande gekommen wären.

4.8

Neben den Überlegungen zum finanziellen Aspekt der Strukturpolitik dürfen einige weitere Effekte der Kohäsionspolitik nicht vernachlässigt werden:

Die Festlegung eines Finanzrahmens für einen Zeitraum von 7 Jahren, der eine gewisse Stabilität gewährleistet und eine angemessene Planung ermöglicht;

die Partnerschaft vor Ort, die mit den aus den Strukturfonds finanzierten Projekten einhergeht, auch wenn diese durchaus noch verbesserungsfähig ist; (10)

die Disziplin, zu der die Betreuung von teilweise durch die Union bezuschussten Projekten die lokalen Verwaltungen anspornt;

der Beitrag der realisierten Vorhaben zur Wahrnehmung der Union in den Augen der Bürger (wenn auch die einzelstaatlichen Regierungen nicht immer mitspielen und mitunter zu erwähnen „vergessen“, dass die Projekte — zumindest teilweise — auf europäische Initiative zurückgehen).

5.   Ein ungeeignetes Modell für ein erweiterbares Europa?

5.1

Das Projekt Europa hat seinen Weg zwar im letzten halben Jahrhundert unter kleineren Anpassungen fortgesetzt, aber das Europa von heute hat nichts mehr mit dem Europa von 1957 gemein.

5.2

Dieses Projekt — das von denjenigen, die bereits daran teilhaben, häufig verkannt und verächtlich gemacht wird — hat im Lauf von rund fünfzig Jahren bei mehr als zwanzig Ländern so großes Interesse geweckt, dass sie mitmachen wollten. Im Zuge der Erweiterungen hat sich so die geografische Ausdehnung der EU verdreifacht und ihre Bevölkerungszahl verdoppelt. Aufgrund des Beitritts von generell weniger wohlhabenden Ländern wurden ihre ursprüngliche Homogenität (in Bezug auf den wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsstand und die territoriale Ausdehnung) und ihr sozialer, wirtschaftlicher und territorialer Zusammenhalt ausgehöhlt.

 

Beitrittsjahr

Fläche des Gemeinschaftsgebiets

durchschnittliche Bevölkerungsdichte der neuen Mitgliedstaaten

Unterschied des Pro-Kopf-BIP in KKS zwischen alten und neuen Mitgliedstaaten (in %)

Veränderung (in %) aufgrund der Erweiterung gegenüber einem durchschnittlichen Pro-Kopf-BIP in KKS = 100 vor der Erweiterung

in 1 000 km2

Veränderung im Vergleich zur vorhergehenden Erweiterung (%)

EU-6

1957

1 284

241,3

EU-9

1973

1 641

+ 27,7

143,7

17,2

5,72

EU-10

1980

1 773

+ 8,0

84,0

25,0

2,50

EU-12

1986

2 371

+33,7

99,5

37,4

6,23

EU-15

1995

3 243

+36,8

53,8

2,5

0,50

EU-25

2004

4 297

+ 32,5

204,8

49,2

19,68

EU-27

2007

4 646

+ 8,1

80,5

65,5

4,85

EU-29

???

5 486

+ 18,1

87,0

??? (abhängig vom Beitrittstermin)

NB: EU-29 = EU-27 + Türkei + Kroatien

Quellen:

Wirtschaftsdaten: Ameco (für das Pro-Kopf-BIP in KKS)

Geographische und demographische Daten: Weltbevölkerungsprognosen der Vereinten Nationen, 2004

Eigene Berechnungen

5.3

Aufgrund bestimmter Dynamiken und historischer Entwicklungen ist zwischen den fünf Eckpunkten London, Hamburg, München, Mailand und Paris ein Wachstumszentrum entstanden, wo auf 20 % der Fläche 40 % Gesamtbevölkerung der EU-15 leben und 50 % des Wohlstands erzeugt werden. Hier konzentrieren sich 70 % der Entscheidungsgewalt und befinden sich Städte, die zu mehr als 85 % über eine optimale Verkehrsanbindung verfügen (11). Diese Achse wird auch als „Polygon “bezeichnet.

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5.4

Während das wirtschaftliche Gewicht der Länder, die 2004 der EU beigetreten sind, nicht mehr als 5 % dessen der EU ausmacht, ist die Fläche des Unionsgebiets um 33 % größer geworden. In diesem veränderten Kontext wird das Polygon nicht ausreichen, um die Randregionen „mitzuziehen“. Die Konzentration der Wirtschaftstätigkeit in den verhältnismäßig starken Regionen kann für die wirtschaftliche Produktion in der EU kurzfristig von Vorteil sein. Langfristig birgt sie jedoch die Gefahr einer Verschlechterung des Produktionspotenzials der schwächsten Regionen sowie einer Verminderung ihrer Fähigkeit, ihre relativen Vorteile zu nutzen. Eine zu starke Konzentration der Unternehmen und der Bevölkerung in einzelnen Regionen steht außerdem im Widerspruch zu dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung. Sie führt in diesen Regionen zu Übersättigung und potenzieller Blockierung, zu einem starken Druck auf die Umwelt, in anderen Regionen aber gleichzeitig zu rückläufiger Entwicklung und Entvölkerung  (12). (Siehe auch Ziffer 4.5) Nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten, wo sich mehrere Regionen zu Wachstumslokomotiven entwickelt haben, muss jetzt die Herausbildung derartiger Zonen, die gleichmäßiger auf den gesamten Gemeinschaftsraum verteilt sind (von den Fachleuten als „Polyzentrismus “bezeichnet), gefördert werden.

5.5

Außerdem führen technologischer Forstschritt, Globalisierung und Mobilität zu einer wachsenden Zahl von städtischen Ballungszentren und Großstadtregionen in Europa, die außerhalb des klassischen Polygons liegen, aber vergleichbare Eigenschaften aufweisen, wie dies für Kopenhagen-Malmö, Dublin, Madrid, Wien-Bratislava, Kattowitz u.a. zutrifft. Dieser Wandel des europäischen Landschaftsbilds führt auch zu neuen Ambitionen und Herausforderungen für die Regionen. Diese Ambitionen und Herausforderungen werden (hoffentlich) zusehends auch die Perspektiven und Politiken der EU beeinflussen (13).

5.6

Obgleich die Raumordnung nicht unter die Befugnisse der EU fällt und das Subsidiaritätsprinzip gilt, ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Verwaltung des Gemeinschaftsgebiets eine gemeinsame Zuständigkeit darstellt. Ausgehend von diesem Grundsatz haben die EU-15 und die Kommission ein Europäisches Raumentwicklungskonzept (EUREK) konzipiert, das auf einem Treffen der Raumordnungsminister am 11. Mai 1999 in Potsdam verabschiedet und im selben Jahr in Tampere mit einem zwölf Einzelaktionen/Projekte umfassenden Aktionsprogramm ergänzt wurde (14).

5.7

Im Geiste von Artikel 159 wird mit dem EUREK eine bessere Koordinierung der Gemeinschaftspolitiken mit erheblichen Auswirkungen auf die einzelnen Gebiete (wie z.B. der Regionalpolitik) oder bestimmter sektorieller Politiken (Landwirtschafts- und Verkehrspolitik usw.) angestrebt.

5.8

Es würde den Rahmen dieser Stellungnahme sprengen, diejenigen Gebiete aufzeigen zu wollen, in denen die Beziehungen zwischen den Städten, zwischen dem Zentrum und der Peripherie usw. gestärkt werden müssten. Der Ausschuss kann jedoch nicht umhin, darauf hinzuweisen, dass diese Problematik ernsthaft angegangen werden muss, da Europa andernfalls die Schwächung und Zerstückelung seines Gebiets droht.

6.   Der Schlüssel zum Erfolg: moderne Infrastrukturen im gesamten Gemeinschaftsgebiet (15)

6.1

Eine derartige polyzentrische Entwicklung des Gemeinschaftsraumes (Entstehung großer regionaler Pole, die die angrenzenden Gebiete mit anschieben, Stärkung der Verbindungen zwischen ländlichen und städtischen Gebieten) als Garant für einen neuen und stärkeren Zusammenhalt wird jedoch ohne eine Verbesserung der Infrastrukturen — Verkehr, Energie, Telekommunikation etc. — nicht möglich sein.

6.2

Die Verzögerungen bei den in Essen (1994) festgelegten 14 prioritären Projekten, insbesondere bei den grenzüberschreitenden Streckenabschnitten, sowie die drastische Kürzung der Rubrik TEN in der Finanziellen Vorausschau 2007-2013 (16) verheißen nichts Gutes, was die nachhaltige Entwicklung der Union und ihren territorialen Zusammenhalt angeht.

6.3

Die Wirksamkeit der Strukturfonds bei der Anpassung der Infrastrukturen der Kohäsionsländer und der am wenigsten wohlhabenden Regionen sowie bei deren Anbindung an andere Infrastrukturen mit dem Ziel der vollen Ausschöpfung der Möglichkeiten des Binnenmarktes kann jedoch nicht mehr in Frage gestellt werden.

6.3.1

Die Autobahndichte stieg in den vier Kohäsionsländern von 20 % unter dem EU-15-Durchschnitt im Jahr 1991 auf 10 % über dem Durchschnitt im 2001. Fortschritte (jedoch geringeren Ausmaßes) wurden auch in den anderen Ziel-1-Regionen verzeichnet.

6.3.2

Im Verlauf der letzten zehn Jahre hat in der Union eine gewisse Modernisierung des Eisenbahnnetzes stattgefunden, allerdings ging die Elektrifizierung sowie der zweigleisige Streckenausbau in den rückständigen Gebieten der Union praktisch genauso schnell voran wie in der übrigen Gemeinschaft, sodass der Abstand weiterhin groß ist.

6.4

Zur Konsolidierung der EU-Erweiterungen von 2004 und 2007 muss unbedingt dafür gesorgt werden, dass genügend Mittel für die Infrastrukturverbindungen zwischen den alten und den neuen Mitgliedstaaten bereitgestellt werden. Dies ist aus folgenden vier Gründen notwendig:

Obwohl die EIB, die Weltbank und die EBWE (Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung) zwischen 1990 und 2001 Kredite in Höhe von 21 Mrd. für die Anpassung der Infrastrukturen an die Normen der EU-15 gewährt haben, besteht auch weiterhin ein hoher Investitionsbedarf allein bei den Infrastrukturverbindungen (Straße und Schiene). Sie werden mit nicht weniger als 90 Mrd. EUR veranschlagt (zu Preisen von 1999) (17).

Die neuen Mitgliedstaaten haben ein kräftigeres Wirtschaftswachstum als die meisten alten Mitgliedstaaten vorzuweisen, und aufgrund der Intensivierung des Handels kurbelt ihr Wachstum das schwächere Wachstum der alten Mitgliedstaaten an.

Im Gegenzug eröffnet sich den neuen Mitgliedstaaten ein besserer Zugang zum Binnenmarkt.

In den am wenigsten entwickelten Regionen und Ländern [insbesondere den neuen Mitgliedstaaten] können internationale und interregionale Verbindungen langfristig höhere Erträge in Form einer höheren Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen bringen und gleichzeitig die Mobilität der Arbeitskräfte erleichtern. (18)

6.5

Die Neuausrichtung dieser Infrastrukturen und ihre Anpassung an den Stand der Technik ist in den neuen Mitgliedstaaten eine besonders große Herausforderung, da während des Bestehens des COMECON der größte Teil ihrer Infrastrukturen in Richtung Moskau zusammenlief. Zwischen 1993 und 2003 ist jedoch der Handel mit den EU-15 auf ein Dreifaches angestiegen und die EU-15 ihr bedeutendster Handelspartner geworden, während der Stand ihrer Infrastrukturen hinter dem der EU-15 zurückbleibt.

6.6

Selbstverständlich muss auch im Energiebereich (19) etwas dagegen unternommen werden, dass „im Verhältnis zum steigenden Stromtransportbedarf und den immer größeren Entfernungen viel zu wenig investiert wird. Zwar wurden bei dem europaweiten Verbund der Strom- und der Gasnetze Fortschritte gemacht, doch gibt es beträchtliche strukturelle Engpässe bei den Verbindungen zwischen den Mitgliedstaaten. “In diesem Zusammenhang könnte die Europäische Beobachtungsstelle für die Energiemärkte, die Jahre 2007 eingerichtet werden soll, wertvolle Anhaltspunkte und Vorgaben für die Zukunft liefern.

6.6.1

Um nur den Elektrizitätssektor anzuführen: „Im Bereich der Elektrizität geht die Zeit der Überkapazität zu Ende und bis 2030 sind Investitionen in 600-750 GW an Stromerzeugungskapazität erforderlich, um der steigenden Stromnachfrage gerecht zu werden und veraltete Anlagen zu ersetzen. Dem Bedarf an Investitionen in zusätzliche Erzeugungskapazität, insbesondere für Spitzenlast, könnte teilweise durch eine vollständige Vernetzung entgegengewirkt werden“.

6.7

Die Modernisierung der Infrastrukturen bedeutet generell eine Herausforderung im Hinblick auf die ökologische Nachhaltigkeit. Der EWSA weist daher darauf hin, dass sowohl bei der Entscheidung über die Förderfähigkeit der betreffenden Projekte im Rahmen der Strukturfonds als auch bei ihrer Ex-post-Evaluierung die Kriterien einer nachhaltigen Entwicklung in all ihren Facetten einbezogen werden sollten. Er unterstreicht außerdem (20), dass er das Ziel der Schaffung nachhaltiger Gemeinwesen auf der Grundlage des Nachhaltigkeitsprinzips unterstützt (Vereinbarung von Bristol (21)).

6.8

Die durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt auferlegten Haushaltszwänge sowie die für die Teilnahme an der WWU geforderten kontinuierlichen Anstrengungen erschweren diese Investitionen, die zum Großteil von den einzelstaatlichen Regierungen und zu einem kleineren Teil durch die Strukturfonds oder die EIB aufgebracht werden.

6.9

Da heute 78 % der europäischen Bevölkerung in Städten und städtischen Ballungsgebieten leben, ist es wichtig, die spezifischen Bedürfnisse der ländlichen Gebiete nicht aus den Augen zu verlieren und zu verhindern, dass sie den Anschluss verlieren.

6.10

Die EU bemüht sich, sie mit Ad-hoc-Programmen zu unterstützen. Zwischen 2000 und 2006 hat sie mehr als 60 Mrd. EUR für die Entwicklung des ländlichen Raumes bereitgestellt. Diese Mittel werden bei weitem nicht optimal verwendet, wie der Europäische Rechnungshof festgestellt hat (22). Er weist darauf hin, dass die spezifischen Merkmale der geförderten geographischen Gebiete in den Programmen nicht ausreichend berücksichtigt werden. Der Rechnungshof moniert außerdem die Mängel hinsichtlich Auswahl und Zielgerichtetheit der Projekte sowie die unzulängliche Bewertung ihrer Ergebnisse.

7.   Stärkung der Verbindungen zwischen den städtischen Zentren und den ländlichen Gebieten

7.1

Abgelegene Gebiete sind von der Bevölkerungsalterung besonders stark betroffen, da aufgrund ihrer Entfernung von den Zentren der Wirtschaftstätigkeit die jungen und qualifizierten Arbeitnehmer in die Städte abwandern. Diese Landflucht droht sich mit dem Abschwung dieser Gebiete noch weiter zu beschleunigen. Im Übrigen sehen sich die Städte, wo sich der Großteil der Arbeitskräfte konzentriert, besonderen Schwierigkeiten sowie Disparitäten zwischen den einzelnen Stadtvierteln bzw. Bevölkerungsgruppen gegenüber. „Das Städteaudit hat gezeigt, dass es in fast allen Städten mit 10 % oder mehr Arbeitslosen bestimmte Viertel gibt, in denen die Arbeitslosenquote mindestens doppelt so hoch ist wie im Durchschnitt der Stadt“ (23). Die Kommission hat zu recht vier Bereiche aufgezeigt, denen große Aufmerksamkeit geschenkt werden muss: Verkehr, Erreichbarkeit und Mobilität, der Zugang zu Diensten und Einrichtungen, die natürliche und physische Umwelt sowie der Kultursektor (24).

7.2

Der Ausschuss weist bei dieser Gelegenheit auf die enorm wichtige Rolle hin, die die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, insbesondere die Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse, bei der Gewährleistung des wirtschaftlichen, sozialen, territorialen und generationenübergreifenden Zusammenhalts spielen. Er bekräftigt seine Forderung nach einer die sektoralen Richtlinien ergänzenden Rahmenrichtlinie, in der diese Dienstleistungen geregelt werden (25).

8.   Die unverzichtbare Beteiligung der Zivilgesellschaft zur Gewährleistung ihrer Unterstützung für die entwickelten Projekte

8.1

Obgleich die Kommission die Notwendigkeit einer Einbindung der sozialen und wirtschaftlichen Organisationen in die Strukturpolitik anerkennt und unterstreicht, dass diese Beteiligung entscheidend dazu beiträgt, dass sich die Akteure vor Ort die Strukturpolitik stärker zu eigen machen, unterbreitet sie bedauerlicherweise keine Vorschläge zur Regelung der diesbezüglichen Modalitäten, die für die Mitgliedstaaten verbindlich sein sollten.

8.2

Der Ausschuss dringt darauf, für die Zukunft Indikatoren zur Bewertung des Konsultationsprozesses im Zusammenhang mit den in den Mitgliedstaaten erstellten Strategie- und Programmplanungsdokumenten auszuarbeiten.

8.3

Nach Ansicht des Ausschusses sollten die Mitgliedstaaten darlegen, wie sie für ein entsprechendes Feedback hinsichtlich der Art und Weise der Umsetzung des Partnerschaftsprinzips bei den Begleitausschüssen sorgen.

8.4

Der Ausschuss ist der Überzeugung, dass sich die Mitgliedstaaten wie auch die Regionen das Potenzial der Organisationen der Zivilgesellschaft stärker zu Nutze machen und diese an der Ausarbeitung der Pläne zur Förderung und Unterstützung der im Rahmen eines Bottom-up-Ansatzes angestoßenen Initiativen beteiligen sollten. Dazu sollten angemessene Finanzmittel für Informations- und PR-Kampagnen über die Strukturfonds bereitgestellt werden.

8.5

Außerdem wäre es zweckmäßig, im Rahmen grenzüberschreitender bzw. interregionaler Programme auch gemeinsame Konsultationen sowie den Aufbau von ebenfalls grenzüberschreitenden bzw. interregionalen Wirtschafts- und Sozialpartnerschaften zu fördern.

9.   Eine innovative Finanzierung für die Zukunft

9.1

Angesichts der Herausforderungen, die in einer Union mit immer mehr Mitgliedstaaten, immer weiteren Außengrenzen und einem immer uneinheitlicheren Bild hinsichtlich der besonderen Merkmale und der Leistungsfähigkeit ihrer Regionen zu bewältigen sind, einerseits und der durch nichts zu rechtfertigenden flagranten Unzulänglichkeit der Mittelausstattung sowie des zunehmenden Drucks der Globalisierung andererseits, müssen leistungsfähigere und modernere Instrumentarien ersonnen werden, um unser Wirtschafts- und Sozialmodell zu finanzieren und bei den Europäern (Unternehmern, Arbeitnehmern, Arbeitslosen usw.) das Vertrauen in die Fähigkeit der Union, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, wiederherzustellen. Die unlängst gestarteten Initiativen JASPERS, JESSICA und JEREMIE führen diesbezüglich in die richtige Richtung.

9.2

Die Tätigkeit der Strukturfonds beschränkt sich derzeit im Wesentlichen auf die Gewährung von Zuschüssen. In einer früheren Stellungnahme (26) hatte der Ausschuss angeregt, ihr Finanz-Engineering zu überdenken und mit Hilfe des Europäischen Investitionsfonds und der EIB einen Multiplikatoreffekt zu erzielen. Er hatte vorgeschlagen, zur Erreichung einer Hebelwirkung diese Zuschüsse in Finanzprodukte umzuwandeln: So könnten z.B. mit einem für die Bürgschaft für einen Risikokapitalkredit bereitgestellten Euro fünf bis zehn Euro Investitionen eines KMU finanziert werden. Dieses System hätte drei Vorteile:

die öffentlich-private Finanzierung von Investitionen, die von den herkömmlichen Finanzpartnern als zu riskant eingestuft werden, würde gefördert;

die Begünstigten würden stärker in die Pflicht genommen, als dies bei nicht rückzahlbaren Zuschüssen der Fall ist;

die Zahl der Begünstigten könnte bei gleichbleibend geringen Mitteln erhöht werden.

9.3

Interessant wäre auch ein Nachdenken über die Möglichkeit, die ungenutzten Mittel aus dem ohnehin mageren Gemeinschaftshaushalt zu verwenden, anstatt diese an die Mitgliedstaaten zurückfließen zu lassen. Diese Mittel machen nur einen geringen Prozentsatz des Jahreshaushalts aus. Mit dieser Vorgehensweise hätte man jedoch während der ersten Halbzeit der Lissabon-Strategie fast 45 Mrd. EUR zusätzlich für Projekte von gemeinsamem Interesse verfügbar machen können.

Überschussbeträge der EU-Haushalte (in Mio. EUR)

2000

11 613

2001

15 003

2002

7 413

2003

5 470

2004

2 737

2005

2 410

Insgesamt 2000-2005

44 646

Anmerkungen: In den Überschüssen sind sowohl die nicht verwendeten Haushaltsmittel (u.a. spezielle Reserven) als auch zusätzliche Einnahmen enthalten.

Quelle: Europäische Kommission, IP/06/494

9.3.1

Aus den vorhergehenden Absätzen wird deutlich, dass mit einem Bruchteil dieser Mittel die fehlenden Teilstücke — die Achillesferse der transeuropäischen Netze — schneller realisiert werden könnten, die es ermöglichen würden, die Länder miteinander zu verbinden, Engpässe zu beseitigen, die europäische Integration zu beschleunigen und die Intermodalität stärker zu fördern.

9.3.2

Mit einem weiteren Teil könnte der Europäische Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (EGF) aufgefüttert werden. Dieser Fonds, der selbst nicht in den Haushalt eingestellt ist, ist für die Arbeitnehmer bestimmt, die als „Opfer der Globalisierung “entlassen werden, und soll die Strukturfondsmaßnahmen ergänzen. Im Unterschied zu den Strukturfonds, bei denen eine lange Programmierungsphase für zumeist langfristige Projekte notwendig ist, ist der EGF ein kurzfristig einsetzbares Instrument. Der Rat hat ihn zwar genehmigt, jedoch die ursprünglich von der Kommission vorgeschlagenen Haushaltsmittel um die Hälfte gekürzt (die Mittelausstattung des EGF beträgt 500 Mio. EUR). Unter diesen Umständen fällt es schwer, an die Effizienz dieses Instruments zu glauben, das von vielen als „Marketinginstrument “charakterisiert wird. Parallel dazu sollten die Förderkriterien dahingehend geändert werden, dass die Anzahl der entlassenen Arbeitnehmer, ab der der Fonds zum Einsatz kommt, gesenkt wird (die Schöpfer dieses Fonds haben, als sie ihn nach dem Vorbild des amerikanischen „Trade Adjustment Assistance Programme “aus dem Jahr 1962 geschaffen haben, übersehen, dass die europäische Wirtschaft im Gegensatz zu der durch Großunternehmen geprägten Wirtschaft der Vereinigten Staaten auf KMU aufbaut) (27).

9.3.3

Diese Änderung ist umso wichtiger, als sich durch eine verstärkte Integration der verschiedenen Teile des Gemeinschaftsraums der Wettbewerb zwischen den Gebieten zu verschärfen droht, was zu Umstrukturierungen und somit zur Vernichtung von Arbeitsplätzen führen und dadurch beim Mann auf der Straße den Eindruck erwecken könnte, das Europa der Beschäftigung abträglich ist.

Brüssel, den 18. Januar 2007

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Punkt 70.

(2)  ABl. C 10 vom 14.01.2004, S. 92.

(3)  Schlussfolgerungen des Vorsitzes, informelle EU-Ministertagung zum territorialen Zusammenhalt, 20./21. Mai 2005 (vgl. Ziffer 2.3 ff.).

(4)  „Vierter Zwischenbericht über den Zusammenhalt“, KOM(2006) 281 endg., S.10.

(5)  „Dritter Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt: Eine neue Partnerschaft für die Kohäsion — Konvergenz Wettbewerbsfähigkeit Kooperation “(Februar 2004), S. VIII.

(6)  Ibid., S. XVIII.

(7)  „Strategische Leitlinien der Gemeinschaft für den Zeitraum 2007-2013“, KOM(2005) 299 endg., S. 8.

(8)  „Dritter Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt: Eine neue Partnerschaft für die Kohäsion — Konvergenz Wettbewerbsfähigkeit Kooperation “(Februar 2004), S. XIX.

(9)  Ibid., S. XIV.

(10)  EWSA-Stellungnahme „Die Rolle der Organisationen der Zivilgesellschaft bei der Umsetzung der Kohäsionspolitik und der Politik der regionalen Entwicklung“, ABl. C 309 vom 16.12.2006, S. 126, und EWSA-Stellungnahme „Strategische Leitlinien der Gemeinschaft für den Zeitraum 2007-2013“, ABl. C 185 vom 8.8.2006, S. 52.

(11)  G. Baudelle, B. Castagnède, „Le polycentrisme en Europe“, 2002, S. 160-161.

(12)  DATAR, „Le schéma de développement de l'espace communautaire“, 2002.

(13)  Siehe auch die Stellungnahme des EWSA vom Juli 2004 zum Thema „Die großstädtischen Ballungsgebiete: sozioökonomische Auswirkungen auf die Zukunft Europas“, ABl. C 302 vom 7.12.2004, S. 101.

(14)  Es ist darauf hinzuweisen, dass einige dieser Maßnahmen — und nicht die unwichtigsten — nie realisiert wurden, wie z.B. die Analysen der raumrelevanten Auswirkungen der Gemeinschaftspolitiken, und wieder andere nicht in gebührender Weise gefördert wurden, wie z.B. die Unterstützung der grenzüberschreitenden, transnationalen und interregionalen Zusammenarbeit (beim Abschluss der Vereinbarung über die Finanzielle Vorausschau wurden die Haushaltmittel für die Gemeinschaftsinitiative Interreg gekürzt). Glücklicherweise wurden andere wie die Errichtung der vernetzten Beobachtungsstelle für Raumordnung (ORATE) umgesetzt, auch wenn diese Arbeiten nach wie vor unterschätzt werden.

(15)  Der Einfachheit halber wird der Kohäsionsfonds ggf. unter den Strukturfonds aufgeführt, auch wenn das genau genommen nicht korrekt ist.

(16)  Die von der Kommission vorgeschlagenen 20 Mrd. EUR sind auf etwas mehr als 8 Mrd. zusammengeschmolzen, während 2004 die Gesamtkosten der Realisierung der 30 prioritären Projekte bis zum Jahr 2020 mit 225 Mrd. EUR veranschlagt wurden.

(17)  Die notwendigen Investitionen für die Verwirklichung der TEN-V werden in den kommenden Jahren rund 1,5 % des voraussichtlichen BIP in dieser Region ausmachen. Der derzeitige Investitionsumfang von 2 bis 3 Mrd. EUR pro Jahr muss bis 2005-2010 auf rund 10 Mrd. EUR aufgestockt werden, um der Nachfrage gerecht zu werden und in der Gemeinschaft Dienste erbringen zu können, die dem Wirtschaftswachstum entsprechen. Schätzungen der Kommission zufolge werden längerfristig 258 Mrd. EUR erforderlich sein, um die Verkehrsnetze auf ein akzeptables Niveau anzuheben. (EIB, „Le développement des RTE: perspectives“, 2001).

(18)  Die Kohäsionspolitik im Dienste von Wachstum und Beschäftigung — Strategische Leitlinien der Gemeinschaft für den Zeitraum 2007-2013, KOM(2005) 299 endg., S. 15.

(19)  EWSA-Stellungnahme „Die Energieversorgung der Europäischen Union — eine Strategie für einen sinnvollen Energiemix “(Sondierungsstellungnahme) ABl. C 318 vom 23.12.2006, S. 185.

(20)  EWSA-Stellungnahme zu der „Thematischen Strategie für die städtische Umwelt“ ABl. C 318 vom 23.12.2006, S. 86.

(21)  Vereinbarung von Bristol, Dezember 2005, www.odpm.gov.uk cod. prod. 05 EUPMI 03584. In der Vereinbarung von Bristol werden acht grundlegende Eigenschaften nachhaltiger Gemeinschaften definiert: 1. Aktiv, integrativ und sicher; 2. Gut verwaltet; 3. Gut angebunden; 4. Gutes Dienstleistungsangebot; 5. Umweltbewusst; 6. Attraktiv; 7. Gute Infrastrukturen und gute Bebauung; 8. Ansprechend für alle.

(22)  Vgl. Pressemitteilung ECA/06/20.

(23)  KOM(2006) 385 endg., S. 11.

(24)  Europäische Kommission, „Die Kohäsionspolitik und die Städte: Der Beitrag der Städte zu Wachstum und Beschäftigung in den Regionen“, KOM(2006) 385 endg.

(25)  Siehe Stellungnahme des EWSA zu den „Dienstleistungen im Binnenmarkt“, ABl. C 221 vom 8.9.2005, S. 113, die Stellungnahme zum Thema „Zukunft der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“, ABl. C 309 vom 16.12.2006, S. 135, sowie die derzeit ausgearbeitete Stellungnahme zu den „Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse in der Europäischen Union“.

(26)  EWSA-Stellungnahme „Strategische Leitlinien der Kohäsionspolitik für den Zeitraum (2007-2013)“, ABl. C 185 vom 8.8.2006.

(27)  In den Vereinigten Staaten generieren die 100 größten Unternehmen 74 % des BIP, in Europa jedoch nur 34 %. In der nichtfinanziellen gewerblichen Wirtschaft machen die KMU (weniger als 250 Beschäftigte) 99,8 % der Unternehmen (davon entfallen 91,5 % auf die Kleinstunternehmen, die aus weniger als 9 Personen bestehen!) und 67,1 % der Gesamtbeschäftigung aus.


27.4.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 93/15


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Abgaben, Zölle, Steuern und sonstige Maßnahmen“

KOM(2006) 605 endg. — 2006/0192 (CNS)

(2007/C 93/03)

Der Rat der Europäischen Union beschloss am 10. November 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 7. Dezember 2006 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 432. Plenartagung am 17. Januar 2007 mit 156 Ja-Stimmen ohne Gegenstimmen bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.

Gemäß Ratsbeschluss vom 1. April 1987 über die klare Formulierung der Gemeinschaftsvorschriften (1) hat die Kommission einen Vorschlag zur Konsolidierung der o.g. Vorschrift vorgelegt.

2.

Der Großteil der 26 Artikel des Vorschlags ergibt sich aus der Anpassung des ursprünglichen Texts von 1976 an die zahlreichen Änderungen, die durch nachfolgende Vorschriften vorgenommen wurden; dabei handelt es sich um eine lange und mühsame Arbeit, die angemessene Ressourcen erfordert.

3.

Wollte der EWSA prüfen, ob die Arbeit der Kommission kongruent ist und genau den Regeln entspricht, so müsste er in kurzer Zeit und ohne die erforderlichen Ressourcen die komplexe Arbeit wiederholen, die bereits geleistet wurde — eine offensichtlich unmögliche Aufgabe. Andererseits bietet die wohlbekannte Professionalität der Kommission eine Garantie dafür, dass das Ergebnis hier wie schon bei den früheren Konsolidierungsarbeiten einwandfrei ist.

4.

Angesichts dessen billigt der EWSA den Wortlaut des Vorschlags.

Brüssel, den 17. Januar 2007

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  KOM(87) 868 PV.


27.4.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 93/16


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 89/665/EWG und 92/13/EWG des Rates zwecks Verbesserung der Wirksamkeit der Nachprüfungsverfahren im Bereich des öffentlichen Auftragswesens“

KOM(2006) 195 endg./2 — 2006/0066 (COD)

(2007/C 93/04)

Der Rat beschloss am 29. Juni 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 14. November 2006 an. Berichterstatter war Herr van IERSEL.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 432. Plenartagung am 17./18. Januar 2007 (Sitzung vom 18. Januar) mit 140 gegen 14 Stimmen bei 10 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

Inhalt

1.

Einleitung

2.

Anhörungen und Inhalt

3.

Allgemeine Bemerkungen

4.

Spezielle Probleme

4.1

Entwurf

4.2

Stillhaltefristen

4.3

Aufhebung von Verträgen

4.4

Bescheinigungsverfahren

4.5

Schlichtung und Beilegung von Meinungsverschiedenheiten

4.6

Stillhaltefristen

5.

Gebühren

6.

Glossar

1.   Einleitung

1.1

1991 und 1993 traten zwei Richtlinien über die Anwendung der Nachprüfungsverfahren für die klassische Richtlinie und die Sektorenrichtlinie in Kraft. Sie wurden eingeführt, um ein Durchführungs- und Rechtsmittelinstrument zu schaffen, das in der früheren klassischen Richtlinie gefehlt hatte (1).

1.2

Da die Richtlinien zur Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergaberichtlinien) ein offenes, faires und transparentes Wettbewerbsklima für Unternehmen in der gesamten EU auf gleichberechtigter Basis schaffen sollen, regeln diese Rechtsmittelrichtlinien die Verfahren für Unternehmen, die die Ausschreibung und Vergabe von sie interessierenden öffentlichen Verträgen anfechten wollen.

1.3

Die Rechtsmittelrichtlinien verfolgen zwei miteinander verbundene Ziele:

Bereitstellung eines Mittels, das die Vergabebehörden zur Einhaltung der Richtlinien zwingt, und

Bereitstellung eines Mittels, mit dem ein Bieter Maßnahmen zur Wahrung seiner Interessen ergreifen kann, wenn er der Ansicht ist, dass eine Vergabebehörde die Richtlinien nicht eingehalten hat.

1.4

Ein Bewerber, der sich für benachteiligt hält, muss alle Rechtsmittel gegen eine Vergabebehörde über die innerstaatlichen Gerichte, Schiedsgremien oder ähnliche Einrichtungen in dem betreffenden Mitgliedstaat einleiten; die Kommission ergreift nur Maßnahmen gegen einen Mitgliedstaat, nicht jedoch gegen eine Vergabebehörde, und dies auch nur dann, wenn ein Mitgliedstaat nachweislich seine Vergabebehörden nicht ordnungsgemäß reguliert.

1.5

Bemerkenswerterweise hatte der Gerichtshof bereits 1999 gefordert, dass die Bestimmungen beider Rechtsmittelrichtlinien auf die Stärkung der bestehenden Vereinbarungen zur Sicherstellung einer effizienten Anwendung der Vergaberichtlinien abzielen sollten, insbesondere in einem Stadium, in dem Verstöße noch korrigiert werden können (2).

1.6

Effiziente Rechtsmittelrichtlinien sind ein integraler Bestandteil des öffentlichen Auftragsrechts, und die in der neuen Richtlinie vorgenommenen Änderungen dürften ein effizienteres Anwenden der Vergaberichtlinien gewährleisten.

1.7

Im Juni 2006 unterbreitete die Kommission den Vorschlag für die Neue Richtlinie zur Änderung beider genannter Rechtsmittelrichtlinien, die, so hofft man, letztere verbessert und effizienter werden lässt.

1.8

Die wichtigsten Vorschläge in der Neuen Richtlinie sind die Einführung einer zehntägigen Stillhaltefrist zwischen der Zuschlagsentscheidung und dem endgültigen Vertragsabschluss, so dass jeder, der sich benachteiligt fühlt, die Entscheidung anfechten kann, sowie die Abschaffung des Bescheinigungs- und Schlichtungsverfahrens.

2.   Anhörungen und Inhalt

2.1

Im März 2003 begann die Kommission mit Anhörungen zur Wirksamkeit der Rechtsmittelrichtlinien. Es wurden zwei Fragebögen erstellt. Die Mitgliedstaaten wurden im Rahmen des Beratenden Ausschusses für das öffentliche Auftragswesen gehört. Zusätzlich zu dieser Konsultation wurden Umfragen bei den Vergabebehörden sowie unter Rechtsanwälten, Berufsverbänden, NGOs und Unternehmen per Internet mithilfe von Online-Fragebögen Interaktive Politikgestaltung durchgeführt.

2.2

Die Neue Richtlinie beruht auf einer sorgfältigen Folgenabschätzung. In dieser sind zwei Hauptprobleme genannt: fehlende effiziente Rechtsmittel gegen die Praxis rechtswidrig freihändig vergebener öffentlicher Aufträge und der „übereilte Abschluss “öffentlicher Verträge durch die Vergabebehörde, die den Wirtschaftsteilnehmern die Möglichkeit vorenthält, vor Vertragsbeginn wirksam Rechtsmittel einzulegen (3).

2.3

Die Folgenabschätzung enthält eine Reihe hervorragender Analysen der Meinungen betroffener Akteure. Sie ist ein anschauliches Beispiel für eine offene und transparente Kommunikation in einem sehr komplexen Bereich.

2.4

Interessanterweise zeigt das Ergebnis, dass es erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bei der Behandlung von Beschwerden gibt, was zu Unklarheiten bei den Bietern führen kann:

die Vergabebehörden, insbesondere die regionalen und lokalen Behörden, haben sehr zurückhaltend auf die Anfragen geantwortet;

für die einzelnen Wirtschaftsteilnehmer war es noch keine Selbstverständlichkeit, sich in diesem Bereich zu beteiligen und Nachprüfungsverfahren anzustrengen;

beträchtliche Reaktionen kamen von Anwaltskanzleien, Berufsverbänden und NGOs.

2.5

Insgesamt schlussfolgerten die Befragten, dass gegen rechtswidrige Vergabepraktiken angegangen werden und der Wettbewerb, insbesondere der grenzüberschreitende, gefördert werden muss.

2.6

Die Unternehmen sind gewöhnlich sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, die Vergabebehörden herauszufordern, während die Erfahrung zeigt, dass manche Mitgliedstaaten bisher eher zögerlich gesetzliche Regelungen zur Förderung von Transparenz und Öffnung der Märkte annehmen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, auf EU-Ebene zu handeln. In anderen Mitgliedstaaten wiederum wird großer Aufwand hinsichtlich der Umsetzung der Richtlinien betrieben.

2.7

Die vorgeschlagenen Änderungen beinhalten zwei bedeutende neue Schutzbestimmungen für die Bieter:

eine vorherige öffentliche Bekanntmachung der Zuschlagsentscheidung für einen öffentlichen Auftrag mindestens 10 Tage vor Abschluss des Vergabevertrags, d.h. die „Stillhaltefrist“, und

wenn ein Bieter Beschwerde einlegt, muss das Verfahren für eine bestimmte Frist, im Prinzip bis zur Klärung des Problems ausgesetzt werden.

2.8

Es gibt jedoch eine Bestimmung, dass Verträge — zum Beispiel in dringlichen Fällen — ohne das normale Ausschreibungsverfahren vergeben werden können. Außerdem ist eine Bestimmung enthalten, dass die Stillhaltefrist in Fällen, in denen sie offensichtlich nicht relevant ist, außer Acht gelassen werden kann. Gemäß dem Vergabeverfahren des wettbewerblichen Dialogs ist jedoch aufgrund seiner Funktionsweise immer eine Stillhaltefrist vorzusehen. Unter anderem könnte die Wahrscheinlichkeit, dass das Ausschreibungsverfahren mit nur einem „bevorzugten Bieter “abgeschlossen wird, als Möglichkeit für einen Missbrauch gesehen werden, und eine Stillhaltefrist ist zur Vermeidung einer solchen Situation offensichtlich notwendig.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Die Folgenabschätzung ist sehr sachdienlich und verdeutlicht, dass die Mitgliedstaaten und Vergabebehörden in manchen Fällen eine oft differenzierte Einschätzung hinsichtlich der Notwendigkeit der Öffnung der öffentlichen Beschaffungsmärkte haben.

3.2

Die Kommission erwägt in ihrem Vorschlag fünf potenzielle Lösungen zur Bewältigung des Problems der Nachprüfung: Beibehaltung der geltenden Regelungen, Einführung einer Stillhaltefrist über eine Mitteilung oder Richtlinie oder die Einrichtung einer unabhängigen Behörde (4) über eine Mitteilung oder Richtlinie.

3.3

Der Ausschuss teilt die Auffassung der Kommission, dass

die Beibehaltung der geltenden Regelungen keine gangbare Lösung ist, da die Mängel und erheblichen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten fortbestehen würden;

auch Mitteilungen kein geeignetes Mittel wären, da sie unzureichend bindend sind: seit langem bestehende Traditionen, gegenseitige Beziehungen und Abhängigkeiten in den Mitgliedstaaten würden weiter vorherrschen.

3.4

Um Druck auf den öffentlichen Sektor auszuüben und die Professionalität auf beiden Seiten zu erhöhen, bleibt folglich nur die Wahl zwischen der Einrichtung einer unabhängigen Behörde oder einer Stillhaltefrist zwischen der Bekanntmachung der Zuschlagsentscheidung und dem eigentlichen Vertragsschluss.

3.4.1

Unabhängige Behörden gibt es in einigen Mitgliedstaaten bereits (5). Es sei darauf hingewiesen, dass die Mehrheit der privaten Akteure diesen Ansatz bevorzugt, auch wenn er mit steigenden Kosten und höherem Verwaltungsaufwand verbunden ist. Einige Mitgliedstaaten empfehlen die Ernennung von Sachverständigen für derartige Behörden.

3.4.2

Im Gegensatz dazu bevorzugt die Mehrheit der Mitgliedstaaten die Einführung einer begrenzten Stillhaltefrist, die öffentliche Auftraggeber und Unternehmen, die Entscheidungen anfechten, unmittelbar betrifft, indem das Vergabeverfahren während deren Dauer unterbrochen wird.

3.5

Der Ausschuss befürwortet den Vorschlag der Kommission, eine Stillhaltefrist einzuführen. Er räumt ein, dass eine solche Vereinbarung auf EU-Ebene — bei korrekter Umsetzung — möglicherweise einerseits Effizienz, Klarheit und Rechtssicherheit und andererseits ein offeneres und transparenteres Vergabesystem des öffentlichen Auftragswesens mit stärkerem Wettbewerb fördern könnte. Eine Stillhaltefrist sollte jedoch nicht unbedingt eine ausschließliche Alternative zu unabhängigen Behörden sein, die Mitgliedstaaten selbstverständlich einrichten dürfen.

4.   Spezielle Probleme

4.1   Entwurf

4.1.1

Die Nummerierung der Neuen Direktive ist verwirrend, da der Abschnitt über die Sektorenrichtlinie als Artikel 2 überschrieben ist, obwohl ein großer Teil des Abschnitts über die klassische Richtlinie auf den vorhergehenden Seiten und über die Sektorenrichtlinie auf den nachfolgenden Seiten als Artikel 2a bis 2f beziffert ist. Es wäre einfacher, wenn die klassische und die Sektorenrichtlinie als Kapitelüberschriften über den entsprechenden Abschnitten hervorgehoben würden. Wenn die in der neuen Richtlinie vorgesehenen Änderungen einmal umgesetzt sind, wird dies natürlich nicht mehr von Interesse sein, aber bis dahin wäre eine Erleichterung des Verständnisses hilfreich.

4.1.2

Es wäre auch hilfreich gewesen, wenn konsolidierte Fassungen der zwei Richtlinien hätten präsentiert werden können.

4.1.3

Die Vorlage weist außerdem einige Druckfehler auf, die in späteren Fassungen sicherlich korrigiert werden.

4.2   Stillhaltefristen

4.2.1

Das Konzept der Stillhaltefrist wird im Allgemeinen anerkannt.

4.2.2

Die von einigen Befragten der Anhörung bevorzugte Möglichkeit der Einrichtung unabhängiger Behörden als Schiedseinrichtung wurde überwiegend auf Drängen der Mitgliedstaaten zugunsten der Stillhaltefristen abgelehnt. Das Konzept ist seit Bestehen der Richtlinien diskutiert worden, es hat allerdings, auch wenn es oberflächlich gesehen vielversprechend ist, dieselben Schwachstellen und beruht auf einem ähnlichen Konzept wie das Schlichtungsverfahren. Das Problem, das nachstehend unter „Schlichtung und Beilegung von Meinungsverschiedenheiten “behandelt wird, würde fortbestehen.

4.2.3

Mit Ausnahme der Fünftagesfristen (bei denen es sich um Werktage handelt) sind alle anderen Fristen, einschließlich der Hinweise auf Dreitagesfristen, als Kalendertage definiert. Dies ist offensichtlich mit Problemen verbunden. Auf diesen Aspekt wird nachstehend unter „Stillhaltefristen “eingegangen.

4.3   Aufhebung von Verträgen

4.3.1

Obgleich die Richtlinie das Ziel verfolgt, Probleme noch vor Vertragsabschluss abzufangen, ist die Aufhebung von Verträgen vorgesehen, die rechtswidrig während der Stillhaltezeit abgeschlossen werden.

4.3.2

Hierbei sind zwei Umstände möglich: Erstens, beide Seiten haben sich abgesprochen und sind sich sehr wohl der Folgen der Nichtigerklärung eines rechtswidrigen Vertrags bewusst. Zweitens, der Wirtschaftsteilnehmer ist unschuldig und sich nicht bewusst, dass das Risiko einer Vertragsaufhebung eingegangen wird.

4.3.3

Im ersten Fall besteht wenig Anlass zur Sorge um die Verluste, die der Wirtschaftsteilnehmer erleiden kann.

4.3.4

Hinsichtlich des zweiten Falls besteht jedoch die Sorge, dass in Anbetracht der Anfechtung einer Vergabe bis zu sechs Monaten nach Vertragsabschluss ein unschuldiger Wirtschaftsteilnehmer erheblichen Schaden nehmen kann. Da das Vorgehen des Auftraggebers als Befugnisüberschreitung eingestuft werden wird, hat der Wirtschaftsteilnehmer keine Mittel, von diesem Schadenersatz einzuklagen (6). Auch wenn es eher unwahrscheinlich ist, dass sich solche Fälle wiederholen, hält der Ausschuss es für notwendig, dieses Beispiel anzuführen, um auf die Gefahr hinzuweisen.

4.3.5

Es kann argumentiert werden, dass sich ein Bieter selbst davon überzeugen sollte, dass die Vergabebehörde die Stillhaltefrist eingehalten und die erforderliche Bekanntmachung der Zuschlagsentscheidung veröffentlicht hat, und dass sich der Bieter, falls er noch nicht davon überzeugt sein sollte, dies darüber hinaus formal von dem Auftraggeber bestätigen lässt. Die Neue Richtlinie sieht (in Artikel 2 f 2) als einzigen Grund für die Aufhebung eines bereits abgeschlossenen Vertrags vor, dass die Vergabebehörde eine ordnungsgemäße Bekanntmachung ihrer Zuschlagsentscheidung oder die Anwendung einer Stillhaltefrist versäumt hat. Diese eingeschränkten Bedingungen dürften insbesondere in großen und wichtigen Verträgen leicht zu überprüfen sein. Die Schwellenwerte für Liefer- und Dienstleistungsaufträge können jedoch nicht als „groß und wichtig “beschrieben werden, obwohl die Folgen eines nicht ersetzbaren Schadens im Falle der Vertragsaufhebung gerade für KMU mit großer Wahrscheinlichkeit ein solches Anmaß annehmen. Dem EWSA scheinen die Abwälzung des Fehlerrisikos auf den Bieter und die damit verbundenen ernsthaften Folgen unausgewogen zu sein, und dies sollte überdacht werden; ein Ausschluss des Vertrags (caveat vendor) mit den möglicherweise drakonischen Folgen ist kein geeigneter Mechanismus zur Verhinderung rechtswidrigen Handelns seitens der Vergabebehörden. Obwohl Folgen wie im Fall Hazell gegen den Bezirksrat Hammersmith and Fulham unter anderen Umständen oder in anderen Ländern möglicherweise nicht eintreten können, ist eine Rechtsvorschrift auf Gemeinschaftsebene oder einzelstaatlicher Ebene unerlässlich, wenn Bieter bei einer Vertragsaufhebung nicht einem schwer zu bewältigenden Risiko ausgesetzt werden sollen.

4.4   Bescheinigungsverfahren

4.4.1

In der Neuen Richtlinie wird vorgeschlagen, das Bescheinigungsverfahren abzuschaffen, da es wenig genutzt wird. Das Bescheinigungsverfahren war in der Rechtsmittelrichtlinie für die Sektorenrichtlinie als eine Form des Audits, ähnlich wie bei der Qualitätssicherung oder einigen Aspekten der modernen Rechnungsprüfung, enthalten. Seinerzeit wurde vorgeschlagen, dass ein Versorgungsunternehmen, für das ein makelloser Bescheinigungsbericht ausgestellt wurde, eventuell von einigen oder allen der detaillierten Bestimmungen der Richtlinie abweichen könnte, solange es sich an die Prinzipien hält. Dieser Vorschlag war jedoch für die Kommission nicht akzeptabel.

4.4.2

So bestand wenig Anreiz, das Bescheinigungsverfahren zu nutzen, und dessen fehlende Anwendung verwundert kaum. Das Verfahren wurde auch aus dem Grund kritisiert, dass es ein Einhalten der Bestimmungen nur zu einem bestimmten Zeitpunkt bestätigt, ohne zu gewährleisten, dass die Bestimmungen auch in der Zukunft eingehalten werden. Dadurch kann die Bedeutung des Bescheinigungsverfahrens missverstanden werden, während äquivalente Verfahren hinsichtlich der Qualität und modernen Rechnungsprüfung effizient sind. Entscheidend ist sicherzustellen, dass ein System von Verfahren zur Verfügung steht, das, wenn es eingehalten wird, zu einem zufrieden stellenden Einklang mit der Richtlinie führt, und dass sich der Auftraggeber tatsächlich an seine eigenen Verfahren hält. Die meisten bedeutenden Organisationen handeln auf der Grundlage interner Verfahren und halten diese zuverlässig ein, vorausgesetzt, dass kein Betrug oder drastischer Verstoß im Spiel ist. Eine Zertifizierung durch ein Bescheinigungsverfahren darüber, dass die Ausschreibungsverfahren prinzipiell zufrieden stellend sind und in der Praxis eingehalten werden, gibt eine angemessene Sicherheit, dass die Organisation die Bestimmungen erfüllt. Selbstverständlich müsste die Gültigkeit regelmäßig erneut bestätigt werden.

4.4.3

Ein effizientes Bescheinigungsverfahren könnte einen Mechanismus bereitstellen, durch den einzelne Versorgungsunternehmen alle oder die meisten der in Artikel 30 der Sektorenrichtlinie geregelten Vorteile (7) wahrnehmen könnten, wenn die allgemeinen Kriterien dieses Artikels nicht erfüllt werden.

4.4.4

Bei fehlendem Anreiz für die Anwendung des Verfahrens hat dieses offensichtlich wenig Nutzen. Wenn das Verfahren jedoch um einen handfesten Anreiz ergänzt werden könnte, sollte seine Beibehaltung in einer entsprechenden Form erwogen werden.

4.5   Schlichtung und Beilegung von Meinungsverschiedenheiten

4.5.1

Der Ausschuss stellt fest, dass die allgemein anerkannte Meinung vertreten wird, die Abschaffung der wenig genutzten Verfahren sei angemessen.

4.5.2

Es besteht jedoch die weit verbreitete Ansicht, die auch der Ausschuss teilt und in mehreren Stellungnahmen umfassend dargelegt und vertreten hat, dass einige Formen alternativer Streitbeilegungsmöglichkeiten wünschenswert wären. Die bestehenden Verfahren unterscheiden sich in den verschiedenen Mitgliedstaaten erheblich, angefangen von relativ inoffiziellen, leicht zugänglichen und mit niedrigen Kosten verbundenen Gremien bis hin zur Inanspruchnahme von Rechtswegen mit all den Kosten und Ressourcenaufwendungen, die diese mit sich bringen. Unabhängige Behörden sind in den Mitgliedstaaten, die solche genehmigt haben, offensichtlich effizient, jedoch ist die Praxis nicht überall gleich (siehe auch oben Ziffer 3.4.1 und die dazugehörige Fußnote).

4.5.3

In Anbetracht der unterschiedlichen kulturellen und rechtlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen Mitgliedstaaten liegt eine allgemeine Lösung dieses Problems nicht auf der Hand.

4.5.4

Das Schlichtungsverfahren ist nicht weit verbreitet, da es offensichtlich keine vollstreckbaren Entscheidungen herbeiführen kann und im Falle eines Misserfolgs die formale Beschwerdefrist verstrichen sein kann. Vollstreckbare Entscheidungen erfordern zwangsläufig einen Rechtsprozess, wenn sich die Parteien nicht vor einer Schiedskommission einigen können. Dieses Paradox verursacht Probleme bei der Beilegung von Meinungsverschiedenheiten.

4.5.5

Eine weitere Prüfung alternativer Streitbeilegungsmechanismen, die in anderen Ländern oder in einem anderen Zusammenhang angewendet werden, könnte ein nützliches Instrument hervorbringen, mit dem die Einwände gegen das Schlichtungsverfahren überwunden und niedrige Kosten beibehalten werden könnten und so zu einer Verbesserung im Rahmen der Richtlinien beigetragen werden würde.

4.6   Stillhaltefristen

4.6.1

Die Stillhaltefristen, die in dem Richtlinienentwurf vorgeschlagen werden, müssen noch einmal überprüft werden.

4.6.2

Erstens sind die meisten von ihnen (ausgenommen die Fünftagefristen) als Kalendertage festgelegt und relativ kurz (drei, sieben oder zehn Tage). In manchen Mitgliedstaaten und zu bestimmten Zeiten im Jahr können die zehn Kalendertage drei Werktagen entsprechen, während die drei Kalendertage unter Umständen überhaupt keine Werktage enthalten. Dies kann natürlich nicht zufrieden stellend sein. Im Jahr 2006 gibt es mindestens 42 Wochentage (von 260 im gesamten Jahr), die irgendwo im EWR öffentliche Feiertage sind. Ferner gibt es einen Zehn-Tage-Zeitraum mit nur zwei Werktagen und drei Zeiträume mit nur drei Werktagen.

4.6.2.1

Es muss ein ausgewogenes Verhältnis erzielt werden, wenn es darum geht, den Wirtschaftsteilnehmern zwar eine angemessene Frist für das Einlegen einer Beschwerde zu geben, jedoch keinen unnötigen Aufschub für alle unproblematischen Verträge zu verursachen.

4.6.2.2

Idealerweise sollten die Stillhaltefristen als Werktage festgelegt werden, dies verursacht jedoch Probleme aufgrund der unterschiedlichen öffentlichen Feiertage in den einzelnen Mitgliedstaaten.

4.6.3

Zweitens, bei einer ordnungsgemäß durchgeführten Ausschreibung erwarten die Bieter einen Bescheid, der ihnen in jedem Fall persönlich zugesendet wird. Sie dürften so kaum Schwierigkeiten haben, gegebenenfalls sofort zu antworten.

4.6.4

Im Falle einer freihändigen oder hausinternen Auftragsvergabe stellt sich das Informationsproblem für eine nicht hausinterne Person noch schärfer.

4.6.5

Potenzielle Bewerber können u.U. keine Kenntnis davon haben, dass sich der Vertrag in der Nachprüfung befindet und sind darauf angewiesen, die öffentliche Bekanntmachung zu sehen, die sie auf den Vertragsabschluss aufmerksam macht. Sogar wenn die Zehn-Kalendertage-Frist nur ein Wochenende enthält und sich somit auf acht Werktage beläuft, bleibt sehr wenig Zeit, Maßnahmen aus dem Stand heraus zu ergreifen.

4.6.6

Da allgemeine Einigkeit besteht, dass freihändig vergebene Aufträge den größten Anteil an Missbräuchen enthalten, muss sowohl der Dauer der Stillhaltefristen als auch einem Mechanismus, der die frühestmögliche Benachrichtigung potenziell interessierter Bewerber über angebotene Verträge sicherstellt, mehr Beachtung geschenkt werden. Eine angemessene Verlängerung der Stillhaltefrist für diese Art von Verträgen — nicht anzuwenden auf Verträge, für die eine ordnungsgemäße Ausschreibung erfolgte — wäre sachdienlich.

4.6.7

Die Rechtsmittelrichtlinie gilt natürlich nur für Verträge, die über dem Schwellenwert liegen. Verträge, die jedoch leicht unter dem Schwellenwert und somit außerhalb des Anwendungsbereichs der Rechtsmittelrichtlinien liegen, erhöhen sich unter Umständen bis über den Schwellenwert, manchmal sogar erheblich. Dies bietet zu häufig Raum für Missbrauch.

4.6.8

Eine Anforderung, alle Verträge zu veröffentlichen, einschließlich derer, die weit unter dem Schwellenwert liegen und derer, die mit hausinternen Personen geschlossen werden, wäre unverhältnismäßig. Es sei in diesem Zusammenhang auch darauf verwiesen, dass In-House-Dienste nicht unter die Vergaberichtlinie fallen und in diesem Zusammenhang auch die grundsätzliche Frage auftaucht, warum hier die Stillhaltefrist zur Anwendung kommen soll.

4.6.9

Als einfaches und rechtzeitiges Instrument für die Benachrichtigung potenziell interessierter Wirtschaftsteilnehmer über die bevorstehende Vergabe eines Auftrags, der oberhalb des Schwellenwerts (oder möglicherweise oberhalb eines niedrigeren Werts von beispielsweise 80 % des Schwellenwerts) liegt, könnte die Kommission eine Website einrichten oder finanzieren, deren ausschließliche Verwendung für diesen Zweck vorteilhaft wäre. Wenn eine solche Website eingerichtet wird, sollte ihre Nutzung obligatorisch sein.

4.6.10

Ferner würde die Entwicklung eines automatischen Suchinstruments für eine solche Website, das die Bieter auf sie interessierende veröffentlichte Bekanntmachungen hinweist, die Wirksamkeit der Bekanntmachungen erheblich erhöhen. Wenn ein solches System jede Nacht die Website durchsuchen und alles, was von Interesse ist, markieren würde, bestünde eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass die Bieter rechtzeitig von bevorstehenden Vertragsabschlüssen, die sie ggf. anfechten möchten, Kenntnis erlangen.

5.   Gebühren

5.1

Es wurde vorgeschlagen, dass ein Bieter, der die Anfechtung einer Vergabe einleiten möchte, eine Gebühr entrichten soll, um lästige oder taktische Anfechtungsverfahren zu verhindern. Der EWSA befürwortet eine solche Maßnahme nicht. Einerseits sind die für eine Anfechtung zu unternehmenden Anstrengungen bereits mit genügend Kosten verbunden, und andererseits kann die Nachprüfungsinstanz (8), an die die Beschwerde gerichtet wird, sehr wohl unseriöse Anträge abweisen.

5.2

In Ländern, in denen die Nachprüfungsinstanz nicht zur Abweisung unseriöser Anträge befugt ist, könnte eine Gebühr gerechtfertigt sein, diese müsste jedoch angemessen sein, so dass sie seriöse Antragsteller nicht von einer Beschwerde abhält und somit nicht als Schutz für Auftraggeber dient, die gegen die Richtlinien verstoßen haben.

5.3

Auch wenn es nicht unbedingt zu den Überlegungen der neuen Richtlinie gehört, ist dem EWSA zur Kenntnis gelangt, dass einige Vergabebehörden die Praktik angenommen haben, von Bietern, die ein Angebot einreichen möchten, die Entrichtung von Gebühren zu fordern. Der Ausschuss lehnt ein solches Mittel strikt ab, da es nicht nur den KMU schadet, sondern auch als Mittel verdeckter Diskriminierung verwendet werden kann, was dem Geist und möglicherweise den Vorschriften der Richtlinien widerspricht.

6.   Glossar

Klassische Richtlinie

Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge. Gilt für sämtliche öffentlichen Auftraggeber (staatlich, regional, kommunal usw.) mit Ausnahme derjenigen, die unter die Sektorenrichtlinie fallen (siehe unten).

Sektorenrichtlinie

Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste. Gilt für sämtliche in diesen Sektoren tätigen Akteure unabhängig davon, ob ihr Kapital von öffentlichen oder privaten Eigentümern gehalten wird.

Öffentliches Auftragswesen

Vergabe von Aufträgen durch Behörden (gemäß der klassischen Richtlinie) und durch öffentliche Versorgungsunternehmen (gemäß der Sektorenrichtlinie).

Rechtsmittelrichtlinien

1991 und 1993 traten zwei jetzt in Änderung befindliche Richtlinien über die Anwendung der Nachprüfungsverfahren für die klassische Richtlinie (9) und die Sektorenrichtlinie (10) in Kraft. Sie wurden eingeführt, um ein Durchführungs- und Rechtsmittelinstrument zu schaffen, dass in den früheren klassischen Richtlinien gefehlt hatte (11).

Neue Richtlinie

Änderungsvorschlag zu den Rechtsmittelrichtlinien, der Gegenstand dieser Stellungnahme ist.

Richtlinie(n)

Jede beliebige oder alle (wenn es der Kontext zulässt) der oben definierten Richtlinien.

Vergabebehörde

Ein Auftraggeber (des klassischen Sektors) oder ein Auftraggeber (des Versorgungssektors), der in die durch die Richtlinien geregelten Verfahren eingebunden ist.

Unabhängige Behörde

Eine unabhängige Behörde, die im Sinne von Artikel 2 Absatz 3 der Begründung auf Seite 5 der Neuen Richtlinie Beschwerden entgegennehmen würde.

Nachprüfungsinstanz

Eine gerichtliche oder quasi-gerichtliche Instanz, die „unabhängig vom Auftraggeber “ist, zur Anhörung von Beschwerden benannt wurde und befugt ist, über diese zu entscheiden.

Brüssel, den 18. Januar 2007

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Siehe Fußnote 9 zum Glossar.

(2)  Folgenabschätzungsbericht — Rechtsmittel im öffentlichen Auftragswesen, SEK(2006) 557 vom 4. Mai 2006, Seite 5: Rechtssache Alcatel, Fall C-81/98, Ziffer 33.

(3)  Folgenabschätzungsbericht — Rechtsmittel im öffentlichen Auftragswesen, SEK(2006) 557 vom 4. Mai 2006.

(4)  Siehe Glossar zur Definition des Begriffs „Unabhängige Behörde “im Unterschied zur „Nachprüfungsinstanz “entsprechend der Begriffsverwendung in diesem Dokument.

(5)  Zum Beispiel die Wettbewerbsbehörde in Dänemark und die Zentrale Regierungsbehörde für öffentliches Beschaffungswesen in Schweden.

(6)  Siehe den Fall Hazell gegen den Bezirksrat Hammersmith and Fulham vor dem House of Lords des Vereinigten Königreichs 1992, in dem die lokalen Behörden einen Zinsswap-Vertrag eingegangen waren, um ihre Kosten zu reduzieren oder für sich einen Gewinn zu erzielen. Die Zinssätze verschoben sich jedoch zu Ungunsten der Behörden, und die Banken forderten sie zur Zahlung der Differenz auf. Die zahlungsunfähigen lokalen Behörden erklärten, dass der Abschluss solcher Verträge außerhalb ihrer Befugnisse gestanden habe und diese deshalb nichtig seien. Das Gericht entschied zugunsten der lokalen Behörden und die beteiligten Banken, die diese Verträge gutgläubig abgeschlossen hatten, erlitten erhebliche Verluste.

(7)  Artikel 30 Absatz 1 lautet: „Aufträge, die die Ausübung einer Tätigkeit im Sinne der Artikel 3 bis 7 [Definition eines Versorgungsunternehmens] ermöglichen sollen, fallen nicht unter diese Richtlinie, wenn die Tätigkeit in dem Mitgliedstaat, in dem sie ausgeübt wird, auf Märkten mit freiem Zugang unmittelbar dem Wettbewerb ausgesetzt ist. “Die übrigen Absätze von Artikel 30 regeln umfassend die Kriterien und das Verfahren, das für eine Befreiung von den Bestimmungen der Richtlinie einzuhalten ist.

(8)  Siehe Glossar zur Definition des Begriffs „Nachprüfungsinstanz “im Unterschied zur „Unabhängigen Behörde “entsprechend der Begriffsverwendung in diesem Dokument.

(9)  92/50/EWG vom 18. Juni 1992 (Dienstleistungsaufträge), 93/36/EWG (Lieferaufträge) und 93/37/EWG (Bauaufträge), beide vom 14. Juni 1993.

(10)  93/38/EWG vom 14. Juni 1993.

(11)  71/305/EWG vom 26. Juli 1971 (Bauaufträge) und 77/62/EWG vom 21. Dezember 1976 (Lieferaufträge). Zu dieser Zeit gab es keine Dienstleistungsrichtlinie.


ANHANG

zur Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Die folgende Passage der Stellungnahme der Fachgruppe, auf die mehr als ein Viertel der abgegebenen Stimmen entfiel, wurde zugunsten eines Änderungsantrags abgelehnt:

1.2.1.

In einem solchen transparenten Wettbewerbsklima im Rahmen der Beschaffungsvorgänge sind Sparsamkeit und Effizienz zweifellos wichtige Kriterien. Jedoch darf nicht übersehen werden, dass öffentliche Investitionen zugleich ein wirtschaftspolitisches Instrument sind und hinsichtlich der Lissabon-Ziele beschäftigungspolitische, soziale und ökologische Aspekte ebenso bei der Entscheidung mitberücksichtigt werden sollen. Dieser Grundsatz wäre in Folge auch bei den Nachprüfungsverfahren von Bedeutung.

Abstimmungsergebnis:

78 Ja-Stimmen zugunsten der Streichung dieser Ziffer, 67 Nein-Stimmen, 10 Stimmenthaltungen.


27.4.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 93/22


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 92/49/EWG des Rates sowie der Richtlinien 2002/83/EG, 2004/39/EG, 2005/68/EG und 2006/48/EG betreffend Verfahrensregeln und Bewertungskriterien für die aufsichtliche Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von Beteiligungen im Finanzsektor“

KOM(2006) 507 endg. — 2004/0166 (COD)

(2007/C 93/05)

Der Rat beschloss am 19. Oktober 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 10. Januar 2007 an. Berichterstatter war Herr RETUREAU.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 432. Plenartagung am 17./18. Januar 2007 (Sitzung vom 18. Januar) mit 124 Ja-Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung der Schlussfolgerungen des Ausschusses

1.1

Der Grundsatz einer erschöpfenden Aufstellung von Kriterien und der Transparenz der beizubringenden Informationen sollte unterstützt werden. Auf diese Weise würde in allen Mitgliedstaaten eine harmonisierte, ja sogar einheitliche Regelung geschaffen, jedoch lediglich für grenzüberschreitende Transaktionen in Bezug auf den Erwerb oder die Erhöhung von Beteiligungen an Unternehmen des Finanzsektors (Banken, Versicherungen und Wertpapierfirmen).

1.2

Die vorgeschlagene Regelung ermöglicht den Unternehmen und Investoren eine rasche Abwicklung und gewährleistet Transparenz, Gleichbehandlung und Rechtssicherheit; die Mitgliedstaaten müssten ihre innerstaatlichen Bestimmungen für grenzüberschreitende Transaktionen entsprechend anpassen, um für alle Transaktionen derselben Art über einen einheitlichen Rechtsrahmen zu verfügen.

1.3

Die Übermittlung von als unvollständig angesehenen Informationen kann ein Grund für einen Einspruch gegen einen mitgeteilten Erwerb sein; daher sollte bei der Anforderung zusätzlicher Informationen weder über die aufgestellten Kriterien hinausgegangen werden, noch sollten auf diesem Wege weitere Bedingungen auferlegt werden; so dürfen solche Informationsersuchen nicht als Vorwand für einen ungerechtfertigten Beschluss über eine Ablehnung dienen, wenn in Bezug auf alle aufgestellten Kriterien zufrieden stellende Informationen bereitgestellt wurden.

1.4

Die betreffenden Investoren sollten für die Beibringung bestimmter zusätzlicher Informationen eine Verlängerung der Frist beantragen können (in Gesellschaften mit zahlreichen Tochterunternehmen und Beteiligungen kann die Sachlage unter Umständen komplex sein). Im Einklang mit den in den Richtlinien vorgesehenen allgemeinen Grundsätzen für die Aufsicht sollte der Grundsatz der Aufsicht durch den Herkunftsmitgliedstaat auch auf die Bewertung des Rufs eines potenziellen Erwerbers angewandt werden. Daher sollten Erwerber, die bereits einer Bewertung in einem Mitgliedstaat unterzogen wurden und deren Ruf bereits beurteilt wurde — wie dies bei Unternehmen mit Sitz innerhalb der EU der Fall ist — von einer erneuten Beurteilung freigestellt werden, sofern sich die Sachlage nicht zwischenzeitlich geändert hat.

1.5

Das von der Kommission gewählte Verfahren könnte sich in der Praxis in der Tat als zu unflexibel erweisen, da die tatsächlichen Gegebenheiten mehr oder weniger komplex sind und jeder Fall anders liegt.

1.6

Die Gefahr eines raschen Beurteilungsverfahrens besteht darin, dass es zu oberflächlichen Ergebnissen führen kann; die Überwachung durch die Kommission sollte sich nicht auf Ablehnungsfälle beschränken, sondern vielmehr sporadisch durch Stichproben erfolgen, um die ordnungsgemäße Durchführung der Richtlinie in den Mitgliedstaaten zu bewerten.

2.   Vorschläge der Kommission

2.1

Gegenstand des Kommissionsdokuments ist eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) sowie mehrerer Richtlinien für einzelne Bereiche betreffend die aufsichtsbehördliche Genehmigung des Erwerbs bzw. der Erhöhung von Kapitalbeteiligungen an Unternehmen des Finanzsektors (Versicherungen und Rückversicherer, OGAW-Verwaltungsgesellschaften und andere geregelte Märkte).

2.2

Mit dem Vorschlag zur Änderung der Finanzrichtlinien (Richtlinie 92/49/EG des Rates sowie der Richtlinien 2002/83/EG, 2004/39/EG (MiFID), 2005/68/EG und 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates) in Bezug auf die Verfahrensregeln und Bewertungskriterien für die aufsichtliche Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von Beteiligungen im Finanzsektor werden neue Vorschriften zur Vereinfachung und klareren Gestaltung des Verfahrens zur aufsichtsbehördlichen Genehmigung von Zusammenschlüssen und Erwerbsvorhaben im Bereich der Finanzdienstleistungen vorgeschlagen. Mit dem Vorschlag wird die grenzüberschreitende Konsolidierung gefördert und vereinfacht, wodurch dem mutmaßlichen Vorgehen der Aufsichtsbehörden bestimmter Länder entgegengewirkt wird, denen vorgeworfen wird, grenzübergreifende Zusammenschlüsse im Namen des nationalen Interesses be- bzw. verhindert zu haben.

2.3

Ziel der neuen Vorschriften ist, in der Europäischen Union ein harmonisiertes Verfahren zur raschen und transparenten aufsichtsbehördlichen Genehmigung von Zusammenschlüssen und von Vorhaben zum Erwerb reglementierter Finanzunternehmen zu schaffen. Der derzeit vorgesehene Beurteilungszeitraum von drei Monaten soll auf dreißig Werktage ab Eingang des Antrags verkürzt werden, jedoch kann diese Frist zur Vervollständigung des Antrags um zehn Tage verlängert werden, wenn die zuständige Behörde der Auffassung ist, das Dossier sei unvollständig. Der Anwendungsbereich der Vorschriften soll sich auch auf potenzielle Erwerber erstrecken, die einer Rechtsordnung außerhalb der EU unterliegen und einen Erwerb oder eine Erhöhung von Beteiligungen an Unternehmen innerhalb der Union planen.

2.4

Mit dem Vorschlag soll verhindert werden, dass aufsichtsbehördliche Genehmigungen möglicherweise missbraucht werden, um grenzüberschreitende Konsolidierungen zu behindern. Der Anwendungsbereich der geltenden Rechtsvorschriften umfasst innerstaatliche und grenzüberschreitende Transaktionen, die von Finanzinstituten oder Wertpapierfirmen getätigt werden. Die zuständigen Behörden verfügen gegenwärtig über drei Monate zur Beurteilung eines Erwerbsvorhabens und können sich diesem entgegenstellen, „wenn sie nicht davon überzeugt sind, dass … [der Erwerber] den im Interesse einer soliden und umsichtigen Führung des Versicherungsunternehmens zu stellenden Ansprüchen “genügt.

2.5

Somit stand es den Mitgliedstaaten und den dort zuständigen Behörden in gewissem Maße frei, dieses einzige Kriterium extensiv auszulegen und einem geplanten Erwerb nach eigenem Gutdünken und ohne ausreichend klar definierte Kriterien zuzustimmen, ihn hinauszuzögern oder abzulehnen.

2.6

Es wird ein erschöpfendes Verzeichnis mit Bewertungskriterien aufgestellt. Als Grundregel ist vorgesehen, dass jede natürliche oder juristische Person bzw. Personen, die zusammen handeln den für die jeweilige Gesellschaft zuständigen Behörden ihre Absicht mitteilen müssen,

eine Beteiligung von 10 % oder mehr des Kapitals oder der Stimmrechte einer Versicherungsgesellschaft (bzw. einen geringeren Anteil, der die Ausübung eines maßgeblichen Einflusses auf die Geschäftsführung des Versicherers gestattet) zu erwerben; oder

eine solche Beteiligung zu erhöhen, wenn dadurch die Schwellen von 20 %, 30 % (vormals 33 %) bzw. 50 % oder mehr erreicht oder überschritten würden; oder

eine Versicherungsgesellschaft vollständig zu übernehmen. Der Kommissionsvorschlag enthält eine Reihe genau festgelegter Kriterien, an die sich die zuständigen Behörden bei der Beurteilung der Eignung eines potenziellen Erwerbers sowie der finanziellen Solidität des geplanten Erwerbs halten müssen.

2.7

Diese Kriterien werden allen Marktteilnehmern zur Kenntnis gebracht und in allen Mitgliedstaaten einheitlich angewendet. Die zuständige Behörde solle demnach allein folgende Kriterien zugrunde legen:

den Ruf des potenziellen Erwerbers: In den Erwägungsgründen des Richtlinienentwurfs heißt es, es müsse festgestellt werden, ob Zweifel hinsichtlich der Integrität und professionellen Kompetenz des Erwerbers bestehen (beispielsweise aufgrund eines Geschäftsgebarens in der Vergangenheit) und ob diese Zweifel begründet sind;

die Beurteilung der Integrität wird dann als besonders wichtig angesehen, wenn es sich bei dem Erwerber nicht um ein sonstiges reguliertes Finanzinstitut oder eine Wertpapierfirma handelt;

den Ruf und die Erfahrung einer jeden Person, die im Zuge des geplanten Erwerbs mit der tatsächlichen Leitung der Geschäftstätigkeit des Versicherungsunternehmens betraut werden könnte;

die finanzielle Solidität des potenziellen Erwerbers, insbesondere unter Berücksichtigung der in dem Versicherungsunternehmen, das Gegenstand des Erwerbsvorhabens ist, ausgeübten und geplanten Tätigkeiten;

die Frage, ob das Versicherungsunternehmen weiterhin seinen Verpflichtungen aufgrund der von der Europäischen Union festgelegten Aufsichtsregelungen und Solvenzvorschriften nachkommt;

die Frage, ob ein vernünftiger Grund zu der Annahme besteht, dass in Verbindung mit der geplanten Transaktion Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung betrieben wird bzw. wurde oder ein Versuch dieser Straftaten vorliegt bzw. ob sich die Gefahr solcher Straftaten durch den geplanten Erwerb erhöhen könnte;

Die zuständige Behörde, die die Mitteilung erhält, muss deren Empfang innerhalb von zwei Werktagen nach Erhalt schriftlich bestätigen.

Danach verfügt die zuständige Behörde für die Beurteilung des vorgeschlagenen Erwerbs über eine Frist („Beurteilungszeitraum“) von maximal dreißig Werktagen ab dem Datum der Eingangsbestätigung. Der Beurteilungszeitraum kann auf bis zu fünfzig Werktage verlängert werden, wenn der potenzielle Erwerber einer Gerichtsbarkeit außerhalb der Gemeinschaft unterliegt und in einem Drittland ansässig oder wohnhaft ist, in dem rechtliche Hindernisse für die Übermittlung der erforderlichen Informationen bestehen.

Die zuständige Behörde kann erforderlichenfalls bestimmte weitere Informationen vom Erwerber anfordern. Bis zur Beibringung der geforderten Angaben wird der Beurteilungszeitraum für eine Dauer von bis zu zehn Werktagen unterbrochen.

2.8

Weitere Informationsersuchen, die zu einem späteren Zeitpunkt seitens der zuständigen Behörde gestellt werden, dürfen nicht zu einer Unterbrechung des Beurteilungszeitraums führen.

2.9

Die Beurteilung begrenzt sich auf Aufsichtsfragen und Fragen im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Geldwäsche. Die zuständigen Behörden verfügen über keinerlei Ermessensbefugnis zur Auferlegung vorheriger Bedingungen in Bezug auf die Höhe der zu erwerbenden Beteiligung noch zur Prüfung des Erwerbs unter Aspekten der wirtschaftlichen Bedürfnisse des Marktes. Konkurrierende Erwerbsvorhaben, die ein und dasselbe Unternehmen betreffen, müssen ohne Diskriminierung behandelt werden.

2.10

Nach Maßgabe der Änderungsvorschläge hat die Kommission das Recht, eine Darlegung der Gründe jeder erteilten Genehmigung oder Verweigerung sowie Kopien der Unterlagen zu verlangen, die die zuständigen Behörden ihrer Beurteilung zugrunde gelegt haben.

2.11

Darüber hinaus obliegt es der Kommission, in Ausübung ihrer Durchführungsbefugnisse eine Anpassung der Bewertungskriterien vorzuschlagen und zu beschließen, wenn dies erforderlich ist, um den Marktentwicklungen sowie der Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung innerhalb der Europäischen Union Rechnung zu tragen.

3.   Bemerkungen des Ausschusses

3.1

Zur Form: Es erscheint logisch, mehrere Richtlinien durch eine oder mehrere Richtlinien zu ändern; ebenso ist es nachvollziehbar, dass sich die Richtlinie, mit der die Änderungen vorgenommen werden, in diesem Fall auf dieselbe Rechtsgrundlage stützt wie die zu ändernden Richtlinien.

3.2   Zum Inhalt

3.2.1

Der Grundsatz einer erschöpfenden Aufstellung von Kriterien und der Transparenz der beizubringenden Informationen sollte unterstützt werden. Auf diese Weise würde in allen Mitgliedstaaten eine harmonisierte, ja sogar einheitliche Regelung geschaffen, um grenzüberschreitende Transaktionen zu erleichtern.

3.2.2

Die vorgeschlagene Regelung ermöglicht den Unternehmen und Investoren eine rasche Abwicklung und gewährleistet Transparenz, Gleichbehandlung und Rechtssicherheit; der Beurteilungszeitraum darf nur ein einziges Mal — unter klar festgelegten Umständen — unterbrochen werden, so dass sich der Beschlussfassungsprozess bei Transaktionen innerhalb der Gemeinschaft auf höchstens sechs Wochen, anstelle von zwölf oder dreizehn Wochen verkürzt.

3.2.3

Im Anschluss an diese Bemerkungen möchte der Ausschuss des Weiteren darauf hinweisen, dass nach Angaben von Fachleuten etwas mehr als jede zweite Fusion bzw. Übernahme letztlich scheitert, die vorhergesagten Synergien in den meisten Fällen zu hoch angesetzt sind und im Bankensektor 5 bis 10 % der Kunden nach einer solchen Transaktion die Bank wechseln.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Die Bestimmungen zur Unterbrechung des Beurteilungszeitraums sowie die Verknüpfung mit der Beibringung zusätzlicher Informationen sollten präzisiert werden; so kann die Übermittlung von als unvollständig angesehenen Informationen ein Grund für einen Einspruch gegen den mitgeteilten Erwerb sein; solche Informationsersuchen sollten nicht als Vorwand für einen ungerechtfertigten Beschluss über eine Ablehnung dienen können: Deshalb sollten die zusätzlich angeforderten Informationen weder über die aufgestellten Kriterien hinausgehen, noch sollten auf diesem Wege weitere Bedingungen auferlegt werden. In diesem Sinne sollten die betreffenden Investoren für die Beibringung bestimmter zusätzlicher Informationen eine Verlängerung der Frist beantragen können (in Gesellschaften mit zahlreichen Tochterunternehmen und Beteiligungen kann die Sachlage unter Umständen komplex sein).

4.2

Die Gefahr eines raschen Beurteilungsverfahrens besteht darin, dass es zu oberflächlichen Ergebnissen führen kann; die Überwachung durch die Kommission sollte sich nicht auf Ablehnungsfälle beschränken, sondern vielmehr sporadisch durch Stichproben erfolgen. Zudem haben die Ausschüsse der Aufsichtsbehörden für den Bereich der Finanzdienstleistungen auf europäischer Ebene (der Ausschuss der europäischen Bankaufsichtsbehörden, der Ausschuss der europäischen Aufsichtsbehörden für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung sowie der Ausschuss der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden) Bedenken zu den Änderungsvorschlägen geäußert. Ihre Vorbehalte beziehen sich auf die Verkürzung des Beurteilungszeitraums, den erschöpfenden Charakter der aufgestellten Beurteilungskriterien, die Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden des Herkunftsmitgliedstaates und des Aufnahmemitgliedstaates sowie auf die Befugnisse der Kommission zur Überprüfung eines (a priori negativen) Beschlusses.

4.3

Das von der Kommission gewählte Verfahren und insbesondere einige in detaillierter Form vorgeschlagene Verfahrensvorschriften (so wird z.B. (1) die Vorschrift eingeführt, dass die zuständige Behörde eines Mitgliedstaates den Erhalt des Antrags innerhalb von zwei Werktagen nach Eingang schriftlich bestätigen muss, anstatt das derzeit in den Mitgliedstaaten geltende Verfahren, wonach diese Bestätigung bei Antragszustellung erfolgt, anzuerkennen; (2) der Beginn der Frist, innerhalb derer die zuständige Behörde den Antrag zu bearbeiten hat, nicht ab dem Eingangsdatum des Antrags, sondern ab dem Datum der Bestätigung des Erhalts festgelegt) könnten sich in der Praxis als zu unflexibel erweisen, da die tatsächlichen Gegebenheiten mehr oder weniger komplex sind und jeder Fall anders liegt. Dies könnte es erschweren, das Hauptziel der Richtlinie zu erreichen, nämlich dass „die Rechtssicherheit, die Klarheit und die Transparenz des Genehmigungsverfahrens durch die Aufsichtsbehörden … beträchtlich erhöht werden “sollen.

4.4

Im Einklang mit den in den Richtlinien vorgesehenen allgemeinen Grundsätzen für die Aufsicht sollte der Grundsatz der Aufsicht durch den Herkunftsmitgliedstaat auch auf die Bewertung des Rufs eines potenziellen Erwerbers angewandt werden. Daher sollten Erwerber, die bereits einer Bewertung in einem Mitgliedstaat unterzogen wurden und deren Ruf bereits beurteilt wurde — wie dies bei Unternehmen mit Sitz innerhalb der EU der Fall ist — von einer erneuten Beurteilung freigestellt werden, sofern sich die Sachlage nicht zwischenzeitlich geändert hat. Folglich dürfte die für das einschlägige Unternehmen zuständige Aufsichtsbehörde sich dem Erwerbsvorhaben nicht aufgrund einer vermeintlich unzureichenden Zuverlässigkeit des potenziellen Erwerbers oder seiner Geschäftsführung entgegenstellen, wenn es sich bei dem potenziellen Erwerber um ein Unternehmen handelt, das bereits einer Kontrolle durch die zuständige Behörde eines anderen Mitgliedstaats unterzogen wurde; in diesem Fall sollte eine Abstimmung zwischen den beiden Behörden stattfinden. Eine Sachlage, wie sie sich im Falle einer nicht übereinstimmenden Beurteilung ein und desselben Unternehmens durch die zuständigen Behörden verschiedener Mitgliedstaaten ergäbe, muss weitmöglichst verhindert werden.

4.5

Nach Ansicht des EWSA, der die vorgeschlagenen Änderungen begrüßt, sollten aufgrund der Erfahrungen die Exekutiv- und Kontrollbefugnisse der Kommission dazu dienen, eine echte Harmonisierung des Einsatzes der Kriterien zu fördern, bestimmte Kriterien sofern erforderlich anzupassen, und bestimmte Entscheidungen, wo dies erforderlich ist, zu revidieren.

Brüssel, den 18. Januar 2007

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


27.4.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 93/25


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Überprüfung des Binnenmarktes“

(2007/C 93/06)

Am 5. Oktober 2006 ersuchte Frau Margot WALLSTRÖM, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um die Erarbeitung einer Stellungnahme zu „Überprüfung des Binnenmarktes“.

Das Präsidium des Ausschusses beauftragte die Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch mit der Ausarbeitung dieser Stellungnahme.

Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 432. Plenartagung am 17./18. Januar 2007 (Sitzung vom 17. Januar) Herrn CASSIDY zum Hauptberichterstatter und verabschiedete mit 136 gegen 42 Stimmen bei 9 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss würde es begrüßen, wenn die Kommission die im Folgenden dargelegten Maßnahmen als Teil ihrer vorrangigen Ziele für den Binnenmarkt betrachten könnte.

1.1.1

Die Vollendung des Binnenmarktes erfordert zur Überwindung bestehender Widerstände eine Balance zwischen wirtschaftlicher Dynamik, sozialer Dimension und nachhaltiger Entwicklung. Der Binnenmarkt wird nur vollendet werden können, wenn alle Bürger — Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Konsumenten etc. — daraus einen Nutzen für sich erkennen. Der Binnenmarkt sollte so viele Gewinner haben wie möglich und kompensatorische Maßnahmen für die Verlierer bereitstellen. Die bestehende Skepsis der Bürger gegenüber Europa kann nur abgebaut werden, wenn die Politik die dringenden Anliegen der Bürger berücksichtigt. Kommunikation allein reicht nicht.

1.1.2

Zur Bewältigung der Herausforderungen der Globalisierung — Bestehen im globalen Wettbewerb, Wachstum und Beschäftigung, Bereitstellung notwendiger Infrastrukturen, erfolgreicher Klimaschutz und Sicherheit der Energieversorgung, Reagieren auf den zunehmenden Einfluss der Finanzmärkte auf die Gesamtwirtschaft — und zur Nutzung der von ihr gebotenen Chancen müssen alle Möglichkeiten des Binnenmarktes ausgeschöpft werden. Die Maßnahmen zur Liberalisierung und Wettbewerbsförderung müssen daher durch eine flankierende wachstums- und beschäftigungsorientierte makroökonomische Politik sowie Maßnahmen zur Realisierung der Wissensgesellschaft ergänzt werden, da das allgemeine Ziel der Europäischen Union nach wie vor die stetige Besserung der Lebens- und Beschäftigungsbedingungen ihrer Völker ist (Ziel der Präambel der Römischen Verträge, das in allen nachfolgenden Texten übernommen wurde). Dies wird wesentlich dazu beitragen, dass der Binnenmarkt vollendet werden kann.

1.1.3

Europa muss auf einzelstaatlicher und europäischer Ebene mehr in die allgemeine und berufliche Bildung sowie in die Forschung investieren. Investitionen in die allgemeine und berufliche Bildung sowie die Forschung sind kein Luxus für Europa, sondern dringend notwendig. Deshalb sind die Realisierung des Europäischen Forschungsraums und des lebenslangen Lernens für alle eine Priorität.

1.1.4

Die Glaubwürdigkeit der EU-Forschungspolitik hat durch die wiederholten Rückschläge bei der Einführung des Gemeinschaftspatents ziemlich gelitten. Angesichts der Tatsache, dass es nicht möglich war, innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens eine Einigung über die Gestaltung dieses Instruments zu erzielen, welches für das von der EU beharrlich verfolgte Ziel der wissensbasierten Wirtschaft so entscheidend ist, sollte nun ernsthaft darüber nachgedacht werden, ob es wirklich sinnvoll wäre, dieses Instrument gleich zu Beginn auf alle EU-Mitgliedstaaten anzuwenden, wenn doch weiterhin keine Einvernehmlichkeit erreicht werden kann (1).

1.1.5

Über das wichtige Thema der Patente und das verwandte Thema des geistigen Eigentums hinaus ist der EWSA der Auffassung, dass die Frage der Wirtschaftsspionage ebenfalls auf EU-Ebene behandelt werden sollte. In diesem Zusammenhang fragt sich der EWSA, ob nicht Maßnahmen zur Stärkung der Rolle der Europäischen Agentur für Netz- und Informationssicherheit (ENISA) (2) und zur Verbesserung ihres Ansehens seitens der Wirtschaftsakteure ergriffen werden sollten, um zur Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in der EU beizutragen und das „Anzapfen “vertraulicher Informationen über ihre Produktions- sowie Forschungs- und Innovationsprozesse durch Konkurrenten aus Drittstaaten zu verhindern.

1.1.6

Die Kommission und der Rat sollten im Rahmen der transatlantischen Beziehungen entschiedener auftreten und von den USA die Achtung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung einfordern. So sollten sie für die Abschaffung des „Committee on Foreign Investments in the US (CFIUS) “(Ausschuss für ausländische Investitionen in den USA) plädieren, das vor über 30 Jahren eingesetzt wurde, um ausländische Beteiligungen an amerikanischen Unternehmen auf der Grundlage eines einzigen — im Übrigen nicht definierten! — Kriteriums der „nationalen Sicherheit “zu prüfen und möglicherweise zu verbieten. Darüber hinaus sind die Gerichte bei Handelsstreitigkeiten, an denen ein ausländisches und ein amerikanisches Unternehmen beteiligt sind, zugunsten der Letzteren voreingenommen.

1.1.6.1

Sollte es nicht möglich sein, eine Nichtdiskriminierung im Rahmen von Fusionen und Übernahmen oder von Handelspraktiken zu gewährleisten, sollte die EU ernsthaft die Möglichkeit erwägen, diese Angelegenheiten vor das Streitbeilegungsorgan der WTO zu bringen oder mit dem CFIUS vergleichbare Mechanismen einzusetzen. Diese Grundsätze müssen auch in den Beziehungen zu anderen Partnern der EU gelten.

1.1.7

Durch das Konzept der besseren Rechtsetzung können die Bedingungen für die Unternehmen vereinfacht und mehr Transparenz für Bürger und Verbraucher geschaffen werden. Weniger Vorschriften führen jedoch nicht zwangsläufig zu einer Verbesserung des Rechtsrahmens. Der EWSA spricht sich ferner für die Anwendung von Rechtsinstrumenten in wichtigen Bereichen aus, z.B. solchen, in denen Mindestvorschriften für Gesundheitsschutz und Sicherheit gelten und der Erlass einzelstaatlicher Rechtsvorschriften nicht zielführend ist.

1.1.8

Kollektivverträge zwischen den Sozialpartnern, die in vielen Mitgliedstaaten ein entscheidendes Element des politischen Entscheidungsprozesses bilden, können auch auf europäischer Ebene dazu beitragen, die Politik zu gestalten und die Akzeptanz der Maßnahmen zu steigern. Allerdings setzt dies voraus, dass beide Partner des sozialen Dialogs dazu bereit sind.

1.1.9

Die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten haben in Aussicht gestellt, den Verwaltungsaufwand für Unternehmen bis zum Jahr 2012 um 25 % zu verringern. Der EWSA gibt jedoch zu bedenken, dass dieses Versprechen zu breit angelegt ist und konkretisiert werden muss. Solange kein besser durchdachter Ansatz verfolgt wird, kann die eventuelle Nichteinhaltung des Versprechens nur zu einem weiteren Glaubwürdigkeitsverlust führen.

1.1.10

Die Regulierung im Wege von Rechtsvorschriften würde dort, wo sie möglich ist, ein klareres rechtliches Umfeld schaffen und zur Kohärenz beitragen.

1.1.11

Der Binnenmarkt beruht auf der Grundlage der gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen und -abschlüssen wie zum Beispiel für Hebammen und Geburtshelfer; diese haben deren Vorteile allerdings trotz entsprechender EU-Richtlinien nicht nutzen können.

1.1.12

Der Ausschuss verweist darauf, dass die Harmonisierung auf hohem Niveau auch bei 27 Mitgliedstaaten, die die Sache natürlich nicht leichter machen, ein wichtiger Bestandteil des Binnenmarktes bleibt.

1.1.13

Die Sozialpartner sollten in allen Phasen angehört werden, um zu gewährleisten, dass der erforderliche Grad der Vereinfachung der Verwaltungsverfahren und besseren Rechtsetzung innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens erreicht wird. Es ist wichtig, greifbare Ergebnisse in dieser Richtung zu erreichen, denn sonst würde die Europäische Union gegenüber ihren Bürgern noch mehr an Glaubwürdigkeit verlieren.

1.1.14

Der Ausschuss würde raschere Fortschritte bei der Verbesserung des Binnenmarktes für Dienstleistungen begrüßen. Anderenfalls kann der europäische Binnenmarkt nicht als vollendet betrachtet werden. Der Ausschuss begrüßt die Änderung der Dienstleistungsrichtlinie durch das Europäische Parlament, die im Wesentlichen seinen Vorschlägen entspricht. Einige Punkte bedürfen noch der Klärung und Verbesserung, z.B. im Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse. Nach Verabschiedung der Dienstleistungsrichtlinie durch das Europäische Parlament erwarten die Unternehmen nun reale Vorteile aus der Niederlassungsfreiheit für Unternehmen und der Freiheit der grenzüberschreitenden Dienstleistungen.

1.1.15

Im Bereich der Finanzdienstleistungen (3) hat sich der EWSA für eine dynamische Konsolidierung und die Vermeidung von Gold-plating ausgesprochen, allerdings darauf hingewiesen, dass dem Geist der Lissabon-Strategie entsprochen werden muss und den Besonderheiten des europäischen Sozialmodells Rechnung zu tragen ist. Das gilt auch für die grenzübergreifende Erbringung dieser Dienstleistungen (z.B. den Aktienhandel und die Portabilität von Zusatzrentenansprüchen) und grundlegende Finanzdienstleistungen wie den Zugang aller Menschen zu einem Bankkonto. Angesichts des zunehmenden Einflusses der Finanztransaktionen auf die Wirtschaft und der dynamischen und kreativen Innovationen in diesem Bereich (z.B. Hedge Funds und Private Equity) muss die Regelung dieses Marktes die daraus entstehenden systemischen Risiken und die Folgen für die reale Wirtschaft berücksichtigen und Rahmenbedingungen setzen, die kontraproduktive Effekte vermeiden. Der EWSA ersucht die Kommission, sobald wie möglich den Entwurf eines Rechtsakts vorzulegen, der darauf abzielt, von den institutionellen Anlegern die Bereitstellung umfangreicherer Informationen über ihre Anlage- und Abstimmungsstrategien zu verlangen. Die Vorlage eines solchen Legislativvorschlags stünde in Einklang mit dem Aktionsplan der Kommission zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance.

1.1.16

Maßnahmen im Bereich der Steuerpolitik, soweit sie auf der europäischen Ebene getroffen werden können, müssen die Vollendung des Binnenmarktes unter Berücksichtigung der bereits genannten Balance zwischen wirtschaftlicher Dynamik, sozialer Dimension und nachhaltiger Entwicklung unterstützen. Dazu zählen die Harmonisierung der Steuergrundlage für die Körperschaftsteuer und die Vermeidung von Doppelbesteuerung. Doppelbesteuerung ist in einem Binnenmarkt fehl am Platz.

1.1.17

Der Ausschuss ersucht die Kommission ferner um Überprüfung der Beschränkungen auf dem Binnenmarkt, die durch die Mitgliedstaaten, öffentliche Einrichtungen oder Berufsverbände (4) aufrechterhalten werden.

1.1.18

Das Hauptproblem besteht darin, dass z.B. die Konzeption von Versicherungsprodukten stark von den Merkmalen des nationalen Rechts- und Steuersystems beeinflusst wird. Dies gilt für Pflichtversicherungen, jedoch auch für viele andere wichtige Versicherungsprodukte, zum Beispiel für die Lösungen bei Problemen wie der Absicherung gegen Naturkatastrophen in privaten Brandschutzversicherungen oder der Absicherung gegen Terrorakte durch ein herkömmliches Versicherungsprodukt.

1.1.19

Ein Hemmnis für die Vollendung des Binnenmarktes ist die Beibehaltung erheblicher Beschränkungen der Freizügigkeit von Arbeitnehmern. Der Ausschuss fordert die Mitgliedstaaten, die die Freizügigkeit nicht gestatten, zur Beseitigung ihrer Mobilitätshemmnisse für Arbeitnehmer auf. Die Freizügigkeit von Personen ist eines der grundlegenden Elemente des Binnenmarktes und Mobilität hat auch für Arbeitnehmer durchaus attraktive Seiten.

1.1.20

Die KMU profitieren offenbar nicht in dem Maße vom Binnenmarkt, wie es möglich wäre. Aufgrund erheblicher Hemmnisse für den Dienstleistungshandel in der EU machen Dienstleistungen nur ungefähr 20 % des gesamten Handels in Europa aus. Die Dienstleistungsrichtlinie dürfte die Geschäfts- und Beschäftigungsmöglichkeiten erheblich verbessern, insbesondere durch den vorgeschlagenen Screening-Mechanismus und die Nutzung einer einheitlichen Kontaktstelle für ausländische Dienstleister.

1.1.21

Transparenz und Offenheit im öffentlichen Beschaffungswesen sind für das Funktionieren des Binnenmarktes unerlässlich. Es ist wichtig, dass im Nachgang zu dem 2004 verabschiedeten Legislativpaket zum öffentlichen Beschaffungswesen die gegenwärtige Überarbeitung der so genannten Rechtsmittelrichtlinien zügig durchgeführt wird. Eine Abschwächung der Reformvorschläge der Kommission sollte nicht zugelassen werden, insbesondere was eine ausreichend lange Stillhaltefrist zwischen der Bekanntmachung der Zuschlagsentscheidung und dem Vertragsschluss und die Nichtigkeit eines Vertrags bei Nichteinhaltung bestimmter Bekanntmachungskriterien betrifft.

1.1.22

Die Öffnung des Marktes für öffentliche Aufträge ist Gegenstand intensiver Konsultationen von privaten und öffentlichen Stakeholdern, wobei die Ansichten bezüglich des zu wählenden Ansatzes stark auseinander gehen. Bei der Öffnung der öffentlichen Beschaffungsmärkte müssen wichtige Dimensionen wie die Beschäftigung sowie soziale und ökologische Erwägungen berücksichtigt werden, die in diesem Prozess von ebenso großer Bedeutung sind.

1.1.23

Das SOLVIT-Netz zur Streitbeilegung funktioniert zufrieden stellend und könnte im Idealfall zur Überwindung rechtlicher Hürden (häufig aufgrund fehlerhafter Anwendungen, die wiederum auf mangelnde Information, unzureichende Schulung von Bediensteten und Protektionismus zurückzuführen sind) beitragen, es benötigt jedoch mehr Mittel und Personal in den Hauptstädten der Länder. Es sollte eine strukturierte Öffentlichkeitskampagne durchgeführt werden, um die KMU auf die Existenz und die Möglichkeiten dieses Netzes aufmerksam zu machen.

1.1.24

Der EWSA hat eine umfassende Auflistung der Hemmnisse im Binnenmarkt (5) veröffentlicht, durch die eine realistische Vorstellung von den ordnungspolitischen Problemen, die die Vollendung eines europäischen Binnenmarktes immer noch behindern, vermittelt wird. Hierbei handelt es sich nicht immer um Hemmnisse auf staatlicher Ebene.

1.1.25

Als Folgemaßnahme zur Interinstitutionellen Vereinbarung von 2003 erarbeitet der EWSA in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission eine Datenbank (PRISM II) zur Dokumentation von EU-Initiativen auf dem Gebiet der Koregulierung und Selbstregulierung (6). Der EWSA und insbesondere seine Binnenmarktbeobachtungsstelle (BBS) bieten der Kommission und den Mitgliedstaaten gern ihre Unterstützung an. Die BBS führt jedes Jahr öffentliche Anhörungen in verschiedenen Mitgliedstaaten mit besonderem Schwerpunkt auf beschäftigungspolitischen Themen in den neuen Mitgliedstaaten durch.

1.1.26

Aufgrund seines Fachwissens und seiner Repräsentativität wäre der EWSA in der Lage, bei der Erarbeitung der Folgenabschätzungen, die die Kommission systematisch erstellen will, einen Beitrag zu leisten. Es ist von ausschlaggebender Bedeutung, dass die Legislativvorschläge vielfältige Standpunkte widerspiegeln und möglichst genau und objektiv untermauert sind. Die vorrangige Übermittlung der Folgenabschätzungen an den EWSA und die ihm dadurch eröffnete Möglichkeit, diese zu kommentieren, bevor sie den EU-Organen vorgelegt werden, könnten im Sinne der Partnerschaft für die Erneuerung Europas zu einer größeren Akzeptanz europäischer Gesetzgebungsinitiativen führen (7).

1.1.27

Schließlich sollte eine Priorität beim Voranbringen der Vollendung des Binnenmarktes sein, die Vorteile des Binnenmarktes für die Verbraucher besser bekannt zu machen und letztere zur Nutzung dieser Vorteile zu ermutigen.

2.   Einleitung

2.1

Dieser Sondierungsstellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses liegt ein Ersuchen von Kommissionsvizepräsidentin Margot WALLSTRÖM vom 5. Oktober 2006 zugrunde.

2.2

Der Ausschuss wurde gebeten, sich zu den Prioritäten der Europäischen Kommission zu äußern und damit einen Beitrag zum Bericht für den Frühjahrsgipfel 2007 und letztendlich auch zum Schlussbericht zu leisten.

2.3

In Anbetracht der knappen Zeit, die dem Ausschuss zur Verfügung steht, hat er entschieden, sich auf wenige grundlegende Aussagen zu konzentrieren und einige Schlüsselbereiche aufzuzeigen, in denen nach seiner Auffassung weitere Fortschritte wünschenswert sind.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der ursprüngliche Zweck des Binnenmarktes bestand darin, unterschiedliche einzelstaatliche Vorschriften durch einheitliche EU-weite Vorschriften zu ersetzen und somit gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, die der europäischen Wirtschaft die volle Entfaltung ihres Potenzials ermöglichen. In Wirklichkeit werden die Vorschriften der EG jedoch allzu häufig als zusätzliche Regelungen und weniger als Ersatz für nationale Vorschriften angesehen.

3.2

Ein Faktor, der an Bedeutung gewonnen hat, ist die Globalisierung, die sowohl eine Herausforderung als auch eine Chance darstellt. Die Herausforderung kann nur gemeistert werden, wenn das Potenzial des Binnenmarktes ausgeschöpft wird.

3.3

In diesem Zusammenhang befürwortet der Ausschuss die Absicht der Europäischen Kommission, eine neue Politikagenda auf der Grundlage einer neuen Partnerschaft zu verabschieden, im Rahmen derer die Institutionen effizienter zusammen arbeiten. Als Teil dieser gemeinsamen Agenda sollten die einzelstaatlichen Regierungen und die Regional- und Kommunalverwaltungen auch Verantwortung dafür übernehmen, dass Ergebnisse vorgelegt werden und Europa seinen Bürgern näher gebracht wird.

3.4

Der Ansicht, dass mehr Vorschriften „mehr Europa “bedeuten, muss entgegengewirkt werden. Sind sie das effizienteste Mittel zum Erreichen des gewünschten Ergebnisses? Der Förderung von Alternativen zur Rechtsetzung, wie z.B. bewährter Verfahrensweisen im Rahmen von Initiativen der Koregulierung und Selbstregulierung, oder Tarifvereinbarungen sollte mehr Bedeutung beigemessen werden, und deren breitere Anwendung ist zu unterstützen. Dabei sollte indes der soziale Dialog nicht aus dem Auge verloren werden, den die Kommission nach dem Wortlaut des Vertrags im Hinblick auf den Abschluss von Tarifvereinbarungen fördern soll.

3.5

Zugleich sollten in den Rechtsetzungs- und Entscheidungsverfahren die wirksame Nutzung und die Qualität von Folgenabschätzungen, Evaluierungen und öffentlichen Anhörungen besser gewährleistet werden (Wurde das beabsichtigte Ziel vorgeschlagener Rechtsvorschriften erreicht? Wenn nicht, warum nicht?). In diesem Zusammenhang wird der Ausschuss auch eine Sondierungsstellungnahme zum Thema „Qualitätsstandards für Inhalte, Verfahren und Methoden sozialer Folgeabschätzungen aus Sicht der Sozialpartner und anderer Akteure der Zivilgesellschaft “abgeben.

3.6

Der Binnenmarkt ist in einigen Bereichen, die eine große Anzahl von Verbrauchern betreffen (z.B. Produktsicherheit und Gewährleistung) erfolgreich, während in anderen Bereichen nur langsam Fortschritte gemacht werden oder dem Endverbraucher noch immer nicht zugute kommen (z.B. Finanzdienstleistungen oder das Gemeinschaftspatent).

3.7

Die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Mobilität von Arbeitnehmern gehören zu den wichtigsten Zielen des Binnenmarktes. Programme der allgemeinen und beruflichen Bildung sollten verstärkt der Vorbereitung auf die „wissensbasierte Wirtschaft “dienen. Die Schaffung des Binnenmarktes allein wird jedoch nicht die Probleme am europäischen Arbeitsmarkt beheben, sondern es werden zusätzliche aktive Maßnahmen nötig sein.

3.8

Legislativvorschläge sollten nicht nur für die Gesetzgeber, sondern auch für die potenziellen Endadressaten verständlich formuliert werden. Dies sollte auch für Regulierungsmaßnahmen gelten.

3.9

Der besseren Rechtsetzung sollte eine höhere Priorität zukommen. Der EWSA ist hierauf in mehreren Stellungnahmen eingegangen (8). Es gibt aus von der Kommission durchgeführten Anhörungen und aus den Mitgliedstaaten viele Anhaltspunkte dafür, dass Richtlinien bei ihrer Umsetzung in einzelstaatliches Recht durch die nationalen Verwaltungen häufig verkompliziert werden („Gold-plating“). Dies belastet die KMU mehr als große Unternehmen. Die Inhaber von KMU müssen häufig alle Aufgaben übernehmen, mit denen große Gesellschaften Fachleute beauftragen können.

3.10

Eine bessere Durchführung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts ist die wichtigste Voraussetzung für die Existenz eines Binnenmarktes. Die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Verbindungen zwischen den EU-Institutionen und den nationalen Verwaltungen und einschlägige Verfahren“  (9) macht auf folgende gegenwärtige Mängel aufmerksam:

In einigen Mitgliedstaaten besteht eine geringe Zusammenarbeit zwischen den an den Verhandlungen in Brüssel beteiligten und den für die Umsetzung im Lande verantwortlichen Beamten.

In anderen Mitgliedstaaten wird dadurch Verwirrung hervorgerufen, dass verschiedene Elemente einer vorgeschlagenen Richtlinie von verschiedenen Regierungsstellen verhandelt werden und die betroffenen Regierungen im Ergebnis nicht immer eine kohärente Position einnehmen.

3.11

Eine bessere Durchführung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts wirkt einer Aufsplitterung des Binnenmarktes entgegen.

3.12

Während auf der einen Seite ganz offensichtlich eine mangelnde Kohärenz innerhalb der einzelstaatlichen Verwaltungen festzustellen ist, wird auf der anderen Seite die Effektivität der Europäischen Union gefährdet, wenn sich die Mitgliedstaaten nicht an ihre eigenen Beschlüsse halten. In manchen Mitgliedstaaten werden in der Kommunikations- und Informationspolitik die Probleme des Binnenmarktes auf einzelstaatlicher Ebene, aber auch die Erfolgsbeispiele, zu wenig berücksichtigt. Die Regierungen, die einzelstaatlichen Parlamente oder auch die Medien fühlen sich nicht moralisch verpflichtet, hierzu etwas beizutragen. Die Sozialpartner und die Zivilgesellschaft sollten mehr einbezogen werden, damit die Bürger Europas tatsächlich spüren, dass die weitere Entwicklung Europas, wozu auch der festgefahrene Verfassungsprozess gehört, ohne ihre Beteiligung nicht möglich ist. Das Augenmerk darf aber nicht ausschließlich auf Kommunikationsprobleme gerichtet werden. Der primäre Ansatz, um das Vertrauen der Bürger in die EU zurückzugewinnen, muss nach wie vor darin bestehen, die drängenden Probleme der Union zu lösen.

Brüssel, den 17. Januar 2007

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Siehe z.B. ABl. C 185 vom 8.8.2006.

(2)  Weitere Informationen unter: http://www.enisa.europa.eu/.

(3)  Stellungnahme zum Weißbuch zur Finanzdienstleistungspolitik ABl. C 309 vom 16.12.2006.

(4)  Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. L 255 vom 30.9.2005.

(5)  Die Binnenmarktbeobachtungsstelle (BBS) des EWSA hat eine umfassende Auflistung der Hemmnisse im Binnenmarkt erstellt, die auf der Website der BBS abgerufen werden kann:

http://eesc.europa.eu/smo/news/index_en.asp.

(6)  Diese Datenbank wird im ersten Halbjahr 2007 auf der Website der Binnenmarktbeobachtungsstelle abrufbar sein

( http://eesc.europa.eu/smo/index_en.asp).

(7)  Siehe beispielsweise — ABl. C 221 vom 8.9.2005.

(8)  Insbesondere in den Stellungnahmen zu den Themen „Bessere Rechtsetzung“, ABl. C 318 vom 23.12.2006, Berichterstatter: Herr RETUREAU, „Möglichkeiten einer besseren Durchführung und Durchsetzung des EU-Rechts“, ABl. C 318 vom 23.12.2006, Berichterstatter: Herr van IERSEL, ABl. C 24 vom 31.1.2006, „Strategie zur Vereinfachung“, ABl. C 309 vom 16.12.2006, Berichterstatter: Herr CASSIDY, im Informationsbericht zum Thema „Aktueller Stand der Koregulierung und der Selbstregulierung im Binnenmarkt“, Berichterstatter: Herr VEVER, und in der Broschüre der Binnenmarktbeobachtungsstelle „Der Europäische Binnenmarkt und die Erweiterung“, Oktober 2004, EESC-C-2004-07-EN. Anhang I enthält eine Liste der neueren Stellungnahmen des EWSA.

(9)  ABl. C 325 vom 30.12.2006, Berichterstatter: Herr van IERSEL.


ANHANG ZUR STELLUNGNAHME

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Die folgende Passage des revidierten Stellungnahmeentwurfs, auf die mehr als ein Viertel der abgegebenen Stimmen entfiel, wurde zugunsten eines Änderungsantrags abgelehnt:

„1.1.11

Der Ausschuss verweist darauf, dass die Harmonisierung auf hohem Niveau auch bei 27 Mitgliedstaaten, die die Sache natürlich nicht leichter machen, ein wichtiger Bestandteil des Binnenmarktes bleibt. Die Bedeutung der gegenseitigen Anerkennung lässt sich vor diesem Hintergrund klar erkennen.“

Abstimmungsergebnis:

89 Ja-Stimmen zugunsten der Änderung dieser Ziffer,

72 Nein-Stimmen,

24 Stimmenthaltungen.

Folgende Änderungsanträge, auf die mehr als ein Viertel der abgegebenen Stimmen als Ja-Stimmen entfiel, wurden im Laufe der Beratungen abgelehnt:

Ziffer 1.1.16 streichen

„Der Ausschuss ersucht die Kommission und die Mitgliedstaaten (bzw. öffentliche Einrichtungen) ferner um Überprüfung der Beschränkungen auf dem Binnenmarkt, die durch Berufsverbände  (1) aufrechterhalten werden.“

Abstimmungsergebnis:

67 Ja-Stimmen zugunsten der Streichung dieser Ziffer,

93 Nein-Stimmen,

33 Stimmenthaltungen.

Ziffer 1.1.17 streichen

„Das Hauptproblem besteht darin, dass z.B. die Konzeption von Versicherungsprodukten stark von den Merkmalen des nationalen Rechts- und Steuersystems beeinflusst wird. Dies gilt für Pflichtversicherungen, jedoch auch für viele andere wichtige Versicherungsprodukte, zum Beispiel für die Lösungen bei Problemen wie der Absicherung gegen Naturkatastrophen in privaten Brandschutzversicherungen oder der Absicherung gegen Terrorakte durch ein herkömmliches Versicherungsprodukt.“

Abstimmungsergebnis:

82 Ja-Stimmen zugunsten der Streichung dieser Ziffer,

94 Nein-Stimmen,

20 Stimmenthaltungen.

Ziffer 1.1.18 wie folgt ändern:

Ein Hemmnis für die Vollendung des Binnenmarkts ist die Beibehaltung erheblicher Beschränkungen der Freizügigkeit von Arbeitnehmern. Der Ausschuss fordert die Mitgliedstaaten, die die Freizügigkeit nicht gestatten, zur Beseitigung ihrer Mobilitätshemmnisse für Arbeitnehmer auf. Die Freizügigkeit von Personen ist eines der grundlegenden Elemente des Binnenmarktes und Mobilität hat auch für Arbeitnehmer durchaus attraktive Seiten. Allerdings führen die Unterschiede in den Standards und Regelungen zwischen den Mitgliedstaaten dazu, dass sich ein Binnenmarkt für Arbeitnehmer zu entwickeln beginnt, der keineswegs den Anforderungen gleicher Wettbewerbsbedingungen (des sog. “level playing field„) entspricht, die für viele andere Bereiche des Binnenmarktes immer gefordert werden. Fälle wie Laval  (2) — der demnächst vor dem EuGH behandelt wird — oder Viking Line zeigen deutlich, dass hier Handlungsbedarf besteht. Darüber hinaus wäre es effizienter und entspräche eher den Bedürfnissen der Menschen, wenn man sie nicht dazu bringen wollte, dorthin zu ziehen, wo die Arbeitsplätze sind, sondern die Arbeitsplätze dort geschaffen würden, wo die Menschen sind  (3) . Hierzu wäre, ergänzend zum Binnenmarkt, eine entsprechende Standort-, Regional- und Strukturpolitik erforderlich. Auch würde eine solche Politik die Akzeptanz Europas bei den Menschen deutlich stärken.

Abstimmungsergebnis:

79 Ja-Stimmen zugunsten der Änderung dieser Ziffer,

99 Nein-Stimmen,

17 Stimmenthaltungen.

Den letzten Satz von Ziffer 3.1 streichen

„Der ursprüngliche Zweck des Binnenmarktes bestand darin, unterschiedliche einzelstaatliche Vorschriften durch einheitliche EU-weite Vorschriften zu ersetzen und somit gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, die der europäischen Wirtschaft die volle Entfaltung ihres Potenzials ermöglichen. In Wirklichkeit werden die Vorschriften der EG jedoch allzu häufig als zusätzliche Regelungen und weniger als Ersatz für nationale Vorschriften angesehen.

Abstimmungsergebnis:

85 Ja-Stimmen zugunsten der Änderung dieser Ziffer,

86 Nein-Stimmen,

23 Stimmenthaltungen.


(1)  Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. L 255.

(2)  Es geht dabei um eine Auseinandersetzung zwischen einer Baufirma aus Lettland und den schwedischen Gewerkschaften um die Arbeitsbedingungen lettischer Arbeitnehmer beim Bau einer Schule in Vaxholm (Schweden). Dieser Fall ist entscheidend für die Zukunft der Arbeitgeber — Arbeitnehmer — Beziehungen und wird verursacht durch die unterschiedlichen Standards zwischen Lettland und Schweden, Unterschiede, die auch zwischen anderen Mitgliedstaaten bestehen.

(3)  ABl. C 234, 30.9.2003.


27.4.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 93/31


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Rates über eine Regelung zum Ausgleich der Mehrkosten bei der Vermarktung bestimmter Fischereierzeugnisse der Azoren, Madeiras, der Kanarischen Inseln und der französischen Departements Guayana und Réunion im Zeitraum 2007 bis 2013“

KOM(2006) 740 endg. — 2006/0247 (CNS)

(2007/C 93/07)

Der Rat beschloss am 18. Dezember 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 37 und Artikel 299 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Das Präsidium des Ausschusses beauftragte die Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz am 12. Dezember 2006 mit der Ausarbeitung dieser Stellungnahme.

Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 432. Plenartagung am 17./18. Januar 2007 (Sitzung vom 17. Januar) Herrn SARRÓ IPARRAGUIRRE zum Hauptberichterstatter und verabschiedete mit 81 gegen 3 Stimmen bei 7 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den von der Kommission vorgelegten Vorschlag für eine Verordnung des Rates über eine Regelung zum Ausgleich der Mehrkosten bei der Vermarktung bestimmter Fischereierzeugnisse in den Gebieten in äußerster Randlage der Europäischen Union im Zeitraum 2007 bis 2013.

1.2

Der EWSA empfiehlt der Kommission eine Klarstellung bezüglich des Umfangs dieses Ausgleichs für Fischereifahrzeuge unter der Flagge Venezuelas, die in Gemeinschaftsgewässern Fischfang betreiben.

2.   Einleitung

2.1

Seit 1992 gewährt die Europäische Union den Erzeugern im Fischereisektor in einigen Gebieten in äußerster Randlage eine Finanzhilfe zum Ausgleich der Mehrkosten für den Transport von Fischereierzeugnissen zu den europäischen Märkten.

2.2

2003 verabschiedete der Rat die Verordnung (EG) Nr. 2328/2003 über eine Regelung zum Ausgleich dieser Mehrkosten für bestimmte Fischereierzeugnisse aus den folgenden Gebieten:

Azoren

Madeira

Kanarische Inseln

Französisch-Guayana

Réunion.

2.3

Die Verordnung (EG) Nr. 2328/2003 lief am 31. Dezember 2006 aus. Nach Maßgabe dieser Verordnung legt die Kommission nun eine neue Verordnung vor, die mit einem ebenso hohen Finanzrahmen von jährlich 15 Mio. EUR einen längeren Anwendungszeitraum (1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2013) vorsieht.

2.4

Der EWSA gab am 29. Oktober 2003 eine befürwortende Stellungnahme (1) zu der Verordnung (EG) Nr. 2328/2003 ab und sprach damit eine Reihe von Empfehlungen aus.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der nun vorliegende Verordnungsvorschlag war in der vorherigen Verordnung bereits vorgesehen. Darin wurde die Kommission verpflichtet, bis zum 1. Januar 2007 einen ersten Bericht mit Vorschlägen für Maßnahmen vorzulegen, die erforderlich sind, um die Ziele der Ausgleichsregelung für die Gebiete in äußerster Randlage der EU bei der Vermarktung ihrer Fischereierzeugnisse auf dem europäischen Festland zu erreichen.

3.2

In die Maßnahmen, die die Kommission in der neuen Verordnung einführt, sind demnach die Ergebnisse der Befragungen der interessierten Kreise und regionalen Verwaltungen, die Schlussfolgerungen einer externen Studie über die strukturellen Aspekte der Gemeinsamen Fischereipolitik in den Gebieten in äußerster Randlage sowie die Empfehlungen des Europäischen Parlaments und des EWSA eingeflossen.

3.3

Diesen Grundsätzen entsprechend und nach einer Prüfung aller von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen befürwortet der EWSA die ihm zur Stellungnahme vorgelegte Verordnung.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Mit dem Vorschlag zur Fortsetzung der Ausgleichsregelung wird ein höherer Subsidiaritätsgrad eingeführt, da es den Mitgliedstaaten überlassen wird, über die förderfähigen Erzeugnisse, die zulässigen Mengen und die Ausgleichsbeträge zu entscheiden.

4.2

Dadurch können die Mitgliedstaaten leichter ihre Ausgleichspläne im Rahmen der Gesamtmittelausstattung anzupassen, wenn dies aufgrund veränderter Bedingungen gerechtfertigt ist.

4.3

Dank der aktualisierten Antragstellungs- und Genehmigungsverfahren bleibt der Verwaltungsaufwand für die nationalen und regionalen Behörden der Mitgliedstaaten und für die Kommissionsdienststellen auf ein Mindestmaß beschränkt. Der Vorschlag ist somit Teil des fortlaufenden Arbeitsprogramms der Kommission zur Vereinfachung der Gemeinschaftsvorschriften.

4.4

Die Gesamthöhe der jährlichen Ausgleichszahlungen darf folgende Beträge nicht überschreiten:

a)

Azoren und Madeira

4 283 992 EUR

b)

Kanarische Inseln

5 844 076 EUR

c)

Französisch-Guayana und Réunion

4 868 700 EUR

4.5

Für den Zeitraum 2007-2013 sind — ebenso wie für den vorhergehenden Zeitraum — jährliche Mittel in Höhe von 15 Mio. EUR vorgesehen, die aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft bereitgestellt werden.

4.6

Diese Änderungen gegenüber der bisherigen Regelung sind Teil der Empfehlungen, die der EWSA bereits in seiner vorhergehenden Stellungnahme ausgesprochen hat und die er aus diesem Grund als sehr zweckmäßig erachtet.

4.7

Die Beihilfe beschränkt sich auf Fischereierzeugnisse, die gemäß den Regeln der GAP gefangen und verarbeitet werden.

4.8

Bei der Aufzählung der Fischereierzeugnisse, für die der Ausgleich nicht gewährt wird, sind „Fischereifahrzeuge unter der Flagge Venezuelas, die in Gemeinschaftsgewässern Fischfang betreiben “in dem Verordnungsvorschlag ausgenommen. Sollte es venezolanischen Schiffen aufgrund eines Abkommens zwischen der EU und Venezuela gestattet sein, die in dem Verordnungsvorschlag vorgesehene Ausgleichsregelung in Anspruch zu nehmen, sollte dies ausdrücklich erwähnt werden, ebenso, in welchen Gemeinschaftsgewässern des Gebiets in äußerster Randlage ihre Fischereierzeugnisse unter diese Ausgleichsregelung fallen können.

4.9

Schließlich sind ein jährlicher Folgebericht über die Anwendung der Ausgleichsregelung seitens der einzelnen Mitgliedstaaten sowie ein Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über deren Anwendung vor dem 31. Dezember 2011, ggf. Mit Legislativvorschlägen, vorgesehen.

Brüssel, den 17. Januar 2007

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  ABl. C 32 vom 5.2.2004.


27.4.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 93/32


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen“

(2007/C 93/08)

Der österreichische Ratsvorsitz beschloss am 24. Mai 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu „Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen“.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 19. Dezember 2006 an. Berichterstatter war Herr JOOST.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 432. Plenartagung am 17./18. Januar 2007 (Sitzung vom 17. Januar) mit 152 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme:

1.   Einführung

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt das Ersuchen des österreichischen Ratsvorsitzes, eine Stellungnahme zum Thema „Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen “zu erarbeiten. Die Förderung der Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen ist als ein kontinuierlicher Prozess anzusehen, der im Arbeitsprogramm jedes Ratsvorsitzes weit oben stehen sollte.

1.2

Mit dieser Stellungnahme möchte der EWSA vorausblickend die Herausforderungen beleuchten, mit denen sich die Kommission in ihrer Politik zugunsten von Menschen mit Behinderungen in der zweiten Hälfte ihrer Amtsperiode und darüber hinaus zu befassen haben wird. Diese Stellungnahme ist auch vor dem weiter gefassten Hintergrund der Identifizierung von Handlungsschwerpunkten für die letzte Phase des Europäischen Aktionsplans für Menschen mit Behinderungen (2008-2009) zu betrachten, sowie im Zusammenhang der Wiedereröffnung der Haushaltsgespräche (und den sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Planung und die Schwerpunktsetzung) in zwei Jahren.

1.3

Menschen mit Behinderungen machen 15 % der Gesamtbevölkerung aus, wobei ihr Anteil mit der zunehmenden Bevölkerungsalterung noch steigt. Demnach leben in der erweiterten Europäischen Union gegenwärtig mehr als 50 Millionen Menschen mit Behinderungen (1); damit sind sie eine sehr große Gruppe innerhalb der EU-Bevölkerung. Diesen Menschen zu gleichen Chancen zu verhelfen, ist ein sozialer, ethischer und politischer Imperativ, der für die EU ganz oben auf der Tagesordnung stehen sollte. Auch wirtschaftlich betrachtet ist es lohnend, die Menschen mit Behinderungen zu integrieren und ihnen Zugang zu Dienstleistungen und Waren zu verschaffen.

1.4

Der EWSA ist der Auffassung, dass bei der Herstellung der Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen sämtliche Aktivitäten umfassend genutzt werden müssen, die im Rahmen des „Jahres der Chancengleichheit für alle — 2007 “geplant sind. An den Aktivitäten des Europäischen Jahres müssen die Behindertenverbände beteiligt werden, wie dies bereits im Jahr der Menschen mit Behinderungen 2003 geschehen ist. Ferner bietet sich der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten 2007 die Gelegenheit, ihre Politik und ihre Rechtsetzung stärker auf die Förderung gleicher Chancen für behinderte Menschen auszurichten.

1.5

Menschen mit Behinderungen sind keine homogene Bevölkerungsgruppe. Verschiedene Behinderungen führen zu verschiedenen Bedürfnissen: Erst wenn die Gesellschaft die Bedürfnisse der Menschen mit Behinderungen anerkennt und möglichst umfassend darüber informiert ist, kann diesen Bedürfnissen Rechnung getragen werden. Die Organisationen der Menschen mit Behinderungen spielen dabei eine zentrale Rolle.

1.6

In der Europäischen Union gibt es eine beträchtliche Zahl von Menschen mit Behinderungen, die von einer vollen Teilhabe und Mitwirkung in der Gesellschaft ausgeschlossen sind und grundlegende Menschen- und Bürgerrechte nicht wahrnehmen können. Die volle Integration behinderter Kinder sollte besonders hervorgehoben werden.

1.7

Der EWSA begrüßt das im Dezember 2006 angenommene Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte der Menschen mit Behinderungen (2).

2.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

2.1

Der EWSA ruft dazu auf, das „Europäische Jahr der Chancengleichheit für alle — 2007 “so umfassend wie möglich für die Schaffung von Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen zu nutzen.

2.2

Der EWSA fordert die Kommission zur Vorlage eines Vorschlags für eine umfassende Rechtsetzungsinitiative zu den Belangen behinderter Menschen auf, durch die der Diskriminierungsschutz für Menschen mit Behinderungen über den Beschäftigungsbereich hinaus ausgedehnt und zugleich das Prinzip der durchgängigen Berücksichtigung („Mainstreaming“) der Behindertenpolitik gestärkt wird. Eine solche Rechtsetzung würde in allen Lebensbereichen einen EU-weiten Mindestschutz vor Diskriminierung sichern. Durch die Verbesserung des Zugangs zu Waren und Dienstleistungen würde zudem ein Beitrag zu einem effizienteren Binnenmarkt und zur Verwirklichung der Lissabon-Strategie geleistet.

2.3

Der EWSA fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Belange behinderter Menschen noch stärker in den Mittelpunkt zu stellen: Ausgehend von dem Europäischen Aktionsplan für Menschen mit Behinderungen sollte eine breit angelegte EU-Strategie für Menschen mit Behinderungen konzipiert werden.

2.4

Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, im Rahmen ihrer jeweiligen Kompetenzen ihre Bemühungen um die Gewährleistung der vollen gesellschaftlichen Integration und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen fortzusetzen und damit anzuerkennen, dass sie die gleichen Rechte wie andere Bürger haben. Sie sollten nach möglichen Alternativen zu den bestehenden Einrichtungen suchen, in denen Menschen mit Behinderungen von der Gesellschaft abgesondert und unter zuweilen unwürdigen oder unmenschlichen Bedingungen leben müssen, und solche Alternativen nach und nach ausbauen.

2.5

Der EWSA weist abermals auf die Prioritäten hin, auf die man sich konzentrieren muss, um Menschen mit Behinderungen Chancengleichheit zu geben: stärkere Bewusstseinsbildung für die Rechte der Menschen mit Behinderungen, behindertengerechter Zugang zu öffentlichen Gebäuden, Zugang zur Informationsgesellschaft und zu Verkehrsmitteln, Erarbeitung neuer nationaler Rechtsvorschriften sowie Unterstützung für Familien. Diese Prioritäten sollte es in jeder Gesellschaft geben. Besonderes Augenmerk muss Kindern mit Behinderungen und der Gewährleistung ihrer angemessenen Ausbildung, Integration und Unterstützung gelten, denn dadurch wird ihre Teilhabe an der Gesellschaft und ihre geringere Abhängigkeit von Sozialleistungen gefördert.

2.6

Der EWSA fordert die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten auf, erheblich mehr als bisher zur Unterstützung der Behindertenbewegung zu tun. Der Ansatz „Was behinderte Mitbürger betrifft, muss auch von ihnen mitbestimmt werden “kann nur dann umgesetzt werden, wenn sich die Regierungen der Notwendigkeit einer Unterstützung des Netzwerks der Behindertenverbände bewusst sind. Im Juni 2004, also unmittelbar nach der vorigen EU-Erweiterung, verabschiedeten die nationalen Räte der Behindertenorganisationen der zehn neuen Mitgliedstaaten, Bulgariens und Rumäniens zu diesem Thema die Entschließung von Budapest (3).

2.7

Der EWSA ruft die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Kenntnisse über bewährte Praktiken und positive Aktionen, wie beispielsweise die Agenda-22-Methode, bekanntzumachen, so dass Vertreter der Menschen mit Behinderungen an der Erarbeitung der Maßnahmenpläne lokaler Gebietskörperschaften mitwirken und so auch etwas für die Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen auf der örtlichen Ebene tun können. Der Ausschuss fordert die Mitgliedstaaten auf, die von der hochrangigen Expertengruppe für Behindertenfragen empfohlenen Leitlinien zur durchgängigen Einbeziehung der Belange Behinderter in die diversen Politikfelder zu beherzigen (4).

2.8

Der EWSA begrüßt die feste Absicht der Kommission, 2008 eine europäische Initiative zur Förderung der Integration zu starten. Diese sollte so weitreichend und ambitioniert wie möglich angelegt und ein entschiedener Schritt hin zur durchgängigen Berücksichtigung von Fragen der e-Accessibility in allen relevanten EU-Politikbereichen sein.

2.9

Konkret fordert der EWSA, dass in den (derzeit erörterten) neuen Verordnungen über einen neuen Rahmen für die elektronische Kommunikation und in der Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen “Fragen der Zugänglichkeit durchgängig berücksichtigt werden, damit sichergestellt wird, dass Menschen mit Behinderungen in vollem Umfang von diesen wichtigen Kommunikationsmitteln profitieren können.

2.10

Der EWSA fordert dazu auf, die Richtlinie 2001/85/EG (5) in dem Sinne schärfer zu fassen, dass sie mit den neuen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft über die Rechte behinderter Fluggäste übereinstimmt.

2.11

Der EWSA ersucht die Kommission und die Mitgliedstaaten, alles daran zu setzen, um die Richtlinie 2000/78/EG (6) des Rates, die Fragen der Gleichbehandlung in der Arbeitswelt rechtlich regelt, effizient umzusetzen.

2.12

Der EWSA hält die Abkehr weg von Heimen für behinderte Menschen hin zu Alternativen, die modernen Qualitätsansprüchen gerecht werden und in die örtliche Gemeinschaft eingebettet sind, für unumgänglich, um Menschen mit Behinderungen die Einbeziehung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Der Ausschuss fordert die Europäische Kommission auf, dieses Thema bei künftigen Initiativen im Bereich Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse zu berücksichtigen und es als Priorität für die Strukturfonds der EU zu behandeln.

2.13

Der EWSA fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, den Sozialdiensten und der persönlichen Betreuung von Menschen mit Behinderungen eine besondere Bedeutung beizumessen, da unterstützende Dienstleistungen behinderten Menschen und ihren Betreuern ein normales Leben und einen aktiven gesellschaftlichen Beitrag ermöglichen.

2.14

Bezugnehmend auf die Kommissionsinitiative zur Verbesserung der Rechtsetzung fordert der EWSA eine Folgenabschätzung bei neuen Legislativvorschlägen, die den Besonderheiten und den Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen Rechnung trägt. Zudem sollten alle zur Verbesserung der Qualität, der Annahme, der Umsetzung sowie der Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts eingesetzten IKT-Instrumente voll und ganz den Zugänglichkeitserfordernissen entsprechen.

2.15

Familien mit einem oder mehreren behinderten Mitgliedern sind einem höheren Armutsrisiko ausgesetzt: Behinderungen können zu einer Mehrbelastung des Familienbudgets von jährlich bis zu 30 000 EUR (7) führen. Dieser Umstand rechtfertigt Maßnahmen zur positiven Diskriminierung, etwa in Form von Vergütungen (in Bar- oder Sachleistungen) oder Steuervergünstigungen.

2.16

Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten auf, die relevante Rechtsetzung im Bereich der Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen umzusetzen und zu überwachen. Der Ausschuss stellt fest, dass die Richtlinien zum Luft- und Eisenbahnverkehr ausschließlich auf den internationalen Transport abstellen, Menschen mit Behinderungen aber regional und lokal nach wie vor Zugänglichkeitsprobleme bei Verkehrsmitteln haben.

3.   Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen — eine Bestandsaufnahme verschiedener Bereiche

3.1   Aufklärung und Bildung

3.1.1

Das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen 2003 hat diese Thematik stärker in das Bewusstsein und in das Blickfeld der breiten Öffentlichkeit gerückt. Die faktische Gewährleistung gleicher Chancen für Menschen mit Behinderungen sowie Informationen über Behinderungen sollten in die Lehr- und Ausbildungspläne aufgenommen werden. Sorgfältig erstellte Medienberichte über die Behindertenproblematik sind als wichtiges Instrument zur Änderung der gesellschaftlichen Einstellung gegenüber Menschen mit Behinderungen anzusehen.

3.1.2

Ohne eine inklusive Erziehung behinderter Kinder und Jugendlicher ist ihre Integration in den Arbeitsmarkt schwierig. Ein verbesserter Zugang zur Bildung für behinderte Menschen sollte in künftigen Aktionsplänen und Strategien für Menschen mit Behinderung ein vorrangiges Ziel sein.

3.1.3

Der EWSA würdigt die Fortschritte, die seit der Erklärung von Madrid und dem Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen erzielt wurden, weist jedoch darauf hin, dass immer noch viel zu tun bleibt. Um nur ein Beispiel zu nennen: über 80 % der Internet-Auftritte öffentlicher Einrichtungen, darunter auch diejenigen der europäischen Institutionen, sind generell nicht für Menschen mit Behinderungen zugänglich. Sehr wichtig ist auch, dass alle Websites, über die Dienstleistungen für die Allgemeinheit angeboten werden, zugänglich gestaltet sind.

3.1.4

Der EWSA fordert insbesondere die Aufstellung verbindlicher und von den europäischen Normungsorganen abgesegneter Normen für die Beschaffung von Waren und Dienstleistungen durch die öffentliche Hand. Auch die Zugänglichkeit zu IKT-Waren und –Dienstleistungen sollte rechtlich festgeschrieben werden.

3.1.5

Das Konzept 'Design for all' sollte unter allen Beteiligten bekannt gemacht werden, d.h. unter Designern und Herstellern sowie denjenigen, die Normen aufstellen, und denjenigen, die sie betreffen, also behinderten Menschen, die ein Anrecht auf eine große Auswahl an Waren und Dienstleistungen haben, die ihren Erwartungen entsprechen.

3.1.6

Der Ausschuss begrüßt die auf dem Ministerratstreffen in Riga verabschiedete Erklärung zu einer integrativen Gesellschaft und hofft, dass sie ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur e-Inklusion behinderter Menschen sein wird. Die Informations- und Kommunikationstechnik ist nicht nur ein wichtiger Wachstums- und Beschäftigungsmotor, sondern auch ein wirkungsvolles Integrationswerkzeug zugunsten der Menschen mit Behinderung.

3.1.7

Im Vorfeld der Überarbeitung der geltenden Bestimmungen über staatliche Beihilfen für Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderung fordert der EWSA die Kommission auf, ihren derzeitigen Ansatz in der künftigen Gruppenfreistellungsverordnung beizubehalten.

3.2   Beschäftigung

3.2.1

Der EWSA sieht in Bezug auf die Beschäftigungssituation nach wie vor große Diskrepanzen zwischen Menschen mit Behinderungen und Menschen ohne Behinderungen. 2003 bestätigte Eurostat, dass die Erwerbsbeteiligung bei behinderten Menschen erheblich geringer ist: 78 % der Menschen mit schweren Behinderungen nehmen nicht am Erwerbsleben teil, bei den Menschen ohne lang andauernde Gesundheitsprobleme oder Behinderungen sind es 27 % (8).

3.2.2

Der EWSA begrüßt die resoluten Schritte der Europäischen Kommission zur Überwachung der Umsetzung und Durchführung der Beschäftigungsrichtlinie (9). Die Überwachung sollte gemeinsam mit den Sozialpartnern und den in diesem Bereich tätigen Verbänden erfolgen. Der EWSA ist der Ansicht, dass eine aufmerksamere Überwachung zu besseren Voraussetzungen für die behindertengerechte Umgestaltung von Arbeitsplätzen und zur Schaffung behindertengerechter neuer Arbeitsplätze führt und die Entstehung unterstützender Dienstleistungen begünstigt.

3.2.3

Der EWSA hofft, dass die nationalen Behindertenverbände stärker in die Erarbeitung der Reformpläne eingebunden werden. In der überarbeiteten Lissabon-Agenda muss die Zivilgesellschaft umfassender beteiligt werden, um die anvisierten Ziele zu erreichen. Diese können nicht verwirklicht werden, wenn Menschen mit Behinderungen (15 % der EU-Bevölkerung) außen vor bleiben oder ihre Bedürfnisse nicht angemessen in Betracht gezogen und berücksichtigt werden.

3.2.4

In Anbetracht der laufenden Erörterungen über Beschäftigung, Wachstum und flexible Arbeitsmärkte (z.B. auf der informellen Tagung des Europäischen Rats in Lahti am 20. Oktober 2006) fordert der EWSA die Kommission auf, die Auswirkungen zu analysieren und mögliche Synergien auszuloten, die von flexiblen arbeitsmarktpolitischen und flankierenden Maßnahmen ausgehen und die Beschäftigungssituation behinderter Menschen verbessern könnten.

3.2.5

Der EWSA unterstützt desgleichen die Initiativen des Europäischen Sozialfonds (ESF) zur Integration von Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt. Die Initiative EQUAL hat sich bei der Förderung der Chancengleichheit der Menschen mit Behinderungen sehr bewährt. Da EQUAL als eigenständiges Programm jedoch ausläuft, fordert der EWSA die Kommission auf, ihren Ansatz und ihre Grundgedanken angemessen in den neuen ESF-Mechanismus mit einzubauen.

3.2.6

In dem neuen Rahmen des Europäischen Sozialfonds sollte betont werden, dass Investitionen in das Humankapital keinen Erfolg haben werden, wenn nicht zugleich in die Verbesserung der Ausstattung und der Zugänglichkeit investiert wird.

3.2.7

Der EWSA sieht nach wie vor die Notwendigkeit eines angemessenen politischen Rahmens, der Unternehmen, die ihre Standorte und Dienstleistungen zugänglich gestalten, finanziell belohnt. Dieser Rahmen muss nötigenfalls durch eine verbindliche Rechtsetzung, die Zugangsstandards verpflichtend vorschreibt, ergänzt werden.

3.3   Eine barrierefreie Gesellschaft

3.3.1

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Schaffung einer barrierefreien Gesellschaft die Voraussetzung für die Verwirklichung gleicher Chancen für Menschen mit Behinderungen ist. Unter einer barrierefreien Gesellschaft wird ein Umfeld verstanden, das in technischer Hinsicht behindertengerecht ist und in dem Kommunikation und Partizipation ungehindert möglich sind.

3.3.2

Der EWSA hält es für erforderlich, Informationen über Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Behindertenbereich und über behindertenspezifische Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in gut aufbereiteter Form zugänglich zu machen. Er fordert die Kommission auf, Schritte zu unternehmen, um diese Informationen in ihrem künftigen Zweijahresbericht über die Situation behinderter Menschen in Europa zusammenzutragen.

3.3.3

Ein ganz entscheidendes Hindernis bei der Schaffung gleicher Chancen ist der erschwerte Zugang von Menschen mit Behinderungen zur Bildung. Obwohl in der Beschäftigungs-Rahmenrichtlinie eine Diskriminierung in der Berufsbildung (einschließlich der Hochschulbildung) untersagt ist, haben Menschen mit Behinderungen nach wie vor einen eingeschränkten Zugang zur Bildung. Die Gründe hierfür sind ein nicht behindertengerechtes Umfeld, eine fehlende Ausstattung mit Hilfsmitteln, eine unzureichende Kommunikation und mangelnde Aufklärung und Beratung, aber auch das Ausbildungssystem für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen, das diesen in der Praxis oft schon am Anfang der Ausbildung die Bildungschancen verwehrt.

3.3.4

Die EU-Strukturfonds leisten einen entscheidenden Beitrag zur Integration, soweit den Grundsätzen der Nichtdiskriminierung und des Zugangs der Menschen mit Behinderungen darin Rechnung getragen wird. Der EWSA begrüßt die unlängst erfolgte Verabschiedung der neuen Strukturfonds-Verordnungen; sie sind ein Schritt in die richtige Richtung und werden dafür sorgen, dass EU-finanzierte Projekte nicht zu neuen Barrieren für Menschen mit Behinderungen führen. Der Ausschuss dringt darauf, dass bei anderen EU-Programmen und Initiativen — zumal bei solchen, die über eine solide Mittelausstattung verfügen — der selbe Ansatz gewählt wird und sie eine wesentliche Rolle bei der Erfüllung der Ziele der Lissabon-Strategie spielen.

3.3.5

Der EWSA ist der Ansicht, dass mehr für die Schaffung eines behindertengerechten Umfelds getan werden muss — insbesondere im Hinblick auf den Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln und die Möglichkeiten der ungehinderten Bewegung im städtischen Raum. Von einem behindertengerechten Umfeld profitieren weite Teile der Gesellschaft — Familien mit Kleinkindern, ältere Menschen sowie beispielsweise Menschen, die infolge einer körperlichen Verletzung vorübergehend in ihrer Mobilität eingeschränkt sind.

3.3.6

Es muss mit Nachdruck an einer Bewusstseinsänderung gearbeitet werden. Bei der Herstellung der Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen müssen die Menschenrechte der grundlegende Leitgedanke sein, wonach jeder das Recht hat, an der Gesellschaft aktiv teilzunehmen. Einen hohen Stellenwert nimmt die Bereitstellung von Leistungen zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen ein — einschließlich beschäftigungsfördernder Maßnahmen, wie die Ermöglichung geschützter und geförderter Arbeit auf dem Weg in den offenen Arbeitsmarkt.

3.3.7

Die Mitgliedstaaten sollten bei den im Einzelnen zur Gewährleistung der Chancengleichheit nötigen Prozessen und Methoden zu einer einheitlichen Vorgehensweise finden. Chancengleichheit in der Praxis bedeutet, dass jedem Individuum ein breites Spektrum realistischer Möglichkeiten offen steht. Dieses vorgeschlagene Umdenken zur Stärkung eines wahrhaft individuellen Ansatzes gegenüber Menschen mit Behinderungen dürfte mittelfristig größere finanzielle Anstrengungen von Seiten der öffentlichen Hand sowie von den Strukturfonds erfordern. Mit dieser „Hebelwirkung “können aber dauerhafte langfristige Einsparungen bei den Sozialausgaben erreicht werden.

3.3.8

Die Tätigkeit der Unternehmen der Sozialwirtschaft ist für die Schaffung von Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen von entscheidender Bedeutung. Die Unternehmen der Sozialwirtschaft leisten einen Beitrag zur sozialen Integration von Menschen mit Behinderungen sowie zu deren Eingliederung in das Arbeitsleben und fördern die durchgängige Berücksichtigung der Behindertenpolitik unter Anwendung des Selbsthilfeprinzips, das besonders von den Genossenschaften verwendet wird.

3.3.9

Der EWSA bekräftigt seine Auffassung, wonach die neuen EU-Richtlinien zum öffentlichen Auftragswesen eine probate Handhabe darstellen, um die Beschäftigung behinderter Menschen zu verbessern, die Zugänglichkeit öffentlicher Verkehrsmittel zu optimieren, ein besseres gebäudetechnisches Umfeld zu schaffen sowie einen Beitrag zur Produktion zugänglicher Waren und Dienstleistungen zu leisten. Der Ausschuss fordert alle Behörden (der lokalen, regionalen, einzelstaatlichen sowie der EU-Ebene) dazu auf, die Richtlinien zu diesen Zwecken einzusetzen. Der Austausch bewährter Praktiken sollte von der Europäischen Kommission unterstützt werden.

3.4   Beteiligung am Beschlussfassungsprozess

3.4.1

Die europäischen Behindertenorganisationen treten aktiv für die durchgängige Berücksichtigung der Belange der Menschen mit Behinderungen in allen Politikfeldern ein. Der EWSA begrüßt diese Aktivitäten und sieht dieses „Mainstreaming “als den Schlüssel zur Erreichung der erwünschten Ergebnisse. Die Voraussetzung für den Erfolg des Mainstreaming ist aber die frühzeitige Einbeziehung der Behindertenverbände in den Beschlussfassungsprozess.

3.4.2

Die Europäische Kommission hat Verfahren für eine wirkungsvolle Beteiligung erarbeitet, die der EWSA als entscheidenden Beitrag für die Herstellung der Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen erachtet. Durch die Förderung des Grundsatzes der durchgängigen Berücksichtigung in Verbindung mit legislativen Maßnahmen können Ergebnisse in Bereichen wie zugängliche Verkehrsmittel und behindertengerechte Wohnungen sowie Zugang zu Waren, Dienstleistungen und Informationen erzielt werden.

3.4.3

Das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen 2003 war ein Meilenstein auf dem Weg zu mehr Teilhabe. Es war überwiegend ein Erfolg, was auf den Bottom-up-Ansatz zurückzuführen ist, bei dem Behindertengruppen aus ganz Europa sehr aktiv an den Vorbereitungsarbeiten beteiligt waren und auch im gesamten Jahresverlauf daran mitwirkten. Ferner wurde — ausgehend von dem Mainstreaming-Gedanken — mit einem breiten Spektrum von Entscheidungsträgern kooperiert.

3.4.4

Darüber hinaus ist von wesentlicher Bedeutung, dass die Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen Bestandteil derjenigen Verfahren der Europäischen Union wird, in denen die offene Koordinierungsmethode Anwendung findet. Dies ist insofern umso wichtiger, als viele Beschlüsse in der Behindertenpolitik nach wie vor in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten liegen.

3.5   Legislative Maßnahmen zur Verbesserung der Chancengleichheit von Menschen mit Behinderungen

3.5.1

Auf europäischer Ebene wurden verschiedene politische Schritte unternommen, um die Chancengleichheit der Menschen mit Behinderungen sicherzustellen. Im Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen 2003 verabschiedete der Rat Entschließungen zu Beschäftigung und beruflicher Bildung, zur Zugänglichkeit von kulturellen Aktivitäten und von Bildung sowie zur e-Accessibility (10); desgleichen brachten andere EU-Institutionen Initiativen im Bereich Zugang (11) und Beschäftigung auf den Weg.

3.5.2

Der Aktionsplan der EU zugunsten behinderter Menschen 2006-2007 wird derzeit umgesetzt. Der EWSA stellt erfreut fest, dass sich die Zielsetzungen nach wie vor an den Grundproblemen der Menschen mit Behinderungen orientieren. Vorrangiges Ziel der zweiten Phase des Aktionsplans ist eine aktive Eingliederung der Menschen mit Behinderungen; hierbei wird von dem bürgerbezogenen Konzept der Behinderung (12) ausgegangen; dies bedeutet, dass behinderte Menschen in ihrem Alltagsleben über dieselben Entscheidungs- und Kontrollmöglichkeiten verfügen wie nicht behinderte Menschen.

3.5.3

Der EWSA vertritt die Auffassung, dass zur Bekämpfung der Diskriminierung in allen Tätigkeitsbereichen der Europäischen Union ergänzende Rechtsvorschriften erforderlich sind. Er sieht den Ergebnissen der Durchführbarkeitsstudie über flankierende gesetzgeberische Initiativen auf dem Gebiet der Nichtdiskriminierung mit Interesse entgegen. Darüber hinaus ist der Ausschuss der festen Überzeugung, dass möglichst rasch ein Vorschlag zur Erarbeitung einer Behindertenrichtlinie vorgelegt werden muss.

4.   Der Beitrag des EWSA zur Förderung der Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen

4.1

Der EWSA erinnert daran, dass die Rolle der Sozialpartner wesentlich für die volle Integration der Menschen mit Behinderungen ist. Es gibt viele Beispiele für bewährte Praktiken bei den Arbeitgebern, durch die sowohl Menschen mit Behinderungen in Arbeit kommen bzw. Waren und Dienstleistungen behindertengerecht gestaltet werden können. Auf diesem Gebiet für Fortschritte zu sorgen, ist ein besonderes Anliegen des Ausschusses, welches er im Rahmen seiner Zuständigkeiten vorantreiben will.

4.2

Zusätzlich ersucht der EWSA Arbeitgeber und Gewerkschaften, die Mechanismen des sozialen Dialogs zu nutzen, um neue Initiativen für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen einschließlich des Arbeitsplatzerhalts einzubringen.

4.3

Der EWSA engagiert sich für die Schaffung der Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen. Um dem Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen 2003 zu größerem Erfolg zu verhelfen, richtete der EWSA eine Taskforce zu Behindertenfragen ein, die sich aus Ausschussmitgliedern und Beamten zusammensetzte und damit beauftragt war, die Tätigkeiten des EWSA im Hinblick auf das europäische Jahr vorzubereiten und durchzuführen.

4.4

Die Stellungnahme des EWSA zum Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen 2003 (13) liefert einen fundierten Überblick über seine Tätigkeiten zur Förderung der Belange Behinderter. Der EWSA hat bereits große Anstrengungen unternommen und kann auf bedeutende Fortschritte hinsichtlich der durchgängigen Berücksichtigung der Behindertenthematik in seinen relevanten Stellungnahmen verweisen. Er wird diesen Weg fortsetzen und seine Bemühungen 2007 (dem Europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle) und darüber hinaus noch wesentlich verstärken.

4.5

Der EWSA verabschiedete eine Reihe von Stellungnahmen, in denen eigens die Behindertenthematik behandelt wird, so z.B. 2002 die Stellungnahme „Gesellschaftliche Integration von Menschen mit Behinderungen“ (14), in der erstmalig eine umfassende Betrachtungsweise der Behindertenthematik angelegt wurde, sowie die Stellungnahme zur „Situation behinderter Menschen in der erweiterten Europäischen Union“. Auch bei anderer Gelegenheit mahnte der Ausschuss die Herstellung der Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen an, etwa in der Stellungnahme zur „eAccessibility“ (15), zum „Europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle (2007)“ (16) und zum „Grünbuch zur psychischen Gesundheit“ (17). Auch in der Stellungnahme zum Sozialtourismus (18) wurde auf die Thematik hingewiesen.

4.6

In dem 2004 eingeweihten, neuen EWSA-Gebäude bestehen uneingeschränkte behindertengerechte Zugangsmöglichkeiten. Somit konnten Behindertenverbände im EWSA-Gebäude an Seminaren teilnehmen oder dort Seminare durchführen. Von diesem Vorbild sollten sich die anderen EU-Institutionen leiten lassen.

4.7

Der EWSA stellt fest, dass die Behindertenverbände im Ausschuss nunmehr stärker vertreten sind. Darüber hinaus haben sich mehrere Vertreter von Organisationen der Sozialwirtschaft und Vertreter der Sozialpartner in den Arbeiten nachdrücklich für die Sicherstellung der Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen eingesetzt.

4.8

Um den Austausch bewährter Vorgehensweisen zu fördern, regt der EWSA an, 2007 — im Jahr der Chancengleichheit für alle — ein Seminar zu organisieren, bei dem die Behindertenthematik und Fragen der multiplen Diskriminierung in den Vordergrund gestellt werden.

4.9

Der EWSA fordert die nationalen Wirtschafts- und Sozialräte und vergleichbaren Einrichtungen auf, 2007 zum Anlass für die stärkere durchgängige Berücksichtigung der Behindertenthematik in ihrer Arbeit zu nehmen. Ferner könnte der EWSA die Möglichkeit prüfen, die Erarbeitung einer Studie über bewährte Vorgehensweisen bei der durchgängigen Berücksichtigung von Behindertenfragen durch die Sozialpartner in Auftrag zu geben.

5.   Gezielte Maßnahmen zur Schaffung eines barrierefreien Europas

5.1

Der EWSA stellt fest, dass es in Europa bislang an umfassenden Anti-Diskriminierungs-Rechtsvorschriften fehlt, die in sämtlichen EU-Tätigkeitsbereichen Anwendung finden.

5.2

Behindertenfragen müssen Eingang in die verschiedenen EU-Strategien finden; es ist auch zu prüfen, wie sich dies auf die Schaffung gleicher Chancen für Menschen mit Behinderungen auswirkt. Den Belangen Behinderter ist auch weiterhin eine prioritäre Stellung einzuräumen, zumal die Thematik beispielsweise in der überarbeiteten Lissabon-Strategie sowie in den im Jahr 2005 vorgelegten nationalen Reformenplänen nicht mehr aufgegriffen wird. Umso mehr begrüßt der EWSA das Arbeitspapier zur Einbeziehung der Behindertenthematik in die Beschäftigungsstrategie und ruft die Europäische Kommission auf, eine Folgenabschätzung dazu durchzuführen.

5.3

Der EWSA betont, dass der während des britischen Ratsvorsitzes unterbreitete Vorschlag, ein alljährliches Ministertreffen zu Behindertenfragen durchzuführen, um die Debatte unter Beteiligung der Behindertenverbände auf einer hohen politischen Ebene voranzubringen, wieder aufgegriffen werden sollte, da diese Initiative von der Öffentlichkeit bislang nicht ausreichend wahrgenommen wurde.

5.4

Der EWSA betont abermals die Wichtigkeit einer gemeinsamen europäischen Definition der Behinderung, da damit die Behindertenpolitik der EU effizienter gestaltet werden könnte. Überdies würde eine genauere Datenlage zur Situation der Menschen mit Behinderungen in der EU einen Beitrag zu einer sachlich fundierteren, zielführenderen Politikgestaltung leisten. Daher ersucht der EWSA die Kommission, Eurostat und die Mitgliedstaaten, mehr Mittel für die Erhebung von Statistiken aufzuwenden, durch die Aspekte wie die Beschäftigungssituation, das wirtschaftliche Potenzial behinderter Menschen, ihre Rolle als Verbraucher oder ihr Zugang zu Dienstleistungen erfasst werden.

5.5

Im Vertrag von Amsterdam hat sich die Europäische Gemeinschaft verpflichtet, bei der Konzeption von Maßnahmen für den Binnenmarkt auf Menschen mit Behinderungen Rücksicht zu nehmen. Die Erklärung Nr. 22 wurde bedauerlicherweise nicht umgesetzt, was sogar zu weiteren Hindernissen beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen geführt hat.

5.6

Desgleichen verfolgt der EWSA aufmerksam das im August 2006 angenommene Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte der Menschen mit Behinderungen und ruft die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf, es zu ratifizieren. Der Ausschuss appelliert an die Europäische Kommission sicherzustellen, dass die in dem UN-Übereinkommen festgeschriebenen Grundsätze auf EU-Ebene gefördert und befolgt werden.

5.7

Der EWSA hegt die Hoffnung, dass die EU-Aktionspläne zur Herstellung der Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen den Anstoß zu einer Vielzahl weiterer Maßnahmen geben, die wiederum messbare Resultate hervorbringen.

Brüssel, den 17. Januar 2007

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Angaben von Eurostat (2002) zufolge haben 44,6 Millionen Menschen im Alter von 16 bis 64 Jahren (d.h. jeder Sechste (15,7 %)) laut eigener Einschätzung ein lang andauerndes Gesundheitsproblem oder eine Behinderung (long-standing health problem or disabilityLSHPD).

(2)  Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, New York, 2006.

(3)  Vgl. u.a:

http://www.eudnet.org/update/online/2004/jun04/edfn_02.htm.

(4)  Diskussionspapier für die Sitzung der hochrangigen Expertengruppe für Behindertenfragen, 18./19. März 2004.

Konzeptpapier zum Thema „Mainstreaming disability in different policy areas“ der hochrangigen Expertengruppe für Behindertenfragen.

(5)  Siehe Richtlinie 2001/85/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2001 über besondere Vorschriften für Fahrzeuge zur Personenbeförderung mit mehr als acht Sitzplätzen außer dem Fahrersitz und zur Änderung der Richtlinien 70/156/EWG und 97/27/EG.

(6)  Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf.

(7)  Die „Study on the economic inequality of people with disabilities in the city of Barcelona. The overstrain economic effort provoked by disability“ wurde von der lokalen Behinderteneinrichtung der Stadt Barcelona im März 2006 durchgeführt. Die Studie ergab, dass sich die Ausgaben von Familien mit behinderten Familienmitgliedern je nach dem jeweiligen Niveau des Sozialschutzes und der Art der Behinderung auf jährlich bis zu 30 000 EUR belaufen.

(http://w3.bcn.es/fitxers/baccessible/greugecomparatiueconmic.683.pdf).

(8)  Beschäftigung behinderter Menschen in Europa 2002, Statistik kurz gefasst, Thema 3, Eurostat 26/2003.

(9)  Richtlinie Nr. 78/2000/EG vom 27. November 2000.

(10)  Entschließung des Rates vom 15. Juli 2003 über die Förderung der Beschäftigung und der sozialen Eingliederung der Menschen mit Behinderungen (2003/C 175/01).

Entschließung des Rates vom 6. Mai 2003 über die Zugänglichkeit kultureller Einrichtungen und kultureller Aktivitäten für Menschen mit Behinderungen (2003/C 134/05).

Entschließung des Rates vom 5. Mai 2003 über die Chancengleichheit für Schüler und Studierende mit Behinderungen in Bezug auf allgemeine und berufliche Bildung (2003/C 134/04).

Entschließung des Rates vom 6. Februar 2003„eAccessability “— Verbesserung des Zugangs von Menschen mit Behinderungen zur Wissensgesellschaft (2003/C 39/03).

(11)  „2010: Ein hindernisfreies Europa für alle“, Bericht einer Expertengruppe über Fragen der Zugänglichkeit;

http://ec.europa.eu/employment_social/index/7002_de.html.

(12)  In der Charta der Grundrechte der Europäischen Union heißt es in Artikel 26, dass die Union den Anspruch von Menschen mit Behinderungen auf Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer Eigenständigkeit, ihrer sozialen und beruflichen Eingliederung und ihrer Teilnahme am Leben der Gemeinschaft anerkennt und achtet.

(13)  Stellungnahme des EWSA zur Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über Durchführung, Ergebnisse und Gesamtbeurteilung des Europäischen Jahres der Menschen mit Behinderungen 2003, 14. Februar 2006, Berichterstatterin: Frau ANČA. ABl. C 88 vom 11.4.2006.

(14)  Stellungnahme des EWSA zum Thema „Gesellschaftliche Integration von Menschen mit Behinderungen“, 17. Juli 2002, Berichterstatter: Herr CABRA DE LUNA. ABl. C 241 vom 7.10.2002.

(15)  Stellungnahme des EWSA zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — eAccessibility“, 15. März 2006, Berichterstatter: Herr CABRA DE LUNA. ABl. C 110 vom 9.5.2006.

(16)  Stellungnahme des EWSA zu dem „Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates zum Europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle (2007) — Beitrag zu einer gerechten Gesellschaft“, 14. Dezember 2005 (CESE 1507/2005), Berichterstatterin: Frau Herczog. ABl. C 65 vom 17.3.2006.

(17)  Stellungnahme des EWSA zum „Grünbuch: Die psychische Gesundheit der Bevölkerung verbessern — Entwicklung einer Strategie für die Förderung der psychischen Gesundheit in der Europäischen Union“, 17. Mai 2006, Berichterstatter: Herr Bedossa. ABl. C 195 vom 18.8.2006.

(18)  Stellungnahme des EWSA zum Sozialtourisggggmus in Europa (Initiativstellungnahme), Berichterstatterin: Frau Mendoza Castro.


27.4.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 93/38


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Menschenwürdige Arbeit für alle — Der Beitrag der Europäischen Union zur weltweiten Umsetzung der Agenda für menschenwürdige Arbeit“

KOM(2006) 249 endg.

(2007/C 93/09)

Die Kommission beschloss am 13. Juli 2006 gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 19. Dezember 2006 an. Berichterstatter war Herr ETTY.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 432. Plenartagung am 17./18. Januar 2007 (Sitzung vom 17. Januar) mit 128 gegen 3 Stimmen bei 11 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Ausschuss begrüßt die Kommissionsmitteilung. Er ist zuversichtlich, dass die Kommission in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten einen bedeutenden Beitrag zur Verwirklichung der menschenwürdigen Arbeit sowohl innerhalb der EU als auch in Drittstaaten leisten wird.

Der Ausschuss teilt die Auffassung der Kommission, dass das Verfolgen sozialer Zielsetzungen nicht als Vorwand für protektionistische Maßnahmen dienen darf.

1.1.1

Der Ausschuss fordert die Kommission auf, ihn an der Erarbeitung des Follow-up-Berichts zur Mitteilung, der spätestens im Sommer 2008 erscheinen soll, zu beteiligen.

1.1.2

Er ersucht die Kommission, angemessene Indikatoren für die Bewertung der Umsetzung der Agenda für menschenwürdige Arbeit durch die Europäische Union aufzustellen.

1.1.3

Die Kommission sollte die finanziellen Auswirkungen ihres Beitrags zur Förderung der menschenwürdigen Arbeit sowohl in der Europäischen Union als auch außerhalb deutlich darlegen. Hierzu zählen Informationen darüber, wie sie die ILO bei der Durchführung ihrer Agenda für menschenwürdige Arbeit zu unterstützen gedenkt.

1.2

Die Kommission sollte den vom Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss in seiner Stellungnahme zur sozialen Dimension der Globalisierung empfohlenen Ansatz verfolgen, d.h. an den positiven Auswirkungen der Globalisierung festhalten und sie intensivieren und gleichzeitig geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung der negativen Folgen ergreifen. Der Ausschuss bekräftigt seine Schlussfolgerungen aus der Stellungnahme vom März 2005.

1.3

Maßnahmen im Bereich der menschenwürdigen Arbeit können sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU nur dann erfolgreich sein, wenn die Sozialpartner und die Zivilgesellschaft in vollem Umfang eingebunden werden.

1.4

Bei der Verfolgung des Ziels der menschenwürdigen Arbeit ist die politische Kohärenz und Koordinierung auf allen Ebenen, einschließlich der nationalen, von entscheidender Bedeutung.

1.5

Ein Schlüsselfaktor bei der Förderung der menschenwürdigen Arbeit ist die Stärkung des ILO-Überwachungssystems.

1.6

Der EWSA fordert die Kommission auf, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten die Gründe für die ausbleibende Ratifizierung der Internationalen Konvention zum Schutz der Rechte von Wanderarbeitnehmern durch die Aufnahmeländer zu beleuchten.

1.7

Die Ratifizierung und rechtliche und praktische Umsetzung der einschlägigen ILO-Übereinkommen innerhalb der EU und im Hinblick auf Drittstaaten ist von wesentlicher Bedeutung.

1.8

Der EWSA fordert die Kommission auf, die Bedeutung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz als einen der Schlüsselfaktoren für die Verwirklichung der menschenwürdigen Arbeit zu fördern.

1.9

Die Kommission sollte einen Aktionsplan zu ihrer Politik im Bereich der menschenwürdigen Arbeit sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU mit den entsprechenden Haushaltsdaten vorlegen.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1

Der Ausschuss begrüßt die Mitteilung. Die Agenda für menschenwürdige Arbeit ist eine wichtige Reaktion auf die Globalisierung und kann zur Verwirklichung der von den Vereinten Nationen anerkannten Millenniumsentwicklungsziele einen bedeutenden Beitrag leisten. Durch die Umsetzung der Agenda „zu Hause “sowie durch deren Förderung im Rahmen der verschiedenen Beziehungen zu Drittstaaten, Ländergruppen und internationalen Organisationen kann die Europäische Union als wichtiges Mitglied der Weltgemeinschaft einen bedeutenden Mehrwert erbringen. Menschenwürdige Arbeit ist von unmittelbarer Relevanz für die Umsetzung der Lissabon-Agenda, weil sie wesentlich zu einer nachhaltigen Gestaltung des Arbeitslebens in der EU beiträgt. Einen aktiven Beitrag zur Förderung der menschenwürdigen Arbeit für alle zu leisten, ist nicht nur ein integraler Bestandteil der europäischen Sozialagenda und der Bestrebungen der EU, die Werte, für die sie eintritt, zu verbreiten, sondern liegt auch im Interesse der EU, um dafür zu sorgen, dass die Globalisierung das europäische Sozialmodell nicht untergräbt.

2.2

Das Konzept der „menschenwürdigen Arbeit “wurde 1999 von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Leben gerufen (1). Es wird als der „Konvergenzpunkt “aller vier strategischen Ziele der ILO bezeichnet:

Förderung des Arbeitsrechts,

Beschäftigung,

Sozialschutz und

sozialer Dialog.

Das Konzept ist ein zentraler Bestandteil des europäischen Sozialmodells, das auf das Recht auf produktive und frei gewählte Arbeit ausgerichtet ist, bei der die Rechte geschützt werden, ein angemessenes Einkommen sowie ein angemessener Sozialschutz gewährleistet sind und die Chancengleichheit im Vordergrund steht. Tripartismus und sozialer Dialog sichern die Beteiligung und einen demokratischen Prozess.

Die Gleichstellung der Geschlechter und die Entwicklung gelten als Querschnittsthemen.

2.2.1

Im Einklang mit der ILO-Agenda für menschenwürdige Arbeit sollte die Kommission ausführlicher auf die Bedeutung der Gleichstellung der Geschlechter und die Befähigung von Frauen zur Überwindung von Armut eingehen, insbesondere was die Chancengleichheit und die Gleichbehandlung angeht.

2.3

In seiner Stellungnahme zur sozialen Dimension der Globalisierung (2) bezeichnete der EWSA menschenwürdige Arbeit als ein Schlüsselziel und eine prioritäre Frage der EU und ihrer Mitgliedstaaten — sowohl innerhalb der Gemeinschaft als auch im Rahmen der Außenbeziehungen und der Entwicklungshilfe.

2.4

Der Ausschuss stimmt den Ausführungen in der Einleitung der Mitteilung zu, wonach die Agenda für menschenwürdige Arbeit verschiedene allgemeine Orientierungen vorgibt, die nicht an ein bestimmtes Entwicklungsmodell gebunden sind, und ein Instrument ist, das darauf abzielt, die Entwicklung an Werten und Handlungs- und Governance-Prinzipien auszurichten, die auf wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, gepaart mit sozialer Gerechtigkeit, setzen. Der menschenwürdigen Arbeit liegt das Konzept zugrunde, wonach jedes Land, unabhängig vom Entwicklungsstand, seine eigenen Ziele festlegt, um die Kluft zu verringern, die das Land aufgrund fehlender Beschäftigungsmöglichkeiten, der Verletzung des Arbeitsrechts, eines unangemessenen Sozialschutzes und der Unzulänglichkeiten beim sozialen Dialog von der Erreichung des Ziels trennt.

2.5

Der Ausschuss begrüßt ferner, dass in der Mitteilung herausgestellt wird, dass sich alle multilateralen Institutionen und alle Regierungen im Einklang mit der Erklärung des Wirtschafts- und Sozialausschusses der UN (ECOSOC) vom Juli 2006 der menschenwürdigen Arbeit verschreiben müssen.

2.6

Der Ausschuss nimmt mit Interesse zur Kenntnis, dass mehrere Empfehlungen aus seiner Stellungnahme zur sozialen Dimension der Globalisierung in diese Mitteilung mit einflossen.

2.7

Er bedauert jedoch, dass das Konzept der Politikkoordinierung und -kohärenz in und zwischen den internationalen Finanzinstituten (IFI), der Welthandelsorganisation (WTO) und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), insbesondere auf der Ebene der Mitgliedstaaten, nicht auf die vom EWSA erhoffte Weise verfolgt wurde. Der Ausschuss hatte die Kommission und den Ministerrat darum ersucht, Maßnahmen zur Förderung einer umfassenderen Koordinierung und Kohärenz auf der Ebene der Mitgliedstaaten unter voller Beteiligung der Zivilgesellschaft zu ergreifen.

Der Ausschuss bekräftigt dieses Ersuchen mit Blick auf die Förderung der menschenwürdigen Arbeit durch die Kommission und die Mitgliedstaaten in diesen Institutionen.

Die Kommission sollte sich für eine geschlossenere Haltung der Mitgliedstaaten in den internationalen Finanzinstitutionen einsetzen, insbesondere im Hinblick auf ihre politische Strategie, ihre Entwicklungshilfeprogramme mit den Regierungen und ihre Darlehen an private Unternehmen.

2.8

Nach Auffassung des Ausschusses sind die in der Kommissionsmitteilung unterbreiteten Maßnahmenvorschläge generell gut gewählt und konstruktiv.

2.8.1

Es fehlt jedoch der Hinweis darauf, dass die Stärkung des Überwachungssystems der ILO für die Förderung menschenwürdiger Arbeit von ausschlaggebender Bedeutung ist. Die Ratifizierung der Übereinkommen ist zwar wichtig, jedoch nicht ausreichend. Auch die Realität vor Ort, d.h. die vollständige rechtliche und praktische Umsetzung, muss stets berücksichtigt werden. Der Ausschuss ermutigt die Kommission, in enger Zusammenarbeit mit der ILO gemeinsame Initiativen der Mitgliedstaaten zu diesem Zweck zu fördern und zu koordinieren.

2.8.2

Ferner möchte der Ausschuss hervorheben, dass die ILO aufgrund der Globalisierung nicht nur ihre Übereinkommen und Empfehlungen ständig aktualisieren, sondern unweigerlich auch neue Normen für die Bewältigung neuer auftretender Gegebenheiten in der Arbeitswelt aufstellen muss. Diese neu geschaffenen Instrumente müssen relevante Themen zum Gegenstand haben, und ihre Bestimmungen müssen realitätsbezogen sein. Die EU und ihre Mitgliedstaaten (sowie die Sozialpartner in den Mitgliedstaaten) müssen dazu ermutigt werden, in diesem Bereich eine proaktive Rolle zu übernehmen.

3.   Besondere Bemerkungen

3.1   Zu „Ein Entwicklungs-, Governance- und Leistungsfaktor“

3.1.1

In ihrer Mitteilung spricht die Kommission vom bipartitistischen und tripartitistischen sozialen Dialog sowie von der „Einbeziehung der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft “und der „Einbindung der Sozialpartner und anderer Akteure der Zivilgesellschaft“. Die Kommission sollte klarstellen, dass der „soziale Dialog “zwischen den Sozialpartnern mit oder ohne Regierungsvertreter stattfindet, während am „zivilen Dialog “auch nichtstaatliche Organisationen und andere Interessengruppen beteiligt sind. Im Kontext der Mitteilung muss klar sein, dass ein echter sozialer Dialog nur von freien, unabhängigen und demokratischen Organisationen geführt werden kann.

3.1.2

In diesem Kapitel werden alle Elemente des Konzepts der menschenwürdigen Arbeit angesprochen. Auffallend ist, dass die Sicherheit und der Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz nur ansatzweise berücksichtigt werden (ein kurzer Verweis auf die „Arbeitsplatzqualität“). Dies scheint kein Zufall zu sein, denn die Sicherheit und der Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz kommen in der gesamten Mitteilung nicht sonderlich zum Tragen. Zusammenhängen könnte dies mit der problematischen Haltung der Kommission und der Mitgliedstaaten zu den ILO-Übereinkommen in diesem Bereich. Nur sehr wenige Übereinkommen wurden von den EU-Mitgliedstaaten ratifiziert. Dabei sind die EU-Vorschriften im Bereich des Arbeitnehmerschutzes in der Regel verständlicherweise strenger als die entsprechenden ILO-Instrumente. Diese spärlichen Ratifizierungen sind für andere Länder nicht gerade ein Vorbild, die Übereinkommen über die Sicherheit und den Gesundheitsschutz ebenfalls zu ratifizieren. Gefördert wird die Agenda für menschenwürdige Arbeit von der EU dadurch nicht. Der Ausschuss fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, zu prüfen, wie die derzeitige unbefriedigende Situation in naher Zukunft deutlich verbessert werden kann. Ferner ist der Ausschuss der Auffassung, dass die EU-Mitgliedstaaten die ILO-Übereinkommen im Bereich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz nicht kündigen sollten, solange sie nicht beschließen, ein neueres Übereinkommen in diesem Bereich zu ratifizieren.

3.1.3

Der Ausschuss teilt die Auffassung der Kommission, dass das Verfolgen sozialer Zielsetzungen nicht als Vorwand für protektionistische Maßnahmen dienen darf. Gleichzeitig möchte er betonen, dass eine „Sozialklausel “in multilateralen Handelsabkommen, wie bereits in früheren EWSA-Stellungnahmen erörtert, keinen protektionistischen Zwecken dienen kann, da sie ausschließlich aus den acht grundlegenden Menschenrechtsnormen der ILO besteht (zum Recht auf Vereinigungsfreiheit bzw. auf Kollektivverhandlungen, zum Verbot der Zwangsarbeit, der Diskriminierung in Beruf und Beschäftigung sowie der Kinderarbeit), die allesamt von einer überwältigenden Mehrheit der ILO-Mitgliedstaaten ratifiziert wurden. Wo die Mitgliedstaaten ihren verfassungsmäßigen Verpflichtungen nachgekommen sind, haben sie diese Normen entsprechend den Anforderungen und unter Aufsicht der ILO zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer nationalen Rechtssetzung bzw. anderer einschlägiger Bestimmungen gemacht.

3.1.4

Die EU muss die Frage der menschenwürdigen Arbeit in vollem Umfang in ihre Entwicklungspolitik einbeziehen und ihre politischen Erklärungen mit adäquaten Finanzmitteln abstützen.

3.2   Zu: „Verpflichtungen und Orientierungen für die EU-Politik“

3.2.1

Innerhalb der EU sollte menschenwürdige Arbeit dadurch gefördert werden, dass die EU-Mitgliedstaaten alle einschlägigen ILO-Übereinkommen ratifizieren und umsetzen, auch jene bezüglich der Nichtdiskriminierung und Integration besonders schutzbedürftiger Personengruppen.

3.2.2

Im Abschnitt „Die Außenpolitik der Europäischen Union stärker mobilisieren“, Unterabschnitt „Erweiterung “gewinnt man den Eindruck, dass die ILO-Übereinkommen Nummern 87 und 98 über die Vereinigungsfreiheit und die Kollektivverhandlungen nach dem Verständnis der Kommission lediglich die gewerkschaftlichen Rechte zum Gegenstand haben. Dies ist falsch: Es handelt sich dabei explizit auch um Arbeitgeberrechte. Diese grundlegenden Rechte sowohl der Gewerkschaften als auch der Arbeitgeber müssen von der Kommission gefördert werden.

3.2.3

Der Ausschuss stimmt mit der Kommission im Hinblick auf die „Nachbarschaftspolitik “überein. Gleichwohl ist er der Auffassung, dass auch dem sozialen Dialog/der Ratifizierung des ILO-Übereinkommens Nr. 144 über dreigliedrige Beratungen die gebührende Beachtung geschenkt werden muss.

3.2.4

In Bezug auf den Unterpunkt „Regionale und bilaterale Beziehungen “stellt der Ausschuss fest, dass China ein besonderes Problem darstellt, das diskutiert und von der Kommission ebenfalls angegangen werden muss. China lehnt die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen für unabhängige Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen offen ab. Angesichts der Bedeutung Chinas in der Welt kann dies nicht außer Acht gelassen werden, wenn die Agenda für menschenwürdige Arbeit Fortschritte herbeiführen soll.

3.2.5

In die Liste der geplanten Maßnahmen im Unterabschnitt „Entwicklungszusammenarbeit “sollte die Kommission auch solche Maßnahmen aufnehmen, die in Zusammenarbeit mit der ILO zur besseren Integration der informellen in die formelle Wirtschaft ergriffen werden. Menschenwürdige Arbeit ist für die informelle Wirtschaft ebenso wichtig wie für die formelle. Die Kommission sollte in Zusammenarbeit mit der ILO nach neuen Wegen suchen, um die Akteure dabei zu unterstützen, Maßnahmen zur Wahrung der Rechte und zur Verbesserung der Fertigkeiten von Erwerbstätigen in der informellen Wirtschaft zu entwickeln und neuen Akteuren Zugang zur Interessenvertretung zu verschaffen.

3.2.6

Außerdem schlägt der Ausschuss vor, in denselben Unterabschnitt auch die Förderung von Unternehmen der Sozialwirtschaft, beispielsweise Genossenschaften, aufzunehmen. Dies ist eines der prioritären Themen, die der EWSA in seiner Stellungnahme zur sozialen Dimension der Globalisierung aufgezeigt hat.

3.2.7

Ferner sollte die Kommission Maßnahmen ins Auge fassen, die (in enger Zusammenarbeit mit der ILO) zur Stärkung der Rolle von kleinen und mittleren Unternehmen bei der Förderung der menschenwürdigen Arbeit beitragen.

3.2.8

Im Hinblick auf den Abschnitt „Der Handel als Faktor einer nachhaltigen Entwicklung “verweist der Ausschuss auf die Vorschläge, die er bezüglich gemeinsamer bilateraler Beobachtungsstellen und freier Produktionszonen in seiner Stellungnahme zur sozialen Dimension der Globalisierung gemacht hat.

3.2.9

Der Ausschuss begrüßt, dass die Kommission eine umfassende Ratifizierung und effektive Anwendung der ILO-Übereinkommen unterstützt, stellt jedoch fest, dass dieses Engagement im Bereich des internationalen Handels konkreter gestaltet werden könnte. Erstens muss die Kommission auf der multilateralen Ebene die Förderung der menschenwürdigen Arbeit zu einem der Ziele der EU in der WTO machen. In Anlehnung an den Ausschuss für Handel und Umwelt sollte die Einsetzung eines Ausschusses für Handel und menschenwürdige Arbeit in der WTO erwogen werden; die menschenwürdige Arbeit sollte im Rahmen von Prüfungen der Handelspolitik durch die WTO als ein Bestandteil der „nachhaltigen Entwicklung “gelten; ferner ist ein WTO-Arbeitsprogramm unter Beteiligung der ILO erforderlich. Die Kommission sollte sich gemeinsam mit den Mitgliedstaaten aktiv darum bemühen, andere WTO-Mitglieder von den Vorteilen einer solchen Beachtung der menschenwürdigen Arbeit innerhalb der WTO-Strukturen zu überzeugen.

3.2.10

Zweitens sollte die Kommission in ihren bilateralen Handelsbeziehungen (beispielsweise im Rahmen der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen) die Ratifizierung und Umsetzung der wichtigsten ILO-Arbeitsnormen bei den Verhandlungen in den Vordergrund stellen. Bei all diesen Verhandlungen sollte eine Nachhaltigkeitsprüfung (Sustainability Impact Assessment, SIA), die die Indikatoren für menschenwürdige Arbeit umfasst, vorgenommen und die sich daraus ergebenden Empfehlungen befolgt werden.

3.2.11

Wenn das APS-Plus-System für Handelsvergünstigungen erfolgreich sein soll, dann sind umfassende begleitende Maßnahmen erforderlich, insbesondere im Rahmen der für Anfang 2007 geplanten Halbzeitbewertung der APS-Plus-Länder, damit die Regierungen anerkennen, dass sie die betreffenden Übereinkommen tatsächlich umsetzen und entsprechende Schritte unternehmen müssen.

3.2.12

Im Unterabschnitt „Die Wirtschaftsmigration besser steuern “sollte nach Auffassung des Ausschusses erneut die Frage der Internationalen Konvention zum Schutz der Rechte von Wanderarbeitnehmern behandelt werden. Dies ist ein schwieriges und heikles Thema. Nicht ein einziges wichtiges Aufnahmeland hat diese Konvention bislang ratifiziert. In seiner Stellungnahme vom Juni 2004 (3) hat der Ausschuss im Hinblick auf diese Konvention einen positiven Standpunkt vertreten. Es ist verwunderlich, dass die Kommission dieses Übereinkommen in ihrer Mitteilung völlig außer Acht lässt. Der Ausschuss ersucht die Kommission, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten die Gründe für die ausbleibende Ratifizierung zu beleuchten und auf dieser Grundlage klare politische Maßnahmen festzulegen. Ferner fordert er die Kommission auf, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten, die die ILO-Übereinkommen Nr. 97 und 143 betreffend die Wanderarbeiter bislang nicht ratifiziert haben, Möglichkeiten einer Ratifizierung in der nahen Zukunft zu erörtern.

3.2.13

Die Kommission möchte Bemühungen um einen Abschluss transnationaler Kollektivvereinbarungen und weltweiter Rahmenvereinbarungen unterstützen (Abschnitt „Mit der Zivilgesellschaft und den Unternehmen zusammenarbeiten“). Nach Auffassung des Ausschusses muss dies in enger Zusammenarbeit mit den entsprechenden Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen erfolgen.

3.2.14

Darüber hinaus sollte die Kommission mit diesen Verbänden sowie mit anderen betroffenen Organisationen der Zivilgesellschaft die Förderung von Maßnahmen im Bereich der sozialen Verantwortung der Unternehmen in Ländern erörtern, in denen die Kluft zwischen der Rechtsetzung und der praktischen Rechtsanwendung besonders groß ist. Der Ausschuss betont, dass die soziale Verantwortung der Unternehmen die rechtlichen Vorschriften ergänzt, sie aber nicht ersetzen kann.

Der Ausschuss empfiehlt der Kommission, Unternehmen dazu zu ermutigen, in ihrem freiwilligen Verhaltenskodex ausdrücklich auf die OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen und die Trilaterale Grundsatzerklärung der ILO zu multinationalen Unternehmen und zur Sozialpolitik zu verweisen.

Brüssel, den 17. Januar 2007

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  „Decent Work“, Bericht des Generalsekretärs der ILO anlässlich der 87. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz, ILO, 1999, Genf.

(2)  Stellungnahme des EWSA vom 9.3.2005 zum Thema „Die soziale Dimension der Globalisierung — der politische Beitrag der EU zu einer gleichmäßigen Verteilung des Nutzens“, Berichterstatter: Herr Etty und Frau Hornung-Draus (ABl. C 234 vom 22.9.2005).

(3)  EWSA-Stellungnahme zum Thema „Internationale Konvention zum Schutz der Rechte von Wanderarbeitnehmern “vom 30.6.2004, Berichterstatter: Herr Castaños (ABl. C 302 vom 7.12.2004).


27.4.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 93/42


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 89/391/EWG des Rates und ihrer Einzelrichtlinien sowie der Richtlinien des Rates 83/477/EWG, 91/383/EWG, 92/29/EWG und 94/33/EG im Hinblick auf die Vereinfachung und Rationalisierung der Berichte über die praktische Durchführung“

KOM(2006) 390 endg. — 2006/0127 (COD)

(2007/C 93/10)

Der Rat beschloss am 20. September 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 19. Dezember 2006 an. Berichterstatter war Herr JANSON.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 432. Plenartagung am 17./18. Januar 2007 (Sitzung vom 17. Januar) mit 150 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 6 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

1.1

Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz fallen in die Zuständigkeit der EU. Dieser Bereich ist für einen nachhaltigen Wettbewerb auf dem Binnenmarkt und für ein soziales Europa von wesentlicher Bedeutung. Es darf nicht möglich sein, dass Unternehmen die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer als Wettbewerbsfaktoren einsetzen.

1.2

In mehreren Richtlinien zu Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz ist die Erstellung eines Berichts durch die Mitgliedstaaten über deren praktische Durchführung vorgesehen. Die derzeitigen Bestimmungen schreiben unterschiedliche Fristen für die Vorlage der nationalen Berichte über die praktische Durchführung bei der Kommission vor (alle vier bzw. alle fünf Jahre). Diese Bestimmungen sollen durch den jetzigen Vorschlag der Kommission in Einklang gebracht und rationalisiert werden, indem alle fünf Jahre ein Gesamtbericht für alle Richtlinien über die praktische Durchführung vorgeschrieben wird.

1.3

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt den Vorschlag der Kommission. Die Erstellung der Berichte war bisher sehr zeitaufwändig für die einzelstaatlichen Behörden, und der Vorschlag beinhaltet eindeutige Zeit- und Kosteneinsparungen für die Mitgliedstaaten.

1.4

Durch die Vereinheitlichung der Fristen und die Zusammenfassung aller Berichte in einem Gesamtbericht haben die einzelstaatlichen Behörden einen besseren Überblick. Dadurch kann auch der Zusammenhang zwischen den verschiedenen gesundheitlichen Gefahren, denen die Richtlinie vorbeugen soll, in dem Bericht besser erfasst werden. Die regelmäßige Ausarbeitung von Berichten über die praktische Durchführung der Richtlinienbestimmungen im Bereich Gesundheitsschutz und Sicherheit der Arbeitnehmer bei der Arbeit stellt eine wichtige Hilfe für einen Überblick über die ergriffenen Maßnahmen und bei der Aufstellung einer Bilanz dar, anhand deren sich bewerten lässt, wie sie sich auf die Qualität des Arbeitsschutzes in der Europäischen Union auswirken. Der EWSA ist jedoch der Auffassung, der Vorschlag der Kommission sollte für die Mitgliedstaaten die Verpflichtung vorsehen, vor der Weiterleitung des Berichts an die Kommission für alle Kapitel Konsultationen mit den Sozialpartnern durchzuführen und deren Standpunkt zu berücksichtigen.

1.5

Im Vorschlag ist auch eine größere Transparenz zum Nutzen der Bürgerinnen und Bürger und Beteiligten vorgesehen, um ihnen Europa näher zu bringen und die Demokratie zu stärken.

2.   Begründung

2.1   Zusammenfassung des Kommissionsdokuments

2.1.1

Mit dem Vorschlag der Kommission sollen die Bestimmungen der Gemeinschaftsrichtlinien zum Thema Schutz von Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer bei der Arbeit vereinfacht und rationalisiert werden, in denen für die Mitgliedstaaten und die Kommission die Verpflichtung vorgesehen ist, Berichte über ihre praktische Durchführung zu erstellen.

2.1.2

In mehreren Richtlinien zu Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz ist die Erstellung eines Berichts durch die Mitgliedstaaten über deren praktische Durchführung vorgesehen. Außerdem sehen die einzelnen Richtlinien derzeit unterschiedliche Zeitabstände für die Vorlage der nationalen Berichte über die praktische Durchführung bei der Kommission vor (alle vier bzw. alle fünf Jahre). Diese Bestimmungen sollen durch den vorliegenden Vorschlag miteinander in Einklang gebracht und rationalisiert werden, indem alle fünf Jahre ein Gesamtbericht für alle Richtlinien über die praktische Durchführung vorgeschrieben wird, der einerseits einen allgemeinen Teil zu den grundlegenden Prinzipien und den für alle Richtlinien geltenden Aspekten und andererseits spezifische Kapitel über die von den einzelnen Richtlinien behandelten Aspekte umfasst. Der erste Bericht betrifft den Zeitraum 2007-2012.

2.1.3

Die Mitgliedstaaten müssen nach Maßgabe der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (1) sowie der Einzelrichtlinien (2) im Sinne von Artikel 16 Absatz 1 dieser Richtlinie einen Bericht über die praktische Durchführung erstellen, der seinerseits Grundlage für den von der Kommission auszuarbeitenden Bericht ist. In drei weiteren Richtlinien ist ebenfalls die Erstellung von Berichten vorgesehen (3).

2.1.4

In dem Kommissionsvorschlag heißt es ferner, dass drei Richtlinien in diesem Bereich, die die Erstellung von Durchführungsberichten nicht vorsehen, ebenfalls in die Berichterstattung aufgenommen werden sollen und zwar: die Richtlinie 83/477/EWG des Rates vom 19. September 1983 über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Asbest am Arbeitsplatz (4), die Richtlinie 2000/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. September 2000 über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit (siebte Einzelrichtlinie im Sinne von Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (5) sowie die Richtlinie 2004/37/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Karzinogene oder Mutagene bei der Arbeit (sechste Einzelrichtlinie im Sinne von Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (6).

2.2   Allgemeine Bemerkungen

2.2.1

Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz fallen in die Zuständigkeit der EU. Dieser Bereich ist für einen nachhaltigen Wettbewerb auf dem Binnenmarkt und für ein soziales Europa wesentlich. Es darf nicht möglich sein, dass Unternehmen die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer als Wettbewerbsfaktoren einsetzen.

2.2.2

Der EWSA begrüßt den Vorschlag der Kommission. Der Vorschlag beinhaltet eindeutige Zeit- und Kosteneinsparungen für die Mitgliedstaaten, da die Erstellung der Berichte bisher für die nationalen Behörden sehr zeitaufwändig war. Aufgrund der unterschiedlichen Zeitabstände je nach Richtlinien werden heute praktisch kontinuierlich Bewertungsberichte erstellt, wodurch unverhältnismäßig hohe Verwaltungskosten entstehen.

2.2.3

Durch die Vereinheitlichung der Fristen und die Zusammenfassung aller Berichte in einem Gesamtbericht haben die einzelstaatlichen Behörden einen besseren Überblick. Dadurch kann auch der Zusammenhang zwischen den verschiedenen Gesundheitsrisiken, denen die Richtlinie vorbeugen soll, in dem Bericht besser erfasst werden. Viele Probleme in Verbindung mit Gesundheitsschutz und Sicherheit bei der Arbeit hängen miteinander zusammen, und in einem Gesamtbericht kann besser wiedergegeben werden, welche übergreifenden Auswirkungen die Richtlinie hat. Die regelmäßige Ausarbeitung von Berichten über die praktische Durchführung der Richtlinienbestimmungen im Bereich Schutz von Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer bei der Arbeit stellt eine wichtige Hilfe für einen Überblick über die ergriffenen Maßnahmen und bei der Aufstellung einer Bilanz dar, anhand deren sich bewerten lässt, wie sie sich auf die Qualität des Arbeitsschutzes in der Europäischen Union auswirken.

2.2.4

Der EWSA ist jedoch der Auffassung, der Vorschlag der Kommission sollte für die Mitgliedstaaten die Verpflichtung vorsehen, vor der Weiterleitung des Berichts an die Kommission für alle Kapitel des Berichts Konsultationen mit den Sozialpartnern durchzuführen und deren Standpunkt zu berücksichtigen.

2.2.5

Im Vorschlag ist auch eine größere Transparenz zum Nutzen der Bürgerinnen und Bürger und Beteiligten vorgesehen, um ihnen Europa näher zu bringen und die Demokratie zu stärken.

Brüssel, den 17. Januar 2007

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  ABl. L 183 vom 29.6.1989, S. 1.

(2)  Richtlinien 89/654/EWG des Rates vom 30. November 1989 über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz in Arbeitsstätten (ABl. L 393 vom 30.12.1989, S. 1), 89/655/EWG des Rates vom 30. November 1989 über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Benutzung von Arbeitsmitteln durch Arbeitnehmer bei der Arbeit (ABl. L 393 vom 30.12.1989, S. 13), 89/656/EWG des Rates vom 30. November 1989 über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen durch Arbeitnehmer bei der Arbeit (ABl. L 393 vom 30.12.1989, S. 18), 90/269/EWG des Rates vom 29. Mai 1990 über die Mindestvorschriften bezüglich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der manuellen Handhabung von Lasten, die für die Arbeitnehmer insbesondere eine Gefährdung der Lendenwirbelsäule mit sich bringt (ABl. L 156 vom 21.6.1990, S. 9), 90/270/EWG des Rates vom 29. Mai 1990 über die Mindestvorschriften bezüglich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit an Bildschirmgeräten (ABl. L 156 vom 21.6.1990, S. 14), 92/57/EWG des Rates vom 24. Juni 1992 über die auf zeitlich begrenzte oder ortsveränderliche Baustellen anzuwendenden Mindestvorschriften für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz (ABl. L 245 vom 26.8.1992, S. 6), 92/58/EWG des Rates vom 24. Juni 1992 über Mindestvorschriften für die Sicherheits- und/oder Gesundheitsschutzkennzeichnung am Arbeitsplatz (ABl. L 245 vom 26.8.1992, S. 23), 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (ABl. L 348 vom 28.11.1992, S. 1), 92/91/EWG des Rates vom 3. November 1992 über Mindestvorschriften zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer in den Betrieben, in denen durch Bohrungen Mineralien gewonnen werden (ABl. L 348 vom 28.11.1992, S. 9), 92/104/EWG des Rates vom 3. Dezember 1992 über Mindestvorschriften zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer in übertägigen oder untertägigen Mineral gewinnenden Betrieben (ABl. L 404 vom 31.12.1992, S. 10), 93/103/EG des Rates vom 23. November 1993 über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit an Bord von Fischereifahrzeugen (ABl. L 307 vom 13.12.1993, S. 1), 98/24/EG des Rates vom 7. April 1998 zum Schutz von Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch chemische Arbeitsstoffe bei der Arbeit (ABl. L 131 vom 5.5.1998, S. 11), 1999/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Mindestvorschriften zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes und der Sicherheit der Arbeitnehmer, die durch explosionsfähige Atmosphären gefährdet werden können (ABl. L 23 vom 28.1.2000, S. 57), 2002/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Juni 2002 über Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen (Vibrationen) (ABl. L 177 vom 6.7.2002, S. 13), 2003/10/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Februar 2003 über Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen (Lärm) (ABl. L 42 vom 15.2.2003, S. 38), 2004/40/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen (elektromagnetische Felder) (ABl. L 159 vom 30.4.2004, S. 1), 2006/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2006 über Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen (künstliche optische Strahlung) (ABl. L 114 vom 27.4.2006, S. 38). Drei Richtlinien in diesem Bereich sehen die Erstellung von Durchführungsberichten nicht vor, und zwar: die Richtlinie 83/477/EWG des Rates vom 19. September 1983 über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Asbest am Arbeitsplatz, die Richtlinie 2000/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. September 2000 über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit (Siebte Einzelrichtlinie im Sinne von Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG), sowie die Richtlinie 2004/37/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Karzinogene oder Mutagene bei der Arbeit (Sechste Einzelrichtlinie im Sinne von Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG).

(3)  Richtlinie des Rates 91/383/EWG vom 25. Juni 1991 zur Ergänzung der Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmern mit befristetem Arbeitsverhältnis oder Leiharbeitsverhältnis (ABl. L 206 vom 29.7.1991, S. 19), 92/29/EWG vom 31. März 1992 über Mindestvorschriften für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz zum Zweck einer besseren medizinischen Versorgung auf Schiffen (ABl. L 113 vom 30.4.1992, S. 19). und 94/33/EG vom 22. Juni 1994 über den Jugendarbeitsschutz (ABl. L 216 vom 20.8.1994, S. 12).

(4)  ABl. L 263 vom 24.9.1983, S. 25.

(5)  ABl. L 262 vom 17.10.2000, S. 21.

(6)  ABl. L 229 vom 29.6.2004, S. 23.


27.4.2007   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 93/45


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Der Zustand der europäischen Gesellschaft — eine Bestandsaufnahme“

(2007/C 93/11)

Die Europäische Kommission beschloss am 5. Oktober 2006 gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen: „Der Zustand der europäischen Gesellschaft — eine Bestandsaufnahme“

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 19. Dezember 2006 an. Berichterstatter war Herr OlSSON.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 432. Plenartagung am 17./18. Januar 2007 (Sitzung vom 18. Januar) mit 153 gegen 3 Stimmen bei 6 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Der Europäische Rat unterstrich im Juni 2006, wie wichtig es ist, den Bürgerinnen und Bürgern die soziale Dimension der Europäischen Union näher zu bringen, und begrüßte die Absicht der Europäischen Kommission, eine Bilanz der sozialen Gegebenheiten in der EU vorzunehmen. Der Rat bat die Kommission, vor seiner Tagung im Frühjahr 2007 einen Zwischenbericht vorzulegen (1).

1.2

Vor diesem Hintergrund ersuchte die Europäische Kommission den EWSA um die Erarbeitung einer Sondierungsstellungnahme zu der Frage, wie eine Bestandsaufnahme des Zustands der europäischen Gesellschaft vorgenommen und wie — parallel zu und in enger Abstimmung mit der Binnenmarktuntersuchung — eine Sozialagenda für Zugangschancen und Solidarität auf den Weg gebracht werden kann (2). In dieser Stellungnahme wird der erste Aspekt behandelt; die Entwicklung des Binnenmarkts ist Gegenstand einer anderen Stellungnahme des EWSA.

1.3

Die Kommission ist der Auffassung, dass „die Maßnahmen und Programme zur Aufrechthaltung der Solidarität […] den Lebensstandard, den sozialen Zusammenhalt und die Chancen der Unionsbürger verbessern [müssen]. Die EU muss dabei die nationalen, regionalen und anderen Behörden vor Ort auf den verschiedenen Ebenen ebenso einbinden wie die Sozialpartner im Wege des sozialen Dialogs und der Beteiligung der Zivilgesellschaft“ (3). Die Bestandsaufnahme beinhaltet eine Untersuchung der wichtigsten Faktoren des gesellschaftlichen Wandels. Sie dient dabei auch als Grundlage für die europäische Politikgestaltung bis ins nächste Jahrzehnt, um einen neuen Konsens über die gesellschaftlichen Herausforderungen, vor denen Europa steht, zu schaffen (4).

1.4

Die Initiative veranschaulicht das wiedererwachte Interesse an sozialen Fragen auf höchster Ebene nach dem negativen Ausgang der Referenden in Frankreich und in den Niederlanden. Auf Einladung des britischen Ratsvorsitzes fand im Oktober 2005 in Hampton Court ein Sondergipfel zum europäischen Sozialmodell statt. Der deutsche und der österreichische Bundeskanzler schlugen vor, ein „Sozialkapitel “in den überarbeiteten Verfassungsvertrag aufzunehmen.

1.5

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt die Pläne der Kommission. Er weist darauf hin, dass der Ansatz einer Bestandsaufnahme des Zustands der europäischen Gesellschaft umfassender ist als eine bloße Untersuchung sozialer Fragen im herkömmlichen Sinne. Die Bestandsaufnahme kann ein wichtiges Instrument sein, um die EU den Bürgern näher zu bringen und deren Erwartungen an die europäische Politik zu entsprechen. Die Initiative kann aber auch als Möglichkeit gesehen werden, ein Gleichgewicht zwischen der sozialen und der wirtschaftlichen Dimension der EU zu erreichen.

1.6

Der EWSA betont, dass die Ziele und der Zeitplan einer möglichen Bestandsaufnahme genau festgelegt werden sollten. Damit die Bestandsaufnahme zu greif- und verwertbaren Ergebnissen führt, muss sie im Verhältnis zu anderen Maßnahmen, Aktionen und Debatten der EU, die sich auf die soziale Wirklichkeit beziehend, einen Zusatznutzen erbringen und mit diesen in Einklang stehen. Die Bestandsaufnahme muss deshalb einen klaren Bezug zur Lissabon-Strategie und zur Sozialagenda aufweisen und eine Bewertung der sozialpolitischen Instrumente der EU und deren Anwendung umfassen. Darüber hinaus muss sie sich über einen ausreichenden Zeitraum erstrecken, um eine tatsächliche Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft auf allen Ebenen zu gewährleisten.

1.7

Diese Stellungnahme ist ein erster Beitrag des EWSA. Weitere werden während der Bestandsaufnahme folgen.

2.   Allgemeine Bemerkungen

2.1

Der Zustand der europäischen Gesellschaft ist von Wissenschaftlern, Institutionen und Organisationen bereits gut dokumentiert (5) und ist auch in verschiedenen Stellungnahmen des EWSA, die als Grundlage für Schlussfolgerungen und Empfehlungen herangezogen werden können, eingehend beschrieben worden.

Folgende positive Aspekte der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in Europa, die wichtige Faktoren der gesellschaftlichen Realität darstellen, sind hervorzuheben: weltweit anerkannter Lebensstandard, zunehmende Lebenserwartung, neue wirtschaftliche Möglichkeiten, soziale Mobilität, bessere Arbeitsbedingungen und hohe Bildungs- und Sozialstandards. Die durch Vollbeschäftigung und umfassenden Sozialschutz gekennzeichneten Jahre von 1945 bis 1975 — die sog. Trente Glorieuses — begünstigten den Aufbau eines relativ homogenen Wohlfahrtsystems in Europa, welches dem Wirtschaftswachstum förderlich war.

2.2

Der EWSA ist der festen Überzeugung, dass diese positiven Aspekte in engem Zusammenhang mit einer Mischung von einander verstärkenden wirtschafts-, arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Maßnahmen stehen. Der EWSA unterstreicht, dass die Sozialpolitik als produktiver Faktor betrachtet werden sollte.

2.3

Die europäische Gesellschaft steht indes in den letzten Jahrzehnten vor tief greifenden Veränderungen: Beschäftigung und Arbeitsmarkt unterliegen großen Umwandlungen, die zu sich rasch verändernden sozialen Gegebenheiten für die Arbeitnehmer führen. Europa sieht sich einem beispiellosen demografischen Wandel gegenüber. Die Gründe für geringere Geburtenraten müssen näher betrachtet und analysiert werden. Erfahrungen aus manchen Mitgliedstaaten zeigen, dass eine durchdachte Politik, die durch eine umfassende, gut funktionierende Kinderbetreuung und durch Maßnahmen zur Erhöhung der Erwerbsfrequenz von Frauen die Vereinbarung von Familien- und Berufsleben möglich macht, zu einem Anstieg der Geburtenrate führen kann. Auch die Einwanderung wird eine noch wichtigere Rolle spielen, wenn es darum geht, das negative Bevölkerungswachstum aufzuhalten. Gleichzeitig stellt die Integration von Einwanderern und ethnischen Minderheiten eine große Herausforderung dar.

2.4

Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen beim Übergang zu einer globalen, postindustriellen und alternden Gesellschaft haben neue Chancen, aber auch neue soziale Risiken geschaffen. Dies wird größere Bevölkerungsschichten als bisher betreffen. Die Fähigkeit des Wohlfahrtstaats, das Wohlergehen aller Bürger durch angemessene und nachhaltige Arbeitsmarkt- und Sozialschutzmaßnahmen zu gewährleisten, wird zunehmend geschwächt. Weiterhin gibt es Armut, die insbesondere mit dauerhaften Risiken der sozialen Ausgrenzung und der Prekarität verbunden ist. Davon betroffen sind hauptsächlich Frauen, Einwanderer, Jugendliche und ungelernte Arbeitskräfte. Die Armut nimmt in einigen Regionen mit unverändert hoher Arbeitslosigkeit zu. Durch den raschen Übergang zur Wissenswirtschaft werden berufliche Fertigkeiten obsolet und berufliche Laufbahnen ungewiss. Flexibilität muss mit neuen Formen des Sozialschutzes sowie Maßnahmen der aktiven Beschäftigung und des lebensbegleitenden Lernens verknüpft werden, um dem von ihr möglicherweise hervorgerufenen Risiko der Prekarität entgegenzuwirken.

2.5

Neue Familienstrukturen, Lebensstile, kulturelle Muster, demografischer Wandel, Verstädterung, zunehmende Mobilität, leichterer Zugang zu Informationen, Konsumverhalten und individuelle Verhaltensweisen — all dies sind Faktoren, die ebenfalls zur Umgestaltung der Gesellschaft beitragen. Schon sehr bald werden auch die Umwelt- und Klimaveränderungen erhebliche Folgen für Bürger und Gesellschaft zeitigen. Die in der Öffentlichkeit vorherrschenden Standpunkte und Verhaltensweisen sollten ebenfalls in Betracht gezogen werden.

2.6

Der allgemeine wirtschaftliche und soziale Fortschritt in Europa überdeckt oft die Unterschiedlichkeit und Ungleichheit der derzeitigen sozialen Gegebenheiten auf allen Ebenen. Letzten Endes kommt es aber auf die Gegebenheiten vor Ort und die Lebensqualität jedes Einzelnen an. Die Bestandsaufnahme der sozialen Realität muss deshalb auf der untersten Gesellschaftsebene ansetzen.

2.7

Die Vielfalt hat infolge der letzten beiden Erweiterungen der Europäischen Union erheblich zugenommen. Bereits bei früheren Beitritten musste sich die EU mit den jeweiligen gesellschaftlichen Gegebenheiten auseinander setzen, um die Voraussetzungen für einen relativ problemlosen Beitrittsprozess zu schaffen. Viele vorrangige sozialpolitische Maßnahmen der EU sind vor diesem Hintergrund zu betrachten, z.B. soziale Sicherheit für Arbeitsmigranten, sozialer Zusammenhalt, sozialer Dialog, Beschäftigungspolitik und Gleichstellung.

Die Erweiterung ist mit großen Herausforderungen für den Zusammenhalt der EU sowie die Verwirklichung einiger der Lissabon-Ziele, insbesondere im Bereich der Sozial- und Beschäftigungspolitik, verbunden. Im Kok-Bericht zur Halbzeitbilanz der Lissabon-Strategie wird davor gewarnt, dass die Erweiterung innerhalb der EU zu Spannungen führt, die „ohne die Perspektive einer Konvergenz noch zunehmen werden“. Der integrationspolitische Schwerpunkt muss in den kommenden Jahren wieder mehr auf die soziale Vertiefung der Union gelegt werden. Dazu braucht die EU u.a. makroökonomische Rahmenbedingungen, die wachstums- und beschäftigungsfördernd ausgerichtet sind.

Der EWSA stellt fest, dass erhebliche wirtschaftliche und soziale Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten fortbestehen. Er ist der Ansicht, dass die Erweiterung nicht als Gefahr einer Aushöhlung der sozialen Dimension aufgefasst werden sollte, sondern eher als Chance zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen in den neuen Mitgliedstaaten wie auch in Europa insgesamt, unterstützt durch eine gezieltere europäische Politik.

2.8

Die Bestandsaufnahme kann als ein wichtiger Schritt gesehen werden, um das europäische Sozialmodell für die Zukunft — auf der Grundlage der Vorschläge in einer kürzlich verabschiedeten Stellungnahme des EWSA — mit Inhalt zu füllen (6): ein dynamisches Modell, das auf neue Herausforderungen reagiert und eine Konzeption eines für alle Bürger demokratischen, umweltfreundlichen, wettbewerbsfähigen, solidarischen, sozial inklusiven und wohlfahrtsstaatlichen Raums bietet.

3.   Besondere Bemerkungen

3.1

Wie zuvor festgestellt, hat der EWSA bereits eine Bestandaufnahme der Realität in fast allen Gesellschaftsbereichen in Europa vorgenommen — und zwar nicht nur in Stellungnahmen aufgrund einer Befassung durch die Kommission, sondern auch in Initiativ- und Sondierungsstellungnahmen.

3.2

In jüngster Zeit hat der EWSA Stellungnahmen u.a. zu folgenden Themen verabschiedet: Unionsbürgerschaft, Beschäftigung, Arbeitsbedingungen, lebensbegleitendes Lernen, sozialer und territorialer Zusammenhalt, sozialer Schutz, soziale Ausgrenzung, Menschen mit Behinderung, Gleichstellung von Frauen und Männern, Jugend, Rechte von Kindern, Bevölkerungsalterung, Einwanderung und Integration, Umwelt und nachhaltige Entwicklung, Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz, Kommunikation und Verkehr, Tourismus, Leistungen der Daseinsvorsorge, Gesundheitswesen, Übergewichtigkeit und soziale Folgen des Klimawandels sowie die themenübergreifende Lissabon-Strategie.

Einige der in letzter Zeit erarbeiteten Initiativ- und Sondierungsstellungnahmen sind für die Bestandsaufnahme von großer Relevanz (7). Darüber hinaus laufen Arbeiten zu Stellungnahmen, die in diese Stellungnahme einfließen werden.

3.3

Um die besonderen und allgemeinen sozialen Gegebenheiten zu beurteilen und den Wirkungsgrad ihrer politischen Maßnahmen zu bemessen, muss die EU über Indikatoren verfügen, die ein ausreichend detailliertes und genaues Bild liefern. Zur Entwicklung der welfare performance (Leistungsfähigkeit der Sozialsysteme) hat der EWSA verlässlichere und qualitative Indikatoren vorgeschlagen (8), auf die bei der Bestandsaufnahme zurückgegriffen werden sollte. Der EWSA bekräftigt seine Ansicht, dass die betroffenen Akteure eingeladen werden sollten, sich an der Erarbeitung und Bewertung der Indikatoren zu beteiligen (9).

3.4

Der EWSA unterstreicht den Mangel an Arbeitsmarkt- und Migrationsstatistiken sowie die Notwendigkeit umfangreicherer geschlechter- und armutsbezogener Daten. Er schlägt deshalb vor, Eurostat den Auftrag zu erteilen und die Mittel zu gewähren, um solche Statistiken zu erstellen, die die gesellschaftlichen Tendenzen genau wiedergeben. Dies könnte durch eine eher qualitative Analyse der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen ergänzt werden.

4.   Ein neuer Konsens über die sozialen Herausforderungen für Europa — eine Skizze

Notwendigkeit der Beteiligung der organisierten Zivilgesellschaft

4.1

Der EWSA betont, dass sich die Bestandsaufnahme der sozialen Realität zur Erzielung eines neuen Konsenses auf einen Prozess gründen muss, in den die organisierte Zivilgesellschaft auf allen Ebenen entsprechend einem „Bottom-up“-Ansatz einbezogen wird. Die Bestandsaufnahme benötigt ausreichend Zeit, damit die Bürger und die sie vertretenden Organisationen wirklich mitwirken können. Andernfalls besteht das Risiko, dass sie zu einem oberflächlichen, realitätsfernen Konsultationsprozess unter Fachleuten wird.

4.2

Da die Bestandsaufnahme der sozialen Wirklichkeit auf der untersten Ebene ansetzen muss, spielen die Sozialpartner und andere betroffene Akteure — neben den lokalen Gebietskörperschaften — eine wichtige Rolle bei der Ermittlung und Formulierung neuer gesellschaftlicher Bedürfnisse und Probleme. Ihr gemeinsamer Erfahrungsschatz kann genutzt werden, um Unternehmen und Bürger für lokale Maßnahmen zu mobilisieren. Zudem kann er als Grundlage für eine systematischere Bestandsaufnahme auf einzelstaatlicher und europäischer Ebene dienen.

4.3

Zur Förderung eines „Bottom-up“-Ansatzes und zweckdienlicher „Methoden “sollte die Europäische Kommission nach Auffassung des EWSA die Durchführung der Bestandsaufnahme auf nationaler und regionaler Ebene finanziell unterstützen. Auch sollte sie logistische Hilfe anbieten, um die Bestandsaufnahme auf den Weg zu bringen. Es ist auch wichtig, neue Methoden zu entwickeln und bewährte Verfahren zur Beteiligung der betroffenen Akteure weiterzugeben.

4.4

Der „Bottom-up“-Ansatz zur Bestandsaufnahme der sozialen Wirklichkeit muss von den Beteiligten selbst festgelegt werden. Die Diskussion darf keinen Einschränkungen unterliegen. In Übereinstimmung mit der Kommission empfiehlt der EWSA jedoch, Querschnittsthemen zu berücksichtigen, z.B. Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung, soziale Rechte und Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse sowie das Verhältnis zwischen wirtschaftlicher und sozialer Dimension (10).

4.5

Die einzelstaatlichen Regierungen müssen die Bestandsaufnahme ernst nehmen und sie und ihre Schlussfolgerungen in die nationalen Reformprogramme der Lissabon-Strategie und andere Politikbereiche einbringen.

4.6

Der EWSA kann durch seine Mitglieder und die Organisationen, die er vertritt, eine aktive Rolle sowohl auf einzelstaatlicher als auch auf europäischer Ebene spielen. In Ländern, in denen Wirtschafts- und Sozialräte oder vergleichbare Einrichtungen existieren, sollten diese ebenfalls beteiligt werden.

4.7

Auf europäischer Ebene kann der EWSA in Zusammenarbeit mit der Kommission ein Stakeholder-Forum zu Beginn des Prozesses zwecks Erstellung eines Aktionsplans sowie am Ende des Prozesses zwecks Weiterverfolgung veranstalten. Der EWSA schlägt vor, die Kontaktgruppe (11) in die diesbezüglichen Arbeiten einzubeziehen.

5.   Ein neues sozialpolitisches Aktionsprogramm

5.1

Die Bestandsaufnahme kann nicht erfolgen, ohne gleichzeitig die verschiedenen Methoden und Instrumente der EU-Sozialpolitik einzubeziehen und zu prüfen, inwiefern sie im Hinblick auf die neuen sozialen Herausforderungen geeignet sind. Es muss das richtige Verhältnis zwischen Abgrenzung und Komplementarität der Zuständigkeiten der EU und der Mitgliedstaaten einerseits und dem Einsatz von Legislativmaßnahmen und der Methode der offenen Koordinierung (MOK) andererseits gefunden werden. Zeitgleich muss der bestehende gemeinschaftliche Besitzstand umgesetzt werden.

5.2

Die derzeitigen Gemeinschaftsinstrumente sollten auf ihre Effizienz hin untersucht werden — auch angesichts der Aushöhlung der Sozialpolitik und des sozialen Besitzstands der EU. Der finnische Ratsvorsitz veranstaltete im November 2006 eine Konferenz zum Thema „Die Europäisierung des Sozialschutzes“, die u.a. zu dem Schluss führte, dass die europäische Dimension der Sozialpolitik ausgebaut werden und eine bessere Anwendung der MOK umfassen sollte.

5.3

Die Wirksamkeit der MOK ist insofern fraglich, als viele Regierungen diesbezüglich ein echtes Engagement vermissen lassen. Im Rahmen der Bestandsaufnahme müssen Möglichkeiten zur Stärkung der MOK untersucht werden, damit diese eine entscheidende Rolle bei der Verwirklichung der Ziele der Lissabon-Strategie spielen kann.

5.4

Nationale Unterschiede und Prioritäten schränken den Spielraum für Sozialrechtsakte der EU ein. Die Ergebnisse der Bestandsaufnahme müssen jedoch in Relation zur Notwendigkeit der Anregung, Änderung oder Vereinfachung von Rechtsvorschriften beurteilt werden. Möglicherweise bedarf es einschlägiger Kernmaßnahmen im legislativen Bereich, falls allzu große Unterschiede die Wirtschaftsleistung bremsen und Anlass zu Spannungen zwischen den Mitgliedstaaten geben.

5.5

Der EWSA unterstreicht die besondere und wichtige Rolle des sozialen Dialogs auf allen Ebenen sowohl hinsichtlich der Bestandsaufnahme der sozialen Realität als auch in Bezug auf Initiativen mit dem Ziel, gemeinsame Lösungen für die anstehenden Probleme zu finden. Auf europäischer Ebene sollten die Möglichkeiten des auf dem Vertrag fußenden sozialen Dialogs voll ausgeschöpft werden. Der EWSA unterstützt das Dreijahresprogramm der europäischen Sozialpartner und begrüßt die Förderung des sozialen Dialogs in den neuen Mitgliedstaaten durch die EU.

5.6

Auch die Beteiligung weiterer Vertretungsorganisationen der Zivilgesellschaft an der Politikgestaltung sollte verstärkt werden. Diese Organisationen bemühen sich in sämtlichen Bereichen und auf allen Ebenen der Gesellschaft darum, den Bürgern Gehör zu verschaffen und sie zum gemeinsamen Handeln mit dem Ziel der Verbesserung der Lebensbedingungen zu bewegen. Ihre Rolle bei der Beurteilung und Umsetzung sozialpolitischer Maßnahmen sollte anerkannt werden. Darüber hinaus muss die Rolle der Sozialwirtschaft, die darin besteht, Produktion und Dienstleistungen den Bedürfnissen der Bürger entsprechend zu gestalten und deren Lebensbedingungen zu verbessern, angemessener gefördert werden.

5.7

Der EWSA schlägt der Europäischen Kommission vor, zum Abschluss der Bestandsaufnahme einen „Bürgergipfel “zur sozialen Wirklichkeit zu veranstalten, an dem alle Interessenträger teilnehmen sollten. Der Kommission spielt eine Schlüsselrolle bei der Ermittlung jener sozialen Fragen, die am besten auf EU-Ebene angegangen werden. Die organisierte Zivilgesellschaft, die nationalen Parlamente und die regionalen Gebietskörperschaften sollten aufgefordert werden, eigene Vorschläge vorzulegen. Als Folgemaßnahme schlägt der EWSA eine zweite Sondertagung des Rates zum Thema „Das europäische Sozialmodell “vor („Hampton Court 2“).

5.8

Um die Basis für einen neuen Konsens über die sozialen Herausforderungen, vor denen Europa steht, zu schaffen, könnten die Grundzüge eines neuen „sozialpolitischen Aktionsprogramms “unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage wie auch der Erwartungen im sozialen Bereich festgelegt werden. Der EWSA weist darauf hin, dass die Einführung der Binnenmarktstrategie „1992 “in den 80er-Jahren durch ein solches Programm flankiert wurde und die Kommission jetzt „parallel zur Binnenmarktuntersuchung und in Abstimmung mit ihr “eine Sozialagenda fordert.

5.9

Das Programm sollte auf gemeinsamen Werten, einer Betonung der Beziehung zwischen sozialem und wirtschaftlichem Fortschritt und einer (Neu-)Festlegung des gemeinsamen Bandes der europäischen Gesellschaft beruhen, das sowohl die Bürger als auch die Mitgliedstaaten miteinander verbindet und so ein hohes Niveau an Sozialkapital schafft. Es sollte von einer präzisen und konkreten Agenda flankiert werden, die die verschiedenen Akteure zusammenführt, Überlegungen zum wirkungsvollen Einsatz der derzeitigen Gemeinschaftsinstrumente enthält und den gesellschaftlichen Bedürfnissen und Erwartungen sowohl auf Ebene der EU als auch auf Ebene der Mitgliedstaaten vor dem Hintergrund der Globalisierung und im allgemeinen Rahmen des europäischen sozialen Besitzstands gerecht werden kann.

Brüssel, den 18. Januar 2007

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  Siehe Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates vom Juni 2006, Ziffer 21.

(2)  Siehe Schreiben von Margot WALLSTRÖM, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, vom 5. Oktober 2006.

(3)  Siehe ebenda und KOM(2006) 211 endg. „Eine bürgernahe Agenda: konkrete Ergebnisse für Europa“, S. 5.

(4)  Siehe Legislativ- und Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2007 (KOM(2006) 629 endg.).

(5)  Das „Bureau of European Policy Advisers “(Büro der europäischen Politikberater), die „Denkfabrik “der Europäischen Kommission, veröffentlicht demnächst ein Dokument mit Hintergrundinformationen.

(6)  Siehe Stellungnahme des EWSA vom 6.7.2006 zum Thema „Sozialer Zusammenhalt: Ein europäisches Sozialmodell mit Inhalt füllen “(Berichterstatter: Herr EHNMARK; ABl. C 309 vom 16.12.2006).

(7)  Siehe folgende Stellungnahmen des EWSA:

„Armut unter Frauen in Europa “vom 29.9.2005 (Berichterstatterin: Frau KING), ABl. C 24 vom 31.1.2006;

„Beziehungen zwischen den Generationen “vom 16.12.2004 (Berichterstatter: Herr BLOCH-LAINÉ), ABl. C 157 vom 28.6.2005;

„Die Einwanderung in die EU und die Integrationspolitik: Die Zusammenarbeit zwischen den regionalen und lokalen Gebietskörperschaften und den Organisationen der Zivilgesellschaft “vom 13.9.2006 (Berichterstatter: Herr PARIZA CASTAÑOS), ABl. C 318 vom 23.12.2006;

„Die Mitwirkung der Zivilgesellschaft im Kampf gegen organisierte Kriminalität und Terrorismus “vom 13.9.2006 (Berichterstatter: Herr RODRÍGUEZ GARCÍA-CARO, Herr PARIZA CASTAÑOS und Herr CABRA DE LUNA), ABl. C 318 vom 23.12.2006 ;

„Unionsbürgerschaft: Verbesserung ihrer gesellschaftlichen Wahrnehmung und Wirkung “vom 14.9.2006 (Berichterstatter: Herr VEVER), ABl. C 318 vom 23.12.2006;

„Beschäftigungspolitik: Rolle des EWSA nach der Erweiterung und in der Perspektive des Lissabonner Prozesses “vom 9.2.2005 (Berichterstatter: Herr GREIF), ABl. C 221 vom 8.9.2005;

„Der industrielle Wandel und der wirtschaftliche, soziale und territoriale Zusammenhalt “vom 7.6.2004 (Berichterstatter: Herr LEIRIÃO und Herr CUÉ);

„Ausmaß und Auswirkungen von Betriebsverlagerungen “vom 14.7.2005 (Berichterstatter: Herr RODRÍGUEZ GARCÍA-CARO und Herr NUSSER), ABl. C 294 vom 25.11.2005;

„Flexicurity nach dänischem Muster “vom 17.5.2006 (Berichterstatterin: Frau VIUM), ABl. C 195 vom 18.8.2000;

„Die soziale Dimension der Kultur “vom 31.3.2004 (Berichterstatter: Herr LE SCORNET), ABl. C 112 vom 30.4.2004;

„Häusliche Gewalt gegen Frauen “vom 16.3.2006 (Berichterstatterin: Frau HEINISCH), ABl. C 110 vom 9.5.2006;

„Bewältigung der Herausforderungen durch den Klimawandel — Die Rolle der Zivilgesellschaft “vom 14.9.2006 (Berichterstatter: Herr EHNMARK), ABl. C 318 vom 23.12.2006.

(8)  Siehe Stellungnahme des EWSA vom 13.7.2005 zu der „Mitteilung der Kommission — Sozialpolitische Agenda “(Berichterstatterin: Frau ENGELEN-KEFER; ABl. C 294 vom 25.11.2005).

(9)  Siehe Stellungnahme des EWSA zum Thema „Sozialindikatoren “(Initiativstellungnahme; Berichterstatterin: Frau CASSINA; ABl. C 211 vom 19.9.2002).

(10)  Die Bestandsaufnahme wird während des „Europäischen Jahres der Chancengleichheit für alle — 2007 “vorgenommen.

(11)  Die Kontaktgruppe EWSA/Europäische Organisationen und Netze der Zivilgesellschaft ist sowohl ein Bindeglied als auch ein Gremium für den politischen Dialog zwischen dem EWSA und diesen Organisationen und Netzen.