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Amtsblatt
der Europäischen Union

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Reihe L


2024/1347

22.5.2024

VERORDNUNG (EU) 2024/1347 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 14. Mai 2024

über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des gewährten Schutzes, zur Änderung der Richtlinie 2003/109/EG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION –

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 78 Absatz 2 Buchstaben a und b und Artikel 79 Absatz 2 Buchstabe a,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (1),

nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen (2),

gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (3),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (4) wurde in wesentlichen Punkten geändert. Um eine Harmonisierung und mehr Konvergenz bei Asylentscheidungen und hinsichtlich des Inhalts des internationalen Schutzes sicherzustellen und dadurch die Anreize für eine Migration innerhalb der Union zu verringern und die Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, zu veranlassen, in dem Mitgliedstaat zu bleiben, der ihnen Schutz gewährt hat, und die Gleichbehandlung der Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, zu gewährleisten, sollte die genannte Richtlinie aufgehoben und durch eine Verordnung ersetzt werden.

(2)

Eine gemeinsame Asylpolitik einschließlich eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS), das sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 in der durch das New Yorker Protokoll vom 31. Januar 1967 ergänzten Fassung (im Folgenden „Genfer Flüchtlingskonvention“) stützt, ist wesentlicher Bestandteil des Ziels der Union, schrittweise einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts aufzubauen, der allen offensteht, die wegen besonderer Umstände rechtmäßig in der Union um Schutz nachsuchen. Für diese Politik sollte der Grundsatz der Solidarität und der gerechten Aufteilung der Verantwortlichkeiten unter den Mitgliedstaaten, auch in finanzieller Hinsicht, gelten. Die Genfer Flüchtlingskonvention ist die Grundlage des völkerrechtlichen Rahmens für den Schutz von Flüchtlingen.

(3)

Das GEAS stützt sich auf gemeinsame Normen für die Asylverfahren, die Anerkennung und den Schutz auf Unionsebene, im Rahmen der Aufnahme gewährte Vorteile und ein System zur Bestimmung des für die Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaats. Trotz der beim schrittweisen Aufbau des GEAS bislang erzielten Fortschritte bestehen zwischen den Mitgliedstaaten nach wie vor erhebliche Unterschiede in Bezug auf die Verfahren, die Anerkennungsquoten, die Art des gewährten Schutzes, die im Rahmen der Aufnahme gewährten Vorteile und die materiellen Leistungen, die Antragstellern und Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, gewährt werden. Diese Unterschiede könnten zu Sekundärmigration führen und dem Ziel zuwiderlaufen, die Gleichbehandlung aller Antragsteller überall in der Union sicherzustellen.

(4)

Die Kommission legte in ihrer Mitteilung vom 6. April 2016 mit dem Titel „Reformierung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und Erleichterung legaler Wege nach Europa“ ihre Optionen für die Verbesserung des GEAS dar, nämlich die Einführung eines tragfähigen, fairen Systems zur Bestimmung des für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaats, die Stärkung des Eurodac-Systems, die Herstellung größerer Konvergenz im Asylsystem der Union, die Verhinderung von Sekundärbewegungen innerhalb der Union und die Umwandlung des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen in eine Agentur. Diese Mitteilung entspricht den Forderungen des Europäischen Rates vom 18./19. Februar 2016 nach Fortschritten bei der Reform des bestehenden Unionsrahmens, um eine humane und wirksame Asylpolitik zu gewährleisten.

(5)

Da in Artikel 78 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ein einheitlicher Asylstatus und ein gut funktionierendes GEAS gefordert werden, bedarf es erheblicher Fortschritte bei der Konvergenz der nationalen Asylsysteme und insbesondere der unterschiedlichen Anerkennungsquoten und Arten von Schutzstatus in den Mitgliedstaaten. Darüber hinaus sollten die Rechte, die Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, gewährt werden, weiter präzisiert und harmonisiert werden.

(6)

Daher ist eine Verordnung notwendig, um für eine konsequentere Harmonisierung in der gesamten Union zu sorgen und ein höheres Maß an Rechtssicherheit und Transparenz zu erreichen.

(7)

Das wichtigste Ziel dieser Verordnung besteht darin, einerseits zu gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten gemeinsame Kriterien für die Ermittlung der Personen anwenden, die wirklich internationalen Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, in allen Mitgliedstaaten ein gemeinsames Bündel von Rechten zur Verfügung steht.

(8)

Die weitere Angleichung der Vorschriften über Zuerkennung und Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des Status subsidiären Schutzes sollte außerdem dazu beitragen, die Sekundärmigration von Personen, die internationalen Schutz beantragen oder denen internationaler Schutz gewährt wurde, zwischen den Mitgliedstaaten einzudämmen.

(9)

Internationaler Schutz sollte Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen gewährt werden, die in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen und die die Voraussetzungen für internationalen Schutz erfüllen. Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen, die nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, sollte internationaler Schutz nicht gewährt werden. Wird ein nationaler humanitärer Status zuerkannt, so sollte dies in einer Weise geschehen, die nicht die Gefahr einer Verwechslung mit dem Status internationalen Schutzes birgt.

(10)

Die Bestimmungen dieser Verordnung über den Inhalt des internationalen Schutzes, einschließlich der Vorschriften zur Unterbindung von Sekundärmigration, sollten auf die Personen Anwendung finden, denen infolge des erfolgreichen Abschlusses eines Verfahrens der Neuansiedlung oder der Aufnahme aus humanitären Gründen gemäß der Verordnung (EU) 2024/1350 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) internationaler Schutz gewährt wurde.

(11)

Diese Verordnung steht mit den Grundrechten und Grundsätzen im Einklang, die insbesondere in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Charta“) und in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) anerkannt wurden. Sie zielt insbesondere darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung der Menschenwürde und des Asylrechts für Asylbewerber und die sie begleitenden Familienangehörigen zu gewährleisten und die Anwendung der Bestimmungen der Charta über die Würde des Menschen, die Achtung des Privat- und Familienlebens, die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit, das Recht auf Bildung, die Berufsfreiheit und das Recht zu arbeiten, die unternehmerische Freiheit, das Asylrecht, den Schutz bei Abschiebung, Ausweisung und Auslieferung, die Gleichheit vor dem Gesetz, die Nichtdiskriminierung, die Rechte des Kindes, die soziale Sicherheit und die soziale Unterstützung sowie den Gesundheitsschutz zu fördern. Diese Bestimmungen sollten daher entsprechend umgesetzt werden.

(12)

In Bezug auf die Behandlung von Personen, die unter diese Verordnung fallen, sind die Mitgliedstaaten an ihre Verpflichtungen aus den völkerrechtlichen Instrumenten gebunden, deren Vertragspartei sie sind, insbesondere aus denjenigen, die Diskriminierung verbieten.

(13)

Die Bemühungen der Mitgliedstaaten zur Umsetzung der in dieser Verordnung festgelegten Normen, insbesondere die Bemühungen der Mitgliedstaaten, deren Asylsystem vor allem aufgrund ihrer geografischen oder demografischen Lage einem besonderen und unverhältnismäßigen Druck ausgesetzt ist, sollten mit Mitteln des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds, der mit der Verordnung (EU) 2021/1147 des Europäischen Parlaments und des Rates (6) eingerichtet wurde, in geeigneter Weise unterstützt werden. Zwar sollte das grundsätzliche Verbot der Doppelfinanzierung beachtet werden, doch sollten die Mitgliedstaaten auf allen Verwaltungsebenen die Möglichkeiten ausschöpfen, die Fonds bieten, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Asyl- und Migrationspolitik stehen, die jedoch in Anspruch genommen werden könnten, um Maßnahmen in diesem Bereich zu finanzieren.

(14)

Die mit der Verordnung (EU) 2021/2303 des Europäischen Parlaments und des Rates (7) eingerichtete Asylagentur der Europäischen Union (im Folgenden „Asylagentur“) sollte die Anwendung dieser Verordnung in geeigneter Weise unterstützen und zu diesem Zweck insbesondere den Behörden des Mitgliedstaats auf Ersuchen oder mit der Zustimmung des betreffenden Mitgliedstaats Experten zur Seite stellen, die ihnen bei der Entgegennahme, Registrierung und Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz helfen, und aktuelle Informationen über Drittstaaten, insbesondere Informationen über Herkunftsländer, sowie sachdienliche Leitlinien und Instrumente bereitstellen. Bei der Anwendung dieser Verordnung sollten die Behörden der Mitgliedstaaten die von der Asylagentur entwickelten operativen Normen, Indikatoren, Leitlinien und bewährten Verfahren berücksichtigen. Bei der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz sollten die Behörden der Mitgliedstaaten unbeschadet des Umstands, dass bei solchen Prüfungen von Fall zu Fall entschieden wird, die von der Asylagentur und den europäischen Netzen für Drittstaateninformationen auf Unionsebene ausgearbeiteten Informationen, Berichte, gemeinsamen Analysen zur Lage in den Herkunftsländern und Leitlinien nach der Verordnung (EU) 2021/2303 berücksichtigen.

(15)

Bei der Anwendung dieser Verordnung sollte im Einklang mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1989 über die Rechte des Kindes vorrangig das Wohl des Kindes berücksichtigt werden. Bei der Prüfung der Frage, was dem Wohl des Kindes dient, sollten die Behörden der Mitgliedstaaten insbesondere dem Grundsatz der Einheit der Familie, dem Wohlergehen und der sozialen Entwicklung des Minderjährigen, den Sprachkenntnissen, der Sicherheit sowie den Meinungen des Minderjährigen unter angemessener Berücksichtigung seines Alters und seiner Reife gebührend Rechnung tragen.

(16)

Um das Wohl des Kindes und das allgemeine Wohlergehen Minderjähriger zu wahren und um Kontinuität bei der Unterstützung und Vertretung unbegleiteter Minderjähriger zu fördern, sollten die Mitgliedstaaten soweit möglich sicherstellen, dass für einen unbegleiteten Minderjährigen sowohl während des Asylverfahrens als auch nach der Gewährung internationalen Schutzes ein und dieselbe natürliche Person verantwortlich ist.

(17)

Ein volljähriges Kind sollte nach einer Einzelfallprüfung nur dann als abhängig gelten, wenn es sich aufgrund einer körperlichen oder geistigen Einschränkung, die auf eine dauerhafte schwere Krankheit oder eine schwere Behinderung zurückzuführen ist, nicht selbst versorgen kann.

(18)

Die Bestimmungen dieser Verordnung hinsichtlich der Einheit der Familie lassen die von den Mitgliedstaaten anerkannten Werte und Grundsätze unberührt. Bei polygamen Ehen entscheidet der jeweilige Mitgliedstaat, ob er die Bestimmungen hinsichtlich der Einheit der Familie auf polygame Haushalte, wie etwa auf die minderjährigen Kinder eines weiteren Ehepartners und der Person, der internationaler Schutz gewährt wurde, anwendet.

(19)

Die Anwendung der Bestimmungen hinsichtlich der Einheit der Familie sollte immer auf tatsächlichen familiären Beziehungen beruhen und Zwangsehen sowie Ehen oder Partnerschaften, die ausschließlich eingegangen wurden, um der betreffenden Person die Einreise oder den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat zu ermöglichen, ausschließen. Damit Familienangehörige nicht aufgrund des Ortes, an dem eine Familie gegründet wurde, diskriminiert werden, sollte der Begriff Familie auch Familien umfassen, die außerhalb des Herkunftslands, aber vor ihrer Ankunft im Hoheitsgebiet der Union gegründet wurden.

(20)

Wenn ein Mitgliedstaat im Hinblick auf die Einheit der Familie zu dem Schluss kommt, dass das Wohl des Kindes eines verheirateten Minderjährigen am besten durch dessen Eltern gewahrt werden kann, sollte dem Ehepartner dieses Minderjährigen aus dieser Ehe kein Aufenthaltsrecht nach den Bestimmungen dieser Verordnung erwachsen.

(21)

Das Protokoll Nr. 24 über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union, das dem Vertrag über die Europäische Union (EUV) und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) beigefügt ist, bleibt von dieser Verordnung unberührt.

(22)

Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist ein deklaratorischer Akt.

(23)

Konsultationen mit dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) könnten den Behörden der Mitgliedstaaten bei der Feststellung, ob ein Antragsteller als Flüchtling im Sinne von Artikel 1 der Genfer Flüchtlingskonvention zu erachten ist, wertvolle Orientierungshilfe bieten.

(24)

Bei der Prüfung, ob Antragsteller begründete Furcht vor Verfolgung haben oder ihnen tatsächlich ernsthafter Schaden droht und ob stabile und etablierte nichtstaatliche Stellen, einschließlich internationaler Organisationen, einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Hoheitsgebiets beherrschen und Schutz gewähren, und bei der Prüfung, ob Antragsteller in einem anderen Teil ihres Herkunftslandes als ihrem Heimatgebiet Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden erhalten können (interne Schutzalternative), sollte die Asylbehörde unter anderem einschlägige allgemeine Informationen und Empfehlungen des UNHCR berücksichtigen.

(25)

Es sollten Normen für die Bestimmung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft festgelegt werden, um die zuständigen nationalen Einrichtungen der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention zu leiten.

(26)

Es müssen gemeinsame Kriterien für die Anerkennung von Asylbewerbern als Flüchtlinge im Sinne des Artikels 1 der Genfer Flüchtlingskonvention eingeführt werden.

(27)

Werden ein oder mehrere konkrete Aspekte der Aussagen des Antragstellers nicht durch Unterlagen oder andere Beweismittel belegt, sollte im Zweifelsfall zugunsten des Antragstellers entschieden werden, sofern dieser sich offenkundig bemüht hat, ausreichend zu begründen, warum er internationalen Schutz benötigt, alle ihm zur Verfügung stehenden relevanten Angaben vorliegen und eine zufriedenstellende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Angaben gegeben wurde, seine Aussagen kohärent und plausibel sind und seine generelle Glaubwürdigkeit unter Berücksichtigung des Zeitpunkts, zu dem er die Zuerkennung internationalen Schutzes beantragt hat, und gegebenenfalls der Gründe dafür, dass er dies nicht früher getan hat, festgestellt wurde.

(28)

Die Asylbehörde sollte nicht den Schluss ziehen, dass der Antragsteller nur deshalb nicht glaubwürdig ist, weil der Antragsteller sich nicht bei der ersten Gelegenheit, die ihm gegeben wurde, um die Gründe für seine Verfolgung darzulegen, auf die von ihm angegebene sexuelle Ausrichtung berief, es sei denn, es ist offensichtlich, dass der Antragsteller lediglich beabsichtigt, die Vollstreckung einer Entscheidung, die zu seiner Rückkehr führt, aufzuschieben oder zu verhindern.

(29)

Überzeugungen, Glaubensüberzeugungen oder Ausrichtungen des Antragstellers, die Handlungen nach sich ziehen, die eine Grundlage für eine begründete Furcht vor Verfolgung oder einem tatsächlich drohenden ernsthaften Schaden darstellen könnten, sollten auch dann berücksichtigt werden, wenn sie während des Aufenthalts im Herkunftsland vollständig oder teilweise verschwiegen wurden.

(30)

Ist der Antragsteller aufgrund von Umständen, die sich dem Einfluss des Antragstellers entziehen, während des Verfahrens nicht anwesend, gelten die in der Verordnung (EU) 2024/1351 des Europäischen Parlaments und des Rates (8), der Verordnung (EU) 2024/1348 des Europäischen Parlaments und des Rates (9) und der Richtlinie (EU) 2024/1346 des Europäischen Parlaments und des Rates (10) vorgesehenen einschlägigen Bestimmungen und Garantien.

(31)

Insbesondere ist es notwendig, gemeinsame Konzepte für den Schutzbedarf, der aus Nachfluchtgründen („sur place“), Schadens- und Schutzquellen, internen Schutz und Verfolgung einschließlich der Gründe für die Verfolgung, entsteht, einzuführen.

(32)

Schutz kann entweder vom Staat oder von stabilen und etablierten nichtstaatlichen Stellen, einschließlich internationaler Organisationen, geboten werden, die den Staat oder einen wesentlichen Teil seines Hoheitsgebiets beherrschen und die Voraussetzungen dieser Verordnung erfüllen, sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz zu bieten. Ein solcher Schutz sollte wirksam und nicht nur vorübergehender Art sein.

(33)

Geht die Verfolgung oder der ernsthafte Schaden nicht vom Staat oder von Vertretern des Staates aus, sollte die Asylbehörde im Rahmen der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz prüfen, ob eine interne Schutzalternative verfügbar ist, nachdem festgestellt wurde, dass der betreffende Antragsteller die in dieser Verordnung festgelegten Anerkennungskriterien im Übrigen erfüllen würde. Eine interne Schutzalternative vor Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden sollte Antragstellern in einem Teil des Herkunftslandes effektiv zur Verfügung stehen, in den sie sicher und rechtmäßig reisen können, in dem sie aufgenommen werden und bei dem vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie sich dort niederlassen. Den Nachweis für die Verfügbarkeit einer internen Schutzalternative sollte die Asylbehörde erbringen müssen. Legt die Asylbehörde dar, dass eine interne Schutzalternative in Anspruch genommen werden kann, sollten die Antragsteller das Recht haben, ihnen zur Verfügung stehende Beweismittel und Angaben vorzubringen.

(34)

Bei der Prüfung, ob von Antragstellern vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie sich in einem anderen Teil ihres Herkunftslandes niederlassen, sollte die Asylbehörde auch berücksichtigen, ob die Antragsteller in der Lage wären, ihre Grundbedürfnisse in Bezug auf die Versorgung mit Nahrungsmitteln, hygienische Lebensumstände und Wohnraum unter den örtlichen Gegebenheiten in ihrem Herkunftsland zu befriedigen.

(35)

Geht die Verfolgung oder der ernsthafte Schaden vom Staat oder von Vertretern des Staates aus, so sollte eine Vermutung dafür bestehen, dass dem Antragsteller kein wirksamer Schutz zur Verfügung steht; in diesem Fall braucht die Asylbehörde nicht zu prüfen, ob eine interne Schutzalternative verfügbar ist. Die Asylbehörde sollte nur dann prüfen können, ob eine interne Schutzalternative verfügbar ist, wenn eindeutig festgestellt wurde, dass die Gefahr von Verfolgung oder ernsthaftem Schaden von Akteuren ausgeht, deren Macht eindeutig auf ein bestimmtes geografisches Gebiet beschränkt ist, oder wenn der Staat selbst nur einige Teile des betreffenden Landes beherrscht.

(36)

Bei der Prüfung von Anträgen auf der Grundlage von Nachfluchtgründen („sur place“-Anträgen) könnte die Tatsache, dass die Gefahr von Verfolgung oder ernsthaftem Schaden auf Umständen beruht, die nicht Ausdruck oder Fortsetzung von bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugungen oder Ausrichtungen sind, darauf hinweisen, dass es das einzige oder vorrangige Ziel des Antragstellers war, die erforderlichen Umstände für die Beantragung des internationalen Schutzes zu schaffen.

(37)

Je nach Umständen des Einzelfalls können Verfolgungshandlungen, die an das Geschlecht anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind, unter anderem die Rekrutierung Minderjähriger, Genitalverstümmelung, Zwangsehen, Kinderhandel und Kinderarbeit sowie Menschenhandel zu Zwecken der sexuellen Ausbeutung umfassen.

(38)

Verfolgungshandlungen können die Form von unverhältnismäßiger oder diskriminierender Strafverfolgung oder Bestrafung annehmen. Eine derartige unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung kann etwa erfolgen, wenn ein Antragsteller den Militärdienst aus moralischen, religiösen oder politischen Gründen oder aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe oder des Besitzes einer bestimmten Staatsbürgerschaft verweigert.

(39)

Eine der Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention ist das Bestehen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen den Verfolgungsgründen, nämlich Rasse, Religion oder Weltanschauung, Nationalität, politische Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, und den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen.

(40)

Ferner ist es notwendig, eine gemeinsame Begriffsbestimmung für den Verfolgungsgrund „Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe“ einzuführen. Bei der Abgrenzung einer bestimmten sozialen Gruppe sollten mit der sexuellen Ausrichtung oder dem Geschlecht, einschließlich der Geschlechtsidentität und dem Geschlechtsausdruck, des Antragstellers zusammenhängende Fragen, die mit bestimmten Rechtstraditionen und Bräuchen in Verbindung stehen und beispielsweise zu Genitalverstümmelung, Zwangssterilisation oder Zwangsabtreibung führen könnten, angemessen berücksichtigt werden, soweit sie mit der begründeten Furcht des Antragstellers vor Verfolgung im Zusammenhang stehen. Je nach den Umständen des Einzelfalls könnte auch eine Behinderung eine Grundlage für die Definition einer bestimmten sozialen Gruppe darstellen.

(41)

Die Umstände in dem Herkunftsland, wie etwa das Vorhandensein und die Anwendung strafrechtlicher Bestimmungen, die speziell gegen lesbische, schwule, bisexuelle sowie trans- und intergeschlechtliche Personen gerichtet sind, können dazu führen, dass diese Personen als bestimmte soziale Gruppe anzusehen sind.

(42)

Bei der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz sollten die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten die Methoden für die Prüfung der Glaubwürdigkeit eines Antragstellers in einer Weise anwenden, die mit den in der Charta und der EMRK garantierten Rechten dieses Antragstellers, insbesondere dem Recht auf Achtung der Würde des Menschen und des Privat- und Familienlebens, vereinbar ist. Insbesondere was die sexuelle Ausrichtung und Geschlechtsidentität angeht, sollten die Antragsteller nicht detaillierten Befragungen oder Untersuchungen zu ihren sexuellen Praktiken ausgesetzt werden.

(43)

Die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen sind in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt und in ihren Resolutionen zu Antiterrormaßnahmen verankert. In diesen Resolutionen wird unter anderem erklärt, dass die „Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“ und dass die „wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen“.

(44)

Wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass ein Antragsteller eine oder mehrere Handlungen begangen hat, die den in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankerten Zielen und Grundsätzen zuwiderlaufen, ist es für den Zweck der Anwendung der Bestimmungen dieser Verordnung zum Ausschluss von internationalem Schutz nicht erforderlich, festzustellen, dass der Antragsteller wegen einer der in Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates (11) genannten terroristischen Straftaten verurteilt wurde.

(45)

Für den Zweck der Anwendung der Bestimmungen dieser Verordnung zum Ausschluss von internationalem Schutz für einen Antragsteller aufgrund der Begehung von Handlungen, die eine Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung darstellen, wird durch die Tatsache, dass nicht festgestellt wurde, dass ein solcher Antragsteller eine terroristische Handlung gemäß der Definition in den Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen durchgeführt hat, durchführen wollte oder durchzuführen drohte, nicht ausgeschlossen, dass Behörden der Mitgliedstaaten das Verhalten des Antragstellers als den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufend ansehen.

(46)

Für die Einzelprüfung von Tatsachen, anhand deren beurteilt werden könnte, ob schwerwiegende Gründe zu der Annahme berechtigen, dass sich ein Antragsteller Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, zuschulden kommen ließ, zu derartigen Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt hat, sind sowohl der Umstand, dass der Antragsteller in einem Mitgliedstaat wegen der Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung gerichtlich verurteilt wurde, als auch die Feststellung durch ein Gericht, dass der Antragsteller ein führendes Mitglied einer solchen Vereinigung war, von besonderer Bedeutung, und es sollte nicht nachgewiesen werden müssen, dass der Antragsteller zu einer terroristischen Handlung angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt hat.

(47)

Das Begehen einer politischen Straftat ist grundsätzlich kein Grund, der den Ausschluss der Flüchtlingseigenschaft rechtfertigt. Besonders grausame Taten, bei denen die betreffende Handlung in keinem angemessenen Verhältnis zu dem vorgeblichen politischen Ziel steht, und terroristische Handlungen, die durch Gewalt gekennzeichnet sind, auch wenn mit ihnen vorgeblich ein politisches Ziel verfolgt wird, sollten jedoch als schwerwiegende nichtpolitische Straftaten angesehen werden und können daher zu einem Ausschluss der Flüchtlingseigenschaft führen.

(48)

Ferner sollten Normen für die Definition und den Inhalt des Status subsidiären Schutzes festgelegt werden. Der subsidiäre Schutz sollte zusätzlich zu dem in der Genfer Flüchtlingskonvention verankerten Flüchtlingsschutz bestehen und diesen ergänzen. Auch wenn hinsichtlich der Schutzgründe zwischen Flüchtlingseigenschaft und Status subsidiären Schutzes unterschieden wird, könnte der anhaltende Schutzbedarf eine vergleichbare Geltungsdauer haben. Der Inhalt des Schutzes, den die Flüchtlingseigenschaft oder der Status subsidiären Schutzes bieten, kann sich nur dann unterscheiden, wenn dies in dieser Verordnung ausdrücklich vorgesehen ist. Aufgrund dieser Verordnung ist es den Mitgliedstaaten jedoch gestattet, im Rahmen beider Status dieselben Rechte und Leistungen zu gewähren.

(49)

Es müssen gemeinsame Kriterien eingeführt werden, nach denen Personen, die internationalen Schutz beantragen, anerkannt werden als Personen, denen subsidiärer Schutz gewährt wurde. Diese Kriterien sollten aus den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im Rahmen der Menschenrechtsinstrumente und aus den in den Mitgliedstaaten bestehenden Gepflogenheiten abgeleitet werden.

(50)

Für den Zweck der Prüfung eines ernsthaften Schadens, der einen Anspruch des Antragstellers auf subsidiären Schutz begründen könnte, sollte der Begriff „willkürliche Gewalt“ Gewalt umfassen, die gegen Menschen ungeachtet ihrer persönlichen Umstände ausgeübt werden könnte.

(51)

Für die Zwecke der Prüfung eines ernsthaften Schadens ist vom Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts auszugehen, wenn die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist.

(52)

Was den Nachweis angeht, der für die Feststellung einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson erforderlich ist, sollten die Asylbehörden von den Antragstellern nicht verlangen zu beweisen, dass sie aufgrund von Umständen, die mit ihrer persönlichen Situation zusammenhängen, spezifisch betroffen sind. Der Grad willkürlicher Gewalt, mit dem der Antrag begründet werden muss, ist jedoch geringer, wenn die Antragsteller belegen können, dass sie aufgrund von Umständen, die mit ihrer persönlichen Situation zusammenhängen, spezifisch betroffen sind. Darüber hinaus sollte die Asylbehörde eine ernsthafte individuelle Bedrohung ausnahmsweise als festgestellt ansehen, wenn der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass Zivilpersonen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland oder den betreffenden Teil des Herkunftslandes allein durch ihre Anwesenheit dort tatsächlich Gefahr liefen, ernsthaften Schaden zu erleiden.

(53)

Je nach den Gegebenheiten, wie etwa der Länge und dem Zweck des Aufenthalts, könnte eine Reise in das Herkunftsland als Hinweis darauf gedeutet werden, dass Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, erneut den Schutz ihres Herkunftslandes genießen oder sich in ihrem Herkunftsland erneut niedergelassen haben oder dass bei Personen, denen der Status subsidiären Schutzes zuerkannt wurde, die Gründe für die Zuerkennung dieses Status nicht mehr bestehen.

(54)

Gemäß der Verordnung (EU) 2024/1348 sollten die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass die Antragsteller Zugang zu einem wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht gegen eine Ablehnung eines Antrags auf internationalen Schutz durch die Asylbehörde als unbegründet oder gegen den Entzug des internationalen Schutzes durch die Asylbehörde haben. In diesem Zusammenhang sollten die Gründe, die eine Asylbehörde dazu veranlasst haben, einen Antrag auf internationalen Schutz abzulehnen oder einer Person, der der entsprechende Status zuerkannt wurde, den internationalen Schutz zu entziehen, im Rahmen einer Klage gegen diese Ablehnungs- oder Aberkennungsentscheidung von einem zuständigen Gericht eingehend überprüft werden.

(55)

Die Reisedokumente, die Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, nach Inkrafttreten der vorliegenden Verordnung erstmalig ausgestellt oder verlängert werden, sollten der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 des Rates (12) oder gleichwertigen Mindestnormen für Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten entsprechen.

(56)

Die Aufenthaltstitel, die Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, nach Inkrafttreten der vorliegenden Verordnung erstmalig ausgestellt oder verlängert werden, sollten der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 des Rates (13) entsprechen.

(57)

Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, im Zeitraum zwischen der Gewährung des internationalen Schutzes und der Ausstellung eines Aufenthaltstitels tatsächlich Zugang zu allen in dieser Verordnung festgelegten Rechten haben, mit Ausnahme der Freizügigkeit innerhalb der Union und der Ausstellung eines Reisedokuments.

(58)

Familienangehörige laufen wegen ihrer nahen Verwandtschaft mit Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, in der Regel Gefahr, in einer Art und Weise verfolgt zu werden oder ernsthaften Schaden zu erleiden, die einen Grund für die Gewährung internationalen Schutzes darstellen könnte. Zur Wahrung der Einheit der Familie sollten Familienangehörige, die sich im Hoheitsgebiet desselben Mitgliedstaats aufhalten und nicht die Voraussetzungen für die Gewährung internationalen Schutzes erfüllen, einen Anspruch auf Stellung eines Aufenthaltstitels haben. Solche Aufenthaltstitel sollten gewährt werden, es sei denn, die Familienangehörigen fallen unter die Ausschlussgründe oder dies ist aus Gründen der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung erforderlich. Familienangehörige sollten auch Anspruch auf die Rechte haben, die der Person gewährt werden, der internationaler Schutz gewährt wurde, sobald der internationale Schutz gewährt wurde. Wenn der Sachverhalt unter die Richtlinie 2003/86/EG des Rates (14) fällt und die dort festgelegten Voraussetzungen für eine Familienzusammenführung erfüllt sind, sollten den Familienangehörigen der Person, der internationaler Schutz gewährt wurde, die selbst nicht die Voraussetzungen für solchen Schutz erfüllen, unbeschadet der Bestimmungen dieser Verordnung über die Wahrung der Einheit der Familie die Aufenthaltstitel und Rechte nach der genannten Richtlinie gewährt werden. Die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (15) sollte von der Anwendung der vorliegenden Verordnung unberührt bleiben.

(59)

Familienangehörigen von Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, sollten gemäß den nationalen Verfahren Reisedokumente ausgestellt werden.

(60)

Bei der Bewertung einer Änderung der Umstände in einem Drittstaat sollten sich die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der Lage einer Person, der internationaler Schutz gewährt wurde, vergewissern, dass die Akteure, die in diesem Land Schutz bieten können, angemessene Schritte zur Verhinderung von Verfolgung oder ernsthaftem Schaden unternommen haben, dass sie daher unter anderem wirksame Rechtsvorschriften für die Ermittlung, strafrechtliche Verfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, anwenden und dass die Person, der internationaler Schutz gewährt wurde, Zugang zu diesem Schutz hat, wenn die Flüchtlingseigenschaft oder der Status subsidiären Schutzes entzogen wird.

(61)

Bei der Prüfung, ob die Gründe für die Gewährung internationalen Schutzes nicht mehr bestehen, sollte die Asylbehörde alle einschlägigen und verfügbaren nationalen, Unions- und internationalen Quellen für Informationen und Orientierungshilfen, darunter auch die Empfehlungen des UNHCR, berücksichtigen.

(62)

Gilt für einen Antragsteller Artikel 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention über die Gewährung von Schutz oder Beistand durch Organisationen oder Institutionen der Vereinten Nationen mit Ausnahme des UNHCR, sollte die Asylbehörde bei der Prüfung, ob dieser Schutz oder Beistand aus Gründen nicht mehr besteht, die sich dem Einfluss des Antragstellers entziehen und unabhängig von seinem Willen sind, feststellen, ob der Antragsteller gezwungen war, das Tätigkeitsgebiet der jeweiligen Organisation oder Institution zu verlassen, ob die Sicherheit des Antragstellers ernsthaft bedroht war, und ob die jeweilige Organisation oder Institution nicht in der Lage war, entsprechend ihrem Mandat die Lebensumstände des Antragstellers zu gewährleisten.

(63)

Wenn die Flüchtlingseigenschaft oder der Status subsidiären Schutzes nicht mehr besteht, hindert die Entscheidung der Asylbehörde eines Mitgliedstaats, diese Eigenschaft oder diesen Status abzuerkennen, den betreffenden Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen nicht daran, aus anderen Gründen als denjenigen, die die Gewährung internationalen Schutzes gerechtfertigt haben, nach dem einschlägigen Unions- und nationalen Recht einen Aufenthaltstitel zu beantragen oder aus anderen Gründen weiterhin rechtmäßig im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats zu verbleiben, insbesondere wenn er einen gültigen langfristigen Aufenthaltstitel der Union besitzt.

(64)

Eine Entscheidung, internationalen Schutz zu beenden, sollte nicht rückwirkend gelten. Eine Entscheidung, internationalen Schutz abzuerkennen, sollte rückwirkend gelten. Wenn eine Entscheidung darauf beruht, dass ein Erlöschensgrund vorliegt, sollte sie nicht rückwirkend gelten. Wird die Flüchtlingseigenschaft oder der Status subsidiären Schutzes mit der Begründung aberkannt, dass sie bzw. er niemals hätte zuerkannt werden dürfen, können erworbene Rechte nach nationalem Recht gewahrt werden oder verloren gehen.

(65)

Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, sollten sich in dem Mitgliedstaat aufhalten, der ihnen Schutz gewährt. Wenn Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, im Besitz eines gültigen Reisedokuments und eines Aufenthaltstitels eines Mitgliedstaats sind, der den Schengen-Besitzstand uneingeschränkt anwendet, sollten sie nach der Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates (16) und Artikel 21 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen (17) während der zulässigen Aufenthaltsdauer in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, die den Schengen-Besitzstand uneingeschränkt anwenden, einreisen und sich dort frei bewegen können. Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, können nach den einschlägigen Unionsvorschriften und nationalen Vorschriften auch einen Aufenthalt in einem anderen als dem Mitgliedstaat beantragen, der ihnen internationalen Schutz gewährt. Damit ist jedoch keine Übertragung der Flüchtlingseigenschaft oder des Status subsidiären Schutzes und der damit verbundenen Rechte verbunden.

(66)

Um sicherzustellen, dass Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, den genehmigten Aufenthaltszeitraum gemäß den einschlägigen nationalen, Unions- oder völkerrechtlichen Bestimmungen einhalten, sollte die Richtlinie 2003/109/EG des Rates (18) dahin gehend geändert werden, dass der Zeitraum von fünf Jahren, nach dem Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, einen Anspruch auf eine längerfristige Aufenthaltsberechtigung in der Union haben, grundsätzlich jedes Mal von Neuem beginnen sollte, wenn die Person, der internationaler Schutz gewährt wurde, in einem Mitgliedstaat angetroffen wird, in dem sie kein Aufenthaltsrecht hat und der nicht der Mitgliedstaat ist, der ihr internationalen Schutz gewährt.

(67)

Den Behörden der Mitgliedstaaten steht ein gewisser Ermessensspielraum in Bezug auf die Begriffe der öffentlichen Ordnung und der nationalen Sicherheit zu, die gemäß nationalem und Unionsrecht sowie völkerrechtlichen Bestimmungen ausgelegt werden sollten. Vorbehaltlich einer Einzelfallprüfung der jeweiligen Tatsachen können Erwägungen der öffentlichen Ordnung und nationalen Sicherheit auch Fälle erfassen, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder eine solche Vereinigung unterstützt. Bei der Beurteilung, ob ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser eine Bedrohung der nationalen Sicherheit eines Mitgliedstaats darstellt, haben die Behörden des betreffenden Mitgliedstaats das Recht, unter anderem Informationen zu berücksichtigen, die ihnen von anderen Mitgliedstaaten oder Drittstaaten übermittelt wurden.

(68)

Bei der Entscheidung über Ansprüche auf in dieser Verordnung vorgesehene Leistungen sollte eine zuständige Behörde dem Wohl des Kindes sowie den besonderen Umständen der Abhängigkeit der sich bereits in dem betreffenden Mitgliedstaat aufhaltenden nahen Verwandten, die keine Familienangehörigen der Person sind, der internationaler Schutz gewährt wurde, von dieser Person gebührend Rechnung tragen. Unter außergewöhnlichen Umständen, wenn es sich bei einem nahen Verwandten einer Person, der internationaler Schutz gewährt wurde, um einen verheirateten Minderjährigen handelt, der nicht von seinem Ehegatten begleitet wird, könnte es als dem Wohl des Minderjährigen dienlich angesehen werden, in seiner Herkunftsfamilie zu leben.

(69)

Die Mitgliedstaaten sollten in der Lage sein, den Zugang zu einer unselbstständigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit in Bezug auf Stellen zu beschränken, die mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse und der Verantwortung für die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates oder anderer staatlicher Behörden verbunden sind. Im Zusammenhang mit der Ausübung ihres Rechts auf Gleichbehandlung hinsichtlich der Mitgliedschaft in einer Organisation, die Arbeitnehmer oder eine bestimmte Berufsgruppe vertritt, sollte es möglich sein, Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, von der Teilnahme an der Verwaltung von Einrichtungen des öffentlichen Rechts und der Ausübung eines öffentlich-rechtlichen Amtes auszuschließen.

(70)

Wohnbeihilfen sollten insofern als Kernleistung gelten, als sie als Sozialleistung gelten können.

(71)

Damit Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, die in dieser Verordnung festgelegten Rechte und Leistungen tatsächlich in Anspruch nehmen können, muss ihren besonderen Bedürfnissen und den speziellen Integrationsproblemen, denen sie sich gegenübersehen, Rechnung getragen und ihnen der Zugang zu integrationsrelevanten Rechten erleichtert werden, vor allem in Bezug auf beschäftigungsbezogene Bildungsangebote und berufsbildende Maßnahmen sowie den Zugang zu Verfahren für die Anerkennung ausländischer Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstiger Befähigungsnachweise, insbesondere unter Umständen, unter denen keine Nachweise vorliegen oder die mit den Anerkennungsverfahren verbundenen Kosten nicht getragen werden können.

(72)

Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, sollten im Bereich der sozialen Sicherheit wie Staatsangehörige des Mitgliedstaats behandelt werden, der ihnen internationalen Schutz gewährt.

(73)

Für Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, sollten der Zugang zu medizinischer Versorgung, die die physische und psychische Betreuung und die medizinische Versorgung im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit umfasst, gewährleistet werden, sofern die Bürger des Mitgliedstaats, der internationalen Schutz gewährt, ebenfalls Zugang zu diesen Versorgungsleistungen haben.

(74)

Um die Integration von Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, in die Gesellschaft zu erleichtern, sollten sie unter von den Mitgliedstaaten festzulegenden Bedingungen Zugang zu Integrationsmaßnahmen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene haben. Die Mitgliedstaaten sollten erwägen, Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, den Zugang zu Sprachkursen weiterhin zu ermöglichen, sofern ihnen dies als Antragsteller möglich war.

(75)

Um die Anwendung dieser Verordnung wirksam überwachen zu können, bedarf es einer regelmäßigen Evaluierung.

(76)

Da die Ziele dieser Verordnung, nämlich die Festlegung von Normen für die Gewährung internationalen Schutzes für Drittstaatsangehörige und Staatenlose durch die Mitgliedstaaten, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des gewährten Schutzes, von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen des Umfangs und der Wirkungen dieser Verordnung auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 EUV verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.

(77)

Nach den Artikeln 1 und 2 sowie Artikel 4a Absatz 1 des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und unbeschadet des Artikels 4 dieses Protokolls beteiligt sich Irland nicht an der Annahme dieser Verordnung und ist weder durch diese Verordnung gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet.

(78)

Nach den Artikeln 1 und 2 des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Verordnung und ist weder durch diese Verordnung gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet –

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

KAPITEL I

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Artikel 1

Gegenstand

Diese Verordnung enthält Normen für

a)

die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen, denen internationaler Schutz gewährt wird;

b)

einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz;

c)

den Inhalt des gewährten internationalen Schutzes.

Artikel 2

Sachlicher Anwendungsbereich

(1)   Diese Verordnung gilt für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen, denen internationaler Schutz gewährt wird, und für den Inhalt des gewährten internationalen Schutzes.

(2)   Diese Verordnung gilt nicht für nationale humanitäre Status, die die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen zuerkennen, die nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen. Wird ein nationaler humanitärer Status zuerkannt, darf dies nicht die Gefahr einer Verwechslung mit internationalem Schutz bergen.

Artikel 3

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

1.

„Flüchtlingseigenschaft“ die Anerkennung eines Drittstaatsangehörigen oder eines Staatenlosen als Flüchtling durch einen Mitgliedstaat;

2.

„Status subsidiären Schutzes“ die Anerkennung eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen durch einen Mitgliedstaat als Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat;

3.

„internationaler Schutz“ die Flüchtlingseigenschaft oder den Status subsidiären Schutzes;

4.

„Person, der internationaler Schutz gewährt wird bzw. wurde,“ eine Person, der die Flüchtlingseigenschaft oder der Status subsidiären Schutzes zuerkannt wurde;

5.

„Flüchtling“ einen Drittstaatsangehörigen, der sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder einen Staatenlosen, der sich aus denselben vorgenannten Gründen außerhalb des Landes seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts befindet und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht dorthin zurückkehren will, und auf den Artikel 12 keine Anwendung findet;

6.

„Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz“ einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nicht erfüllt, der aber stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass er bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland oder, bei einem Staatenlosen, in das Land seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts tatsächlich Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden im Sinne des Artikels 15 zu erleiden, und auf den Artikel 17 Absätze 1 und 2 keine Anwendung findet und der den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Gefahr nicht in Anspruch nehmen will;

7.

„Antrag auf internationalen Schutz“ das Ersuchen eines Drittstaatsangehörigen oder eines Staatenlosen um Schutz durch einen Mitgliedstaat, bei dem davon ausgegangen werden kann, dass der Antragsteller die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des Status subsidiären Schutzes anstrebt;

8.

„Antragsteller“ einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, über den noch keine unanfechtbare Entscheidung ergangen ist;

9.

„Familienangehörige“ die folgenden Mitglieder der Familie der Person, der internationaler Schutz gewährt wurde, die sich im Zusammenhang mit dem Antrag auf internationalen Schutz im Hoheitsgebiet desselben Mitgliedstaats aufhalten, sofern die Familie bereits vor der Ankunft des Antragstellers im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten bestanden hat:

a)

den Ehegatten der Person, der internationaler Schutz gewährt wurde, oder ihren nicht verheirateten Partner, der mit ihr eine dauerhafte Beziehung führt, soweit nach dem Recht oder den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats nicht verheiratete Paare verheirateten Paaren gleichgestellt sind;

b)

die minderjährigen oder volljährigen abhängigen Kinder des unter Buchstabe a genannten Paares oder der Person, der internationaler Schutz gewährt wurde, sofern sie nicht verheiratet sind, gleichgültig, ob es sich gemäß nationalem Recht um eheliche oder außerehelich geborene oder adoptierte Kinder handelt; Minderjährige gelten — auf der Grundlage einer Einzelfallprüfung — als unverheiratet, sofern ihre Ehe insbesondere hinsichtlich der Ehemündigkeit nicht im Einklang mit dem einschlägigen nationalen Recht stünde, wäre sie in dem betreffenden Mitgliedstaat geschlossen worden;

c)

den Vater, die Mutter oder einen anderen Erwachsenen, der nach dem Recht oder den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats für die Person, der internationaler Schutz gewährt wurde, verantwortlich ist, wenn diese Person minderjährig und nicht verheiratet ist; dies schließt erwachsene Geschwister ein; Minderjährige gelten — auf der Grundlage einer Einzelfallprüfung — als unverheiratet, sofern ihre Ehe insbesondere hinsichtlich der Ehemündigkeit nicht im Einklang mit dem einschlägigen nationalen Recht stünde, wäre sie in dem betreffenden Mitgliedstaat geschlossen worden;

10.

„Minderjähriger“ einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat;

11.

„unbegleiteter Minderjähriger“ einen Minderjährigen, der ohne Begleitung eines für ihn nach dem Recht oder den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats verantwortlichen Erwachsenen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ankommt, solange der Minderjährige sich nicht tatsächlich in der Obhut eines solchen Erwachsenen befindet; dies schließt Minderjährige ein, die nach der Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten dort ohne Begleitung zurückgelassen wurden;

12.

„Aufenthaltstitel“ eine von den Behörden eines Mitgliedstaats in einer in der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 vorgesehenen einheitlichen Gestaltung ausgestellte Genehmigung, die einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen den rechtmäßigen Aufenthalt im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats gestattet;

13.

„Herkunftsland“ das Land oder die Länder der Staatsangehörigkeit oder, bei Staatenlosen, des vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts;

14.

„Entzug des internationalen Schutzes“ eine Entscheidung einer Asylbehörde oder eines zuständigen Gerichts, internationalen Schutz abzuerkennen oder zu beenden, auch indem eine Verlängerung abgelehnt wird;

15.

„Asylbehörde“ eine gerichtsähnliche oder Verwaltungseinrichtung in einem Mitgliedstaat, die für die Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz zuständig und befugt ist, in der Verwaltungsphase des Verfahrens Entscheidungen zu erlassen;

16.

„soziale Sicherheit“ die in Artikel 3 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (19) festgelegten Zweige der sozialen Sicherheit;

17.

„Sozialhilfe“ gewährte Leistungen, mit denen die Deckung der Grundbedürfnisse derjenigen sichergestellt werden soll, die nicht über ausreichende Mittel verfügen;

18.

„Vormund“ eine natürliche Person oder eine Organisation, einschließlich einer öffentlichen Stelle, die von den zuständigen Behörden zur Unterstützung und Vertretung eines unbegleiteten Minderjährigen sowie zum Handeln in dessen Namen benannt wurde, damit dieser unbegleitete Minderjährige seine Rechte bzw. Pflichten gemäß dieser Verordnung wahrnehmen bzw. erfüllen kann, wobei sein Wohl und sein allgemeines Wohlergehen gewahrt werden.

KAPITEL II

PRÜFUNG VON ANTRÄGEN AUF INTERNATIONALEN SCHUTZ

Artikel 4

Darlegung von Informationen und Prüfung der Tatsachen und Umstände

(1)   Die Antragsteller legen alle ihnen zur Verfügung stehenden Angaben dar, die den Antrag auf internationalen Schutz begründen. Zu diesem Zweck kooperieren die Antragsteller umfassend mit der Asylbehörde und anderen zuständigen Behörden und bleiben während des gesamten Verfahrens, auch während der Prüfung der für den jeweiligen Antrag relevanten Angaben, im Hoheitsgebiet des für die Prüfung des jeweiligen Antrags zuständigen Mitgliedstaats präsent und verfügbar.

(2)   Bei den in Absatz 1 genannten Angaben handelt es sich um Folgendes:

a)

die Aussagen des Antragstellers und

b)

alle dem Antragsteller zur Verfügung stehenden Unterlagen zu Folgendem:

i)

den Gründen des Antragstellers für seinen Antrag auf internationalen Schutz,

ii)

dem Alter des Antragstellers,

iii)

dem Hintergrund des Antragstellers, auch der betroffenen Familienangehörigen und sonstigen Verwandten,

iv)

der Identität des Antragstellers,

v)

der/den Staatsangehörigkeit(en) des Antragstellers,

vi)

dem/den Land/Ländern und Ort(en) des früheren Aufenthalts des Antragstellers,

vii)

früheren Anträgen des Antragstellers auf internationalen Schutz,

viii)

den Ergebnissen eines etwaigen Verfahrens zur Neuansiedlung des Antragstellers oder zur Aufnahme des Antragstellers aus humanitären Gründen im Sinne der Verordnung (EU) 2024/1350,

ix)

den Reisewegen des Antragstellers und

x)

den Reisedokumenten des Antragstellers.

(3)   Die Asylbehörde prüft die relevanten Angaben zu einem Antrag auf internationalen Schutz nach Artikel 34 der Verordnung (EU) 2024/1348.

(4)   Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, wird als ernsthafter Hinweis darauf angesehen, dass die Furcht dieses Antragstellers vor Verfolgung begründet ist oder dass er tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass dem Antragsteller erneut solche Verfolgung oder ein solcher Schaden droht.

(5)   Sind ein oder mehrere konkrete Aspekte der Aussagen des Antragstellers nicht durch Unterlagen oder andere Beweismittel belegt, so werden für diese konkreten Aspekte keine zusätzlichen Beweismittel verlangt, wenn

a)

der Antragsteller sich offenkundig bemüht hat, seinen Antrag auf internationalen Schutz zu begründen;

b)

alle dem Antragsteller zur Verfügung stehenden relevanten Angaben vorliegen und eine zufriedenstellende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Angaben gegeben wurde;

c)

festgestellt wurde, dass die Aussagen des Antragstellers kohärent und plausibel sind und zu den verfügbaren besonderen und allgemeinen Informationen, die für seinen Fall relevant sind, nicht im Widerspruch stehen;

d)

die generelle Glaubwürdigkeit des Antragstellers festgestellt worden ist, wobei auch der Zeitpunkt zu berücksichtigen ist, zu dem der Antragsteller internationalen Schutz beantragt hat.

Artikel 5

Aus Nachfluchtgründen entstehender Bedarf an internationalem Schutz

(1)   Die begründete Furcht vor Verfolgung oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, kann auf Folgendem beruhen:

a)

Ereignissen, die eingetreten sind, nachdem der Antragsteller das Herkunftsland verlassen hat, oder

b)

Aktivitäten des Antragstellers nach Verlassen des Herkunftslandes, insbesondere wenn die Aktivitäten, auf die der Antragsteller sich stützt, nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung, Weltanschauung oder Ausrichtung sind.

(2)   Beruht die Gefahr einer Verfolgung oder eines ernsthaften Schadens auf Umständen, die der Antragsteller nach Verlassen des Herkunftslandes zu dem alleinigen oder hauptsächlichen Zweck herbeigeführt hat, die notwendigen Voraussetzungen für die Beantragung der Gewährung des internationalen Schutzes zu schaffen, so kann die Asylbehörde die Gewährung des internationalen Schutzes ablehnen, sofern jede getroffene Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz mit dem Genfer Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 in der durch das New Yorker Protokoll vom 31. Januar 1967 ergänzten Fassung (im Folgenden „Genfer Flüchtlingskonvention“), der EMRK und der Charta vereinbar ist.

Artikel 6

Akteure, von denen Verfolgung oder ein ernsthafter Schaden ausgehen kann

Verfolgung oder ein ernsthafter Schaden kann ausgehen von:

a)

dem Staat;

b)

Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil seines Hoheitsgebiets beherrschen;

c)

nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Artikel 7 Absatz 1 genannten Akteure erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden zu bieten.

Artikel 7

Akteure, die Schutz bieten können

(1)   Nur die folgenden Akteure können Schutz vor Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden bieten, sofern sie in der Lage und willens sind, wirksamen und nicht nur vorübergehenden Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten:

a)

der Staat;

b)

stabile und etablierte nichtstaatliche Stellen, einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil seines Hoheitsgebiets beherrschen.

(2)   Der Schutz vor Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Ein solcher Schutz wird als gewährt angesehen, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte unternehmen, um Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden zu verhindern, unter anderem durch Anwendung wirksamer Rechtsvorschriften für die Aufdeckung, strafrechtliche Verfolgung und Ahndung von Handlungen, die Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, und wenn ein Antragsteller Zugang zu diesem Schutz hat.

(3)   Bei der Prüfung der Frage, ob stabile und etablierte nichtstaatliche Stellen, einschließlich internationaler Organisationen, einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Hoheitsgebiets beherrschen und Schutz im Sinne des Absatzes 2 bieten, berücksichtigt die Asylbehörde genaue und aktuelle Informationen über Herkunftsländer aus einschlägigen und verfügbaren nationalen Quellen, Unionsquellen und internationalen Quellen und, sofern verfügbar, die gemeinsame Analyse zur Lage in bestimmten Herkunftsländern und die Leitfäden nach Artikel 11 der Verordnung (EU) 2021/2303.

Artikel 8

Interne Schutzalternative

(1)   Geht die Verfolgung oder der ernsthafte Schaden nicht vom Staat oder von Vertretern des Staates aus, so prüft die Asylbehörde im Rahmen der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz, ob ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benötigt, da er sicher und rechtmäßig in einen Teil des Herkunftslandes reisen und dort Aufnahme finden kann und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt, und ob der Antragsteller in diesem Teil des Landes

a)

keine begründete Furcht vor Verfolgung hat oder keine tatsächliche Gefahr besteht, dass er einen ernsthaften Schaden erleidet, oder

b)

Zugang zu einem wirksamen und nicht nur vorübergehenden Schutz vor Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden hat.

(2)   Geht die Verfolgung oder der ernsthafte Schaden vom Staat oder von Vertretern des Staates aus, so geht die Asylbehörde davon aus, dass der Antragsteller keinen wirksamen Schutz erhalten kann, und es wird keine Prüfung nach Absatz 1 durchgeführt.

Die Asylbehörde darf nur dann eine Prüfung nach Absatz 1 durchführen, wenn eindeutig festgestellt wurde, dass die Gefahr von Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden von einem Akteur ausgeht, dessen Macht eindeutig auf ein bestimmtes geografisches Gebiet beschränkt ist, oder wenn der Staat selbst nur bestimmte Teile des Landes beherrscht.

(3)   Die Asylbehörde nimmt eine Prüfung nach Absatz 1 vor, sobald sie festgestellt hat, dass der Antragsteller die in dieser Verordnung festgelegten Anerkennungskriterien im Übrigen erfüllen würde. Den Nachweis dafür, dass dem Antragsteller eine Alternative des internen Schutzes zur Verfügung steht, hat die Asylbehörde zu erbringen. Der Antragsteller ist dazu berechtigt, Nachweise und Informationen vorzulegen, die nahelegen, dass eine solche Alternative für seinen Fall nicht besteht. Die Asylbehörde berücksichtigt die vom Antragsteller vorgelegten Nachweise und Informationen.

(4)   Bei der Prüfung der Frage, ob ein Antragsteller eine begründete Furcht vor Verfolgung hat oder tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, oder ob er Zugang zu Schutz vor Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden in einem Teil des Herkunftslandes nach Absatz 1 hat, berücksichtigt die Asylbehörde zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz die allgemeinen Umstände in diesem Teil des Landes und die persönlichen Umstände des Antragstellers nach Artikel 4. Zu diesem Zweck berücksichtigt die Asylbehörde genaue und aktuelle, aus einschlägigen und verfügbaren nationalen Quellen, Unionsquellen und internationalen Quellen stammende Informationen und, sofern verfügbar, die gemeinsame Analyse zur Lage in bestimmten Herkunftsländern und die Leitfäden nach Artikel 11 der Verordnung (EU) 2021/2303.

(5)   Für die Zwecke von Absatz 1 berücksichtigt die Asylbehörde

a)

die allgemeinen Umstände in dem betreffenden Teil des Herkunftslandes, einschließlich Zugänglichkeit, Wirksamkeit und Dauerhaftigkeit des in Artikel 7 genannten Schutzes,

b)

die persönlichen Umstände des Antragstellers hinsichtlich Faktoren wie Gesundheit, Alter, Geschlecht einschließlich Geschlechtsidentität, sexuelle Ausrichtung, ethnische Herkunft und Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit und

c)

die Frage, ob der Antragsteller in der Lage wäre, seine Grundbedürfnisse zu befriedigen.

(6)   Ist der Antragsteller ein unbegleiteter Minderjähriger, so trägt die Asylbehörde dem Wohl des Kindes Rechnung und berücksichtigt insbesondere, ob langfristige und angemessene Betreuungsmöglichkeiten vorhanden sind und Sorgerechtsregelungen bestehen.

KAPITEL III

VORAUSSETZUNGEN FÜR DIE ANERKENNUNG ALS FLÜCHTLING

Artikel 9

Verfolgungshandlungen

(1)   Eine Handlung wird als Verfolgung im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention angesehen, wenn sie

a)

aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend ist, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, oder

b)

in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, besteht, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise wie bei einer Handlung nach Buchstabe a betroffen ist.

(2)   Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

a)

Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt;

b)

gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden;

c)

unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung;

d)

Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung;

e)

Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die in den Anwendungsbereich der Ausschlussgründe des Artikels 12 Absatz 2 fallen;

f)

Handlungen, die an das Geschlecht anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3)   Damit ein Antragsteller die Voraussetzungen für die Anerkennung als „Flüchtling“ nach Artikel 3 Nummer 5 erfüllt, muss ein Zusammenhang zwischen den in Artikel 10 genannten Verfolgungsgründen und den in Absatz 1 des vorliegenden Artikels als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen bestehen.

Artikel 10

Verfolgungsgründe

(1)   Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe ist Folgendes zu berücksichtigen:

a)

der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;

b)

der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind;

c)

der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern umfasst insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird;

d)

der Begriff der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe umfasst insbesondere die Zugehörigkeit zu einer Gruppe,

i)

deren Mitglieder tatsächlich oder nach gemeinhin vertretener Auffassung angeborene Merkmale, einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, oder ein Merkmal oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass die betreffende Person nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und

ii)

die in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;

e)

der Begriff der politischen Überzeugung umfasst insbesondere, dass der Antragsteller in einer Angelegenheit, die die in Artikel 6 genannten potenziellen Verfolger sowie ihre Politik oder ihre Methoden betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob der Antragsteller aufgrund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.

Je nach den Umständen im Herkunftsland umfasst der Begriff der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe gemäß Unterabsatz 1 Buchstabe d auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Ausrichtung gründet. Geschlechtsbezogene Aspekte, einschließlich der Geschlechtsidentität und des Ausdrucks des Geschlechtsausdrucks, sind zum Zweck der Bestimmung der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der Ermittlung eines Merkmals einer solchen Gruppe angemessen zu berücksichtigen.

(2)   Bei der Prüfung der Frage, ob die Furcht eines Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob der Antragsteller tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

(3)   Bei der Prüfung der Frage, ob die Furcht eines Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, kann die Asylbehörde von dem Antragsteller vernünftigerweise nicht erwarten, dass er sich anpasst oder sein Verhalten, seine Überzeugungen oder seine Identität verändert oder von bestimmten Praktiken absieht, um die Gefahr einer Verfolgung in seinem Herkunftsland zu vermeiden, wenn dieses Verhalten, diese Überzeugungen oder diese Praktiken untrennbar mit seiner Identität verbunden sind.

Artikel 11

Erlöschen

(1)   Ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser ist nicht mehr Flüchtling, wenn eine oder mehrere der folgenden Feststellungen auf ihn zutreffen:

a)

der Drittstaatsangehörige hat sich freiwillig erneut dem Schutz des Landes unterstellt, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt;

b)

der Drittstaatsangehörige oder Staatenlose hat nach dem Verlust seiner Staatsangehörigkeit diese freiwillig wiedererlangt;

c)

der Drittstaatsangehörige oder Staatenlose hat eine neue Staatsangehörigkeit erworben und genießt den Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit er erworben hat;

d)

der Drittstaatsangehörige oder Staatenlose ist freiwillig in das Land, das er aus Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder außerhalb dessen er sich aus Furcht vor Verfolgung aufgehalten hat, zurückgekehrt und hat sich dort niedergelassen;

e)

der Drittstaatsangehörige oder Staatenlose kann es nach Wegfall der Umstände, aufgrund deren er als Flüchtling anerkannt wurde, nicht mehr ablehnen, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt;

f)

der Staatenlose kann nach Wegfall der Umstände, aufgrund deren er als Flüchtling anerkannt wurde, in das Land zurückkehren, in dem er seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Unterabsatz 1 Buchstaben e und f findet keine Anwendung auf einen Flüchtling, der sich auf zwingende, auf früherer Verfolgung beruhende Gründe berufen kann, um die Inanspruchnahme des Schutzes des Landes, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, oder, wenn er staatenlos ist, des Landes, in dem er seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, abzulehnen.

(2)   Um zu prüfen, ob Absatz 1 Buchstaben e und f Anwendung finden, berücksichtigt die Asylbehörde

a)

genaue und aktuelle Informationen aus relevanten und verfügbaren nationalen Quellen, Unionsquellen und internationalen Quellen und, sofern verfügbar, die gemeinsame Analyse zur Lage in bestimmten Herkunftsländern und die Leitfäden nach Artikel 11 der Verordnung (EU) 2021/2303;

b)

ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann.

Artikel 12

Ausschluss

(1)   Ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser wird von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen, wenn dieser Drittstaatsangehörige oder Staatenlose

a)

nach Artikel 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge genießt; fällt dieser Schutz oder Beistand aus irgendeinem Grund weg, ohne dass die Lage dieses Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen nach den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, genießt dieser Drittstaatsangehörige oder Staatenlose ipso facto den Schutz dieser Verordnung;

b)

von den zuständigen Behörden des Landes, in dem dieser Drittstaatsangehörige oder Staatenlose seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, die die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Landes verbundenen Rechte und Pflichten oder gleichwertige Rechte und Pflichten hat.

(2)   Ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser wird von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass dieser Drittstaatsangehörige oder Staatenlose

a)

ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen;

b)

eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Aufnahmelandes begangen hat, bevor dieser Drittstaatsangehörige oder Staatenlose als Flüchtling aufgenommen wurde, das heißt vor der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft; besonders grausame Taten können als schwere nichtpolitische Straftaten eingestuft werden, auch wenn mit ihnen vorgeblich ein politisches Ziel verfolgt wird;

c)

sich Handlungen hat zuschulden kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen.

(3)   Absatz 2 findet auch auf Personen Anwendung, die andere zu den dort genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder in sonstiger Weise daran teilnehmen.

(4)   Stellt die Asylbehörde auf der Grundlage einer Prüfung des Schweregrads der von der betreffenden Person begangenen Straftaten oder Handlungen und der individuellen Verantwortung dieser Person und unter Berücksichtigung aller Begleitumstände dieser Straftaten oder Handlungen und der Situation dieser Person fest, dass einer oder mehrere der einschlägigen Ausschlussgründe gemäß Absatz 2 oder 3 vorliegen, schließt sie den Antragsteller von der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus, ohne eine Verhältnismäßigkeitsprüfung in Bezug auf die Furcht vor Verfolgung durchzuführen.

(5)   Nimmt die Asylbehörde im Rahmen der Prüfung gemäß Absatz 4 eine Untersuchung gemäß den Absätzen 2 und 3 in Bezug auf eine minderjährige Person vor, berücksichtigt sie unter anderem, ob die minderjährige Person gemäß dem nationalen Recht zum Strafmündigkeitsalter strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden könnte, wenn die minderjährige Person die Straftat im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats begangen hätte, der den Antrag auf internationalen Schutz prüft.

KAPITEL IV

FLÜCHTLINGSEIGENSCHAFT

Artikel 13

Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

Die Asylbehörde erkennt einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen, der die Voraussetzungen der Kapitel II und III erfüllt, die Flüchtlingseigenschaft zu.

Artikel 14

Entzug der Flüchtlingseigenschaft

(1)   Die Asylbehörde entzieht einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen die Flüchtlingseigenschaft, wenn

a)

dieser Drittstaatsangehörige oder Staatenlose gemäß Artikel 11 nicht länger Flüchtling ist;

b)

dieser Drittstaatsangehörige oder Staatenlose gemäß Artikel 12 von der Anerkennung als Flüchtling hätte ausgeschlossen werden müssen oder ausgeschlossen worden ist;

c)

für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft eine falsche Darstellung von Tatsachen, einschließlich der Verwendung falscher oder gefälschter Dokumente, oder das Verschweigen von Tatsachen seitens dieses Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen ausschlaggebend war;

d)

es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass dieser Drittstaatsangehörige oder Staatenlose eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem dieser Drittstaatsangehörige oder Staatenlose sich aufhält;

e)

dieser Drittstaatsangehörige oder Staatenlose eine Gefahr für die Allgemeinheit des Mitgliedstaats, in dem dieser Drittstaatsangehörige oder Staatenlose sich aufhält, darstellt, weil dieser Drittstaatsangehörige oder Staatenlose wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde;

(2)   In den Fällen, in denen Absatz 1 Buchstaben d und e Anwendung findet, kann die Asylbehörde entscheiden, die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen, wenn noch keine Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergangen ist.

(3)   Personen, auf die Absatz 1 Buchstaben d und e oder Absatz 2 des vorliegenden Artikels Anwendung findet, können die in den Artikeln 3, 4, 16, 22, 31, 32 und 33 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Rechte oder vergleichbare Rechte geltend machen, sofern sie sich in dem betreffenden Mitgliedstaat aufhalten.

(4)   Die Asylbehörde, die die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, weist im Einzelfall nach, dass die Person, der die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, aus den in Absatz 1 des vorliegenden Artikels genannten Gründen nicht länger Flüchtling ist, ihr die Flüchtlingseigenschaft nie hätte zuerkannt werden dürfen oder sie nicht mehr über die Flüchtlingseigenschaft verfügen sollte. Während des Entzugsverfahrens gilt Artikel 66 der Verordnung (EU) 2024/1348.

KAPITEL V

VORAUSSETZUNGEN FÜR SUBSIDIÄREN SCHUTZ

Artikel 15

Ernsthafter Schaden

Als ernsthafter Schaden nach Artikel 3 Nummer 6 gilt

a)

die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,

b)

Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung eines Antragstellers im Herkunftsland oder

c)

eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson durch willkürliche Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

Artikel 16

Erlöschen

(1)   Eine Person mit dem Status subsidiären Schutzes hat nicht länger Anspruch auf subsidiären Schutz, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung dieses Status geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist.

(2)   Bei der Prüfung, ob die Umstände, die zur Zuerkennung des Status subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist,

a)

berücksichtigt die Asylbehörde genaue und aktuelle Informationen aus relevanten und verfügbaren nationalen Quellen, Unionsquellen und internationalen Quellen und, sofern verfügbar, die gemeinsame Analyse zur Lage in bestimmten Herkunftsländern und die Leitfäden nach Artikel 11 der Verordnung (EU) 2021/2303;

b)

berücksichtigt, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Person mit dem Status subsidiären Schutzes nicht länger tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden;

(3)   Absatz 1 findet keine Anwendung auf eine Person mit dem Status subsidiären Schutzes, die sich auf zwingende, auf früher erlittenem ernsthaftem Schaden beruhende Gründe berufen kann, um die Inanspruchnahme des Schutzes des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, oder, wenn sie staatenlos ist, des Landes, in dem sie ihren vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, abzulehnen.

Artikel 17

Ausschluss

(1)   Ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser wird von der Gewährung subsidiären Schutzes ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass dieser Drittstaatsangehörige oder Staatenlose

a)

ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen;

b)

vor seiner Ankunft im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats eine schwere Straftat begangen hat oder nach seiner Ankunft aufgrund einer schweren Straftat verurteilt wurde;

c)

sich Handlungen hat zuschulden kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen;

d)

eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die nationale Sicherheit darstellt.

(2)   Absatz 1 findet auch auf Personen Anwendung, die andere zu den dort genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder in sonstiger Weise daran teilnehmen.

(3)   Ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser wird von der Gewährung subsidiären Schutzes ausgeschlossen, wenn dieser Drittstaatsangehörige oder Staatenlose vor seiner Aufnahme in dem betreffenden Mitgliedstaat eine oder mehrere nicht unter Absatz 1 Buchstaben a, b und c fallende Straftaten begangen hat, die mit Freiheitsstrafe geahndet würden, wenn sie in dem betreffenden Mitgliedstaat begangen worden wären und dieser Drittstaatsangehörige oder Staatenlose sein Herkunftsland nur verlassen hat, um einer Bestrafung wegen dieser Straftaten zu entgehen.

(4)   Sobald die Asylbehörde auf der Grundlage einer Prüfung der Schwere der von der jeweiligen Person begangenen Straftaten oder Handlungen und der individuellen Verantwortung dieser Person und unter Berücksichtigung aller Begleitumstände dieser Straftaten oder Handlungen und der Lage dieser Person festgestellt hat, dass einer oder mehrere der einschlägigen Ausschlussgründe gemäß Absatz 1 oder 2 zutreffen, schließt die Asylbehörde den Antragsteller vom Status subsidiären Schutzes aus, ohne eine Verhältnismäßigkeitsprüfung in Bezug auf die Furcht vor ernsthaftem Schaden durchzuführen.

(5)   Als Teil der Prüfung gemäß Absatz 4 berücksichtigt die Asylbehörde bei der Durchführung einer Prüfung gemäß Absatz 1 in Bezug auf eine minderjährige Person unter anderem, ob sie gemäß dem nationalen Recht zum Strafmündigkeitsalter strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden könnte, wenn sie die Straftat im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats begangen hätte, der den Antrag auf internationalen Schutz prüft, oder ob gegebenenfalls eine Verurteilung wegen einer schweren Straftat nach der Einreise der minderjährigen Person ergangen ist.

KAPITEL VI

STATUS SUBSIDIÄREN SCHUTZES

Artikel 18

Zuerkennung des Status subsidiären Schutzes

Die Asylbehörde erkennt einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen, der die Voraussetzungen für subsidiären Schutz nach den Kapiteln II und V erfüllt, den Status subsidiären Schutzes zu.

Artikel 19

Entzug des Status subsidiären Schutzes

(1)   Die Asylbehörde entzieht einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen den Status subsidiären Schutzes, wenn

a)

dieser Drittstaatsangehörige oder Staatenlose nach Artikel 16 nicht länger Anspruch auf subsidiären Schutz hat;

b)

dieser Drittstaatsangehörige oder Staatenlose nach Zuerkennung des Status subsidiären Schutzes gemäß Artikel 17 von der Gewährung subsidiären Schutzes hätte ausgeschlossen werden müssen oder ausgeschlossen worden ist;

c)

für die Zuerkennung des Status subsidiären Schutzes eine falsche Darstellung von Tatsachen, einschließlich der Verwendung falscher oder gefälschter Dokumente, oder das Verschweigen von Tatsachen seitens dieses Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen ausschlaggebend war.

(2)   Die Asylbehörde, die den Status subsidiären Schutzes zuerkannt hat, weist im Einzelfall nach, dass die Person, der der Status subsidiären Schutzes zuerkannt wurde, aus den in Absatz 1 des vorliegenden Artikels genannten Gründen nicht länger einen Anspruch auf subsidiären Schutz hat oder ihr der Status subsidiären Schutzes nie hätte zuerkannt werden dürfen oder sie nicht länger den Status subsidiären Schutzes genießen sollte. Während des Entzugsverfahrens gilt Artikel 66 der Verordnung (EU) 2024/1348.

KAPITEL VII

INHALT DER MIT DEM INTERNATIONALEN SCHUTZ VERBUNDENEN RECHTE UND PFLICHTEN VON PERSONEN, DENEN DIESER SCHUTZ GEWÄHRT WURDE

ABSCHNITT I

Gemeinsame Bestimmungen

Artikel 20

Allgemeine Vorschriften

(1)   Unbeschadet der in der Genfer Flüchtlingskonvention festgelegten Rechte und Pflichten haben Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, die in diesem Kapitel festgelegten Rechte und Pflichten.

(2)   Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, können die gemäß diesem Kapitel gewährten Rechte in Anspruch nehmen, sobald internationaler Schutz gewährt wurde und so lange wie die Personen die Flüchtlingseigenschaft oder den Status subsidiären Schutzes innehaben.

(3)   Wird der Aufenthaltstitel für eine Person, der internationaler Schutz gewährt wurde, nicht innerhalb von 15 Tagen nach der Gewährung des internationalen Schutzes ausgestellt, ergreift der betreffende Mitgliedstaat vorläufige Maßnahmen, wie etwa eine Registrierung oder die Ausstellung eines Dokuments, damit sichergestellt ist, dass diese Person die in diesem Kapitel genannten Rechte mit Ausnahme der in den Artikeln 25 und 27 genannten Rechte tatsächlich in Anspruch nehmen kann, bis der Aufenthaltstitel gemäß Artikel 24 ausgestellt wird.

(4)   Bei der Anwendung dieses Kapitels und wenn festgestellt wurde, dass eine Person besondere Bedürfnisse hat, wie etwa im Falle eines Minderjährigen, eines unbegleiteten Minderjährigen, einer Person mit einer Behinderung, eines älteren Menschen, einer Schwangeren, eines oder einer Alleinerziehenden mit einem minderjährigen oder einem volljährigen abhängigen Kind, eines Opfers von Menschenhandel, einer Person mit einer schweren körperlichen Erkrankung, einer Person mit einer psychischen Störung oder einer Person, die Folter, Vergewaltigung oder einer anderen schweren Form psychischer, physischer oder sexueller Gewalt ausgesetzt war, berücksichtigen die zuständigen Behörden diese besonderen Bedürfnisse.

(5)   Bei der Anwendung der Minderjährige betreffenden Bestimmungen dieses Kapitels berücksichtigen die zuständigen Behörden vorrangig das Wohl des Kindes.

Artikel 21

Schutz vor Zurückweisung

Der Grundsatz der Nichtzurückweisung wird gemäß dem Unions- und dem Völkerrecht geachtet.

Artikel 22

Information

Die zuständigen Behörden stellen Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, so bald wie möglich nach der Gewährung dieses Schutzes Informationen über die mit der Flüchtlingseigenschaft oder dem Status subsidiären Schutzes verbundenen Rechte und Pflichten zur Verfügung. Diese in Anhang I aufgeführten Informationen

a)

werden in einer Sprache bereitgestellt, die der Betreffende verstehen kann oder von der angenommen werden kann, dass er sie versteht, und

b)

enthalten einen ausdrücklichen Hinweis auf die Folgen der Nichterfüllung der Pflichten aus Artikel 27 über die Freizügigkeit innerhalb der Union.

Artikel 23

Wahrung der Einheit der Familie

(1)   Die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, der einer Person, der internationaler Schutz gewährt wurde, internationalen Schutz gewährt hat, stellen nach den nationalen Verfahren Aufenthaltstitel für diejenigen Familienangehörigen der Person, der internationaler Schutz gewährt wurde, aus, die selbst nicht die Voraussetzungen für die Gewährung des internationalen Schutzes erfüllen und die einen Aufenthaltstitel in diesem Mitgliedstaat beantragen, sofern die Absätze 3, 4 oder 5 dieses Artikels nicht anwendbar sind und soweit dies mit der persönlichen Rechtsstellung des Familienangehörigen vereinbar ist.

(2)   Ein nach Absatz 1 ausgestellter Aufenthaltstitel läuft zum gleichen Datum ab wie der Aufenthaltstitel der Person, der internationaler Schutz gewährt wurde, und seine Gültigkeit kann so lange verlängert werden wie die des Aufenthaltstitels der Person, der internationaler Schutz gewährt wurde. Der dem Familienangehörigen ausgestellte Aufenthaltstitel darf nicht über den Tag hinaus gültig sein, an dem der Aufenthaltstitel der Person, der internationaler Schutz gewährt wurde, abläuft.

(3)   Für einen Familienangehörigen, der gemäß den Bestimmungen der Kapitel III und V von internationalem Schutz ausgeschlossen ist oder wäre, wird kein Aufenthaltstitel nach dieser Verordnung ausgestellt.

(4)   Einem Ehegatten oder einem nicht verheirateten Partner in einer dauerhaften Beziehung wird kein Aufenthaltstitel gemäß dieser Verordnung ausgestellt, wenn ernstzunehmende Hinweise darauf vorliegen, dass die Ehe oder Partnerschaft zu dem alleinigen Zwecke eingegangen wurde, der betreffenden Person die Einreise in den betreffenden Mitgliedstaat oder den Aufenthalt dort zu ermöglichen.

(5)   Ein Aufenthaltstitel wird für einen Familienangehörigen nicht ausgestellt und ein für einen Familienangehörigen bereits ausgestellter Aufenthaltstitel wird entzogen oder nicht verlängert, wenn dies aus Gründen der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf diesen Familienangehörigen erforderlich ist.

(6)   Den Familienangehörigen, denen nach Absatz 1 dieses Artikels ein Aufenthaltstitel ausgestellt wurde, stehen die in den Artikeln 25 bis 32, 34 und 35 genannten Rechte zu.

(7)   Die Mitgliedstaaten können diesen Artikel auf andere nahe Verwandte wie etwa Geschwister anwenden, die vor der Ankunft des Antragstellers im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats innerhalb des Familienverbands lebten und von der Person, der internationaler Schutz gewährt wurde, abhängig sind. Die Mitgliedstaaten können diesen Artikel auf einen verheirateten Minderjährigen anwenden, sofern dies zum Wohle dieses Minderjährigen geschieht.

ABSCHNITT II

Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt

Artikel 24

Aufenthaltstitel

(1)   Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, haben für den Zeitraum, in dem sie über die Flüchtlingseigenschaft oder den Status subsidiären Schutzes verfügen, Anspruch auf einen Aufenthaltstitel.

(2)   So bald wie möglich nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des Status subsidiären Schutzes und spätestens 90 Tage nach der Übermittlung der Entscheidung über die Gewährung des internationalen Schutzes wird ein nach der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 einheitlich gestalteter Aufenthaltstitel ausgestellt.

(3)   Ein Aufenthaltstitel wird unentgeltlich oder gegen eine Gebühr ausgestellt, die nicht höher ist als die von Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaats für die Ausstellung eines Personalausweises zu entrichtende Gebühr.

(4)   Ein Aufenthaltstitel hat zunächst eine Gültigkeitsdauer von mindestens drei Jahren für Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, und von mindestens einem Jahr für Personen, denen der Status subsidiären Schutzes zuerkannt wurde.

Bei Ablauf der Gültigkeitsdauer wird der Aufenthaltstitel um mindestens drei Jahre für Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, und um mindestens zwei Jahre für Personen, denen der Status subsidiären Schutzes zuerkannt wurde, verlängert.

Die Verlängerung von Aufenthaltstiteln wird so ausgeführt, dass der Zeitraum des erlaubten Aufenthalts nicht unterbrochen wird und es nicht zu einer Lücke zwischen dem durch den auslaufenden Aufenthaltstitel und dem durch den verlängerten Aufenthaltstitel abgedeckten Zeitraum kommt, sofern die Person, der internationaler Schutz gewährt wurde, das einschlägige nationale Recht hinsichtlich der verwaltungstechnischen Formalitäten für eine Verlängerung einhält.

(5)   Die zuständigen Behörden können einen Aufenthaltstitel nur dann widerrufen oder seine Verlängerung ablehnen, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft gemäß Artikel 14 oder den Status subsidiären Schutzes gemäß Artikel 19 entzogen haben.

Artikel 25

Reisedokumente

(1)   Sofern nicht zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung im Zusammenhang mit einer Person, der die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, etwas anderes erfordern, stellen die zuständigen Behörden Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, Reisedokumente nach dem in der Anlage zur Genfer Flüchtlingskonvention festgelegten Muster aus, die den Mindestnormen für Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten gemäß der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 entsprechen. Derartige Reisedokumente sind länger als ein Jahr gültig.

(2)   Sofern nicht zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung im Zusammenhang mit einer Person, der der Status subsidiären Schutzes zuerkannt wurde, etwas anderes erfordern, stellen die zuständigen Behörden Personen, denen der Status subsidiären Schutzes zuerkannt wurde und die keinen nationalen Pass erhalten bzw. die die Gültigkeit ihres nationalen Passes nicht verlängern lassen können, Reisedokumente aus, die den Mindestnormen für Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten gemäß der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 entsprechen. Derartige Reisedokumente sind länger als ein Jahr gültig.

(3)   In Ausübung ihrer Verpflichtungen nach den Absätzen 1 und 2 dieses Artikels stellen die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, die die Bestimmungen des Schengen-Besitzstands nicht anwenden, Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, Reisedokumente nach dem in der Anlage zur Genfer Flüchtlingskonvention beschriebenen Muster aus, die den Mindestnormen für Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten entsprechen, die denen der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 gleichwertig sind, wobei die Spezifikationen der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation, insbesondere die Spezifikationen gemäß Dokument 9303 über maschinenlesbare Reisedokumente, berücksichtigt werden.

In Ausübung ihrer Verpflichtungen nach den Absätzen 1 und 2 dieses Artikels stellen die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, die die Bestimmungen des Schengen-Besitzstands nicht anwenden, Personen, denen der Status subsidiären Schutzes zuerkannt wurde und die keinen nationalen Pass erhalten bzw. die die Gültigkeit ihres nationalen Passes nicht verlängern lassen können, Reisedokumente aus, die den Mindestnormen für Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten entsprechen, die denen der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 gleichwertig sind, wobei die Spezifikationen der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation, insbesondere die Spezifikationen gemäß Dokument 9303 über maschinenlesbare Reisedokumente, berücksichtigt werden.

Artikel 26

Freizügigkeit innerhalb des Mitgliedstaats

Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt wurde, genießen im Hoheitsgebiet des ihnen internationalen Schutz gewährenden Mitgliedstaats Freizügigkeit, einschließlich des Rechts, ihren Aufenthaltsort innerhalb von dessen Hoheitsgebiet zu wählen, und zwar zu denselben Bedingungen und mit den gleichen Einschränkungen, wie sie für andere Drittstaatsangehörige vorgesehen sind, die sich rechtmäßig in seinem Hoheitsgebiet aufhalten und sich allgemein gesehen in der gleichen Lage befinden.

Artikel 27

Freizügigkeit in der Union

Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, haben nicht das Recht, sich in einem anderen als dem ihnen internationalen Schutz gewährenden Mitgliedstaat aufzuhalten. Dies gilt unbeschadet ihres Rechts,

a)

einen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat gemäß dessen nationalem Recht oder nach den einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts oder internationaler Übereinkünfte zu beantragen und dort zugelassen zu werden,

b)

und ihres Rechts, sich unter den Voraussetzungen des Artikels 21 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen frei zu bewegen.

ABSCHNITT III

Rechte im Zusammenhang mit der Integration

Artikel 28

Zugang zu Beschäftigung

(1)   Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, haben das Recht, unmittelbar nach Gewährung des Schutzes eine unselbstständige oder selbstständige Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften aufzunehmen, die für den betreffenden Beruf oder für den öffentlichen Dienst allgemein gelten.

(2)   Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, werden in den folgenden Bereichen wie Staatsangehörige des ihnen internationalen Schutz gewährenden Mitgliedstaats behandelt:

a)

Beschäftigungsbedingungen, einschließlich des Mindestbeschäftigungsalters, und Arbeitsbedingungen, unter anderem Arbeitsentgelt und Entlassung, Arbeitszeiten, Urlaub und Feiertage, und Anforderungen an Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz;

b)

Vereinigungs- und Beitrittsfreiheit sowie Mitgliedschaft in einer Organisation, die Arbeitnehmer oder Arbeitgeber vertritt, oder einer sonstigen Organisation, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der von solchen Organisationen angebotenen Rechte und Leistungen;

c)

beschäftigungsbezogene Bildungsangebote für Erwachsene, berufsbildende Maßnahmen, einschließlich Schulungsmaßnahmen zur Weiterqualifizierung und praktische Berufserfahrung am Arbeitsplatz;

d)

Informations- und Beratungsdienste der Arbeitsämter.

(3)   Die zuständigen Behörden erleichtern, falls notwendig, den uneingeschränkten Zugang zu den in Absatz 2 Buchstaben c und d genannten Maßnahmen.

Artikel 29

Zugang zu Bildung

(1)   Minderjährige, denen internationaler Schutz gewährt wurde, sind hinsichtlich des Zugangs zum Bildungssystem den Staatsangehörigen des ihnen internationalen Schutz gewährenden Mitgliedstaats gleichgestellt.

Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, haben — unabhängig davon, ob sie die Volljährigkeit erreichen — weiterhin in gleicher Weise Zugang zum Bildungssystem wie Staatsangehörige des ihnen internationalen Schutz gewährenden Mitgliedstaats, damit sie ihre Sekundarschulbildung abschließen können.

(2)   Erwachsene, denen internationaler Schutz gewährt wurde, haben in gleicher Weise wie Staatsangehörige des ihnen internationalen Schutz gewährenden Mitgliedstaats Zugang zum allgemeinen Bildungssystem, zu beruflicher Fortbildung und zu Umschulung.

Ungeachtet des Unterabsatzes 1 können die zuständigen Behörden Erwachsenen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, die Erteilung von Zuschüssen und Darlehen verweigern, wenn diese Möglichkeit im nationalen Recht vorgesehen ist.

Artikel 30

Zugang zu Verfahren für die Anerkennung von Qualifikationen und die Validierung von Kompetenzen

(1)   Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, werden im Rahmen der bestehenden Verfahren für die Anerkennung ausländischer Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstiger Befähigungsnachweise wie Staatsangehörige des ihnen internationalen Schutz gewährenden Mitgliedstaats behandelt.

(2)   Unbeschadet des Artikels 2 Absatz 2 und des Artikels 3 Absatz 3 der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (20) erleichtern die zuständigen Behörden Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde und die keine Nachweise für ihre Qualifikationen vorlegen können, den uneingeschränkten Zugang zu den in Absatz 1 des vorliegenden Artikels genannten Verfahren.

(3)   Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, werden hinsichtlich des Zugangs zu geeigneten Programmen für die Beurteilung, Validierung und Anerkennung früher erzielter Lernergebnisse und erworbener Erfahrungen wie Staatsangehörige des ihnen internationalen Schutz gewährenden Mitgliedstaats behandelt.

Artikel 31

Soziale Sicherheit und Sozialhilfe

(1)   Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, werden hinsichtlich der sozialen Sicherheit und der Sozialhilfe wie Staatsangehörige des ihnen internationalen Schutz gewährenden Mitgliedstaats behandelt.

Der Zugang zu bestimmten im nationalen Recht vorgesehenen Formen von Sozialhilfeleistungen kann davon abhängig gemacht werden, dass die Person, der internationaler Schutz gewährt wurde, effektiv an Integrationsmaßnahmen teilnimmt, wenn die Teilnahme an solchen Maßnahmen obligatorisch ist, vorausgesetzt, sie sind zugänglich und unentgeltlich.

(2)   Ungeachtet des Absatzes 1 kann die Gleichbehandlung in Bezug auf die Sozialhilfe für Personen, denen der Status subsidiären Schutzes zuerkannt wurde, auf Kernleistungen beschränkt werden, wenn diese Möglichkeit im nationalen Recht vorgesehen ist.

Die Kernleistungen umfassen mindestens Folgendes:

a)

Mindesteinkommensunterstützung;

b)

Unterstützung bei Krankheit oder bei Schwangerschaft;

c)

Unterstützung bei Elternschaft, einschließlich Unterstützung bei der Kinderbetreuung; und

d)

Wohngeld, soweit diese Leistungen Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaats nach nationalem Recht gewährt werden.

Artikel 32

Medizinische Versorgung

(1)   Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, haben unter denselben Voraussetzungen wie Staatsangehörige des ihnen internationalen Schutz gewährenden Mitgliedstaats Zugang zu medizinischer Versorgung.

(2)   Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde und die besondere Bedürfnisse haben, wie Schwangere, Personen mit Behinderungen, Personen, die Folter, Vergewaltigung oder eine andere schwere Form psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, oder Minderjährige, die in irgendeiner Weise Opfer von Missbrauch, Vernachlässigung, Ausbeutung, Folter oder grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder eines bewaffneten Konflikts gewesen sind, erhalten unter denselben Voraussetzungen wie Staatsangehörige des ihnen internationalen Schutz gewährenden Mitgliedstaats eine angemessene medizinische Versorgung, im Bedarfsfall einschließlich einer Behandlung psychischer Störungen.

Artikel 33

Unbegleitete Minderjährige

(1)   So bald wie möglich, nachdem einem unbegleiteten Minderjährigen internationaler Schutz gewährt wurde, ergreifen die zuständigen Behörden die notwendigen Maßnahmen, um gemäß den nationalen Bestimmungen einen Vormund zu bestellen.

Die zuständigen Behörden können die bereits als Vertreter gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2024/1348 oder gemäß Artikel 27 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2024/1346 benannte Person auch zum Vormund bestellen, ohne dass eine formale erneute Bestellung erfolgen muss.

Die in Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2024/1348 bzw. Artikel 27 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2024/1346 genannten Vertreter bleiben für unbegleitete Minderjährige verantwortlich, bis ein Vormund bestellt wird.

Organisationen oder natürliche Personen, deren Interessen denen des unbegleiteten Minderjährigen zuwiderlaufen oder zuwiderlaufen könnten, dürfen nicht zum Vormund dieses unbegleiteten Minderjährigen bestellt werden.

Wird eine Organisation zum Vormund bestellt, so bezeichnet sie so bald wie möglich eine natürliche Person, die bezüglich des unbegleiteten Minderjährigen die Aufgaben des Vormunds im Einklang mit dieser Verordnung wahrnimmt.

(2)   Für die Zwecke dieser Verordnung und im Hinblick auf den Schutz des Wohls des Kindes und des allgemeinen Wohlergehens des unbegleiteten Minderjährigen hat der bestellte Vormund die Aufgabe,

a)

dafür zu sorgen, dass der unbegleitete Minderjährige alle Rechte aus dieser Verordnung in Anspruch nehmen kann,

b)

den unbegleiteten Minderjährigen im Fall des Entzugs der Flüchtlingseigenschaft oder des Status subsidiären Schutzes zu unterstützen und bei Bedarf zu vertreten und

c)

ihn bei Bedarf bei der Suche nach Familienangehörigen gemäß Absatz 7 zu unterstützen.

Ein Vormund

a)

muss über die erforderliche Sachkenntnis verfügen und zu Beginn seiner Tätigkeit und in ihrem Verlauf auf angemessene Art und Weise in Bezug auf die Rechte und Bedürfnisse unbegleiteter Minderjähriger geschult werden, auch im Hinblick auf jegliche zum Schutz von Kindern geltenden Bestimmungen,

b)

unterliegt in Bezug auf die Informationen, die er durch seine Arbeit erhält, gemäß dem nationalen Recht über die Schweigepflicht,

c)

darf ausweislich des Strafregisters keine Straftaten zulasten von Kindern sowie keine Straftaten begangen haben, die erhebliche Zweifel an seiner Fähigkeit aufkommen lassen, eine verantwortungsvolle Aufgabe im Zusammenhang mit Kindern zu übernehmen.

(3)   Die zuständigen Behörden bestellen einen Vormund, der eine verhältnismäßige und nicht zu große Anzahl unbegleiteter Minderjähriger vertritt, sodass sichergestellt ist, dass er seinen Aufgaben effektiv gerecht werden kann und die unbegleiteten Minderjährigen ihre Rechte und Leistungen wirksam in Anspruch nehmen können.

(4)   Gemäß dem nationalen Recht stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass Einrichtungen, etwa ein Organ der Rechtspflege, oder Personen vorhanden sind, die für die ständige Beaufsichtigung und Kontrolle von Vormündern zuständig sind, um sicherzustellen, dass die Vormünder ihre Aufgaben auf zufriedenstellende Art und Weise wahrnehmen.

Die in Unterabsatz 1 genannten Einrichtungen und Personen überprüfen die Leistung der Vormünder, insbesondere wenn es Hinweise darauf gibt, dass die Vormünder ihre Aufgaben nicht auf zufriedenstellende Art und Weise wahrnehmen. Diese Einrichtungen und Personen müssen Beschwerden unbegleiteter Minderjähriger über ihren Vormund unverzüglich prüfen.

Erforderlichenfalls ersetzen die zuständigen Behörden eine Person, die als Vormund handelt, insbesondere wenn sie der Auffassung sind, dass diese natürliche Person ihre Aufgaben nicht angemessen erfüllt hat.

Die zuständigen Behörden machen unbegleiteten Minderjährigen in einer ihrem Alter angemessenen Weise und so, dass sie diese Informationen verstehen, deutlich, wie sie auf vertrauliche und sichere Art und Weise eine Beschwerde gegen ihren Vormund vorbringen können.

(5)   Unbegleitete Minderjährige werden von den zuständigen Behörden unter Berücksichtigung des Wohls des Kindes wie folgt untergebracht:

a)

bei einem erwachsenen Verwandten,

b)

in einer Pflegefamilie,

c)

in speziellen Einrichtungen für die Unterbringung Minderjähriger oder

d)

in anderen für Minderjährige geeigneten Unterkünften.

Den Meinungen des unbegleiteten Minderjährigen wird entsprechend seinem Alter und seiner Reife Rechnung getragen.

(6)   Geschwister werden möglichst zusammen gehalten, wobei das Wohl der betreffenden unbegleiteten Minderjährigen, insbesondere ihr Alter und ihre Reife, zu berücksichtigen ist. Wechsel des Aufenthaltsorts sind bei unbegleiteten Minderjährigen auf ein Minimum zu beschränken.

(7)   Hat die Suche nach Familienangehörigen eines unbegleiteten Minderjährigen begonnen, bevor ihm internationaler Schutz gewährt wurde, so wird sie auch nach Gewährung des internationalen Schutzes fortgesetzt. Wurde mit der Suche nach Familienangehörigen noch nicht begonnen, so beginnt sie so bald wie möglich nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des Status subsidiären Schutzes, sofern dies dem Wohl des Minderjährigen entspricht.

Könnte das Leben oder die Unversehrtheit des Minderjährigen oder seiner nahen Verwandten bedroht sein, insbesondere wenn diese im Herkunftsland geblieben sind, so ist darauf zu achten, dass die Erfassung, Verarbeitung und Weitergabe von Informationen über diese Personen vertraulich erfolgt, damit ihre Sicherheit nicht gefährdet wird.

Artikel 34

Zugang zu Unterbringung

(1)   Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, haben zu mindestens denselben Bedingungen wie andere Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats aufhalten, der ihnen internationalen Schutz gewährt hat, und sich allgemein gesehen in der gleichen Lage befinden, Zugang zu Unterbringung.

(2)   Bei nationalen Mechanismen zur Verteilung von Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, muss sichergestellt sein, dass ihnen Gleichbehandlung zuteilwird, es sei denn, eine unterschiedliche Behandlung ist objektiv gerechtfertigt. Bei derlei nationalen Mechanismen muss die Chancengleichheit beim Zugang zu Unterbringung sichergestellt sein.

Artikel 35

Zugang zu Integrationsmaßnahmen

(1)   Zur Förderung und Erleichterung der Integration von Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, in die Gesellschaft des Mitgliedstaats, der ihnen internationalen Schutz gewährt hat, haben diese Personen Zugang zu den von den Mitgliedstaaten angebotenen oder geförderten Integrationsmaßnahmen, bei denen ihre spezifischen Bedürfnisse berücksichtigt werden und die von den zuständigen Behörden für angemessen gehalten werden, insbesondere zu Sprachkursen, Staatsbürgerkunde- und Integrationsprogrammen sowie berufsbildenden Maßnahmen.

(2)   Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, nehmen an Integrationsmaßnahmen teil, wenn die Teilnahme in dem Mitgliedstaat, der ihnen internationalen Schutz gewährt hat, verpflichtend ist. Derartige Integrationsmaßnahmen sind zugänglich und kostenlos.

(3)   Abweichend von Absatz 2 des vorliegenden Artikels und unbeschadet Artikel 31 Absatz 1 Unterabsatz 2 können die Mitgliedstaaten für bestimmte verpflichtende Integrationsmaßnahmen eine Gebühr erheben, wenn die Person, der internationaler Schutz gewährt wurde, über ausreichende Mittel verfügt und die Kosten für die Person, der internationaler Schutz gewährt wurde, keine unangemessene Belastung darstellen.

(4)   Die zuständigen Behörden dürfen keine Sanktionen gegen Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, verhängen, wenn diese Personen aufgrund von Umständen, auf die sie keinen Einfluss haben, nicht in der Lage sind, an den Integrationsmaßnahmen teilzunehmen.

Artikel 36

Repatriierung

Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde und die repatriiert werden möchten, kann Unterstützung gewährt werden.

KAPITEL VIII

VERWALTUNGSZUSAMMENARBEIT

Artikel 37

Zusammenarbeit

Jeder Mitgliedstaat benennt eine nationale Kontaktstelle für die Zwecke dieser Verordnung und teilt deren Anschrift der Kommission mit. Die Kommission leitet diese Angaben an die übrigen Mitgliedstaaten weiter.

Die Mitgliedstaaten treffen in Abstimmung mit der Kommission alle zweckdienlichen Vorkehrungen für eine direkte Zusammenarbeit und einen Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden.

Artikel 38

Personal

Die Behörden und Organisationen, die diese Verordnung anwenden, müssen die notwendigen Schulungen erhalten haben oder erhalten und sind hinsichtlich aller personenbezogenen Informationen, von denen sie bei der Ausübung ihrer Pflichten Kenntnis erlangen, an den Grundsatz der Vertraulichkeit gebunden, wie er im nationalen Recht definiert ist.

KAPITEL IX

SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 39

Monitoring und Evaluierung

Die Kommission erstattet dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum 13. Juni 2028 und danach alle fünf Jahre Bericht über die Anwendung dieser Verordnung und schlägt erforderlichenfalls die notwendigen Änderungen vor.

Spätestens neun Monate vor Ablauf der in Absatz 1 genannten Frist übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission alle Informationen, die für die Erstellung des in jenem Absatz genannten Berichts sachdienlich sind.

Artikel 40

Änderung der Richtlinie 2003/109/EG

Die Richtlinie 2003/109/EG wird wie folgt geändert:

(1)

Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 3 erhält folgende Fassung:

„Im Fall von Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, wird der Zeitraum zwischen dem Tag der Einreichung des Antrags auf internationalen Schutz, aufgrund dessen internationaler Schutz gewährt wurde, und dem Tag der Ausstellung des in Artikel 24 der Verordnung (EU) 2024/1347 (*1) genannten Aufenthaltstitels in die Berechnung des in Absatz 1 genannten Zeitraums einbezogen.

(*1)  Verordnung (EU) 2024/1347 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Mai 2024 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des gewährten Schutzes, zur Änderung der Richtlinie 2003/109/EG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates ABl. L, 2024/1347, 22.5.2024, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2024/1347/oj).“ "

(2)

In Artikel 4 wird folgender Absatz eingefügt:

„(3a)   Wird eine Person, der internationaler Schutz gewährt wurde, in einem anderen als dem ihr internationalen Schutz gewährenden Mitgliedstaat angetroffen, in dem sie nach dem einschlägigen nationalen, Unions- oder internationalen Recht kein Aufenthaltsrecht hat, so fließt der davor liegende Zeitraum des rechtmäßigen Aufenthalts in dem Mitgliedstaat, der ihr internationalen Schutz gewährt hat, nicht in die Berechnung des in Absatz 1 genannten Zeitraums ein.

Abweichend von Unterabsatz 1 kann ein Mitgliedstaat insbesondere dann, wenn die Person, der internationaler Schutz gewährt wurde, darlegt, dass der widerrechtliche Aufenthalt aufgrund von Umständen erfolgte, auf die sie keinen Einfluss hatte, bestimmen, dass gemäß seinem nationalen Recht die Berechnung des Zeitraums gemäß Absatz 1 nicht unterbrochen wird.“

(3)

Artikel 26 Absatz 1 erhält folgende Fassung:

„Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie bis spätestens zum 23. Januar 2006 nachzukommen. Die Mitgliedstaaten setzen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 3 und Absatz 3a bis zum 12. Juni 2026 nachzukommen. Sie teilen der Kommission umgehend den Wortlaut dieser Vorschriften mit.“

Artikel 41

Aufhebung

Die Richtlinie 2011/95/EU wird mit Wirkung vom 12. Juni 2026 aufgehoben. Bezugnahmen auf die aufgehobenen Richtlinien gelten als Bezugnahmen auf die vorliegende Verordnung und sind nach Maßgabe der Entsprechungstabelle in Anhang II zu lesen.

Soweit die Richtlinie 2004/83/EG (21) des Rates für Mitgliedstaaten, die nicht durch die Richtlinie 2011/95/EU gebunden sind, weiterhin verbindlich war, wird die Richtlinie 2004/83/EG mit Wirkung ab dem Zeitpunkt aufgehoben, zu dem diese Mitgliedstaaten durch die vorliegende Verordnung gebunden sind. Bezugnahmen auf die aufgehobene Richtlinie gelten als Bezugnahmen auf die vorliegende Verordnung.

Artikel 42

Inkrafttreten und Anwendbarkeit

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Diese Verordnung gilt ab dem 1. Juli 2026.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß den Verträgen unmittelbar in den Mitgliedstaaten.

Geschehen zu Brüssel am 14. Mai 2024.

Im Namen des Europäischen Parlaments

Die Präsidentin

R. METSOLA

Im Namen des Rates

Die Präsidentin

H. LAHBIB


(1)   ABl. C 75 vom 10.3.2017, S. 97.

(2)   ABl. C 207 vom 30.6.2017, S. 67.

(3)  Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 10. April 2024 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 14. Mai 2024.

(4)  Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9).

(5)  Verordnung (EU) 2024/1350 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Mai 2024 zur Schaffung eines Unionsrahmens für Neuansiedlung und Aufnahme aus humanitären Gründen sowie zur Änderung der Verordnung (EU) 2021/1147 (ABl. L, 2024/1350, 22.5.2024, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2024/1350/oj).

(6)  Verordnung(EU) 2021/1147des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2021 zur Einrichtung des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (ABl. L 251 vom 15.7.2021, S. 1).

(7)  Verordnung (EU) 2021/2303 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2021 über die Asylagentur der Europäischen Union und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 439/2010 (ABl. L 468 vom 30.12.2021, S. 1).

(8)  Verordnung (EU) 2024/1351 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Mai 2024 über Asyl- und Migrationsmanagement, zur Änderung der Verordnungen (EU) 2021/1147 und (EU) 2021/1060 und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (ABl. L, 2024/1351, 22.5.2024, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2024/1351/oj).

(9)  Verordnung (EU) 2024/1348 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Mai 2024 zur Einführung eines gemeinsamen Verfahrens zur Gewährung internationalen Schutzes in der Union und zur Aufhebung der Richtlinie 2013/32/EU (ABl. L, 2024/1348, 22.5.2024, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2024/1348/oj).

(10)  Richtlinie (EU) 2024/1346 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Mai 2024 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L, 2024/1346, 22.5.2024, ELI: http://data.europa.eu/eli/dir/2024/1346/oj).

(11)  Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates (ABl. L 88 vom 31.3.2017, S. 6).

(12)  Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 des Rates vom 13. Dezember 2004 über Normen für Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten in von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässen und Reisedokumenten (ABl. L 385 vom 29.12.2004, S. 1).

(13)  Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 des Rates vom 13. Juni 2002 zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatsangehörige (ABl. L 157 vom 15.6.2002, S. 1).

(14)  Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl. L 251 vom 3.10.2003, S. 12).

(15)  Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158 vom 30.4.2004, S. 77).

(16)  Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Unionskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) (ABl. L 77 vom 23.3.2016, S. 1).

(17)  Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (ABl. L 239 vom 22.9.2000, S. 19).

(18)  Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. L 16 vom 23.1.2004, S. 44).

(19)  Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 166 vom 30.4.2004, S. 1).

(20)  Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen ( ABl. L 255 vom 30.9.2005, S. 22).

(21)  Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304 vom 30.9.2004, S. 12).


ANHANG I

Informationen, die Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, bereitzustellen sind

Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, werden so bald wie möglich nach Gewährung des internationalen Schutzes mindestens folgende Informationen über die mit der Flüchtlingseigenschaft oder dem Status subsidiären Schutzes verbundenen Rechte und Pflichten zur Verfügung gestellt. Bei Bedarf können die Informationen von verschiedenen Behörden, Diensteanbietern oder zuständigen Kontaktstellen bereitgestellt werden.

I.   

Informationen über die Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt:

a)

Anspruch auf einen Aufenthaltstitel für Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde (Artikel 24):

Informationen darüber, wie und wo ein Aufenthaltstitel beantragt werden kann, und Informationen über die zuständige Behörde oder eine zuständige Kontaktstelle,

b)

Anspruch auf einen Aufenthaltstitel für Familienangehörige von Personen, denen internationaler Schutz gewährt wurde (Artikel 23):

Informationen darüber, wie und wo ein Aufenthaltstitel beantragt werden kann, und Informationen über die zuständige Behörde oder eine zuständige Kontaktstelle,

Informationen über die Rechte, die Familienangehörigen zustehen, denen ein Aufenthaltstitel ausgestellt wurde,

c)

Recht auf Beantragung eines Reisedokuments (Artikel 25):

Informationen darüber, wie und wo ein Reisedokument beantragt werden kann, und Informationen über die zuständige Behörde oder eine zuständige Kontaktstelle,

d)

Recht auf Freizügigkeit innerhalb des Mitgliedstaats und mögliche Beschränkungen dieser Freizügigkeit (Artikel 26):

gegebenenfalls die Pflicht, sich in einer bestimmten Gemeinde niederzulassen oder anzumelden, und Informationen über die zuständige Behörde oder eine zuständige Kontaktstelle,

e)

Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Union (Artikel 27):

die Pflicht, sich in dem Mitgliedstaat aufzuhalten, der internationalen Schutz gewährt hat,

das Recht, sich im Schengen-Raum zu bewegen, und die Bedingungen für die Ausübung dieses Rechts gemäß Artikel 21 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen sowie das Recht, in einem anderen Mitgliedstaat nach Maßgabe des nationalen Rechts dieses Mitgliedstaats oder der einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts oder internationaler Übereinkünfte einen Aufenthalt zu beantragen und dort zugelassen zu werden,

mögliche Sanktionen in Bezug auf die Berechnung der Jahre gemäß der Richtlinie 2003/109/EG und das Wiederaufnahmeverfahren gemäß der Verordnung (EU) 2024/1351, wenn die Person, der internationaler Schutz gewährt wurde, die einschlägigen Vorschriften nicht einhält, die zulässige Aufenthaltsdauer ohne Erlaubnis unter Verstoß gegen das Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen überschreitet oder sich ohne Erlaubnis in einem anderen Mitgliedstaat aufhält.

II.   

Informationen über die Rechte im Zusammenhang mit der Integration:

a)

Recht auf Zugang zu Beschäftigung (Artikel 28):

die Verwaltungsanforderungen für den Zugang zu einer unselbstständigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit,

gegebenenfalls die Beschränkungen im Zusammenhang mit der Beschäftigung im öffentlichen Dienst,

das zuständige Arbeitsamt oder die zuständige Kontaktstelle für zusätzliche Informationen,

b)

Recht auf Zugang zu Bildung für Minderjährige (Artikel 29 Absatz 1):

das Mindestalter für die Schulpflicht,

gegebenenfalls die Verwaltungsanforderungen für den Zugang zum Bildungssystem,

c)

Recht auf Zugang zum allgemeinen Bildungssystem für Erwachsene (Artikel 29 Absatz 2):

die Anforderungen, einschließlich der Verwaltungsanforderungen, für den Zugang zum allgemeinen Bildungssystem,

d)

Recht auf Zugang zu Verfahren für die Anerkennung von Qualifikationen und die Validierung von Kompetenzen (Artikel 30):

die zuständigen nationalen Behörden oder die zuständigen Kontaktstellen für die Bereitstellung von Informationen über reglementierte Berufe, die erst nach der förmlichen Anerkennung der Qualifikationen ausgeübt werden können, und die für eine solche Anerkennung durchzuführenden Verwaltungsverfahren,

e)

Informationen über geeignete Programme für die Beurteilung, Validierung und Anerkennung früher erzielter Lernergebnisse und erworbener Erfahrungen (Artikel 30 Absatz 3):

gegebenenfalls Informationen über solche Programme und eine zuständige Kontaktstelle für weitere Informationen,

f)

Recht auf Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen im Bereich der sozialen Sicherheit (Artikel 31):

eine zuständige Kontaktstelle für weitere Informationen,

g)

Anspruch auf Sozialhilfe (Artikel 31):

gegebenenfalls die Liste der Sozialhilfeleistungen, die Personen, denen der Status subsidiären Schutzes zuerkannt wurde, nicht gewährt werden,

eine zuständige Kontaktstelle für weitere Informationen,

h)

Recht auf medizinische Versorgung unter denselben Voraussetzungen wie Staatsangehörige (Artikel 32):

allgemeine Informationen über die Voraussetzungen für den Zugang zu medizinischer Versorgung,

gegebenenfalls eine Kontaktstelle für Dienste, die Opfern von Missbrauch, Ausbeutung, Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung zur Verfügung stehen,

i)

Recht auf Zugang zu Unterbringung zu denselben Bedingungen wie andere Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhalten (Artikel 34):

gegebenenfalls grundlegende Informationen über verfügbare Sozialwohnungen,

gegebenenfalls die Voraussetzung der Gebietsansässigkeit für Verteilungsmechanismen,

eine zuständige Behörde oder Kontaktstelle für weitere Informationen,

j)

Recht auf Zugang zu als zweckdienlich erachteten Integrationsmaßnahmen, eventuell vorbehaltlich einer obligatorischen Teilnahme (Artikel 35):

gegebenenfalls Informationen über obligatorische Integrationsmaßnahmen,

eine zuständige Kontaktstelle für weitere Informationen;

III.   

Informationen über die besonderen Rechte unbegleiteter Minderjähriger (Artikel 33):

Informationen über das Recht auf einen Vormund und die Pflichten des Vormunds,

genaue Informationen über die Einreichung einer Beschwerde gegen einen Vormund.


ANHANG II

Entsprechungstabelle

Richtlinie 2011/95/EU

Vorliegende Verordnung

Artikel 1

Artikel 1

Artikel 2 Buchstabe a

Artikel 3 Nummer 3

Artikel 2 Buchstabe b

Artikel 3 Nummer 4

Artikel 2 Buchstabe c

Artikel 2 Buchstabe d

Artikel 3 Nummer 5

Artikel 2 Buchstabe e

Artikel 3 Nummer 1

Artikel 2 Buchstabe f

Artikel 3 Nummer 6

Artikel 2 Buchstabe g

Artikel 3 Nummer 2

Artikel 2 Buchstabe h

Artikel 3 Nummer 7

Artikel 2 Buchstabe i

Artikel 3 Nummer 8

Artikel 2 Buchstabe j, einleitender Teil

Artikel 3 Nummer 9, einleitender Teil

Artikel 2 Buchstabe j erster Gedankenstrich

Artikel 3 Nummer 9 Buchstabe a

Artikel 2 Buchstabe j zweiter Gedankenstrich

Artikel 3 Nummer 9 Buchstabe b

Artikel 2 Buchstabe j dritter Gedankenstrich

Artikel 3 Nummer 9 Buchstabe c

Artikel 2 Buchstabe k

Artikel 3 Nummer 10

Artikel 2 Buchstabe l

Artikel 3 Nummer 11

Artikel 2 Buchstabe m

Artikel 3 Nummer 12

Artikel 2 Buchstabe n

Artikel 3 Nummer 13

Artikel 3 Nummern 14, 15, 16, 17 und 18

Artikel 3

Artikel 4 Absätze 1 und 2

Artikel 4 Absätze 1 und 2

Artikel 4 Absatz 3

Artikel 4 Absatz 3 Buchstaben a bis e

 (1)

Artikel 4 Absätze 4 und 5

Artikel 4 Absätze 4 und 5

Artikel 5

Artikel 5

Artikel 6

Artikel 6

Artikel 7

Artikel 7

Artikel 8 Absatz 1

Artikel 8 Absatz 1

Artikel 8 Absätze 2 und 3

Artikel 8 Absatz 2

Artikel 8 Absatz 4

Artikel 8 Absätze 5 und 6

Artikel 9

Artikel 9

Artikel 10 Absätze 1 und 2

Artikel 10 Absätze 1 und 2

Artikel 10 Absatz 3

Artikel 11 Absatz 1

Artikel 11 Absatz 1 Unterabsatz 1

Artikel 11 Absatz 2

Artikel 11 Absatz 2 Buchstaben a und b

Artikel 11 Absatz 3

Artikel 12 Absatz 1

Artikel 12 Absatz 1

Artikel 12 Absatz 2 Buchstaben a, b und c

Artikel 12 Absatz 2 Buchstaben a, b und c

Artikel 12 Absatz 3

Artikel 12 Absatz 3

Artikel 12 Absätze 4 und 5

Artikel 13

Artikel 13

Artikel 14 Absatz 1

Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe a

Artikel 14 Absatz 2

Artikel 14 Absatz 4

Artikel 14 Absatz 3 Buchstabe a

Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe b

Artikel 14 Absatz 3 Buchstabe b

Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe c

Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe a

Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe d

Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b

Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe e

Artikel 14 Absatz 5

Artikel 14 Absatz 2

Artikel 14 Absatz 6

Artikel 14 Absatz 3

Artikel 14 Absatz 4

Artikel 15

Artikel 15

Artikel 16 Absatz 1

Artikel 16 Absatz 1

Artikel 16 Absatz 2

Artikel 16 Absatz 2 Buchstaben a und b

Artikel 16 Absatz 3

Artikel 16 Absatz 3

Artikel 17 Absatz 1 Buchstaben a, b, c und d

Artikel 17 Absatz 1 Buchstaben a, b, c und d

Artikel 17 Absatz 2

Artikel 17 Absatz 2

Artikel 17 Absatz 3

Artikel 17 Absatz 3

Artikel 17 Absätze 4 und 5

Artikel 18

Artikel 18

Artikel 19 Absatz 1

Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe a

Artikel 19 Absatz 2

Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b

Artikel 19 Absatz 3 Buchstabe a

Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b

Artikel 19 Absatz 3 Buchstabe b

Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe c

Artikel 19 Absatz 4

Artikel 19 Absatz 2

Artikel 21

Artikel 21

Artikel 20 Absatz 1

Artikel 20 Absatz 1

Artikel 22

Artikel 20 Absatz 2

Artikel 20 Absatz 3

Artikel 20 Absatz 4

Artikel 20 Absatz 4

Artikel 20 Absatz 4

Artikel 20 Absatz 5

Artikel 20 Absatz 5

Artikel 21 Absatz 1

Artikel 21

Artikel 21 Absatz 2

Artikel 21 Absatz 3

Artikel 22

Artikel 22

Artikel 23 Absatz 1

Artikel 23 Absatz 2

Artikel 23 Absätze 1 und 4

Artikel 23 Absatz 2

Artikel 23 Absatz 3

Artikel 23 Absatz 3

Artikel 23 Absatz 4

Artikel 23 Absatz 5

Artikel 23 Absatz 5

Artikel 23 Absatz 7

Artikel 24 Absatz 1 Unterabsatz 1

Artikel 24 Absatz 2

Artikel 24 Absatz 2

Artikel 26 Absatz 4 Unterabsatz 2

Artikel 25

Artikel 25

Artikel 26 Absatz 1

Artikel 28 Absatz 1

Artikel 26 Absatz 2

Artikel 28 Absatz 2 Buchstaben c und d

Artikel 26 Absatz 3

Artikel 28 Absatz 3

Artikel 26 Absatz 4

Artikel 31

Artikel 27

Artikel 29

Artikel 28 Absätze 1 und 2

Artikel 30 Absätze 1 und 2

Artikel 30 Absatz 3

Artikel 29 Absatz 1

Artikel 31 Absatz 1 Unterabsatz 1

Artikel 31 Absatz 1 Unterabsatz 2

Artikel 29 Absatz 2

Artikel 31 Absatz 2

Artikel 30

Artikel 32

Artikel 31 Absatz 1

Artikel 33 Absatz 1 Unterabsatz 1

Artikel 33 Absatz 1 Unterabsatz 2

Artikel 31 Absätze 2, 3, 4, 5 und 6

Artikel 33 Absätze 2, 3, 4, 5, 6 und 7

Artikel 32

Artikel 34

Artikel 33

Artikel 26

Artikel 34

Artikel 35 Absatz 1

Artikel 35 Absatz 2

Artikel 35

Artikel 36

Artikel 36

Artikel 37

Artikel 37

Artikel 38

Artikel 38

Artikel 39

Artikel 39

Artikel 40

Artikel 40

Artikel 41

Artikel 41

Artikel 42

Artikel 42


(1)  Siehe Artikel 33 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2024/1348.


ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2024/1347/oj

ISSN 1977-0642 (electronic edition)