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Amtsblatt
der Europäischen Union

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Reihe L


2024/1385

24.5.2024

RICHTLINIE (EU) 2024/1385 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 14. Mai 2024

zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 82 Absatz 2 und Artikel 83 Absatz 1,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (1),

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Ziel dieser Richtlinie ist es, einen umfassenden Rahmen für die wirksame Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in der gesamten Union zu schaffen. Zu diesem Zweck werden darin Maßnahmen in Bezug auf die folgenden Bereiche gestärkt und eingeführt: Festlegung einschlägiger Straftatbestände und Strafen, Schutz der Opfer und Zugang zur Justiz, Unterstützung der Opfer, verstärkte Datenerhebung, Verhütung, Koordinierung und Zusammenarbeit.

(2)

Die Gleichheit von Frauen und Männern und die Nichtdiskriminierung sind zentrale Werte der Union und Grundrechte, die in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) und in den Artikeln 21 und 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Charta“) verankert sind. Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt gefährden gerade diese Werte und Grundsätze, untergraben das Recht von Frauen und Mädchen auf Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen und beeinträchtigen ihre gleichberechtigte gesellschaftliche und berufliche Teilhabe.

(3)

Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt stellen einen Verstoß gegen die Grundrechte wie das Recht auf Menschenwürde, das Recht auf Leben und das Recht auf Unversehrtheit der Person, das Verbot von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung, das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, das Recht auf Freiheit und Sicherheit, das Recht auf Schutz personenbezogener Daten, das Recht auf Nichtdiskriminierung, auch aufgrund des biologischen Geschlechts, sowie die Rechte des Kindes dar, die in der Charta und im Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes verankert sind.

(4)

Mit dieser Richtlinie werden die internationalen Verpflichtungen, die die Mitgliedstaaten zur Bekämpfung und Verhütung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt eingegangen sind, gefördert, insbesondere das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau und das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und gegebenenfalls das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt sowie das am 21. Juni 2019 in Genf unterzeichnete Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt.

(5)

Angesichts der Besonderheiten im Zusammenhang mit den Straftatbeständen der Gewalt gegen Frauen und der häuslichen Gewalt ist es erforderlich, ein umfassendes Regelwerk zu schaffen, mit dem das anhaltende Problem der Gewalt gegen Frauen und der häuslichen Gewalt gezielt angegangen und den besonderen Bedürfnissen der Opfer solcher Gewalt Rechnung getragen wird. Die geltenden Bestimmungen auf Unions- und nationaler Ebene haben sich als unzureichend erwiesen, um Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt wirksam zu bekämpfen und zu verhüten. Insbesondere bieten die Richtlinien 2011/36/EU (3) und 2011/93/EU (4) des Europäischen Parlaments und des Rates, die auf spezifische Formen solcher Gewalt ausgerichtet sind, und die Richtlinie 2012/29/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (5), die den allgemeiner Rahmen für Opfer von Straftaten festlegt, zwar einige Schutzmaßnahmen für Opfer, worunter für die Zwecke dieser Richtlinie Opfer von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt gemeint sind, sind aber nicht auf ihre besonderen Bedürfnisse ausgerichtet.

(6)

Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt können sich verschärfen, wenn sie mit Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, kombiniert mit einer Diskriminierung in Bezug auf einen oder mehrere andere Diskriminierungsgründe gemäß Artikel 21 der Charta einhergehen, darunter Rasse, Hautfarbe, ethnische oder soziale Herkunft, genetische Merkmale, Sprache, Religion oder Weltanschauung, politische oder sonstige Anschauung, Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, Vermögen, Geburt, Behinderung, Alter oder sexuelle Ausrichtung (im Folgenden „intersektionelle Diskriminierung“). Die Mitgliedstaaten sollten daher die Opfer, die von derartiger intersektioneller Diskriminierung betroffen sind, gebührend berücksichtigen, indem sie spezifische Maßnahmen ergreifen. Personen, die von intersektioneller Diskriminierung betroffen sind, haben ein erhöhtes Risiko, geschlechtsspezifische Gewalt zu erfahren. Folglich sollten die Mitgliedstaaten dieses erhöhte Risiko bei der Umsetzung der in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen berücksichtigen, insbesondere im Hinblick auf individuelle Begutachtung zur Ermittlung des besonderen Schutzbedarfs von Opfern, spezialisierte Opferhilfe und Schulungen und Informationen für Fachkräfte, die wahrscheinlich mit Opfern in Kontakt kommen.

(7)

Opfer sind einem erhöhten Risiko von Einschüchterung, Vergeltung sowie sekundärer und wiederholter Viktimisierung ausgesetzt. Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass diesen Risiken und der Notwendigkeit, die Würde und körperliche Unversehrtheit dieser Opfer zu schützen, besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Eine frühere Bekanntschaft oder eine frühere Beziehung mit dem Täter ist ein Faktor, der bei der Bewertung des Risikos von Vergeltungsmaßnahmen berücksichtigt werden sollte.

(8)

Opfer sollten in der Lage sein vor, während sowie für einen angemessenen Zeitraum nach Abschluss des Strafverfahrens entsprechend ihren Bedürfnissen und unter den in dieser Richtlinie festgelegten Bedingungen Zugang zu ihren Rechten zu erhalten.

(9)

Die Bestimmungen dieser Richtlinie, die sich auf die Rechte von Opfern beziehen, sollten für alle Opfer von Straftaten gelten, die Gewalt gegen Frauen oder häusliche Gewalt darstellen und nach Unionsrecht oder nationalem Recht unter Strafe gestellt sind. Darunter fallen die in dieser Richtlinie festgelegten Straftatbestände, insbesondere die Verstümmelung weiblicher Genitalien, Zwangsheirat, die nicht-einvernehmliche Weitergabe von intimem oder manipuliertem Material, Cyberstalking, Cybermobbing, Cyberflashing und Aufstachelung zu Gewalt oder Hass im Internet sowie kriminelles Verhalten, das unter andere Rechtsakte der Union fällt, insbesondere die Richtlinien 2011/36/EU und 2011/93/EU. Schließlich fallen auch bestimmte Straftaten nach nationalem Recht unter die Definition von Gewalt gegen Frauen. Dazu gehören Straftaten wie Femizid, Vergewaltigung, sexuelle Belästigung, sexueller Missbrauch, Stalking, Frühverheiratung, Zwangsabtreibung, Zwangssterilisation und verschiedene Formen von Cybergewalt, wie sexuelle Belästigung im Internet und Cybermobbing. Häusliche Gewalt ist eine Form der Gewalt, die nach nationalem Recht ausdrücklich strafbar sein oder unter Straftatbestände fallen könnte, die innerhalb der Familie oder des Haushalts oder zwischen früheren oder derzeitigen Ehepartnern oder Partnern begangen werden, unabhängig davon, ob sie einen gemeinsamen Haushalt führen oder nicht. Die einzelnen Mitgliedstaaten können ein umfassenderes Verständnis davon haben, was unter Gewalt gegen Frauen nach nationalem Strafrecht zu verstehen ist. Es sei darauf hingewiesen, dass diese Richtlinie nicht das gesamte Spektrum von strafbarem Verhalten, das Gewalt gegen Frauen darstellt, abdeckt.

(10)

Gewalt gegen Frauen ist ein fortwährender Ausdruck der strukturellen Diskriminierung von Frauen, die aus historisch gewachsenen ungleichen Machtverhältnissen zwischen Frauen und Männern hervorgeht. Sie ist eine Form der geschlechtsspezifischen Gewalt, die in erster Linie von Männern an Frauen und Mädchen verübt wird. Sie hat ihre Wurzeln in gesellschaftlich geprägten Rollen, Verhaltensweisen, Tätigkeiten und Merkmalen, die eine bestimmte Gesellschaft als für Frauen und Männer angemessen ansieht. Bei der Umsetzung dieser Richtlinie sollte daher eine geschlechtersensible Perspektive berücksichtigt werden.

(11)

Häusliche Gewalt ist ein ernstes Problem, das oft im Verborgenen stattfindet. Es kann zu schweren psychischen und physischen Traumata mit schwerwiegenden Folgen auf das Privat- und Berufsleben des Opfers führen, da es sich bei dem Täter in der Regel um eine Person handelt, die dem Opfer bekannt ist und von der das Opfer erwartet, dass es ihr vertrauen kann. Diese Gewalt kann verschiedene Formen annehmen, darunter körperlicher, sexueller, psychologischer und wirtschaftlicher Art, und sie kann in einer Vielzahl von Beziehungen auftreten. Häusliche Gewalt umfasst häufig Kontrolle durch Zwang und kann unabhängig davon auftreten, ob der Täter mit dem Opfer einen gemeinsamen Haushalt führt oder geführt hat.

(12)

Die Maßnahmen im Rahmen dieser Richtlinie sind so gestaltet, dass sie den besonderen Bedürfnissen von Frauen und Mädchen Rechnung tragen, da sie — wie Daten und Studien belegen — von den unter diese Richtlinie fallenden Formen der Gewalt, d. h. der Gewalt gegen Frauen oder der häuslichen Gewalt, unverhältnismäßig stark betroffen sind. Allerdings werden auch andere Personen Opfer dieser Formen von Gewalt und sollten daher ebenfalls von denselben Maßnahmen, die in dieser Richtlinie für Opfer vorgesehen sind, erfasst werden. Daher sollte sich der Begriff „Opfer“ auf alle Personen beziehen, unabhängig von ihrem Geschlecht, und alle Opfer sollten — sofern in dieser Richtlinie nichts anderes bestimmt ist — in den Genuss der Rechte in Bezug auf den Schutz der Opfer und den Zugang zur Justiz sowie auf Unterstützung der Opfer und Präventivmaßnahmen gelangen.

(13)

Aufgrund ihrer Vulnerabilität kann das Miterleben von häuslicher Gewalt für Kinder verheerend sein. Kinder, die Zeugen häuslicher Gewalt in der Familie oder im Haushalt werden, erleiden in der Regel einen direkten psychischen und emotionalen Schaden, der sich auf ihre Entwicklung auswirkt, und haben ein erhöhtes Risiko, sowohl kurz- als auch langfristig an körperlichen und psychischen Erkrankungen zu leiden. Die Anerkennung des Umstands, dass Kinder, die unmittelbar durch das Miterleben häuslicher Gewalt einen Schaden erlitten haben, selbst Opfer sind, ist ein wichtiger Schritt zum Schutz der Kinder, die unter häuslicher Gewalt leiden.

(14)

Für die Zwecke dieser Richtlinie sollten unter „zuständige Behörden“ die Behörde bzw. die Behörden zu verstehen sein, die nach nationalem Recht als für die Wahrnehmung der in dieser Richtlinie vorgesehenen Aufgaben zuständig benannt wurde bzw. wurden. Jeder Mitgliedstaat sollte festlegen, welche Behörden für jede dieser Aufgaben zuständig sind.

(15)

Gemäß Artikel 288 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ist eine Richtlinie für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. In Anbetracht des besonderen Charakters des Straftatbestands der Verstümmelung weiblicher Genitalien und des Erfordernisses, für den Schutz der Opfer zu sorgen, die dadurch einen besonderen Schaden erleiden, sollte dieser Straftatbestand im Strafrecht der Mitgliedstaaten gezielt behandelt werden. Die Verstümmelung weiblicher Genitalien ist eine missbräuchliche und ausbeuterische Praxis, die sich auf die Genitalien einer Frau oder eines Mädchens bezieht und durchgeführt wird, um die Herrschaft über Frauen und Mädchen zu erhalten und zu behaupten und um die soziale Kontrolle über die Sexualität von Frauen und Mädchen auszuüben. Sie wird bisweilen im Zusammenhang mit Zwangsheirat von Kindern oder häuslicher Gewalt durchgeführt. Die Verstümmelung weiblicher Genitalien kann eine auf Traditionen beruhende Praxis sein, die einige Gemeinschaften an ihren weiblichen Mitgliedern durchführen. Die Richtlinie sollte sich auf verstümmelnde Praktiken erstrecken, die aus nicht medizinischen Gründen durchgeführt werden und durch die den Opfern nicht wiedergutzumachende und lebenslange Schäden zugefügt werden. Die Verstümmelung weiblicher Genitalien führt zu psychischen und sozialen Schäden, die die Lebensqualität des Opfers erheblich beeinträchtigen. Der Begriff „Entfernung“ sollte sich auf die teilweise oder vollständige Entfernung der Klitoris und der großen Schamlippen beziehen. Der Begriff „Infibulation“ sollte sich auf den Verschluss der großen Schamlippen beziehen, indem die äußeren Schamlippen teilweise vernäht werden, um die Vaginalöffnung zu verengen. Der Ausdruck „Durchführung jeder sonstigen Verstümmelung“ sollte sich auf alle anderen körperlichen Veränderungen der weiblichen Genitalien beziehen.

(16)

Bei einer Zwangsheirat handelt sich um eine Form der Gewalt, die zu schwerwiegenden Verletzungen der Grundrechte und insbesondere des Rechts von Frauen und Mädchen auf körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Autonomie, körperliche und psychische Gesundheit, sexuelle und reproduktive Gesundheit, Bildung und ein Privatleben führt. Armut, Arbeitslosigkeit, Bräuche oder Konflikte sind Faktoren, die einer Zwangsheirat Vorschub leisten. Körperliche und sexuelle Gewalt sowie die Androhung von Gewalt sind häufig angewandte Formen der Nötigung, um eine Frau oder ein Mädchen zur Eheschließung zu zwingen. Häufig gehen Formen der physischen und psychischen Ausbeutung und Gewalt, wie etwa sexuelle Ausbeutung, mit der Zwangsheirat einher. Es ist daher notwendig, dass alle Mitgliedstaaten Zwangsheirat unter Strafe stellen und die Täter mit angemessenen Strafen belegen. Diese Richtlinie lässt die im nationalen oder internationalen Recht enthaltenen Definitionen „der Ehe“ unberührt. Die Mitgliedstaaten sollten die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um eine Verjährungsfrist vorzusehen, die Ermittlungen, Strafverfolgungsmaßnahmen, Gerichtsverfahren und gerichtliche Entscheidungen in Bezug auf Zwangsheirat ermöglicht. Da es sich bei den Opfern von Zwangsheirat häufig um Minderjährige handelt, sollten die Verjährungsfristen für einen Zeitraum gelten, der der Schwere der betreffenden Straftat entspricht und ausreicht, um eine wirksame Einleitung des Verfahrens nach Erreichen des 18. Lebensjahres des Opfers zu ermöglichen.

(17)

Es müssen harmonisierte Definitionen von Straftatbeständen und Strafen in Bezug auf bestimmte Formen der Cybergewalt festgelegt werden, bei denen Gewalt untrennbar mit der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) verbunden ist und diese Technologien eingesetzt werden, um die Schwere oder die schädlichen Auswirkungen der Straftat erheblich zu verstärken, wodurch sich die Tatbestandsmerkmale ändern. Cybergewalt trifft vor allem Politikerinnen, Journalistinnen und Menschenrechtsverteidigerinnen. Menschenrechtsverteidiger sind Einzelpersonen, Gruppen oder Organisationen, die allgemein anerkannte Menschenrechte und Grundfreiheiten fördern und schützen. Cybergewalt kann dazu führen, dass Frauen zum Schweigen gebracht und sie an ihrer gesellschaftlichen Teilhabe unter den gleichen Bedingungen wie Männer behindert werden. Auch in Bildungseinrichtungen wie Schulen und Universitäten sind Frauen und Mädchen unverhältnismäßig stark von Cybergewalt betroffen. Dies wirkt sich nachteilig auf ihre weitere Ausbildung und ihre psychische Gesundheit aus, führt zu sozialer Ausgrenzung, Angst, Veranlassung zur Selbstverletzung und kann in Extremfällen zu Selbstmord führen.

(18)

Die Nutzung von IKT birgt das Risiko einer einfachen, schnellen und weitverbreiteten Verstärkung bestimmter Formen von Cybergewalt, die eindeutig die Gefahr in sich birgt, dem Opfer tiefgreifenden und lang anhaltenden Schaden zuzufügen oder diesen zu verschärfen. Das Potenzial für eine solche Verstärkung, die eine Voraussetzung für die Begehung mehrerer in dieser Richtlinie festgelegter Straftaten der Cybergewalt ist, sollte durch das Element der „Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit“ von bestimmtem Material über IKT zum Ausdruck kommen. Die Ausdrücke „der Öffentlichkeit zugänglich“ und „öffentlich zugänglich“ sollten so verstanden werden, dass potenziell eine Anzahl von Personen erreicht wird. Diese Ausdrücke sollten unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände ausgelegt und angewandt werden, einschließlich der Technologie, die verwendet wird, um dieses Material zugänglich zu machen. Um nicht mehr als Mindestvorschriften für die schwersten Formen von Cybergewalt festzulegen, sind die in dieser Richtlinie definierten Straftaten auf Handlungen beschränkt, die dem Opfer wahrscheinlich schweren Schaden oder schweren psychischen Schaden zufügen, oder auf Handlungen, die wahrscheinlich dazu führen, dass das Opfer ernsthaft um die eigene Sicherheit oder um die Sicherheit abhängiger Personen fürchtet. Bei der Beurteilung der Frage, ob das Verhalten einen schweren Schaden verursachen könnte, sollten im Einzelfall die besonderen Umstände des Einzelfalles unbeschadet der Unabhängigkeit der Justiz berücksichtigt werden. Die Wahrscheinlichkeit der Verursachung eines schweren Schadens kann aus objektiven tatsächlichen Umständen abgeleitet werden. Mit dieser Richtlinie wird diesbezüglich ein rechtlicher Mindestrahmen geschaffen, und es steht den Mitgliedstaaten frei, strengere strafrechtliche Vorschriften anzunehmen oder beizubehalten.

(19)

Insbesondere aufgrund der Tendenz zur einfachen, schnellen und weiten Verbreitung und Begehung sowie ihres intimen Charakters, kann die Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit von Bildern, Videos oder ähnlichem Material, die bzw. das eindeutig sexuelle Handlungen oder intime Körperteile einer Person ohne Einverständnis der betreffenden Personen zeigen bzw. zeigt, mittels IKT sehr schädlich für die Opfer sein. Der in dieser Richtlinie definierte Straftatbestand sollte sich auf alle Arten von solchem Material erstrecken, darunter Bilder, Fotos und Videos, einschließlich sexualisierter Bilder, Audio- und Videoclips. Er sollte Situationen umfassen, in denen das Material mittels IKT ohne das Einverständnis des Opfers der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, unabhängig davon, ob das Opfer der Erstellung dieses Materials zugestimmt hat oder es an eine bestimmte Person weitergegeben hat. Der Straftatbestand sollte auch die nicht einvernehmliche Herstellung, Manipulation oder Veränderung, z. B. durch Bildbearbeitung, auch mithilfe künstlicher Intelligenz, von Material umfassen, das den Anschein erweckt, dass eine Person an sexuellen Handlungen beteiligt ist, sofern das Material anschließend mittels IKT der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, ohne dass die betreffende Person ihr Einverständnis dazu erklärt hat. Eine solche Herstellung, Manipulation oder Veränderung sollte die Herstellung von „Deepfakes“ umfassen, bei denen das Material einer existierenden Person, existierenden Gegenständen, Orten oder anderen Einheiten oder Ereignissen, die sexuelle Handlungen einer Person darstellen, deutlich ähnelt und anderen Personen fälschlicherweise als authentisch oder wahrheitsgemäß erscheinen würde. Im Interesse eines wirksamen Schutzes der Opfer vor solchem Verhalten sollte auch die Androhung eines solchen Verhaltens abgedeckt sein.

(20)

Die Verbreitung von Bildern, Videos oder anderem Material, die bzw. das eindeutig sexuelle Handlungen oder intime Körperteile einer anderen Person darstellen bzw. darstellt, in der Öffentlichkeit mittels IKT ohne Einverständnis der betreffenden Person, sollte nicht unter Strafe gestellt werden, wenn dies zur Wahrung der in der Charta garantierten Grundrechte erforderlich ist, insbesondere der Freiheit der Meinungsäußerung, einschließlich der Freiheit, Informationen und Ideen in einer offenen und demokratischen Gesellschaft zu erhalten und weiterzugeben, sowie der Freiheit der Kunst und der Wissenschaft, einschließlich der akademischen Freiheit. Darüber hinaus sollte der Straftatbestand nicht den Umgang mit Material durch Behörden umfassen, insbesondere zur Durchführung von Strafverfahren oder zur Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung von Straftaten, und die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit haben, eine Person unter bestimmten Umständen von der Verantwortung freizustellen, beispielsweise wenn Telefon- oder Internet-Helplines Material bearbeiten, um eine Straftat den Behörden zu melden.

(21)

Cyberstalking ist eine moderne Form der Gewalt, die sich häufig gegen Familienangehörige oder im selben Haushalt wie der Täter lebende Personen richtet, aber auch von früheren Partnern oder Bekannten verübt wird. Üblicherweise werden Technologien vom Täter missbraucht, um das Zwangs- und Kontrollverhalten, die Manipulation und die Überwachung zu intensivieren und so die Angst des Opfers zu verstärken und es allmählich von Freunden, Familienangehörigen und dem beruflichen Umfeld zu isolieren. Daher sollten Mindestvorschriften für Cyberstalking festgelegt werden. Der Straftatbestand des Cyberstalking sollte die wiederholte oder ständige Überwachung des Opfers mittels IKT ohne dessen Einverständnis oder eine rechtliche Genehmigung umfassen. Eine derartige Überwachung kann durch die Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Opfers, z. B. durch Identitätsdiebstahl, den Diebstahl von Passwörtern, das Hacken der Geräte des Opfers, die heimliche Implementierung von Software zur Protokollierung von Tastatureingaben, um sich Zugang zu den privaten Bereichen des Opfers zu verschaffen, durch die Installation von Anwendungen zur Geolokalisierung, einschließlich Stalkerware, oder durch den Diebstahl der Geräte des Opfers ermöglicht werden. Ferner sollte der Straftatbestand des Cyberstalking die Überwachung von Opfern, ohne dass sie ihr Einverständnis oder Genehmigung erteilt haben, durch technische Geräte, die über das Internet der Dinge verbunden sind, beispielsweise intelligente Haushaltsgeräte, umfassen. Es kann jedoch Situationen geben, in denen eine Überwachung aus legitimen Gründen erfolgt, beispielsweise im Zusammenhang mit der Überwachung des Aufenthaltsorts und der Online-Aktivitäten von Kindern durch die Eltern, der Überwachung des Gesundheitszustands kranker, älterer oder vulnerabler Personen oder von Personen mit Behinderungen durch Familienangehörige oder der Medienbeobachtung und Informationsgewinnung aus frei zugänglichen Quellen.

(22)

Strafrechtliche Verantwortlichkeit sollte auf Situationen beschränkt bleiben, in denen die Überwachung dem Opfer wahrscheinlich schweren Schaden zufügt. Bei der Beurteilung, ob eine Handlung wahrscheinlich schweren Schaden verursacht, sollte der Schwerpunkt auf die Frage gelegt werden, ob normalerweise zu erwarten wäre, dass diese Handlung dem Opfer Schaden zufügt.

(23)

Bei der Festlegung des Straftatbestands des Cyberstalking sollte der Begriff des Verfolgens („Tracking“) sich auf das Nachverfolgen des Aufenthaltsortes einer Person und ihrer Bewegungen beziehen, während der Begriff der Überwachung („Monitoring“) sich auf die Beobachtung einer Person im allgemeineren Sinn, einschließlich der Beobachtung ihrer Aktivitäten, beziehen sollte. Im Zusammenhang mit Cyberstalking zielen beide Handlungen letztlich darauf ab, Kontrolle über eine Person auszuüben.

(24)

Es sollten Mindestvorschriften für den Straftatbestand des Cybermobbings festgelegt werden, um die schwersten Formen des Cybermobbings zu erfassen. Es sollte die wiederholte oder ständige Bedrohung einer Person mittels IKT einschließen, zumindest wenn diese Handlungen die Androhung von Straftaten umfassen und soweit diese Handlungen wahrscheinlich dazu führen, dass die Person ernsthaft um die eigene Sicherheit oder um die Sicherheit abhängiger Personen fürchtet. Es sollte auch die gemeinsam mit anderen Personen mittels IKT durchgeführte öffentlich zugängliche Bedrohung oder Beleidigung einer Person umfassen, soweit diese Handlungen dieser Person wahrscheinlich schweren psychischen Schaden zufügen. Solche breit angelegten Angriffe, einschließlich koordinierter Gruppenangriffe im Internet, können in Offline-Angriffe übergehen oder erhebliche psychische Schäden verursachen und in Extremfällen zum Selbstmord des Opfers führen. Diese Angriffe richten sich oft gegen prominente Politikerinnen, Journalistinnen und Menschenrechtsverteidigerinnen oder anderweitig bekannte Frauen, aber sie können auch in anderen Zusammenhängen auftreten, zum Beispiel auf dem Universitätsgelände, in der Schule oder am Arbeitsplatz. Gegen diese Art von Cybergewalt sollte vor allem dann vorgegangen werden, wenn die Angriffe in großem Maßstab stattfinden, beispielsweise in Form von Massenmobbing durch eine große Anzahl von Personen. Die Mindestvorschriften für den Straftatbestand des Cybermobbings sollten auch die unerbetene Übermittlung von Bildern, Videos oder ähnlichem Material, die Genitalien zeigen, an eine Person („Cyberflashing“) umfassen, soweit diese Handlungen dieser Person wahrscheinlich erheblichen psychischen Schaden zufügen. Cyberflashing ist eine häufige Methode, um Frauen einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen. Die Mindestvorschriften für den Straftatbestand des Cybermobbings sollten auch Vorschriften in Bezug auf Situationen umfassen, in denen personenbezogene Daten des Opfers ohne dessen Einverständnis der Öffentlichkeit mittels IKT zugänglich gemacht werden, mit dem Ziel, andere Personen dazu anzustiften, dem Opfer physischen oder schweren psychischen Schaden zuzufügen („Doxing“).

(25)

Die zunehmende Nutzung des Internets und der sozialen Medien hat in den letzten Jahren zu einem starken Anstieg der öffentlichen Aufstachelung zu Gewalt und Hass, auch aus Gründen des Geschlechts, geführt. Der einfache, schnelle und umfangreiche Austausch von Hetze durch das digitale Wort wird durch den Enthemmungseffekt im Internet verstärkt, da die vermutete Anonymität im Internet und das Gefühl der Straflosigkeit die Hemmschwelle der Menschen senkt, sich an Hetze zu beteiligen. Frauen sind häufig Ziel von sexistischem und frauenfeindlichem Hass im Internet, der sich zu Hasskriminalität in der realen Welt entwickeln kann. Diese Handlungen müssen verhindert werden oder es muss in einem frühzeitigen Stadium eingeschritten werden. Die Sprache, die bei dieser Art von Aufstachelung verwendet wird, bezieht sich nicht immer direkt auf das Geschlecht der Zielperson, aber das durch Voreingenommenheit gekennzeichnete Motiv kann aus dem Gesamtinhalt oder Kontext der Aufstachelung abgeleitet werden.

(26)

Der Straftatbestand der Aufstachelung zu Gewalt oder Hass im Internet setzt voraus, dass die Aufstachelung nicht in einem rein privaten Kontext, sondern öffentlich durch den Einsatz von IKT stattfindet. Daher sollte die öffentliche Verbreitung vorausgesetzt werden, was so zu verstehen ist, dass ein bestimmtes Material, das zu Gewalt oder Hass aufstachelt, mittels IKT einer potenziell unbegrenzten Anzahl von Personen zugänglich gemacht wird, d. h, dass das Material den Nutzern im Allgemeinen leicht zugänglich gemacht wird, ohne dass weitere Maßnahmen seitens der Person, die das Material zur Verfügung gestellt hat, erforderlich sind, unabhängig davon, ob diese Personen tatsächlich auf die in Rede stehenden Informationen zugreifen. Dementsprechend sollte in Fällen, in denen eine Registrierung oder die Aufnahme in eine Nutzergruppe erforderlich ist, um Zugang zu Material zu erlangen, nur dann von einer öffentlichen Verbreitung der Informationen ausgegangen werden, wenn die Nutzer, die auf das Material zugreifen möchten, automatisch registriert oder aufgenommen werden, ohne eine menschliche Entscheidung oder eine Auswahl, wem Zugang gewährt wird. Bei der Beurteilung der Frage, ob Material als Aufstachelung zu Hass oder Gewalt einzustufen ist, sollten die zuständigen Behörden das in Artikel 11 der Charta verankerte Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung berücksichtigen.

(27)

Um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Freiheit der Meinungsäußerung und der strafrechtlichen Verfolgung der Straftat der Aufstachelung zu Gewalt oder Hass im Internet sicherzustellen, sollte es den Mitgliedstaaten freistehen, nur Handlungen unter Strafe zu stellen, die in einer Weise begangen werden, die geeignet ist, die öffentliche Ordnung zu stören, oder die Drohungen, Beschimpfungen oder Beleidigungen darstellen. Die Anwendung dieser Bedingungen sollte, sofern sie im nationalen Recht vorgeschrieben ist, nicht dazu führen, dass die Wirksamkeit der Bestimmung untergraben wird, in der der Straftatbestand der Aufstachelung zu Gewalt oder Hass im Internet definiert wird.

(28)

Die Sanktionen für die in dieser Richtlinie festgelegten Straftaten sollten wirksam, abschreckend und verhältnismäßig sein. Zu diesem Zweck sollten Mindestmaße für das Höchstmaß der Freiheitsstrafe für natürliche Personen festgelegt werden. Die Höchstmaße der Freiheitsstrafen, die diese Richtlinie für von natürlichen Personen begangene Straftaten vorsieht, sollten zumindest für die schwersten Formen solcher Straftaten gelten.

(29)

Opfer sollten in der Lage sein, Straftaten der Gewalt gegen Frauen oder von häuslicher Gewalt leicht zu melden und Beweise vorzulegen, ohne sekundär oder wiederholt viktimisiert zu werden. Es ist von größter Bedeutung, dass Opfer bei der Meldung von Straftaten möglichst an eine spezialisierte Anlaufstelle verwiesen werden, unabhängig davon, ob Strafanzeige gestellt wird. Bei dieser Anlaufstelle könnte es sich um einen ausgebildeten Polizeibediensteten oder eine Fachkraft handeln, die für die Unterstützung von Opfern geschult wurde.

(30)

Die Mitgliedstaaten sollten zumindest in Bezug auf die in dieser Richtlinie festgelegten Cyberstraftaten der nicht-einvernehmlichen Weitergabe von intimem oder manipuliertem Material, Cyberstalking, Cybermobbing und Aufstachelung zu Gewalt oder Hass im Internet zusätzlich zur persönlichen Meldung die Möglichkeit bieten, Anzeige online oder über andere zugängliche und sichere IKT für die Meldung von Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt zu stellen. Die Opfer sollten die Möglichkeit haben, im Zusammenhang mit ihrer Meldung stehende Materialien hochzuladen, z. B. Screenshots des mutmaßlichen gewalttätigen Verhaltens.

(31)

Angesichts der Besonderheiten von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt und des erhöhten Risikos, dass Opfer ihre Anzeige zurückziehen, obwohl sie Opfer einer Straftat geworden sind, ist es wichtig, dass einschlägige Beweismittel so früh wie möglich umfassend im Einklang mit den geltenden nationalen Verfahrensvorschriften erhoben werden.

(32)

Die Mitgliedstaaten können den Opfern, wenn sie Straftaten melden, Prozesskostenhilfe, einschließlich unentgeltlicher Prozesskostenhilfe, gewähren, sofern dies im nationalen Recht vorgesehen ist. Bei der Bewertung der Ressourcen des Opfers für die Zwecke der Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe sollten die Mitgliedstaaten berücksichtigen, ob das Opfer wirksamen Zugang zu seinen finanziellen Ressourcen hat. Häusliche Gewalt kann sich in wirtschaftlicher Kontrolle durch den Täter niederschlagen, und die Opfer haben möglicherweise keinen wirksamen Zugang zu ihren eigenen finanziellen Ressourcen.

(33)

Bei häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen, insbesondere wenn sie von engen Familienangehörigen oder Intimpartnern verübt wird, können die Opfer durch den Täter so unter Druck gesetzt werden, dass sie sich nicht trauen, sich an die zuständigen Behörden zu wenden, selbst wenn ihr Leben in Gefahr ist. Aus diesem Grund sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass ihre Vorschriften über die Vertraulichkeit Angehörige der Gesundheitsberufe nicht daran hindern, es den zuständigen Behörden zu melden, wenn sie berechtigten Grund zu der Annahme haben, dass eine unmittelbare Gefahr schweren körperlichen Schadens besteht. Eine solche Meldung ist gerechtfertigt, da solche Handlungen möglicherweise nicht von denjenigen gemeldet werden, die sie erleben oder direkt Zeuge wurden. Ebenso werden Fälle von häuslicher Gewalt oder Gewalt gegen Frauen, die sich auf Kinder auswirken, oft nur von Dritten wahrgenommen, die ein regelwidriges Verhalten oder einen körperlichen Schaden des Kindes feststellen. Kinder müssen wirksam vor solchen Formen der Gewalt geschützt werden, und es müssen umgehend angemessene Maßnahmen ergriffen werden. Daher sollten Fachkräfte, die mit Opfern im Kindesalter in Kontakt kommen, einschließlich Angehörige der Gesundheits-, Sozial- und Bildungsberufe, nicht an die Vertraulichkeit gebunden sein, wenn sie berechtigten Grund zu der Annahme haben, dass einem Kind schwerer körperlicher Schaden zugefügt worden ist. Melden Fachkräfte solche Fälle von Gewalt, sollten die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass sie nicht wegen Verletzung der Vertraulichkeit haftbar gemacht werden. Das Berufsgeheimnis der rechtsberatenden Berufe sollte jedoch im Einklang mit Artikel 7 der Charta geschützt werden, denn es ist durch die grundlegende Rolle, die den rechtsberatenden Berufen in einer demokratischen Gesellschaft zukommt, gerechtfertigt. Falls im nationalen Recht vorgesehen, sollten auch das Beichtgeheimnis oder gleichwertige Grundsätze, die zum Schutz der Religionsfreiheit gelten, geschützt werden. Darüber hinaus lässt die Möglichkeit für Fachkräfte, solche Fälle von Gewalt zu melden, nationale Vorschriften in Bezug auf die Geheimhaltung von Quellen, die im Zusammenhang mit den Medien gelten, unberührt.

(34)

Um die Dunkelziffer in Fällen, in denen das Opfer ein Kind ist, zu verringern, sollten sichere und kindgerechte Meldeverfahren eingeführt werden. Dazu kann die Befragung durch die zuständigen Behörden in einfacher und verständlicher Sprache gehören. Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass Fachkräfte, die auf die Betreuung und Begleitung von Kindern spezialisiert sind, soweit wie möglich zur Verfügung stehen, um die Kinder bei den Meldeverfahren zu unterstützen. Es kann Umstände geben, in denen eine solche Unterstützung nicht relevant ist, z. B. aufgrund der Reife des Kindes oder im Falle einer Online-Meldung, oder wenn sich eine solche Unterstützung als schwierig erweisen könnte, beispielsweise in dünn besiedelten Gebieten.

(35)

Es ist wichtig, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Opfer, die Drittstaatsangehörige sind, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus nicht davon abgehalten werden, Fälle von Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt zu melden, und dass sie in Bezug auf ihren Aufenthaltsstatus im Einklang mit den Zielen der Richtlinie 2012/29/EU diskriminierungsfrei behandelt werden. Um alle Opfer vor wiederholter Gewalt zu schützen, ist es wichtig, einen opferzentrierten Ansatz zu verfolgen. Insbesondere sollte sichergestellt werden, dass die Durchsetzung des Rückkehrverfahrens gemäß der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (6) die Opfer nicht daran hindert, von ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß der Richtlinie 2012/29/EU Gebrauch zu machen. Die Mitgliedstaaten können gemäß der Richtlinie 2008/115/EG beschließen, illegal in ihrem Hoheitsgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen wegen Vorliegen eines Härtefalls oder aus humanitären oder sonstigen Gründen einen eigenen Aufenthaltstitel oder eine sonstige Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, und haben der Verpflichtung aus der genannten Richtlinie nachzukommen, innerhalb der Frist für die freiwillige Ausreise soweit wie möglich die spezifischen Bedürfnisse vulnerabler Personen zu berücksichtigen, wenn eine solche Frist gemäß der genannten Richtlinie gewährt wird.

(36)

Verzögerungen bei der Bearbeitung von Anzeigen von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt können für die Opfer besondere Risiken bergen, da sie sich möglicherweise nach wie vor in unmittelbarer Gefahr befinden und es sich bei den Tätern oft um enge Familienangehörige oder Ehepartner handelt. Daher sollten die zuständigen Behörden angemessen geschult sein und über angemessenes Fachwissen und wirksame Ermittlungsinstrumente verfügen, um solche Akte zu untersuchen und strafrechtlich zu verfolgen, ohne spezialisierte Dienststellen oder Einheiten einrichten zu müssen.

(37)

Die Ermittlungen wegen oder die strafrechtliche Verfolgung von Vergewaltigungen sollten nicht von einer Meldung oder Anzeige seitens eines Opfers oder seines Vertreters abhängen. Ebenso sollte das Strafverfahren auch dann fortgesetzt werden, wenn das Opfer die Anzeige zurückzieht. Dies gilt unbeschadet der Möglichkeit der Strafverfolgungsbehörden, das Strafverfahren nach eigenem Ermessen aus anderen Gründen einzustellen, z. B. wenn sie zu dem Schluss kommen, dass keine ausreichenden Beweise vorliegen, um das Strafverfahren fortzusetzen.

(38)

Die Opfer häuslicher und sexueller Gewalt benötigen in der Regel sofortigen Schutz und besondere Unterstützung, z. B. im Falle von Gewalt von einem Intimpartner, da die Wiederholungsrate tendenziell hoch ist. Daher sollte zum frühestmöglichen Zeitpunkt, zum Beispiel zum Zeitpunkt des ersten Kontakts des Opfers mit den zuständigen Behörden, sobald wie möglich nach dem ersten Kontakt des Opfers mit den zuständigen Behörden oder sobald der Verdacht besteht, dass die Person Opfer häuslicher oder sexueller Gewalt ist, eine individuelle Begutachtung der Bedürfnisse des Opfers eingeleitet werden. Dies kann bereits geschehen, bevor ein Opfer eine Straftat förmlich gemeldet hat, oder von Amts wegen durch die zuständigen Behörden, wenn eine dritte Partei die Straftat meldet.

(39)

Bei der Begutachtung des Schutz- und Unterstützungsbedarfs des Opfers sollte das Hauptaugenmerk auf der Gewährleistung der Sicherheit des Opfers und der Bereitstellung maßgeschneiderter Unterstützung liegen, wobei unter anderem die individuellen Umstände des Opfers zu berücksichtigen sind. Umstände, die besondere Aufmerksamkeit erfordern, könnten zum Beispiel eine Schwangerschaft des Opfers, die Abhängigkeit des Opfers vom Täter oder seine Beziehung zu ihm, das Risiko, dass das Opfer zum Täter oder Verdächtigen zurückkehrt, die kürzlich erfolgte Trennung von einem Täter oder Verdächtigen, das potenzielle Risiko, dass Kinder dazu benutzt werden, Kontrolle über das Opfer auszuüben, die Risiken für Opfer mit Behinderungen oder die Ausnutzung von Haustieren, um Druck auf das Opfer auszuüben, sein. Der Grad der psychologischen oder wirtschaftlichen Kontrolle des Täters oder Verdächtigen über das Opfer sollte ebenfalls berücksichtigt werden.

(40)

Um eine umfassende Unterstützung und einen umfassenden Schutz der Opfer zu gewährleisten, sollten alle zuständigen Behörden und einschlägigen Stellen — nicht nur Strafverfolgungs- und Justizbehörden — auf der Grundlage klarer Leitlinien der Mitgliedstaaten in die Bewertung der Risiken für die Opfer und der geeigneten Unterstützungsmaßnahmen einbezogen werden. Diese Leitlinien sollten Faktoren enthalten, die bei der Bewertung des vom Täter oder Verdächtigen ausgehenden Risikos zu berücksichtigen sind; dazu gehört auch die Überlegung, dass von Verdächtigen, denen geringfügige Straftaten zur Last gelegt werden, genauso eine Gefahr ausgeht wie von Verdächtigen, denen schwerere Straftaten zur Last gelegt werden, insbesondere in Fällen von häuslicher Gewalt und Stalking. Die zuständigen Behörden sollten die individuelle Begutachtung in regelmäßigen Abständen überprüfen, um sicherzustellen, dass kein neuer Schutz- oder Unterstützungsbedarf des Opfers unberücksichtigt bleibt. Diese Überprüfungen könnten zum Beispiel bei wichtigen Meilensteinen im Verfahren stattfinden, wie dem Beginn eines Gerichtsverfahrens oder der Verkündung eines Urteils oder einer Anordnung, oder im Zusammenhang mit Verfahren zur Änderung der Sorgerechtsregelung oder des Umgangsrechts.

(41)

Damit es nicht zu einer sekundären und wiederholten Viktimisierung, Einschüchterung und Vergeltungsmaßnahmen kommt, sollten abhängige Personen die gleichen Schutzmaßnahmen wie das Opfer erhalten, es sei denn, es gibt Anzeichen dafür, dass die abhängigen Personen keine besonderen Bedürfnisse haben. Die zuständigen Behörden sollten prüfen, ob es Anzeichen dafür gibt, dass die abhängige Person keinen besonderen Schutzbedarf hat, da eine Maßnahme, die auf der falschen Annahme eines besonderen Schutzbedarfs beruht, in dem Fall, dass festgestellt werden kann, dass kein besonderer Schutzbedarf besteht, unverhältnismäßig wäre. Abhängige Personen unter 18 Jahren sind aufgrund ihrer Vulnerabilität besonders gefährdet, emotionalen Schaden zu erleiden, der ihre Entwicklung beeinträchtigt. Sofern dies im nationalen Recht vorgesehen ist, können auch andere abhängige Personen als ähnlich gefährdet gelten.

(42)

Die Opfer benötigen oft besondere Unterstützung. Damit sie auch tatsächlich Unterstützungsangebote erhalten, sollten die zuständigen Behörden die Opfer an geeignete Unterstützungsdienste verweisen. Das sollte insbesondere dann geschehen, wenn eine individuelle Begutachtung ergeben hat, dass das Opfer einer besonderen Unterstützung bedarf. Bei der Entscheidung darüber, ob Opfer im Kindesalter an Unterstützungsdienste vermittelt werden sollen, sollte — gemäß Artikel 24 der Charta — das Wohl dieser Opfer eine vorrangige Erwägung sein. Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass die Verarbeitung damit zusammenhängender personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden im Einklang mit den einschlägigen Bestimmungen über die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung gemäß der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates (7) und im Einklang mit der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates (8) auf einer Rechtsgrundlage erfolgt. Eine solche Rechtsgrundlage sollte angemessene Garantien für personenbezogene Daten enthalten, wobei der Wesensgehalt des Rechts auf Datenschutz gewahrt bleibt und angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Grundrechte und Interessen der betroffenen Personen vorgesehen sind. Wenn die zuständigen Behörden personenbezogene Daten von Opfern an Unterstützungsdienste übermitteln, um die Opfer an diese zu verweisen, sollten sie sicherstellen, dass die übermittelten Daten auf das notwendige Maß beschränkt sind, um die Unterstützungsdienste über die Umstände des Falles zu informieren, damit die Opfer angemessene Unterstützung und angemessenen Schutz erhalten. Ein Hilfsdienst sollte personenbezogene Daten nur so lange speichern, wie dies erforderlich ist, höchstens jedoch fünf Jahre — oder für einen kürzeren Zeitraum, falls nach nationalem Recht vorgesehen — nach dem letzten Kontakt zwischen dem Hilfsdienst und dem Opfer.

(43)

Die Mitgliedstaaten sollten die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um die Verfügbarkeit von Eilschutzanordnungen, Kontakt- und Näherungsverboten und Schutzanordnungen zu gewährleisten, um für einen wirksamen Schutz der Opfer und abhängiger Personen Sorge zu tragen.

(44)

Ohne dass die Festnahme und Inhaftierung von Verdächtigen und Tätern, die weiterhin dem nationalen Recht unterliegen, ersetzt werden, sollten die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass in Situationen einer unmittelbaren Gefahr, z. B. wenn ein Schaden unmittelbar bevorsteht oder bereits eingetreten ist und wahrscheinlich wieder eintreten wird, Eilschutzanordnungen, Kontakt- und Näherungsverbote und Schutzanordnungen erlassen werden können, und dass die Opfer in solchen relevanten Situationen und in Fällen, in denen derlei Anordnungen und Verbote nach nationalem Recht Gegenstand eines Antrags des Opfers sind, davon in Kenntnis gesetzt werden, dass sie derlei Anordnungen und Verbote beantragen können.

(45)

Schutzanordnungen können das Verbot für den Täter oder Verdächtigen umfassen, bestimmte Orte zu betreten, sich dem Opfer oder abhängigen Personen näher als die vorgeschriebene Entfernung zu nähern oder mit ihnen in Kontakt zu treten, einschließlich der Nutzung von Online-Schnittstellen. Schutzanordnungen können auch das Verbot beinhalten, Schusswaffen oder tödliche Waffen zu besitzen. Eilschutzanordnungen, Kontakt- und Näherungsverbote oder Schutzanordnungen sollten für einen bestimmten Zeitraum oder bis zu ihrer Abänderung oder Aufhebung erlassen werden.

(46)

Elektronische Überwachung bietet die Möglichkeit, gegebenenfalls die Einhaltung von Eilschutzanordnungen, Kontakt- und Näherungsverboten und Schutzanordnungen sicherzustellen, Beweismaterial für Verstöße gegen solche Verbote und Anordnungen zu erfassen und die Überwachung von Straftätern zu verbessern. Sofern verfügbar, angemessen und relevant, und unter Berücksichtigung der Umstände des Falles und der Rechtsnatur des Verfahrens sollte eine elektronische Überwachung in Erwägung gezogen werden, um die Vollstreckung von Eilschutzanordnungen, Kontakt- und Näherungsverboten und Schutzanordnungen zu gewährleisten. Wird eine elektronische Überwachung eingesetzt, sollten die Opfer stets über die Möglichkeiten und Grenzen dieser Überwachung informiert werden.

(47)

Um die Wirksamkeit von Eilschutzanordnungen, Kontakt- und Näherungsverboten und Schutzanordnungen zu gewährleisten, sollten Verstöße gegen solche Anordnungen mit Strafen geahndet werden. Diese Strafen können strafrechtlicher oder nicht strafrechtlicher Art sein und Freiheitsstrafen, Geldstrafen oder jede andere Sanktion umfassen, die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend ist. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Opfer die Möglichkeit haben, über einen Verstoß gegen Eilschutzanordnungen, Kontakt- und Näherungsverbote oder Schutzanordnungen informiert zu werden, wenn ein solcher Verstoß Auswirkungen auf ihre Sicherheit haben könnte. Da Verstöße gegen Eilschutzanordnungen, Kontakt- und Näherungsverbote oder Schutzanordnungen das Risiko erhöhen und weitere Schutzmaßnahmen erforderlich machen können, sollte nach einem gemeldeten Verstoß erforderlichenfalls eine erneute individuelle Bewertung der jeweiligen Anordnungen bzw. Verbote in Betracht gezogen werden.

(48)

Die Vorlage von Beweisen für sexuelles Verhalten in der Vergangenheit, die sexuellen Vorlieben des Opfers und die Kleidung oder das Outfit des Opfers mit dem Ziel, die Glaubwürdigkeit und das fehlende Einverständnis des Opfers in Fällen sexueller Gewalt, insbesondere bei Vergewaltigungen, in Frage zu stellen, kann dazu führen, dass schädliche Stereotypen über Opfer aufrechterhalten werden und es zu einer sekundären oder wiederholten Viktimisierung kommt. Die Mitgliedstaaten sollten daher sicherstellen, dass Beweise für das sexuelle Verhalten des Opfers in der Vergangenheit oder andere damit zusammenhängende Aspekte des Privatlebens des Opfers nur zulässig sind, wenn es zur Prüfung einer spezifischen Frage in dem jeweiligen Fall oder für die Ausübung der Verteidigungsrechte erforderlich ist.

(49)

Angesichts der besonderen Eigenheiten und Umstände im Zusammenhang mit Straftaten der Gewalt gegen Frauen oder von häuslicher Gewalt haben Leitlinien für Strafverfolgungsbehörden und Staatsanwaltschaften einen inhärenten Wert. Aufgrund der Vulnerabilität der Opfer ist eine Anleitung dafür, wie sie in jeder Phase des Verfahrens behandelt werden sollten, von wesentlicher Bedeutung, um das Bewusstsein zu schärfen und einer Reviktimisierung beim Vorgehen gegen diese Arten von Straftaten vorzubeugen. Leitlinien für Staatsanwaltschaften können sowohl als Verfahrenshandbuch als auch als Referenz für bewährte Verfahren verstanden werden. Insbesondere in Bezug darauf, wie mit den Opfern umgegangen werden sollte und wie sie entsprechend ihren einzigartigen Umständen und Erfahrungen behandelt werden sollten, können spezialisierte Unterstützungsdienste für Frauen auf der Grundlage ihrer täglichen Interaktion mit Opfern fachliche Beratung und Anleitung bieten. Die Mitgliedstaaten werden angeregt, bei der Erstellung und Überarbeitung solcher Leitlinien spezialisierte Unterstützungsdienste für Frauen zu konsultieren und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Die Mitgliedstaaten sollten ihre Leitlinien für Strafverfolgungsbehörden und Staatsanwaltschaften überprüfen, wenn bedeutende Entwicklungen in ihrem Rechtsrahmen oder in der Gesellschaft insgesamt eintreten. Dies könnte Fälle umfassen, in denen wesentliche Änderungen an bestehenden Rechtsvorschriften oder der ständigen Rechtsprechung vorgenommen werden oder in denen neue Tendenzen oder Formen von Gewalt auftreten, insbesondere, wenn technologische Entwicklungen zu neuen Formen der Cybergewalt führen.

(50)

Angesichts der Komplexität und Schwere von Straftaten der Gewalt gegen Frauen und von häuslicher Gewalt sowie angesichts des besonderen Unterstützungsbedarfs der Opfer sollten die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass die benannten Stellen zusätzliche Unterstützung leisten und solche Straftaten verhüten. Angesichts ihres Fachwissens in Fragen der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sind die nationalen Gleichbehandlungsstellen, die gemäß der Richtlinie 2004/113/EG des Rates (9) und der Richtlinien 2006/54/EG (10) und 2010/41/EU (11) des Europäischen Parlaments und des Rates eingerichtet wurden, gut geeignet, diese Aufgabe zu erfüllen. Damit diese Stellen ihre Aufgaben wirksam wahrnehmen können, sollten die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass sie mit ausreichenden Personal- und Finanzmitteln ausgestattet werden.

(51)

Bestimmte Straftaten, die in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fallen, bergen ein erhöhtes Risiko einer wiederholten, länger andauernden oder sogar ständigen Viktimisierung. Dieses Risiko besteht insbesondere im Zusammenhang mit Straftaten, bei denen über IKT-Material zugänglich gemacht wird, das das Ergebnis bestimmter Straftaten im Bereich Cybergewalt ist, denn solches Material lässt sich leicht und schnell in großem Umfang verbreiten, und es ist oft schwierig, dieses Material zu entfernen. Dieses Risiko bleibt in der Regel auch nach einer Verurteilung bestehen. Um die Rechte der Opfer dieser Straftaten wirksam zu schützen, sollten die Mitgliedstaaten daher geeignete Maßnahmen zur unverzüglichen Entfernung des in Rede stehenden Materials ergreifen. In Anbetracht der Tatsache, dass die Entfernung an der Quelle nicht immer durchführbar ist, beispielsweise aufgrund rechtlicher oder praktischer Schwierigkeiten bei der Durchführung oder Vollstreckung einer Anordnung zur Entfernung, sollte es den Mitgliedstaaten auch gestattet sein, Maßnahmen zur unverzüglichen Sperrung des Zugangs zu solchem Material vorzusehen.

(52)

Die Bestimmungen dieser Richtlinie über Anordnungen und andere Maßnahmen zur Entfernung und Sperrung des Zugangs zu einschlägigem Material sollten die einschlägigen Vorschriften der Verordnung (EU) 2022/2065 des Europäischen Parlaments und des Rates (12) unberührt lassen. Insbesondere sind derlei Anordnungen mit dem Verbot der allgemeinen Überwachungspflicht oder der Verpflichtung zur aktiven Nachforschung und mit den besonderen Anforderungen der Verordnung in Bezug auf die Anordnung zur Entfernung illegaler Online-Inhalte in Einklang zu bringen.

(53)

Unter die Maßnahmen zur Entfernung des Materials oder zur unverzüglichen Sperrung des Zugangs zu dem Material sollte insbesondere die Befugnis der nationalen Behörden fallen, den Anbietern von Hostingdiensten anzuordnen, ein oder mehrere bestimmte Elemente des betreffenden Materials zu entfernen oder den Zugang dazu zu sperren. Die nationalen Behörden sollten auch befugt sein, an andere einschlägige Anbieter von Vermittlungsdiensten die Anordnung zu richten, den Zugang zu sperren.

(54)

Solche Maßnahmen zur Entfernung oder Sperrung des Zugangs, insbesondere unter anderem Anordnungen zur Entfernung oder Sperrung des Zugangs, können die Rechte und Interessen von Parteien, bei denen es sich nicht um Opfer handelt, z. B. der Inhalteanbieter, der Anbieter von Hostingdiensten, deren Dienste genutzt werden könnten, und der Endnutzer dieser Dienste, sowie das allgemeine Interesse beeinträchtigen. Daher sollte sichergestellt werden, dass derlei Anordnungen und die anderen Maßnahmen nur auf transparente Weise erlassen bzw. getroffen werden können und dass angemessene Garantien vorgesehen werden, um dafür Sorge zu tragen, dass sie auf das notwendige und verhältnismäßige Maß beschränkt bleiben, dass Rechtssicherheit gewährleistet ist, dass Anbieter von Hostingdiensten, andere einschlägige Anbieter von Vermittlungsdiensten und Inhalteanbieter ihr Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf im Einklang mit dem nationalen Recht wahrnehmen können und dass ein fairer Ausgleich zwischen allen beteiligten Rechten und Interessen, einschließlich der Grundrechte aller betroffenen Parteien im Einklang mit der Charta, gefunden wird. Es ist wichtig, dass alle Rechte und Interessen, die auf dem Spiel stehen, auf Einzelfallbasis abgewogen werden.

(55)

In Anbetracht der potenziellen Bedeutung des Materials, das Gegenstand von Anordnungen oder anderen Maßnahmen im Rahmen dieser Richtlinie zur Entfernung oder Sperrung des Zugangs zu diesem Material für die Ermittlung oder Verfolgung der einschlägigen Straftaten nach dem Strafrecht sein kann, sollten die erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, damit die zuständigen Behörden dieses Material erforderlichenfalls erhalten oder sichern können. Diese Maßnahmen können zum Beispiel darin bestehen, dass die betreffenden Anbieter von Hostingdiensten oder andere einschlägige Anbieter von Vermittlungsdiensten und Inhalteanbieter verpflichtet werden, das Material an diese Behörden zu übermitteln oder für einen begrenzten Zeitraum aufzubewahren, der nicht über das erforderliche Maß hinausgeht. Bei all diesen Maßnahmen sollte für die Sicherheit des Materials gesorgt werden, und die Maßnahmen sollten auf das angemessene und verhältnismäßige Maß beschränkt bleiben sowie den geltenden Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten Rechnung tragen.

(56)

Um eine sekundäre Viktimisierung zu vermeiden, sollten die Opfer die Möglichkeit haben, im Rahmen des Strafverfahrens eine Entschädigung zu erhalten.

(57)

Spezialisierte Unterstützungsdienste sollten den Opfern aller Formen von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, Verstümmelung weiblicher Genitalien, Zwangsheirat, Zwangsabtreibung und Zwangssterilisation, sexueller Belästigung und verschiedener Formen von Cybergewalt, Unterstützung bieten. Opfern sollten spezialisierte Unterstützungsdienste angeboten werden, unabhängig davon, ob sie förmlich Anzeige erstattet haben.

(58)

Spezialisierte Unterstützungsdienste sollte den Opfern eine auf ihre speziellen Bedürfnisse zugeschnittene Hilfe bieten. Diese Unterstützung sollte von einer Person des jeweils gleichen Geschlechts bereitgestellt werden, wenn dies beantragt wird oder angemessen ist und eine solche Person zur Verfügung steht. Auf der Grundlage der in der Richtlinie 2012/29/EU festgelegten Anforderungen muss der Rechtsrahmen ergänzt werden, damit gewährleistet ist, dass spezialisierte Unterstützungsdienste mit allen erforderlichen Instrumenten ausgestattet sind, um Opfern im Hinblick auf ihre besonderen Bedürfnisse gezielte und integrierte Unterstützung bereitzustellen. Diese Dienste könnten neben den allgemeinen Unterstützungsdiensten für Opfer — oder als zu diesen gehörig — bereitgestellt werden, die auf bestehende Einrichtungen zurückgreifen können, die eine spezialisierte Unterstützung anbieten, etwa spezialisierte Unterstützungsdienste für Frauen. Spezialisierte Unterstützung kann von staatlichen Behörden, Opferhilfeorganisationen oder anderen nichtstaatlichen Organisationen geleistet werden, wobei die geografische Lage und die demografische Zusammensetzung der Mitgliedstaaten zu berücksichtigen sind. Diese Behörden bzw. Organisationen sollten mit ausreichenden Personal- und Finanzmitteln ausgestattet werden. Wenn die Dienste von nichtstaatlichen Organisationen erbracht werden, sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass diese angemessene Mittel erhalten.

(59)

Spezialisierte Unterstützungsdienste für Frauen können eine entscheidende Rolle spielen, wenn es darum geht, Opfer zu beraten und zu unterstützen; dazu gehören Frauenunterstützungszentren, Schutzunterkünfte für Frauen, Helplines, Krisenzentren für Opfer von Vergewaltigungen und sexueller Gewalt sowie Dienste zur Primärprävention. Sie können von nichtstaatlichen von Frauen geführten Organisationen bereitgestellt werden.

(60)

Die Opfer haben in der Regel einen mehrfachen Schutz- und Unterstützungsbedarf. Um diesen Bedürfnissen wirksam gerecht zu werden, sollten die Mitgliedstaaten spezialisierte Unterstützungsdienste bereitstellen, indem sie diese in denselben Räumlichkeiten anbieten, indem sie diese über eine Anlaufstelle koordinieren oder indem sie den Zugang zu diesen Diensten durch einen zentralen Online-Zugang erleichtern. Mit einem derartigen zentralen Online-Zugang würde sichergestellt werden, dass auch Opfer in abgelegenen Gebieten oder Opfer, die besagte spezialisierte Unterstützungsdienste nicht aufsuchen können, Zugang zu diesen Diensten haben. Ein derartiger zentraler Online-Zugang sollten mindestens eine einzige Website umfassen, die auf dem neuesten Stand gehalten wird und auf der alle relevanten Informationen über verfügbare Hilfs- und Schutzdienste sowie Anleitungen für den Zugang zu diesen bereitgestellt werden. Eine solche Website sollte den Anforderungen an die Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen entsprechen.

(61)

Die Opfer haben aufgrund der Traumata, die sie erlitten haben, einen einzigartigen Unterstützungsbedarf. Spezialisierte Unterstützungsdienste sollten den Opfern Hilfe angedeihen lassen, die sie stärkt und die sie bei ihrer Heilung unterstützt. Spezialisierte Unterstützungsdienste sollten in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen und angemessen über das Hoheitsgebiet eines jeden Mitgliedstaats verteilt sein, wobei die geografische Lage und demografische Zusammensetzung des betreffenden Mitgliedstaats sowie die Bereitstellung von Online-Tools zu berücksichtigen sind. Zu diesem Zweck sollte die spezialisierte Unterstützung — wann immer möglich — in einer Sprache erfolgen, die das Opfer versteht, und in einer für das Opfer altersgerechten Weise.

(62)

Spezialisierte Unterstützungsdienste, darunter Schutzunterkünfte und Krisenzentren für Opfer von Vergewaltigungen, sollten in Krisen und Notlagen, auch bei Gesundheitskrisen, als unverzichtbar gelten. Das Ziel sollte darin bestehen, dass diese Dienste in solchen Situationen, in denen häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen tendenziell zunehmen, weiterhin angeboten werden.

(63)

Opfer sollten vor, während und für einen angemessenen Zeitraum nach dem Strafverfahren unterstützt werden, beispielsweise, wenn noch eine medizinische Behandlung erforderlich ist, um die schweren körperlichen oder psychischen Folgen der Gewalt zu bewältigen, oder wenn die Sicherheit des Opfers insbesondere aufgrund der Aussagen des Opfers im Rahmen dieses Verfahrens gefährdet ist.

(64)

Der traumatische Charakter sexueller Gewalt, einschließlich Vergewaltigung, erfordert eine besonders einfühlsame Reaktion durch geschultes und spezialisiertes Personal. Opfer dieser Art von Gewalt benötigen eine sofortige Unterstützung bei der Verarbeitung traumatischer Erlebnisse in Kombination mit sofortigen gerichtsmedizinischen Untersuchungen, um die für die künftige Strafverfolgung erforderlichen Beweise sicherzustellen. Krisenzentren für Opfer von Vergewaltigungen oder Anlaufstellen für Opfer von sexueller Gewalt sollten in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen und angemessen über das Gebiet eines jeden Mitgliedstaats verteilt sein, wobei die geografische Lage und die demografische Zusammensetzung des betreffenden Mitgliedstaats zu berücksichtigen ist. Derlei Zentren können Teil des bestehenden Gesundheitssystems in den Mitgliedstaaten sein. Auch die Opfer von Verstümmelung weiblicher Genitalien, bei denen es sich häufig um Mädchen handelt, benötigen in der Regel gezielte Unterstützung. Daher sollten die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass sie diesen Opfern gezielte Unterstützung zur Verfügung stellen. Angesichts der besonderen Umstände der Opfer solcher Straftaten und ihrer damit verbundenen Vulnerabilität sollten bei der Bereitstellung dieser speziellen Unterstützung die höchsten Standards in Bezug auf Privatsphäre und Vertraulichkeit eingehalten werden.

(65)

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz wird in den Richtlinien 2004/113/EG, 2006/54/EG und 2010/41/EU als eine Form der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts behandelt. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz hat sowohl für die Opfer als auch für die Arbeitgeber erhebliche negative Folgen. Interne oder externe Beratungsdienste sollten sowohl den Opfern als auch den Arbeitgebern zur Verfügung gestellt werden, sofern sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz nach dem jeweiligen nationalem Recht ausdrücklich unter Strafe gestellt ist. Derlei Dienste sollten Informationen über den angemessenen Umgang mit Fällen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz sowie zu verfügbaren Rechtsbehelfen umfassen, mit denen die Entfernung des Täters vom Arbeitsplatz erwirkt werden kann.

(66)

Die Mitgliedstaaten werden darin bestärkt, sicherzustellen, dass die nationalen Helplines unter der unionsweit einheitlichen Nummer, d. h. 116 016, zusätzlich zu etwaig bestehenden nationalen Nummern kostenlos und rund um die Uhr erreichbar sind. Die Öffentlichkeit sollte angemessen darüber informiert werden, dass es diese einheitliche Nummer gibt und wie sie genutzt werden kann. Derlei Helplines sollten im Einklang mit den nationalen Gepflogenheiten von spezialisierten Unterstützungsdiensten, einschließlich spezialisierter Unterstützungsdienste für Frauen, betrieben werden können. Die bestehenden Anbieter derartiger Helplines, einschließlich nichtstaatlicher Organisation, verfügen über umfangreiche Erfahrung bei der Erbringung solcher Dienste. Die über derartige Helplines angebotene Unterstützung sollte eine Krisenberatung umfassen und darin bestehen, dass die Opfer Informationen über Dienste mit persönlichem Kontakt wie Schutzunterkünfte, spezialisierte Unterstützungsdienste, andere einschlägige Sozial- und Gesundheitsdienste oder die Polizei umfassen. Helplines für die Unterstützung von Opfern von Straftaten sollten in der Lage sein, Opfer bei Bedarf und auf Anfrage an spezialisierte Unterstützungsdienste, spezialisierte Helplines oder beides zu verweisen.

(67)

Schutzunterkünfte und eine sonstige geeignete vorläufige Unterbringung für Opfer von Straftaten spielen eine wichtige Rolle beim Schutz der Opfer vor Gewalttaten. Über die Bereitstellung eines sicheren Aufenthaltsortes hinaus sollte in den Schutzunterkünften die notwendige Unterstützung für die mit der Gesundheit der Opfer, auch ihrer psychischen Gesundheit, ihrer finanziellen Lage und dem Wohl ihrer Kinder zusammenhängenden Probleme geboten werden, um die Opfer letztlich darauf vorzubereiten, ein eigenständiges Leben zu führen. Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass ausreichend Schutzunterkünfte und Möglichkeiten zu einer sonstigen geeigneten vorläufigen Unterbringung zur Verfügung stehen. Mit dem Begriff „ausreichend“ soll sichergestellt werden, dass die Bedürfnisse aller Opfer sowohl in Bezug auf Plätze in Schutzunterkünften als auch in Bezug auf spezialisierte Unterstützung erfüllt werden. Im abschließenden Tätigkeitsbericht der Task Force des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, einschließlich häuslicher Gewalt, aus September 2008 wird eine sichere Unterbringung in speziellen Schutzunterkünften für Frauenempfohlen, die in jeder Region mit einem Familienplatz je 10 000 Einwohner zur Verfügung stehen. Die Zahl der Plätze in Schutzunterkünften sollte jedoch von einer realistischen Schätzung des tatsächlichen Bedarfs abhängen. Die Identität der Opfer, die sich in solchen Schutzunterkünften aufhalten, sollte vertraulich bleiben, um für die Sicherheit der Frauen zu sorgen. Die Schutzunterkünfte sollten so ausgestattet sein, dass sie den besonderen Bedürfnissen der Frauen gerecht werden, auch durch das Angebot von Schutzunterkünften ausschließlich für Frauen. Es sollten Schutzunterkünfte und Möglichkeiten zu einer sonstigen geeigneten vorläufigen Unterbringung für abhängige Personen unter 18 Jahren bereitgestellt werden. Dennoch haben die Sicherheit und das Wohlergehen der Opfer, die in einer solchen Schutzunterkunft und Unterbringung verbleiben, nach wie vor oberste Priorität, insbesondere wenn Opfer und abhängige Personen, die fast volljährig sind, gemeinsam untergebracht sind. Ist die Schutzunterkunft nicht kostenlos und verlangen die Mitgliedstaaten von den Opfern, die in einer Schutzunterkunft oder einer vorläufigen Unterbringung aufgenommen werden, einen Beitrag, so sollte der Beitrag erschwinglich sein und den Zugang der Opfer zu einer Schutzunterkunft oder einer vorläufigen Unterbringung nicht behindern. Es sollte sichergestellt sein, dass in den Schutzunterkünften geschultes und spezialisiertes Personal mit den Opfern in Kontakt tritt und sie unterstützt.

(68)

Damit die negativen Folgen für Kinder wirksam angegangen werden können, sollten Kinder durch spezielle, ihrem Alter und ihren Entwicklungsbedürfnissen sowie ihrer jeweiligen individuellen Situation angemessene psychologische Beratung und gegebenenfalls pädiatrische Betreuung unterstützt werden, und zwar sobald die zuständigen Behörden hinreichende Gründe für die Annahme haben, dass Kinder Opfer von Gewalt geworden sein könnten, einschließlich Kindern, die Zeugen sind. Bei der Unterstützung von Kindern sollten die Rechte des Kindes, wie sie in Artikel 24 der Charta dargelegt sind, im Vordergrund stehen.

(69)

Angesichts der lebenslangen Folgen von Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt für Kinder, deren Elternteil bei diesen Straftaten ums Leben gekommen ist, sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass diese Richtlinie diesen Kindern in vollem Umfang zugutekommt, insbesondere in Form von gezielten Schutz- und Unterstützungsmaßnahmen, auch während einschlägiger Gerichtsverfahren.

(70)

Zum Schutz der Kinder während möglicher Besuche bei einem Straftäter oder Verdächtigen, der nach geltenden Vorschriften des nationalen Zivilrechts Träger der elterlichen Verantwortung für das Kind mit Umgangsrecht ist, sollten die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass überwachte, neutrale Orte, einschließlich Kinderschutz- oder Jugendämter, zur Verfügung stehen, damit solche Besuche dort im besten Interesse des Kindes stattfinden können. Erforderlichenfalls sollten die Besuche im Beisein von Beschäftigten des Kinderschutz- oder Jugendamts stattfinden. Ist eine vorläufige Unterbringung erforderlich, sollten Kinder vorrangig zusammen mit dem Träger der elterlichen Verantwortung untergebracht werden, der nicht der Täter oder Verdächtige ist. Das Wohl des Kindes sollte stets berücksichtigt werden.

(71)

Opfer, die von intersektioneller Diskriminierung betroffen sind, sind einem erhöhten Risiko von Gewalt ausgesetzt. Dazu könnten Frauen mit Behinderungen, Frauen, deren Aufenthaltsstatus oder Aufenthaltsgenehmigung von einer anderen Person abhängt, Migrantinnen ohne Ausweispapiere, Frauen, die internationalen Schutz beantragen, Frauen, die vor bewaffneten Konflikten fliehen, Frauen, die von Obdachlosigkeit betroffen sind, Frauen, die einer ethnischen Minderheit angehören, Frauen, die in ländlichen Gebieten leben, Frauen, die in der Prostitution tätig sind, Frauen mit niedrigem Einkommen, inhaftierte Frauen, lesbische, homo- oder bisexuelle, trans- oder intergeschlechtliche Menschen, ältere Frauen oder Frauen mit Alkohol- und Drogenproblemen gehören. Opfer, die von intersektioneller Diskriminierung betroffen sind, sollten daher besonderen Schutz und besondere Unterstützung erhalten.

(72)

Frauen mit Behinderungen erfahren unverhältnismäßig häufig geschlechtsspezifische Gewalt und häusliche Gewalt und haben aufgrund ihrer Behinderung oft Schwierigkeiten beim Zugang zu Schutz- und Unterstützungsmaßnahmen. Daher sollten die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass sie die in dieser Richtlinie festgelegten Rechte in vollem Umfang und gleichberechtigt mit anderen in Anspruch nehmen können, wobei die besondere Vulnerabilität dieser Opfer und ihre wahrscheinlichen Schwierigkeiten, Hilfe zu erhalten, gebührend zu berücksichtigen sind.

(73)

Die Maßnahmen zur Verhütung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt sollten auf einem ganzheitlichen Konzept beruhen, das aus primären, sekundären und tertiären vorbeugenden Maßnahmen besteht. Primäre vorbeugende Maßnahmen sollten darauf abzielen, Gewalt zu verhindern, und könnten Sensibilisierungskampagnen und gezielte Aufklärungsprogramme umfassen, um die Öffentlichkeit besser über die unterschiedlichen Erscheinungsformen aller Formen von Gewalt und ihre Folgen zu informieren sowie das Wissen über Einvernehmen in zwischenmenschlichen Beziehungen in einem jungen Alter zu verbessern. Sekundäre vorbeugende Maßnahmen sollten darauf abzielen, Gewalt frühzeitig aufzudecken und ihr Fortschreiten oder Eskalieren frühzeitig zu verhindern. Tertiäre vorbeugende Maßnahmen sollten darauf ausgerichtet sein, Wiederholungstaten und Reviktimisierung zu verhindern und die Folgen von Gewalt angemessen zu bewältigen, und könnten die Förderung des Eingreifens von Außenstehenden, Frühinterventionszentren und Interventionsprogramme umfassen.

(74)

Die Mitgliedstaaten sollten angemessene vorbeugende Maßnahmen ergreifen. Diese Maßnahmen könnten Sensibilisierungskampagnen umfassen, um Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu bekämpfen. Auch im Rahmen der formalen Bildung können vorbeugende Maßnahmen ergriffen werden, insbesondere durch eine verstärkte Sexualerziehung, die Förderung von sozioemotionalen Kompetenzen und Empathie sowie Informationen zur Entwicklung gesunder und respektvoller Beziehungen. Unter Berücksichtigung von Sprachbarrieren und unterschiedlichen Alphabetisierungs- und Kompetenzniveaus sollten die Mitgliedstaaten gezielte Maßnahmen auf besonders gefährdete Gruppen ausrichten, zu denen Kinder — unter Berücksichtigung ihres Alters und ihrer Reife –, Menschen mit Behinderungen, Menschen mit Alkohol- und Drogenproblemen sowie lesbische, homo- oder bisexuelle, trans- oder intergeschlechtliche Menschen gehören.

(75)

Die Mitgliedstaaten sollten Maßnahmen ergreifen, um die Verbreitung schädlicher Geschlechterstereotypen zu verhindern und so die Vorstellung von der Minderwertigkeit der Frau oder Rollenzuweisungen für Frauen und Männern zu beseitigen. Dazu könnten auch Maßnahmen gehören, mit denen sichergestellt wird, dass Kultur, Bräuche, Religion, Tradition oder die Ehre nicht als Rechtfertigung für Straftaten gegen Frauen oder häusliche Gewalt oder für eine mildere Behandlung dieser Straftaten angesehen werden. Vorbeugende Maßnahmen sollten Männer und Jungen ermutigen, als positive Vorbilder für die Förderung der Gleichstellung von Männern und Frauen zu fungieren, aber sie sollten auch darauf abzielen, Stereotypen zu überwinden, durch die Männer davon abgehalten werden, sich in Situationen von gegen sie gerichteter Gewalt um Hilfe zu bemühen. In Anbetracht der Tatsache, dass Kinder von klein auf mit Rollenbildern konfrontiert werden, die ihre Selbstwahrnehmung prägen und ihre akademischen und beruflichen Entscheidungen sowie die Erwartungen an ihre Rolle als Frau und Mann während ihres gesamten Lebens beeinflussen, ist es unerlässlich, sich bereits in der frühkindlichen Betreuung und Bildung mit Geschlechterstereotypen auseinanderzusetzen.

(76)

Um die Ressourcen dort zu konzentrieren, wo sie am dringendsten benötigt werden, sollten die Verpflichtung zu vorbeugenden Maßnahmen für die Schärfung des Bewusstseins über Verstümmelung weiblicher Genitalien und Zwangsehen und der Umfang dieser Maßnahmen der Zahl der Personen entsprechen, die in dem betreffenden Mitgliedstaat von dieser Praxis bedroht oder betroffen sind.

(77)

Damit Opfer erkannt werden und angemessene Unterstützung und angemessenen Schutz erhalten, sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass öffentlich Bedienstete, bei denen die Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie mit Opfern in Kontakt kommen, geschult werden und gezielte Informationen erhalten. Gerichtsbedienstete sollten nur dann zu einer solchen Schulung verpflichtet werden, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie mit Opfern in Kontakt kommen, und dann nur in einem Umfang, der dem Kontakt mit den Opfern angemessen ist. Für Anwälte, Staatsanwälte und Richter sowie für Angehörige der rechtsberatenden Berufe, die Opferunterstützung oder Wiedergutmachungsdienste leisten, sollten Schulungen gefördert werden. Dazu sollten, soweit dies angemessen ist, Schulungen zu den einzelnen Unterstützungsdiensten für Opfer gehören, an die Opfer vermittelt werden sollten, oder eine Fachausbildung, wenn ihre Tätigkeit sich auf Opfer mit besonderen Bedürfnissen erstreckt, sowie eine geeignete spezielle psychologische Schulung. In den Schulungen sollten das Risiko und die Verhütung von Einschüchterung, wiederholter und sekundärer Viktimisierung sowie die Verfügbarkeit von Schutz- und Unterstützungsmaßnahmen für Opfer behandelt werden. Um Fälle von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zu verhindern und angemessen darauf zu reagieren, sollten Personen mit Führungsaufgaben auch geschult werden, sofern sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz nach nationalem Recht ausdrücklich unter Strafe gestellt wird. Diese Personen sollten auch Informationen über das Risiko von Gewalt durch Dritte erhalten. „Gewalt durch Dritte“ bezieht sich auf Gewalt, die das Personal am Arbeitsplatz erleiden kann, die aber nicht von Kollegen verübt wird; dies schließt Fälle ein, in denen beispielsweise Krankenpflegepersonal von einem Patienten sexuell belästigt wird.

(78)

Um ein ganzheitliches Konzept für die Verhütung und Bekämpfung aller Formen von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt zu entwickeln, sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die einschlägigen öffentlich Bediensteten und Fachkräfte Schulungen zu einer koordinierten multidisziplinären Zusammenarbeit erhalten, damit die zuständigen staatlichen Stellen und Behörden die Weiterverweisung von Fällen rasch bearbeiten können und einschlägige Fachkräfte, auch in medizinischen, rechtlichen, pädagogischen oder sozialen Diensten, an der Bearbeitung solcher Fälle beteiligt sind. Die Mitgliedstaaten sollten selbst darüber entscheiden, wie sie diese Schulungen organisieren. Die Verpflichtungen aus dieser Richtlinie sollten nicht so ausgelegt werden, dass sie die Autonomie der Hochschuleinrichtungen beeinträchtigen.

(79)

Um einer unzureichenden Meldung der Fälle entgegenzuwirken, sollten die Mitgliedstaaten bei der Ausarbeitung von Schulungen mit Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten, insbesondere in Bezug auf schädliche Geschlechterstereotypen, aber auch bei der Verhütung von Straftaten, da diese in der Regel engen Kontakt zu Gruppen, bei denen das Risiko von Gewalt besteht, und zu Opfern haben.

(80)

Es sollten Interventionsprogramme entwickelt werden, um das Begehen von Gewalttaten gegen Frauen oder häuslicher Gewalt oder Wiederholungstaten zu verhindern und das Risiko solcher Gewalt auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Die Interventionsprogramme sollten von geschulten und qualifizierten Fachkräften durchgeführt werden. Ziel dieser Interventionsprogramme sollte sein, für sichere Beziehungen zu sorgen und Straftätern oder Personen, bei denen das Risiko besteht, dass sie straffällig werden, zu lehren, in zwischenmenschlichen Beziehungen ein gewaltfreies Verhalten anzunehmen und von Gewalt geprägte Verhaltensmuster zu verändern. Für die Interventionsprogramme könnten die Mitgliedstaaten die vom Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen ausgearbeiteten gemeinsamen Standards und Leitlinien heranziehen.

(81)

Straftäter oder Verdächtige im Kontext der unter diese Richtlinie fallenden Gewalttaten, gegen die eine Eilschutzanordnung, ein Kontakt- oder Näherungsverbot oder eine Schutzanordnung verhängt wurde, sollten Informationen über verfügbare Interventionsprogramme erhalten.

(82)

Bei Straftaten, die den Tatbestand der Vergewaltigung erfüllen, sollten Straftäter ermutigt werden, an Interventionsprogrammen teilzunehmen, um das Risiko von Wiederholungstaten zu mindern.

(83)

Die Mitgliedstaaten sollten wirksame, umfassende und koordinierte politische Strategien annehmen, die einschlägige Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung aller Formen von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt umfassen, und diese umsetzen. In diesen Strategien sollten die Rechte des Opfers in den Mittelpunkt aller Maßnahmen gestellt werden. Die Mitgliedstaaten sollten im Einklang mit dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten nach eigenem Ermessen entscheiden können, welche Behörden als amtliche Stellen für die Koordinierung, Durchführung, Überwachung und Bewertung der Strategien und Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung aller unter diese Richtlinie fallenden Formen von Gewalt benannt oder eingerichtet werden, sofern diese Behörden über die erforderlichen Befugnisse verfügen, um die in dieser Richtlinie vorgesehenen Aufgaben zu erfüllen. Die Mitgliedstaaten sollten im Einklang mit dem nationalen Recht und unbeschadet der Verteilung der Zuständigkeiten in den einzelnen Mitgliedstaaten für eine Mindestkoordinierung auf zentraler Ebene sowie gegebenenfalls auf regionaler oder lokaler Ebene sorgen. Diese Koordinierung könnte Teil der nationalen Aktionspläne sein.

(84)

Organisationen der Zivilgesellschaft, einschließlich nichtstaatlicher Organisationen, die mit Opfern zusammenarbeiten, umfassen ein breites Spektrum von Akteuren mit unterschiedlichen Rollen und Aufgaben. Solche Organisationen liefern wertvolles Fachwissen, und ihre Einbeziehung und Beiträge könnten sich bei der Gestaltung, Umsetzung und Überwachung der Regierungspolitik als nützlich erweisen.

(85)

Im Rahmen der Bemühungen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt sollten die Mitgliedstaaten nationale Aktionspläne verabschieden.

(86)

Um sicherzustellen, dass die Opfer der in dieser Richtlinie genannten Straftaten der Cybergewalt ihr Recht auf Entfernung von illegalem Material im Zusammenhang mit solchen Straftaten wirksam wahrnehmen können, sollten die Mitgliedstaaten die Zusammenarbeit im Rahmen der Selbstregulierung zwischen den einschlägigen Anbietern von Vermittlungsdiensten fördern. Damit solches Material frühzeitig entdeckt und wirksam bekämpft wird und die Opfer dieser Straftaten angemessen unterstützt werden, sollten die Mitgliedstaaten auch die Einführung oder das Bekanntmachen bestehender Selbstregulierungsmechanismen wie Verhaltenskodizes erleichtern. Diese Erleichterung sollte Selbstregulierungsmechanismen für die Erkennung systematischer Risiken, insbesondere zur Stärkung von Mechanismen zur Bekämpfung von Cybergewalt und zur Verbesserung der Schulung der Beschäftigten solcher Anbieter von Vermittlungsdiensten, die mit der Verhütung von Gewalt und der Unterstützung von Opfern befasst sind, umfassen. Solche Selbstregulierungsmaßnahmen könnten Maßnahmen auf Unionsebene ergänzen, insbesondere im Rahmen der Verordnung (EU) 2022/2065.

(87)

Der Austausch bewährter Verfahren und die Konsultation in Einzelfällen im Rahmen der Mandate von Eurojust, des Europäischen Justiziellen Netzes für Strafsachen und anderer einschlägiger Stellen der Union könnten bei der Verhütung und Bekämpfung aller Formen von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt von großer Bedeutung sein.

(88)

Politische Maßnahmen zur angemessenen Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt können nur auf der Grundlage umfassender und vergleichbarer aufgeschlüsselter Daten erarbeitet werden. Um die Entwicklungen in den Mitgliedstaaten wirksam zu überwachen, werden die Mitgliedstaaten ferner aufgefordert, regelmäßig Erhebungen durchzuführen. Diese Erhebungen könnten nach der harmonisierten Methodik der Kommission (Eurostat) durchgeführt werden.

(89)

Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass die für die Zwecke dieser Richtlinie erhobenen Daten auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt sind, um die Überwachung der Prävalenz und der Trends von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt zu unterstützen und neue politische Strategien in diesem Bereich zu erarbeiten. Die Mitgliedstaaten sollten dem Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen die erforderlichen Daten zur Verfügung stellen, um die Vergleichbarkeit, Bewertung und Analyse dieser Daten auf Unionsebene zu ermöglichen.

(90)

Jede gemäß dieser Richtlinie durchgeführte Verarbeitung personenbezogener Daten, einschließlich des Austauschs oder der Übermittlung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden, muss im Einklang mit der Verordnung (EU) 2016/679 und den Richtlinien 2002/58/EG (13) und (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates erfolgen. Jegliche Verarbeitung personenbezogener Daten durch Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union muss im Einklang mit den Verordnungen (EU) 2016/794 (14), (EU) 2018/1725 (15) und (EU) 2018/1727 (16) des Europäischen Parlaments und des Rates oder anderen geltenden Unionsvorschriften zum Datenschutz erfolgen.

(91)

Mit dieser Richtlinie werden Mindestvorschriften festgelegt, weshalb es den Mitgliedstaaten freisteht, strengere strafrechtliche Vorschriften zur Bestimmung von Straftaten und Strafen im Bereich der Gewalt gegen Frauen zu erlassen oder beizubehalten. In Bezug auf die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Rechte der Opfer können die Mitgliedstaaten Bestimmungen mit höheren Standards einführen oder beibehalten, einschließlich solcher, die ein höheres Maß an Schutz und Unterstützung für die Opfer vorsehen.

(92)

Da das Ziel dieser Richtlinie, nämlich die Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in der gesamten Union auf der Grundlage gemeinsamer Mindestvorschriften, von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann, sondern vielmehr wegen des Umfangs und der Wirkungen der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Unionsebene besser zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 EUV verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das zur Verwirklichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.

(93)

Nach Artikel 3 des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts hat Irland mit Schreiben vom 22. Juni 2022 mitgeteilt, dass es sich an der Annahme und Anwendung dieser Richtlinie beteiligen möchte.

(94)

Nach den Artikeln 1 und 2 des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Richtlinie und ist weder durch diese Richtlinie gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet.

(95)

Der Europäische Datenschutzbeauftragte wurde gemäß Artikel 42 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2018/1725 angehört und hat am 5. April 2022 eine Stellungnahme abgegeben —

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

KAPITEL 1

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Artikel 1

Gegenstand und Geltungsbereich

(1)   In dieser Richtlinie sind Vorschriften zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt festgelegt. Sie enthält Mindestvorschriften in Bezug auf

a)

die Definition von Straftaten und Strafen in den Bereichen sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern sowie Computerkriminalität,

b)

die Rechte der Opfer aller Formen von Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt vor, während und für einen angemessenen Zeitraum nach Strafverfahren,

c)

Schutz und Unterstützung für die Opfer, Prävention und frühzeitiges Eingreifen.

(2)   Die Kapitel 3 bis 7 gelten für alle Opfer von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, unabhängig von deren Geschlecht. Derartige Opfer sind alle Opfer von nach Kapitel 2 strafbaren Handlungen sowie Opfer sonstiger nach anderen Rechtsakten der Union oder nach nationalem Recht strafbarer Akte von Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

a)

„Gewalt gegen Frauen“ alle Akte von geschlechtsspezifischer Gewalt, die gegen eine Frau oder ein Mädchen gerichtet sind, weil sie eine Frau ist bzw. weil es ein Mädchen ist, oder die Frauen oder Mädchen unverhältnismäßig stark betreffen, die zu körperlichen, sexuellen, psychischen oder wirtschaftlichen Schäden oder Leiden führen oder führen können, einschließlich der Androhung solcher Handlungen, der Nötigung oder der willkürlichen Freiheitsentziehung, sei es im öffentlichen oder privaten Leben;

b)

„häusliche Gewalt“ alle Akte von körperlicher, sexueller, psychischer oder wirtschaftlicher Gewalt, die innerhalb der Familie oder des Haushalts ungeachtet der biologischen oder rechtlichen familiären Verbindungen oder zwischen früheren oder derzeitigen Eheleuten oder Partnern stattfinden, unabhängig davon, ob Täter und Opfer in einem gemeinsamen Haushalt wohnen oder wohnten;

c)

„Opfer“ jede Person, unabhängig von ihrem Geschlecht, die einen Schaden erlitten hat, der unmittelbar durch Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt verursacht wurde, einschließlich Kinder, die einen Schaden erlitten haben, weil sie Zeugen von häuslicher Gewalt geworden sind;

d)

„Anbieter von Hostingdiensten“ einen Anbieter von Hostingdiensten im Sinne des Artikels 3 Buchstabe g Ziffer iii der Verordnung (EU) 2022/2065;

e)

„Anbieter von Vermittlungsdiensten“ einen Anbieter von Vermittlungsdiensten im Sinne des Artikels 3 Buchstabe g der Verordnung (EU) 2022/2065;

f)

„Kind“ jede Person unter 18 Jahren;

g)

„abhängige Person“ ein Kind des Opfers oder jede andere Person, bei der es sich nicht um den Täter oder Verdächtigen handelt, die im selben Haushalt wie das Opfer lebt und die vom Opfer betreut und unterstützt wird;

h)

„zuständige Behörde“ jede Behörde, die nach nationalem Recht als für die Wahrnehmung einer in dieser Richtlinie vorgesehenen Aufgabe zuständig benannt wird.

KAPITEL 2

STRAFTATEN IM ZUSAMMENHANG MIT DER SEXUELLEN AUSBEUTUNG VON FRAUEN UND KINDERN UND COMPUTERKRIMINALITÄT

Artikel 3

Verstümmelung weiblicher Genitalien

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die nachstehenden vorsätzlichen Handlungen unter Strafe gestellt werden:

a)

Entfernung, Infibulation oder Durchführung jeder sonstigen Verstümmelung der gesamten großen oder kleinen Schamlippen oder Klitoris oder eines Teiles davon;

b)

ein Verhalten, durch das eine Frau oder ein Mädchen dazu genötigt oder dazu gebracht wird, sich einer der unter Buchstabe a aufgeführten Handlungen zu unterziehen.

Artikel 4

Zwangsheirat

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die nachstehenden vorsätzlichen Handlungen unter Strafe gestellt werden:

a)

wenn ein Erwachsener oder ein Kind gezwungen wird, eine Ehe zu schließen;

b)

wenn ein Erwachsener oder ein Kind durch Täuschung in das Hoheitsgebiet eines anderen Landes als desjenigen, in dem er oder es seinen Wohnsitz hat, mit der Absicht gelockt wird, diesen Erwachsenen oder dieses Kind zu einer Eheschließung zu zwingen.

Artikel 5

Nicht-einvernehmliche Weitergabe von intimem oder manipuliertem Material

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die nachstehenden vorsätzlichen Handlungen unter Strafe gestellt werden:

a)

Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit von Bildern, Videos oder vergleichbarem Material mittels Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), die eindeutig sexuelle Handlungen oder intime Körperteile einer anderen Person darstellen, ohne Einverständnis der betreffenden Personen, sofern diese Handlungen wahrscheinlich dazu führen, dass der betreffenden Person schwerer Schaden zugefügt wird;

b)

Herstellung, Manipulation oder Veränderung von Bildern, Videos oder vergleichbarem Material, die den Anschein erwecken, dass eine Person eindeutig sexuelle Handlungen vornimmt, und deren anschließende Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit mittels IKT, ohne Einverständnis der betreffenden Person, sofern diese Handlungen wahrscheinlich dazu führen, dass der genannten Person schwerer Schaden zugefügt wird;

c)

Androhung einer unter den Buchstaben a oder b genannten Handlung mit dem Ziel, eine Person zu einer bestimmten Handlung zu nötigen oder sie dazu zu bringen, diese zu dulden oder davon abzusehen.

(2)   Absatz 1 Buchstaben a und b des vorliegenden Artikels berührt nicht die Verpflichtung, die in Artikel 6 EUV genannten Rechte, Freiheiten und Grundsätze zu achten, und gilt unbeschadet der Grundprinzipien im Zusammenhang mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit sowie der Freiheit von Kunst und Wissenschaft, wie sie im Unionsrecht oder im nationalen Recht umgesetzt werden.

Artikel 6

Cyberstalking

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die vorsätzliche wiederholte oder ständige Überwachung einer Person ohne deren Einwilligung oder einer rechtlichen Genehmigung mittels IKT mit dem Ziel, die Bewegungen und Tätigkeiten dieser Person zu verfolgen oder zu überwachen, unter Strafe gestellt wird, sofern diese Handlungen wahrscheinlich dazu führen, dass dieser Person schwerer Schaden zugefügt wird.

Artikel 7

Cybermobbing

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die nachstehenden vorsätzlichen Handlungen unter Strafe gestellt werden:

a)

eine wiederholte oder ständige mittels IKT durchgeführte Bedrohung einer Person, zumindest wenn diese Handlungen mit der Androhung von Straftaten verbunden sind und sofern diese Handlungen wahrscheinlich dazu führen, dass die Person ernsthaft um die eigene Sicherheit oder um die Sicherheit abhängiger Personen fürchtet;

b)

eine gemeinsam mit anderen Personen mittels IKT durchgeführte öffentlich zugängliche Bedrohung oder Beleidigung einer Person, sofern diese Handlungen der Person wahrscheinlich schweren psychischen Schaden zufügen;

c)

die unaufgeforderte, mittels IKT erfolgende Zusendung eines Bildes, eines Videos oder sonstigen vergleichbaren Materials, auf dem Genitalien abgebildet sind, an eine Person, sofern diese Handlungen wahrscheinlich dazu führen, dass der Person schwerer psychischer Schaden zugefügt wird;

d)

die öffentliche, mittels IKT erfolgende Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit von Material, das personenbezogene Daten einer Person enthält, ohne Einverständnis der betreffenden Person, um andere Personen dazu anzustiften, dieser Person physischen oder schweren psychischen Schaden zuzufügen.

Artikel 8

Aufstachelung zu Gewalt oder Hass im Internet

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die vorsätzliche Aufstachelung zu Gewalt oder Hass gegen eine Gruppe von Personen, die durch Bezugnahme auf das Geschlecht definiert wird, oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe durch die öffentliche Verbreitung von diese Aufstachelung enthaltendem Material mittels IKT unter Strafe gestellt wird.

(2)   Für die Zwecke von Absatz 1 steht es den Mitgliedstaaten frei, nur Handlungen unter Strafe zu stellen, die entweder in einer Weise begangen werden, die geeignet ist, die öffentliche Ordnung zu stören, oder die Drohungen, Beschimpfungen oder Beleidigungen darstellen.

Artikel 9

Anstiftung, Beihilfe und Versuch

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Anstiftung zur Begehung einer Straftat im Sinne der Artikel 3 bis 6 und Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b unter Strafe gestellt wird.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Beihilfe zur Begehung einer Straftat im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a und der Artikel 4 bis 8 unter Strafe gestellt wird.

(3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Versuch der Begehung einer Straftat im Sinne der Artikel 3 und 4 unter Strafe gestellt wird.

Artikel 10

Strafen

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die in den Artikeln 3 bis 9 genannten Straftaten mit wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Strafen geahndet werden können.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Straftaten nach Artikel 3 mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens fünf Jahren geahndet werden können.

(3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Straftaten nach Artikel 4 mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens drei Jahren geahndet werden können.

(4)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Straftaten nach den Artikeln 5 und 6, Artikel 7 Absatz 1 Buchstaben a, b und d und Artikel 8 mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens einem Jahr geahndet werden können.

Artikel 11

Erschwerende Umstände

Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass einer oder mehrere der folgenden Umstände, sofern sie nicht Tatbestandsmerkmale der in den Artikeln 3 bis 8 genannten Straftaten darstellen, bei den in diesen Artikeln genannten relevanten Straftaten im Einklang mit dem nationalen Recht als erschwerende Umstände berücksichtigt werden können:

a)

die Straftat oder eine andere Straftat der Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt wurde wiederholt begangen;

b)

die Straftat wurde gegen eine Person begangen, die durch besondere Umstände wie eine Abhängigkeitssituation oder einen Zustand körperlicher, psychischer, geistiger oder sensorischer Behinderung vulnerabel geworden ist;

c)

die Straftat wurde gegen ein Kind begangen;

d)

die Straftat wurde in Gegenwart eines Kindes begangen;

e)

die Straftat wurde von zwei oder mehr Personen gemeinschaftlich begangen;

f)

der Straftat ging ein extremes Maß an Gewalt voraus oder mit der Straftat ging ein extremes Maß an Gewalt einher;

g)

die Straftat wurde unter Verwendung einer Waffe oder Drohung mit einer Waffe begangen;

h)

die Straftat wurde unter Anwendung von Gewalt oder unter Androhung von Gewalt oder unter Nötigung begangen;

i)

die Handlung hat den Tod des Opfers oder schwere körperliche oder psychische Schäden bei dem Opfer verursacht;

j)

der Straftäter war zuvor wegen ähnlicher Straftaten verurteilt worden;

k)

die Straftat wurde gegen einen früheren oder derzeitigen Ehegatten oder Partner begangen;

l)

die Straftat wurde von einem Familienangehörigen des Opfers oder einer mit dem Opfer zusammenlebenden Person begangen;

m)

die Straftat wurde unter Missbrauch einer anerkannten Stellung des Vertrauens, der Autorität oder des Einflusses begangen;

n)

die Straftat wurde gegen Personen in ihrer Eigenschaft als Amtsträger, Journalisten oder Menschenrechtsverteidiger begangen;

o)

die Straftat wurde mit der Absicht begangen, die „Ehre“ einer Person, einer Familie, einer Gemeinschaft oder einer anderen ähnlichen Gruppe zu wahren oder wiederherzustellen;

p)

Ziel der Straftat war es, das Opfer wegen der sexuellen Orientierung, des Geschlechts, der Hautfarbe, der Religion, der sozialen Herkunft oder der weltanschaulichen Überzeugung des Opfers zu bestrafen.

Artikel 12

Gerichtliche Zuständigkeit

(1)   Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um seine gerichtliche Zuständigkeit für Straftaten im Sinne der Artikel 3 bis 9 zu begründen, wenn:

a)

die Straftat ganz oder teilweise in seinem Hoheitsgebiet begangen wurde; oder

b)

der Täter Staatsangehöriger des Mitgliedstaats ist.

(2)   Ein Mitgliedstaat unterrichtet die Kommission über seine Entscheidung, seine gerichtliche Zuständigkeit für in den Artikeln 3 bis 9 genannte Straftaten, die außerhalb seines Hoheitsgebiets begangen wurden, zu begründen, wenn:

a)

es sich bei dem Opfer der Straftat um einen seiner Staatsangehörigen oder eine Person mit gewöhnlichem Aufenthalt in seinem Hoheitsgebiet handelt; oder

b)

der gewöhnliche Aufenthalt des Täters in seinem Hoheitsgebiet liegt.

(3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ihre gerichtliche Zuständigkeit für Straftaten nach den Artikeln 5 bis 9 auch Situationen umfasst, die mittels IKT verübt wurden, auf die der Zugriff aus ihrem Hoheitsgebiet erfolgte, unabhängig davon, ob der Anbieter von Vermittlungsdiensten in ihrem Hoheitsgebiet ansässig ist.

(4)   In den Fällen nach Absatz 1 Buchstabe b dieses Artikels stellt jeder Mitgliedstaat sicher, dass seine gerichtliche Zuständigkeit für Straftaten im Sinne der Artikel 3 und 4 nicht an die Bedingung geknüpft wird, dass die in jenen Artikeln genannte Handlung in dem Staat, in dem sie begangen wurde, als Straftat geahndet wird.

(5)   In den Fällen nach Absatz 1 Buchstabe b treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen um sicherzustellen, dass die Ausübung ihrer gerichtlichen Zuständigkeit nicht an die Bedingung geknüpft wird, dass die Strafverfolgung nur nach einer Anzeige des Opfers an dem Ort, an dem die Straftat begangen wurde, oder nach einer Benachrichtigung durch den Staat, in dem sich der Tatort befindet, eingeleitet werden kann.

Artikel 13

Verjährungsfristen

(1)   Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen zur Festlegung einer Verjährungsfrist, durch die Ermittlungen, Strafverfolgungsmaßnahmen, Gerichtsverfahren und gerichtliche Entscheidungen zu Straftaten im Sinne der Artikel 3 bis 9 für einen ausreichend langen Zeitraum nach der Begehung dieser Straftaten ermöglicht werden, damit diese Straftaten wirksam bekämpft werden können. Die Verjährungsfrist entspricht der Schwere der betreffenden Straftat.

(2)   Handelt es sich bei dem Opfer um ein Kind, so beginnt die Verjährungsfrist für Straften im Sinne des Artikels 3 frühestens mit Vollendung des 18. Lebensjahres des Opfers.

KAPITEL 3

OPFERSCHUTZ UND ZUGANG ZUR JUSTIZ

Artikel 14

Meldung von Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt

(1)   Zusätzlich zu den Rechten der Opfer, die Anzeige nach Artikel 5 der Richtlinie 2012/29/EU erstatten, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass Opfer Akte von Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt bei den zuständigen Behörden über zugängliche, einfach zu nutzende, sichere und leicht verfügbare Kanäle melden können. Dies schließt zumindest für die in den Artikeln 5 bis 8 der vorliegenden Richtlinie genannten Cyberstraftaten die Möglichkeit ein, diese online oder über andere zugängliche und sichere IKT zu melden, unbeschadet der nationalen Verfahrensvorschriften für die Formalisierung der Online-Meldung.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Möglichkeit, Meldungen online oder über andere zugängliche und sichere IKT vorzunehmen, auch die Option umfasst, Beweise über die in Unterabsatz 1 genannten Mittel vorzulegen, unbeschadet der nationalen Verfahrensvorschriften für die Formalisierung der Vorlage von Beweisen.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Opfer gemäß Artikel 13 der Richtlinie 2012/29/EU Zugang zu Prozesskostenhilfe haben. Die Mitgliedstaaten können auch Opfern, die Straftaten melden, Prozesskostenhilfe gewähren, sofern dies im nationalen Recht vorgesehen ist.

(3)   Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um jede Person, die weiß oder einen begründeten Verdacht hat, dass Akte der Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt begangen wurden oder dass Gewalttaten zu erwarten sind, zu ermutigen, dies den zuständigen Behörden zu melden, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen.

(4)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Angehörige der Gesundheitsberufe, für die Vertraulichkeitsvorschriften gelten, es den zuständigen Behörden melden können, wenn sie berechtigten Grund zu der Annahme haben, dass eine unmittelbare Gefahr besteht, dass einer Person aufgrund von Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt ein schwerer körperlicher Schaden zugefügt wird.

(5)   Handelt es sich bei dem Opfer um ein Kind, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass unbeschadet der Regelungen zum Schutz des Berufsgeheimnisses der rechtsberatenden Berufe oder, falls im nationalen Recht vorgesehen, des Beichtgeheimnisses oder gleichwertiger Grundsätze Angehörige von Berufen, für die nach nationalem Recht Vertraulichkeitsverpflichtungen gelten, den zuständigen Behörden melden können, wenn sie berechtigten Grund zu der Annahme haben, dass infolge von Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt einem Kind schwerer körperlicher Schaden zugefügt worden ist.

(6)   Melden Kinder den zuständigen Behörden Akte von Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt, so stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Meldeverfahren sicher, vertraulich und unter Berücksichtigung von Alter und Reifegrad in einer kindgerechten Weise und einer kindgerechten Sprache konzipiert und zugänglich sind.

Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Fachkräfte, die in der Arbeit mit Kindern geschult sind, bei Meldeverfahren behilflich sind, um sicherzustellen, dass dabei dem Wohl des Kindes Rechnung getragen wird.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in Fällen, in denen der Träger der elterlichen Verantwortung an der Gewalttat beteiligt ist, die Fähigkeit eines Kindes, die Tat zu melden, nicht von der Zustimmung des Trägers der elterlichen Verantwortung abhängt und dass die zum Schutz der Sicherheit des Kindes erforderlichen Maßnahmen von den zuständigen Behörden getroffen werden, bevor diese Person über die Meldung informiert wird.

Artikel 15

Ermittlung und Strafverfolgung

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die für die Ermittlung und strafrechtliche Verfolgung von Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt zuständigen Personen, Stellen oder Dienste über angemessenes Fachwissen in diesem Bereich und wirksame Ermittlungsinstrumente verfügen, um solche Handlungen wirksam untersuchen und verfolgen zu können, insbesondere was die Sammlung, Analyse und Sicherung elektronischer Beweismittel in Fällen von Cyberstraftaten gemäß den Artikeln 5 bis 8 betrifft.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass gemeldete Fälle von Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt unverzüglich bearbeitet und den zuständigen Behörden für die Zwecke der Ermittlung und Strafverfolgung sowie, soweit erforderlich, der Ergreifung von Schutzmaßnahmen gemäß Artikel 19 übermittelt werden.

(3)   Haben die zuständigen Behörden den begründeten Verdacht, dass eine Straftat begangen worden sein könnte, untersuchen sie nach Eingang einer Anzeige oder von Amts wegen Fälle von Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt unverzüglich und wirksam. Sie stellen sicher, dass Fälle amtlich registriert werden und führen nach Maßgabe des nationalen Rechts Aufzeichnungen über die einschlägigen Feststellungen und Beweismittel.

(4)   Um Unterstützung bei der freiwilligen Beweissicherung zu leisten, insbesondere in Fällen sexueller Gewalt, vermitteln die zuständigen Behörden die Opfer unverzüglich an die einschlägigen Angehörigen der Gesundheitsberufe oder an die in den Artikeln 25, 26 und 27 genannten Unterstützungsdienste, die auf die Unterstützung bei der Beweissicherung spezialisiert sind. Die Opfer werden darüber informiert, dass es wichtig ist, solche Beweise so früh wie möglich zu erheben.

(5)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Ermittlungen wegen oder die strafrechtliche Verfolgung von Vergewaltigungen nicht von einer Anzeige seitens eines Opfers oder seines Vertreters abhängen und dass Strafverfahren nicht allein deshalb eingestellt werden, weil die Anzeige zurückgenommen wurde.

Artikel 16

Individuelle Begutachtung zur Ermittlung des besonderen Schutzbedarfs von Opfern

(1)   Zusätzlich zu den Anforderungen an die individuelle Begutachtung nach Artikel 22 der Richtlinie 2012/29/EU stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass zumindest in Bezug auf Opfer sexueller Gewalt und Opfer häuslicher Gewalt die in dem vorliegenden Artikel genannten Anforderungen erfüllt werden.

(2)   Zum frühestmöglichen Zeitpunkt, z. B. zum Zeitpunkt des ersten Kontakts mit den zuständigen Behörden oder so bald wie möglich nach dem ersten Kontakt mit ihnen, wird im Wege einer individuellen Begutachtung, die gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit allen einschlägigen zuständigen Behörden erfolgt, der besondere Schutzbedarf des Opfers ermittelt.

(3)   Die individuelle Begutachtung nach Absatz 2 konzentriert sich auf die vom Täter oder Verdächtigen ausgehende Gefahr. Diese Gefahr kann folgende Aspekte umfassen:

a)

die Gefahr einer wiederholten Gewaltanwendung,

b)

die Gefahr körperlicher oder psychischer Schäden,

c)

den möglichen Einsatz von und den Zugang zu Waffen,

d)

die Tatsache, dass der Täter oder Verdächtige mit dem Opfer zusammenlebt,

e)

Drogen- oder Alkoholmissbrauch durch den Täter oder Verdächtigen,

f)

Kindesmissbrauch,

g)

psychische Probleme oder

h)

Stalkingverhalten.

(4)   Bei der individuellen Begutachtung nach Absatz 2 werden die individuellen Umstände des Opfers berücksichtigt, unter anderem, ob das Opfer von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, kombiniert mit einer Diskriminierung in Bezug auf einen oder mehrere andere Diskriminierungsgründe nach Artikel 21 der Charta (im Folgenden „intersektionelle Diskriminierung“), betroffen ist daher einem erhöhten Risiko von Gewalt ausgesetzt ist. Auch die Aussagen des Opfers und seine Bewertung der Situation werden berücksichtigt. Die Begutachtung wird im besten Interesse des Opfers durchgeführt, wobei besonderes Augenmerk auf die Notwendigkeit gelegt wird, eine sekundäre Viktimisierung oder Reviktimisierung zu vermeiden.

(5)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Behörden unter gebührender Berücksichtigung der individuellen Begutachtung nach Absatz 2 angemessene Schutzmaßnahmen ergreifen. Zu diesen Maßnahmen kann Folgendes gehören:

a)

Maßnahmen nach Artikel 23 und 24 der Richtlinie 2012/29/EU,

b)

Eilschutzanordnungen, Kontakt- und Näherungsverbote oder Schutzanordnungen gemäß Artikel 19 dieser Richtlinie,

c)

andere als die unter den Buchstaben a und b des vorliegenden Absatzes genannte Maßnahmen, die der Steuerung des Verhaltens des Täters oder Verdächtigen dienen, insbesondere nach Artikel 37 der vorliegenden Richtlinie.

(6)   Die individuelle Begutachtung nach Absatz 2 erfolgt je nach Verfahrensstadium, soweit dies angemessen ist, in Zusammenarbeit mit anderen einschlägigen zuständigen Behörden und einschlägigen Unterstützungsdiensten wie Opferschutzzentren, spezialisierten Diensten, Sozialdiensten, Angehörigen der Gesundheitsberufe, Schutzunterkünften, spezialisierten Unterstützungsdiensten und anderen einschlägigen Akteuren.

(7)   Die zuständigen Behörden überprüfen die individuelle Begutachtung nach Absatz 2 in regelmäßigen Abständen und ergreifen, soweit dies erforderlich ist, neue bzw. aktualisieren bestehende Schutzmaßnahmen im Einklang mit Absatz 5, um sicherzustellen, dass der aktuellen Situation des Opfers Rechnung getragen wird.

(8)   Bei abhängigen Personen wird — ohne dass sie sich einer individuellen Begutachtung nach Absatz 2 unterziehen müssen — davon ausgegangen, dass sie einen besonderen Schutzbedarf haben, es sei denn, es gibt Hinweise darauf, dass sie keinen besonderen Schutzbedarf haben.

Artikel 17

Individuelle Begutachtung des Hilfsbedarfs von Opfern

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Behörden unter Berücksichtigung der individuellen Begutachtung nach Artikel 16 den individuellen Hilfsbedarf des Opfers nach Kapitel 4 prüfen. Die zuständigen Behörden prüfen den individuellen Hilfsbedarf abhängiger Personen nach Kapitel 4, es sei denn, es gibt Hinweise darauf, dass sie keinen besonderen Hilfsbedarf haben.

(2)   Artikel 16 Absätze 4, 6 und 7 gelten für die individuelle Begutachtung des Hilfsbedarfs der Opfer nach Absatz 1 dieses Artikels.

Artikel 18

Vermittlung an Unterstützungsdienste

(1)   Wird bei den Begutachtungen nach den Artikeln 16 und 17 ein spezifischer Hilfs- oder Schutzbedarf festgestellt oder ersucht das Opfer um Unterstützung, so stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Unterstützungsdienste, etwa spezialisierte Unterstützungsdienste, das Opfer in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden kontaktieren, um ihm unter gebührender Beachtung seiner Sicherheit Unterstützung anzubieten. Die Mitgliedstaaten können eine solche Kontaktaufnahme von der Zustimmung des Opfers abhängig machen.

(2)   Die zuständigen Behörden bescheiden den Antrag des Opfers auf Schutz und Hilfe unverzüglich und koordiniert.

(3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Behörden Opfer im Kindesalter im Bedarfsfall an Unterstützungsdienste vermitteln können — soweit erforderlich ohne vorherige Zustimmung des Trägers der elterlichen Verantwortung.

(4)   Wenn dies erforderlich ist, um sicherzustellen, dass das Opfer angemessene Unterstützung und angemessenen Schutz erhält, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die zuständigen Behörden die einschlägigen personenbezogenen Daten zum Opfer und zur Situation des Opfers den zuständigen Unterstützungsdiensten übermitteln. Diese Daten werden vertraulich übermittelt. Die Mitgliedstaaten können die Übermittlung dieser Daten von der Zustimmung des Opfers abhängig machen.

(5)   Die Unterstützungsdienste speichern personenbezogene Daten so lange, wie dies für die Erbringung von Unterstützungsdiensten erforderlich ist, höchstens jedoch fünf Jahre nach dem letzten Kontakt zwischen den Unterstützungsdiensten und dem Opfer.

Artikel 19

Eilschutzanordnungen, Kontakt- und Näherungsverbote und Schutzanordnungen

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Behörden in Situationen, in denen eine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit oder Sicherheit des Opfers oder der abhängigen Personen besteht, die Befugnis erhalten, unverzüglich Anordnungen und Verbote gegenüber einem Täter oder Verdächtigen im Kontext einer unter diese Richtlinie fallenden Gewalttat zu erlassen, mit denen dem Täter oder Verdächtigen aufgegeben wird, die Wohnung des Opfers oder der abhängigen Personen für einen ausreichend langen Zeitraum zu verlassen, und es dem Täter oder Verdächtigen untersagt wird, diese Wohnung zu betreten oder sich ihr in einem bestimmten Umkreis zu nähern, den Arbeitsplatz des Opfers zu betreten oder auf jegliche Weise Kontakt mit dem Opfer oder den abhängigen Personen aufzunehmen.

Diese Anordnungen und Verbote haben unmittelbare Wirkung und sind nicht davon abhängig, ob ein Opfer die Straftat meldet oder ob eine individuelle Begutachtung gemäß Artikel 16 eingeleitet wird.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Behörden die Befugnis erhalten, Kontakt- und Näherungsverbote oder Schutzanordnungen zu erlassen, um Opfern so lange wie nötig Schutz vor unter diese Richtlinie fallenden Gewalttaten zu gewähren.

(3)   Ist das Opfer eine erwachsene Person, so können die Mitgliedstaaten im Einklang mit ihrem nationalen Recht vorschreiben, dass Eilschutzanordnungen, Kontakt- und Näherungsverbote und Schutzanordnungen gemäß den Absätzen 1 und 2 auf Antrag des Opfers erlassen werden.

(4)   Sofern dies für die Sicherheit des Opfers von Bedeutung ist, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die zuständigen Behörden die Opfer über die Möglichkeit informieren, Eilschutzanordnungen, Kontakt- und Näherungsverbote oder Schutzanordnungen zu beantragen, sowie über die Möglichkeit, die grenzüberschreitende Anerkennung von Schutzanordnungen nach der Richtlinie 2011/99/EU (17) oder der Verordnung (EU) Nr. 606/2013 (18) des Europäischen Parlaments und des Rates zu beantragen.

(5)   Verstöße gegen Eilschutzanordnungen, Kontakt- und Näherungsverbote oder Schutzanordnungen werden mit wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden strafrechtlichen oder nichtstrafrechtlichen Sanktionen geahndet. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass bei einem solchen Verstoß erforderlichenfalls eine Überprüfung der in Artikel 16 genannten individuellen Begutachtung gemäß Absatz 7 jenes Artikels in Betracht gezogen wird.

(6)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Opfern die Möglichkeit geboten wird, unverzüglich über einen Verstoß gegen eine Eilschutzanordnung, ein Kontakt- und Näherungsverbot oder eine Schutzanordnung informiert zu werden, wenn ein solcher Verstoß Auswirkungen auf ihre Sicherheit haben könnte.

(7)   Dieser Artikel verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht, ihre nationalen Systeme in Bezug auf die straf-, zivil- oder verwaltungsrechtliche Einstufung von Eilschutzanordnungen und Schutzanordnungen zu ändern.

Artikel 20

Schutz des Privatlebens der Opfer

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in Strafverfahren Beweise in Bezug auf das frühere sexuelle Verhalten des Opfers oder andere damit zusammenhängende Aspekte des Privatlebens des Opfers nur zulässig sind, wenn die Beweise relevant und erforderlich sind.

Artikel 21

Leitlinien für Strafverfolgungsbehörden und Staatsanwaltschaften

Die Mitgliedstaaten können Leitlinien für Fälle von Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt für die zuständigen Behörden, die in Strafverfahren tätig sind, herausgeben, darunter Leitlinien für Staatsanwaltschaften. Diese Leitlinien müssen geschlechtersensibel und als Ratschläge gedacht sein und können Hinweise dazu enthalten, wie

a)

sichergestellt werden kann, dass alle Formen von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ordnungsgemäß erkannt werden;

b)

einschlägige Beweismittel, einschließlich Online-Beweismittel, zu erheben und zu sichern sind;

c)

die individuellen Begutachtungen nach den Artikeln 16 und 17 durchzuführen sind, einschließlich des Verfahrens zur Überprüfung solcher Begutachtungen;

d)

mit Fällen umzugehen ist, in denen möglicherweise der Erlass oder die Ausführung von Eilschutzanordnungen, Kontakt- und Näherungsverboten oder Schutzanordnungen erforderlich wird;

e)

Opfer traumasensibel, geschlechtersensibel, behindertengerecht und kindgerecht behandelt werden können und das Recht des Kindes auf rechtliches Gehör sowie das Kindeswohl sicherzustellen sind;

f)

sichergestellt werden kann, dass Opfer respektvoll behandelt werden und Verfahren so durchgeführt werden, dass eine sekundäre Viktimisierung oder Reviktimisierung verhindert wird;

g)

dem erhöhten Schutzbedarf und jeglichem Bedarf an einschlägiger Hilfe gemäß Artikel 33 Absatz 1 von Opfern, die von intersektioneller Diskriminierung betroffen sind, Rechnung zu tragen ist;

h)

Geschlechterstereotype erkannt und vermieden werden;

i)

für alle Opfergruppen im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt sensibilisiert werden kann;

j)

Opfer an spezialisierte Unterstützungsdienste, einschließlich medizinischer Dienste, vermittelt werden können, damit sichergestellt ist, dass Opfer angemessen behandelt werden und dass Fälle von Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt angemessen und unverzüglich behandelt werden; und

k)

sichergestellt werden kann, dass die Privatsphäre und vertrauliche Informationen von Opfern geschützt werden.

Um sicherzustellen, dass die in Absatz 1 genannten Leitlinien entsprechend aktualisiert werden, werden sie erforderlichenfalls im Hinblick auf ihre praktische Anwendung überprüft.

Artikel 22

Rolle nationaler Stellen, einschließlich Gleichbehandlungsstellen

(1)   Die Mitgliedstaaten benennen eine oder mehrere Stellen und treffen die erforderlichen Vorkehrungen, damit diese die folgenden Aufgaben wahrnehmen können:

a)

Veröffentlichung von Berichten und Abgabe von Empfehlungen zu allen Aspekten, die mit Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt zusammenhängen, einschließlich der Sammlung bestehender bewährter Verfahren; und

b)

Austausch verfügbarer Informationen mit einschlägigen europäischen Stellen wie dem Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen.

Für die Zwecke von Unterabsatz 1 können die Mitgliedstaaten Organisationen der Zivilgesellschaft konsultieren.

(2)   Die in Absatz 1 genannten Stellen können Teil von Gleichbehandlungsstellen sein, die gemäß den Richtlinien 2004/113/EG, 2006/54/EG und 2010/41/EU eingerichtet wurden.

Artikel 23

Maßnahmen zur Entfernung von bestimmtem Online-Material

(1)   Unbeschadet der Verordnung (EU) 2022/2065 treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der Öffentlichkeit zugängliches Online-Material nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a und b sowie den Artikeln 7 und 8 der vorliegenden Richtlinie umgehend entfernt oder der Zugang dazu gesperrt wird.

Im Rahmen der Maßnahmen nach Unterabsatz 1 des vorliegenden Absatzes können die zuständigen Behörden verbindliche rechtliche Anordnungen zur Entfernung dieses Materials oder zur Sperrung des Zugangs dazu erlassen. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass solche Anordnungen mindestens die Bedingungen gemäß Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2022/2065 erfüllen.

(2)   Anordnungen nach Absatz 1 Unterabsatz 2 sind an Anbieter von Hostingdiensten zu richten.

In Fällen, in denen keine Entfernung möglich wäre, können die zuständigen Behörden Anordnungen zur Sperrung des Zugangs zu dem betreffenden Material auch an einschlägige Anbieter von Vermittlungsdiensten richten, bei denen es sich nicht um Anbieter von Hostingdiensten handelt, die über die technischen und operativen Fähigkeiten verfügen, Handlungen in Bezug auf das betreffende Material vorzunehmen.

(3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die in Absatz 1 Unterabsatz 2 des vorliegenden Artikels genannten Anordnungen aufgehoben werden und die Adressaten dieser Anordnungen davon in Kenntnis gesetzt werden, wenn ein Strafverfahren im Zusammenhang mit einer Straftat nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a oder b, Artikel 7 oder Artikel 8 eingestellt wird, weil letztlich nicht festgestellt werden konnte, dass eine Straftat begangen wurde.

(4)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die in Absatz 1 genannten Anordnungen und sonstigen Maßnahmen nach transparenten Verfahren erlassen werden und angemessenen Garantien unterliegen, insbesondere um sicherzustellen, dass diese Anordnungen und anderen Maßnahmen auf das notwendige und verhältnismäßige Maß beschränkt sind und den Rechten und Interessen aller einschlägigen Beteiligten, einschließlich ihrer Grundrechte gemäß der Charta, gebührend Rechnung getragen wird.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass von einer Anordnung gemäß Absatz 1 Unterabsatz 2 betroffene Anbieter von Hostingdiensten, andere einschlägige Anbieter von Vermittlungsdiensten und Inhalteanbieter das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf haben. Dieses Recht umfasst das Recht, eine solche Anordnung vor den Gerichten des Mitgliedstaats der zuständigen Behörde, die die Anordnung erlassen hat, anzufechten.

(5)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die einschlägigen von einer Anordnung gemäß Absatz 1 Unterabsatz 2 betroffenen Inhalteanbieter gegebenenfalls von den Anbietern von Hostingdiensten oder von einem anderen betroffenen einschlägigen Anbieter von Vermittlungsdiensten über die Gründe für die Entfernung des Materials oder die Sperrung des Zugangs dazu aufgrund der Anordnungen oder anderen Maßnahmen gemäß Absatz 1 und über die Möglichkeit des Zugangs zu Rechtsbehelfen unterrichtet werden.

(6)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Entfernung des Materials oder die Sperrung des Zugangs dazu aufgrund der Anordnungen oder anderen Maßnahmen nach Absatz 1 die zuständigen Behörden nicht daran hindert, die für die Ermittlung wegen und die strafrechtliche Verfolgung einer Straftat nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a oder b, Artikel 7 oder Artikel 8 erforderlichen Beweise unverzüglich zu erheben oder zu sichern.

Artikel 24

Entschädigung seitens der Straftäter

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Opfer das Recht haben, von den Straftätern im Einklang mit dem nationalen Recht eine vollständige Entschädigung für Schäden zu verlangen, die das Ergebnis von Straftaten der Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt sind.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen soweit dies angemessen ist sicher, dass die Opfer in der Lage sind, im Rahmen des Strafverfahrens eine Entscheidung über die Entschädigung zu erwirken.

KAPITEL 4

OPFERHILFE

Artikel 25

Spezialisierte Unterstützung für Opfer

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass spezialisierte Unterstützungsdienste im Sinne von Artikel 8 Absatz 3 und Artikel 9 Absatz 3 der Richtlinie 2012/29/EU Opfern zur Verfügung stehen, unabhängig davon, ob sie förmlich Anzeige erstattet haben.

Werden spezialisierte Unterstützungsdienste nach Unterabsatz 1 nicht als integrierter Bestandteil der allgemeinen Unterstützungsdienste für Opfer erbracht, so werden allgemeine und spezialisierte Unterstützungsdienste koordiniert.

Die spezialisierten Unterstützungsdienste nach Unterabsatz 1 bieten Folgendes an:

a)

Informationen über die und Unterstützung in den relevanten praktischen Fragen, die sich aus der Straftat ergeben, einschließlich des Zugangs zu Wohnraum, Aus- und Weiterbildung, Kinderbetreuung, finanzieller Unterstützung sowie zu Unterstützung beim Verbleib in einer Beschäftigung oder bei der Arbeitssuche;

b)

Informationen über den Zugang zu Rechtsberatung, einschließlich möglicher Prozesskostenhilfe, sofern verfügbar;

c)

Informationen über und gegebenenfalls Weiterverweisung an Dienste, die medizinische und forensische Untersuchungen durchführen, wozu auch umfassende Gesundheitsdienste gehören können, sowie Informationen über psychosoziale Beratung, einschließlich traumabezogener Behandlung, und gegebenenfalls Vermittlung an diese;

d)

Unterstützung von Opfern von Cyberstraftaten im Sinne der Artikel 5 bis 8, darunter Informationen zur Dokumentation von Cyberstraftaten und zu Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen, die auf die Entfernung von mit der Straftat zusammenhängenden Online-Inhalten abzielen;

e)

Informationen über Unterstützungsdienste für Frauen, Krisenzentren für Opfer von Vergewaltigung, Schutzunterkünfte und Anlaufstellen für Opfer von sexueller Gewalt und gegebenenfalls Vermittlung an diese; und

f)

Informationen über spezialisierte Unterstützungsdienste für Opfer, die einem erhöhten Gewaltrisiko ausgesetzt sind, wozu auch Dienste für die Rehabilitation und die sozioökonomische Integration nach sexueller Ausbeutung gehören können, und gegebenenfalls Vermittlung an diese.

(2)   Die in Absatz 1 genannte spezialisierte Unterstützung wird persönlich angeboten, ist auf die Bedürfnisse der Opfer zugeschnitten und leicht zugänglich und leicht verfügbar, auch online oder durch andere geeignete Mittel wie IKT.

(3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass für die Erbringung der spezialisierten Unterstützungsdienste nach Absatz 1 ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen.

Wenn die spezialisierten Unterstützungsdienste nach Absatz 1 von nichtstaatlichen Organisationen erbracht werden, statten die Mitgliedstaaten diese mit angemessenen Finanzmitteln aus, wobei sie dem Anteil der bereits durch Behörden erbrachten spezialisierten Unterstützungsdienste Rechnung tragen.

(4)   Die Mitgliedstaaten stellen den Schutz und die spezialisierten Unterstützungsdienste bereit, die erforderlich sind, um den vielfältigen Bedürfnissen der Opfer umfassend gerecht zu werden, indem sie diese Dienste, einschließlich jener von nichtstaatlichen Organisationen, in denselben Räumlichkeiten anbieten, indem sie diese Dienste über eine Anlaufstelle koordinieren oder indem sie den Zugang zu diesen Diensten über einen zentralen Online-Zugang erleichtern.

Die in Unterabsatz 1 genannten Dienste umfassen mindestens die medizinische Versorgung aus erster Hand und die Weiterverweisung an weitere medizinische Versorgung, wie sie im nationalen Gesundheitssystem vorgesehen ist, sowie Sozialdienste, psychosoziale Unterstützung, Rechts- und Polizeidienste oder Informationen über solche Dienste und die Vermittlung an diese.

(5)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Leitlinien und Protokolle für Angehörige der Gesundheitsberufe und der Sozialdienste zur Ermittlung und angemessenen Unterstützung der Opfer veröffentlicht werden, einschließlich der Vermittlung der Opfer an die einschlägigen Unterstützungsdienste und der Vermeidung sekundärer Viktimisierung.

In den Leitlinien und Protokollen nach Unterabsatz 1 wird angegeben, wie den besonderen Bedürfnissen von Opfern Rechnung zu tragen ist, die wegen ihrer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, kombiniert mit einer Diskriminierung in Bezug auf einen oder mehrere andere Diskriminierungsgründe einem erhöhten Risiko dieser Art von Gewalt ausgesetzt sind.

Die Leitlinien und Protokolle nach Unterabsatz 1 werden in Zusammenarbeit mit den Anbietern allgemeiner und spezialisierter Unterstützungsdienste auf geschlechterorientierte, traumasensible und kindgerechte Weise entwickelt und werden überprüft und gegebenenfalls aktualisiert, um Änderungen der Rechtsvorschriften und in der Praxis Rechnung zu tragen.

(6)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Leitlinien und Protokolle für Gesundheitsdienste, die medizinische Versorgung aus erster Hand erbringen, zur Identifizierung und angemessenen Unterstützung der Opfer herausgegeben werden.

Die Leitlinien und Protokolle nach Unterabsatz 1 behandeln die Sicherung und Dokumentation von Beweismitteln und deren Weiterleitung an die zuständigen forensischen Zentren gemäß dem nationalen Recht.

(7)   Die Mitgliedstaaten streben an, sicherzustellen, dass spezialisierte Unterstützungsdienste nach Absatz 1 für Opfer in Krisenzeiten — wie Gesundheitskrisen oder anderen Notlagen — weiterhin voll funktionsfähig bleiben.

(8)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass den Opfern vor dem Strafverfahren, während des Strafverfahrens und für einen angemessenen Zeitraum nach dem Strafverfahren spezialisierte Unterstützungsdienste nach Absatz 1 zur Verfügung stehen.

Artikel 26

Spezialisierte Unterstützung für Opfer sexueller Gewalt

(1)   Die Mitgliedstaaten sorgen für angemessen ausgestattete und leicht zugängliche Krisenzentren für Opfer von Vergewaltigung und sexueller Gewalt, die Teil des nationalen Gesundheitssystems sein können, um eine wirksame Unterstützung der Opfer sexueller Gewalt und die klinische Betreuung von Opfern von Vergewaltigung sicherzustellen, darunter auch Hilfe bei der Aufbewahrung und Dokumentation von Beweismitteln.

Die Zentren nach Absatz 1 bieten traumasensible Unterstützung und vermitteln erforderlichenfalls an spezialisierte Traumahilfe und Beratung für Opfer nach der Straftat.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Opfer sexueller Gewalt Zugang zu medizinischen und forensischen Untersuchungen haben. Diese Untersuchungen können in den in diesem Absatz genannten Zentren oder über Weiterverweisung an spezialisierte Zentren oder Stellen zur Verfügung gestellt werden. Die Mitgliedstaaten stellen die Koordinierung zwischen den Zentren, an die sich die Opfer wenden, und den zuständigen medizinischen und forensischen Zentren sicher.

Handelt es sich bei dem Opfer um ein Kind, so werden die in diesem Absatz genannten Dienstleistungen in kindgerechter Weise erbracht.

(2)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Opfer sexueller Gewalt im Einklang mit dem nationalen Recht rechtzeitig Zugang zu Gesundheitsdiensten, einschließlich Diensten im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit, haben.

(3)   Die in den Absätzen 1 und 2 des vorliegenden Artikels genannten Dienste müssen unbeschadet der Dienste, die im Rahmen des nationalen Gesundheitssystems erbracht werden, kostenlos und an jedem Wochentag zugänglich sein. Sie können Teil der in Artikel 25 genannten Dienste sein.

(4)   Die Mitgliedstaaten sorgen für eine ausreichende geografische Verteilung und Kapazität der in den Absätzen 1 und 2 genannten Dienste in ihrem gesamten Hoheitsgebiet.

(5)   Artikel 25 Absätze 3 und 7 gelten für die Unterstützung von Opfern sexueller Gewalt nach dem vorliegenden Artikel.

Artikel 27

Spezialisierte Unterstützung für Opfer der Verstümmelung weiblicher Genitalien

(1)   Die Mitgliedstaaten sorgen für eine wirksame, altersgerechte und leicht zugängliche Unterstützung für Opfer der Verstümmelung weiblicher Genitalien nach Begehung der Straftat und danach so lange wie nötig, unter anderem durch Bereitstellung gynäkologischer, sexualmedizinischer, psychologischer und traumabezogener Hilfe und Beratung, die auf die spezifischen Bedürfnisse dieser Opfer zugeschnitten sind. Dazu gehört auch die Bereitstellung von Informationen über Abteilungen in öffentlichen Krankenhäusern, die chirurgische Eingriffe zur Genital- und Klitorisrekonstruktion durchführen.

Die Unterstützung nach Unterabsatz 1 kann von den in Artikel 26 genannten Krisenzentren oder anderen speziellen Gesundheitszentren geleistet werden.

(2)   Artikel 25 Absätze 3 und 7 und Artikel 26 Absatz 3 gelten für die Unterstützung von Opfern der Verstümmelung weiblicher Genitalien nach dem vorliegenden Artikel.

Artikel 28

Spezialisierte Unterstützung für Opfer sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

In Fällen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, die nach nationalem Recht eine Straftat darstellen, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass Opfern und Arbeitgebern Beratungsdienste zur Verfügung stehen. Diese Dienste umfassen Informationen über den angemessenen Umgang mit solchen Fällen sexueller Belästigung, einschließlich zu Rechtsbehelfen, die zur Entfernung des Täters vom Arbeitsplatz zur Verfügung stehen.

Artikel 29

Helplines für Opfer

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass landesweit kostenlose Telefon-Helplines zur Verfügung stehen, um Opfer rund um die Uhr zu informieren und zu beraten.

Die Helplines nach Unterabsatz 1 können im Einklang mit den nationalen Verfahren von spezialisierten Unterstützungsdiensten betrieben werden.

Die Informationen und Beratung nach Unterabsatz 1 werden vertraulich oder unter gebührender Berücksichtigung der Anonymität des Opfers bereitgestellt.

Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, Helplines nach Unterabsatz 1 auch über andere sichere und zugängliche IKT, darunter Online-Anwendungen, bereitzustellen.

(2)   Die Mitgliedstaaten ergreifen geeignete Maßnahmen, um die Zugänglichkeit der in Absatz 1 dieses Artikels genannten Dienste für Endnutzerinnen mit Behinderungen sicherzustellen; dazu gehört auch die Bereitstellung von Unterstützung in leicht verständlicher Sprache. Diese Dienste müssen im Einklang mit den Barrierefreiheitsanforderungen für elektronische Kommunikationsdienste gemäß Anhang I der Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates (19) barrierefrei sein.

(3)   Die Mitgliedstaaten sollen sicherstellen, dass der in Absatz 1 genannte Dienst in einer Sprache bereitgestellt wird, die die Opfer verstehen können, unter anderem durch Telefondolmetschen.

(4)   Artikel 25 Absätze 3 und 7 gelten für die Bereitstellung von Helplines und Unterstützung durch IKT nach dem vorliegenden Artikel.

(5)   Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, dafür zu sorgen, dass der in Absatz 1 genannte Dienst für Opfer von Gewalt gegen Frauen auf Unionsebene unter der harmonisierten Nummer „116 016“, zusätzlich zu bestehenden nationalen Nummern, erreichbar ist.

(6)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Endnutzer angemessen über die Existenz und die Telefonnummern der Helplines informiert werden, auch im Rahmen regelmäßiger Sensibilisierungskampagnen.

Artikel 30

Unterkunft und sonstige vorläufige Unterbringung

(1)   Die Unterkunft und die sonstige geeignete vorläufige Unterbringung gemäß Artikel 9 Absatz 3 Buchstabe a der Richtlinie 2012/29/EU (im Folgenden „Unterkunft und sonstige geeignete vorläufige Unterbringung“) tragen insbesondere den Bedürfnissen der Opfer häuslicher und sexueller Gewalt Rechnung, auch jener Opfer, die einem erhöhten Gewaltrisiko ausgesetzt sind. Sie unterstützen die Opfer bei ihrer Erholung, indem sie für sichere, leicht zugängliche, angemessene und geeignete Lebensbedingungen im Hinblick auf eine Rückkehr zu einem eigenständigen Leben sorgen und über Unterstützungsdienste und Weiterverweisungen, unter anderem an weitere medizinische Versorgung, informieren.

(2)   Die Unterkunft und die sonstige geeignete vorläufige Unterbringung werden in ausreichender Zahl bereitgestellt und müssen leicht zugänglich und so ausgestattet sein, dass sie den besonderen Bedürfnissen von Frauen gerecht werden, unter anderem indem Schutzunterkünfte ausschließlich für Frauen mit Platz für Kinder zur Verfügung gestellt werden, und dass die Rechte und Bedürfnisse von Kindern, einschließlich minderjähriger Opfer, gewahrt werden.

(3)   Die Unterkunft und die sonstige geeignete vorläufige Unterbringung stehen den Opfern und abhängigen Personen unter 18 Jahren unabhängig von ihrer Nationalität, Staatsbürgerschaft, ihrem Wohnort oder ihrem Aufenthaltsstatus zur Verfügung.

(4)   Artikel 25 Absätze 3 und 7 gelten für die Unterkunft und die sonstige geeignete vorläufige Unterbringung.

Artikel 31

Unterstützung von Opfern im Kindesalter

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Kinder spezifische angemessene Unterstützung erhalten, sobald die zuständigen Behörden berechtigten Grund zur Annahme haben, dass ein Kind möglicherweise Opfer von Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt oder Zeuge dieser Gewalt geworden ist.

Die Unterstützung von Kindern muss spezialisiert und dem Alter, dem Entwicklungsbedarf und der individuellen Situation des Kindes entsprechend sein und dem Wohl des Kindes Rechnung tragen.

(2)   Opfer im Kindesalter erhalten eine altersgerechte medizinische Versorgung, emotionale, psychosoziale, psychologische und pädagogische Unterstützung, die auf den Entwicklungsbedarf und die individuelle Situation des Kindes zugeschnitten ist, sowie jede andere geeignete Unterstützung, die insbesondere auf Situationen häuslicher Gewalt zugeschnitten ist.

(3)   Wenn eine vorübergehende Unterbringung erforderlich ist, werden Kinder, nachdem sie zu der Angelegenheit unter Berücksichtigung ihres Alters und ihrer Reife Stellung genommen haben, vorrangig zusammen mit anderen Familienangehörigen in einer dauerhaften oder vorläufigen Unterkunft, die mit Unterstützungsdiensten ausgestattet ist, untergebracht, insbesondere mit einem nicht gewalttätigen Elternteil oder Träger der elterlichen Verantwortung.

Bei der Beurteilung von Angelegenheiten der vorübergehenden Unterbringung muss der Grundsatz des Kindeswohls den Ausschlag geben.

Artikel 32

Sicherheit von Kindern

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die jeweils zuständigen Behörden Zugang zu Informationen über Gewalt gegen Frauen oder häusliche Gewalt, bei der Kinder involviert sind, haben, soweit dies erforderlich ist, damit diese Informationen bei der Beurteilung des Kindeswohls im Rahmen von Zivilverfahren, die diese Kinder betreffen, berücksichtigt werden können.

(2)   Die Mitgliedstaaten schaffen und unterhalten sichere Orte für den sicheren Kontakt zwischen einem Kind und einem Träger elterlicher Verantwortung, der (möglicherweise) Gewalt gegen Frauen oder häusliche Gewalt begangen hat, sofern der Träger elterlicher Verantwortung ein Umgangsrecht hat. Die Mitgliedstaaten sorgen für die Aufsicht durch geschulte Fachkräfte, soweit dies angemessen ist und dem Wohl des Kindes dient.

Artikel 33

Gezielte Unterstützung von Opfern mit sich überschneidenden Bedürfnissen und von gefährdeten Gruppen

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Opfer, die von intersektioneller Diskriminierung betroffen sind und einem erhöhten Risiko von Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, besondere Unterstützung erhalten.

(2)   Die in den Artikeln 25 bis 30 genannten Unterstützungsdienste müssen über ausreichende Kapazität verfügen, um Opfern mit Behinderungen unter Berücksichtigung ihrer besonderen Bedürfnisse — einschließlich persönlicher Assistenz — gerecht zu werden.

(3)   Die Unterstützungsdienste stehen Drittstaatsangehörigen, die Opfer sind, im Einklang mit dem in Artikel 1 der Richtlinie 2012/29/EU genannten Grundsatz der Nichtdiskriminierung zur Verfügung.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Opfer, die dies beantragen, getrennt von Personen des anderen Geschlechts in Hafteinrichtungen für Drittstaatsangehörige, die sich im Rückkehrverfahren befinden, oder getrennt in Aufnahmeeinrichtungen für Personen, die internationalen Schutz beantragen, untergebracht werden können.

(4)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Personen dem zuständigen Personal Fälle von Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt in Einrichtungen und Aufnahme- und Hafteinrichtungen melden können und dass Verfahren vorhanden sind, um sicherzustellen, dass dieses Personal oder die zuständigen Behörden diese Meldungen im Einklang mit den Anforderungen der Artikel 16, 17 und 18 angemessen und rasch bearbeiten.

KAPITEL 5

PRÄVENTION UND FRÜHZEITIGES EINGREIFEN

Artikel 34

Präventivmaßnahmen

(1)   Die Mitgliedstaaten ergreifen angemessene Maßnahmen zur Verhütung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, indem sie einen ganzheitlichen mehrschichtigen Ansatz verfolgen.

(2)   Zu den Präventivmaßnahmen zählen die Durchführung oder Unterstützung gezielter Sensibilisierungskampagnen oder -programme, die sich an Personen ab einem jungen Alter, richten.

Kampagnen oder Programme nach Unterabsatz 1 können Forschungs- und Bildungsprogramme umfassen, mit denen das Bewusstsein und das Verständnis der breiten Öffentlichkeit für die verschiedenen Erscheinungsformen und Ursachen aller Formen von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, die Notwendigkeit der Verhütung und gegebenenfalls die Folgen dieser Gewalt, insbesondere für Kinder, geschärft werden sollen.

Programme nach Unterabsatz 1 können gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit einschlägigen Organisationen der Zivilgesellschaft, spezialisierten Diensten, Sozialpartnern, betroffenen Gemeinschaften und anderen Interessenträgern entwickelt werden.

(3)   Die Mitgliedstaaten stellen der breiten Öffentlichkeit unter Berücksichtigung der in ihrem Hoheitsgebiet am häufigsten gesprochenen Sprachen Informationen über Präventivmaßnahmen, Opferrechte, den Zugang zur Justiz und zu einem Rechtsbeistand sowie die verfügbaren Schutz- und Unterstützungsmaßnahmen, einschließlich medizinischer Behandlungen, auf leicht zugängliche Weise zur Verfügung.

(4)   Gezielte Maßnahmen richten sich an stark gefährdete Gruppen, darunter die in Artikel 33 Absatz 1 genannten.

Informationen für Kinder sind kindgerecht zu formulieren oder anzupassen. Die Informationen sind Formaten darzustellen, die für Menschen mit Behinderungen zugänglich sind.

(5)   Präventivmaßnahmen zielen insbesondere darauf ab, schädliche Geschlechterstereotypen zu bekämpfen, die Gleichstellung von Frauen und Männern, gegenseitigen Respekt und das Recht auf persönliche Integrität zu fördern und alle Menschen, insbesondere Männer und Jungen, zu ermutigen, als positive Vorbilder zu fungieren und so entsprechende Verhaltensänderungen in der gesamten Gesellschaft im Einklang mit den Zielen dieser Richtlinie zu unterstützen.

(6)   Mit Präventivmaßnahmen sollen Menschen davon abgehalten werden, andere Menschen sexuell auszubeuten, und es soll die Zahl der Opfer sexueller Ausbeutung verringert werden.

(7)   Durch Präventivmaßnahmen soll die Sensibilität gegenüber der schädlichen Praxis der Verstümmelung weiblicher Genitalien und der Zwangsheirat entwickelt oder erhöht werden, wobei die Zahl der Personen zu berücksichtigen ist, die in dem betreffenden Mitgliedstaat von diesen Praktiken bedroht oder davon betroffen sind.

(8)   Die Präventivmaßnahmen richten sich speziell gegen Cyberstraftaten im Sinne der Artikel 5 bis 8. Insbesondere stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass solche Präventivmaßnahmen die Entwicklung digitaler Kompetenzen umfassen, einschließlich einer kritischen Auseinandersetzung mit der digitalen Welt und des kritischen Denkens, damit die Nutzerinnen und Nutzer Fälle von Cybergewalt erkennen und bekämpfen, Unterstützung suchen und diese Gewalt verhindern können.

Die Mitgliedstaaten fördern die multidisziplinäre Zusammenarbeit und die Zusammenarbeit mit Interessenträgern, darunter auch einschlägige Anbieter von Vermittlungsdiensten und zuständigen Behörden, um Maßnahmen zur Bekämpfung von Cyberstraftaten im Sinne der Artikel 5 bis 8 zu entwickeln und umzusetzen.

(9)   Unbeschadet des Artikels 26 der Richtlinie 2006/54/EG ergreifen die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer einschlägigen nationalen Strategien angemessene und geeignete Maßnahmen, um dem Phänomen der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz, wenn es nach nationalem Recht eine Straftat darstellt, entgegenzuwirken. In diesen nationalen Strategien können die gezielten Maßnahmen nach Absatz 2 des vorliegenden Artikels für Sektoren festgelegt werden, in denen die Beschäftigten am stärksten exponiert sind.

Artikel 35

Spezifische Maßnahmen zur Verhinderung von Vergewaltigungen und zur stärkeren Betonung der wesentlichen Rolle des Einverständnisses bei sexuellen Beziehungen

(1)   Die Mitgliedstaaten ergreifen geeignete Maßnahmen, um Änderungen von Verhaltensmustern zu fördern, die auf einem historisch bedingten ungleichen Machtverhältnis zwischen Frauen und Männern begründet sind oder auf stereotypen Rollenbildern von Frauen und Männern beruhen, insbesondere im Zusammenhang mit sexuellen Beziehungen, dem Geschlecht und dem Konzept des Einverständnisses.

Die in Unterabsatz 1 genannten Maßnahmen beruhen auf den Grundsätzen der Gleichstellung der Geschlechter und der Nichtdiskriminierung sowie den Grundrechten und berücksichtigen insbesondere die zentrale Rolle des Einverständnisses bei sexuellen Beziehungen, die freiwillig als Ergebnis des freien Willens der Person erteilt werden muss.

Maßnahmen nach Unterabsatz 1 umfassen Sensibilisierungskampagnen oder -programme, die Bereitstellung und Verbreitung von Material zur Aufklärung über das Konzept des Einverständnisses und die weite Verbreitung von Informationen über Maßnahmen zur Prävention von Vergewaltigungen.

Diese Maßnahmen werden regelmäßig gefördert oder durchgeführt, gegebenenfalls auch in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und nichtstaatlichen Organisationen, insbesondere Frauenorganisationen.

(2)   Die in Absatz 1 Unterabsatz 3 genannten Sensibilisierungskampagnen oder -programme zielen insbesondere darauf ab, das Wissen darüber zu verbessern, dass nicht einverständliche sexuelle Handlungen als Straftat gelten.

(3)   Mit dem Material zur Aufklärung über das Konzept des Einverständnisses gemäß Absatz 1 Unterabsatz 3 soll das Bewusstsein dafür gefördert werden, dass das Einverständnis freiwillig als Ergebnis des freien Willens einer Person, des gegenseitigen Respekts sowie des Rechts auf sexuelle Unversehrtheit und körperliche Autonomie erteilt werden muss. Dieses Material muss an die Entwicklungsfähigkeit der Personen, an die es gerichtet ist, angepasst sein.

(4)   Die in diesem Artikel genannten Informationen werden weit verbreitet, um die Öffentlichkeit über bestehende Maßnahmen zur Prävention von Vergewaltigungen, einschließlich der Verfügbarkeit der Interventionsprogramme gemäß Artikel 37, zu informieren.

Artikel 36

Schulung und Information von Fachkräften

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass öffentliche Bedienstete, die wahrscheinlich mit Opfern in Kontakt kommen, etwa Polizeibeamte und Gerichtspersonal, sowohl allgemeine als auch spezialisierte Schulungen und gezielte Informationen erhalten, die auf ihre Kontakte mit den Opfern abgestimmt sind, damit sie Fälle von Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt erkennen, verhindern und bekämpfen und Opfer in einer trauma- und geschlechtersensiblen sowie kindgerechten Weise behandeln können.

(2)   Die Mitgliedstaaten fördern Schulungen für Angehörige der Gesundheitsberufe, Mitarbeiter der Sozialdienste und pädagogische Fachkräfte, bei denen die Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie mit Opfern in Kontakt kommen, um sie in die Lage zu versetzen, Fälle von Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt zu erkennen und die Opfer an spezialisierte Unterstützungsdienste zu verweisen.

(3)   Unbeschadet der Unabhängigkeit der Justiz und der Unterschiede in der Organisation der Justizsysteme innerhalb der Union ergreifen die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass an Strafverfahren und Ermittlungen beteiligte Richter und Staatsanwälte sowohl allgemeine als auch spezialisierte Schulungen im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erhalten, die auf die Rollen dieser Richter und Staatsanwälte zugeschnitten sind. Solche Schulungen müssen menschenrechtsbasiert, auf die Opfer ausgerichtet, geschlechtersensibel sowie kinder- und behindertengerecht sein.

(4)   Unbeschadet der Unabhängigkeit der der rechtsberatenden Berufe empfehlen die Mitgliedstaaten, dass Personen, die für die Ausbildung von Rechtsanwälten zuständig sind, sowohl allgemeine als auch Fachausbildungen anbieten, um das Bewusstsein von Anwälten für die Bedürfnisse der Opfer zu stärken und um sie zu befähigen, Opfer in einer trauma- und geschlechtersensiblen sowie kindgerechten Weise zu behandeln.

(5)   Einschlägige Angehörige der Gesundheitsberufe, darunter Kinderärzte, Frauenärzte, Geburtshelfer, Hebammen und an der psychologischen Betreuung beteiligtes Gesundheitspersonal erhalten gezielte Schulungen, um die physischen, psychischen und sexuellen Folgen der Verstümmelung weiblicher Genitalien in kultursensibler Weise zu erkennen und zu behandeln.

(6)   Personen mit Aufsichtsfunktionen am Arbeitsplatz — sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor — werden darin geschult, wie sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz — sofern sie nach nationalem Recht eine Straftat darstellt — erkannt, verhindert und bekämpft werden kann. Diese Personen sowie Arbeitgeber erhalten gezielte Informationen über die Auswirkungen von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt auf die Beschäftigung und die Gefahr von Gewalt durch Dritte.

(7)   Die in den Absätzen 1, 2 und 5 genannten Schulungsmaßnahmen umfassen Fortbildungsmaßnahmen zur koordinierten fachgebietsübergreifenden Zusammenarbeit, um bei Fällen von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt einen umfassenden und geeigneten Umgang mit Weiterverweisungen zu ermöglichen.

(8)   Ohne Einschränkung der Medienfreiheit und des Medienpluralismus fördern und unterstützen die Mitgliedstaaten Schulungen zum Umgang mit Medien durch Organisationen von Medienschaffenden, Selbstregulierungseinrichtungen von Medien und Branchenvertreter oder andere einschlägige unabhängige Organisationen, um stereotype Darstellungen von Frauen und Männern, sexistische Bilder von Frauen und Schuldzuweisungen an die Opfer in den Medien zu bekämpfen und so das Risiko von Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt zu verringern.

Schulungsmaßnahmen nach Unterabsatz 1 können von einschlägigen Organisationen der Zivilgesellschaft, nichtstaatlichen Organisationen, die mit Opfern zusammenarbeiten, Sozialpartnern und anderen Interessenträgern durchgeführt werden.

(9)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Behörden, die für die Entgegennahme von Anzeigen von Straftaten seitens der Opfer zuständig sind, angemessen geschult sind, um die Meldung solcher Straftaten zu erleichtern und zu unterstützen und eine sekundäre Viktimisierung zu verhindern.

(10)   Die in den Absätzen 1 bis 5 genannten Schulungsmaßnahmen werden durch geeignete Folgemaßnahmen ergänzt, auch in Bezug auf die in den Artikeln 5 bis 8 genannten Cyberstraftaten, und sie berücksichtigen die Besonderheiten von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Diese Schulungsmaßnahmen können Schulungen dazu umfassen, wie die besonderen Schutz- und Hilfsbedürfnisse von Opfern, die einem erhöhten Risiko von Gewalt ausgesetzt sind, weil sie intersektioneller Diskriminierung ausgesetzt sind, ermittelt und berücksichtigt werden können.

(11)   Die Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 9 werden unbeschadet der Unabhängigkeit der Justiz, der Selbstorganisation reglementierter Berufe und der Unterschiede in der Organisation der Justizsysteme innerhalb der Union durchgeführt.

Artikel 37

Interventionsprogramme

(1)   Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass gezielte Interventionsprogramme eingerichtet werden, um das Risiko von Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt oder von Wiederholungsdelikten zu verhindern und zu minimieren.

(2)   Die Interventionsprogramme gemäß Absatz 1 werden für die Teilnahme von Personen zur Verfügung gestellt, die einen Akt der Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt begangen haben, und können für die Teilnahme anderer Personen zur Verfügung gestellt werden, bei denen davon ausgegangen wird, dass sie solche Straftaten begehen könnten. Dies kann auch Personen einschließen, die das Bedürfnis verspüren, daran teilzunehmen, beispielsweise, weil sie befürchten, dass sie einen Akt der Gewalt gegen Frauen oder der häuslichen Gewalt begehen könnten.

(3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Straftäter, die eine Vergewaltigung begangen haben, an einem Interventionsprogramm gemäß Absatz 1 teilzunehmen.

KAPITEL 6

KOORDINIERUNG UND ZUSAMMENARBEIT

Artikel 38

Koordinierte Strategien und Koordinierungsstelle

(1)   Die Mitgliedstaaten nehmen landesweite wirksame, umfassende und koordinierte politische Strategien an, die alle einschlägigen Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung aller Formen von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt umfassen, und setzen diese um.

(2)   Die Mitgliedstaaten benennen oder errichten eine oder mehrere offizielle Stellen für die Koordinierung, Umsetzung, Beobachtung und Bewertung von Strategien und Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung aller von dieser Richtlinie erfassten Formen von Gewalt.

(3)   Diese Stelle bzw. Stellen nach Absatz 2 koordiniert bzw. koordinieren die in Artikel 44 genannte Datenerhebung und analysiert bzw. analysieren und verbreitet bzw. verbreiten die Ergebnisse solcher Erhebungen.

(4)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Maßnahmen auf zentraler Ebene sowie gegebenenfalls auf regionaler oder lokaler Ebene im Einklang mit der Verteilung der Zuständigkeiten im jeweiligen Mitgliedstaat koordiniert werden.

Artikel 39

Nationale Aktionspläne für die Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt

(1)   Bis zum 14. Juni 2029 verabschieden die Mitgliedstaaten gegebenenfalls in Absprache mit spezialisierten Unterstützungsdiensten nationale Aktionspläne zur Verhütung und Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt.

(2)   Die in Absatz 1 genannten nationalen Aktionspläne können Prioritäten und Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt und Mechanismen zur Überwachung ihrer Ziele, die für die Verwirklichung dieser Prioritäten und Maßnahmen erforderlichen Ressourcen und die Art und Weise der Zuweisung dieser Mittel enthalten.

(3)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die in Absatz 1 genannten nationalen Aktionspläne überprüft und aktualisiert werden, um sicherzustellen, dass sie relevant bleiben.

Artikel 40

Behördenübergreifende Koordinierung und Zusammenarbeit

(1)   Die Mitgliedstaaten richten unter gebührender Berücksichtigung der nationalen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten geeignete Mechanismen ein, um die wirksame Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden, Agenturen und Einrichtungen, einschließlich Bürgerbeauftragter, lokaler und regionaler Behörden, Strafverfolgungsbehörden, Justizbehörden, unbeschadet der Unabhängigkeit der Justiz, Unterstützungsdiensten, insbesondere spezialisierten Unterstützungsdiensten für Frauen, sowie nichtstaatlichen Organisationen, sozialen Diensten, einschließlich Kinderschutz- oder Wohlfahrtsbehörden, Bildungs- und Gesundheitsdienstleistern, den Sozialpartnern, unbeschadet ihrer Autonomie, und anderen einschlägigen Organisationen und Einrichtungen beim Schutz der Opfer vor Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt und bei ihrer Unterstützung zu gewährleisten.

(2)   Die Koordinations- und Kooperationsmechanismen gemäß Absatz 1 des vorliegenden Artikels betreffen, sofern zutreffend, insbesondere die individuellen Begutachtungen nach den Artikeln 16 und 17, die Bereitstellung von Schutz- und Unterstützungsmaßnahmen nach Artikel 19 und Kapitel 4, die Leitlinien mit beratendem Charakter nach Artikel 21 und die Schulungsmaßnahmen für Fachkräfte nach Artikel 36.

Artikel 41

Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Organisationen

Die Mitgliedstaaten arbeiten mit Organisationen der Zivilgesellschaft, einschließlich nichtstaatlichen Organisationen, die mit Opfern arbeiten, zusammen und halten regelmäßige Konsultationen mit ihnen ab, und zwar insbesondere im Hinblick auf: die Bereitstellung angemessener Unterstützung für die Opfer; politische Initiativen; Informations- und Sensibilisierungskampagnen; Forschungs- und Bildungsprogramme; Schulungsmaßnahmen; und die Überwachung und Bewertung der Auswirkungen von Maßnahmen zur Unterstützung und zum Schutz der Opfer.

Artikel 42

Zusammenarbeit zwischen Anbietern von Vermittlungsdiensten

Die Mitgliedstaaten fördern die selbstregulierende Zusammenarbeit zwischen den einschlägigen Anbietern von Vermittlungsdiensten, z. B. die Aufstellung von Verhaltenskodizes.

Die Mitgliedstaaten sensibilisieren für die Selbstregulierungsmaßnahmen, die die einschlägigen Anbieter von Vermittlungsdiensten im Zusammenhang mit dieser Richtlinie erlassen haben, insbesondere für Maßnahmen zur Stärkung der von diesen Anbietern von Vermittlungsdiensten eingeführten Mechanismen zum Vorgehen gegen die in Artikel 25 Absatz 1 genannten Online-Inhalte und zur Verbesserung der Schulung der Beschäftigten im Hinblick auf die Verhütung der in dieser Richtlinie genannten Straftaten sowie auf die Hilfeleistung und Unterstützung von Opfern der in dieser Richtlinie vorgesehenen Straftaten.

Artikel 43

Zusammenarbeit auf Unionsebene

Die Mitgliedstaaten treffen geeignete Maßnahmen, um die Zusammenarbeit untereinander und auf Unionsebene zu erleichtern und damit die Umsetzung dieser Richtlinie zu verbessern. Mit dieser Zusammenarbeit verfolgen die Mitgliedstaaten mindestens folgende Ziele:

a)

Austausch bewährter Verfahren untereinander über bestehende Netze, die sich mit Fragen im Zusammenhang mit Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt befassen, sowie mit Agenturen der Union im Rahmen ihrer jeweiligen Mandate; und

b)

soweit erforderlich gegenseitige Konsultation in Einzelfällen, auch über Eurojust und das Europäische Justizielle Netz für Strafsachen im Rahmen ihrer jeweiligen Mandate;

Artikel 44

Datenerhebung und Forschung

(1)   Die Mitgliedstaaten verfügen über ein System für die Erhebung, Entwicklung, Erstellung und Verbreitung von Statistiken über Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt.

(2)   Die in Absatz 1 genannten Statistiken umfassen mindestens die folgenden vorhandenen Daten, die auf zentraler Ebene verfügbar sind, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, Altersgruppe (Kind/Erwachsener) des Opfers und des Täters, sowie, soweit möglich und relevant, Beziehung zwischen dem Opfer und dem Täter und Art der Straftat:

a)

die jährliche Zahl der gemeldeten Straftaten und Verurteilungen wegen Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt, anhand von Daten der nationalen Verwaltungen,

b)

die Zahl der Opfer, die aufgrund von Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt getötet wurden,

c)

die Zahl und Aufnahmekapazität der Schutzunterkünfte pro Mitgliedstaat und

d)

die Anzahl der bei nationalen Helplines eingegangenen Anrufe.

(3)   Die Mitgliedstaaten bemühen sich, in regelmäßigen Abständen bevölkerungsbezogene Erhebungen durchzuführen, um die Prävalenz und Trends aller unter diese Richtlinie fallenden Formen von Gewalt zu bewerten.

Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission (Eurostat) die Daten, die sich aus den Erhebungen gemäß Unterabsatz 1 ergeben, sobald sie verfügbar sind.

(4)   Um die Vergleichbarkeit und Standardisierung der Verwaltungsdaten in der gesamten Union zu gewährleisten, bemühen sich die Mitgliedstaaten, Verwaltungsdaten auf der Grundlage gemeinsamer Untergliederungen, die in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Institut für Gleichstellungsfragen nach den von diesem gemäß Absatz 5 entwickelten Standards ausgearbeitet wurden, zu erheben. Sie übermitteln diese Daten jährlich an das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen. Die übermittelten Daten dürfen keine personenbezogenen Daten enthalten.

(5)   Das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen unterstützt die Mitgliedstaaten bei der in Absatz 2 genannten Datenerhebung, unter anderem durch die Festlegung gemeinsamer Standards unter Berücksichtigung der in dem genannten Absatz festgelegten Anforderungen.

(6)   Die Mitgliedstaaten stellen die gemäß diesem Artikel erhobenen Statistiken der Öffentlichkeit in einer einfach zugänglichen Weise zur Verfügung. Diese Statistiken dürfen keine personenbezogenen Daten enthalten.

(7)   Mindestens bis zum Ende des Mehrjährigen Finanzrahmens 2021-2027 untersucht die Kommission die Ursachen, die Auswirkungen, die Inzidenz und die Verurteilungsraten im Zusammenhang mit den unter diese Richtlinie fallenden Formen von Gewalt oder unterstützt Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet.

KAPITEL 7

SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 45

Berichterstattung und Überprüfung

(1)   Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission bis zum 14. Juni 2032 alle sachdienlichen Informationen über die Funktionsweise dieser Richtlinie, die die Kommission benötigt, um einen Bericht über die Evaluierung dieser Richtlinie zu erstellen.

(2)   Auf der Grundlage der von den Mitgliedstaaten gemäß Absatz 1 übermittelten Informationen führt die Kommission eine Bewertung der Auswirkungen dieser Richtlinie und der Frage durch, ob das Ziel der Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in der gesamten Union erreicht wurde, und legt dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht vor. In diesem Bericht wird insbesondere bewertet, ob eine Ausweitung des Anwendungsbereichs dieser Richtlinie und die Einführung neuer Straftatbestände erforderlich sind. Dem Bericht wird gegebenenfalls ein Gesetzgebungsvorschlag beifügt.

(3)   Bis zum 14. Juni 2032 bewertet die Kommission, ob weitere Maßnahmen auf Unionsebene erforderlich sind, um sexuelle Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz wirksam zu bekämpfen, wobei sie die geltenden internationalen Übereinkommen, den Rechtsrahmen der Union im Bereich der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen und den Rechtsrahmen für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz berücksichtigt.

Artikel 46

Verhältnis zu anderen Rechtsakten der Union

(1)   Diese Richtlinie berührt nicht die Anwendung der folgenden Rechtsakte:

a)

Richtlinie 2011/36/EU,

b)

Richtlinie 2011/93/EU,

c)

Richtlinie 2011/99/EU,

d)

Richtlinie 2012/29/EU,

e)

Verordnung (EU) Nr. 606/2013,

f)

Verordnung (EU) 2022/2065.

(2)   Die spezifischen Maßnahmen zur Prävention sowie zum Schutz und zur Unterstützung für die Opfer gemäß den Kapiteln 3, 4 und 5 der vorliegenden Richtlinie gelten zusätzlich zu den in den Richtlinien 2011/36/EU, 2011/93/EU und 2012/29/EU festgelegten Maßnahmen.

Artikel 47

Pressefreiheit und Freiheit der Meinungsäußerung in anderen Medien

Diese Richtlinie lässt besondere Haftungsregelungen im Zusammenhang mit den Grundprinzipien der Pressefreiheit und der Freiheit der Meinungsäußerung in geschützten Medien, die ab dem 13. Juni 2024 in den Mitgliedstaaten gelten, unberührt, sofern diese Regelungen unter uneingeschränkter Einhaltung der Charta angewandt werden können.

Artikel 48

Regressionsverbot

Die Umsetzung dieser Richtlinie darf keine Rechtfertigung für eine Senkung des Opferschutzniveaus darstellen. Das Verbot einer solchen Senkung des Schutzniveaus berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten, angesichts sich wandelnder Umstände andere Rechts- oder Verwaltungsvorschriften festzulegen als jene, die am 13. Juni 2024 gelten, sofern die Mindestanforderungen dieser Richtlinie eingehalten werden.

Artikel 49

Umsetzung

(1)   Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie bis zum 14. Juni 2027 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.

Bei Erlass dieser Maßnahmen nehmen die Mitgliedstaaten in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten dieser Bezugnahme.

(2)   Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der nationalen Vorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen.

Artikel 50

Inkrafttreten

Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Artikel 51

Adressaten

Diese Richtlinie ist gemäß den Verträgen an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Geschehen zu Brüssel am 14. Mai 2024.

Im Namen des Europäischen Parlaments

Die Präsidentin

R. METSOLA

Im Namen des Rates

Die Präsidentin

H. LAHBIB


(1)   ABl. C 443 vom 22.11.2022, S. 93.

(2)  Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 24. April 2024 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 7. Mai 2024.

(3)  Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates (ABl. L 101 vom 15.4.2011, S. 1).

(4)  Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates (ABl. L 335 vom 17.12.2011, S. 1).

(5)  Richtlinie 2012/29/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI des Rates (ABl. L 315 vom 14.11.2012, S. 57).

(6)  Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98).

(7)  Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1).

(8)  Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 89).

(9)  Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (ABl. L 373 vom 21.12.2004, S. 37).

(10)  Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl. L 204 vom 26.7.2006, S. 23).

(11)  Richtlinie 2010/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2010 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben, und zur Aufhebung der Richtlinie 86/613/EWG des Rates (ABl. L 180 vom 15.7.2010, S. 1).

(12)  Verordnung (EU) 2022/2065 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG (Gesetz über digitale Dienste) (ABl. L 277 vom 27.10.2022, S. 1).

(13)  Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) (ABl. L 201 vom 31.7.2002, S. 37).

(14)  Verordnung (EU) 2016/794 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol) und zur Ersetzung und Aufhebung der Beschlüsse 2009/371/JI, 2009/934/JI, 2009/935/JI, 2009/936/JI und 2009/968/JI des Rates (ABl. L 135 vom 24.5.2016, S. 53).

(15)  Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 39).

(16)  Verordnung (EU) 2018/1727 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 betreffend die Agentur der Europäischen Union für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (Eurojust) und zur Ersetzung und Aufhebung des Beschlusses 2002/187/JI des Rates (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 138).

(17)  Richtlinie 2011/99/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Europäische Schutzanordnung (ABl. L 338 vom 21.12.2011, S. 2).

(18)  Verordnung (EU) Nr. 606/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juni 2013 über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in Zivilsachen (ABl. L 181 vom 29.6.2013, S. 4).

(19)  Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen (ABl. L 151 vom 7.6.2019, S. 70).


ELI: http://data.europa.eu/eli/dir/2024/1385/oj

ISSN 1977-0642 (electronic edition)